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Evilbert auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 16.09.2003 Beiträge: 42408
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(#704298) Verfasst am: 14.04.2007, 20:15 Titel: |
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Scheiss auf eine Distanzierung, wie sie jetzt alle in den Medien fordern. Oettinger hat gesagt, was er denkt, und wenn er das hinterher umlügt stellt er mich jedenfalls nicht zufrieden.
Ist eigentlich noch trauriger, wer sich alles vor eine Kamera hinstellt und jetzt noch eine Relativierung fordert, statt gleich klipp und klar zu sagen, dass
1. Oettinger weg muss und
2. wer ihn verteidigt, ebenfalls.
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L.E.N. im falschen Film
Anmeldungsdatum: 25.05.2004 Beiträge: 27745
Wohnort: Hamburg
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(#704300) Verfasst am: 14.04.2007, 20:20 Titel: |
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Evilbert hat folgendes geschrieben: | Scheiss auf eine Distanzierung, wie sie jetzt alle in den Medien fordern. Oettinger hat gesagt, was er denkt, und wenn er das hinterher umlügt stellt er mich jedenfalls nicht zufrieden.
Ist eigentlich noch trauriger, wer sich alles vor eine Kamera hinstellt und jetzt noch eine Relativierung fordert, statt gleich klipp und klar zu sagen, dass
1. Oettinger weg muss und
2. wer ihn verteidigt, ebenfalls.
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oettinger wird nicht weggehen. auch wer ihn verteidigt nicht.
eine spd-tuse meinte nur lapidar (sinngemäß): wenn er sich nicht deutlich distanziert, sei er nicht als ministerpräsident geeignet. ohoooo, oettinger kanbbert vor nervosität sicher schon an seinen fingernägeln...
_________________ Ich will Gott lästern dürfen! Weg mit §166 StGB!
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zelig Kultürlich
Anmeldungsdatum: 31.03.2004 Beiträge: 25405
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(#704303) Verfasst am: 14.04.2007, 20:25 Titel: Re: Ex-Ministerpräsident Filbinger ist tot |
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Kichererbse hat folgendes geschrieben: | Dreadnought hat folgendes geschrieben: | Filbinger war der lebende Beweis dafür, wie spät dieser Staat mit der Aufarbeitung der eigenen Geschichte begann.
Möge er in Frieden ruhen, ihm war das lange Leben vergönnt welches er als Richter im Dienste der Nazischergen anderen jungen Menschen nehmen ließ |
Vielleicht musste die Geschichte erst geschrieben werden um sie auch aufarbeiten zu können? Aber so wie du das siehst, kann es dem sich schämenden Volk doch nur Recht sein, dass die RAF dem Nazi HM Schleier das Leben ausgeblasen hat. Hauptsache es wird immer wieder selbst immunisierendes Blabla deponiert - wann wird gedacht?
HIHI |
Erklär doch mal. Was hat Filbingers Wirken als Marinerichter mit dem RAF-Mord zu tun?
_________________ Es gibt kein richtiges Leben im falschen.
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Zoff registrierter User
Anmeldungsdatum: 24.08.2006 Beiträge: 21668
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(#704320) Verfasst am: 14.04.2007, 20:43 Titel: |
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L.E.N. hat folgendes geschrieben: |
oettinger wird nicht weggehen. auch wer ihn verteidigt nicht.
eine spd-tuse meinte nur lapidar (sinngemäß): wenn er sich nicht deutlich distanziert, sei er nicht als ministerpräsident geeignet. ohoooo, oettinger kanbbert vor nervosität sicher schon an seinen fingernägeln... |
Siehe es doch einmal vor dem Hintergrund, dass Öttinger noch längst nicht da ist, wo er seiner eigenen Meinung nach hingehört, ganz oben nämlich.
So gesehen hat er sich selber sicherlich keinen guten Dienst erwiesen, seine Parteikarriere könnte schon einen argen Knick bekommen.
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L.E.N. im falschen Film
Anmeldungsdatum: 25.05.2004 Beiträge: 27745
Wohnort: Hamburg
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(#704388) Verfasst am: 14.04.2007, 22:08 Titel: |
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Zoff hat folgendes geschrieben: | L.E.N. hat folgendes geschrieben: |
oettinger wird nicht weggehen. auch wer ihn verteidigt nicht.
eine spd-tuse meinte nur lapidar (sinngemäß): wenn er sich nicht deutlich distanziert, sei er nicht als ministerpräsident geeignet. ohoooo, oettinger kanbbert vor nervosität sicher schon an seinen fingernägeln... |
Siehe es doch einmal vor dem Hintergrund, dass Öttinger noch längst nicht da ist, wo er seiner eigenen Meinung nach hingehört, ganz oben nämlich.
So gesehen hat er sich selber sicherlich keinen guten Dienst erwiesen, seine Parteikarriere könnte schon einen argen Knick bekommen. |
vielleicht lehne ich mich zu weit aus dem fenster, aber ich bezweifle, das oettinger vorher realistische chancen auf "ganz oben" hatte.
wie dem auch sei, auch diese diskussion wird bald vergessen werden.
_________________ Ich will Gott lästern dürfen! Weg mit §166 StGB!
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Nordseekrabbe linker Autist
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 31152
Wohnort: Dresden
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(#704431) Verfasst am: 14.04.2007, 22:45 Titel: |
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Sermon hat folgendes geschrieben: | Der eigentliche Skandal wird jedoch immer der sein, dasz nach 1945 etliche Gestalten wie Filbinger Karriere machen konnten. |
In der Tat. Mein eigener Opa war 1000prozentiger Nazi und konnte nach 1945 unbehelligt Oberstudienrat an einem Schleswiger Gymnasium sein und seine schlimmen, im NS-Jargon stehenden Erziehungsmethoden, weitgehend unbehelligt umsetzen.
_________________ Autismus macht kein Urlaub.
"Seid unbequem. Seid Sand, nicht Öl im Getriebe der Welt." (Günter Eich)
"Sei Du selbst die Veränderung, die Du Dir für die Welt wünschst." (Mahatma Gandhi)
"Soldaten sind Mörder." (Kurt Tucholsky)
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#704480) Verfasst am: 14.04.2007, 23:19 Titel: |
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zelig hat folgendes geschrieben: | Filbinger und kein Ende.
Zitat: | Auf scharfe Kritik ist die Rede von Ministerpräsident Oettinger gestoßen: Bei der Trauerfeier des Marinerichters und SA-Mitglieds Filbinger sagte er, dieser "sei kein Nationalsozialist gewesen". |
http://www.sueddeutsche.de/,ra1m3/deutschland/artikel/636/109527/
Es ist immer wieder die alte, dümmliche Leier, mit der gerchtfertigt werden soll, was nicht zu rechtfertigen ist. Selbst _wenn_ Filbingers Rolle nur dem eines Rädchens im Getriebe gleichkommt (was eine falsche Darstellung ist), dann ist es nochmal eine ganz andere Sache im Rückblick -also mit Kenntnis all der Greuel, an denen mit mitgewirkt hat- diese aus damaliger Sicht zu bewerten. Filbinger Aussage "Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein" vor dem Hintergrund des über den Matrosen Gröger verhängtenTodesurteils ist eine politische Aussage.
Oettinger tritt in Filbingers Fußstapfen. |
Hm, manche Dinge sind nicht so, wie sie von Anfang an scheinen. Ich habe mich mal ein bisschen eingelesen in Filbingers Rolle im Nationalsozialismus. Als erstes muss man festhalten, dass diese in den Medien oft falsch dargestellt wird:
Süddeutsche Zeitung hat folgendes geschrieben: | "Sadistischer Nazi"
Der Autor Hochhuth nannte Oettingers Äußerungen zur Verstrickung Filbingers „eine unverfrorene Erfindung“. Die Tragödie des Matrosen Walter Gröger etwa sei bewiesen und als Buch erschienen, sagte Hochhuth. Diesen habe "Filbinger persönlich noch in britischer Kriegsgefangenschaft ermordet". Hochhuth fügte hinzu: "Wozu nichts Filbinger genötigt hat als die Tatsache, dass er ein sadistischer Nazi war." |
Diese Darstellung ist, nach allem, was ich bisher gefunden habe, falsch und von Hochhuth erfunden. Hochhuths moralische Wertung wirkt unter diesem Umstand doch extrem seltsam. Hier (erst ganz am Ende des Artikels!) gibt es eine Gegendarstellung dazu. Hm, merkwürdige journalistische Sitten. Die falsche Darstellung von Hochhuth wurde von vielen anderen Medien übernommen.
Filbinger war ein Rädchen im Getriebe, ihn als ausgewiesenen Gegner des Nationalsozialismus zu bezeichnen, erscheint mir ein wenig weit hergeholt, aber der böse Nazi-Richter war er eben auch nicht, denn er hat sich durchaus teilweise gegen das Getriebe gedreht.
Filbinger ist in der öffentlichen Wahrnehmung ein Buhmann geworden, was aber mMn, wenn man sich genauer damit beschäftigt, so nicht gerechtfertigt ist.
Vielleicht ist das ganz bequem, um nicht weiter über den Nationalsozialismus und Mitläufer nachdenken zu müssen, die letztlich keine wesentliche Rolle gespielt haben, aber doch für das System lebenswichtig waren. War halt ein Nazi - und fertig ist die Chose. Braucht man nicht mehr denken.
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AdvocatusDiaboli Öffentlicher Mobber
Anmeldungsdatum: 12.08.2003 Beiträge: 26397
Wohnort: München
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(#704488) Verfasst am: 14.04.2007, 23:28 Titel: |
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Vermutlich war Filbinger nicht einmal ein überzeugter Nazi, ein gewöhnlicher nationalkonservativer Überzeugungstäter war er auf jeden Fall. Bei solchen Leuten haben Deserteure, also Vaterlandsverräter, immer einen schweren Stand. Vermutlich hat er die Nazis sogar verabscheut, weil sie sein schönes mächtiges Deutschland in den Krieg gerissen haben. Ähnliche Motive hatten ja auch die elitären Verschwörer vom 20.Juli - sie wurden zu Gegnern des Regimes, weil der Krieg verloren ging und Deutschland litt. Um die Juden und Linken, die im KZ starben, Frauenrechte und Demokratie haben sie sich keinen Deut geschert... Von solchem Kaliber war auch der Herr Filbinger (Satan habe ihn quälig...).
_________________ Triggerwarnung: Der toxische Addi hat gepostet. Oh, zu spät, Sie haben das schon gelesen.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#704553) Verfasst am: 15.04.2007, 00:15 Titel: |
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AdvocatusDiaboli hat folgendes geschrieben: | Vermutlich war Filbinger nicht einmal ein überzeugter Nazi, ein gewöhnlicher nationalkonservativer Überzeugungstäter war er auf jeden Fall. Bei solchen Leuten haben Deserteure, also Vaterlandsverräter, immer einen schweren Stand. |
Nationalkonservativ ja, aber Überzeugungstäter? Bin mir nicht so sicher. Er war Teil der NS-Justiz und diese ein wenig vom Nationalsozialismus losgelöst sehen zu wollen und immer auf das Militärstrafgesetzbuch von 1872 hinzuweisen, wie er das getan hat, bleibt eine zweifelhafte Argumentationsweise. Jedoch ist es, soweit ich das beurteilen kann, tatsächlich so, dass er selber nicht direkt für ein ausgeführtes Todesurteil verantwortlich war und in anderen Fällen hingegen Todesurteile verhindern konnte.
Allerdings stand er auch später dazu, dass es "in jeder Armee zwingendes Gebot sei, die Disziplin der Truppe unter allen Umständen aufrechtzuerhalten [...] Im Militärstrafrecht aller Länder gehört Desertion im Kriege zu den Delikten mit höchsten Strafandrohungen." (Quelle)
Letzteres ist richtig, wie man sich hier leicht überzeugen kann.
AdvocatusDiaboli hat folgendes geschrieben: | Vermutlich hat er die Nazis sogar verabscheut, weil sie sein schönes mächtiges Deutschland in den Krieg gerissen haben. Ähnliche Motive hatten ja auch die elitären Verschwörer vom 20.Juli - sie wurden zu Gegnern des Regimes, weil der Krieg verloren ging und Deutschland litt. Um die Juden und Linken, die im KZ starben, Frauenrechte und Demokratie haben sie sich keinen Deut geschert... Von solchem Kaliber war auch der Herr Filbinger (Satan habe ihn quälig...). |
Mag schon sein, trotzdem habe ich ein ungutes Gefühl dabei, wie damit in der Öffentlichkeit umgegangen wird. So viele falsche Informationen und so viele vorschnelle Urteile.
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Sehwolf registrierter User
Anmeldungsdatum: 26.03.2006 Beiträge: 10077
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(#704647) Verfasst am: 15.04.2007, 01:22 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | zelig hat folgendes geschrieben: | Filbinger und kein Ende.
Zitat: | Auf scharfe Kritik ist die Rede von Ministerpräsident Oettinger gestoßen: Bei der Trauerfeier des Marinerichters und SA-Mitglieds Filbinger sagte er, dieser "sei kein Nationalsozialist gewesen". |
http://www.sueddeutsche.de/,ra1m3/deutschland/artikel/636/109527/
Es ist immer wieder die alte, dümmliche Leier, mit der gerchtfertigt werden soll, was nicht zu rechtfertigen ist. Selbst _wenn_ Filbingers Rolle nur dem eines Rädchens im Getriebe gleichkommt (was eine falsche Darstellung ist), dann ist es nochmal eine ganz andere Sache im Rückblick -also mit Kenntnis all der Greuel, an denen mit mitgewirkt hat- diese aus damaliger Sicht zu bewerten. Filbinger Aussage "Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein" vor dem Hintergrund des über den Matrosen Gröger verhängtenTodesurteils ist eine politische Aussage.
Oettinger tritt in Filbingers Fußstapfen. |
Hm, manche Dinge sind nicht so, wie sie von Anfang an scheinen. Ich habe mich mal ein bisschen eingelesen in Filbingers Rolle im Nationalsozialismus. Als erstes muss man festhalten, dass diese in den Medien oft falsch dargestellt wird:
Süddeutsche Zeitung hat folgendes geschrieben: | "Sadistischer Nazi"
Der Autor Hochhuth nannte Oettingers Äußerungen zur Verstrickung Filbingers „eine unverfrorene Erfindung“. Die Tragödie des Matrosen Walter Gröger etwa sei bewiesen und als Buch erschienen, sagte Hochhuth. Diesen habe "Filbinger persönlich noch in britischer Kriegsgefangenschaft ermordet". Hochhuth fügte hinzu: "Wozu nichts Filbinger genötigt hat als die Tatsache, dass er ein sadistischer Nazi war." |
Diese Darstellung ist, nach allem, was ich bisher gefunden habe, falsch und von Hochhuth erfunden. Hochhuths moralische Wertung wirkt unter diesem Umstand doch extrem seltsam. Hier (erst ganz am Ende des Artikels!) gibt es eine Gegendarstellung dazu. Hm, merkwürdige journalistische Sitten. Die falsche Darstellung von Hochhuth wurde von vielen anderen Medien übernommen.
Filbinger war ein Rädchen im Getriebe, ihn als ausgewiesenen Gegner des Nationalsozialismus zu bezeichnen, erscheint mir ein wenig weit hergeholt, aber der böse Nazi-Richter war er eben auch nicht, denn er hat sich durchaus teilweise gegen das Getriebe gedreht.
Filbinger ist in der öffentlichen Wahrnehmung ein Buhmann geworden, was aber mMn, wenn man sich genauer damit beschäftigt, so nicht gerechtfertigt ist.
Vielleicht ist das ganz bequem, um nicht weiter über den Nationalsozialismus und Mitläufer nachdenken zu müssen, die letztlich keine wesentliche Rolle gespielt haben, aber doch für das System lebenswichtig waren. War halt ein Nazi - und fertig ist die Chose. Braucht man nicht mehr denken. |
Hochhuth hat übertrieben, na und? Dadurch wird Filbinger nicht von allen Vorwürfen entlastet, sondern nur von den flaschen. Filbinger hat zB was seine Beteiligung an Todesurteilen angeht gelogen, das ist mW sicher. Auch die Beteiligung der Stasi an den Enthüllungen gegen Filbinger ist völlig bedeutungslos.
Er berief sich (wie alle anderen) auf den Befehlsnotstand, aber wie der SZ (dein zweiter Link) zu entnehmen ist:
Zitat: | Der Freiburger Historiker Wolfram Wette ist da anderer Meinung: „Es ist kein einziger Fall bekannt, dass ein Militärrichter oder -ankläger, der den Vorgaben des Gerichtsherrn nicht folgte, persönlich gemaßregelt worden wäre. Aber der Handlungsspielraum wurde von dem Konformisten Filbinger weder gesucht, noch genutzt“, schrieb er in einer Abhandlung. |
Da haben wir die gleiche Debatte, die in diesem Zusammenhang immer wieder zu führen ist. Dieser Befehlsnotstand ist ein Mythos. Die Frage ist nun wie beurteil man das Wirken eines Richters (der bekanntlich den nich eigenhädnig meuchelt) im Gegensatz zu einem - sagen wir - Metzger, der sich zum Einsatz bei der Hamburger Ersatzpolizei meldet und sich plötzlich irgendwo im "östlichen Überlebensraum" bei einem Erschießungskommando wiederfindet. Zwar hat der Metzger eigenhändig sein Opfer erschießen müssen, bei einem Metzger würde man mM sowohl eine geringer Kompetenz in Fragen der Ethik wie auch eine weit weniger ausgeprägte Fähigkeit zur Abschtzung der persönlichen Konsequenzen des eigenen Tuns vermuten. Gleichwohl wäre (=ist) der Metzger verurteil wrden, weil man ihm mindestens einen Mord nachweisen konnte. Die Frage ob er sich diesem Befehl ohne Gefahr für das eigene Leben hätte wiedersetzen können spielte bei der Zumesssung des Strafmasses überhaupt keine Rolle (und ja, auch er hätte sich wiedersetzen können, ebenso wie Filbinger).
Intererssant finde ich übrigens auch den folgenden Beleg dafür, dass Filbinger auch später gerne mit zweierlei Mass gemessen hat:
Wikipedia#Filbinger hat folgendes geschrieben: | Die Filbinger-Affäre fiel zeitlich mit dem Höhepunkt der Diskussion um die Innere Sicherheit, insbesondere um den Radikalenerlass zusammen. Filbinger war entschiedener Befürworter dieses von Bundeskanzler Willy Brandt und den Regierungschefs der Länder gefassten Beschlusses, wonach Mitgliedern extremistischer Organisationen nicht Beamte sein durften und alle Bewerber für den Öffentlichen Dienst zu überprüfen waren. |
Eine mM ausgewogene Darstelllung von Filbinger Rolle wird übrigens von dem (auch von der Sz zitierten) Historiker Wette in diesem PDF geboten, Auszug:
Zitat: | 8. Woran scheiterte Filbinger 1978 wirklich?
Es gesagt worden, Filbinger sei an seiner Nazi-Vergangenheit gescheitert. Deshalb habe sich
die CDU gezwungen gesehen, ihn zu stürzen. Das ist so nicht richtig. Sein Sturz muss anders
gedeutet werden. Filbinger scheiterte nicht primär, weil ihm nachgewiesen werden konnte,
dass er als Ankläger die Todesstrafe für den Matrosen Gröger gefordert hatte, auch nicht, weil
er zwei Todesurteile gegen Deserteure gefällt hatte, ebenso wenig, weil man ihm andere harte
Urteile nachweisen konnte (von denen im übrigen bis zum heutigen Tage nur ein Bruchteil
bekannt ist). Er scheiterte daran, wie er mit diesen historischen Fakten in einer politisch
sensibilisierten Öffentlichkeit umging.
In bin einer Meinung mit dem jungen Historiker und Journalisten Thomas Ramge, der
gerade ein Buch über die großen Polit-Skandale in Deutschland publiziert hat und darin auch
die Affäre Filbinger behandelt. Er schreibt: „Filbinger scheiterte nicht an den Todesurteilen,
an denen er als junger Marinerichter beteiligt gewesen war. Er scheiterte an seiner
Uneinsichtigkeit. Er log und verbog seine normale deutschnationale Existenz zu der eines
heimlichen Widerstandskämpfers. |
Da werden auch die Fälle Petzold und Gröger beleuchtet.
Zitat: | Als Dr. Filbinger in das Verfahren eintrat, lag die Forderung des Gerichtsherrn, die Todesstrafe zu verhängen, bereits auf dem Tisch. Marinestabsrichter Dr. Filbinger führte sie aus und
beantragte als Ankläger die Todesstrafe für Gröger. Diese wurde dann vom Vorsitzenden
Richter, Marineoberstabsrichter Dr. Harms, auch verhängt und durch den Oberbefehlshaber
der Kriegsmarine bestätigt. Filbinger gab dem Matrosen das Todesurteil und die Ablehnung
eines Gnadenerweises bekannt, ließ sich von diesem die Bekanntmachung schriftlich
bestätigen und beaufsichtigte hernach als „Leitender Offizier“ die vom Gerichtsherrn
angeordnete Vollstreckung. |
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beachbernie male Person of Age and without Color
Anmeldungsdatum: 16.04.2006 Beiträge: 45792
Wohnort: Haida Gwaii
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(#704658) Verfasst am: 15.04.2007, 01:36 Titel: Re: Ex-Ministerpräsident Filbinger ist tot |
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zelig hat folgendes geschrieben: | Kichererbse hat folgendes geschrieben: | Dreadnought hat folgendes geschrieben: | Filbinger war der lebende Beweis dafür, wie spät dieser Staat mit der Aufarbeitung der eigenen Geschichte begann.
Möge er in Frieden ruhen, ihm war das lange Leben vergönnt welches er als Richter im Dienste der Nazischergen anderen jungen Menschen nehmen ließ |
Vielleicht musste die Geschichte erst geschrieben werden um sie auch aufarbeiten zu können? Aber so wie du das siehst, kann es dem sich schämenden Volk doch nur Recht sein, dass die RAF dem Nazi HM Schleier das Leben ausgeblasen hat. Hauptsache es wird immer wieder selbst immunisierendes Blabla deponiert - wann wird gedacht?
HIHI |
Erklär doch mal. Was hat Filbingers Wirken als Marinerichter mit dem RAF-Mord zu tun? |
Vielleicht, dass es sich in beiden Faellen eigentlich um Fememorde gehandelt hat? Auch die RAF-Leute hatten vor dem Mord an Schleyer "im Namen des Volkes Recht gesprochen" und waren genausowenig dazu befugt, wie der Nazimarine"richter" Filbinger....
Gruss, Bernie
_________________ Defund the gender police!!
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#704693) Verfasst am: 15.04.2007, 02:49 Titel: |
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Sehwolf hat folgendes geschrieben: | Hochhuth hat übertrieben, na und? Dadurch wird Filbinger nicht von allen Vorwürfen entlastet, sondern nur von den flaschen. |
Naja, "übertrieben" trifft es nicht so ganz. Das ist eine Falschdarstellung und mMn eine ziemlich peinliche Sache auch für die Süddeutsche Zeitung. Aber das ist wohl eigentlich ein anderes Thema und selbstverständlich wird Filbinger dadurch nicht von den Vorwürfen entlastet.
Sehwolf hat folgendes geschrieben: | Filbinger hat zB was seine Beteiligung an Todesurteilen angeht gelogen, das ist mW sicher. Auch die Beteiligung der Stasi an den Enthüllungen gegen Filbinger ist völlig bedeutungslos. |
Ja und ja.
Sehwolf hat folgendes geschrieben: | Er berief sich (wie alle anderen) auf den Befehlsnotstand, aber wie der SZ (dein zweiter Link) zu entnehmen ist:
Zitat: | Der Freiburger Historiker Wolfram Wette ist da anderer Meinung: „Es ist kein einziger Fall bekannt, dass ein Militärrichter oder -ankläger, der den Vorgaben des Gerichtsherrn nicht folgte, persönlich gemaßregelt worden wäre. Aber der Handlungsspielraum wurde von dem Konformisten Filbinger weder gesucht, noch genutzt“, schrieb er in einer Abhandlung. |
Da haben wir die gleiche Debatte, die in diesem Zusammenhang immer wieder zu führen ist. Dieser Befehlsnotstand ist ein Mythos. |
Hm, nein, auf einen Befehlsnotstand berief er sich im eigentlichen Sinne nicht. Er sagt, er hätte nichts an dem Todesurteil für Gröger ändern können. Das ist etwas anderes.
Sehwolf hat folgendes geschrieben: | Intererssant finde ich übrigens auch den folgenden Beleg dafür, dass Filbinger auch später gerne mit zweierlei Mass gemessen hat:
Wikipedia#Filbinger hat folgendes geschrieben: | Die Filbinger-Affäre fiel zeitlich mit dem Höhepunkt der Diskussion um die Innere Sicherheit, insbesondere um den Radikalenerlass zusammen. Filbinger war entschiedener Befürworter dieses von Bundeskanzler Willy Brandt und den Regierungschefs der Länder gefassten Beschlusses, wonach Mitgliedern extremistischer Organisationen nicht Beamte sein durften und alle Bewerber für den Öffentlichen Dienst zu überprüfen waren. |
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Ja, das war ziemliche Heuchelei.
Sehwolf hat folgendes geschrieben: | Eine mM ausgewogene Darstelllung von Filbinger Rolle wird übrigens von dem (auch von der Sz zitierten) Historiker Wette in diesem PDF geboten, Auszug:
Zitat: | 8. Woran scheiterte Filbinger 1978 wirklich?
Es gesagt worden, Filbinger sei an seiner Nazi-Vergangenheit gescheitert. Deshalb habe sich
die CDU gezwungen gesehen, ihn zu stürzen. Das ist so nicht richtig. Sein Sturz muss anders
gedeutet werden. [...] In bin einer Meinung mit dem jungen Historiker und Journalisten Thomas Ramge, der
gerade ein Buch über die großen Polit-Skandale in Deutschland publiziert hat und darin auch
die Affäre Filbinger behandelt. Er schreibt: „Filbinger scheiterte nicht an den Todesurteilen,
an denen er als junger Marinerichter beteiligt gewesen war. Er scheiterte an seiner
Uneinsichtigkeit. Er log und verbog seine normale deutschnationale Existenz zu der eines
heimlichen Widerstandskämpfers. |
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Ja, er hatte wohl gewisse Wahrnehmungsschwächen. Er war einfach ein Teil der Maschinerie des Dritten Reiches, in einer gehobenen Position dazu und sicher kein Widerstandskämpfer.
Sehwolf hat folgendes geschrieben: | Da werden auch die Fälle Petzold und Gröger beleuchtet. |
Ja, naja, aber ob die Darstellung von Wette wirklich so ausgewogen ist, bin ich mir nicht so sicher. Es gibt hier eine Art Gegendarstellung mit einer anderen Sichtweise, die durchaus auch einige Schwächen von Wettes Argumentation offenlegt. Zu den Fällen Petzold und Grögner gibt es hier übrigens eine wesentlich detailliertere Darstellung.
Filbinger war kein überzeugter Nazi. Er war ein Mitläufer, ein Opportunist, der auch manchmal Schlimmeres verhindert hat. Das aber macht ihn natürlich noch nicht zu einem Widerstandskämpfer. Hätte er die Hinrichtung von Gröger verhindern können? Das scheint mir keineswegs so sicher zu sein.
Tja, was bleibt? Ein ungutes Gefühl bei der ganzen Sache. Nicht nur wegen Filbinger, sondern noch viel mehr deswegen, weil in Deutschland erst 1999 Deserteure des zweiten Weltkriegs rehabilitiert wurden, was zeigt, dass die Denkweise Filbingers noch sehr weit verbreitet ist und das ist das eigentlich Erschreckende daran. Die Person Filbinger finde ich dabei eher sekundär.
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Sehwolf registrierter User
Anmeldungsdatum: 26.03.2006 Beiträge: 10077
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(#704697) Verfasst am: 15.04.2007, 03:30 Titel: |
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Bevor das mit uns beiden wieder ausratet zeihe ich mal die Zitatbremse
Das ist mir jetzt ehrlich zuviel. Ich bin hier zum ersten Mal gestolpert: "Man darf auch nicht davon ausgehen, als habe einer 1933 oder 35 das Ergebnis des deutschen Faschismus gewusst - wir heute wissen es." Es gab Leute die es ahnten, viele befürchteten, die meisten haben wohl gehofft, dass es nicht so schlimm werden würde. Filbinger würde ich zu der Gruppe zählen, die sogar rückblickend meinen "so schlimm sei es auch nicht gewesen". Ganz amm Rande: Die Lektüre des Artikels habe ich übrigens hier abgebrochen "In den Jahren 1933 bis 36/37 hatte man in katholischen Kreisen die (abnehmende) Hoffnung, mit dem nationalsozialistischen Staat klar zu kommen, wollte man versuchen, systemintern etwas zu erreichen und u.a. einer Zerschlagung der organisierten Kirche zuvorzukommen oder wenigstens die Freiheit zu bewahren, überall christliche, katholische Positionen vertreten zu können."
Kommen wir aber zum Kern der Sache:
Zitat: | Tja, was bleibt? Ein ungutes Gefühl bei der ganzen Sache. Nicht nur wegen Filbinger, sondern noch viel mehr deswegen, weil in Deutschland erst 1999 Deserteure des zweiten Weltkriegs rehabilitiert wurden, was zeigt, dass die Denkweise Filbingers noch sehr weit verbreitet ist und das ist das eigentlich Erschreckende daran. Die Person Filbinger finde ich dabei eher sekundär. |
Mir geht es weniger darum die Schuld Filbingers festzustellen oder zu sühnen sondern ebenso wie dir darum, wie diese Gesellschaft mit ihrer eigenen möglichen Schuld umgeht. Und dafür ist Filbinger eines der prominenteren Symbole. Es gibt Kreise, die diese Schuld - besser wir nennen es Verantwortung - leugnen, andere relativieren bloß und dritte verdrängen sie. Vor 10-20 Jahren bildete ich mir mal ein, diese Kreise seien (biologisch) im Aussterben begriffen, zu meinem Bedauern muss ich in letzter Zeit jedoch das Gegenteil feststellen.
Um zum Threadthema zurück zu kommen: Oettinger ist mM kein Idiot, solche Reden hält er nicht einer plötzlichen Laune folgend, dem liegt vielmehr irgendein Kalkül zu Grunde. Man kann nur hoffen dass seine Überlegungen, die ihn dazu veranlassten, sich als fehlerhaft erweisen werden.
Zitat: | Filbinger war kein überzeugter Nazi. Er war ein Mitläufer, ein Opportunist, der auch manchmal Schlimmeres verhindert hat. Das aber macht ihn natürlich noch nicht zu einem Widerstandskämpfer. Hätte er die Hinrichtung von Gröger verhindern können? Das scheint mir keineswegs so sicher zu sein. |
Machen wir es doch mal ganz einfach. Filbinger war damals mindestens ein Opportunist. Sein späterer Umgang mit der eigenen Vergangenheit ist ebenfalls mindestens als hochgradig opportunistisch zu werten. Gibt es dM etwas, das einen nachgewiesenen weltanschaulichen Opportunisten für allerhöchste demokratische Ämter qualifiziert? Ist es nicht möglich bis wahrscheinlich, dass auch seine heutige demokratische Gesinnung ausschließlich dem Zeitgeist geschuldet ist?
In meine Wahlentscheidungen für höchste Staatsämter fließt auch immer das mögliche Verhalten der Betreffenden in extremen (auch ethischen) Krisensituationen ein. Schließlich werden diese Leute in Ämter gewählt, in denen möglicherweise die Entscheidung gefällt wird (oder werden muss) wer von uns auf den "Schlachtfeldern der Geschichte" zu verrecken hat. Mag sein, dass dem einen oder anderen bei seiner Wahlentscheidung derartige Überlegungen fremd sind. Falls sie jedoch eine Rolle spielen - finde ich - haben die Öttingers und Steinmeyers und Filbingers mMn hinreichend ihre Nichteignung bewiesen. Die würde ich nicht mal bei weitestgehender Zustimmung zur sonstigen Programmatik wählen.
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Xamanoth auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 07.04.2006 Beiträge: 7962
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(#704755) Verfasst am: 15.04.2007, 11:06 Titel: |
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Sehwolf hat folgendes geschrieben: | die Öttingers und Steinmeyers |
Also die beiden Volksparteien. Fein.
Zum Rest: Ich habe noch etwas über die Sache nachgedacht. Meine Gedanken mögen manchem wieder mal als provokation erscheinen, aber ich möchte sie dennoch zur Diskussion stellen.
1. Ötti
Ich glaube kaum, dass sein kalkül nicht aufgehen wird. Er sprach weniger nach außen, als nach innen, sprich: zur Partei. Und da gibt es hier in BW tatsächlich einige nationalkonservative Kreise,die so etwas gerne hören. Oder viele (und das sind weit mehr) bei denen eine Art "die partei hat und hatte immer recht" Corpsgeist besteht, und dieser Corpsgeist wird durch solche Reden gepflegt- man meint dann eben, Filbi war "einer von uns" und deswegen ist er zu verteidigen. In diese Richtung geht wohl auch der erwähnte JU- Brief. Ansonsten gibt es viel zu viele ja- sager in der Partei, als dass sich jemand ernsthaft gegen den Ministerpräsidenten stellen würde. Die Öffentlichkeit hingegen wird durch den offenen Brief besänftigt, und wird das ganze in ein paar wochen vergessen haben.
2. Filbinger
Man kann seine position rechtspolitisch (also frei von ethik) verschieden betrachten. Ist es verwerflich, wenn ein Richter das gegenwärtige Recht anwendet? Ich sehe einen Richter wie einen Beamten als automaten des Staates, der das Recht zu respektieren hat, höchstens kann er darauf hinwirken es zu ändern. In klaren Unrechtsregimen wie dem dritten Reich wird dieser Grundsatz jedoch außer kraft gesetzt. Zu bedenken ist jedoch, dass todesstrafe für Deserteure damals weit verbreitet - auch außerhalb Deutschlands - war. Problematisch ist hier die Todesstrafe, nicht die Bestrafung an sich. Gerade im Krieg, gerade wenn es um die Heimat schlecht steht, begeht ein Deserteur schlicht hochverrat. Und ja, so jemand ist hart zu bestrafen. Und ich denke, dass trifft ab einem gewissem Punkt auch auf die Soldaten des Dritten Reiches zu, nämlich ab dem Punkt, wo es nicht mehr um Hitlers Expansionspläne, sondern um die Verteidigung des Deutschen Volkes geht. Man könnte günstigstenfalls Filbigers spätere Aussagen entsprecchend Auslegen.
Des weiteren stellt sich die Frage, ob es verwerflich ist, im Dritten Reich "Öl im Getriebe" gewesen zu sein. ich denke, es ist sinnlos, jemandem vorzuwerfen, dass er zunächst an seine persönlich karriere gedacht hat, höchstens bei den beteiligten an der Schoa würde ich von diesem Grundsatz abweichen. Außerdem denke ich, dass es zwar wichtig ist, in der Nachkriegszeit konsequent demokratisch zu handeln. Ich denke aber, zur Stabilisierung Deutschlands wäre es angebracht, nachdem man die unmittelbaren Täter bestraft hat, eine Art Generalamnestie für alle Mitläufer und kleineren Nazis auszusprechen. (Diese These ist natürlich für viele ein Ärgernis). Ob man einen mitläufer aber in eines der höchsten Regierungsämter wählen sollte, ist eine andere Frage. Andererseits kommt man als Ministerpräsi ja gerade durche eine Reihe demokratischer Prozesse an die Macht, und ich denke, demokratische Prozesse sind zu respektieren.
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Sehwolf registrierter User
Anmeldungsdatum: 26.03.2006 Beiträge: 10077
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(#704800) Verfasst am: 15.04.2007, 12:03 Titel: |
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Xamanoth hat folgendes geschrieben: | Sehwolf hat folgendes geschrieben: | die Öttingers und Steinmeyers |
Also die beiden Volksparteien. Fein. |
Nein. Unsinn. Bei dieser Betrachtung ging es mir ganz spezifisch um das mögliche Verhalten der Person in einer Krisensituation. Ganz gleich, welche Überlegungen hinter Öttis Kalkül stecken, mein Vertrauen in ein Urteilsvermögen hat er allein angesichts diverser extrem polpulistischer Aussagen und Entscheidungen verloren. Zu Steinmeyer muss man wohl kaum mehr als den Namen Kurnaz sagen. Meine aller mildeste mögliche Beurteilung seines Verhaltens disqualiziert ihn als ziemlich kalten Technokraten. Wobei ich nicht einmal in allgemeines Anti-kalter-Technokraten-Gejammer verfallen will. Es ist vielmehr die Frage nach irgendeiner Art von Prinzipientreue. Wie gesagt, rede ich von Extremsituationen, Krieg, Entführung, Folter oder Geiselnahme oder so und ich hoffe dass dann möglichst wenig Öttingers und Steinmeyers in den Ämtern sind.
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L.E.N. im falschen Film
Anmeldungsdatum: 25.05.2004 Beiträge: 27745
Wohnort: Hamburg
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(#704892) Verfasst am: 15.04.2007, 13:40 Titel: |
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Sehwolf hat folgendes geschrieben: |
Kommen wir aber zum Kern der Sache:
Zitat: | Tja, was bleibt? Ein ungutes Gefühl bei der ganzen Sache. Nicht nur wegen Filbinger, sondern noch viel mehr deswegen, weil in Deutschland erst 1999 Deserteure des zweiten Weltkriegs rehabilitiert wurden, was zeigt, dass die Denkweise Filbingers noch sehr weit verbreitet ist und das ist das eigentlich Erschreckende daran. Die Person Filbinger finde ich dabei eher sekundär. |
Mir geht es weniger darum die Schuld Filbingers festzustellen oder zu sühnen sondern ebenso wie dir darum, wie diese Gesellschaft mit ihrer eigenen möglichen Schuld umgeht. Und dafür ist Filbinger eines der prominenteren Symbole. Es gibt Kreise, die diese Schuld - besser wir nennen es Verantwortung - leugnen, andere relativieren bloß und dritte verdrängen sie. Vor 10-20 Jahren bildete ich mir mal ein, diese Kreise seien (biologisch) im Aussterben begriffen, zu meinem Bedauern muss ich in letzter Zeit jedoch das Gegenteil feststellen.
Um zum Threadthema zurück zu kommen: Oettinger ist mM kein Idiot, solche Reden hält er nicht einer plötzlichen Laune folgend, dem liegt vielmehr irgendein Kalkül zu Grunde. Man kann nur hoffen dass seine Überlegungen, die ihn dazu veranlassten, sich als fehlerhaft erweisen werden.
Zitat: | Filbinger war kein überzeugter Nazi. Er war ein Mitläufer, ein Opportunist, der auch manchmal Schlimmeres verhindert hat. Das aber macht ihn natürlich noch nicht zu einem Widerstandskämpfer. Hätte er die Hinrichtung von Gröger verhindern können? Das scheint mir keineswegs so sicher zu sein. |
Machen wir es doch mal ganz einfach. Filbinger war damals mindestens ein Opportunist. Sein späterer Umgang mit der eigenen Vergangenheit ist ebenfalls mindestens als hochgradig opportunistisch zu werten. Gibt es dM etwas, das einen nachgewiesenen weltanschaulichen Opportunisten für allerhöchste demokratische Ämter qualifiziert? Ist es nicht möglich bis wahrscheinlich, dass auch seine heutige demokratische Gesinnung ausschließlich dem Zeitgeist geschuldet ist?
In meine Wahlentscheidungen für höchste Staatsämter fließt auch immer das mögliche Verhalten der Betreffenden in extremen (auch ethischen) Krisensituationen ein. Schließlich werden diese Leute in Ämter gewählt, in denen möglicherweise die Entscheidung gefällt wird (oder werden muss) wer von uns auf den "Schlachtfeldern der Geschichte" zu verrecken hat. Mag sein, dass dem einen oder anderen bei seiner Wahlentscheidung derartige Überlegungen fremd sind. Falls sie jedoch eine Rolle spielen - finde ich - haben die Öttingers und Steinmeyers und Filbingers mMn hinreichend ihre Nichteignung bewiesen. Die würde ich nicht mal bei weitestgehender Zustimmung zur sonstigen Programmatik wählen. |
zu allen 3 fettmarkierten passagen volle zustimmung!
wann immer aus den sog nationalkonservativen (wie auch den rechtsliberalen) kreisen der hammer "linksideologisch" geschwungen wird und wie jetzt die angeblichen konservativen rechtsideologische meinungsmache verbreiten werde ich sehr böse.
das richtet sich auch an die vertreter der linkskonservativen.
mich kotzt besonders die heuchelei an, die an den tag gelegt wird, wenn der jeweils extremistische gegner angegriffen wird und gleichzeitig der näherstehende extremismus relativiert und verharmlost wird. ich nehme an u.a. deshalb wurde hier auch die RAF ins gespräch gebracht.
_________________ Ich will Gott lästern dürfen! Weg mit §166 StGB!
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#704925) Verfasst am: 15.04.2007, 14:15 Titel: |
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Sehwolf hat folgendes geschrieben: | Bevor das mit uns beiden wieder ausratet zeihe ich mal die Zitatbremse
Das ist mir jetzt ehrlich zuviel. Ich bin hier zum ersten Mal gestolpert: [...] Ganz amm Rande: Die Lektüre des Artikels habe ich übrigens hier abgebrochen [..] |
Was mMn ein Fehler ist. Der Artikel beruht auf einer bestimmten Weltsicht, die anders ist als die von Wette. Welche Weltsicht man selber nun einnimmt, ist unerheblich, wichtig ist aber, dass man andere Weltsichten zur Kenntnis nimmt und deren Argumente abwägt, so diese stichhaltig sind. Meiner bescheidenen Meinung nach enthält der Artikel durchaus einige stichhaltige und bedenkenswerte Argumente gegen die Darstellung von Wette. Das heißt nicht, dass man nun eine der beiden Weltsichten ganz übernehmen muss, es heißt nur, seine eigene Weltsicht immer wieder zu hinterfragen. Mit anderen Worten: die Sichtweise von Wette ist keineswegs so neutral, wie Du sie gerne sehen möchtest und sein Artikel wird stark von seiner Weltsicht beeinflusst.
Sehwolf hat folgendes geschrieben: | Mir geht es weniger darum die Schuld Filbingers festzustellen oder zu sühnen sondern ebenso wie dir darum, wie diese Gesellschaft mit ihrer eigenen möglichen Schuld umgeht. Und dafür ist Filbinger eines der prominenteren Symbole. Es gibt Kreise, die diese Schuld - besser wir nennen es Verantwortung - leugnen, andere relativieren bloß und dritte verdrängen sie. Vor 10-20 Jahren bildete ich mir mal ein, diese Kreise seien (biologisch) im Aussterben begriffen, zu meinem Bedauern muss ich in letzter Zeit jedoch das Gegenteil feststellen. |
Ja, wie geht die Gesellschaft mit ihrer Verantwortung um? Das ist tatsächlich die Frage. Ich finde es ein wenig zu einfach, Filbinger symbolhaft zu bestrafen für Dinge, die ihm bei näherem Hinsehen nicht zur Last gelegt werden können. Dazu wird er in der öffentlichen Darstellung (oft) dämonisiert und seine Handlungen werden überbewertet. Das finde ich falsch, denn es lenkt den Blick von der eigentlichen Frage ab: wie konnte ein solches menschenfeindliches System entstehen und wie konnte es so lange bestehen? Die Antwort darauf ist nun mal die, dass es Millionen von Rädchen gab, die alle nur einen minimalen Einfluss hatten, aber in der Gesamtheit den Nationalsozialismus darstellten. Filbinger sticht dabei nicht besonders heraus. Durch die Übertreibung von Filbingers Rolle wird diese Diskussion verhindert. Das ist die eine Sache.
Eine andere Frage ist die, ob es überhaupt eine Verantwortung des Einzelnen für den Nationalsozialismus gibt. Filbinger und Oettinger möchten das gerne verneinen, sie sehen den Einzelnen als Rädchen ohne Einflussmöglichkeit, jeder stehe nun mal an seinem Platz und müsse tun, was er eben tun müsse. Die Gesellschaft ist wichtiger als der Einzelne und die Gesellschaft muss den Einzelnen streng sanktionieren, wenn er seine zugewiesene Rolle nicht einnehmen will. Daher rührt auch die Forderung nach einer strengen Bestrafung von Deserteuren, die das Ganze gefährden. In dieser Sichtweise gibt es tatsächlich keine Verantwortung des Einzelnen mehr, alles läuft nach undurchschaubaren Gesetzen ab und ergibt einfach das, was es ergibt. Niemand kann etwas dafür. Es ist einfach das System.
Sehwolf hat folgendes geschrieben: | Um zum Threadthema zurück zu kommen: Oettinger ist mM kein Idiot, solche Reden hält er nicht einer plötzlichen Laune folgend, dem liegt vielmehr irgendein Kalkül zu Grunde. Man kann nur hoffen dass seine Überlegungen, die ihn dazu veranlassten, sich als fehlerhaft erweisen werden. |
Kalkül: ja, das sehe ich auch so. Aber welche Überlegungen liegen zugrunde? Vielleicht ist es ganz schlicht und einfach nur die trotzige Sichtweise, sich gegen die wahrgenommene links-linke pc-Meinungsführerschaft zur Wehr setzen zu müssen?
Sehwolf hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Filbinger war kein überzeugter Nazi. Er war ein Mitläufer, ein Opportunist, der auch manchmal Schlimmeres verhindert hat. Das aber macht ihn natürlich noch nicht zu einem Widerstandskämpfer. Hätte er die Hinrichtung von Gröger verhindern können? Das scheint mir keineswegs so sicher zu sein. |
Machen wir es doch mal ganz einfach. Filbinger war damals mindestens ein Opportunist. Sein späterer Umgang mit der eigenen Vergangenheit ist ebenfalls mindestens als hochgradig opportunistisch zu werten. |
Hm, nein, das stimmt ja nicht. Opportunistisch wäre genau das Gegenteil von dem gewesen, wie er sich dann später verhalten hat. Er hat sich stur und uneinsichtig verhalten, nur das gesehen, was er sehen wollte.
Sehwolf hat folgendes geschrieben: | Gibt es dM etwas, das einen nachgewiesenen weltanschaulichen Opportunisten für allerhöchste demokratische Ämter qualifiziert? Ist es nicht möglich bis wahrscheinlich, dass auch seine heutige demokratische Gesinnung ausschließlich dem Zeitgeist geschuldet ist? |
Opportunismus alleine disqualifiziert jemanden noch nicht zur Annahme eines höchsten Amtes.
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Ralf Rudolfy Auf eigenen Wunsch deaktiviert.
Anmeldungsdatum: 11.12.2003 Beiträge: 26674
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(#704982) Verfasst am: 15.04.2007, 15:18 Titel: |
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Xamanoth hat folgendes geschrieben: | 2. Filbinger
Man kann seine position rechtspolitisch (also frei von ethik) verschieden betrachten. Ist es verwerflich, wenn ein Richter das gegenwärtige Recht anwendet? Ich sehe einen Richter wie einen Beamten als automaten des Staates, der das Recht zu respektieren hat, höchstens kann er darauf hinwirken es zu ändern. In klaren Unrechtsregimen wie dem dritten Reich wird dieser Grundsatz jedoch außer kraft gesetzt. Zu bedenken ist jedoch, dass todesstrafe für Deserteure damals weit verbreitet - auch außerhalb Deutschlands - war. Problematisch ist hier die Todesstrafe, nicht die Bestrafung an sich. Gerade im Krieg, gerade wenn es um die Heimat schlecht steht, begeht ein Deserteur schlicht hochverrat. Und ja, so jemand ist hart zu bestrafen. Und ich denke, dass trifft ab einem gewissem Punkt auch auf die Soldaten des Dritten Reiches zu, nämlich ab dem Punkt, wo es nicht mehr um Hitlers Expansionspläne, sondern um die Verteidigung des Deutschen Volkes geht. Man könnte günstigstenfalls Filbigers spätere Aussagen entsprecchend Auslegen. |
Selbst wenn -- was Filbingers Handel so verwerflich macht, ist die völlige Uneinsichtigkeit im Nachhinein. Selbst wenn er 1945 noch so überzeugt gewesen ist ist, daß Weiterkämpfen um jeden Preis geboten und die Weigerung Verrat sei, so ist es ja nicht das, was ihm vorzuwerfen ist, sondern daß er auch später an dieser Sichtweise festhielt, und daß er gelogen und geleugnet hat, obwohl seine Mitverantwortung erwiesen war.
Und selbst wenn man nach der Logik der Kriegführenden argumentiert, daß Desertion Landesverrat sei, so muß dann allerdings acuh die Verantwortung der Kriegsherren herangezogen werden. Die Frage ist: wird ein Offizier auch im Rahmen seiner soldatischen Tugenden oder wie immer man des nennen mag, seiner verantwortung gerecht, wenn er auch in aussichtsloser Lage noch seine Truppen verheizt? Wenn man Filbinger zugesteht, daß er in sich innerhalb der seinerzeitigen Werte bewegte, so kann man ihm diesen Vorwurf nicht ersparen, blind gegenüber der Lage, in der sich Deustchland befand, gewesen zu sein.
_________________ Dadurch, daß ein Volk nicht mehr die Kraft oder Willen hat, sich in der Sphäre des Politischen zu halten, verschwindet das Politische nicht aus der Welt. Es verschwindet nur ein schwaches Volk. (Carl Schmitt)
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L.E.N. im falschen Film
Anmeldungsdatum: 25.05.2004 Beiträge: 27745
Wohnort: Hamburg
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(#705006) Verfasst am: 15.04.2007, 15:45 Titel: |
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AP: wenn du die relevanz einzelner relativierst, weil du die gesellschaft als dominanten einflussfaktor siehst, entwertest du das mMn vorhandene potenzial jedes einzelnen, einfluss zu nehmen.
niemand ist gezwungen auf bestimmte weise zu handeln, erst recht nicht in hohen positionen, die immer ein höheres maß an spielraum bieten.
wer diesen vorhandenen spielraum ignoriert oder bewusst ablehnt, wird zum politischen mitakteur.
_________________ Ich will Gott lästern dürfen! Weg mit §166 StGB!
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#705027) Verfasst am: 15.04.2007, 16:14 Titel: |
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L.E.N. hat folgendes geschrieben: | AP: wenn du die relevanz einzelner relativierst, weil du die gesellschaft als dominanten einflussfaktor siehst, entwertest du das mMn vorhandene potenzial jedes einzelnen, einfluss zu nehmen.
niemand ist gezwungen auf bestimmte weise zu handeln, erst recht nicht in hohen positionen, die immer ein höheres maß an spielraum bieten.
wer diesen vorhandenen spielraum ignoriert oder bewusst ablehnt, wird zum politischen mitakteur. |
Hm, so meinte ich das auch nicht. Vielleicht habe ich mich missverständlich ausgedrückt. Filbinger sah durchaus diesen Spielraum und seiner Meinung nach hat er ihn auch ausgenutzt und zum Beispiel Todesurteile in Gefängnisstrafen umgewandelt. Jedes Rädchen im System nutzte seinen Spielraum mehr oder weniger aus. Das System funktioniert aber trotzdem weiter. Ob Filbinger seinen Spielraum genügend ausgenutzt hat oder noch andere Möglichkeiten hätte nutzen müssen, ist durchaus strittig. Etwas anderes ist die Frage, inwieweit das System die Spielräume begrenzen muss und darf.
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Heike N. wundert gar nix mehr
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 26138
Wohnort: Bottrop
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(#705206) Verfasst am: 15.04.2007, 20:39 Titel: |
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Xamanoth hat folgendes geschrieben: | 2. Filbinger
Man kann seine position rechtspolitisch (also frei von ethik) verschieden betrachten. Ist es verwerflich, wenn ein Richter das gegenwärtige Recht anwendet? Ich sehe einen Richter wie einen Beamten als automaten des Staates, der das Recht zu respektieren hat, höchstens kann er darauf hinwirken es zu ändern. |
Filbinger hat 1939 promoviert. Man musste schon ziemlich linientreu sein, wenn man Staatsbeamter geschweige denn sogar Richter wurde. Zudem war er SA- und NSDStB-Mitglied. Die letzten beiden Tatsachen lassen doch erhebliche Zweifel bei mir aufkommen, dass er Jurist geworden ist, um das System zu ändern. Ganz im Gegenteil bin ich sogar der Meinung, dass jemand, der in beiden Organisationen Mitglied war und etwas am System ändern wollte, jeden Tag - man entschuldige diesen Ausdruck - mehrfach hätte kotzen müssen, um das durchzuhalten.
Das ist ein bisschen konstruiert was du hier ausführst, Xamanoth. Erinnert mich ein wenig an Schindler für sehr Arme.
_________________ God is Santa Claus for adults
Front Deutscher Äpfel (F.D.Ä.) - Nationale Initiative gegen die Überfremdung des deutschen Obstbestandes und gegen faul herumlungerndes Fallobst
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Xamanoth auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 07.04.2006 Beiträge: 7962
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(#705213) Verfasst am: 15.04.2007, 20:52 Titel: |
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Heike N. hat folgendes geschrieben: |
Filbinger hat 1939 promoviert. Man musste schon ziemlich linientreu sein, wenn man Staatsbeamter geschweige denn sogar Richter wurde. Zudem war er SA- und NSDStB-Mitglied. Die letzten beiden Tatsachen lassen doch erhebliche Zweifel bei mir aufkommen, dass er Jurist geworden ist, um das System zu ändern. Ganz im Gegenteil bin ich sogar der Meinung, dass jemand, der in beiden Organisationen Mitglied war und etwas am System ändern wollte, jeden Tag - man entschuldige diesen Ausdruck - mehrfach hätte kotzen müssen, um das durchzuhalten.
Das ist ein bisschen konstruiert was du hier ausführst, Xamanoth. Erinnert mich ein wenig an Schindler für sehr Arme. |
Das liegt nur daran, dass du mich missverstanden hast. Ich weiß zu wenig über Filbinger, ums eine Rolle wirklich zu beurteilen. Aber:
1. Halte ich die allgemeine Beurteilung von NS- juristen für fragwürdig. Ist es wirklich einem Richter vorzuwerfen, dass er Urteile auf Basis der gegenwärtigen Gesetze fällt? Höchstens, dass er innerhalb eines Unrechtsregimes überhaupt Richter wird.
2. Halte ich es gerade bei gesinnungsgeprägten Berufen - was Juristen zumindest in ideologisch geprägten Systemen sind - für naheliegend, dass man eine entsprechende Gesinnung vorschiebt, um Karriere zu machen. Ob das verwerflich ist, kann man auch lange diskutieren.
3. Das er sich zumindest von Urteilen für Deserteure nicht distanziert, halte ich zwar für fragwürdig, aber nicht für ethisch verwerflich.
4. Problematisch finde ich nicht die Person Filbinger (ich halte grundsätzlich wenig von moralisch begründeten Vorwürfen) sondern, dass eine solche Person Ministerpräsident werden und lange bleiben konnte, also vertreter eines demokratischen Staates werden konnte. Der Vorwurf ist also weniger ihm zu machen, als denen, die ihn unterstützt, bzw. gewählt haben.
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narziss auf Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 21939
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beachbernie male Person of Age and without Color
Anmeldungsdatum: 16.04.2006 Beiträge: 45792
Wohnort: Haida Gwaii
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(#705231) Verfasst am: 15.04.2007, 21:21 Titel: |
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Hallo Xamonoth,
Xamanoth hat folgendes geschrieben: |
1. Halte ich die allgemeine Beurteilung von NS- juristen für fragwürdig. Ist es wirklich einem Richter vorzuwerfen, dass er Urteile auf Basis der gegenwärtigen Gesetze fällt? Höchstens, dass er innerhalb eines Unrechtsregimes überhaupt Richter wird.
. |
dies halte ich fuer aeusserst problematisch...
Das muss dann natuerlich auch fuer DDR-Richter gelten, die in Bautzen zum Tode verurteilt haben. Fuer die Grenzsoldaten und deren Kommandeure, die schliesslich auch nur nach geltendem DDR-Recht gahandelt haben als sie auf Fluechtlinge schossen, bzw. Schiessbefehle erteilten. Auch am Wirken eines Talibanrichters, der die ein oder andere vergewaltigte Ehefrau umbringen liess und dabei schliesslich auch bloss nach geltendem Recht handelte, einer Primitivstform der Scharia, laesst sich so recht wenig aussetzen.
Und in letzter Konsequenz verhielt sich auch der KZ-Kommandant und der Mengele "gesetzeskonform", damals waren eben medizinische Experimente an "Untermenschen" direkt nix "Ungesetzliches"....
Ich denke, voellig unabhaengig von gerade herrschenden Rechtsnormen gibt es internationale und universell gueltige Rechtsnormen, die noch am ehesten in der Deklaration der Menschenrechte zum Ausdruck kommen. Wer diese Menschenrechte bricht, der soll sich nicht hinter den Paragraphen irgendeines Unrechtsregimes verstecken koennen, der soll letzten Endes auch persoenlich fuer seine Handlungen haftbar gemacht werden.
Filbinger sagte einmal "Was damals Recht war, das kann heute kein Unrecht sein!" Ich halte dem entgegen, dass eindeutiger Mord immer Unrecht ist, unabhaengig von der aktuellen Gesetzeslage. Hier geht es letzten Endes um hoeheres Recht als das ein Parlament beschliessen kann. Nicht ohne Grund sind die Grundrechte im Grundgesetz auch vor der Aenderung durch Mehrheiten geschuetzt!
Ich verurteile auch Menschen wie Honecker und Ulbricht und ihre Ausfuehrenden, deren Mauer mit Schiessbefehl fuer den Tod vieler Menschen verantwortlich war, daran koennen alle Volkskammerabstimmungen der Welt nichts aendern. Bisher hat sich noch fast jedes Unrechtsregime ein legalistisches Kleidchen fuer seine Verbrechen zugelegt. Doch so billig sollen Taeter nicht davonkommen duerfen!
Auch dass solche Praktiken in anderen Armeen oft Standard sind, aendert nichts am Unrecht. Kein Richter der Welt wuerde akzeptieren, dass ein Bankraeuber einen Bankraub dadurch entschuldigt, dass er darauf hinweist, dass auch andere Menschen schon Banken ueberfallen haben.
Bei Filbinger kommt noch verschaerfend hinzu, dass er auch noch nach Wegfall der "Rechtsgrundlage", dem Untergang des Dutzendjaehrigen Reiches, in britischer Kriegsgefangenschaft munter weiter "Recht gesprochen" hat.
Gruss, Bernie
_________________ Defund the gender police!!
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Critic oberflächlich
Anmeldungsdatum: 22.07.2003 Beiträge: 16339
Wohnort: Arena of Air
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(#705337) Verfasst am: 16.04.2007, 00:39 Titel: |
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Xamanoth hat folgendes geschrieben: | Problematisch ist hier die Todesstrafe, nicht die Bestrafung an sich. Gerade im Krieg, gerade wenn es um die Heimat schlecht steht, begeht ein Deserteur schlicht hochverrat. Und ja, so jemand ist hart zu bestrafen. Und ich denke, dass trifft ab einem gewissem Punkt auch auf die Soldaten des Dritten Reiches zu, nämlich ab dem Punkt, wo es nicht mehr um Hitlers Expansionspläne, sondern um die Verteidigung des Deutschen Volkes geht. |
In der Logik wäre es natürlich nur konsequent, diejenigen, die - aus welchen Gründen auch immer - sich dem Regime verweigert haben, als Verräter und als moralisch ungeeignet - obwohl sie doch auch ein moralisches Gewissen darstellten - zu brandmarken, während diejenigen, die immer schön brav mitgemacht haben, schön wieder in Amt und Würden kamen.
In solchen Kategorien kann ich aber irgendwo nicht denken. Es besteht nämlich eine Diskrepanz zwischen Recht und Gerechtigkeit. Es war ja letzten Endes auch eine moralische Entscheidung, nicht für das Regime kämpfen zu wollen. Um so eher hörten nämlich auch das Sterben an den Fronten und die Bombenangriffe auf deutsche Städte auf. Und nicht zuletzt ist auch nicht Jeder bereit, sich für die Pläne eines Wahnsinnigen verheizen zu lassen.
Und selbst wenn jemand bloß aus Angst desertierte, so ist ihm das trotzdem nicht anzukreiden. In China gibt es das Sprichwort "Aus Silber macht man keine Nägel". Man macht keine Soldaten aus Menschen, denen das Soldatentum die Seele zerfrißt. Sie sind an anderen Orten viel besser eingesetzt. (Mein Opa hat natürlich auch nur von schönen Sachen erzählt, die er im Krieg in Frankreich und später in Holland erlebt hat, von der Technik auf dem Schlachtschiff oder daß da immer üppig gespachtelt wurde. Nur, daß er eben auch das Glück hatte, nach der Ausbildung keinen Schuß mehr abgeben zu müssen. Während der Andere, wie ich meinen Vater so vernehme, insbesondere auch seelische Narben davongetragen und später nie von der Ostfront gesprochen hat.)
(Die Edits bezogen sich auf krude Grammatik.)
_________________ "Die Pentagon-Gang wird in der Liste der Terrorgruppen geführt"
Dann bin ich halt bekloppt.
"Wahrheit läßt sich nicht zeigen, nur erfinden." (Max Frisch)
Zuletzt bearbeitet von Critic am 16.04.2007, 00:49, insgesamt 2-mal bearbeitet |
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Sehwolf registrierter User
Anmeldungsdatum: 26.03.2006 Beiträge: 10077
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(#705340) Verfasst am: 16.04.2007, 00:47 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Sehwolf hat folgendes geschrieben: | Das ist mir jetzt ehrlich zuviel |
Was mMn ein Fehler ist.
..,es heißt nur, seine eigene Weltsicht immer wieder zu hinterfragen. |
Moooooment. Da legst du etwas viel Bedeutung in meine kargen Worte. "Jetzt nicht" heisst nicht "Jetzt nicht, weil ich weiß ich habe recht", sondern "ich bin grad zu faul und oder habe keine zeit für ein Dokument dieser Länge."
Wie sind uns in ausreichenden Zahl von Punkten glaube ich ohnehin einig, nämlich a) nämlich F.s Salamitaktik nur soviel zuzugeben wie unvermeidbar ist und b) dass ihm keinerlei einschneidende Konsquenzen gedroht hätten. Das reicht nicht für eine Strafrechtl Verfolgung machte ihn jedoch untragbar als MP oder in anderer gehobener Position. Du magst recht haben. Ein Marine Richter ist auch nur ein Rädchen im Getriebe aber doch mM eines von mehr als nur durchschnittlicher Bedeutung.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Dazu wird er in der öffentlichen Darstellung (oft) dämonisiert und seine Handlungen werden überbewertet. |
Bei Filbigner-Typen hält sich meine Mitleid insbesondere für etwas vergleichsweise harmloses wie eine mögliche übertriebene Dämonisierung in Grenzen.
[quote="AgentProvocateur" postid=704925] Das finde ich falsch, denn es lenkt den Blick von der eigentlichen Frage ab: wie konnte ein solches menschenfeindliches System entstehen und wie konnte es so lange bestehen? Die Antwort darauf ist nun mal die, dass es Millionen von Rädchen gab, die alle nur einen minimalen Einfluss hatten, aber in der Gesamtheit den Nationalsozialismus darstellten. Filbinger sticht dabei nicht besonders heraus. Durch die Übertreibung von Filbingers Rolle wird diese Diskussion verhindert. Das ist die eine Sache.[/qoute]
Lass es mich in aller deutlichkeit sagen: Das ist einfach Quatsch!
Mich lenkt es nicht ab, dich lenkt es nicht ab und mir ist immer noch lieber dieses über Thema wird zu Unrecht wegen Filbinger geredet. Als Alternative zu Öttinger-Filbinger stünde doch nicht dein obiges Thema im öffentlichen Interesses sondern die eingewachsenen Zehennägel von Herrn Bohlen.
Zitat: | Eine andere Frage ist die, ob es überhaupt eine Verantwortung des Einzelnen für den Nationalsozialismus gibt. Filbinger und Oettinger möchten das gerne verneinen, sie sehen den Einzelnen als Rädchen ohne Einflussmöglichkeit, jeder stehe nun mal an seinem Platz und müsse tun, was er eben tun müsse. Die Gesellschaft ist wichtiger als der Einzelne und die Gesellschaft muss den Einzelnen streng sanktionieren, wenn er seine zugewiesene Rolle nicht einnehmen will. Daher rührt auch die Forderung nach einer strengen Bestrafung von Deserteuren, die das Ganze gefährden. In dieser Sichtweise gibt es tatsächlich keine Verantwortung des Einzelnen mehr, alles läuft nach undurchschaubaren Gesetzen ab und ergibt einfach das, was es ergibt. Niemand kann etwas dafür. Es ist einfach das System. |
Das ist ein Rückfall um mindestens 20 Jahre. Lies dir mal die Rede Weiszäckers von 85 durch. Das ist mM das Mindestmaß.
"ich war ein Rädchen im Getriebe" und "Hätte ich es nicht getan, hätte es ein anderer getan" sind die einfachsten und billigsten Ausreden. Immerhin sind es keine glatten Lügen wie "Sonst wäre es mir selbst an den Kragen gegangen". Beispiel für erfolgreichen zivilen Ungehorsam gibt es zuhauf. Prinzipiell teile ich deine Meinung über die Bedeutung von kleinen Rädchen in großen Maschinen. Um in dieser Metapher zu bleiben; Auch das kleinste Rädchen kann in jeder Maschine entscheidende Bedeutung haben. In der Rosenstraße verhinderten (möglicherweise) wenige Hunderte Demonstranten den Abtransport mehrerer Tausend Gefangener. Wieso wurden sie nicht einfach verhaftet, wieso verschwanden sie nicht einfach in den Folterkeller der Gestapo? Es waren ganz offensichtlich zuviele. Wie passiert so etwas? Ganz einfach mM: Einer fängt an und er hofft dass sich Mitstreiter finden werden. Es werden mehr bis irgendwann (hoffentlich) eine kritische Masse überschritten ist. Sich als erster dort hinzustellen ist mM wirklich mutig, dennnoch ist jeder weitere ebenso wichtig. Wir wissen nicht ob weitere Rosenstraßen möglich gewesen wären noch läßt sich sagen welchen Unterschied sie gemacht hätten.
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Kramer postvisuell
Anmeldungsdatum: 01.08.2003 Beiträge: 30878
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(#705346) Verfasst am: 16.04.2007, 01:28 Titel: |
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Xamanoth hat folgendes geschrieben: | Problematisch ist hier die Todesstrafe, nicht die Bestrafung an sich. Gerade im Krieg, gerade wenn es um die Heimat schlecht steht, begeht ein Deserteur schlicht hochverrat. Und ja, so jemand ist hart zu bestrafen. Und ich denke, dass trifft ab einem gewissem Punkt auch auf die Soldaten des Dritten Reiches zu, nämlich ab dem Punkt, wo es nicht mehr um Hitlers Expansionspläne, sondern um die Verteidigung des Deutschen Volkes geht. |
Wogegen musste denn das deutsche Volk verteidigt werden? Gegen die Befreiung vom Naziregime?
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narziss auf Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 21939
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(#705349) Verfasst am: 16.04.2007, 01:33 Titel: |
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Kramer hat folgendes geschrieben: | Xamanoth hat folgendes geschrieben: | Problematisch ist hier die Todesstrafe, nicht die Bestrafung an sich. Gerade im Krieg, gerade wenn es um die Heimat schlecht steht, begeht ein Deserteur schlicht hochverrat. Und ja, so jemand ist hart zu bestrafen. Und ich denke, dass trifft ab einem gewissem Punkt auch auf die Soldaten des Dritten Reiches zu, nämlich ab dem Punkt, wo es nicht mehr um Hitlers Expansionspläne, sondern um die Verteidigung des Deutschen Volkes geht. |
Wogegen musste denn das deutsche Volk verteidigt werden? Gegen die Befreiung vom Naziregime? | Eine Frage, die sich mir auch stellt.
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narziss auf Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 21939
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Misterfritz mini - mal
Anmeldungsdatum: 09.03.2006 Beiträge: 21867
Wohnort: badisch sibirien
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(#705619) Verfasst am: 16.04.2007, 17:18 Titel: |
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da unten sind links zu oettingers worten drin
oettinger
_________________ I'm tapping in the dusternis
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