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Mojud registrierter User
Anmeldungsdatum: 16.11.2005 Beiträge: 344
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(#421342) Verfasst am: 22.02.2006, 09:32 Titel: Lenski und "seine" Escherichia Coli |
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Nachdem El Schwalmo es anscheinend geschafft hat, einen etwas unaufgeregteren Thread zu starten, möchte ich das auch versuchen.
Ich bin durch die Diskussionen der letzten Tage auf Lenski gestossen. Er rühmt sich 300 000 Generationen von E. Coli nicht nur beobachtet zu haben und dabei besonders auf das "Treiben" in ihren Genen geachtet zu haben. Er und sein Team haben auch zahlreiche Experimente mit den "lieben Tierchen" gemacht.
Für die Laien : E. Coli ist ein Bakterium, das für den Menschen recht bedeutetend ist und zwar hauptsächlich in zwei Formen : 1. es lebt im menschlichen Darm und ist dort harmlos, manche sagen, es sei ein Symbiont. 2. es ist in anderen Teilen des Menschlichen Körpers ein Krankheitserreger - zum Beispiel in den Harnwegen.
Hier ein Zitat und ein Link von seiner Website, leider funktionieren dort viele Links zu abstracts nicht.
http://www.msu.edu/~lenski/ ( seine Website )
http://www.im.microbios.org/04december98/06%20Lenski.pdf daraus :"But there is a caveat The preceding evidence indicates that resistant bacteria are often at a competitive disadvantage relative to their sensitive counterparts when there is no antibiotic present in the environment. However, there is an important qualification to this conclusion: These studies have been performed by putting an antibiotic-resistance gene (either a plasmid-encoded function or a chromosomal mutation) into a “naive” bacterium, one which has no evolutionary history of association with that resistance gene. An important question, therefore, is whether the cost of resistance can be reduced or even eliminated by allowing the bacterium to adapt to the resistance gene. I will now review
several experimental studies that have addressed this issue."
Was sie anscheinend machen ist folgendes : sie nehmen das was sie für einen Teil des Genoms halten, der zu einer Fähigkeit des Bakteriums, nämlich Resistenz gegen Antibiotika zu entwickeln, in Beziehung steht und übertragen es in andere Bakterien, die weniger "gut" darin sind Resistenz gegen Antibiotika zu entwickeln.
Das Anliegen dieser Experimente ist auf den ersten Blick gesehen ehrenhaft. Aber wissen Lenski et al was sie da tun ? Welche "Nebenwirkungen" können solche Experimente haben ? Könnten sie dadurch nicht auch extrem resistente Stämme züchten ?
Mich wundert, dass hierzu keine Meldungen über Alarmrufe von Ethikkommissionen Schlagzeilen machen, aber vielleicht habe ich das nur nicht wahrgenommen.
Was Lenski macht, sieht für mich nach Zauberlehrling aus.
Weiss jemand genaueres ? Was denkt Ihr über solche Experimente der Genetiker ?
_________________ "The most beautiful experience we can have is the mysterious. It is the fundamental emotion which stands at the cradle of true art and true science. " Einstein in Michio Kaku, Parallel Worlds
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korf registrierter User
Anmeldungsdatum: 18.08.2005 Beiträge: 358
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(#421349) Verfasst am: 22.02.2006, 10:57 Titel: Re: Lenski und "seine" Escherichia Coli |
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Mojud hat folgendes geschrieben: | Was sie anscheinend machen ist folgendes : sie nehmen das was sie für einen Teil des Genoms halten, der zu einer Fähigkeit des Bakteriums, nämlich Resistenz gegen Antibiotika zu entwickeln, in Beziehung steht und übertragen es in andere Bakterien, die weniger "gut" darin sind Resistenz gegen Antibiotika zu entwickeln.
Das Anliegen dieser Experimente ist auf den ersten Blick gesehen ehrenhaft. Aber wissen Lenski et al was sie da tun ? Welche "Nebenwirkungen" können solche Experimente haben ? Könnten sie dadurch nicht auch extrem resistente Stämme züchten ?
Mich wundert, dass hierzu keine Meldungen über Alarmrufe von Ethikkommissionen Schlagzeilen machen, aber vielleicht habe ich das nur nicht wahrgenommen.
Was Lenski macht, sieht für mich nach Zauberlehrling aus.
Weiss jemand genaueres ? Was denkt Ihr über solche Experimente der Genetiker ? |
In einem ordentlich geführten Labor werden genetisch veränderte Organismen nicht freigesetzt, dagegen gibt es umfangreiche Sicherungsmaßnahmen. Außerdem werden solche Experimente mit Laborstämmen und nicht dem Wildtyp durchgeführt, die nur unter speziellen Bedingungen lebensfähig sind, also keine Population im Darm bilden können. Experimente mit E.coli Wildtyp fallen (zumindest in D) unter eine verschärfte Sicherheitsstufe, erfordern also Sicherheitsschleusen usw.
Natürlich ist es nicht 100% ausgeschlossen, daß trotzdem Keime freigesetzt werden, allerdings dürfte das ein ganz kleines Problem sein gegenüber der Resistenzzüchtung in der Massentierhaltung und durch die vorschnelle Anwendung von Antibiotika in der Medizin.
Beachten muss man auch, daß im Labor normalerweise nur eine geringe Anzahl von Antibiotika verwendet wird, die medizinisch zunehmend bedeutungsloser wreden (eben wegen der Resistenzbildung), während in der Medizin eine viel größere Anzahl verwendet wird und ständig neue entwickelt werden.
Die ethische Diskussion war m.E. vor 10-15 Jahren wesentlich heftiger und ist mit zunehmender Erfahrung mit/Gewöhnung an solche Experimente abgeflaut. Vielleicht kannst Du nochmal deutlich machen, welche ethischen Probleme Du über die Gefährdung durch resistente Keime hinaus noch siehst.
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Mojud registrierter User
Anmeldungsdatum: 16.11.2005 Beiträge: 344
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(#421385) Verfasst am: 22.02.2006, 13:50 Titel: Re: Lenski und "seine" Escherichia Coli |
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korf hat folgendes geschrieben: | Mojud hat folgendes geschrieben: | Was sie anscheinend machen ist folgendes : sie nehmen das was sie für einen Teil des Genoms halten, der zu einer Fähigkeit des Bakteriums, nämlich Resistenz gegen Antibiotika zu entwickeln, in Beziehung steht und übertragen es in andere Bakterien, die weniger "gut" darin sind Resistenz gegen Antibiotika zu entwickeln.
Das Anliegen dieser Experimente ist auf den ersten Blick gesehen ehrenhaft. Aber wissen Lenski et al was sie da tun ? Welche "Nebenwirkungen" können solche Experimente haben ? Könnten sie dadurch nicht auch extrem resistente Stämme züchten ?
Mich wundert, dass hierzu keine Meldungen über Alarmrufe von Ethikkommissionen Schlagzeilen machen, aber vielleicht habe ich das nur nicht wahrgenommen.
Was Lenski macht, sieht für mich nach Zauberlehrling aus.
Weiss jemand genaueres ? Was denkt Ihr über solche Experimente der Genetiker ? |
In einem ordentlich geführten Labor werden genetisch veränderte Organismen nicht freigesetzt, dagegen gibt es umfangreiche Sicherungsmaßnahmen. Außerdem werden solche Experimente mit Laborstämmen und nicht dem Wildtyp durchgeführt, die nur unter speziellen Bedingungen lebensfähig sind, also keine Population im Darm bilden können. Experimente mit E.coli Wildtyp fallen (zumindest in D) unter eine verschärfte Sicherheitsstufe, erfordern also Sicherheitsschleusen usw.
Natürlich ist es nicht 100% ausgeschlossen, daß trotzdem Keime freigesetzt werden, allerdings dürfte das ein ganz kleines Problem sein gegenüber der Resistenzzüchtung in der Massentierhaltung und durch die vorschnelle Anwendung von Antibiotika in der Medizin.
Beachten muss man auch, daß im Labor normalerweise nur eine geringe Anzahl von Antibiotika verwendet wird, die medizinisch zunehmend bedeutungsloser wreden (eben wegen der Resistenzbildung), während in der Medizin eine viel größere Anzahl verwendet wird und ständig neue entwickelt werden.
Die ethische Diskussion war m.E. vor 10-15 Jahren wesentlich heftiger und ist mit zunehmender Erfahrung mit/Gewöhnung an solche Experimente abgeflaut. Vielleicht kannst Du nochmal deutlich machen, welche ethischen Probleme Du über die Gefährdung durch resistente Keime hinaus noch siehst. |
Grundsätzliche ! Ich habe mal einen Störfall bei einem bekannten chemischen Unternehmen untersucht. Die Frage war, ob Menschen durch das Austreten von Intermediärstoffen geschädigt wurden. Ein "Sicherheits"ventil hatte sich geöffnet, nachdem mehrere Mitarbeiter zu Beginn der Störung entgegen den Sicherheitsvorschriften irgendwelche Knöpfe gedrückt hatten und es waren grössere Mengen einer farbigen Mischung in den angrenzenden Wohnbezirk gelangt.
Es war nicht zu eruieren, welche Stoffe ausgetreten waren, es gab keine unabhängigen Wissenschaftler, die über die möglicherweise bei prozessfremden Temperaturen und Drücken entstandenen Stoffe etwas aussagen konnten, die Konzernchemiker wussten es auch nicht.
Von daher war es nur möglich, klinisch nach üblicherweise auftretenden Symptomen und Krankheiten zu suchen.
Für mein Team eine sehr unbefriedigende Arbeitsgrundlage.
Für die Genetik gilt meiner Meinung nach das grundsätzliche Problem : wenn ich einen experimentellen Reiz setze, weiss ich nicht was daraus entsteht. Wird daraus ein Monster, braucht das ja nicht gleich erkennbar zu werden. Gerät es durch menschliches versagen in die Umwelt, haben alle ein Problem.
Der im Beispiel gesetzte experimentelle Reiz ist das Übertragen eines Teils des Genoms von einem Organismus in einen anderen. Dies ist ein Vorgang, der weder natürlich, noch durch üblicherweise stattfindende Eingriffe des Menschen quasi vormodelliert ist. Was das Teil des Genoms genau ist das da manipuliert wird, scheint mir doch noch nicht ausreichend geklärt zu sein. Es ist jedenfalls nicht etwas so Überschauberes wie ein Glucosemolekül. Wer weiss, was die Übertragung eines Genomanteils in einen anderen Organismus für Nebenwirkungen haben kann ?
Meine Vermutung : eine redliche Antwort wäre, dass man das nicht weiss.
Solche Art von Experimenten halte ich für grundsätzlich bedenklich.
_________________ "The most beautiful experience we can have is the mysterious. It is the fundamental emotion which stands at the cradle of true art and true science. " Einstein in Michio Kaku, Parallel Worlds
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korf registrierter User
Anmeldungsdatum: 18.08.2005 Beiträge: 358
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(#421788) Verfasst am: 23.02.2006, 09:17 Titel: Re: Lenski und "seine" Escherichia Coli |
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Mojud hat folgendes geschrieben: |
Für die Genetik gilt meiner Meinung nach das grundsätzliche Problem : wenn ich einen experimentellen Reiz setze, weiss ich nicht was daraus entsteht. Wird daraus ein Monster, braucht das ja nicht gleich erkennbar zu werden. Gerät es durch menschliches versagen in die Umwelt, haben alle ein Problem.
Der im Beispiel gesetzte experimentelle Reiz ist das Übertragen eines Teils des Genoms von einem Organismus in einen anderen. Dies ist ein Vorgang, der weder natürlich, noch durch üblicherweise stattfindende Eingriffe des Menschen quasi vormodelliert ist. Was das Teil des Genoms genau ist das da manipuliert wird, scheint mir doch noch nicht ausreichend geklärt zu sein. Es ist jedenfalls nicht etwas so Überschauberes wie ein Glucosemolekül. Wer weiss, was die Übertragung eines Genomanteils in einen anderen Organismus für Nebenwirkungen haben kann ?
Meine Vermutung : eine redliche Antwort wäre, dass man das nicht weiss.
Solche Art von Experimenten halte ich für grundsätzlich bedenklich. |
Das ist so nicht ganz richtig. Integration fremder DNA ins Genom ist auch ein in der Natur auftretender Vorgang, denke z.B. an dei Retroviren, oder bei Pflanzen an die Übertragung durch Agrobakterien.
Wenn transformiert wird, dann kennt man normalerweise die übertragene DNA-Sequenz genau, weiß für welches Protein mit welchen Eigenschaften und Funktionen sie codiert.
Die Folgen genetischer Transformation sind daher doch recht gut vorraussagbar. Es wäre natürlich unredlich jede Gefährdung zu 100% auszuschliessen. Allerdings liegen inzwischen reiche Erfahrungen vor. Ich weiß nicht wieviele transgene Organismen inzwischen erzeugt worden sind, es dürfte in die Millionen gehen. Monster sind bisher jedenfalls nicht entstanden. Es gibt allerdings tatsächlich Probleme, z.B. bei der grünen Gentechnik, bei der transgene Pflanzen in die Natur gelangen. Die bei der Transformation normalerweise mit übertragenen Antibiotikaresistenzgene könnnen auskreuzen oder sich auch über Artschranken hinweg verbreiten. Das gleiche kann mit Herbizidresistenzgenen passieren.
Falls Dich die in D gesetzlich vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen interessieren, wirst Du hier fündig:
https://www.umwelt-online.de/regelwerk/gefstoff/gen_tech/gen_ges.htm
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Mojud registrierter User
Anmeldungsdatum: 16.11.2005 Beiträge: 344
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(#421872) Verfasst am: 23.02.2006, 16:28 Titel: |
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Hallo Korf,
vielen Dank für Deine Antwort, auch nebenan. Dies ist jetzt off Topic und betrifft auch die anderen Threads, in denen ich möglicherweise Antworten schuldig bleiben werde :
mir ist das FGH zu extremistisch, wenn Leute wie Hackethaler hier eine solche Bühne haben, ohne das von Seiten der Moderation und Administration reguliert wird, ist das für mich keine Basis für weitere Beiträge in diesem Forum.
mit freundlichen Grüssen
_________________ "The most beautiful experience we can have is the mysterious. It is the fundamental emotion which stands at the cradle of true art and true science. " Einstein in Michio Kaku, Parallel Worlds
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