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Die Gutmenschen und die Prügel
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caballito
zänkisches Monsterpony



Anmeldungsdatum: 16.07.2003
Beiträge: 12112
Wohnort: Pet Sematary

Beitrag(#425657) Verfasst am: 05.03.2006, 22:12    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:

Mir gefällt "gerechtfertigt" nicht, weil man sich leicht auf den Standpunkt stellen könnte, alles Entschuldbare sei letztlich auch gerechtfertigt, denn es ist ja deshalb entschuldbar, weil man diese Handlung in dieser Situation als verständlich, normal empfände.


In Gewisser Weise könnte man das so sehen. "Gerechtfertigt" ist eine Handlung, wenn man dem handelnden das Recht zugesteht, so zu handeln. Und im Prinzip kömnnte man hier ein solches Recht konstituieren. Bei genauerer Betrachtung erweiset sich diesesa Recht aber als nichts anderes als das Recht, Fehler zu machen. Und um unterscheid zu allen anderen Rechten kann man dieses recht seinem Wesen nach nicht bewusst ausüben. Denn was man bewußt tut, ist kein Fehler. Die Rechtfertigung kann a priori erlangt werden, die Entschuldigung aber immer nur a posteriori.
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Die Gedanken sind frei.

Aber nicht alle Gedanken wissen das.
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#425707) Verfasst am: 05.03.2006, 23:23    Titel: Antworten mit Zitat

kolja hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Falls kolja wirklich - wie Du vermutest - "gerechtfertigt" und nicht "wünschenswert" meint, würde mich interessieren, wie er "entschuldbar" und "gerechtfertigt" abgrenzt.

(1) Der Beleidigte könnte so verletzt sein, dass er nicht mehr über die nötige Selbstkontrolle verfügt, um sich eine Gegenbeleidigung zu verkneifen, obwohl er diese Reaktion eigentlich nicht für wünschenswert hält. Seine Reaktion wäre evtl. "entschuldbar", weil der Beleidigende eine Mitverantwortung für diesen Kontrollverlust trägt.

(2) Dem Beleidigten fällt automatisch ein Recht auf eine Reaktion in vergleichbarem Maßstab zu. Die Gegenbeleidigung wäre somit immer "gerechtfertigt", selbst wenn er durchaus in der Lage wäre, sich zu beherrschen, oder ihn die Beleidigung gar nicht getroffen hat.

Aus meiner Sicht hätte man bei (1) eine (andere Form der) Berechtigung. Das Verhalten bei (1) wäre zwar nicht wünschenswert, aber (eben aufgrund des Verhaltens des Beleidigenden) auch nicht unberechtigt. Wäre es unberechtigt, wäre es letztlich nicht entschuldbar - wenn man denn an Schuld glaubt.
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Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#425708) Verfasst am: 05.03.2006, 23:28    Titel: Antworten mit Zitat

caballito hat folgendes geschrieben:
Die Rechtfertigung kann a priori erlangt werden, die Entschuldigung aber immer nur a posteriori.

Guter Punkt, semantisch korrekt beobachtet. Allerdings könnte ich fragen, was der Unterschied zwischen Handlungen ist, die a posteriori entschuldigt werden sollten (also entschuldbar sind), und solchen, die gerechtfertigt sind.
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kolja
der Typ im Maschinenraum
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Anmeldungsdatum: 02.12.2004
Beiträge: 16631
Wohnort: NRW

Beitrag(#425765) Verfasst am: 06.03.2006, 02:17    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Aus meiner Sicht hätte man bei (1) eine (andere Form der) Berechtigung.

Du meinst, dass das Recht auf Gegenbeleidigung an zusätzliche Bedingungen geknüpft wäre, nämlich an den durch die Beleidigung verursachten Verlust der Selbstkontrolle? Das erscheibt mir unpraktisch, wenn es eine solch komplizierte Konstruktion benötigt.

step hat folgendes geschrieben:
Das Verhalten bei (1) wäre zwar nicht wünschenswert, aber (eben aufgrund des Verhaltens des Beleidigenden) auch nicht unberechtigt. Wäre es unberechtigt, wäre es letztlich nicht entschuldbar - wenn man denn an Schuld glaubt.

Nicht "Schuld" im metaphysischen Sinne, ich hatte ja schon geschrieben, dass ich eher Verantwortung meine:

kolja hat folgendes geschrieben:
... weil der Beleidigende eine Mitverantwortung für diesen Kontrollverlust trägt.

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AgentProvocateur
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Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#425802) Verfasst am: 06.03.2006, 12:23    Titel: Antworten mit Zitat

kolja hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Beispiel: jemand sagt zu mir auf der Straße: Du bist ein Arschloch. Dann empfinde ich es durchaus als mein Recht, zu erwidern, er sei selber ein Arschloch.

Wie sähe es aus bei einer Ohrfeige? Jemand ist aufgebracht und knallt dir eine, es sieht aber nicht dannach aus, als würde er das gleich wieder tun. Hältst du es für dein Recht, die Ohrfeige zu erwidern?

Ich halte es für gerechtfertigt, ja. (Allerdings, wie schon gesagt, nur innerhalb der Situation als sofortige Reaktion und nur verhältnismäßig.)

kolja hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Auch denke ich, dass es ganz reine Vergeltungssituationen selten gibt, es gibt meist auch den Gedanken im Hinterkopf, dass der Aggressor etwas lernen soll und dann in vergleichbaren Situationen gegenüber Anderen vielleicht nicht mehr sinnlos provoziert.

Du meinst also, die erwiderte Beleidigung soll eine erzieherische Wirkung entfalten? Müsste doch gleichermaßen für die erwiderte Ohrfeige gelten, oder?

Was ich meinte, ist, dass es reine Vergeltung an sich selten geben wird. Die beabsichtigte "erzieherische Wirkung" ist in einer Affektreaktion wohl kaum der primäre Grund; der primäre Grund wird es meist sein, der Aggression etwas entgegen zu setzen, weil man das für sein Selbstwertgefühl braucht, um sich nicht unterlegen und ohnmächtig zu fühlen. Das ist zwar mMn in einer Affekthandlung der Hauptgrund, (also das, was Du "Vergeltung" nennst), aber meist nicht der alleinige Grund; es gibt, wenn man sich wehrt, zusätzlich auch die Absicht, dem Aggressor zu zeigen, dass seine Aggressionen nicht "ungestraft" hingenommen werden. Eine reine Vergeltungssituation, so wie Du sie Dir immer wieder vorstellst, wird daher mMn in der Realität kaum vorkommen.

kolja hat folgendes geschrieben:
Würdest du diese Strategie bei der Kindererziehung einsetzen?

Natürlich nicht. Wieso überhaupt Strategie? Es ist keine Strategie, sondern lediglich eine Zusatzbegründung dafür, warum es in bestimmten Situationen sinnvoll sein könnte, sich zu wehren.

kolja hat folgendes geschrieben:
Meiner Meinung nach begibt man sich durch die gleichartige Erwiderung auf das Niveau des Angreifers und signalisiert ihm dadurch, dass man seine Aktion für eine akzeptable Form der sozialen Interaktion hält, es wird also das genaue Gegenteil erreicht.

Kann man so allgemein nicht sagen, das kommt auf die konkrete Situation an.
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AgentProvocateur
registrierter User



Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#425818) Verfasst am: 06.03.2006, 13:07    Titel: Antworten mit Zitat

kolja hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Falls kolja wirklich - wie Du vermutest - "gerechtfertigt" und nicht "wünschenswert" meint, würde mich interessieren, wie er "entschuldbar" und "gerechtfertigt" abgrenzt.

(1) Der Beleidigte könnte so verletzt sein, dass er nicht mehr über die nötige Selbstkontrolle verfügt, um sich eine Gegenbeleidigung zu verkneifen, obwohl er diese Reaktion eigentlich nicht für wünschenswert hält. Seine Reaktion wäre evtl. "entschuldbar", weil der Beleidigende eine Mitverantwortung für diesen Kontrollverlust trägt.

Was hat die Mitverantwortung mit der Beurteilung der Gegenbeleidigung zu tun? Was ist, wenn der Beleidiger absolut keine Verantwortung für den Kontrollverlust hat, weil nämlich der Beleidigte ihn einfach akustisch falsch verstanden hat, also nur eine vermeintliche Beleidigung vorliegt? Wäre dann die Reaktion des vermeintlich Beleidigten anders zu bewerten? Wohl kaum, oder?

Eine unverhältnismäßige Reaktion ist übrigens mMn nicht entschuldbar, daher kann ein angeblicher Kontrollverlust alleine keine Rechtfertigung sein.

kolja hat folgendes geschrieben:
(2) Dem Beleidigten fällt automatisch ein Recht auf eine Reaktion in vergleichbarem Maßstab zu. Die Gegenbeleidigung wäre somit immer "gerechtfertigt", selbst wenn er durchaus in der Lage wäre, sich zu beherrschen, oder ihn die Beleidigung gar nicht getroffen hat.

Ja, so sehe ich das im Prinzip. Bedingungen sind: 1. die Reaktion muss verhältnismäßig sein und 2. sie muss innerhalb der Situation erfolgen (also nicht nachträglich). Das bedeutet aber keineswegs, dass ich eine solche Reaktion als wünschenswert ansehe.

Auch wenn es mich evtl. nicht besonders stören würde, wenn mich jemand "Arschloch" nennt, würde ich ihm vielleicht trotzdem "selber Arschloch" antworten, auch wenn ich wüsste, dass er dann stinkbeleidigt wäre. Warum sollte ich das nicht tun?
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Sokrateer
souverän



Anmeldungsdatum: 05.09.2003
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Beitrag(#425901) Verfasst am: 06.03.2006, 16:38    Titel: Antworten mit Zitat

kolja hat folgendes geschrieben:

Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Auch der Einwand (Gesetz =/= Ethik) kann nicht gelten, denn die Lehre vom richtigen Handeln betrifft natürlich auch den Richter und den Rechtsstaat, die in diesem Sinne richtig handeln müssen.

Das läuft darauf hinaus, dass nur zur Ethik gehören darf, was auch als Gesetz umgesetzt werden kann. Das halte ich für Blödsinn. Die Ethik kann durchaus für Bereiche gelten, die aus praktischen Gründen für das Gesetz unerreichbar sind oder wegen anderer Abwägungen unerreichbar bleiben sollen.

Ich habe nicht geschrieben, dass Gesetz == Ethik, sondern vielmehr, dass das Gesetz der Ethik gehorchen muss. (Bitte noch mal lesen und auf das Unterstrichene achten)

kolja hat folgendes geschrieben:
Aber um meine Erzählung in deinem Sinne zu komplettieren: wenn die drangsalierte Ehefrau auf den Mann losgeht, würde ich das als Selbstverteidigung betrachten.

Was verstehst du hier unter "losgeht"? Auch Schläge?
Traust du dich den Satz umzudrehen: "Wenn ein (psychisch) drangsalierter Mann auf seine Frau (physisch) losgeht, würde ich das als Selbstverteidigung betrachten."

Gewalt von Frauen gut zu heißen, das machen viele. Gewalt durch Frauen wird gerne verniedlicht. Das sieht man ja oft genug in Filmen und dergleichen, in denen Frauen Männern, die betrügen, oder sich flegelhaft benehmen, oder einfach nur anderer Meinung sind, eine runterhauen dürfen und das noch dazu als Belustigung gedacht ist.

Zum jüngsten Begräbnisbeispiel: Bei diesem Beispiel betrachte ich die Reaktion auch als Selbstverteidigung, allerdings nicht wegen den Beleidigungen, sondern wegen der Aufdringlichkeit, dem Eindringen in die Intimsphäre und der mutwilligen Beraubung der Bewegungsfreiheit. Ich bin auch der Ansicht, dass man jemanden wegstoßen darf, der mutwillig den Weg versperrt, oder jemanden in die Ecke drängen will, also seine Bewegungsfreiheit einschränken will. Im extremen Fall von Freiheitsberaubung, z.B. durch Geiselnehmen, bin ich weiters der Ansicht, dass man die Geiselnehmer nötigenfalls auch töten darf.
In diesen Fällen ist nämlich immer ein Gewaltpotential im Spiel. Die Gewaltfreiheit ist in diesem Fall nämlich an implizite, oder explizite Bedingungen des Täters geknüpft.
Ich bin auch der Ansicht, dass man preemptiv angreifen darf. Also, dass man nicht auf den ersten Schlag warten muss, wenn der Angreifer verbal ganz deutlich macht, dass er gleich zuschlagen wird. (Ich spreche also von Drohungen, egal ob verbal, oder durch Körpersprache)

Aber das sind weitere Gründe, warum ich es ablehne Beleidigungen/Psychoterror/Drohungen/... in den Begriff Gewalt hinein zu pressen, wodurch dieser schwammig und unscharf wird. Drohungen sind hier Informationen über sich anbahnende echte Gewalt, aber nicht Gewalt an sich und deshalb auch nicht austauschbar in einer Beurteilung.
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caballito
zänkisches Monsterpony



Anmeldungsdatum: 16.07.2003
Beiträge: 12112
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Beitrag(#425954) Verfasst am: 06.03.2006, 19:16    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
caballito hat folgendes geschrieben:
Die Rechtfertigung kann a priori erlangt werden, die Entschuldigung aber immer nur a posteriori.

Guter Punkt, semantisch korrekt beobachtet. Allerdings könnte ich fragen, was der Unterschied zwischen Handlungen ist, die a posteriori entschuldigt werden sollten (also entschuldbar sind), und solchen, die gerechtfertigt sind.


Das war aber keien semantische Beobachtung, sondern die semantische Realisierung des zuvor gesagten. Udn dort steckte auch das Argument, warum das so ist.

Der Unterscheid ist, dass die Entschuldbarkeit vorausetzt, dass die Handlung ohne Vorstaz erfogt ist, die Rechtfertigng aber nicht.

Wenn die Gegenohrfeige gerechtfertigt ist, dann kann der geohrfeigte ankündigen: "Du hast mich geschlagen. Ich darf jetzt auch!" und gezielt zuschlagen. Wenn sie nur entschuldbar ist, kann er das nicht.

Ich hatte mal einen ziemlichen Lacherfolg, als ich in einer Runde, in der eine Fluchkasse geführt wurde, erst bezahlt und dann geflucht habe. Wo lag der Witz?
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kolja
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Anmeldungsdatum: 02.12.2004
Beiträge: 16631
Wohnort: NRW

Beitrag(#426193) Verfasst am: 07.03.2006, 13:12    Titel: Antworten mit Zitat

kolja hat folgendes geschrieben:
Wie sähe es aus bei einer Ohrfeige? Jemand ist aufgebracht und knallt dir eine, es sieht aber nicht dannach aus, als würde er das gleich wieder tun. Hältst du es für dein Recht, die Ohrfeige zu erwidern?
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ich halte es für gerechtfertigt, ja. (Allerdings, wie schon gesagt, nur innerhalb der Situation als sofortige Reaktion und nur verhältnismäßig.)

Ich hab so meine Zweifel, dass die Wahl einer "verhältnismäßigen" Reaktion in der Praxis einfach gelingen wird. Meiner Meinung nach wird das, was der Geschlagene oder Beleidigte für eine "verhältnismäßige" Reaktion hält, tendenziell eher zur weiteren Eskalation beitragen.

Wikipedia/Gewalt hat folgendes geschrieben:
Bei einer Eskalation der Gewalt wird oft eine unverhältnismäßig größere Gegengewalt beobachtet. Es entsteht die Spirale der Gewalt. Dies wurde auch bei wissenschaftlichen Untersuchungen mit Versuchspersonen nachgewiesen, die eine Zunahme von ca. 30% nicht als Zunahme sondern als gleichgroß empfanden.

Mich würde zwar interessieren, wie in solchen Versuchen Gewalt gemessen wird, aber zumindest bestätigt das meine Einschätzung, dass ein Recht auf Erwiderung im gleichen Maßstab keine besonders sinnvolle Sache ist.

kolja hat folgendes geschrieben:
Du meinst also, die erwiderte Beleidigung soll eine erzieherische Wirkung entfalten? Müsste doch gleichermaßen für die erwiderte Ohrfeige gelten, oder?
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Was ich meinte, ist, dass es reine Vergeltung an sich selten geben wird. Die beabsichtigte "erzieherische Wirkung" ist in einer Affektreaktion wohl kaum der primäre Grund; der primäre Grund wird es meist sein, der Aggression etwas entgegen zu setzen, weil man das für sein Selbstwertgefühl braucht, um sich nicht unterlegen und ohnmächtig zu fühlen. Das ist zwar mMn in einer Affekthandlung der Hauptgrund, (also das, was Du "Vergeltung" nennst),

Genau so sehe ich das.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
aber meist nicht der alleinige Grund; es gibt, wenn man sich wehrt, zusätzlich auch die Absicht, dem Aggressor zu zeigen, dass seine Aggressionen nicht "ungestraft" hingenommen werden.

Ich glaube durchaus, dass diese Absicht vorhanden sein kann. Aber nur wenn Vergeltung (wenigstens tendenziell) die erhoffte Wirkung hätte, nämlich den anderen von zukünftigen Aggressionen abzuhalten, könnte sie als Rechtfertigung dienen. Dann könnte man sie auch konsequenterweise als wünschenswert bezeichnen. Da du aber an anderer Stelle Gegengewalt selber als kontraproduktiv und andere Gegenmaßnahmen als wünschenswerter und wirksamer bezeichnet hast, erscheint mir dies wie eine vorgeschobene Rechtfertigung.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Es ist keine Strategie, sondern lediglich eine Zusatzbegründung dafür, warum es in bestimmten Situationen sinnvoll sein könnte, sich zu wehren.

Selbst wenn es solche Situationen im Einzelfall geben sollte (was ich bezweifle, aber nicht komplett ausschließen will), dann wäre das immer noch kein Grund, ein allgemeines Recht auf Erwiderung von Beleidigungen und Ohrfeigen zu fordern, welches nach Gutdünken in jeder Situation ausgeübt werden könnte.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Was hat die Mitverantwortung mit der Beurteilung der Gegenbeleidigung zu tun? Was ist, wenn der Beleidiger absolut keine Verantwortung für den Kontrollverlust hat, weil nämlich der Beleidigte ihn einfach akustisch falsch verstanden hat, also nur eine vermeintliche Beleidigung vorliegt? Wäre dann die Reaktion des vermeintlich Beleidigten anders zu bewerten? Wohl kaum, oder?

Im Falle eines solchen Mißverständnisses fällt es mir tatsächlich schwer, einen Verantwortlichen zu benennen. Aber das ist doch nur noch ein Grund mehr, ein Recht auf Erwiderung der Gewalt abzulehnen.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Auch wenn es mich evtl. nicht besonders stören würde, wenn mich jemand "Arschloch" nennt, würde ich ihm vielleicht trotzdem "selber Arschloch" antworten, auch wenn ich wüsste, dass er dann stinkbeleidigt wäre. Warum sollte ich das nicht tun?

Weil du ihm damit unnötiges Leid zufügst.
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kolja
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Anmeldungsdatum: 02.12.2004
Beiträge: 16631
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Beitrag(#426202) Verfasst am: 07.03.2006, 13:30    Titel: Antworten mit Zitat

Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Ich habe nicht geschrieben, dass Gesetz == Ethik, sondern vielmehr, dass das Gesetz der Ethik gehorchen muss.

Dann hast du meinen ursprünglichen Einwand verfehlt. Ich meinte, dass die Ethik durchaus mehr fordern kann als das Gesetz. Die Schwierigkeiten, gewisse Formen der Gewalt juristisch greifbar zu machen, mögen evtl. als Rechtfertigung dienen, diese im Gesetz verschieden zu behandeln. Daraus muss aber nicht folgen, dass innerhalb der Ethik die gleiche Abgrenzung gemacht werden sollte.

kolja hat folgendes geschrieben:
Aber um meine Erzählung in deinem Sinne zu komplettieren: wenn die drangsalierte Ehefrau auf den Mann losgeht, würde ich das als Selbstverteidigung betrachten.
Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Was verstehst du hier unter "losgeht"? Auch Schläge?

Ja. (Ich dachte im Kontext unserer Diskussion wäre das klar.)

Die drangsalierte Frau in meinem Beispiel ist psychisch zu schwach, um sich verbal zur Wehr zu setzen oder sich von ihrem Mann zu trennen. Wenn es ihr aber gelingt, sich mit körperlicher Gewalt zu wehren, betrachte ich das als Selbstverteidigung.

Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Traust du dich den Satz umzudrehen: "Wenn ein (psychisch) drangsalierter Mann auf seine Frau (physisch) losgeht, würde ich das als Selbstverteidigung betrachten."

Ja. Es strapaziert zwar mein Vorstellungsvermögen, weil ich aus der Praxis nur männliche Familientyrannen kenne, aber ich schließe nicht aus, dass es andersherum auch möglich wäre. Ich vermute allerdings, dass es in unserer Gesellschaft seltener vorkommt.

Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Zum jüngsten Begräbnisbeispiel: Bei diesem Beispiel betrachte ich die Reaktion auch als Selbstverteidigung, allerdings nicht wegen den Beleidigungen, sondern wegen der Aufdringlichkeit, dem Eindringen in die Intimsphäre und der mutwilligen Beraubung der Bewegungsfreiheit.

"Aufdringlichkeit" und "Eindringen in die Intimsphäre" sehe ich eher als natürliche Begleiter von wirksamen Beleidigungen, ich sehe da keine Besonderheit. Wie man jemanden "seine Bewegungsfreiheit raubt", indem man auf einer öffentlichen Straße hinter ihm hergeht, verstehe ich auch nicht so ganz. Mir scheint, du konstruierst Zusatzgründe, um meiner Sichtweise nicht zustimmen zu müssen. Baue die Situation halt so um, dass der Angegriffene aus anderen Gründen dem Angreifer nicht ausweichen kann, z.B. weil sie zusammen im Aufzug stehen oder im überfüllten Bus nebeneinander sitzen müssen.

Sokrateer hat folgendes geschrieben:
[...] Aber das sind weitere Gründe, warum ich es ablehne Beleidigungen/Psychoterror/Drohungen/... in den Begriff Gewalt hinein zu pressen, wodurch dieser schwammig und unscharf wird. Drohungen sind hier Informationen über sich anbahnende echte Gewalt, aber nicht Gewalt an sich und deshalb auch nicht austauschbar in einer Beurteilung.

Drohungen können auch als Psychoterror eingesetzt werden ohne jemals umgesetzt zu werden. Ich sehe in deinen Ausführungen eher Beispiele dafür, wie eng physische und seelische Gewalt häufig miteinander verwoben sind.

Darum spreche ich von Gewalt, wenn ich die Absicht erkenne, jemandem Leid zuzufügen. Die spezielle Hervorhebung von körperlicher Gewalt führt eher zur Verschleierung dieser Gemeinsamkeit.
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caballito
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Anmeldungsdatum: 16.07.2003
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Beitrag(#426212) Verfasst am: 07.03.2006, 14:01    Titel: Antworten mit Zitat

kolja hat folgendes geschrieben:
Es strapaziert zwar mein Vorstellungsvermögen, weil ich aus der Praxis nur männliche Familientyrannen kenne, aber ich schließe nicht aus, dass es andersherum auch möglich wäre.


Das gibt es. Glaub mir. Bitte nicht!
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Heike N.
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Anmeldungsdatum: 16.07.2003
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Wohnort: Bottrop

Beitrag(#426226) Verfasst am: 07.03.2006, 14:25    Titel: Antworten mit Zitat

kolja hat folgendes geschrieben:
Es strapaziert zwar mein Vorstellungsvermögen, weil ich aus der Praxis nur männliche Familientyrannen kenne, aber ich schließe nicht aus, dass es andersherum auch möglich wäre.


Ja, es passt nicht ins gesellschaftliche Schema, weshalb sich männliche Opfer häuslicher Gewalt häufig schämen, Anzeige zu erstatten.

Zitat:
Genaue Zahlen sind nicht bekannt, doch eines ist sicher: Die Dunkelziffer liegt wahrscheinlich um ein Vielfaches höher, denn die Betroffenen scheuen sich oft davor Anzeige zu erstatten. Eine Studie des Kriminologischen Institutes Niedersachsen aus dem Jahr 1992 spricht von 214.000 Männern, die in Deutschland Opfer schwerer häuslicher Gewalt wurden (im Vergleich dazu: 246.000 Frauen).
http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/20/0,1872,2101940,00.html

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AgentProvocateur
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Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#426262) Verfasst am: 07.03.2006, 16:17    Titel: Antworten mit Zitat

kolja hat folgendes geschrieben:
Selbst wenn es solche Situationen im Einzelfall geben sollte (was ich bezweifle, aber nicht komplett ausschließen will), dann wäre das immer noch kein Grund, ein allgemeines Recht auf Erwiderung von Beleidigungen und Ohrfeigen zu fordern, welches nach Gutdünken in jeder Situation ausgeübt werden könnte.

Hmm, ein allgemeines Recht, das nach Gutdünken ausgeübt werden kann, fordere ich nicht. Es gibt aber in bestimmten Situationen mMn schon ein Recht, einem Angriff mit den gleichen Mitteln zu begegnen und zwar deswegen, weil es für das eigene Selbstwertgefühl notwendig sein kann. Wenn man dadurch vermeiden kann, ein Gefühl der eigenen Ohnmacht und Schwäche zu bekommen, dann halte ich eine Vergeltung mit den gleichen Mitteln für gerechtfertigt. Das heißt nicht, dass ich Vergeltung generell für wünschenswert halte.

kolja hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Auch wenn es mich evtl. nicht besonders stören würde, wenn mich jemand "Arschloch" nennt, würde ich ihm vielleicht trotzdem "selber Arschloch" antworten, auch wenn ich wüsste, dass er dann stinkbeleidigt wäre. Warum sollte ich das nicht tun?

Weil du ihm damit unnötiges Leid zufügst.

Wer mich "Arschloch" nennt, muss damit rechnen, dass ich ihn auch so nenne. Wenn das für ihn eine unzumutbare Verletzung bedeutet, dann sollte er sich das vorher überlegen.
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Shevek
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Anmeldungsdatum: 23.01.2006
Beiträge: 4289

Beitrag(#426444) Verfasst am: 07.03.2006, 20:43    Titel: Antworten mit Zitat

Das Gefühl, etwas zu tun, was ethisch nicht einwandfrei ist, kann dazu führen, dass man sich selbst bremst, und eben nicht eskaliert. Wenn man aber mit der festen Meinung: "Ich habe ein Recht auf meine Rache" in die Situation geht, fällt diese Bremse weg.

Und was ist mit Missverständnissen?
Es ist sehr selten so, dass ein völlig Fremde ankommt, und einfach: "Arschloch" zu dir sagt. Meisten entwickelt sich so etwas, und am Ende fühlen sich beide im Recht und sind der Meinung, angegriffen worden zu sein. Da ist es doch viel sinnvoller, auf die eigene Reaktion zu verzichten, und mal zu überlegen, warum der/die andere so handelt. Vielleicht hast du ihn/sie ja unabsichtlich verletzt?
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Sokrateer
souverän



Anmeldungsdatum: 05.09.2003
Beiträge: 11649
Wohnort: Wien

Beitrag(#426457) Verfasst am: 07.03.2006, 21:17    Titel: Antworten mit Zitat

Heike N. hat folgendes geschrieben:
kolja hat folgendes geschrieben:
Es strapaziert zwar mein Vorstellungsvermögen, weil ich aus der Praxis nur männliche Familientyrannen kenne, aber ich schließe nicht aus, dass es andersherum auch möglich wäre.


Ja, es passt nicht ins gesellschaftliche Schema, weshalb sich männliche Opfer häuslicher Gewalt häufig schämen, Anzeige zu erstatten.

Zitat:
Genaue Zahlen sind nicht bekannt, doch eines ist sicher: Die Dunkelziffer liegt wahrscheinlich um ein Vielfaches höher, denn die Betroffenen scheuen sich oft davor Anzeige zu erstatten. Eine Studie des Kriminologischen Institutes Niedersachsen aus dem Jahr 1992 spricht von 214.000 Männern, die in Deutschland Opfer schwerer häuslicher Gewalt wurden (im Vergleich dazu: 246.000 Frauen).
http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/20/0,1872,2101940,00.html

Da dürftest du kolja falsch verstanden haben. Es geht nicht um Frauen, die ihre Männer schlagen, sondern um Frauen, die ihre Männer so sehr psychisch terrorisieren, sodass eine handgreifliche Reaktion des Mannes entschuldbar wird oder gar als legitime Selbstverteidigung zählen kann.
Kolja antwortete ja auf die folgende Frage:

Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Traust du dich den Satz umzudrehen: "Wenn ein (psychisch) drangsalierter Mann auf seine Frau (physisch) losgeht, würde ich das als Selbstverteidigung betrachten."


Der von dir, Heike, verlinkte Artikel verwendet den Begriff "Gewalt" so, wie ihn 99% aller Leute, inklusive Agentprovocateur und ich ihn verwenden, nämlich als physische Gewalt.

Gewalt gegen Männer - Wenn Frauen zuschlagen

Interessant ist, dass im Artikel just das darin angeprangerte Schema "Männer = Täter; Frauen = Opfer" selbst bedient und großes Verständnis für die prügelnden Frauen gezeigt wird:
ZDF hat folgendes geschrieben:
Und dass es oft gerade Frauen sind, die Gewalt in Beziehungen einsetzen. Wenn Frauen zuschlagen, geschieht das oft aus Verzweiflung, Ohnmacht und Hilflosigkeit, unfähig Gefühle mit Worten auszudrücken oder Gehör zu finden.


Wäre hingegen dieser Satz in einer deutschen Zeitung denkbar: "Wenn <s>Frauen</s> Männer zuschlagen, geschieht das oft aus Verzweiflung, Ohnmacht und Hilflosigkeit, unfähig Gefühle mit Worten auszudrücken oder Gehör zu finden."
Nein, das wäre er nicht und das völlig zu Recht.

ZDF hat folgendes geschrieben:
Jeder dritte Mann und jede vierte Frau lebt mit einem Partner zusammen, der ihn schon einmal misshandelt hat.

Ist eine extreme Behauptung, die wahrscheinlich á la stille Post enstanden ist. Soweit ich weiß müsste es statt "lebt mit einem Partner zusammen" "hatte schon einmal einen Partner in seinem/ihrem Leben" heißen. Und von "misshandeln" ist auch keine Rede, sondern auch von wesentlich milderen Formen von Gewalt. (z.B. schubsen)
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AgentProvocateur
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Beitrag(#426497) Verfasst am: 07.03.2006, 22:06    Titel: Antworten mit Zitat

Shevek hat folgendes geschrieben:
Das Gefühl, etwas zu tun, was ethisch nicht einwandfrei ist, kann dazu führen, dass man sich selbst bremst, und eben nicht eskaliert. Wenn man aber mit der festen Meinung: "Ich habe ein Recht auf meine Rache" in die Situation geht, fällt diese Bremse weg.

Ich habe weder von Rache gesprochen noch von Eskalation.

Shevek hat folgendes geschrieben:
Es ist sehr selten so, dass ein völlig Fremde ankommt, und einfach: "Arschloch" zu dir sagt.

Das passiert. In einem solchen Falle hätte ich bestimmt keine Lust auf eine ausgedehnte Diskussion, aber auch keine Lust, den Vorfall einfach auf sich beruhen zu lassen.

Vergeltung ist nicht dasselbe wie Rache und Vergeltung kann notwendig sein, um einen Ausgleich für erlittene Ungerechtigkeit zu schaffen. In bestimmten Situationen finde ich das nicht ethisch abzulehnen.
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Shevek
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Beitrag(#426526) Verfasst am: 07.03.2006, 22:39    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Shevek hat folgendes geschrieben:
Das Gefühl, etwas zu tun, was ethisch nicht einwandfrei ist, kann dazu führen, dass man sich selbst bremst, und eben nicht eskaliert. Wenn man aber mit der festen Meinung: "Ich habe ein Recht auf meine Rache" in die Situation geht, fällt diese Bremse weg.

Ich habe weder von Rache gesprochen noch von Eskalation.

Es gilt genauso für Vergeltung, die Handlung ist die gleiche, ob du sie Rache nennst, oder Vergeltung: Er sagt "Arschloch", du sagst "Arschloch". So was kann sich hochschaukeln, gerade wenn sich beide im Recht fühlen.
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Wolf
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Beitrag(#426531) Verfasst am: 07.03.2006, 22:46    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Shevek hat folgendes geschrieben:
Es ist sehr selten so, dass ein völlig Fremde ankommt, und einfach: "Arschloch" zu dir sagt.

Das passiert. In einem solchen Falle hätte ich bestimmt keine Lust auf eine ausgedehnte Diskussion, aber auch keine Lust, den Vorfall einfach auf sich beruhen zu lassen.
Das endet meiner Erfahrung nach in einer Prügelei.
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Shevek
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Beitrag(#426532) Verfasst am: 07.03.2006, 22:50    Titel: Antworten mit Zitat

Wolf hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Shevek hat folgendes geschrieben:
Es ist sehr selten so, dass ein völlig Fremde ankommt, und einfach: "Arschloch" zu dir sagt.

Das passiert. In einem solchen Falle hätte ich bestimmt keine Lust auf eine ausgedehnte Diskussion, aber auch keine Lust, den Vorfall einfach auf sich beruhen zu lassen.
Das endet meiner Erfahrung nach in einer Prügelei.

Was wird wohl jemand wollen, der einfach einen Fremden als Arschloch betitelt?
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Wolf
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Beitrag(#426534) Verfasst am: 07.03.2006, 22:51    Titel: Antworten mit Zitat

Shevek hat folgendes geschrieben:

Was wird wohl jemand wollen, der einfach einen Fremden als Arschloch betitelt?

Ne Faust ins Auge. Cool
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Trish:(
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Beitrag(#426536) Verfasst am: 07.03.2006, 22:51    Titel: Antworten mit Zitat

Shevek hat folgendes geschrieben:
Wolf hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Shevek hat folgendes geschrieben:
Es ist sehr selten so, dass ein völlig Fremde ankommt, und einfach: "Arschloch" zu dir sagt.

Das passiert. In einem solchen Falle hätte ich bestimmt keine Lust auf eine ausgedehnte Diskussion, aber auch keine Lust, den Vorfall einfach auf sich beruhen zu lassen.
Das endet meiner Erfahrung nach in einer Prügelei.

Was wird wohl jemand wollen, der einfach einen Fremden als Arschloch betitelt?


Vielleicht hat er Tourette?

Oder er will einfach zeigen, wie schön seine Stimme klingt und benutzt dafür das Wort "Arschloch"?

Hmmm... wenn man es gut meint, dann findet man sicher was menschenfreundliches.

Sehr glücklich
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kolja
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Beitrag(#426556) Verfasst am: 07.03.2006, 23:13    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Hmm, ein allgemeines Recht, das nach Gutdünken ausgeübt werden kann, fordere ich nicht.

Vielleicht gefällt Dir die Wortwahl nicht, aber letztendlich tust Du genau das. Gerade eben noch hast Du mir zugestimmt, dass Du Dir selber ein Recht auf Erwiderung der Beleidigung einräumst und Dir diese Möglichkeit selbst dann noch offenhalten willst, wenn Dich die Beleidigung gar nicht getroffen hat:

kolja hat folgendes geschrieben:
(2) Dem Beleidigten fällt automatisch ein Recht auf eine Reaktion in vergleichbarem Maßstab zu. Die Gegenbeleidigung wäre somit immer "gerechtfertigt", selbst wenn er durchaus in der Lage wäre, sich zu beherrschen, oder ihn die Beleidigung gar nicht getroffen hat.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ja, so sehe ich das im Prinzip. Bedingungen sind: 1. die Reaktion muss verhältnismäßig sein und 2. sie muss innerhalb der Situation erfolgen (also nicht nachträglich). Das bedeutet aber keineswegs, dass ich eine solche Reaktion als wünschenswert ansehe.

Auch wenn es mich evtl. nicht besonders stören würde, wenn mich jemand "Arschloch" nennt, würde ich ihm vielleicht trotzdem "selber Arschloch" antworten, auch wenn ich wüsste, dass er dann stinkbeleidigt wäre. Warum sollte ich das nicht tun?

Hier machst du jedenfalls keine Einschränkungen, wann dieses Recht nicht gelten sollte - das meine ich mit "nach Gutdünken ausüben".

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Es gibt aber in bestimmten Situationen mMn schon ein Recht, einem Angriff mit den gleichen Mitteln zu begegnen und zwar deswegen, weil es für das eigene Selbstwertgefühl notwendig sein kann. Wenn man dadurch vermeiden kann, ein Gefühl der eigenen Ohnmacht und Schwäche zu bekommen, dann halte ich eine Vergeltung mit den gleichen Mitteln für gerechtfertigt.

Dass Beleidigungen oder Ohrfeigen das Selbstwertgefühl schädigen bzw. die Vergeltung dieses kompensiert ergibt sich aus einem seltsamen Bewertungsschema, welches vielen Menschen in unserer Gesellschaft leider zu eigen ist. Dieses Bewertungsschema ist obendrein gefährlich, weil es Eskalation begünstigt.

Ich sehe nicht ein, warum man dieses Bewertungsschema schützen und unterstützen sollte, indem man auch noch ein Recht auf Vergeltung einräumt. Das würde nämlich bedeuten, dass wir denjenigen, der eine Beleidigung oder Ohrfeige mit gleichen Mitteln zurückzahlt, neutral gegenüberstehen. Er sollte statt dessen in unserer Achtung sinken.
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AgentProvocateur
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Beitrag(#427035) Verfasst am: 08.03.2006, 14:41    Titel: Antworten mit Zitat

kolja hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Es gibt aber in bestimmten Situationen mMn schon ein Recht, einem Angriff mit den gleichen Mitteln zu begegnen und zwar deswegen, weil es für das eigene Selbstwertgefühl notwendig sein kann. Wenn man dadurch vermeiden kann, ein Gefühl der eigenen Ohnmacht und Schwäche zu bekommen, dann halte ich eine Vergeltung mit den gleichen Mitteln für gerechtfertigt.

Dass Beleidigungen oder Ohrfeigen das Selbstwertgefühl schädigen bzw. die Vergeltung dieses kompensiert ergibt sich aus einem seltsamen Bewertungsschema, welches vielen Menschen in unserer Gesellschaft leider zu eigen ist. Dieses Bewertungsschema ist obendrein gefährlich, weil es Eskalation begünstigt.

Du meinst, Du stehst da vollkommen darüber?

Um das nicht ganz so abstrakt zu halten, mal ein Beispiel:

Eine Frau fährt im Bus. Er ist voll, sie muss stehen. Plötzlich fühlt sie, wie ihr jemand unter den Rock greift. Sie dreht sich um, da steht ein Mann, mit einem Grinsen zwischen Dreistheit und Dümmlichkeit. Die Hand hat er wieder zurückgezogen und es ist nicht davon auszugehen, dass er weitere Belästigungen startet. Er grinst sie nur etwas blöde an.

Wie soll die Frau reagieren? Sie fühlt sich durch die Verletzung ihrer körperlichen Integrität beschmutzt. Der Mann wird offensichtlich nichts weiter unternehmen und er ist auch offensichtlich intellektuell weit unterlegen. Jeder laute und aggressive verbale Angriff der Frau wird ihn sehr wahrscheinlich durch die damit verbundene Bloßstellung in der Öffentlichkeit verletzen. Ein solcher Angriff fiele also zweifellos unter das, was Du "Vergeltung" nennst. Würde sie jedoch darauf verzichten, dann würde sie sich noch lange danach hilflos und unterlegen fühlen.

Meiner Meinung nach ist hier Vergeltung gerechtfertigt und zwar auch dann, wenn der alleinige Grund darin besteht, das eigene Selbstwertgefühl zu erhalten.

kolja hat folgendes geschrieben:
Ich sehe nicht ein, warum man dieses Bewertungsschema schützen und unterstützen sollte, indem man auch noch ein Recht auf Vergeltung einräumt. Das würde nämlich bedeuten, dass wir denjenigen, der eine Beleidigung oder Ohrfeige mit gleichen Mitteln zurückzahlt, neutral gegenüberstehen. Er sollte statt dessen in unserer Achtung sinken.

In der Achtung sollte auf jeden Fall derjenige sinken, der die Aggression begann. Was die Vergeltung betrifft, kommt es auf die konkrete Situation an.
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Shevek
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Beitrag(#427356) Verfasst am: 08.03.2006, 21:30    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Eine Frau fährt im Bus. Er ist voll, sie muss stehen. Plötzlich fühlt sie, wie ihr jemand unter den Rock greift. Sie dreht sich um, da steht ein Mann, mit einem Grinsen zwischen Dreistheit und Dümmlichkeit. Die Hand hat er wieder zurückgezogen und es ist nicht davon auszugehen, dass er weitere Belästigungen startet. Er grinst sie nur etwas blöde an.

Wie soll die Frau reagieren? Sie fühlt sich durch die Verletzung ihrer körperlichen Integrität beschmutzt. Der Mann wird offensichtlich nichts weiter unternehmen und er ist auch offensichtlich intellektuell weit unterlegen. Jeder laute und aggressive verbale Angriff der Frau wird ihn sehr wahrscheinlich durch die damit verbundene Bloßstellung in der Öffentlichkeit verletzen. Ein solcher Angriff fiele also zweifellos unter das, was Du "Vergeltung" nennst. Würde sie jedoch darauf verzichten, dann würde sie sich noch lange danach hilflos und unterlegen fühlen.

Bloßstellen und Beleidigen sind zweierlei.

Eine spontane Reaktion, die ich verstehen könnte, aber nicht für ethisch einwandfrei halte, wäre eine Ohrfeige oder ein wütendes: "Du krankes Arschloch, nimm deine Finger weg."

Ein lautes: "Fassen Sie mich nicht an, das mag ich nicht." Ist nun wirklich keine Beleidigung. Sie macht nur öffentlich, was er getan hat, und damit muss er wohl leben.
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kolja
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Beitrag(#427430) Verfasst am: 08.03.2006, 23:37    Titel: Antworten mit Zitat

kolja hat folgendes geschrieben:
Dass Beleidigungen oder Ohrfeigen das Selbstwertgefühl schädigen bzw. die Vergeltung dieses kompensiert ergibt sich aus einem seltsamen Bewertungsschema, welches vielen Menschen in unserer Gesellschaft leider zu eigen ist. Dieses Bewertungsschema ist obendrein gefährlich, weil es Eskalation begünstigt.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Du meinst, Du stehst da vollkommen darüber?

Ich bemühe mich.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Eine Frau fährt im Bus. Er ist voll, sie muss stehen. Plötzlich fühlt sie, wie ihr jemand unter den Rock greift. Sie dreht sich um, da steht ein Mann, mit einem Grinsen zwischen Dreistheit und Dümmlichkeit. Die Hand hat er wieder zurückgezogen und es ist nicht davon auszugehen, dass er weitere Belästigungen startet. Er grinst sie nur etwas blöde an.

Wie soll die Frau reagieren? Sie fühlt sich durch die Verletzung ihrer körperlichen Integrität beschmutzt. Der Mann wird offensichtlich nichts weiter unternehmen und er ist auch offensichtlich intellektuell weit unterlegen. Jeder laute und aggressive verbale Angriff der Frau wird ihn sehr wahrscheinlich durch die damit verbundene Bloßstellung in der Öffentlichkeit verletzen. Ein solcher Angriff fiele also zweifellos unter das, was Du "Vergeltung" nennst.

Wie Shevek auch schon sagte, das verstehe ich nicht als Vergeltung. Ihn bloßzustellen mag für ihn unangenehm sein, es ist aber nicht nutzlos, da ihm dadurch der Spaß verdorben wird und er vielleicht vor Wiederholungen zurückschrecken wird. Jemanden als Reaktion auf eine Beleidigung oder Ohrfeige bloßzustellen würde ich ebenso für sinnvoll halten.

kolja hat folgendes geschrieben:
Ich sehe nicht ein, warum man dieses Bewertungsschema schützen und unterstützen sollte, indem man auch noch ein Recht auf Vergeltung einräumt. Das würde nämlich bedeuten, dass wir denjenigen, der eine Beleidigung oder Ohrfeige mit gleichen Mitteln zurückzahlt, neutral gegenüberstehen. Er sollte statt dessen in unserer Achtung sinken.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
In der Achtung sollte auf jeden Fall derjenige sinken, der die Aggression begann.

Natürlich.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Was die Vergeltung betrifft, kommt es auf die konkrete Situation an.

Nö.
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AgentProvocateur
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Beitrag(#427474) Verfasst am: 09.03.2006, 00:43    Titel: Antworten mit Zitat

kolja hat folgendes geschrieben:
kolja hat folgendes geschrieben:
Dass Beleidigungen oder Ohrfeigen das Selbstwertgefühl schädigen bzw. die Vergeltung dieses kompensiert ergibt sich aus einem seltsamen Bewertungsschema, welches vielen Menschen in unserer Gesellschaft leider zu eigen ist. Dieses Bewertungsschema ist obendrein gefährlich, weil es Eskalation begünstigt.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Du meinst, Du stehst da vollkommen darüber?

Ich bemühe mich.

Es sind aber meiner Meinung nach zwei verschiedene Dinge: welche Ansprüche man an sich selber stellt und was man von anderen verlangen kann.

kolja hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Eine Frau fährt im Bus. Er ist voll, sie muss stehen. Plötzlich fühlt sie, wie ihr jemand unter den Rock greift. Sie dreht sich um, da steht ein Mann, mit einem Grinsen zwischen Dreistheit und Dümmlichkeit. Die Hand hat er wieder zurückgezogen und es ist nicht davon auszugehen, dass er weitere Belästigungen startet. Er grinst sie nur etwas blöde an.

Wie soll die Frau reagieren? Sie fühlt sich durch die Verletzung ihrer körperlichen Integrität beschmutzt. Der Mann wird offensichtlich nichts weiter unternehmen und er ist auch offensichtlich intellektuell weit unterlegen. Jeder laute und aggressive verbale Angriff der Frau wird ihn sehr wahrscheinlich durch die damit verbundene Bloßstellung in der Öffentlichkeit verletzen. Ein solcher Angriff fiele also zweifellos unter das, was Du "Vergeltung" nennst.

Wie Shevek auch schon sagte, das verstehe ich nicht als Vergeltung. Ihn bloßzustellen mag für ihn unangenehm sein, es ist aber nicht nutzlos, da ihm dadurch der Spaß verdorben wird und er vielleicht vor Wiederholungen zurückschrecken wird. Jemanden als Reaktion auf eine Beleidigung oder Ohrfeige bloßzustellen würde ich ebenso für sinnvoll halten.

Hmm, Du meinst ein Bloßstellen ohne explizite Beleidigung ist keine Verletzung? Das würde ich nicht unbedingt so sehen.

Wenn ich Dich nochmal an Deine mMn sehr enge Definition von Vergeltung erinnern darf:

kolja hat folgendes geschrieben:
In der bisherigen Diskussion ging es nicht mehr darum, sich zu wehren, sondern nur noch darum, eine erlittene Beleidigung zu vergelten, was du in Ordnung findest, solange es nicht mittels körperlicher Gewalt geschieht.

Sich zu wehren würde aber bedeuten, dass man versucht, ein drohendes Leid von sich abzuwehren. Wenn die Beleidigung aber bereits erlitten wurde, lässt sich dieses Leid nicht mehr abwehren, auch nicht dadurch, dass ich dem Täter "mit gleicher Münze heimzahle". Das Motiv dazu ist nur noch Vergeltung.

Jede Verletzung, die nicht dazu dient, ein drohendes Leid abzuwehren, also keine Notwehr ist, ist demnach für Dich Vergeltung.

Wandeln wir mein obiges Beispiel mal ein wenig ab. Die Frau ist nicht im Bus, sondern allein mit dem Mann auf der Straße. Weit und breit ist kein Mensch. Ein Bloßstellen vor Anderen ist also nicht möglich. Der Mann sieht nicht so aus, als ob er weitere Annäherungsversuche machen würde. Die Frau könnte sich also einfach umdrehen und weggehen. Sie ist aber wütend, will den Vorfall nicht einfach auf sich beruhen lassen, da sie weiß, dass sie dann später mit der Sache viel schwerer fertig würde und schreit den Mann an. Sie sagt jedoch nicht, so wie shevek das vorgeschlagen hat: "Fassen Sie mich nicht an, das mag ich nicht", sondern sie schreit: "Du krankes Arschloch, nimm deine Finger weg."

Nach Deiner Definition ist das eindeutig Vergeltung.

Würdest Du ihr nun später sagen, dass ihre Handlung ethisch nicht korrekt war und würde sie deswegen, wie Du weiter oben geschrieben hast, in Deiner Achtung sinken?
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kolja
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Beitrag(#427920) Verfasst am: 09.03.2006, 15:12    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Es sind aber meiner Meinung nach zwei verschiedene Dinge: welche Ansprüche man an sich selber stellt und was man von anderen verlangen kann.

Ich verlange nichts, ich versuche nur zu überzeugen und selber (hoffentlich) ein gutes Beispiel zu sein. Genauso gehe ich auch bei meinen Kindern vor. Anders geht es onehin nicht, es sei denn, man würde Gewalt anwenden, um durchzusetzen, was man verlangt.

kolja hat folgendes geschrieben:
Ihn bloßzustellen mag für ihn unangenehm sein, es ist aber nicht nutzlos, da ihm dadurch der Spaß verdorben wird und er vielleicht vor Wiederholungen zurückschrecken wird. Jemanden als Reaktion auf eine Beleidigung oder Ohrfeige bloßzustellen würde ich ebenso für sinnvoll halten.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Hmm, Du meinst ein Bloßstellen ohne explizite Beleidigung ist keine Verletzung? Das würde ich nicht unbedingt so sehen.

Ich habe nicht bestritten, dass es verletzend sein kann, bloßgestellt zu werden.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Jede Verletzung, die nicht dazu dient, ein drohendes Leid abzuwehren, also keine Notwehr ist, ist demnach für Dich Vergeltung.

Richtig, bis auf die Einschränkung auf Notwehr. Ich betrachte nicht nur die aktuelle Situation, sondern auch die erhoffte Wirkung meiner Reaktion auf das zukünftige Verhalten des Angreifers gegenüber mir oder anderen Menschen. Wenn eine solche Wirkung erzielt werden kann, würde ich auch nicht mehr von Vergeltung sprechen.

An der einen oder anderen Stelle hattest Du diese Möglichkeit auch selber als Rechtfertigung vorgebracht, und ich habe dies nicht aus Prinzip abgelehnt, sondern weil ich meine, dass Erwiderung von Gewalt nicht die erhoffte Wirkung haben wird. Einen Angreifer bloßzustellen halte ich hingegen für eine nützliche Maßnahme, um ihn von zukünftigen Wiederholungen abzuschrecken. Aus dem gleichen Grund halte ich die von Dir geschilderte lautstarke Reaktion der belästigten Frau für nützlich. Mir fehlt es zwar an Erfahrung mit sexueller Belästigung, aber ich hab mir sagen lassen, dass heftige Gegenwehr sehr gut geeignet ist, um so jemanden abzuschrecken.
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Beitrag(#428409) Verfasst am: 09.03.2006, 20:52    Titel: Antworten mit Zitat

kolja hat folgendes geschrieben:
Mir fehlt es zwar an Erfahrung mit sexueller Belästigung, aber ich hab mir sagen lassen, dass heftige Gegenwehr sehr gut geeignet ist, um so jemanden abzuschrecken.

Ja, das ist so. Wenn eine Frau sich wehrt, hat sie meistens schon gewonnen.
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