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M.S.Salomon registrierter User
Anmeldungsdatum: 15.09.2003 Beiträge: 389
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(#60417) Verfasst am: 05.12.2003, 13:55 Titel: |
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Schmerzlos schrieb:
Zitat: | - Ich definiere "Moral" als eine Notwendigkeit des Zusammenlebens.
Wie relativ man "Moral" auch betrachten kann, sie beschreibt stets
die Verhältnisse in denen wir leben. Man könnte auch sagen:
In vieler Hinsicht zeitgeistabhängig.
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Ich will dir nicht zu nahe treten, aber deine Definitionen sind nicht sehr nützlich, da sie uns nicht helfen, dei Begriffe klar von einander zu unterscheiden... Und unklare Begriffe bedeuten in der Regel auch unklare Erkenntnis...
Zitat: | - Ich definiere "Moral" als eine Notwendigkeit des Zusammenlebens. |
Auf diese Weise könnte man beispielsweise auch "Kommunikation" definieren, aber natürlich auch "Ethik" usw...
Zitat: | Wie relativ man "Moral" auch betrachten kann, sie beschreibt stets
die Verhältnisse in denen wir leben. Man könnte auch sagen:
In vieler Hinsicht zeitgeistabhängig. |
Richtig, aber das trifft auch auf Mode, Sportarten, Speise- und Lehrpläne, Radio- und Fernsehsendungen und Milliuuuuhhhnen anderer Dinge zu, wie der Trierer sagen würde.
Deine Definitionen sind also in Wahrheit keine Definitionen. Sie greifen Elemente auf, die das gemeinte Phänomen umschreiben, sind aber nicht präzise genug.
Zitat: | Es gibt "philosophisch" zudem sehr unterschiedliche Ethik-Systeme. Cool
Ethik ist also mehr ein "Überbegriff". |
Es gibt natürlich auch unterschiedliche Moralvorstellungen. Und wenn man einen Überbegriff für Moralvorstellungen finden wollte, könnte man hierfür den Begriff "Moralsysteme" benutzen...
Warum ich eine klare sprachliche Abgrenzung von Moral und Ethik befürworte, liegt darin begründet, dass es in der Realität signifikante Unterschiede gibt, die wir auch begrifflich erfassen müssen. So gibt es Sprachspiele, die auf der binären Unterscheidung von gut und böse beruhen (diese nenne ich moralisch) und Sprachspiele, die auf diese Differenz u.U. verzichten können und stattdessen zwischen angemessenen und nicht angemessenen Lösungen von Interessenskonflikten unterscheiden (diese Strategie nenne ich ethisch).
Will heißen: Es gibt Möglichkeiten, ethische Entscheidungen zu treffen, ohne hierbei auf die Unterscheidung von gut und böse zurückzugreifen. Genau dies habe ich versucht, in meinem Artikel über die "Banalität von gut und böse" darzustellen. M.E. steht einer freigeistigen Perspektive eine solche moralfreie Ethik näher als jede moralisierende Argumentation, da solche Argumentationen notwendigerweise auf metaphysischen Konstrukten beruhen, die empirisch kaum haltbar sind.
_________________ Wir müssen uns Sisyphos
als einen glücklichen Menschen vorstellen."
(Albert Camus)
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M.S.Salomon registrierter User
Anmeldungsdatum: 15.09.2003 Beiträge: 389
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(#60426) Verfasst am: 05.12.2003, 14:10 Titel: |
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Step schrieb:
Zitat: | mE werden lebende Systeme eher über ihre Replikationsfähigkeit als über ihr Gespür für einen Bedeutungsunterschied definiert. |
Dies ist zwar eine bekannte Definition, sie ist aber höchst problematisch, denn gegen diese Definition spricht Einiges:
1. Viren können sich replizieren, werden in der Regel jedoch nicht als lebendig angesehen
2. Es gibt Individuen, die sich aufgrund von Erbschäden oder Verletzungen nicht replizieren können, obwohl sie lebendig sind
3. Es gibt sogar ganze Tierarten, die sich nicht replizieren können (wie beispielsweise das Maultier) Dennoch sind Maultiere zweifellos Lebewesen.
Zitat: | Emotionen eines Wesens spiegeln mE die konkrete Substratbasierung (und die Entwicklungsgeschichte) wieder. Andere Substratbasierung, beispielsweise einer KI, hätte andere, weniger oder mehr Emotionen zur Folge. Beim Menschen ist die Substratbasierung sehr beachtlich, in dem Sinne, daß die Großhirnfunktionen sich erst relativ spät entwickelt haben und die Wechselwirkung sämtlicher Gehirnfunktionen mit vegetativen Systemen wie etwa den Trieben, dem limbischen oder dem Hormonsystem sehr stark sind. Dies steht einerseits rationalem Handeln immer wieder mal im Weg, begünstigt andererseits aber die Replikation der Gene (ohne große Rücksicht auf Individuen). Zu einer Aussage wie der Deinigen könnte man desahlb nur gelangen, wenn man als Erfolgsmaß für die KI die Menschenähnlichkeit annimmt. Nimmt man stattdessen als Erfolgsmaß die Inbesitznahme großer Replikationsnischen, sieht es je nach Substrat / Replikationsmechanismus anders aus. |
Dem stimme ich durchaus zu. Aber Repilkationsfähigkeit ist eben nicht die besondere Qualität lebender Systeme. Es ist vielmehr ihre einmalige Fähigkeit der Bedeutungszuschreibung, ihrer Empfindungsfähigkeit, ihres Willens zum Leben, wenn man es einmal pathetisch ausdrücken möchte. Diese Fähigkeit können wir allein technisch nicht simulieren. Ich denke aber, dass über die Kopplung von lebenden Systemen mit entsprechenden technischen Apparaturen das erreicht werden kann, was KI-Forscher sich erträumen...
Dies wird allerdings auch eine sehr spannende ethisch Debatte entfachen. Überspitzt formuliert: Was machen wir mit einem cybertechnisch aufgerüsteten Maikäfer, der Aufgaben der höheren Mathematik löst und sich für die Bachsche Kunst der Fuge begeistert? Darf er den Bundeskanzler wählen oder gar selbst einer werden?
_________________ Wir müssen uns Sisyphos
als einen glücklichen Menschen vorstellen."
(Albert Camus)
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Schmerzlos auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 02.08.2003 Beiträge: 4554
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(#60436) Verfasst am: 05.12.2003, 14:37 Titel: |
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M.S.Salomon hat folgendes geschrieben: | Schmerzlos schrieb:
Zitat: | - Ich definiere "Moral" als eine Notwendigkeit des Zusammenlebens.
Wie relativ man "Moral" auch betrachten kann, sie beschreibt stets
die Verhältnisse in denen wir leben. Man könnte auch sagen:
In vieler Hinsicht zeitgeistabhängig.
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Ich will dir nicht zu nahe treten, |
- Ich will mir auch nicht zu nahe treten.
Zitat: | aber deine Definitionen sind nicht sehr nützlich, da sie uns nicht helfen, dei Begriffe klar von einander zu unterscheiden... |
- Begriffe unterscheiden grundsätzlich.
Soweit man sich darüber im klaren ist,
kann man anfangen die Begriffe klarzustellen.
Das bedeutet für mich, dass man sich auf Definitionen
"einigt".
Zitat: | Und unklare Begriffe bedeuten in der Regel auch unklare Erkenntnis... |
- Mit großer Wahrscheinlichkeit werde ich das Wort "Erkenntnis"
ganz anders gebrauchen als die vermeintliche Mehrheit.
Beschreibung ist nicht Erkenntnis und "Erkenntnis" ist
nicht Wirklichkeit. Nietzsche nannte die Philo.
"Rache an der Wirklichkeit". Ich kann seiner
amüsanten Bemerkung irgendwie beipflichten.
Zitat: | Zitat: | - Ich definiere "Moral" als eine Notwendigkeit des Zusammenlebens. |
Auf diese Weise könnte man beispielsweise auch "Kommunikation" definieren, aber natürlich auch "Ethik" usw... |
- Das könnte man. Ich sehe darin kein größeres Problem.
Es läuft auf die Beziehungen und Verhältnisse hinaus.
Relationen. Es werden "Regeln" aufgestellt.
http://www.eisbrecher.net/lesen/Schopenhauer_Stachelschweine.html
Zitat: | Zitat: | Wie relativ man "Moral" auch betrachten kann, sie beschreibt stets
die Verhältnisse in denen wir leben. Man könnte auch sagen:
In vieler Hinsicht zeitgeistabhängig. |
Richtig, aber das trifft auch auf Mode, Sportarten, Speise- und Lehrpläne, Radio- und Fernsehsendungen und Milliuuuuhhhnen anderer Dinge zu, wie der Trierer sagen würde. |
Alles eine Frage der Intensität.
Zitat: | Deine Definitionen sind also in Wahrheit keine Definitionen. |
- Etwas wird ja auch erst "wirklich",
wenn man sich darauf geeinigt hat.
Zitat: | Sie greifen Elemente auf, die das gemeinte Phänomen umschreiben, sind aber nicht präzise genug. |
- Das liegt vermutlich daran,
dass "Moral" ein sehr schwammiger Begriff ist.
Ich zähle mich nicht zu den Objektivisten...die an Werte
"an sich" glauben...
Zitat: | Zitat: | Es gibt "philosophisch" zudem sehr unterschiedliche Ethik-Systeme. Cool
Ethik ist also mehr ein "Überbegriff". |
Es gibt natürlich auch unterschiedliche Moralvorstellungen. Und wenn man einen Überbegriff für Moralvorstellungen finden wollte, könnte man hierfür den Begriff "Moralsysteme" benutzen... |
- Hebbel würde sinngemäß sagen:
"Alle Belehrung geht vom Herzen aus, alle Bildung vom Leben."
Zitat: | Warum ich eine klare sprachliche Abgrenzung von Moral und Ethik befürworte, liegt darin begründet, dass es in der Realität signifikante Unterschiede gibt, die wir auch begrifflich erfassen müssen. |
- Ich sprach ja auch von einem Überbegriff Ethik.
Ich verwies bereits darauf, dass selbst Christen eine Ethik
besitzen. Wer möchte kann auch den philosphischen
Anteil finden. Wobei ich die Mysiker, wie z.B. Meister
Eckhart empfehlen kann. "Die Christen" gibt es allerdings
nicht. Begriffe beschreiben. Beschreibung bedeutet immer
Verallgemeinerung - dass Beschriebene ist nicht die
Beschreibung selbst. Um diese Aussage nachzuvollziehen
verdeutlich es "Panta rhei" noch am Besten. Alles fliesst.
Man kann nicht zweimal im selben Fluß baden.
Trotzdem ist es sinnvoll ein Ding(z.B. Apfel) Apfel zu
nennen. Auch wenn da nicht wirklich ein Apfel ist.
Wer das Ding(Apfel) näher untersucht wird feststellen,
dass da zum Beispiel Atome sind. Das sind alles
Abstraktionen. Denkformen.
Zitat: | So gibt es Sprachspiele, |
- Willkommen.
Zitat: | die auf der binären Unterscheidung von gut und böse beruhen (diese nenne ich moralisch) |
- Ich nenne das höchst unmoralisch.
Mit der Unterteilung der Welt in gut und böse,
bzw. 'Schwarz/weiß-denken' macht man es
sich doch sehr einfach.
Zitat: | und Sprachspiele, die auf diese Differenz u.U. verzichten können und stattdessen zwischen angemessenen und nicht angemessenen Lösungen von Interessenskonflikten unterscheiden (diese Strategie nenne ich ethisch). |
- das könnte ich z.B. auch pantheistisch nennen.
Ethik ist für mich nur ein Überbegriff der sowohl
Religion wie Philsophie miteinschliessen kann.
Wobei der Begriff für sich zunächst "neutral"
dasteht - bis man sich streitet.
http://www.phillex.de/ethik.htm
[quote] Zitat: | Will heißen: Es gibt Möglichkeiten, ethische Entscheidungen zu treffen, ohne hierbei auf die Unterscheidung von gut und böse zurückzugreifen. |
- Mit dem "Ich-Bewußtsein" kommt die
Unterscheidung in gut und böse zustande....
"Gut und Böse" sind jeweils Wertigkeiten.
Mitgefühl ohne Schmerzempfindung gibt es
nicht. Aber dennoch glaube ich zu wissen,
was bei oben genannter Aussage gemeint ist.
http://www-stud.kfunigraz.ac.at/~leej/diss4.htm
Zitat: | Genau dies habe ich versucht, in meinem Artikel über die "Banalität von gut und böse" darzustellen. M.E. steht einer freigeistigen Perspektive eine solche moralfreie Ethik näher als jede moralisierende Argumentation, da solche Argumentationen notwendigerweise auf metaphysischen Konstrukten beruhen, die empirisch kaum haltbar sind. |
- Der Geist wird bekanntlich erst frei,
wenn er aufhört "Halt" zu sein.
Warum ausgerechnet die Wissenschaft
zum "Ding an" sich erklären ?
Nr. 023
http://www.sprachkritik.de/drop/irration.html
http://www.mauthner-gesellschaft.de/mauthner/hist/niet.html
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#60547) Verfasst am: 05.12.2003, 20:32 Titel: |
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M.S.Salomon hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | mE werden lebende Systeme eher über ihre Replikationsfähigkeit als über ihr Gespür für einen Bedeutungsunterschied definiert. |
Dies ist zwar eine bekannte Definition, sie ist aber höchst problematisch, denn gegen diese Definition spricht Einiges:
1. Viren können sich replizieren, werden in der Regel jedoch nicht als lebendig angesehen | Da kann man unterschiedlicher Meinung sein. Beispiel: "Gibt es Leben auf dem Mars?" Nimm an, man findet dort Viren. Antwort?
M.S.Salomon hat folgendes geschrieben: | 2. Es gibt Individuen, die sich aufgrund von Erbschäden oder Verletzungen nicht replizieren können, obwohl sie lebendig sind | a) Es gibt ebenso Lebewesen ohne "Gespür für Bedeutungsunterschiede".
b) siehe 3)
M.S.Salomon hat folgendes geschrieben: | 3. Es gibt sogar ganze Tierarten, die sich nicht replizieren können (wie beispielsweise das Maultier) Dennoch sind Maultiere zweifellos Lebewesen. | Dieses Argument resultiert mglw. aus dem feinen Bedeutungsunterschied zwischen "lebendes System" und (individuelles) "Lebewesen". Dies wird deutlicher, wenn ich meine Definition eines lebenden Systems zu verfeinern versuche: Ich meine damit das funktionierende System aus einem Replikator und seiner Nische. Im Falle des Maultiers wäre das also das System aus "Maultiergenen" und den Ausprägungen, die die Maultiergene zur Replikation nutzen. Das lebende Maultier repräsentiert offensichtlich Eigenschaften, die seinen (Pferde- und Esel-)Genen zur Replikation verhelfen.
Mir ist bewußt, daß dieser Definitionsversuch lebender Systeme ziemlich kybernetisch-zynisch daherkommt. Vielleicht wird sie leichter erträglich, wenn ich beteuere, daß ich aus dem Attribut "lebendes System" allein keine Rechte ableiten zu können behaupte. Die Definition eines "lebenden Individuums" oder gar einer "Person" finde ich übrigens viel problematischer.
M.S.Salomon hat folgendes geschrieben: | Repilkationsfähigkeit ist eben nicht die besondere Qualität lebender Systeme. Es ist vielmehr ihre einmalige Fähigkeit der Bedeutungszuschreibung, ihrer Empfindungsfähigkeit, ihres Willens zum Leben, wenn man es einmal pathetisch ausdrücken möchte. | Ihr Wille zum Leben ist - funktionalistisch gesehen - die Eigenschaft von Replikatoren, ihre Nischen zuinstrumentalisieren. Ethische Relevanz bekommt dieser "Wille" indirekt durch die Tatsache, daß er denen, die die Ethik setzen müssen, bewußt ist.
M.S.Salomon hat folgendes geschrieben: | Diese Fähigkeit können wir allein technisch nicht simulieren. Ich denke aber, dass über die Kopplung von lebenden Systemen mit entsprechenden technischen Apparaturen das erreicht werden kann, was KI-Forscher sich erträumen... | Ich denke, daß es auch möglich sein wird, diese Fähigkeit rein technisch zu simulieren und zu überbieten.
M.S.Salomon hat folgendes geschrieben: | Dies wird allerdings auch eine sehr spannende ethisch Debatte entfachen. Überspitzt formuliert: Was machen wir mit einem cybertechnisch aufgerüsteten Maikäfer, der Aufgaben der höheren Mathematik löst und sich für die Bachsche Kunst der Fuge begeistert? Darf er den Bundeskanzler wählen oder gar selbst einer werden?  | Jedenfalls gäbe es mE kein vernünftiges ethisches Kriterium, ihm die gleichberechtigte Erfüllung seiner Interessen abzusprechen.
gruß/step
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Sanne gives peas a chance.
Anmeldungsdatum: 05.08.2003 Beiträge: 12088
Wohnort: Nordschland
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(#60548) Verfasst am: 05.12.2003, 20:42 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | M.S.Salomon hat folgendes geschrieben: | ]Dies wird allerdings auch eine sehr spannende ethisch Debatte entfachen. Überspitzt formuliert: Was machen wir mit einem cybertechnisch aufgerüsteten Maikäfer, der Aufgaben der höheren Mathematik löst und sich für die Bachsche Kunst der Fuge begeistert? Darf er den Bundeskanzler wählen oder gar selbst einer werden?  | Jedenfalls gäbe es mE kein vernünftiges ethisches Kriterium, ihm die gleichberechtigte Erfüllung seiner Interessen abzusprechen.
gruß/step |
Gelten außer den vernünftigen ethischen Kriterien auch noch andere ethische Kriterien?
_________________ Ich will das Internet doch nicht mit meinen Problemen belästigen! (Marge Simpson)
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#60557) Verfasst am: 05.12.2003, 21:43 Titel: |
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Sanne hat folgendes geschrieben: | Gelten außer den vernünftigen ethischen Kriterien auch noch andere ethische Kriterien? | Das ist tatsächlich oft der Fall.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Critic oberflächlich
Anmeldungsdatum: 22.07.2003 Beiträge: 16338
Wohnort: Arena of Air
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(#60599) Verfasst am: 06.12.2003, 02:36 Titel: |
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Zitat: | ...cybertechnisch aufgerüstete[r] Maikäfer... |
Die Frage ist jetzt, ob es ausreichen würde, "intelligentes Leben" als "dem durchschnittlichen Menschen vergleichbares Abstraktionsniveau" zu werten. Mal abgesehen davon, daß niemand definiert hat, was ein "durchschnittlicher Mensch" ist. Höhere Mathematik? "Kunst der Fuge"? Schöne Idee. Nur, daß der "durchschnittliche Mensch" eher auf Bildzeitungsniveau denkt.
Vielleicht ist unsere Denkart grundsätzlich problematisch, weil jegliche Definition, was Leben bzw. Intelligenz ausmacht oder was zum Innehaben von "Menschenrechten" berechtigt, angesichts der o.g. Ausnahmefälle zu einer Katastrophe führt:
Menschen, die sich nicht replizieren können, würden als "unwert" betrachtet, oder aber Behinderte, die nicht das geistige Abstraktionsniveau dieses modellhaften Maikäfers aufweisen, Komapatienten; Menschen, die sich nicht selbst versorgen können (wenn man "Intelligenz" als "Fähigkeit, in seiner Lebensumwelt zurechtzukommen" wertet).
Andererseits würden dann wohl Ameisen (als Einzelwesen - denn das Menschenrecht ist insbesondere Recht von Einzelpersonen) als "intelligent" gelten, obwohl wir eine einzelne Ameise (in deren Gehirn sind eben nur ein paar hundert Neuronen drin) i.a. nicht als "intelligent" betrachten würden. Also liegt auch dem wiederum keine korrekte Begriffsdefinition zugrunde. Und so weiter...
_________________ "Die Pentagon-Gang wird in der Liste der Terrorgruppen geführt"
Dann bin ich halt bekloppt.
"Wahrheit läßt sich nicht zeigen, nur erfinden." (Max Frisch)
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Sanne gives peas a chance.
Anmeldungsdatum: 05.08.2003 Beiträge: 12088
Wohnort: Nordschland
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(#60614) Verfasst am: 06.12.2003, 08:47 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Sanne hat folgendes geschrieben: | Gelten außer den vernünftigen ethischen Kriterien auch noch andere ethische Kriterien? | Das ist tatsächlich oft der Fall. |
Dann kann ich ja noch hoffen
Ich finde eine Ethik, die nicht den Menschen/die Menschheit an oberste Stelle stellt, eigentlich gar nicht vernünftig.
_________________ Ich will das Internet doch nicht mit meinen Problemen belästigen! (Marge Simpson)
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#60632) Verfasst am: 06.12.2003, 13:41 Titel: |
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Sanne hat folgendes geschrieben: | Ich finde eine Ethik, die nicht den Menschen/die Menschheit an oberste Stelle stellt, eigentlich gar nicht vernünftig. | Wenn Du das so ausdrückst, bedeutet es, daß Du vernünftigere Gründe dafür anführen kannst, warum der Mensch an oberster Stelle stehen soll.
Nicht daß ich es für ausgeschlossen halte, daß es solche vernünftigen Gründe geben könnte, aber ich würde sie gern mal zu lesen bekommen. Da sich die Vernünftigkeit der Gründe wohl auf ihre Fähigkeit bezieht, die effizientere Erreichung eines bestimmten Ziels zu zeigen, müßten wir erstmal klären, was das Ziel ist, in bezug auf das ein Speziezismus vernünftig wäre.
Eine Alternative (aus voraufgeklärter Zeit) wäre natürlich, diese Prämisse einfach ohne vernünftige Begründung zu setzen. Sie könnte dennoch in bezug auf ein bestimmtes Ziel die (dann unbewußt) richtige Entscheidung sein, wird allerdings vernünftige Menschen u.U. nicht mehr befriedigen.
gruß/step
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#60641) Verfasst am: 06.12.2003, 13:57 Titel: |
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Critic hat folgendes geschrieben: | Vielleicht ist unsere Denkart grundsätzlich problematisch, weil jegliche Definition, was Leben bzw. Intelligenz ausmacht oder was zum Innehaben von "Menschenrechten" berechtigt, angesichts der o.g. Ausnahmefälle zu einer Katastrophe führt: Menschen, die sich nicht replizieren können, würden als "unwert" betrachtet, oder aber Behinderte, die nicht das geistige Abstraktionsniveau dieses modellhaften Maikäfers aufweisen, Komapatienten; Menschen, die sich nicht selbst versorgen können (wenn man "Intelligenz" als "Fähigkeit, in seiner Lebensumwelt zurechtzukommen" wertet). |
Wie ich oben bereits betont habe, ist eine wissenschaftlich einigermaßen operationalisierbare Definition eines "lebenden Systems" in der Tat noch lange keine brauchbare Ethik. Die Replizierfähigkeit eines einzelnen Individuums (womöglich nur mittels traditionellen Geschlechstverkehrs) ist sowieso nicht definiert, da die Gene und nicht die Individuen replizieren. Zudem wäre die Replizierfähigkeit nur dann ein an ethische Wertschätzung (Rechte) gekoppeltes Kriterium, wenn dies einem gewissen noch zu definierenden Ziel (Interesse) gegenüber nachweislich dienlich wäre. Den meisten mir denkbar erscheinenden konsensfähigen Zielen wäre es jedoch (derzeit) keineswegs dienlich, etwa Komapatienten als "lebensunwert" zu betrachten. Dies ist wiederum wissenschaftlich plausibel zu machen, etwa mithilfe der Spieltheorie (indirekte Reziprozität, Verläßlichkeitspunkte usw.).
Ich sehe aber durchaus die zwei Probleme:
- daß bestimmte Ziele mglw. im unauflösbaren Widerspruch zur Kenntnis der Zusammenhänge stünden (funktionalistisches Dilemma)
- daß Rechte und Ethiken, die an den Begriff "Individuum" oder gar "Person" gebunden sind, immer zu Inkonsistenzen führen werden.
gruß/step
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#60657) Verfasst am: 06.12.2003, 14:14 Titel: |
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Im thread über Gentechnik habe ich mal angedeutet, was ich für die prinzipielle Bedeutung des Zeitpunktes der Beherrschung der Gentechnik halte:
step hat folgendes geschrieben: | Die Evolution hat kein Ziel, kein Interesse daran, Arten überleben zu lassen, oder Leid zu verringern. Wir dagegen schon (wobei das auch nicht so sein MUß). Es gibt in der Evolution genügend Beipiele für suboptimales Design, aus dem kein Ausweg "gefunden" wird. Für eine Verbesserung (auf ein bestimmtes Ziel hin) reicht Selektion nicht aus. Im Moment der Beherrschung der Gentechnik werden die Gene zum Teil ihrer eigenen Umwelt, und Mutationspotentiale können getunnelt werden.
Es sind hier übrigens beliebig unangenehme funktionalistische Dilemmas denkbar, z.B. wenn sich herausstellt, daß der Weg der Minimierung des Leidens nicht identisch ist mit dem der optimalen Arterhaltung. |
Meine Frage nun, z.B. an @Sanne: Wenn sich nun tatsächlich herausstellen würde, daß der Weg der Minimierung des Leidens nicht identisch ist mit dem der optimalen Arterhaltung, welches Ziel (welcher Wert) wäre der höhere?
Die Mehrheit hatte damals in meiner entsprechenden Umfrage eindeutig für "Minimierung des Leidens" gestimmt.
gruß/step
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Sanne gives peas a chance.
Anmeldungsdatum: 05.08.2003 Beiträge: 12088
Wohnort: Nordschland
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(#60721) Verfasst am: 06.12.2003, 16:57 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Sanne hat folgendes geschrieben: | Ich finde eine Ethik, die nicht den Menschen/die Menschheit an oberste Stelle stellt, eigentlich gar nicht vernünftig. | Wenn Du das so ausdrückst, bedeutet es, daß Du vernünftigere Gründe dafür anführen kannst, warum der Mensch an oberster Stelle stehen soll.
Nicht daß ich es für ausgeschlossen halte, daß es solche vernünftigen Gründe geben könnte, aber ich würde sie gern mal zu lesen bekommen. Da sich die Vernünftigkeit der Gründe wohl auf ihre Fähigkeit bezieht, die effizientere Erreichung eines bestimmten Ziels zu zeigen, müßten wir erstmal klären, was das Ziel ist, in bezug auf das ein Speziezismus vernünftig wäre.
Eine Alternative (aus voraufgeklärter Zeit) wäre natürlich, diese Prämisse einfach ohne vernünftige Begründung zu setzen. Sie könnte dennoch in bezug auf ein bestimmtes Ziel die (dann unbewußt) richtige Entscheidung sein, wird allerdings vernünftige Menschen u.U. nicht mehr befriedigen.
gruß/step |
Also ich versuch mal.
Egoismus ist vernünftig, weil das Ziel eines Lebewesens das eigene Leben ist. Altruismus ist unvernünftig in diesem Sinne.
In diesem Sinne möchte ich eine möglichst große Lebensqualität und eine möglichst große Sicherheit für mich und meine Kinder und alle, die mir nahestehen.
Einer nichtmenschlichen Spezies Personenrechte oder gar staatsbürgerliche Rechte (bundeskanzler ) zuzugestehen, wäre kontraproduktiv. Überhaupt ist es kontraproduktiv, nicht vertrauenswürdige Personen zum Bundeskanzler zu machen Weil das mit Menschen schon so schwierig ist, lösen wir besser erstmal die zwischenmenschlichen Probleme, bevor wir den Problemkreis (= Personenkreis) erweitern.
Die Menschheit ist eine Gemeinschaft, die funktionieren kann, wenn alle Menschen dieselben Rechte und dieselben Chancen haben. Wenn wir allen Menschen Menschenrechte und gerechte Chancen garantieren, können Frieden, Sicherheit und somit Lebensqualität erreicht werden. Deswegen sind Menschenrechte für alle Menschen nicht altruistisch, sondern egoistisch, also sinnvoll.
Überzeugender wäre wahrscheinlich irgendwas verhaltensbiologisches über evolutionäre Überlebensstrategien kann nur populär-alltägliche Beobachtungen bringen
2. Versuch: Ich trau dem Käfer nicht. Findest du das unvernünftig? Wäre es vernünftig, ihm zu trauen?
Menschliche Probleme in die Hände von Nichtmenschen zu legen finde ich äußerst unvernünftig, denn nur ein Mensch kann (vielleicht) einen anderen Menschen verstehen.
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Kramer postvisuell
Anmeldungsdatum: 01.08.2003 Beiträge: 30878
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(#60857) Verfasst am: 07.12.2003, 04:30 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Wenn Du das so ausdrückst, bedeutet es, daß Du vernünftigere Gründe dafür anführen kannst, warum der Mensch an oberster Stelle stehen soll.
Nicht daß ich es für ausgeschlossen halte, daß es solche vernünftigen Gründe geben könnte, aber ich würde sie gern mal zu lesen bekommen. |
Hi Step,
gute Frage. Wer kann sie beantworten? Wenn sie überhaupt jemand beantworten kann, dann wohl ein Mensch. Uns sind keine anderen Wesen bekannt, die sich darüber Gedanken machen - und wenn es doch welche geben sollte, dann können sie diese Gedanken nicht mit uns teilen. Wir sind die einzigen uns bekannten Wesen, die zu philosophischen Erwägungen über den Speziezismus fähig sind. Wenn eine Spezies die oberste Stelle einnehmen soll, dann können das unserer Sicht nur wir Menschen sein. Es gibt keine anderen Anwärter.
Die eigentliche Frage lautet also nicht, ob der Mensch an die oberste Stelle gehört, sondern ob überhaupt eine Spezies an die oberste Stelle gehört. Nun hat der Mensch in der Vergangenheit diese Rolle aus unterschiedlichen Gründen eingenommen, die nicht alle ethisch zu rechtfertigen waren, die aber uns (die heute lebenden Menschen) vor die Verantwortung stellen, das Schiff wieder auf Kurs zu bringen. Wir können das Ruder gar nicht mehr aus der Hand geben, ohne noch mehr Schaden anzurichten. Wir können z.B. die Verantwortung für unseren Gift- und Atommüll nicht auf Delphine oder Mäuse übertragen.
Die Welt, in der wir leben, braucht uns an der Spitze.
Gruß,
Stefan
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Critic oberflächlich
Anmeldungsdatum: 22.07.2003 Beiträge: 16338
Wohnort: Arena of Air
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(#60863) Verfasst am: 07.12.2003, 04:55 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Die Replizierfähigkeit eines einzelnen Individuums (womöglich nur mittels traditionellen Geschlechstverkehrs)... |
...womit wir uns - angesichts der Spätheit des im Augenblick in der Wahrnehmung des Schreibers gegenständlichen Momentes allerdings hier nur kursorisch - auch wiederum auf ein Dilemma zubewegen würden: In-vitro-Fertilisation als Mischfall mal ungeachtet, weil da ja funktionsfähige Komponenten zweier Individuen zusammenkommen, während beim Klonen nurmehr eine "funktionsfähige Komponente" und eine "entkernte Hülle" (nämlich die Eizelle, aus der aber die genetischen Informationen des Weibchens entfernt wurden) zusammenkommen: Was ist also mit Klonen? Wäre ein Mensch, der nicht auf "traditionelle Weise" gezeugt wurde, im Rahmen dieser Definition nicht wieder benachteiligt, indem etwa Religiöse (oder gar: ein religiöser Regierungschef, der aus Desinteresse nicht handelt, die Situation zu verbessern, oder aus Interesse gerade eine solche Haltung aktiv betreibt, um entweder das Klonen selbst zu verdammen oder sich Soldaten und Arbeitssklaven zu beschaffen, die er dann aber nicht behandeln müßte wie Menschen, wenn er sie eben nicht zu Menschen erklärt - gleichwohl sie doch offensichtlich sich selbst durch ihr eigenes Dasein zu Menschen erklären -, in gleicher Art, wie eben jahrhundertelang Nicht-Pinkyhäutigen die Menschenrechte verweigert wurden) behaupten wollten, ein Klon besäße keine "menschliche Seele", und darob - obwohl sie/er doch offensichtlich ein Mensch ist, der in seinem Handeln nicht vom Handeln "traditionell Gezeugter" zu unterscheiden ist -, genieße sie/er auch keine menschlichen Rechte?!
Daraus folgt eben, daß neben einer naturwissenschaftlichen (da Naturwissenschaft per se Phänomene nicht in "moralisch" oder "unmoralisch" bewertet, weil die Natur ja selbst keine moralischen Kategorien anwendet) auch keine metaphysische Begründung für die Menschenrechte existieren kann. Sie sind zwar ein Ideal, aber weder transzendent noch aus konkretem Handeln der Natur ableitbar.
_________________ "Die Pentagon-Gang wird in der Liste der Terrorgruppen geführt"
Dann bin ich halt bekloppt.
"Wahrheit läßt sich nicht zeigen, nur erfinden." (Max Frisch)
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Sanne gives peas a chance.
Anmeldungsdatum: 05.08.2003 Beiträge: 12088
Wohnort: Nordschland
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(#60866) Verfasst am: 07.12.2003, 09:43 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Sanne hat folgendes geschrieben: | Ich finde eine Ethik, die nicht den Menschen/die Menschheit an oberste Stelle stellt, eigentlich gar nicht vernünftig. | Wenn Du das so ausdrückst, bedeutet es, daß Du vernünftigere Gründe dafür anführen kannst, warum der Mensch an oberster Stelle stehen soll.
Nicht daß ich es für ausgeschlossen halte, daß es solche vernünftigen Gründe geben könnte, aber ich würde sie gern mal zu lesen bekommen. Da sich die Vernünftigkeit der Gründe wohl auf ihre Fähigkeit bezieht, die effizientere Erreichung eines bestimmten Ziels zu zeigen, müßten wir erstmal klären, was das Ziel ist, in bezug auf das ein Speziezismus vernünftig wäre.
Eine Alternative (aus voraufgeklärter Zeit) wäre natürlich, diese Prämisse einfach ohne vernünftige Begründung zu setzen. Sie könnte dennoch in bezug auf ein bestimmtes Ziel die (dann unbewußt) richtige Entscheidung sein, wird allerdings vernünftige Menschen u.U. nicht mehr befriedigen.
gruß/step |
3.Versuch
Bin noch mal in mich gegangen, hab meine Motivation überprüft und bin zu folgender Feststellung gekommen (die so banal ist, daß sie auch nach, vor, während und jenseits der Aufklärung Bestand hat):
Menschliches Verhalten wird nicht nur mit Vernunft begründet, sondern auch mit den Trieben des Menschen. Wobei es häufig einen Streit zwischen Trieben und Ratio gibt. Aber es ist vernünftig, auf seine Triebe zu hören, die Triebe (und die daraus resultierende individuelle Psychostruktur) miteinzubeziehen, weil man dadurch mehr Lebensqualität und Authenzität hat.
Ergo kann man aus vernünftigen Gründen die Triebe des Menschen als nicht-vernünftige Grundlage einer menschlichen Ethik miteinbeziehen.
Dem einen ist es möglich, seinen Sexualtrieb (Anziehungskraft, Attraktivität, Sympathie) inklusive Brutpflegetrieb (etwas Neues schaffen und dieses Neue pflegen, nähren und verteidigen) auf abstrakte philosophische Konstrukte und nichtmenschliche Wesen oder Götter auszudehnen, dem anderen nicht. Vielleicht letztendlich eine Frage der sexuellen Orientierung?
Vielleicht ist es auch ein ganz anderer Trieb, nämlich Grenzen überschreiten wollen, forschen, entdecken, ergründen.
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step registriert
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(#60888) Verfasst am: 07.12.2003, 14:52 Titel: |
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Sanne hat folgendes geschrieben: | ... kann man aus vernünftigen Gründen die Triebe des Menschen als nicht-vernünftige Grundlage einer menschlichen Ethik miteinbeziehen. | Hier stimme ich Dir insofern zu, als man die Triebe sogar einbeziehen muß - so wie sie sind, oder sie zu ändern versuchen. Wenn ich von Interessen schreibe, würde ich triebhafte Interessen daher durchaus als einen Teil davon ansehen.
Viele ethische Dilemmas entstehen aber gerade dadurch, daß es Interessen- (oder Trieb-) Konflikte gibt, manchmal sogar noch verschlimmert durch unsere Erkenntnis der Zusammenhänge.
Zum zweiten ist die von Dir angeführte "Authentizität" nur ein anderes Wort für einen gefühlten status quo, und "Lebensqualität" durch maximale Triebbefriedigung - zumindest individuell betrachtet - würde jegliche Ethik konterkarieren.
Die Tatsache, daß wir (z.B. speziezistisch wirkende) Triebe haben, ist also zwar nicht vernachlässigbar, aber auch nicht per se ein vernünftiges Argument für ein speziezistische Ethik.
gruß/step
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step registriert
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(#60910) Verfasst am: 07.12.2003, 15:42 Titel: |
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thaukelt hat folgendes geschrieben: | Die eigentliche Frage lautet also nicht, ob der Mensch an die oberste Stelle gehört, sondern ob überhaupt eine Spezies an die oberste Stelle gehört. | Nur mal rein hypothetisch: Man könnte auf die Idee kommen, die menschliche Spezies nur als Spezialfall allgemeinerer Lebenseigenschaften anzusehen, die es zu erhalten / verbreiten gälte. Eine andere (schon existierende oder noch zu schaffende) Spezies könnte dazu als höchstwertige angesehen werden müssen, und der Mensch (von sich selbst!) nur als Erfüllungsgehilfe. Es wären auch Ziele denkbar, die überhaupt keine Spezies an die oberste Stelle zu setzen nahelegen würden, oder die zwar die Ausrottung einer Spezies, nicht aber das Töten ihrer Individuen erlauben.
Dein Argument, der Mensch könne wenn überhaupt nur sich an die Wertspitze setzen, weil nur er über Speziezismus (oder Ethik generell) reflektieren könne, ist selbst bereits inhärent speziezistisch, was man sieht, wenn man es auf andere als Artgrenzen anwendet, etwa Erwachsene und Babys oder Gesunde und Kranke ...
thaukelt hat folgendes geschrieben: | Nun hat der Mensch in der Vergangenheit diese Rolle aus unterschiedlichen Gründen eingenommen, die nicht alle ethisch zu rechtfertigen waren, die aber uns (die heute lebenden Menschen) vor die Verantwortung stellen, das Schiff wieder auf Kurs zu bringen. | Falls Du hiermit eine Art Kollektivschuld der Art meinst, wäre zu begründen, warum es diese geben sollte. Siehe aber den folgenden Abschnitt.
thaukelt hat folgendes geschrieben: | Wir können das Ruder gar nicht mehr aus der Hand geben, ohne noch mehr Schaden anzurichten. Wir können z.B. die Verantwortung für unseren Gift- und Atommüll nicht auf Delphine oder Mäuse übertragen. | Das scheint mir schon eher ein Argument zu sein. Für viele grundsätztliche Ziele (z.B. Leidensminimierung) sieht es in der Tat so aus, als ob der Mensch das am effizientesten erreichen könnte (und deswegen auch ethisch sollte). Aber auch hierzu gibt es abweichende Meinungen.
gruß/step
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step registriert
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(#60917) Verfasst am: 07.12.2003, 15:54 Titel: |
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Hi Critic, ich dachte immer, meine Beiträge seien schon schwer zu lesen, aber Deine Sätze sind teilweise auch nicht gerade leichtverdaulich
Critic hat folgendes geschrieben: | ...Daraus folgt eben, daß neben einer naturwissenschaftlichen (da Naturwissenschaft per se Phänomene nicht in "moralisch" oder "unmoralisch" bewertet, weil die Natur ja selbst keine moralischen Kategorien anwendet) auch keine metaphysische Begründung für die Menschenrechte existieren kann. Sie sind zwar ein Ideal, aber weder transzendent noch aus konkretem Handeln der Natur ableitbar. |
Eine metaphysische Letztbegründung egal welcher Ethik kann es aus allseits bekannten logischen Gründen nicht geben, da scheinen wir uns einig zu sein.
Eine naturwissenschaftliche Letztbegründung kann es (egal wofür) ebenfalls nicht geben, das gibt die naturwissenschaftliche Methode nicht her.
Normalerweise kann es also (vereinfacht) nur so ablaufen: Man definiert gemeinsam ein Ziel (z.B. "Leidensminimierung für alle Lebewesen" oder "Kolonialisierung des Weltraums durch die menschlichen Gene"), die Naturwissenschaft dient nur der Überprüfung der Effizienz der vorgeschlagenen ethischen Normen in Hinblick auf die Erreichung dieses Ziels.
Eine naturwissenschaftliche Begründung des Ziels selbst wäre theoretisch denkbar, wenn die (multiversale) Zukunft hinreichend gut bekannt (simulierbar) wäre. Das ist aber wohl derzeit nicht der Fall.
gruß/step
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Kramer postvisuell
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(#60943) Verfasst am: 07.12.2003, 17:13 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | thaukelt hat folgendes geschrieben: | Die eigentliche Frage lautet also nicht, ob der Mensch an die oberste Stelle gehört, sondern ob überhaupt eine Spezies an die oberste Stelle gehört. | Nur mal rein hypothetisch: Man könnte auf die Idee kommen, die menschliche Spezies nur als Spezialfall allgemeinerer Lebenseigenschaften anzusehen, die es zu erhalten / verbreiten gälte. Eine andere (schon existierende oder noch zu schaffende) Spezies könnte dazu als höchstwertige angesehen werden müssen, und der Mensch (von sich selbst!) nur als Erfüllungsgehilfe. Es wären auch Ziele denkbar, die überhaupt keine Spezies an die oberste Stelle zu setzen nahelegen würden, oder die zwar die Ausrottung einer Spezies, nicht aber das Töten ihrer Individuen erlauben. |
Hi Step,
ist das eine Ergänzung oder ein Einwand? So ganz klar ist mir jedenfalls noch nicht, worauf Du hinaus willst.
Zitat: | Dein Argument, der Mensch könne wenn überhaupt nur sich an die Wertspitze setzen, weil nur er über Speziezismus (oder Ethik generell) reflektieren könne, ist selbst bereits inhärent speziezistisch, was man sieht, wenn man es auf andere als Artgrenzen anwendet, etwa Erwachsene und Babys oder Gesunde und Kranke ... |
Da kann ich Dir auch nicht ganz folgen. Was soll ich sehen, wenn ich den vermeintlich inhärenten Speziezismus meines Arguments auf die von Dir genannten Grenzen anwende?
Zitat: | Falls Du hiermit eine Art Kollektivschuld der Art meinst, wäre zu begründen, warum es diese geben sollte. |
Nicht Schuld, Verantwortung. Die Diskussion darüber, ob man die Verplichtung zur Verantwortung begründen kann, wäre aber ein anderer Thread.
Gruß,
Stefan
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
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(#60957) Verfasst am: 07.12.2003, 19:42 Titel: |
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Hi Stefan, thaukelt hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Dein Argument, der Mensch könne wenn überhaupt nur sich an die Wertspitze setzen, weil nur er über Speziezismus (oder Ethik generell) reflektieren könne, ist selbst bereits inhärent speziezistisch, was man sieht, wenn man es auf andere als Artgrenzen anwendet, etwa Erwachsene und Babys oder Gesunde und Kranke ... | Da kann ich Dir auch nicht ganz folgen. Was soll ich sehen, wenn ich den vermeintlich inhärenten Speziezismus meines Arguments auf die von Dir genannten Grenzen anwende? | Erwachsene können über Ethik reflektieren, Babys nicht. Das allein rechtfertigt nicht, Erwachsene an die Spitze der Werthierarchie zu setzen. Ein merkwürdige Eigenschaft von Ethik ist es ja gerade, daß es bei ihr wesentlich auch um Objekte geht, die selbst nicht aktiv an der Zumessung von Wert beteiligt (also keine ethischen Personen), aber von deren Folgen betroffen sind. Wollte man also dennoch begründen, warum ein Tier weniger Wert hat als ein Mensch, so müßte diese Begründung entweder auf andere Objekte ohne ethisches Reflektionsvermögen ausgedehnt oder fallengelassen werden.
thaukelt hat folgendes geschrieben: | Die Diskussion darüber, ob man die Verplichtung zur Verantwortung begründen kann, wäre aber ein anderer Thread. | Stimmt.
gruß/step
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Kramer postvisuell
Anmeldungsdatum: 01.08.2003 Beiträge: 30878
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(#60984) Verfasst am: 07.12.2003, 23:06 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Erwachsene können über Ethik reflektieren, Babys nicht. Das allein rechtfertigt nicht, Erwachsene an die Spitze der Werthierarchie zu setzen. Ein merkwürdige Eigenschaft von Ethik ist es ja gerade, daß es bei ihr wesentlich auch um Objekte geht, die selbst nicht aktiv an der Zumessung von Wert beteiligt (also keine ethischen Personen), aber von deren Folgen betroffen sind. Wollte man also dennoch begründen, warum ein Tier weniger Wert hat als ein Mensch, so müßte diese Begründung entweder auf andere Objekte ohne ethisches Reflektionsvermögen ausgedehnt oder fallengelassen werden. |
Ah, jetzt ist bei mir der Groschen gefallen. Ich dachte weniger an eine Werthierarchie, sondern eher an eine "Entscheidungsträgerhierarchie". Nicht die schicke Kapitänsmütze befähigt den Menschen dazu, das Ruder in die Hand zu nehmen, sondern die schlichte Tatsache, dass er es kann. Dass der Mensch dadurch in den Augen des Menschen zu etwas wertvollerem als andere Wesen wird, ist ein lästiger, aber nicht zwingend notwendiger Überbau.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#60998) Verfasst am: 08.12.2003, 00:05 Titel: |
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thaukelt hat folgendes geschrieben: | Ich dachte weniger an eine Werthierarchie, sondern eher an eine "Entscheidungsträgerhierarchie". Nicht die schicke Kapitänsmütze befähigt den Menschen dazu, das Ruder in die Hand zu nehmen, sondern die schlichte Tatsache, dass er es kann. Dass der Mensch dadurch in den Augen des Menschen zu etwas wertvollerem als andere Wesen wird, ist ein lästiger, aber nicht zwingend notwendiger Überbau. | Ah ja, so stimme ich gerne zu. Dieser "lästige, aber nicht zwingend notwendige Überbau" hat leider im realen Leben durchaus Auswirkungen.
gruß/step
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Kramer postvisuell
Anmeldungsdatum: 01.08.2003 Beiträge: 30878
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(#61018) Verfasst am: 08.12.2003, 04:32 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Dieser "lästige, aber nicht zwingend notwendige Überbau" hat leider im realen Leben durchaus Auswirkungen. |
Das ist das lästige Erbe des Christentums und anderer religiöser Weltanschauungen. Der christliche Humanismus (wenn ich dieses Oxymoron mal bemühen darf) ist ein Humanismus, der werthierarchich orientiert ist. Der Mensch wird als Krone von Gottes Schöpfung gesehen, der sich diese Welt Untertan machen soll. Der aufgeklärte Humanismus sollte eigentlich pragmatisch orientiert sein, aber es steckt noch zuviel vom christlichen Menschenbild in vielen von uns - auch in mir, obwohl ich gar nicht christlich erzogen wurde.
Wir verbinden "Verantwortung übernehmen" noch immer mit werthierarchischen Kategorien. Und wir leben noch immer in einer Welt, die nach diesen Kategorien geordnet ist.
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Sanne gives peas a chance.
Anmeldungsdatum: 05.08.2003 Beiträge: 12088
Wohnort: Nordschland
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(#61021) Verfasst am: 08.12.2003, 09:09 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Sanne hat folgendes geschrieben: | ... kann man aus vernünftigen Gründen die Triebe des Menschen als nicht-vernünftige Grundlage einer menschlichen Ethik miteinbeziehen. | Hier stimme ich Dir insofern zu, als man die Triebe sogar einbeziehen muß - so wie sie sind, oder sie zu ändern versuchen. Wenn ich von Interessen schreibe, würde ich triebhafte Interessen daher durchaus als einen Teil davon ansehen.
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Hui, du willst die Triebe ändern. Meinst du nicht: lenken oder kanalisieren oder kontrollieren?
Zitat: |
Viele ethische Dilemmas entstehen aber gerade dadurch, daß es Interessen- (oder Trieb-) Konflikte gibt, manchmal sogar noch verschlimmert durch unsere Erkenntnis der Zusammenhänge.
Zum zweiten ist die von Dir angeführte "Authentizität" nur ein anderes Wort für einen gefühlten status quo, und "Lebensqualität" durch maximale Triebbefriedigung - zumindest individuell betrachtet - würde jegliche Ethik konterkarieren. | Nicht, wenn man die Vernunft und das Verlangen nach einer Ethik auch als Trieb ansieht...
Zitat: | Die Tatsache, daß wir (z.B. speziezistisch wirkende) Triebe haben, ist also zwar nicht vernachlässigbar, aber auch nicht per se ein vernünftiges Argument für ein speziezistische Ethik.
gruß/step |
Der gefühlte Status Quo ist deiner Meinung nach auch kein vernünftiges Argument? Es gibt doch keine vernünftige Begründung für die Annahme, daß eine Ausdehnung der Personenrechte auf Nicht-Menschen (denn eine Beschränkung der Personenrechte auf Menschen ist ja speziezistisch) den Status Quo verbessern würde, oder auch nur nicht verschlechtern würde.
Warum dir nichtmenschliche Wesen so sehr am Herzen (bzw an der "Ratio") liegen, ist mir schleierhaft. Gibt es eine logische Begründung für die Einbeziehung der nichtmenschlichen Wesen in Personenrechte, außer derjenigen, daß es deiner Meinung nach keine logische Begründung für die Nichteinbeziehung gibt?
_________________ Ich will das Internet doch nicht mit meinen Problemen belästigen! (Marge Simpson)
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#61032) Verfasst am: 08.12.2003, 11:21 Titel: |
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Sanne hat folgendes geschrieben: | Warum dir nichtmenschliche Wesen so sehr am Herzen (bzw an der "Ratio") liegen, ist mir schleierhaft. Gibt es eine logische Begründung für die Einbeziehung der nichtmenschlichen Wesen in Personenrechte, außer derjenigen, daß es deiner Meinung nach keine logische Begründung für die Nichteinbeziehung gibt? |
Zum einen bezieht sich die Ethik ja nicht nur auf Personenrechte. Viele Tiere sind ja definitiv bewußt und können nach Stand der Wissenschaft Leid empfinden. Wenn es ein Ziel der Ethik darstellt, Leid zu minimieren, müsste man diese Tiere einschließen.
Aber selbst in bezug auf Personeneigenschaften ist ja bei einigen Arten zumindest umstritten, ob solche vorliegen.
gruß/step
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nocquae diskriminiert nazis
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 18183
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(#61045) Verfasst am: 08.12.2003, 12:01 Titel: |
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Sanne hat folgendes geschrieben: | Warum dir nichtmenschliche Wesen so sehr am Herzen (bzw an der "Ratio") liegen, ist mir schleierhaft. Gibt es eine logische Begründung für die Einbeziehung der nichtmenschlichen Wesen in Personenrechte, außer derjenigen, daß es deiner Meinung nach keine logische Begründung für die Nichteinbeziehung gibt? |
Dass "der Mensch alleiniges Ziel einer Ethik" sein, ist ja eine nicht weiter begründbare Setzung deinerseits.
Ziel einer persönlichen Moral ist aber zunächst einmal - eigentlich immer - Vermeidung von Leid und Erlangung von Genuss. Das ist sozusagen eine Strategie, die evolutionär bedingt ist.
Selbst Christen versuchen ja, durch bestimmte weltliche Handlungen und Denkweisen zu einem höheren Genuss im Jenseits zu gelangen. Wenn aber Leidminimierung und Genussmaximierung Inhalte einer Ethik werden (Inhalte der Moral sind sie IMO ganz automatisch bei fühlenden Wesen), dann ergibt sich daraus ganz logisch, dass diese auf "Wesen mit der Möglichkeit, Leid oder Genuss empfinden zu können" anzuwenden ist. Das schließt wiederum zumindest entwickeltere Tiere eben mit ein.
Im Gegensatz zu der der ethischen Setzung des "Menschen als alleinigem Ziel einer Ethik" ist meine Setzung weiter rationalisierbar.
Und nochmal: viele Tiere besitzen geistige Eigenschaften, die weit über die eines z.B. schwer gehirngeschädigten Menschen hinausgehen. Warum würdest du ersteren etwas antun wollen, wozu du bei letzterem nicht bereit wärst? Kannst du das irgendwie rationalisieren?
_________________ In Deutschland gilt derjenige, der auf den Schmutz hinweist, als viel gefährlicher, als derjenige, der den Schmutz macht.
-- Kurt Tucholsky
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Sanne gives peas a chance.
Anmeldungsdatum: 05.08.2003 Beiträge: 12088
Wohnort: Nordschland
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(#61068) Verfasst am: 08.12.2003, 12:54 Titel: |
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NOCQUAE hat folgendes geschrieben: | Sanne hat folgendes geschrieben: | Warum dir nichtmenschliche Wesen so sehr am Herzen (bzw an der "Ratio") liegen, ist mir schleierhaft. Gibt es eine logische Begründung für die Einbeziehung der nichtmenschlichen Wesen in Personenrechte, außer derjenigen, daß es deiner Meinung nach keine logische Begründung für die Nichteinbeziehung gibt? |
Dass "der Mensch alleiniges Ziel einer Ethik" sein, ist ja eine nicht weiter begründbare Setzung deinerseits. | Alleiniges ziel hab ich nicht gesagt. Wichtigstes Ziel umschreibt meine Ansicht besser.
Zitat: |
Ziel einer persönlichen Moral ist aber zunächst einmal - eigentlich immer - Vermeidung von Leid und Erlangung von Genuss. Das ist sozusagen eine Strategie, die evolutionär bedingt ist.
Selbst Christen versuchen ja, durch bestimmte weltliche Handlungen und Denkweisen zu einem höheren Genuss im Jenseits zu gelangen. Wenn aber Leidminimierung und Genussmaximierung Inhalte einer Ethik werden (Inhalte der Moral sind sie IMO ganz automatisch bei fühlenden Wesen), dann ergibt sich daraus ganz logisch, dass diese auf "Wesen mit der Möglichkeit, Leid oder Genuss empfinden zu können" anzuwenden ist. Das schließt wiederum zumindest entwickeltere Tiere eben mit ein.
Im Gegensatz zu der der ethischen Setzung des "Menschen als alleinigem Ziel einer Ethik" ist meine Setzung weiter rationalisierbar.
Und nochmal: viele Tiere besitzen geistige Eigenschaften, die weit über die eines z.B. schwer gehirngeschädigten Menschen hinausgehen. Warum würdest du ersteren etwas antun wollen, wozu du bei letzterem nicht bereit wärst? Kannst du das irgendwie rationalisieren? |
Ja, kann ich. Todesstrafe für Mäuse, die in meiner Küche an meinen Vorräten naschen. Wenn ich einen Menschen beim Diebstahl erwische, würde ich Strafanzeige erstatten, und ich möchte ausdrücklich, daß er nicht mit dem Tode bestraft wird (mit der diesbezüglichen gesetzeslage in unserem Land bin ich zufrieden. Mit der Möglichkeit, Mäuse per Mausefalle ohne höchstrichterliche Weisung hinrichten zu können, auch)
Warum diese Ungleichbehandlung von Mensch und Maus, obwohl die Maus ohne Zweifel wesentlich intelligenter und empfindsamer ist als viele Menschen? Erstens Empathie, der Mensch steht mir gefühlsmäßig näher. Zweitens, die Maus als artfremdes Lebewesen, dient mir als Allesfresser potentiell als Nahrung. Wegen des Nahrungsüberangebotes habe ich aber kein Interesse, die Maus zu fressen, jage sie aber trotzdem, wenn sie in mein Revier eindringt: Jagdinstinkt wie bei einer überfütterten katze
Rationale Beschreibung meiner irrationalen (gefühlsmäßigen, triebhaften) Eigenschaften und Verhaltensweisen: ICH definiere mich nicht als logische Maschine, sondern als triebhaftes Wesen, dessen Fähigkeit zur Rationalisierung nur einer von vielen Trieben ist. Ich stelle (aktiv, bewußt und rational) die Triebhaftigkeit, in diesem Fall die Bevorzugung der eigenen Spezies, über die abstrakte Logik. Weil mir das so paßt, weil ich damit gut klar komme - das ist wieder eine sehr rationale und zweckmäßige Begründung.
Wahrscheinlich kommst du mit deinem logischen Abstraktionismus auch gut zurecht, sonst würdest du ihn nicht als Weltanschauung oder welterklärungsmodell benutzen Die Rationalisierbarkeit einer Weltanschauung beeindruckt mich weniger als ihre Praktizierbarkeit.
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Sanne gives peas a chance.
Anmeldungsdatum: 05.08.2003 Beiträge: 12088
Wohnort: Nordschland
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(#61071) Verfasst am: 08.12.2003, 13:08 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Zum einen bezieht sich die Ethik ja nicht nur auf Personenrechte. Viele Tiere sind ja definitiv bewußt und können nach Stand der Wissenschaft Leid empfinden. Wenn es ein Ziel der Ethik darstellt, Leid zu minimieren, müsste man diese Tiere einschließen.
Aber selbst in bezug auf Personeneigenschaften ist ja bei einigen Arten zumindest umstritten, ob solche vorliegen.
gruß/step |
M.S.Salomons Bundeskanzler-Maikäfer schwirrt mir immer noch im Kopf rum
Ich finde ja nicht, daß man Tieren gegenüber kein ethisches Verhalten ausüben sollte. Wenn der Maikäfer mir nichts tut, tu ich ihm auch nichts.
Ich finde es zum Beispiel auch in Ordnung, wenn man aus Rücksicht auf die Population seltener Frösche in einem Feuchtgebiet den Bebauungsplan ändert. Aber auch hier steht das menschliche Interesse im Vordergrund: der Mensch ist am Erhalt vieler Arten interessiert. Ebenso gibt es ein menschliches Interesse am Erhalt von Naturschutzgebieten.
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nocquae diskriminiert nazis
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 18183
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(#61073) Verfasst am: 08.12.2003, 13:10 Titel: |
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Sanne hat folgendes geschrieben: | Die Rationalisierbarkeit einer Weltanschauung beeindruckt mich weniger als ihre Praktizierbarkeit. | Am besten ist es doch, wenn Rationalisierbarkeit und Praktizierbarkeit zusammentreffen, oder?
_________________ In Deutschland gilt derjenige, der auf den Schmutz hinweist, als viel gefährlicher, als derjenige, der den Schmutz macht.
-- Kurt Tucholsky
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jakob Gast
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(#61075) Verfasst am: 08.12.2003, 13:10 Titel: |
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thaukelt hat folgendes geschrieben: | Der aufgeklärte Humanismus sollte eigentlich pragmatisch orientiert sein, aber es steckt noch zuviel vom christlichen Menschenbild in vielen von uns - auch in mir, obwohl ich gar nicht christlich erzogen wurde.
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Immerhin gelingt es Dir gut, das zu verbergen...
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