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Die Gutmenschen und die Prügel
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Lamarck
Radikaler Konstruktivist



Anmeldungsdatum: 28.03.2004
Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main

Beitrag(#418466) Verfasst am: 13.02.2006, 21:24    Titel: Antworten mit Zitat

Hi sascha!

sascha hat folgendes geschrieben:
Ich hab vor einiger Zeit mal folgendes überlegt: Bei uns in der Schule (also als ich damals noch zur Schule gegangen bin, 1975-1986) wurde noch viel gerauft, und Schwächere wurden durchaus oft gehänselt und fertiggemacht. Ich frage mich, ob diese Gewalt im Kindesalter nicht eine Art übler Trick der Evolution ist. Hechtjunge fressen sich nach dem Schlüpfen gegenseitig auf, die Jungen einiger Vogelarten stoßen sich gegenseitig aus dem Nest, Aquarienfische traktieren einen Artgenossen (derselben Spezies), wenn dieser irgendwie andersartig aussieht, oder äußerlich sichtbar krank ist. Ist nicht die absolute Regel, aber ich habe das schon öfter beobachtet. Kommen die jugendliche Gewaltbereitschaft, und möglicherweise auch Mobbing am Arbeitsplatz daher, ich meine ist das eine Art natürlicher, unterschwelliger Trieb, Selektion zu betreiben und vermeintlich genetisch schlechter Ausgestattete vom Fleck weg aus dem Leben zu befördern?
Und auch hier: Lamarck, Dein Typ wird verlangt! Smilie


Im eigentlichen geht es hier um Aggression. Und für diese Aggression sind – jedenfalls mindestens beim Menschen - zwei Dinge Voraussetzung: Testosteron und/oder Frustration. Aggression kann nun entweder eher unspezifisch abreagiert werden oder findet sein spezifisches Ziel - und letzteres wird eher selten der Stärkere bzw. die stärkere Gruppe sein. Es gibt keinen Trieb, Selektion zu betreiben; was hier existiert, ist innerartliche Aggression, die zunimmt, falls Ressourcen entsprechend verknappen. Zu diesem sehr komplexen Thema möchte ich diesen Klassiker als Lektüre empfehlen:


Lorenz, Konrad (1998 [1963]): Das sogenannte Böse. Zur Naturgeschichte der Aggression. Dtv, München.

Ebd., S. 205: "Es gibt also sehr wohl intraspezifische Aggression ohne ihren Gegenspieler, die Liebe, aber es gibt umgekehrt keine Liebe ohne Aggression."






Cheers,

Lamarck
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„Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)

„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)

„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
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caballito
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Anmeldungsdatum: 16.07.2003
Beiträge: 12112
Wohnort: Pet Sematary

Beitrag(#418470) Verfasst am: 13.02.2006, 21:30    Titel: Re: Die Gutmenschen und die Prügel Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Es geht mir eher darum, Kindern schon beizubringen, dass eine Schlägerei nur das letzte Mittel sein sollte, falls man die Situation nicht auf andere Weise lösen kann bzw. sich ihr entziehen kann. Ebenso sollten sie lernen, dass es viele andere Mittel gibt (nämlich von anderen Hilfe zu verlangen), so dass eine Schlägerei nicht nötig sein sollte und dass sie sich deswegen einem anderen (oder mehreren) nicht unterwerfen müssen, einfach nur weil diese körperlich überlegen sind.


Tja, dem wird wohl kaum einer widersprechen wollen ...

Nur änder auch das nicts daran, dass in vierlen Fällen eben die Gesaltanwendung nicht vermieden, sondern nur auf jemand anderen geschoben wird. eöls also nichtd arum geht, dass Gewalt als soclhe geächtet wird, sondern nur die "Selbsjustiz".

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Auf einem Schulhof jedoch hat körperliche Gewalt nichts verloren.


Ein schöner Satz, der nur leider nix nützt, wenn einer trotzdem gewalttätig wird.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ich bin aber immer noch der Meinung, dass dragonflys Aussage "falls doch mal jemand gewalttätig werden sollte, einfach weg zu gehen" sei nicht "realitätskompatibel", falsch ist und dass das Weggehen oft die richtige Lösung sein kann.


Auch dem wird niemand widersprechen. Aber das ist dann aus anderen Gründen so als dem, dass man das eben tut. Sondern das ist dann so, weil man durch die Folgen der Beteiligung weniger zu gewinnen hätte als durch die Folgen des Weggehens.
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Die Gedanken sind frei.

Aber nicht alle Gedanken wissen das.
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caballito
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Anmeldungsdatum: 16.07.2003
Beiträge: 12112
Wohnort: Pet Sematary

Beitrag(#418476) Verfasst am: 13.02.2006, 21:46    Titel: Antworten mit Zitat

@kolja

Daumen hoch!
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Aber nicht alle Gedanken wissen das.
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kolja
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Anmeldungsdatum: 02.12.2004
Beiträge: 16631
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Beitrag(#418626) Verfasst am: 14.02.2006, 01:23    Titel: Antworten mit Zitat

kolja hat folgendes geschrieben:
Das heißt im Umkehrschluss, eine beleidigende Antwort sei auch dann akzeptabel, wenn diese so "treffsicher" gewählt wird, dass sie schmerzhafter empfunden wird als eine Ohrfeige?
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Es bedeutet, dass A lernen muss, mit einer Beleidigung zu leben, ohne gleich zuzuschlagen. Das ist der Punkt für mich.

Warum sollte er nicht einfach lernen, dass Vergeltung in gleich welcher Form gewöhnlich keine gute Idee ist? Wird durch das besondere Tabu für körperliche Gewalt nicht implizit suggeriert, dass nicht-körperliche Vergeltung toleriert wird? Du selbst scheinst es so zu sehen, wenn du schreibst: "Er hätte gleichfalls beleidigen können, das Zuschlagen finde ich jedoch nicht akzeptabel."

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Das subjektiv empfundene Leid kann von anderen nicht nachvollzogen werden. Ein Ehemann kann jederzeit behaupten, dass die Beleidigungen seiner Frau ihn so stark verletzt hätten, dass er dadurch gezwungen war, ihr alle Rippen zu brechen.

Was dritte nachvollziehen können und was nicht (z.B. für eine rechtliche Bewertung) ist eine andere Baustelle (auf die ich in meiner Antwort an Sokrateer noch eingehe). Für die ethische Bewertung eines Gewaltakts zählt für mich nur das subjektiv empfundene Leid des Opfers und inwieweit dies vom Täter vorherzusehen und beabsichtigt war.

Und ich behaupte mal, in vielen praktischen Fällen wird der Täter sehr genau wissen, womit er sein Opfer seelisch quälen kann, daher halte ich diesen Einwand auch für praxisfern.
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kolja
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Beitrag(#418629) Verfasst am: 14.02.2006, 01:25    Titel: Antworten mit Zitat

kolja hat folgendes geschrieben:
Vielleicht gibt es sogar Fälle, in denen Deeskalation nicht möglich oder sinnvoll erscheint und man sich für eine "Vergeltung" des Leids entscheidet. In welchem Maße diese "Vergeltung" angemessen wäre, würde ich wiederum nur an dem dadurch verursachten Leid messen wollen.
Tegularius hat folgendes geschrieben:
Das denke ich nicht. Vielleicht gibt es Fälle, in denen es gerechtfertigt ist, durch körperliche Gewalt ein lang anhaltendes Leiden zu beenden. Vergeltung ist m.E. immer unnötig.

Ich meinte auch keine Handlung, die auf die Befriedigung des Bedürfnisses nach Vergeltung zielt, darum habe "Vergeltung" in Anführungszeichen geschrieben. Ich dachte eher an taktisch-strategisches Handeln, z.B. an den wohlüberlegten Versuch, fortwährende Verletzungen, denen man nicht erfolgreich ausweichen kann, mit einer passenden Reaktion zu beenden.
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kolja
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Anmeldungsdatum: 02.12.2004
Beiträge: 16631
Wohnort: NRW

Beitrag(#418630) Verfasst am: 14.02.2006, 01:25    Titel: Antworten mit Zitat

Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Was ist, wenn die Frau zuerst hergeboxt hat? Was ist, wenn der Mann angefangen hat. Darf eine Frau dann zurückschlagen? Bist du also für totale Tatenlosigkteit bei körperlicher als auch sogenannter psychischer Gewalt?
kolja hat folgendes geschrieben:
Natürlich nicht. Die richtige Reaktion hängt [...]
Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Wenn es keinen wesentlichen Unterschied [zwischen körperlicher und psychischer Gewalt] gibt, warum betrachtest du eine physische Reaktion auf eine psychische Aggression nicht als verhältnismäßig und lehnst diese mit "Natürlich nicht" ab?

Das habe ich nicht gemeint, die Antwort "Natürlich nicht" bezog sich nur auf die Frage "bist du für totale Tatenlosigkeit".

Natürlich bin ich für eine angemessene Reaktion, auf die Ermittlung dieser zielten meine nachfolgenden Fragen. Die Befriedigung des Bedürfnisses nach Vergeltung, egal ob mittels körperlicher oder seelischer Gewalt, zählt für mich gewöhnlich nicht dazu.

Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Lass mich eine verwandte Frage stellen. Eine Frau nervt ihren Mann. Er kommt nach einem stressigen Arbeitstag heim und sie hält ihm dieses und jenes vor, dass er zu wenig verdienen würde und hätte sie doch seinen damaligen erfolgreichen Klassenkamaraden geheiratet .... Er haut ihr eine runter. Daraufhin beginnt sie zu wimmern, geht und bereitet das Abendmahl vor.

Wer ist nun Schuld? Welche Aktion ist wie verachtenswert? Sie, er oder beide gleichermaßen? Falls der Fall vor Gericht kommen sollte (weil die Nachbarn das beobachtet und angezeigt haben), wer sollte dann verurteilt werden? Sie, er, beide, keiner?

Scheinbar wollen beide dem anderen Leid zufügen um ihr erlittenes Leid zu vergelten, daher halte ich beide Verhaltensweisen gleichermaßen für falsch. Eine weitere Abwägung ist wohl ohne Kenntnis der Hintergründe schwierig.

Die Strafbarkeit ist ein eigenständiges Problem, da die Intensität seelischer Grausamkeit von einem Dritten viel schwerer beurteilt werden kann als die Intensität physischer Gewalt. Die für Rechtssprechung notwendige Sicherheit hätte man wohl nur, wenn erwiesen wäre, dass das Opfer seelisch gelitten hat, und erwiesen wäre, dass der Täter dies absehen konnte. In der Praxis könnte es darauf hinauslaufen, dass seelische Gewalt häufiger ungesühnt bliebe als körperliche Gewalt.
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Zuletzt bearbeitet von kolja am 14.02.2006, 01:35, insgesamt 2-mal bearbeitet
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Torsten
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Anmeldungsdatum: 25.09.2003
Beiträge: 3456

Beitrag(#418631) Verfasst am: 14.02.2006, 01:28    Titel: Antworten mit Zitat

Prügelszenen im Irak
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AgentProvocateur
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Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#418674) Verfasst am: 14.02.2006, 11:43    Titel: Antworten mit Zitat

kolja hat folgendes geschrieben:
kolja hat folgendes geschrieben:
Das heißt im Umkehrschluss, eine beleidigende Antwort sei auch dann akzeptabel, wenn diese so "treffsicher" gewählt wird, dass sie schmerzhafter empfunden wird als eine Ohrfeige?
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Es bedeutet, dass A lernen muss, mit einer Beleidigung zu leben, ohne gleich zuzuschlagen. Das ist der Punkt für mich.

Warum sollte er nicht einfach lernen, dass Vergeltung in gleich welcher Form gewöhnlich keine gute Idee ist?

Hmm, Du verlangst sehr viel. Ich nehme mir das Recht heraus, auf eine Beleidigung mit einer Gegenbeleidigung zu reagieren. Auch jedem anderen würde ich dieses Recht zugestehen.

Von Kindern und Jugendlichen zu verlangen, sie sollten Beleidigungen nicht mit gleicher Münze zurückzahlen, halte ich für illusorisch.

kolja hat folgendes geschrieben:
Wird durch das besondere Tabu für körperliche Gewalt nicht implizit suggeriert, dass nicht-körperliche Vergeltung toleriert wird? Du selbst scheinst es so zu sehen, wenn du schreibst: "Er hätte gleichfalls beleidigen können, das Zuschlagen finde ich jedoch nicht akzeptabel."

Ich halte es dagegen nicht für illusorisch, in der Erziehung körperliche Gewalt als unerwünscht darzustellen. Das bedeutet auf der anderen Seite, dass ich eine Beleidigung als sehr viel weniger verletzend empfinde als körperliche Gewalt. Auf eine Beleidigung mit körperlicher Gewalt zu antworten, ist für mich eine nicht akzeptable Eskalation. Eine Beleidigung "Gewalt" zu nennen, widerstrebt mir immer noch.

Körperliche Gewalt beinhaltet ja übrigens auch gleichzeitig eine (meist starke) Komponente von seelische Gewalt und ist alleine aufgrund dessen eine Verschiebung des Konfliktes auf eine andere Ebene.

kolja hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Das subjektiv empfundene Leid kann von anderen nicht nachvollzogen werden. Ein Ehemann kann jederzeit behaupten, dass die Beleidigungen seiner Frau ihn so stark verletzt hätten, dass er dadurch gezwungen war, ihr alle Rippen zu brechen.

Was dritte nachvollziehen können und was nicht (z.B. für eine rechtliche Bewertung) ist eine andere Baustelle (auf die ich in meiner Antwort an Sokrateer noch eingehe). Für die ethische Bewertung eines Gewaltakts zählt für mich nur das subjektiv empfundene Leid des Opfers und inwieweit dies vom Täter vorherzusehen und beabsichtigt war.

Das gefällt mir überhaupt nicht. Wenn man das weiterdenkt, dann kommt man mE unweigerlich dahin, prügelnde Ehemänner oder Väter, messerstechende beleidigte Religiöse und auch Ehrenmorde zu relativieren und ein wenig zu rechtfertigen.

kolja hat folgendes geschrieben:
Und ich behaupte mal, in vielen praktischen Fällen wird der Täter sehr genau wissen, womit er sein Opfer seelisch quälen kann, daher halte ich diesen Einwand auch für praxisfern.

Ich würde eine Beleidigung nicht "seelisch quälen" nennen. Das finde ich sehr übertrieben. Ich kann mir auch schwer "seelische Verletzungen" in einer Ehe vorstellen, die Prügel durch den Ehemann rechtfertigen würden. Wenn er seine Frau nicht mehr erträgt, kann er a) sich auf gleicher Ebene wehren, b) ihr aus dem Weg gehen und c) sich in letzter Konsequenz scheiden lassen, aber Schläge sind mMn auch durch eine noch so große "seelische Verletzung" nicht akzeptabel.
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Shevek
ohne jeglichen Respekt vor Autoritäten



Anmeldungsdatum: 23.01.2006
Beiträge: 4289

Beitrag(#418700) Verfasst am: 14.02.2006, 14:53    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo,

finde ich ja interessant, das ihr davon ausgeht, dass ein Mann sich nicht mit Worten gegen seine stichelnde Ehefrau wehren kann. Bin ja selber so eine stichelnde Ehefrau, und mein Mann kommt da prima mit Sticheln gegen an zynisches Grinsen
Im übrigen fühlen sich prügelnde Ehemänner öfterst mal dadurch maßlos provoziert, dass ihre Frau das Essen nicht rechtzeitig auf dem Tisch hat, die Kinder nach 18 Uhr noch auf sind, oder die Supper versalzen ist. Terror in der Ehe ist selten so, dass sie stichelt und er schlägt.

Körperliche und Psychische Gewalt:
Das ist mir vor allem bei meinen Kindern aufgefallen (und ich kenne es auch von mir): Solange keine Schäden bleiben, ist körperlicher Schmerz nicht schlimmer als seelischer, oft sogar harmloser.

Wenn meine Kinder sich weh tun (Finger klemmen, hinfallen, runterfallen etc.) weinen sie kurz, dann ist gut, wenn ich ihnen ausversehen wehtue, ist es das gleiche.
Aber wenn ich wütend auf sie bin und schimpfe oder gar den Raum verlasse, dann reagieren sie viel verzweifelter. Eine Ohrfeige vermittelt neben dem Schmerz eben immer auch die demütigung, also den seelischen Schmerz.

Man kann Kinder auch richtig fertig machen, mit Worten, vermutlich noch besser als mit Schlägen. Jemandem einreden er/sie sei dumm, häßlich, unnütz und nur eine Last ist grausam und schadet dem Kind für sein ganzes Leben.
Das bedeutet nicht, dass körperliche Gewalt ok ist, nur, dass sie nicht die einzige Form der Gewalt ist.

Und, um zum Schulhof zurück zu kommen, gerade dort kann aus psychischer Gewalt (Beleidigung) körperlicher Gewalt werden. Ihre Ursache dürfte das aber ganz woanders haben. Das Kinder so aggressiv sind und auf die losgehen, die sich nicht wehren, ist bei Schulkindern sozialisiert und nicht angeboren. Kinder bekommen Gewalt zuhause mit, sie erleben Frust und Aggression zu hause und bringen sie auf den Schulhof mit. Diese Aggression muss auch nicht aus körperlicher Gewalt entstehen, es können genauso erlittene Demütigungen in Form von Beleidigungen gewesen sein - durch Eltern die selbst Gewalt erleben, welche bestimmt nicht mehr Körperlich ist.

Ich denke, die Unterscheidung zwischen Verteidigung und Rache ist sehr viel sinnvoller, als die Frage nach der Form der Gewalt. Ich möchte auch nicht ständig beleidigt werden.
Ich ignoriere mal die Position des grundlos andere schikanierens, weil ich denke, das das alle hier daneben finden. Es geht ja um den Umgang mit solchen Schikanen.

Wenn ich mich verteidige ist das Ziel meiner Handlung Angriffe auf mich (oder andere) einzustellen. Das kann Gewalt sein (manche Leute sind so drauf, dass sie erst Ruhe geben, wenn man ihnen ob verbal oder mit der Faust aufs Maul hat). es kann aber auch weggehen sein.

Rache ziehlt darauf jemand anders zu verletzen und macht mich zum Sieger oder Verlierer und erzeugt vor allem weitere Gewalt, weil sich ja der unterlegene nicht einfach so mit der unterlegenen Position abfinden kann, sondern nun seinerseits auf Rache sinnt.

Meine persönliche Erfahrung ist, dass körperliche Gewalt kaum nötig ist. Meistens genügt es dem anderen ins Gesicht zu gehen und laut und deutlich und aggressiv zu sprechen. Zumindest wer eine eher kleine Frau (wie mich zwinkern) angepöbelt hat, zieht spätestens dann den Schwanz ein, wenn diese zeigt, dass sie bereit ist sich zu wehren.

Wenn man aber darauf baut stärker zu sein als alle anderen, wird man irgendwann feststellen, dass es immer einen geben kann, der stärker ist als man selbst.


Grüße

Shevek
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Mario Hahna
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Beitrag(#418720) Verfasst am: 14.02.2006, 16:26    Titel: Antworten mit Zitat

Shevek hat folgendes geschrieben:

Meine persönliche Erfahrung ist, dass körperliche Gewalt kaum nötig ist.



Frauen haben meist keine echte persönliche Erfahrung mit derartigen Auseinandersetzungen. Das ist ein männliches Phänomen. Man kann einer körperlichen Auseinandersetzung fast immer aus dem Weg gehen. Da das aber in bestimmten Schichten/Altersphasen einen Statusverlust bedeutet, ist dieser Weg eben für einige nicht gangbar.
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Shevek
ohne jeglichen Respekt vor Autoritäten



Anmeldungsdatum: 23.01.2006
Beiträge: 4289

Beitrag(#418730) Verfasst am: 14.02.2006, 16:39    Titel: Antworten mit Zitat

Thao hat folgendes geschrieben:
Shevek hat folgendes geschrieben:

Meine persönliche Erfahrung ist, dass körperliche Gewalt kaum nötig ist.



Frauen haben meist keine echte persönliche Erfahrung mit derartigen Auseinandersetzungen. Das ist ein männliches Phänomen. Man kann einer körperlichen Auseinandersetzung fast immer aus dem Weg gehen. Da das aber in bestimmten Schichten/Altersphasen einen Statusverlust bedeutet, ist dieser Weg eben für einige nicht gangbar.

Wer redet von "aus dem Weg gehen"?

Beispiel: Mein 6 jähriger Sohn fährt mit dem Fahrad, ein Fahradfahrer kommt ihm entgegen, da er noch ein zweites Fahrad mit sich führt, ist er wohl etwas unbeholfen, und rempelt mein Kind an. Statt sich zu entschuldigen beschimpft er ihn im weiterfahren.
Ich dreh mich zu ihm um, und beschimpfe ihn nun, sehr wütend (wenns um meine Kinder geht werde ich gefährlich zynisches Grinsen )
Das ist nicht "einer körperlichen Auseinandersetzung aus dem Weg gehen", das ist wohl eher eine körperlicher Auseinandersetzung anbieten.
Ich hab ihn ganz schön angeschnauzt, der Typ hat auch geschnauzt, ist aber dann auf sein Fahrad und weg.

Seine erste Bewegung war ne Drohgebärde, als ich darauf reagiert habe in dem ich einen Schritt auf ihn zu gemacht habe, ist er wieder zurückgewichen.

Allerdings habe ich ihn nicht berührt, ich bin auf der verbalen Ebene geblieben, und er dann auch.

Ich weiß auch von meinem Mann, dass das auch bei Männern funktioniert. Autorität ausstrahlen funktioniert häufig bei autoritären Charakteren. Und dazu muss man nicht schlagen, sondern vor allem sicher auftreten.

Es gibt Leute, die meinen, ich hätte einige Maskuline Verhaltensweisen. zwinkern

Grüße

Shevek
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Mario Hahna
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Anmeldungsdatum: 04.04.2005
Beiträge: 9607
Wohnort: München

Beitrag(#418772) Verfasst am: 14.02.2006, 18:06    Titel: Antworten mit Zitat

Shevek hat folgendes geschrieben:
Thao hat folgendes geschrieben:
Shevek hat folgendes geschrieben:

Meine persönliche Erfahrung ist, dass körperliche Gewalt kaum nötig ist.



Frauen haben meist keine echte persönliche Erfahrung mit derartigen Auseinandersetzungen. Das ist ein männliches Phänomen. Man kann einer körperlichen Auseinandersetzung fast immer aus dem Weg gehen. Da das aber in bestimmten Schichten/Altersphasen einen Statusverlust bedeutet, ist dieser Weg eben für einige nicht gangbar.

Wer redet von "aus dem Weg gehen"?

Beispiel: Mein 6 jähriger Sohn fährt mit dem Fahrad, ein Fahradfahrer kommt ihm entgegen, da er noch ein zweites Fahrad mit sich führt, ist er wohl etwas unbeholfen, und rempelt mein Kind an. Statt sich zu entschuldigen beschimpft er ihn im weiterfahren.
Ich dreh mich zu ihm um, und beschimpfe ihn nun, sehr wütend (wenns um meine Kinder geht werde ich gefährlich zynisches Grinsen )
Das ist nicht "einer körperlichen Auseinandersetzung aus dem Weg gehen", das ist wohl eher eine körperlicher Auseinandersetzung anbieten.
Ich hab ihn ganz schön angeschnauzt, der Typ hat auch geschnauzt, ist aber dann auf sein Fahrad und weg.

Seine erste Bewegung war ne Drohgebärde, als ich darauf reagiert habe in dem ich einen Schritt auf ihn zu gemacht habe, ist er wieder zurückgewichen.

Allerdings habe ich ihn nicht berührt, ich bin auf der verbalen Ebene geblieben, und er dann auch.


He he. Das passiert mir ständig, ich bin ziemlich offensiv. Aber ich weiß genau wann eine körperliche Auseinandersetzung drohen würde, weil ich eben schon genug hatte! Eine körperliche Auseinandersetzung droht so gut wie nie! Für dich als Frau ist es fast unmöglich, in eine körperliche Auseinandersetzung verwickelt zu werden. Die meisten Männer würden dich nicht mal schlagen, wenn du zuerst zuschlägst. Das Statusproblem stellt sich hier eher umgekehrt, wer eine Frau schlägt, verliert Ansehen, er gewinnt keines (zumindest in Deutschland). Frauen, die sich schlagen können nur in ganz wenigen Milieus an Ansehen gewinnen.
Ich reagiere sofort schon körperlich, wenn ich merke dass eine körperliche Auseinandersetzung droht, das liegt am Hormonausstoß. Man wird schmerzunempfindlich und ich werde auch leicht zittrig, aber nicht weil ich Angst habe. Passiert ganz selten und seit ich 20 bin kam es nicht mehr zu einer Schlägerei, obwohl ich so offensiv bin!

Shevek hat folgendes geschrieben:

Ich weiß auch von meinem Mann, dass das auch bei Männern funktioniert. Autorität ausstrahlen funktioniert häufig bei autoritären Charakteren. Und dazu muss man nicht schlagen, sondern vor allem sicher auftreten.


Autorität gibt es auf vielen Gebieten. Was hier zählt ist, wie dein Gegenüber dich einschätzt, außerdem die grundsätzliche Bereitschaft zu körperlicher Gewalt und der Anlass. Da ich mir ein Strafverfahren nicht leisten kann und will (gibt als Jurist üble Probleme), ist meine Bereitschaft, mich tatsächlich zu schlagen nahe Null, nur Notwehr kommt eigentlich in Frage. Ich bluffe also nur.
Dazu kommt eben die Einschätzung des Gegenüber, ist er gefährlich oder nur Opfer.
Ist jetzt zB meine Gewaltbereitschaft hoch und dein Mann in der Opferkategorie, dann knallt es.
Ist die Gewaltbereitschaft hoch, der Anlass sehr erheblich und dein Mann scheint gefährlich, knallt es trotzdem. Usw.

Generell kann man sagen, dass die Gewaltbereitschaft in Deutschland niedrig ist, aber in bestimmten Milieus ist sie hoch.
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RdC
Zyniker



Anmeldungsdatum: 25.11.2004
Beiträge: 740

Beitrag(#418812) Verfasst am: 14.02.2006, 18:45    Titel: Re: Die Gutmenschen und die Prügel Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Tegularius hat folgendes geschrieben:
Nein, nicht zwangsläufig. Es herrscht m.E. der Irrglaube vor, dass man, wenn man auf Druck nicht reagiert, zwangsläufig unterdrückt wird. Die Möglichkeit, die Umstände ganz einfach hinzunehmen und nicht an sich heran zu lassen, wird dabei übersehen.

Nein, ich fühle mich falsch verstanden. Ich meine keineswegs einfaches Hinnehmen von Gewalttätigkeiten. Im Gegenteil. Es geht mir nur um die Wahl der Mittel und ich glaube, dass Gegengewalt meist kontraproduktiv ist.

Mal ein Beispiel: nehmen wir an, jemand haut mir auf die Nase. Dann werde ich nicht zurückhauen, sondern ihn wegen Körperverletzung anzeigen. Daher hat er keine Macht über mich, auch wenn er stärker ist.


Du verstehst anscheinend überhaupt nicht was Gewalt bedeutet.

Die Polizei, die den Körperverletzer im ersten Beispiel dazu zwingt Strafe zu zahlen, wendet Gewalt an, es *IST* somit Gegengewalt.
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caballito
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Anmeldungsdatum: 16.07.2003
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Wohnort: Pet Sematary

Beitrag(#418815) Verfasst am: 14.02.2006, 18:50    Titel: Antworten mit Zitat

showtime

*SCNR*
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kolja
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Beitrag(#418886) Verfasst am: 14.02.2006, 20:32    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Hmm, Du verlangst sehr viel. Ich nehme mir das Recht heraus, auf eine Beleidigung mit einer Gegenbeleidigung zu reagieren.

Du musst tun was du nicht lassen kannst.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Von Kindern und Jugendlichen zu verlangen, sie sollten Beleidigungen nicht mit gleicher Münze zurückzahlen, halte ich für illusorisch.

Wenn du für dich selber das Recht einforderst, "mit gleicher Münze heimzuzahlen", wundert mich diese Einschätzung nicht.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Das bedeutet auf der anderen Seite, dass ich eine Beleidigung als sehr viel weniger verletzend empfinde als körperliche Gewalt. Auf eine Beleidigung mit körperlicher Gewalt zu antworten, ist für mich eine nicht akzeptable Eskalation. Eine Beleidigung "Gewalt" zu nennen, widerstrebt mir immer noch.

Du willst nur zwischen physischer und psychischer Gewalt differenzieren und wirfst damit alle erdenklichen Formen der Beleidigungen in einen Topf. Ich will aber auch zwischen verbalem "Anrempeln" und "Niederschlagen" differenzieren.

Nehmen wir an, du wirst beleidigt. Du kennst die Schwachstellen deines Gegenübers so gut, dass du ihn mit einer gezielten Erwiderung tiefer verletzen kannst als mit einer Ohrfeige. Wenn diese Wirkung von dir beabsichtigt wird, sehe ich nicht ein, warum diese Eskalation eher "akzeptabel" sein sollte, bloß weil sie keine körperliche Gewalt beinhaltet.

Nehmen wir des weiteren an, dein Gegenüber würde daraufhin weiter eskalieren und dir die Fresse polieren. Ich sehe auch nicht ein, warum dein Anteil an dieser Eskalation prinzipiell anders bewertet werden sollte, bloß weil du "nur" mit Worten verletzt hast. Ich würde diese Taktik obendrein für besonders perfide halten, wenn du dein Gegenüber absichtlich so manipulierst, dass er den Tabubruch als erster begeht.

kolja hat folgendes geschrieben:
Für die ethische Bewertung eines Gewaltakts zählt für mich nur das subjektiv empfundene Leid des Opfers und inwieweit dies vom Täter vorherzusehen und beabsichtigt war.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Das gefällt mir überhaupt nicht. Wenn man das weiterdenkt, dann kommt man mE unweigerlich dahin, prügelnde Ehemänner oder Väter, messerstechende beleidigte Religiöse und auch Ehrenmorde zu relativieren und ein wenig zu rechtfertigen.

Das wäre höchstens der Fall, wenn körperliche Gewalt ebensowenig geächtet würde wie es heute bei seelischer Gewalt der Fall ist. Ich will aber das Gegenteil erreichen, nämlich das seelische Gewalt stärker geächtet wird als jetzt.

Außerdem kannst du meinen Standpunkt nur deswegen als Relativierung auffassen, weil du bereits einen prinzipiellen Unterschied zwischen körperlicher und seelischer Gewalt voraussetzt. Ich hingegen betrachte deinen Standpunkt als Relativierung von seelischer Gewalt.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ich würde eine Beleidigung nicht "seelisch quälen" nennen. Das finde ich sehr übertrieben. Ich kann mir auch schwer "seelische Verletzungen" in einer Ehe vorstellen, die Prügel durch den Ehemann rechtfertigen würden.

Und schon wieder unterstellst du mir, ich würde körperliche Gewalt rechtfertigen wollen, obwohl ich doch nichtmal verbales "Heimzahlen" für gerechtfertigt halte!
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Wolf
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Beitrag(#418924) Verfasst am: 14.02.2006, 21:33    Titel: Antworten mit Zitat

@AP: Weswegen sollte man Beleidigungen mit gleicher Münze heimzahlen dürfen, aber einen Faustschlag nicht?
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Trish:(
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AgentProvocateur
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Beitrag(#418945) Verfasst am: 14.02.2006, 22:18    Titel: Antworten mit Zitat

Wolf hat folgendes geschrieben:
@AP: Weswegen sollte man Beleidigungen mit gleicher Münze heimzahlen dürfen, aber einen Faustschlag nicht?

Nein, so meinte ich das nicht. Wenn Du angegriffen wirst und einen Faustschlag bekommst, dann kannst Du Dich mE mit gleichen Mitteln wehren, d.h. ebenso mit körperlicher Gewalt. Das wäre Notwehr und mMn akzeptabel.

Wenn ich aber in einer solchen Situation Gelegenheit hätte, mich der Schlägerei zu entziehen, dann würde ich eher das vorziehen (kommt natürlich auf die Situation an).

Meiner Meinung sollte man aber eine Beleidigung nicht mit einem Faustschlag beantworten, d.h. selber mit der körperlichen Gewalt beginnen. Ich finde, man kann verlangen, dass sich das Gegenüber soweit beherrschen kann.
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Tegularius
surreal



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Beitrag(#418948) Verfasst am: 14.02.2006, 22:27    Titel: Antworten mit Zitat

Dann verstehe ich nicht, warum du der Ansicht bist, dass eine Person versuchen sollte, sich einer Schlägerei zu entziehen, hingegen nicht, dass sie versuchen sollte, sich verbalen Angriffen zu entziehen. Außerdem denke ich, dass man, wenn man erwartet, dass die Person so viel Selbstbeherrschung aufbringt, nicht mit Schlägen auf eine Beleidigung zu reagieren, auch erwarten kann, dass sie nicht mit einer Beleidigung reagiert.

Überhaupt hast du ja geschrieben, dass du dir das Recht herausnimmst, eine Beleidigung mit einer solchen zu vergelten. Daraufhin hat Wolf gefragt, warum das nicht auch für einen Faustschlag gelten sollte. Unangenehm ist beides. Und Vergeltung wäre es auch in beiden Fällen. Warum also einen Unterschied machen?


Zuletzt bearbeitet von Tegularius am 14.02.2006, 22:32, insgesamt einmal bearbeitet
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AgentProvocateur
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Beitrag(#418952) Verfasst am: 14.02.2006, 22:32    Titel: Antworten mit Zitat

kolja hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Das bedeutet auf der anderen Seite, dass ich eine Beleidigung als sehr viel weniger verletzend empfinde als körperliche Gewalt. Auf eine Beleidigung mit körperlicher Gewalt zu antworten, ist für mich eine nicht akzeptable Eskalation. Eine Beleidigung "Gewalt" zu nennen, widerstrebt mir immer noch.

Du willst nur zwischen physischer und psychischer Gewalt differenzieren und wirfst damit alle erdenklichen Formen der Beleidigungen in einen Topf. Ich will aber auch zwischen verbalem "Anrempeln" und "Niederschlagen" differenzieren.

Nehmen wir an, du wirst beleidigt. Du kennst die Schwachstellen deines Gegenübers so gut, dass du ihn mit einer gezielten Erwiderung tiefer verletzen kannst als mit einer Ohrfeige. Wenn diese Wirkung von dir beabsichtigt wird, sehe ich nicht ein, warum diese Eskalation eher "akzeptabel" sein sollte, bloß weil sie keine körperliche Gewalt beinhaltet.

Nehmen wir des weiteren an, dein Gegenüber würde daraufhin weiter eskalieren und dir die Fresse polieren. Ich sehe auch nicht ein, warum dein Anteil an dieser Eskalation prinzipiell anders bewertet werden sollte, bloß weil du "nur" mit Worten verletzt hast. Ich würde diese Taktik obendrein für besonders perfide halten, wenn du dein Gegenüber absichtlich so manipulierst, dass er den Tabubruch als erster begeht.

Gibt es ein Recht darauf, beleidigt zu sein? So beleidigt, dass man sich nur noch mit körperlicher Gewalt wehren kann? Glaubst Du, man kann immer genau abschätzen, wann diese Grenze beim Gegenüber überschritten ist? Ich glaube kaum, dass man das so genau vorhersagen kann. Was ist, wenn die Schwachstelle des Gegenübers in meinen Augen lächerlich gering ist? Kann ich nicht verlangen, dass er sich ein wenig beherrscht?

kolja hat folgendes geschrieben:
kolja hat folgendes geschrieben:
Für die ethische Bewertung eines Gewaltakts zählt für mich nur das subjektiv empfundene Leid des Opfers und inwieweit dies vom Täter vorherzusehen und beabsichtigt war.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Das gefällt mir überhaupt nicht. Wenn man das weiterdenkt, dann kommt man mE unweigerlich dahin, prügelnde Ehemänner oder Väter, messerstechende beleidigte Religiöse und auch Ehrenmorde zu relativieren und ein wenig zu rechtfertigen.

Das wäre höchstens der Fall, wenn körperliche Gewalt ebensowenig geächtet würde wie es heute bei seelischer Gewalt der Fall ist. Ich will aber das Gegenteil erreichen, nämlich das seelische Gewalt stärker geächtet wird als jetzt.

Was ist genau "seelische Gewalt"? Ist das nicht sehr individuell verschieden? Was ist, wenn das Gegenüber beleidigt ist, weil eine Frau kein Kopftuch trägt? Was ist, wenn er beleidigt ist, weil die Ehefrau wieder das Essen versalzen hat und glaubt, sie hätte es absichtlich gemacht? Was ist, wenn sich jemand in seinen religiösen Gefühlen beleidigt fühlt? Ist das seelische Gewalt?

kolja hat folgendes geschrieben:
Außerdem kannst du meinen Standpunkt nur deswegen als Relativierung auffassen, weil du bereits einen prinzipiellen Unterschied zwischen körperlicher und seelischer Gewalt voraussetzt. Ich hingegen betrachte deinen Standpunkt als Relativierung von seelischer Gewalt.

Bei mir ist es umgekehrt, ich betrachte Deinen Standpunkt als Relativierung von körperlicher Gewalt.

kolja hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ich würde eine Beleidigung nicht "seelisch quälen" nennen. Das finde ich sehr übertrieben. Ich kann mir auch schwer "seelische Verletzungen" in einer Ehe vorstellen, die Prügel durch den Ehemann rechtfertigen würden.

Und schon wieder unterstellst du mir, ich würde körperliche Gewalt rechtfertigen wollen, obwohl ich doch nichtmal verbales "Heimzahlen" für gerechtfertigt halte!

Mir scheint, Du würdest alle Aggression unterdrücken wollen. Das halte ich nicht für realistisch.
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Tegularius
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Beitrag(#418954) Verfasst am: 14.02.2006, 22:36    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
kolja hat folgendes geschrieben:
Und schon wieder unterstellst du mir, ich würde körperliche Gewalt rechtfertigen wollen, obwohl ich doch nichtmal verbales "Heimzahlen" für gerechtfertigt halte!

Mir scheint, Du würdest alle Aggression unterdrücken wollen. Das halte ich nicht für realistisch.


Es ist unrealistisch, den Trieb zur Aggression unterbinden zu wollen; ihn nicht auszuleben, ist allerdings durchaus zu bewerkstelligen. Und mit etwas Gewöhnung wird auch die unmittelbare emotionale Reaktion selbst weniger. zwinkern
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annox
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Beitrag(#418959) Verfasst am: 14.02.2006, 22:43    Titel: Antworten mit Zitat

Tegularius hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
kolja hat folgendes geschrieben:
Und schon wieder unterstellst du mir, ich würde körperliche Gewalt rechtfertigen wollen, obwohl ich doch nichtmal verbales "Heimzahlen" für gerechtfertigt halte!

Mir scheint, Du würdest alle Aggression unterdrücken wollen. Das halte ich nicht für realistisch.


Es ist unrealistisch, den Trieb zur Aggression unterbinden zu wollen; ihn nicht auszuleben, ist allerdings durchaus zu bewerkstelligen. Und mit etwas Gewöhnung wird auch die unmittelbare emotionale Reaktion selbst weniger. zwinkern

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AgentProvocateur
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Beitrag(#418965) Verfasst am: 14.02.2006, 22:48    Titel: Antworten mit Zitat

Tegularius hat folgendes geschrieben:
Dann verstehe ich nicht, warum du der Ansicht bist, dass eine Person versuchen sollte, sich einer Schlägerei zu entziehen, hingegen nicht, dass sie versuchen sollte, sich verbalen Angriffen zu entziehen.

Ich denke schon, dass man lernen sollte, sich verbal zu wehren. Das ist mE im Umgang mit anderen Menschen unerlässlich, was aber nicht unbedingt heißt, dass man eskalieren sollte. Kommt auf die Situation darauf an.

Tegularius hat folgendes geschrieben:
Außerdem denke ich, dass man, wenn man erwartet, dass die Person so viel Selbstbeherrschung aufbringt, nicht mit Schlägen auf eine Beleidigung zu reagieren, auch erwarten kann, dass sie nicht mit einer Beleidigung reagiert.

Ich würde auch bei einer Beleidigung versuchen, zu deeskalieren. Das ist aber nicht immer möglich (kommt auf meine Tagesform an, ob ich gelassen reagiere oder nicht). Wenn mich jemand beleidigt, wird er mE nicht besonders überrascht sein, wenn ich mich mit gleichen Mitteln wehre.

Tegularius hat folgendes geschrieben:
Überhaupt hast du ja geschrieben, dass du dir das Recht herausnimmst, eine Beleidigung mit einer solchen zu vergelten. Daraufhin hat Wolf gefragt, warum das nicht auch für einen Faustschlag gelten sollte. Unangenehm ist beides. Und Vergeltung wäre es auch in beiden Fällen. Warum also einen Unterschied machen?

Eine Beleidigung mit einem Faustschlag zu beantworten ist mMn eine zu große Eskalation. Ich finde es eine wertvolle zivilisatorische Errungenschaft, Konflikte mit Worten auszutragen.
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Tegularius
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Beitrag(#418972) Verfasst am: 14.02.2006, 22:57    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Tegularius hat folgendes geschrieben:
Außerdem denke ich, dass man, wenn man erwartet, dass die Person so viel Selbstbeherrschung aufbringt, nicht mit Schlägen auf eine Beleidigung zu reagieren, auch erwarten kann, dass sie nicht mit einer Beleidigung reagiert.

Ich würde auch bei einer Beleidigung versuchen, zu deeskalieren. Das ist aber nicht immer möglich (kommt auf meine Tagesform an, ob ich gelassen reagiere oder nicht). Wenn mich jemand beleidigt, wird er mE nicht besonders überrascht sein, wenn ich mich mit gleichen Mitteln wehre.


Wenn dich jemand schlägt, wird er auch nicht überrascht sein, wenn du zurückschlägst. (Wie gesagt: es geht hier nicht darum, sich zu wehren bzw. einen Angriff abzufangen, sondern um Vergeltung, also im Grunde um das Starten eines neuen Angriffes. Gegen eine Beleidigung kann man sich ohnehin nicht wehren bzw. sie unterbinden; man kann sich höchstens rächen.)

Zitat:
Tegularius hat folgendes geschrieben:
Überhaupt hast du ja geschrieben, dass du dir das Recht herausnimmst, eine Beleidigung mit einer solchen zu vergelten. Daraufhin hat Wolf gefragt, warum das nicht auch für einen Faustschlag gelten sollte. Unangenehm ist beides. Und Vergeltung wäre es auch in beiden Fällen. Warum also einen Unterschied machen?

Eine Beleidigung mit einem Faustschlag zu beantworten ist mMn eine zu große Eskalation. Ich finde es eine wertvolle zivilisatorische Errungenschaft, Konflikte mit Worten auszutragen.


Ja, aber es ging ja darum, einen Faustschlag mit einem Faustschlag zu beantworten. Dass es sich nicht zwingend um Notwehr handeln muss, sieht man ja daran, dass eine vergeltende Beleidigung ebenfalls keine Notwehr darstellt, sondern eben Vergeltung.
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AgentProvocateur
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Beitrag(#418995) Verfasst am: 14.02.2006, 23:28    Titel: Antworten mit Zitat

Tegularius hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Tegularius hat folgendes geschrieben:
Überhaupt hast du ja geschrieben, dass du dir das Recht herausnimmst, eine Beleidigung mit einer solchen zu vergelten. Daraufhin hat Wolf gefragt, warum das nicht auch für einen Faustschlag gelten sollte. Unangenehm ist beides. Und Vergeltung wäre es auch in beiden Fällen. Warum also einen Unterschied machen?

Eine Beleidigung mit einem Faustschlag zu beantworten ist mMn eine zu große Eskalation. Ich finde es eine wertvolle zivilisatorische Errungenschaft, Konflikte mit Worten auszutragen.

Ja, aber es ging ja darum, einen Faustschlag mit einem Faustschlag zu beantworten. Dass es sich nicht zwingend um Notwehr handeln muss, sieht man ja daran, dass eine vergeltende Beleidigung ebenfalls keine Notwehr darstellt, sondern eben Vergeltung.

Hmm, Du hast jetzt keine konkrete Frage gestellt, aber ich nehme mal an, es geht Dir darum, was für mich der Unterschied zwischen einer aggressiven verbalen Auseinandersetzung (Beleidigung versus Gegenbeleidigung) und einer Schlägerei ist.

Ich denke, dass Aggressionen unvermeidlich sind und dass diese deshalb ausgetragen werden müssen. Einen Unterschied würde ich noch sehen zwischen Erwachsenen (von denen ich mehr Beherrschung verlange) und Kindern bzw. Jugendlichen (die diese Beherrschung noch nicht gelernt haben). Da ich eben glaube, dass diese Konflikte unvermeidlich sind, ist es mE ein Ziel von Erziehung, die Konflikte auf die verbale Ebene zu beschränken, da sie dann wenigstens keine körperlichen Folgeschäden haben können. Auf ein "Blödmann" darf kein Faustschlag folgen, aber ein herzliches "Arschloch" finde ich als Antwort durchaus angemessen. Aus meiner Erfahrung mit Kindern und Jugendlichen stufe ich eine Forderung nach Unterlassung dieser Erwiderung als unrealistisch ein.

Eine Auseinandersetzung zwischen Kindern und Jugendlichen auf dieser Beleidigungsebene halte ich also für fast unvermeidlich, was auf der anderen Seite aber nicht heißt, dass es auch sehr schlimme seelische Verletzungen gibt (Mobbing), welche natürlich ebenso unterbunden werden müssen wie das Faustargument.
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kolja
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Beitrag(#419005) Verfasst am: 14.02.2006, 23:46    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Gibt es ein Recht darauf, beleidigt zu sein?

Weder habe ich das behauptet, noch ist es für meinen Standpunkt von Bedeutung.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
So beleidigt, dass man sich nur noch mit körperlicher Gewalt wehren kann?

In der bisherigen Diskussion ging es nicht mehr darum, sich zu wehren, sondern nur noch darum, eine erlittene Beleidigung zu vergelten, was du in Ordnung findest, solange es nicht mittels körperlicher Gewalt geschieht.

Sich zu wehren würde aber bedeuten, dass man versucht, ein drohendes Leid von sich abzuwehren. Wenn die Beleidigung aber bereits erlitten wurde, lässt sich dieses Leid nicht mehr abwehren, auch nicht dadurch, dass ich dem Täter "mit gleicher Münze heimzahle". Das Motiv dazu ist nur noch Vergeltung.

Verstehst du nicht, dass ich diese beiden Motive völlig unterschiedlich bewerte?

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Glaubst Du, man kann immer genau abschätzen, wann diese Grenze beim Gegenüber überschritten ist? Ich glaube kaum, dass man das so genau vorhersagen kann.

Warscheinlich nicht immer, aber es kann durchaus der Fall sein. Deshalb habe ich in meinem konkreten Beispiel auch unterstellt, dass der Täter dies genau genug einschätzen kann und diese Möglichkeit absichtlich ausschöpft, um sein erlittenes Leid zu vergelten.

Mich interessiert immer noch deine Antwort auf die Frage, die schon längere Zeit im Raum steht: Ist diese Form der Vergeltung aus deiner Sicht allein deswegen weniger verwerflich, weil keine körperliche Gewalt angewendet wird?

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Was ist, wenn die Schwachstelle des Gegenübers in meinen Augen lächerlich gering ist? Kann ich nicht verlangen, dass er sich ein wenig beherrscht?

Das könntest du erwarten, wenn du seine "Beleidigungsschwelle" wegen eines anderen wichtigen Ziels verletzen musst. Ist Vergeltung für eine erlittene Beleidigung solch ein wichtiges Ziel?

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Was ist genau "seelische Gewalt"? Ist das nicht sehr individuell verschieden?

Natürlich, das habe ich hier im Thread auch bestimmt schon zehnmal geschrieben.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Was ist, wenn das Gegenüber beleidigt ist, weil eine Frau kein Kopftuch trägt? Was ist, wenn er beleidigt ist, weil die Ehefrau wieder das Essen versalzen hat und glaubt, sie hätte es absichtlich gemacht? Was ist, wenn sich jemand in seinen religiösen Gefühlen beleidigt fühlt? Ist das seelische Gewalt?

Das sind alles keine Fälle, in denen der einzige Zweck einer Handlung in der Zufügung von Leid bestand.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Bei mir ist es umgekehrt, ich betrachte Deinen Standpunkt als Relativierung von körperlicher Gewalt.

Wie schon gesagt, kann diese Feststellung kein Argument für eine prinzipielle Abgrenzung zwischen physischer und psychischer Gewalt sein, weil von einer Relativierung nur dann geredet werden könnte, wenn bereits eine Grenze existiert, die verwischt werden könnte. Du setzt bereits voraus, was eigentlich erst begründet werden soll.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Mir scheint, Du würdest alle Aggression unterdrücken wollen. Das halte ich nicht für realistisch.

Wenn Aggression einmal da sind, sollte man sie nicht unterdrücken, sondern nur vermeiden, dass sie gegen Menschen gerichtet werden. (Wenn du deine Aggressionen unbedingt abreagieren musst, dann trete halt gegen den nächsten Mülleimer. zwinkern) Ansonsten halte ich es für zweckmässig, sich um eine Einstellung zu bemühen, die die Entstehung von Agressionen vermeidet.
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Zuletzt bearbeitet von kolja am 14.02.2006, 23:58, insgesamt einmal bearbeitet
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Beitrag(#419010) Verfasst am: 14.02.2006, 23:56    Titel: Antworten mit Zitat

In beiden Fällen: Körperliche Gewalt und Seelische Gewalt, gibt es verschiedene Stufen. Und auf beiden Ebenen kann man Eskalieren, Deeskalieren, sich rächen und sich verteidigen.

Es gibt Leute die völlig überreagieren, aber das gilt genauso wenn sie auf der Verbalen Ebene bleiben. Eine Frau die kein Kopftuch trägt als Hure zu betiteln ist sicher nicht angemessen, genauso ist es nicht ok einer Frau zu sagen sie sei das letzte und ein Stück Dreck, weil etwas viel Salz in der Suppe ist.

Es gibt auch auf körperlicher Ebene Unterschiede, und nicht jeder Schlag befördert das Gegenüber gleich ins Krankenhaus.

Klar, Beleidigungen sind suptiler und schwerer greifbar, aber deswegen sind sie nicht besser, und man kann andere mit Worten zutiefst treffen und aufbauen. Worte können sehr viel bewirken.

Grüße

Shevek
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kolja
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Beitrag(#419033) Verfasst am: 15.02.2006, 00:30    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ich denke, dass Aggressionen unvermeidlich sind und dass diese deshalb ausgetragen werden müssen. [...] Da ich eben glaube, dass diese Konflikte unvermeidlich sind, ist es mE ein Ziel von Erziehung, die Konflikte auf die verbale Ebene zu beschränken, da sie dann wenigstens keine körperlichen Folgeschäden haben können. Auf ein "Blödmann" darf kein Faustschlag folgen, aber ein herzliches "Arschloch" finde ich als Antwort durchaus angemessen. Aus meiner Erfahrung mit Kindern und Jugendlichen stufe ich eine Forderung nach Unterlassung dieser Erwiderung als unrealistisch ein.

Wenn es nur bei einem gelegentlichen "Du Blödmann" - "Du Arschloch" bleibt, finde ich das zwar bedauerlich und würde es auch nicht gutheißen, halte es aber für vergleichsweise harmlos. Auf der körperlichen Ebene würde ich das vielleicht mit folgenlosem "Sparring" oder "Rangeleien" vergleichen - ist zwar nicht mein Fall, aber auch vergleichsweise harmlos.

Leider wird es nicht immer dabei bleiben, sondern manchmal weiter eskalieren. Durch ein Tabu speziell nur für körperliche Gewalt werden vielleicht körperliche Folgeschäden vermieden, gegen seelische Folgeschäden wird dadurch aber gar nichts ausgerichtet. Eigentlich wird die verbale Eskalation durch das Tabu sogar begünstigt, da sie als legitime Alternative erscheinen muss. Daher verstehe ich den Sinn dieser Abgrenzung nicht und halte sie eher für schädlich. Jegliches Zufügen von Leid zum Abbau von Aggressionen sollte tabu sein.

Ich bin auch nicht der Meinung, das Kinder ihre Aggressionen nur in einer Kette von Beleidigungen und Gegenbeleidigungen austragen können. Ziel von Erziehung sollte es sein, weniger schädliche Wege zum Agressionsabbau und zur Austragung von Konflikten aufzuzeigen. Außerdem sollten Kinder dafür sensibilisiert werden, wie verletzend auch Worte sein können.
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Beitrag(#419072) Verfasst am: 15.02.2006, 02:32    Titel: Antworten mit Zitat

kolja hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
So beleidigt, dass man sich nur noch mit körperlicher Gewalt wehren kann?

In der bisherigen Diskussion ging es nicht mehr darum, sich zu wehren, sondern nur noch darum, eine erlittene Beleidigung zu vergelten, was du in Ordnung findest, solange es nicht mittels körperlicher Gewalt geschieht.

Sich zu wehren würde aber bedeuten, dass man versucht, ein drohendes Leid von sich abzuwehren. Wenn die Beleidigung aber bereits erlitten wurde, lässt sich dieses Leid nicht mehr abwehren, auch nicht dadurch, dass ich dem Täter "mit gleicher Münze heimzahle". Das Motiv dazu ist nur noch Vergeltung.

Verstehst du nicht, dass ich diese beiden Motive völlig unterschiedlich bewerte?

Nein, den Unterschied verstehe ich tatsächlich nicht. Ist für Dich Vergeltung gleichbedeutend mit Rache und daher negativ zu bewerten? Bei Wikipedia wird man übrigens interessanterweise bei Vergeltung weitergeleitet zu "Soziale Sanktion".

Wenn mich jemand beleidigt und ich beleidige zurück, dann fällt das für mich unter sich wehren. Dieses sich wehren hat mehrere Funktionen: a) wird dem Kontrahenten etwas entgegengesetzt, was ihn vielleicht davon abhält, seine Aggression aufrechtzuerhalten und weiterzuführen und b) kann es für das Gefühl der eigenen Stärke wichtig sein.

kolja hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Was ist, wenn die Schwachstelle des Gegenübers in meinen Augen lächerlich gering ist? Kann ich nicht verlangen, dass er sich ein wenig beherrscht?

Das könntest du erwarten, wenn du seine "Beleidigungsschwelle" wegen eines anderen wichtigen Ziels verletzen musst. Ist Vergeltung für eine erlittene Beleidigung solch ein wichtiges Ziel?

Wie gesagt, das mir der Vergeltung verstehe ich noch nicht so ganz. Aber sich wehren zu können finde ich schon ein wichtiges Ziel.

kolja hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ich denke, dass Aggressionen unvermeidlich sind und dass diese deshalb ausgetragen werden müssen. [...] Da ich eben glaube, dass diese Konflikte unvermeidlich sind, ist es mE ein Ziel von Erziehung, die Konflikte auf die verbale Ebene zu beschränken, da sie dann wenigstens keine körperlichen Folgeschäden haben können. Auf ein "Blödmann" darf kein Faustschlag folgen, aber ein herzliches "Arschloch" finde ich als Antwort durchaus angemessen. Aus meiner Erfahrung mit Kindern und Jugendlichen stufe ich eine Forderung nach Unterlassung dieser Erwiderung als unrealistisch ein.

Wenn es nur bei einem gelegentlichen "Du Blödmann" - "Du Arschloch" bleibt, finde ich das zwar bedauerlich und würde es auch nicht gutheißen, halte es aber für vergleichsweise harmlos. Auf der körperlichen Ebene würde ich das vielleicht mit folgenlosem "Sparring" oder "Rangeleien" vergleichen - ist zwar nicht mein Fall, aber auch vergleichsweise harmlos.

Freundschaftliche Rangeleien gibt es auch, aber darüber reden wir wohl nicht. Eine aggressive Rangelei mit Wut jedoch artet nach meiner Erfahrung bei Kinder sehr schnell aus, weswegen ich eine solche sehr schnell beenden würde.

kolja hat folgendes geschrieben:
Leider wird es nicht immer dabei bleiben, sondern manchmal weiter eskalieren. Durch ein Tabu speziell nur für körperliche Gewalt werden vielleicht körperliche Folgeschäden vermieden, gegen seelische Folgeschäden wird dadurch aber gar nichts ausgerichtet. Eigentlich wird die verbale Eskalation durch das Tabu sogar begünstigt, da sie als legitime Alternative erscheinen muss.

Naja, Du möchtest aber ein Tabu auch für Beleidigungen. Wenn es gar keine Alternative mehr gibt, was bleibt denn dann? Wie gesagt, eskalieren nach meiner Erfahrung körperliche Auseinandersetzungen sehr schnell, so dass es zu ernsten Verletzungen kommen kann, bei verbalen Auseinandersetzungen ist das anders. Verbale Auseinandersetzungen führen übrigens mMn dann nicht zu Folgeschäden, wenn sich das angegriffene Kind wehren darf und dies auch kann. Folgeschäden gibt es eher dann, wenn das Kind die Aggressionen nicht zurückgeben kann, sondern diese in sich hineinfrisst.

kolja hat folgendes geschrieben:
Daher verstehe ich den Sinn dieser Abgrenzung nicht und halte sie eher für schädlich. Jegliches Zufügen von Leid zum Abbau von Aggressionen sollte tabu sein.

Das halte ich für eine schöne Utopie.

kolja hat folgendes geschrieben:
Ich bin auch nicht der Meinung, das Kinder ihre Aggressionen nur in einer Kette von Beleidigungen und Gegenbeleidigungen austragen können. Ziel von Erziehung sollte es sein, weniger schädliche Wege zum Agressionsabbau und zur Austragung von Konflikten aufzuzeigen. Außerdem sollten Kinder dafür sensibilisiert werden, wie verletzend auch Worte sein können.

Das widerspricht nicht dem, was ich sage. Klar sollten alle Möglichkeiten zur Aggressionsvermeidung ausgeschöpft werden, aber solange es Aggressionen gibt, bin ich eben dafür, körperliche Gewalt nicht zuzulassen, sondern auf verbaler Auseinandersetzung zu bestehen.
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Tegularius
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Anmeldungsdatum: 28.07.2005
Beiträge: 2002

Beitrag(#419078) Verfasst am: 15.02.2006, 07:52    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wenn mich jemand beleidigt und ich beleidige zurück, dann fällt das für mich unter sich wehren. Dieses sich wehren hat mehrere Funktionen: a) wird dem Kontrahenten etwas entgegengesetzt, was ihn vielleicht davon abhält, seine Aggression aufrechtzuerhalten und weiterzuführen und b) kann es für das Gefühl der eigenen Stärke wichtig sein.


A) oder es wird ihm etwas geliefert, was seine Aggressionen weiter schürt (wo ja stets von Eskalation und Deeskalation die Rede ist; gewöhnlich wird eine Beleidigung wohl eher zu ersterem beitragen als zu letzterem) und b) es ist m.E. für das Gefühl der eigenen Stärke wesentlich förderlicher, seine Aggressionen unter Kontrolle zu halten. Wer sich selbst beherrscht, ist meiner Meinung nach stärker als einer, der einem anderen aufgrund seiner unkontrollierten Aggression Beleidigungen an den Kopf wirft (dazu gehört nun wahrlich nicht viel).

"Wenn jemand deinen Körper dem ersten besten, der dir begegnet, übergeben würde, dann wärst du empört. Daß du aber dein Herz jedem Beliebigen überläßt, und es sich, wenn du beschimpft wirst, aufregt und aus der Fassung gerät - deshalb schämst du dich nicht?" (Epiktet)
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Shevek
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Beitrag(#419109) Verfasst am: 15.02.2006, 10:51    Titel: Antworten mit Zitat

Ich habe einen recht sanften, ruhigen Sohn.
Wenn er geschlagen wird oder Kinder gemein zu ihm sind, zieht er sich zurück.
Gleichzeitig ist er ein überaus charmanter kleiner Junge, der es schafft, dass die Leute ihn einfach mögen - im allgemeinen indem er einfach nett ist.

Im Kindergarten hat er keine Probleme mit irgendwelchen Schlägertypen. Selbst schwierige Kinder spielen ganz friedlich mit ihm, denn gegen sein weggehen gibt es keine Methode, als eben nett genug zu sein, damit er wieder kommt und weiter mit einem spielt.

Er unterläuft Gewalt und sucht andere Wege seine Ziele zu erreichen. Deswegen ist er nicht hilflos oder schwach. Er kann sehr gut seine Meinung vertreten und auch wütend werden und das rüberbringen. Er reagiert auf Gewalt nur nicht mit Gegengewalt. Wozu auch? So würde er sich nur von dem anderen sein Verhalten diktieren lassen.
Interessant ist das dann auch im Umgang mit Erwachsenen, die ja definitiv stärker sind: Mit denen kann er nämlich auf diese Weise auch gut umgehen: Er weicht der Gewalt aus und wird von ihr nicht weiter berührt. Nur wenn es nötig ist, dreht er sich um und kämpft, und das auch gegen Erwachsene erfolgreich (ok, letzteres kann daran liegen, dass häufig Mama dahinter steht, und aufpasst, dass kein Erwachsener ihrem Kind was tut).
Aber das Umfeld ist ja auch sonst da, und das reagiert anders, wenn jemand der dauernd gepisakt wird, sich irgendwann wehrt, als wenn jemand auf jede Provokation sofort reagiert. Nicht jedes Umfeld huldigt dem Sieger.
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