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chiring Asatru
Anmeldungsdatum: 11.08.2005 Beiträge: 1694
Wohnort: Westfalen
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(#697213) Verfasst am: 03.04.2007, 01:47 Titel: |
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@Tapuak: ganz meine Meinung.
Einen gesellschaftlichen Nutzen sehe ich in der öffentlichen Finanzierung theologischer Projekte nicht, ganz im Gegeneil wäre das eine Parteinahme zugunsten bestimmter Strömungen. Das bringt unausweichlich langfristigen Ärger.
Die Finanzierung über die Klingelbeutel soll mir recht sein, aber nicht über Spenden in- und ausländischer Multiimilliardäre, schon gar nicht über allgemein - öffentliche Steuermittel.
_________________ .
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tillich (epigonal) hat Spaß
Anmeldungsdatum: 12.04.2006 Beiträge: 22333
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(#697443) Verfasst am: 03.04.2007, 14:39 Titel: |
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Tapuak hat folgendes geschrieben: | Aber immerhin stehen alle mir bekannten Fächer außer der Theologie auf naturalistischer Grundlage. |
Naja. Die Naturwissenschaften haben naturalistische Herangehensweisen, das stimmt, ist aber nicht mehr als eine Tautologie. Bei den Geistes- und Sozialwissenschaften sieht's schon sehr anders aus. Da ist Naturalismus eben nicht vorläufige neutrale Arbeitsgrundlage, sondern (sobald es spannend wird, das heißt sobald es über die reine Deskription hinausgeht und die Gegenstände auf ihre deutende Kraft für unser Leben befragt werden) nicht mehr als eine mögliche Weltanschauung desjenigen, der sich mit den jeweiligen Gegenstandsbereichen auseinander setzt und damit Gegenstand und seine Weltanschauung in ein Verhältnis setzt. Du müsstest tatsächlich also sehr viel mehr wegschmeißen als nur die Theologie.
Zur Begründung, warum nur in naturalistischer Weltanschauung gegründete Forschung Recht auf Anwesenheit in der Universität hätte, ist übrigens mehr nötig als die gehäufte Verwendung des Wortes "Aberglauben" (und anderer abwertender Bezeichnungen und Vergleiche). Das beeindruckt relativ wenig.
Und ja, wenn konfuzianische Philosophie, Buddhismus, und meinetwegen auch irgendwie kosmisch-religiöse Vorstellungen oder Gnostisches wie die Anthroposophie dieselben Voraussetzungen erfüllten wie die Theologie, nämlich sich auf eine bei uns dauerhaft relevante, geschlossene Weltanschauung zu beziehen und dazu in der Lage zu sein, sich in einen Dialog mit anderen Disziplinen, insbesondere den Naturwissenschaften zu setzen, hätte ich keine Einwände gegen ihre Anwesenheit an Universitäten. Aber, wie oben schon irgendwo gesagt, diese akademische Dialogfähigkeit (die als "Zähmung" zu bezeichnen wieder völlig überflüssige Polemik darstellt) kann ich mir bei Vorstellungen, die Astrologie und dergleichen umfassen, genauso wenig vorstellen wie bei harten Kreationisten, im Unterschied zur üblichen Theologenschaft (verwirrte Einzelgänger nicht ausgeschlossen, die es ja nachweislich auch unter Biologen gibt).
Tapuak hat folgendes geschrieben: | Also noch einmal zusammengefasst: Die Normalität all der Vorgänge rund um die Theologie, die du in diesem Thread bereits mehrfach betont hast, trägt rein gar nichts zu ihrer Legitimität bei. |
Das ist völlig richtig. Die Normalität habe ich ja auch nur deswegen betont, weil behauptet wurde, "die Gesellschaft" wisse nicht darum. Die Legitimität ist natürlich im üblichen Diskurs stets aufs Neue zu diskutieren. Zur Behauptung ihrer Illegitimität reicht aber die Aussage "Alles außer der Naturalismus ist doch nur dummer Aberglaube" auch nicht aus. Dass Christentum und andere Religionen sowie säkulare Weltanschauungen verschiedener Art, u.a. der Naturalismus, in unserer Gesellschaft nebeneinander bestehen, muss ausgehalten werden. Man könnte natürlich die Universität von dieser Pluralität künstlich freihalten (was in bestimmten Ländern aus historischen Gründen gut und nützlich sein kann). Man kann in anderen Ländern aber auch durchaus der Meinung sein, dass es gut ist, diese Pluralität gerade auch an den Universitäten stattfinden zu lassen.
_________________ "YOU HAVE TO START OUT LEARNING TO BELIEVE THE LITTLE LIES." -- "So we can believe the big ones?" -- "YES."
(Death / Susan, in: Pratchett, Hogfather)
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Tapuak registrierter User
Anmeldungsdatum: 23.02.2006 Beiträge: 1264
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(#697495) Verfasst am: 03.04.2007, 15:21 Titel: |
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tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben: | Tapuak hat folgendes geschrieben: | Aber immerhin stehen alle mir bekannten Fächer außer der Theologie auf naturalistischer Grundlage. |
Naja. Die Naturwissenschaften haben naturalistische Herangehensweisen, das stimmt, ist aber nicht mehr als eine Tautologie. Bei den Geistes- und Sozialwissenschaften sieht's schon sehr anders aus. Da ist Naturalismus eben nicht vorläufige neutrale Arbeitsgrundlage, sondern (sobald es spannend wird, das heißt sobald es über die reine Deskription hinausgeht und die Gegenstände auf ihre deutende Kraft für unser Leben befragt werden) nicht mehr als eine mögliche Weltanschauung desjenigen, der sich mit den jeweiligen Gegenstandsbereichen auseinander setzt und damit Gegenstand und seine Weltanschauung in ein Verhältnis setzt. Du müsstest tatsächlich also sehr viel mehr wegschmeißen als nur die Theologie. |
Nö. In keiner Sozialwissenschaft und nicht einmal in der Philosophie der Gegenwart werden irgendwelche Geister, Götter, Wunder oder Einhörner vorausgesetzt. Und genau das kennzeichnet den Naturalismus. Alles Geschehen, das von den Sozialwissenschaften untersucht wird, ist natürliches Geschehen und wird auch als solches interpretiert.
Menschen sind biologische Produkte der Evolution, und ihr Zusammenwirken ist folglich rein natürlich. Und nur auf dieser Grundlage wird in der heutigen Sozialwissenschaft nach theoretischen Erklärungen für gesellschaftliche Zusammenhänge gesucht - von der Funktionsweise des Marktes bis zur Erklärung irgendwelcher Sinnkonstruktionen, die in einer Gesellschaft verbreitet sind.
Dass die reale Sozialwissenschaft auch normative Bestandteile hat (an der Grenze zur Philosophie), unterschiedet sie sicher von den klassischen Naturwissenschaften. Aber selbst in diesem Bereich spielt der Rekurs auf übernatürliche Gegebenheiten keine Rolle.
Es geht in der Sozialwissenschaft auch nicht darum, den Forschungsgegenstand mit der Weltanschauung des Forschers "in ein Verhältnis zu setzen". Ich habe auch nicht die geringste Ahnung, wie du auf diese Idee kommst. In der Sozialwissenschaft interessieren nicht die persönlichen Befindlichkeiten des Forschers, sondern die Erklärung der jeweiligen Phänomene.
Die Theologie steht mit ihrem Mystizismus also mutterseelenallein da. Sie ist die einzige universitäre Disziplin, die Übernatürliches voraussetzt.
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Tapuak registrierter User
Anmeldungsdatum: 23.02.2006 Beiträge: 1264
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(#697515) Verfasst am: 03.04.2007, 15:33 Titel: |
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tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben: | Und ja, wenn konfuzianische Philosophie, Buddhismus, und meinetwegen auch irgendwie kosmisch-religiöse Vorstellungen oder Gnostisches wie die Anthroposophie dieselben Voraussetzungen erfüllten wie die Theologie, nämlich sich auf eine bei uns dauerhaft relevante, geschlossene Weltanschauung zu beziehen und dazu in der Lage zu sein, sich in einen Dialog mit anderen Disziplinen, insbesondere den Naturwissenschaften zu setzen, hätte ich keine Einwände gegen ihre Anwesenheit an Universitäten. |
Alles andere wäre aus deiner Perspektive auch inkonsequent gewesen.
Zitat: | Aber, wie oben schon irgendwo gesagt, diese akademische Dialogfähigkeit (die als "Zähmung" zu bezeichnen wieder völlig überflüssige Polemik darstellt) kann ich mir bei Vorstellungen, die Astrologie und dergleichen umfassen, genauso wenig vorstellen wie bei harten Kreationisten, im Unterschied zur üblichen Theologenschaft (verwirrte Einzelgänger nicht ausgeschlossen, die es ja nachweislich auch unter Biologen gibt). |
Doch, klar. Den Rückzug auf reine Semantikspiele, wie man ihn mitunter in der heutigen christlichen Theologie antrifft, könnte ebenso die Astrologie antreten. Dann ist eben nicht "Gott" der "Urgrund des Seins im Seienden", sondern rgendeine "kosmische, mit den Mitteln der Wissenschaft nicht feststellbare Kraft" oder was auch immer. Man müsste im Prinzip nur die Wörter austauschen. Ich sehe in den jeweiligen Prämissen keinen qualitativen Unterschied.
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Kival Profeminist Ghost
Anmeldungsdatum: 14.11.2006 Beiträge: 24071
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(#697523) Verfasst am: 03.04.2007, 15:43 Titel: |
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@Tapauk
Nach unserem Wissenschaftsverständnis hat die Theologie tatsächlich nicht im Wissenschaftsbereich zu suchen, aber das diltheysche-habermassche Verständnis von Geisteswissenschaft und Sozialwissenschaft ermöglicht die Theologie als Bestandteil. In den Geisteswissenschaften hat sich die kritisch rationale Methode nicht so durchgesetzt wie bei den Naturwissenschaften.
_________________ "A basic literacy in statistics will one day be as necessary for efficient citizenship as the ability to read and write." (angeblich H. G. Wells)
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Tapuak registrierter User
Anmeldungsdatum: 23.02.2006 Beiträge: 1264
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(#697542) Verfasst am: 03.04.2007, 16:02 Titel: |
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Kival hat folgendes geschrieben: | @Tapauk
Nach unserem Wissenschaftsverständnis hat die Theologie tatsächlich nicht im Wissenschaftsbereich zu suchen, aber das diltheysche-habermassche Verständnis von Geisteswissenschaft und Sozialwissenschaft ermöglicht die Theologie als Bestandteil. In den Geisteswissenschaften hat sich die kritisch rationale Methode nicht so durchgesetzt wie bei den Naturwissenschaften. |
Darum geht es mir ja im Moment gerade nicht. Denn völlig unabhängig davon, welches Wissenschaftsverständnis man zugrunde legt, muss man einräumen, dass die Theologie die einzige Universitätsdisziplin ist, die irgendwelche übernatürlichen Gegebenheiten ernsthaft in ihre Modelle integriert - und es wäre mir neu, dass diese Vorgehensweise in irgendeiner modernen Wissenschaftstheorie anerkannt wäre. Ich wollte hier also nicht den kritischen Rationalismus als Merkmal herausstellen, das die Wissenschaft kennzeichnet, sondern die Interpretation der Forschungsgegenstände als natürlich, d.h. völlig frei von irgendwelchen mystischen Einflüssen.
Wenn man "Wissenschaft" rein aus der Sichtweise des KR sehen würde, wäre die Bewertung der Theologie natürlich noch viel einfacher. Aber gerade, weil ich ja weiß, dass er sich in einigen Universitätsdisziplinen nicht voll durchgesetzt hat, habe ich nicht so argumentiert. Ich wollte stattdessen zeigen, was die Theologie tatsächlich von allen anderen Fächern unterscheidet - nämlich ihr Supranaturalismus.
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