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kryten auf Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 23.04.2006 Beiträge: 364
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(#613000) Verfasst am: 03.12.2006, 14:23 Titel: Predigt getarnt als wissenschaftlicher Beitrag |
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Zitat: | Sonntag, den 03.12.2006
07:15 Uhr
Tele-Akademie
Prof. Dr. Marianne Gronemeyer: Die Macht der Bedürfnisse
Überfluss und Knappheit in der Konsumgesellschaft
(Erstsendung 26.11.2006)
[url]
http://www.3sat.de/3sat.php?http://www.3sat.de/programm_titel.php3?url=http://pressetreff.3sat.de/pd/Sendung.asp?ID='BF16FCF12F8C6862'
[/url]Auf der einen Seite sollen Menschen sparen, eine neue Bescheidenheit soll dem Konsum Platz machen, auf der anderen Seite heißt es immer häufiger, dass es heute erste Bürgerpflicht sei, zu konsumieren, denn nur durch Konsum könnedie Wirtschaft wachsen. Müssen wir nun sparen oder uns verausgaben?
Professor Dr. Marianne Gronemeyer lehrt Erziehungs- und Sozialwissenschaften an der Fachhochschule Wiesbaden.
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Heute Morgen lief diese Sendung auf 3Sat. Beim Zappen bin ich da hängengeblieben, weil es sich alles so wissenschaftlich angehört hat. Zunächst fand ich Zustimmung in der Einleitung von der Prof. Dr. Marianne. Sie sprach vorwiegend über Konsum und den Neid von vielen Menschen dass den Konsum antreibt. Und dass das Hamsterrad Konsum und Arbeit die Menschen nicht zu den eigentlichen Dingen im Leben mehr Zeit lässt.
Doch anstelle irgendwelcher Umfrageergebnisse oder Analysen oder Ideen, artete die Rede langsam aber sicher in eine Predigt aus. Zunächst postulierte Sie im Groben, wie ich das verstanden habe, dass die Konsumgesellschaft eine Erfindung unserer Zeit ist (nach dem Motto, früher war alles besser) und dann ging es um den "Unglauben" dass dieser den Menschen einen eisernen Willen mitgibt für die Möglichkeit sein Schicksal selbst in die Hand nehmen zu können, das wiederum aus irgendwelchen Gründen, negativ seien sollte, weil eben Gottlos.
Spätestens als sie anfing über Steine und Mönche zu erzählen und eine Stimmung aufkahm wie vor dem Sinken auf der Titanik, habe ich dann umgeschaltet.
Heute ist Sonntag, und wahrscheinlich hätte ich es mir denken können. Aber ich kam mir irgendwie verarrscht vor. Jeder kann ja seine Meinung vertreten, so auch die Prof. Doktor M.. Der Vortrag war ganz ohne wissenschaftlichen Hintergrund. Ohne Statistiken, Zahlen oder sonst noch neuer Erkenntnisse. Das ist das was mich aufregt.
Das kam mir vor wie Produckt Placement der Kirche, durch das Wissenschaftliche Sprachrohr. Leider gibt es kein Stream auf der 3Sat homepage zu der Sendung.
Für die meisten wird das nichts neues sein. Diesen Thread hab ich neu eröffnet, weil ich mich frage, ob eine Predigt immer eine gleiche Struktur aufweist und wenn ja, dann welche? Mir ist z.B. in dem Fall diese ermahnende Stimmungmache aufgefallen. Welche typischen Elemente, außer dem emotionalen, gibt es da immer.
Hat sich mal jemand mit der Struktur einer Predigt auseinander gesetzt?
Zuletzt bearbeitet von kryten am 03.12.2006, 14:52, insgesamt einmal bearbeitet |
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GermanHeretic Individualoptimist & Kulturpessimist
Anmeldungsdatum: 16.06.2004 Beiträge: 4932
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(#613016) Verfasst am: 03.12.2006, 14:41 Titel: Re: Predigt getarnt als Wissenschaftlicher Beitrag |
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kryten hat folgendes geschrieben: | Diesen Thread hab ich neu eröffnet, weil ich mich frage, ob eine Predigt immer eine gleiche Struktur aufweist und wenn ja, dann welche? Mir ist z.B. in dem Fall diese ermahnende Stimmungmache aufgefallen. Welche typischen Elemente, außer dem emotionalen, gibt es da immer.
Hat sich mal jemand mit der Struktur einer Predigt auseinander gesetzt? |
Es scheint einem einfachen Muster zu folgen:
1. Postuliere einen Mißstand, völlig egal ob der vorhanden ist oder nicht.
2. Finde einen Grund für den Mißstand, egal ob eine Verbindung besteht oder nicht.
3. Rede deiner Zuhörerschaft ein, sie seien für den Grund verantwortlich, egal ob das stimmt oder nicht.
4. Biete deiner Zuhörerschaft einen Ausweg aus dem Mißstand an, für den sie ja offentsichtlich verantwortlich zeichnet (siehe 1-3).
5. Bitte deine Zuhörerschaft zur Kasse.
Und dann geht der Klingelbeutel um oder die Ökosteuer...
_________________ "Nehmen Sie einem Durchschnittsmenschen die Lebenslüge, und Sie nehmen ihm zu gleicher Zeit das Glück." (Henrik Ibsen)
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Raphael auf Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 01.02.2004 Beiträge: 8362
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(#613017) Verfasst am: 03.12.2006, 14:43 Titel: Re: Predigt getarnt als Wissenschaftlicher Beitrag |
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GermanHeretic hat folgendes geschrieben: | kryten hat folgendes geschrieben: | Diesen Thread hab ich neu eröffnet, weil ich mich frage, ob eine Predigt immer eine gleiche Struktur aufweist und wenn ja, dann welche? Mir ist z.B. in dem Fall diese ermahnende Stimmungmache aufgefallen. Welche typischen Elemente, außer dem emotionalen, gibt es da immer.
Hat sich mal jemand mit der Struktur einer Predigt auseinander gesetzt? |
Es scheint einem einfachen Muster zu folgen:
1. Postuliere einen Mißstand, völlig egal ob der vorhanden ist oder nicht.
2. Finde einen Grund für den Mißstand, egal ob eine Verbindung besteht oder nicht.
3. Rede deiner Zuhörerschaft ein, sie seien für den Grund verantwortlich, egal ob das stimmt oder nicht.
4. Biete deiner Zuhörerschaft einen Ausweg aus dem Mißstand an, für den sie ja offentsichtlich verantwortlich zeichnet (siehe 1-3).
5. Bitte deine Zuhörerschaft zur Kasse.
Und dann geht der Klingelbeutel um oder die Ökosteuer... |
Es fragt sich schon, ob etwas überhaupt ein Missstand ist, das als solcher bezeichnet wird.
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kryten auf Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 23.04.2006 Beiträge: 364
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(#613028) Verfasst am: 03.12.2006, 14:59 Titel: Re: Predigt getarnt als Wissenschaftlicher Beitrag |
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GermanHeretic hat folgendes geschrieben: |
1. Postuliere einen Mißstand, völlig egal ob der vorhanden ist oder nicht.
2. Finde einen Grund für den Mißstand, egal ob eine Verbindung besteht oder nicht.
3. Rede deiner Zuhörerschaft ein, sie seien für den Grund verantwortlich, egal ob das stimmt oder nicht.
4. Biete deiner Zuhörerschaft einen Ausweg aus dem Mißstand an, für den sie ja offentsichtlich verantwortlich zeichnet (siehe 1-3).
5. Bitte deine Zuhörerschaft zur Kasse.
Und dann geht der Klingelbeutel um oder die Ökosteuer... |
finde ich gut, da tun sich plötzlich Parallelen zwischen Politik und Religion auf . Ist mir aber zu allgemein gehalten. Eine politische Rede ist doch etwas anderes als eine Predigt.
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GermanHeretic Individualoptimist & Kulturpessimist
Anmeldungsdatum: 16.06.2004 Beiträge: 4932
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(#613051) Verfasst am: 03.12.2006, 15:35 Titel: Re: Predigt getarnt als Wissenschaftlicher Beitrag |
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kryten hat folgendes geschrieben: | Eine politische Rede ist doch etwas anderes als eine Predigt. |
Wirklich?
Beide dienen dem Machterhalt und Gelderwerb. Beide faseln von nur transzendental existierenden Dingen (Gott, Gemeinschaftsinteresse, Gesellschaftskonsens, bla bla). Beide werden kurzfristig geglaubt, kurz darauf vergessen, und mittelfristig sündigen die Zuhörer oder wählen dasselbe Gesocks nochmal.
Ich kann beim besten Willen keinen Unterschied feststellen.
_________________ "Nehmen Sie einem Durchschnittsmenschen die Lebenslüge, und Sie nehmen ihm zu gleicher Zeit das Glück." (Henrik Ibsen)
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kryten auf Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 23.04.2006 Beiträge: 364
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(#613063) Verfasst am: 03.12.2006, 15:59 Titel: Re: Predigt getarnt als Wissenschaftlicher Beitrag |
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GermanHeretic hat folgendes geschrieben: | kryten hat folgendes geschrieben: | Eine politische Rede ist doch etwas anderes als eine Predigt. |
Wirklich?
Beide dienen dem Machterhalt und Gelderwerb. Beide faseln von nur transzendental existierenden Dingen (Gott, Gemeinschaftsinteresse, Gesellschaftskonsens, bla bla). Beide werden kurzfristig geglaubt, kurz darauf vergessen, und mittelfristig sündigen die Zuhörer oder wählen dasselbe Gesocks nochmal.
Ich kann beim besten Willen keinen Unterschied feststellen.  |
Gemeinschaftsinteresse kann auch real sein. Nein, ich glaube, da gibt es Unterschiede. Kein Politiker wird den Wählern schlechtes Gewissen einreden. Ein Geistlicher hingegen macht es andauernd.
Edit: Machterhalt und Gelderwerb stimme ich zu.
Edit Edit: ok es gibt Ausnahmen, die Ökosteuer ist so ein SchlechtesGewissenEinreden-Politikum
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Camus syntax error
Anmeldungsdatum: 25.11.2006 Beiträge: 179
Wohnort: Milchstrasse
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(#613067) Verfasst am: 03.12.2006, 16:10 Titel: ... |
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Zitat: | Kein politiker wird den Wählern schlechtes Gewissen einreden. |
Naja ... So pauschal würde ich den Gedanken nicht verwerfen. So manche Politische Meinung wird mittels Verweis auf Rechtsextremismus abgeblockt. Dabatten zum Thema Ausländerkriminalität sind eher dünn gesät. Und wer sich vergegenwärtig, was mit Hohmann passiert ist, wird wohl zustimmen, wenn ich - so wie mein Vorredner - behaupte, dass auch die Politik mit dem "schlechten Gewissen" spielt. Zumindest aber nutzt die Politik die Tendenz der Medien, aus Mücken, Elefanten zu machen, geschickt aus.
Hmm die Frage lautet - vielleicht - Ob die Politik den Menschen ein schlechtes Gewissen einredet, oder ob sie nur das vorhandene verwendet.
mfg
Camus
_________________
"No hell below us, above us only sky." John Lennon
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GermanHeretic Individualoptimist & Kulturpessimist
Anmeldungsdatum: 16.06.2004 Beiträge: 4932
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(#613072) Verfasst am: 03.12.2006, 16:16 Titel: Re: Predigt getarnt als Wissenschaftlicher Beitrag |
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kryten hat folgendes geschrieben: | Kein Politiker wird den Wählern schlechtes Gewissen einreden. Ein Geistlicher hingegen macht es andauernd. |
Es gibt ja noch andere Mechanismen:
#1, der ganz besonders gut in D'land funktioniert: Der Neid.
Da gibt's Leute, denen es besser geht als uns, pfui. Gegen die muß man sich solidarisieren, seltsamerweise am besten unter der Führung von Leuten, denen es auch besser geht als dem Durchschnitt.
#2, wir sind besser als die anderen. Bzw., wer mich wählt oder an mich glaubt, ist besser als die anderen. Das muß ich wohl nicht näher ausführen.
Beim Christentum ist jetzt interessant, wie #1 in #2 kanalisiert wird. Dem gläubigen Christenmenschen wird suggeriert, daß weniger zu haben als andere, einen über diese anderen erhöht. Man wird also besser, je ärmer man ist. So kann man den Neid, mit dem man seine Anhänger gegen andere aufhetzt, zur Not noch abwehren, wenn das Volk mal auf einen selber neidisch werden sollte. Dann ist Geben schnell seliger denn nehmen. Und dann wundert es auch nicht, warum die Mächtigen das Christentum genauso gern haben wie die Habenichtse.
_________________ "Nehmen Sie einem Durchschnittsmenschen die Lebenslüge, und Sie nehmen ihm zu gleicher Zeit das Glück." (Henrik Ibsen)
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