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Carl-von-Ossietzky-Medaille an Bernhard Docke und Florian Pfaff

 
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g_szczesny
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Anmeldungsdatum: 14.10.2006
Beiträge: 116

Beitrag(#632588) Verfasst am: 03.01.2007, 22:22    Titel: Carl-von-Ossietzky-Medaille an Bernhard Docke und Florian Pfaff Antworten mit Zitat

Auszug aus der Eröffnungsrede zur Verleihung der Carl-von-Ossietzky-Medaille von Dr. Rolf Gössner, Präsident der «Internationalen Liga für Menschenrechte» 28.12.2006 an Bernhard Docke und Florian Pfaff:

«... Jedenfalls werden demokratische und zivilisatorische Errungenschaften - die einen Rechtsstaat von einem Unrechtsstaat unterscheiden - in ihrer Substanz in Frage gestellt - Errungenschaften, die über Jahrzehnte und Jahrhunderte mühsam, unter schweren Opfern erkämpft worden sind.
Träger der Carl-von-Ossietzky-Medaille 2006.

Auf dem Hintergrund dieser verhängnisvollen Destruktion findet die heutige Verleihung der Carl-von-Ossietzky-Medaillen statt. Mit Bernhard Docke und Florian Pfaff zeichnen wir Akteure aus, die sich in ihren recht unterschiedlichen Wirkungsbereichen auf eindrucksvolle Weise dieser Destruktion entgegengesetzt haben und weiterhin widersetzen.
• Nun, manche werden sich vielleicht gewundert haben, dass wir heute mit Major Florian Pfaff einen Angehörigen der Bundeswehr auszeichnen. Ist das nicht ein Widerspruch? Der Pazifist Carl von Ossietzky und ein Bundeswehrmajor, der eine Medaille mit Ossietzkys Namen überreicht bekommt - wie passt das zusammen? Noch nie in der Geschichte der Liga ist ein aktiver Militärangehöriger mit dieser Auszeichnung geehrt worden. Und noch nie hat ein aktiver Militärangehöriger, in unserem Fall Oberstleutnant Jürgen Rose, eine Laudatio auf einen Ossietzky-Medaillen-Träger gehalten, der Soldat ist. Wir betreten hier also Neuland.
Doch wir zeichnen nicht den Soldaten aus, der kein Pazifist oder Antimilitarist sein kann, sondern wir ehren ausdrücklich den Widerständigen, den gewissenhaften Befehlsverweigerer in Uniform. Denn Florian Pfaff hat sich während des Angriffskriegs gegen den Irak standhaft geweigert, Beihilfe zu diesem Völkerrechtsverbrechen zu leisten. Zur Begründung hat er an-geführt, er könne es mit seinem Gewissen nicht vereinbaren, Befehle zu befolgen, die geeignet seien, die völkerrechtswidrigen Kriegshandlungen im Irak zu unterstützen. Wörtlich: «Ich beteilige mich nicht an einem Verbrechen, auch nicht auf Befehl.» Das ist - so widersprüchlich es auch immer klingen mag - Zivilcourage im Militär.
Zur Erinnerung: Die rot-grüne Bundesregierung, die eine Beteiligung an der «Koalition der Willigen» abgelehnt hatte, zeigte sich gegenüber den USA dennoch willfährig: Mit Überflugrechten, Awacs-Aufklärungsflügen und Logistikhilfe leistete sie tatkräftige Unterstützung und Beihilfe zum völkerrechtswidrigen Irak-Krieg mit seinen verheerenden Folgen, in dessen Verlauf bis heute Hunderttausende Zivilisten sterben mussten. Völkerrechtswidrig handelt auch derjenige Staat, der den militärischen Aggressor in seinem völkerrechtswidrigen Tun unterstützt.
Wegen seiner Gehorsamsverweigerung warf die militärische Führung Florian Pfaff eine schwere Dienstpflichtverletzung vor: Er wurde kriminalisiert, degradiert und psychiatrisiert, musste sich also einer Untersuchung seines Geisteszustandes unterziehen lassen. Das Truppengericht segnete seine Degradierung ab, weshalb Florian Pfaff vor das Bundesverwaltungsgericht zog - und recht bekam: Der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts sprach den Major mit einem denkwürdigen Urteil vom Vorwurf der rechtswidrigen Befehlsverweigerung frei und rehabilitierte ihn. Soldaten dürften den Befehl verweigern, wenn sie sonst gegen das «völkerrechtliche Gewaltverbot» oder gegen die Menschenwürde verstossen würden, oder wenn sie die Befehlsausführung nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren können. Auf eine Rehabilitierung durch Verteidigungsministerium und Bundeswehr wartet Florian Pfaff bis heute.
• Rechtsanwalt Bernhard Docke setzte jahrelang alle Hebel in Bewegung, um seinen seit 2002 im US-Gefangenenlager Guantánamo widerrechtlich inhaftierten Mandanten Murat Kurnaz zu befreien. Nicht allein mit rechtlichen und gerichtlichen Schritten, sondern auch auf politischer Bühne und mit Hilfe der Öffentlichkeit - eine aufreibende, zeitaufwendige Arbeit, die weit über ein anwaltliches Engagement hinausgeht.
Endlich im August dieses Jahres ist Murat Kurnaz freigelassen worden - nach fast fünf Jahren Haft unter unmenschlichen Bedingungen, ohne Anklage, ohne Gerichtsverfahren und ohne Verteidigung. Während dieser Zeit war er schwersten Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt, wurde gequält, gedemütigt und entwürdigt. Nach den Worten von Bernhard Docke ist er «durch die Hölle gegangen».
Dieser skandalöse Fall eines in extremem Masse von «Antiterror»-Massnahmen betroffenen, unschuldigen Menschen zeigt exemplarisch, zu welch schrecklichen Folgen der von den USA erklärte «Antiterror-Krieg» im Namen der Sicherheit und Freiheit führt. Doch auch die Bundesrepublik, die diesen Krieg auf ihre Weise führt und unterstützt, trägt Mitverantwortung an diesem Menschenrechtsdrama. Nach Aussagen von Kurnaz waren deutsche Sicherheitskräfte direkt in seinen Fall verstrickt. Er sei von Soldaten des KSK - des geheimen «Kommandos Spezialkräfte» - in Afghanistan misshandelt worden, später haben ihn Verhörspezialisten des Verfassungsschutzes und des Bundesnachrichtendienstes unter Guantánamo-Bedingungen verhört. Erst seit Beginn dieses Jahres haben deutsche Regierungsstellen ernsthaft mit der US-Regierung über seine Freilassung verhandelt - nachdem die rot-grüne Bundesregierung es allem Anschein nach jahrelang am notwendigen Engagement hatte fehlen lassen. Deshalb macht Bernhard Docke diese Regierung für die lange Haftzeit unter Folterbedingungen verantwortlich.
...
Der weltweite «Krieg gegen den Terror» hat sämtliche Prinzipien militärischer Beschränkung aufgeweicht, hat die Unterordnung unter die Regeln des Verfassungs- und Völkerrechts aufgekündigt - ob in der Nato, der EU oder der Bundeswehr. Die Verteidigungspolitischen Richtlinien von 2003 und das erst kürzlich aufgelegte «Weissbuch des Verteidigungsministeriums» stellen die Landesverteidigung konsequent auf «Krisenbewältigung» und «Terrorismusbekämpfung» um - das heisst: Bundeswehr-Einsätze in aller Welt. Nach dem «Weissbuch», das sich wie eine präventive Kriegserklärung liest, sollen die Aufgaben der Bundeswehr ausgedehnt werden auf geostrategische Einsätze zur Sicherung der Rohstoff- und Energieversorgung, freier Transportwege und ungehinderten Welthandels sowie zur Abwehr «unkontrollierter Migration»...
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Militarisierung der «Inneren Sicherheit»
Wir erleben aber nicht allein eine Militarisierung der Aussenpolitik, sondern auch der «Inneren Sicherheit», in deren Mittelpunkt der Bundeswehreinsatz im Inland stehen soll - obwohl Polizei und Militär schon aus historischen Gründen sowie nach der Verfassung strikt zu trennen sind..
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Verfassungswidrige Gesetze und bürgerrechtliche Gegenwehr
Wie viel Verfassungs- und Völkerrechtsbruch verträgt eigentlich dieses Land?
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Diese hohe Anzahl verfassungswidriger Gesetze und Massnahmen, aber auch der völkerrechtswidrige Angriffskrieg gegen Jugoslawien und die deutsche Beihilfe zum Völkerrechtsverbrechen gegen den Irak verweisen auf ein Verfassungsbewusstsein in der politischen Klasse, das im Zuge der Terrorismusbekämpfung immer mehr zu schwinden scheint - strenggenommen ein Fall für den «Verfassungsschutz».
Wird hier, wo Recht zu Unrecht wird, nicht Widerstand geradezu zur Pflicht? Widerstand und Zivilcourage gegen völkerrechtswidrige Kriegseinsätze; gegen eine Militarisierung der Aussenpolitik und der EU; gegen den Ausbau der Bundeswehr zu einer weltweit operierenden Interventionstruppe; gegen die klammheimliche Duldung von Folter und die Nutzung von Folteraussagen; gegen die Renaissance eines sogenannten Feindstrafrechts, wie es in Juristenkreisen wieder debattiert wird - ein Sonderrecht für angebliche Staatsfeinde, deren Grundrechte suspendiert werden sollen. Der Weg vom demokratischen Rechtsstaat zum präventiven Unrechtsstaat ist tatsächlich kürzer, als man denkt. ..»
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