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Der Zynismus des ver.di-Streiks

 
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Shadaik
evolviert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 26377
Wohnort: MG

Beitrag(#477604) Verfasst am: 17.05.2006, 19:27    Titel: Der Zynismus des ver.di-Streiks Antworten mit Zitat

Der Ort: Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Universitätsklinikum
Das Ereignis: Streik der Angestellten (Pforte, Ärzte, Arzneikuriere...)
Die Forderung: Mehr Geld

Ich kenne das Bild aus eigener Ansehung nur von der Uniklinik.

Da kürzt also die Landesregierung beständig die Mittel der Uni(s), Studenten müssen bald schon ihre Unis selber bezahlen, diese wiederum können plötzlich pleite gehen, samstag ist eine Konferenz, wie man die Regierungsfordeurng erfüllen könne, die Angestelltenzahl der Philosophischen Fakultät um 20% (!) zu drücken.

Und die Angestellten der medizinischen Fakultät wollen mehr Geld. Aus Universitätsmitteln, aus denen auch sie bezahlt werden.

Liegt es an mir, oder ist das einfach nur zynisch?
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Fische schwimmen nur in zwei Situationen mit dem Strom: Auf der Flucht und im Tode
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Wygotsky
registrierter User



Anmeldungsdatum: 25.01.2004
Beiträge: 5014

Beitrag(#477617) Verfasst am: 17.05.2006, 19:44    Titel: Antworten mit Zitat

Ein Freund von mir arbeitet am einem Uniklinikum. In seinem Vertrag stehen 38,5 Stunden pro Woche. De facto arbeitet er über 60 Stunden die Woche. Die Anzahl der Intensivpatienten, die er gleichzeitig betreuen muss, ist so hoch, dass er bei jedem Dienst mehrfach einen Adrenalinrausch erlebt, weil er Angst hat, dass ihm gleich jemand krepiert. Hobbies hat er keine mehr, weil er seine Freizeit nicht planen kann. Er muss zu jeder Tages- und Nachtzeit und selbstverständlich auch am Wochenende einsetzbar sein, oft von einem Tag auf den anderen. Weil Tag- und Nachtdienste je nach Bedarf ständig wechseln, ist ihm auch regelmäßiger Schlaf nicht möglich. Kürzlich ist er während eines Nachtdienstes zusammengebrochen und das ist in seinem Kollegenkreis nicht einmal ungewöhnlich. Mit seiner Arbeit verdient er ca. 1500 Euro netto.

Nein, ich finde es nicht zynisch, dass diese Leute wenigstens eine bessere Bezahlung möchten, wenn schon an eine Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen nicht zu denken ist.

Die meisten überlegen allerdings, wie sie aus dieser Tretmühle rauskommen. Ich vermute, dass mein Freund wie unzählige seiner Kollegen innerhalb der nächsten 2 Jahre auswandert, und anscheinend stehen seine Chancen ziemlich gut.
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Shadaik
evolviert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 26377
Wohnort: MG

Beitrag(#477622) Verfasst am: 17.05.2006, 19:49    Titel: Antworten mit Zitat

Unter diesen Umständen scheint mir die Fordeurng undurchdacht, führt sie doch nur zu weiteren Härten.

Wenn die Angestellten mehr geld wollen, zugleich aber weniger geld zur Verfügung steht ist die Konsequenz klar: Bald steht die Hälfte auf der Straße.
Die - kaum verleugnete - Verachtung der aktuellen Politik gegenüber dem Hochschulwesen, die stelt das problem dar. Naja, un im Düsseldorfer Fall noch ein inkompetenter Rektor, aber das ist eine andere geschichte.

edit: Ich habe mich weitergehend informiert, Hauptziel des Streiks von Seiten der ver.di scheint die Beibehaltung der 38,5h-Woche zu sein. Das Geld ist eher ein Nebenpunkt.
Wäre schön, wenn das bei den Streikern sichtbar wird. Ich werde morgen mal mit welchen sprechen.
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Wygotsky
registrierter User



Anmeldungsdatum: 25.01.2004
Beiträge: 5014

Beitrag(#477883) Verfasst am: 18.05.2006, 00:01    Titel: Antworten mit Zitat

Shadaik hat folgendes geschrieben:
Unter diesen Umständen scheint mir die Fordeurng undurchdacht, führt sie doch nur zu weiteren Härten.

Das ist ja der Mist. Man kann es drehen und wenden wie man will. Man kann die horrenden Arbeitszeiten nicht verkürzen, weil die Arbeit ja gemacht werden muss und man die Mediziner nicht einfach schnitzen kann. Die Zeiten, wo die Abiturienten in die Medizinstudiengänge drängten, sind vorbei, denn mittlerweile hat sich rumgesprochen, wie beschissen es in der Klinik ist. Eine Möglichkeit wäre, den ganzen Papierkram zu reduzieren, mit dem die Ärzte zum Teil mehr als die Hälfte ihrer Zeit verbringen. Aber das ist nicht durchsetzbar, weil der Papierkram angeblich die Effizienz sicherstellt. Mehr Geld ist auch nicht drin.

Also sieht man zu, dass man in der deutschen Tretmühle Erfahrungen sammelt, die im Ausland vermarktbar sind. Das ist an Unikliniken anscheinend der Fall. In der Klinik meines Freundes haut einer nach dem anderen nach der Facharztprüfung ab.

Shadaik hat folgendes geschrieben:
edit: Ich habe mich weitergehend informiert, Hauptziel des Streiks von Seiten der ver.di scheint die Beibehaltung der 38,5h-Woche zu sein. Das Geld ist eher ein Nebenpunkt.

Über das Thema Arbeitszeitverlängerung lacht mein Freund nur. Es wird ohnehin viel mehr gearbeitet als im Vertrag steht. Welche virtuelle Arbeitszeit die da rein schreiben, ist ihm schnuppe.

Kann aber sein, dass die Streikenden Pfleger und Krankenschwestern sind. Die haben anscheinend geregeltere Arbeitszeiten. Zumindest ist das bei denen so, die ich kenne.
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Mario Hahna
aktiviert



Anmeldungsdatum: 04.04.2005
Beiträge: 9607
Wohnort: München

Beitrag(#477896) Verfasst am: 18.05.2006, 00:14    Titel: Antworten mit Zitat

Shadaik hat folgendes geschrieben:
Wenn die Angestellten mehr geld wollen, zugleich aber weniger geld zur Verfügung steht


Es steht aber nicht weniger Geld zur Verfügung.
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Wygotsky
registrierter User



Anmeldungsdatum: 25.01.2004
Beiträge: 5014

Beitrag(#477914) Verfasst am: 18.05.2006, 00:59    Titel: Antworten mit Zitat

In England war es bislang so, dass die Unis für Studenten der Naturwissenschaften mehr Geld bekamen als für Studenten der Geistes- und Sozialwissenschaften. Und zwar Faktor 2.

Grund dafür war, dass Naturwissenschaftler in Laboren ausgebildet werden, wo sie mit teuerem Equipment hantieren und teure Materialien verbrauchen. Geisteswissenschaftler hantieren mit Büchern, was im Vergleich billiger kommt.

Nun wurde die Förderung für Naturwissenschaftler reduziert auf den Faktor 1,8.

Viele Unis sagen, dass sie mit so wenig Geld ihre naturwissenschaftlichen Studiengänge nicht mehr anbieten können. Manche schließen tatsächlich die Studiengänge.

Der Higher Education Funding Council meint darauf, wenn die Naturwissenschaftler mehr Geld wollen, sollen sie begründen, wo bei den Geisteswissenschaftlern zuviel ausgegeben wird.

Die implizite Annahme ist, dass die Unis zu viel Geld für die Ausbildung der Studenten erhalten, und diese Annahme soll nicht diskutiert werden. Stattdessen sollen die Fachrichtungen sich um sinkende Resourcen zanken, und dabei am besten Argumente für neue Kürzungen liefern.
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Shadaik
evolviert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 26377
Wohnort: MG

Beitrag(#478073) Verfasst am: 18.05.2006, 12:18    Titel: Antworten mit Zitat

Thao hat folgendes geschrieben:
Shadaik hat folgendes geschrieben:
Wenn die Angestellten mehr geld wollen, zugleich aber weniger geld zur Verfügung steht


Es steht aber nicht weniger Geld zur Verfügung.

Ich weiß nicht, wo du lebst, aber den Universitäten in NRW werden beständig die Mittel gekürzt, allein schon weil wegen der Langzeit- und bald nochmal wegen der Studiengebühren die Studierendenzahlen empfindlich sinken und die Zuschüsse vom Land von der Studierendenzahl abhängig sind.
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GiordanoBruno
...



Anmeldungsdatum: 01.04.2006
Beiträge: 1516

Beitrag(#478152) Verfasst am: 18.05.2006, 14:58    Titel: Antworten mit Zitat

Wygotsky hat folgendes geschrieben:
Shadaik hat folgendes geschrieben:
Unter diesen Umständen scheint mir die Fordeurng undurchdacht, führt sie doch nur zu weiteren Härten.

Das ist ja der Mist. Man kann es drehen und wenden wie man will. Man kann die horrenden Arbeitszeiten nicht verkürzen, weil die Arbeit ja gemacht werden muss und man die Mediziner nicht einfach schnitzen kann.



Ist es wirklich eine Frage des Personals, oder das der Kosten? Man muss sich ausrechnen, was eine Medizinische Versorgung unter reelen Bedingungen, also 40 Stundenwoche etc. kostet.
Ich denke, das wir gut 6% vom Bruttolohn eines jeden Versichterten dazurechnen müssen zu den jetzigen Krankenkassenkosten.
Mal fragen wer dazu bereit ist.
Es ist die Diskrepanz von dem was das Gesundheitssystem leisten kann, und dem was es nach ansicht der meisten Versicherten leisten soll, die diese Konflikte hervorrufen. Das Personal wäre bei der richtigen Bezahlung vorhanden. Trau ich mir einmal zu behaupten.

gb
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Latenight
registrierter User



Anmeldungsdatum: 17.05.2005
Beiträge: 2549

Beitrag(#478234) Verfasst am: 18.05.2006, 16:55    Titel: Antworten mit Zitat

Soweit ich informiert bin geht es bei den Streiks der Ärzte nicht um mehr Stundenlohn.
Es geht im Gegensatz zu anderen Bereichen des Öffentlichen Dienstes schlicht und einfach darum, dass geleistete Arbeit auch bezahlt wird.

Wenn man schon von zynisch spricht dann doch eher mit Blick darauf, wieviele Ressourcen im Gesundheitswese verschlungen werden, weil die Menschen zu faul sind sich zu bewegen, sich schlecht ernähren und überhaupt tonnenweise unnötige Leistungen in Anspruch nehmen.
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Wygotsky
registrierter User



Anmeldungsdatum: 25.01.2004
Beiträge: 5014

Beitrag(#478298) Verfasst am: 18.05.2006, 17:42    Titel: Antworten mit Zitat

GiordanoBruno hat folgendes geschrieben:
Ist es wirklich eine Frage des Personals, oder das der Kosten? Man muss sich ausrechnen, was eine Medizinische Versorgung unter reelen Bedingungen, also 40 Stundenwoche etc. kostet.
Ich denke, das wir gut 6% vom Bruttolohn eines jeden Versichterten dazurechnen müssen zu den jetzigen Krankenkassenkosten.
Mal fragen wer dazu bereit ist.
Es ist die Diskrepanz von dem was das Gesundheitssystem leisten kann, und dem was es nach ansicht der meisten Versicherten leisten soll, die diese Konflikte hervorrufen. Das Personal wäre bei der richtigen Bezahlung vorhanden. Trau ich mir einmal zu behaupten.

Es ist vielleicht auch eine Frage der Effizienz. Nach dem was ich so höre, geht vergleichsweise viel Geld ins deutsche Gesundheitssystem. Ob das dann auch immer im Sinne der Patienten ausgegeben wird, ist eine andere Frage. Wenn die Ärzte, die ich kenne, mehr als die Hälfte ihrer Zeit mit Papierkram verbringen müssen, kommt mir das Spanisch vor, denn Papierkram macht Patienten nicht gesund.
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