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Wonko der Verständige registrierter User
Anmeldungsdatum: 03.06.2007 Beiträge: 10
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(#739507) Verfasst am: 05.06.2007, 21:16 Titel: Sinnforschung aus Sicht der Strukturwissenschaften |
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Hallo zusammen,
auf vielfachen Wunsch eines Einzelnen, der hier nicht näher genannt werden will (obwohl wir natürlich alle wissen, dass es sich dabei um struioso handelt ), möchte ich gerne einmal ein oft zu unrecht vermähtes Thema aufreifen.
Seit ich die Douglas Adams SC-FI-Reihe „Per Anhalter durch die Galaxis“ gelesen habe, weis ich, dass der Sinn des Lebens, des Universums und des ganzen Restes natürlich 42 ist – und zwar als Parodie. Als Strukturwissenschaftler macht mich diese parodistische Antwort jedoch trotzdem glücklich, denn nun brauche ich ja nur das genaue Gegenteil dieser Antwort finden, und schon habe ich die richtige Lösung! Die Zahl 42, und die dazugehörige Arithmetik (sechs mal sieben) sind Elemente einer simplen Strukturwissenschaft. Gesucht wird nun also das Gegenteil – also komplexe Strukturwissenschaften. Und zum Glück gibt es die nicht nur bereits, sondern sie erfreuen sich sogar einer zunehmenden Popularität.
Doch was sind eigentlich Strukturwissenschaften?
Der Begriff „Strukturwissenschaft“ wurde 1971 vom Physiker und Philosophen Carl Friedrich von Weizsäcker geprägt (Buch: Die Einheit der Natur). Zu den Strukturwissenschaften werden von den Befürwortern dieser Wissenschaftskategorie folgende Forschungsbereiche gezählt:
Mathematik
Logik
Die Chaostheorie
Die Theorie der Selbstorganisation
Die mathematische Spieltheorie
Die mathematische Katastrophentheorie
Informatik
Informationstheorie
Systemtheorie
Kybernetik
Die physikalische Synergetik
Doch wodurch zeichnen sich die Strukturwissenschaften aus, und welche Ziele verfolgen sie? Zunächst lässt sich feststellen, dass ein unverwechselbares Kennzeichen aller Strukturwissenschaften darin besteht, dass ihr Gegenstandsbereich die gesamte Wirklichkeit ist. Das heißt, die Strukturwissenschaften suchen nach Gesetzmäßigkeiten, denen abstrakten Strukturen unterliegen, und zwar unabhängig davon, ob sich diese Strukturen in unbelebten oder belebten, natürlichen oder künstlichen Systemen wieder finden.
Der Prototyp einer solchen Strukturwissenschaft ist die Mathematik. Neben der bereits erwähnten Kybernetik, Spieltheorie und Informationstheorie haben sich in den letzten Jahren weitere strukturwissenschaftliche Disziplinen wie Systemtheorie, Semiotik, Synergetik, Komplexitätstheorie, Chaostheorie und Katastrophentheorie herausgebildet.
Dem universellen und abstrakten Charakter der Strukturwissenschaften entsprechend, finden sich deren Erkenntnisgegenstände und Erkenntnisziele sowohl in den Naturwissenschaften als auch in den Geisteswissenschaften wieder. Nicht zuletzt zeigt sich die Universalität der Strukturwissenschaften im transdisziplinären Charakter ihrer Grundbegriffe. „Ganzheit“, „Wert“, „Komplexität“, „Funktionalität“, „Semantik“ und viele andere strukturwissenschaftliche Grundbegriffe bilden einen ständig wachsenden Anteil an Begriffsrepertoire der Natur- und Geisterwissenschaften, so dass sich bereits auf der begrifflichen Ebene eine konvergente Entwicklung der beiden großen Wissenschaftsströmungen abzeichnet.
Daß der Anteil der Strukturwissenschaften in den Naturwissenschaften ständig zunimmt, kann man unter anderem daran erkennen, dass die Computersimulation zunehmend das klassische Experiment in den Naturwissenschaften verdrängt. Denn der Computer ist das wichtigste methodische Instrument der Strukturwissenschaften. Seine Theorie ist selbst eine Strukturwissenschaft.
So, nun aber wieder zum eigentlichen Thema:
Was ist Sinn?
Das Wort Sinn kommt aus u. a. aus dem althochdeutschen „sin“. Die Grundbedeutung war dabei „Weg, Reise, Gang“. Entwickelt wurde die Bedeutung indogermanisch zu „sentsin“, d. h. „eine Richtung nehmen, gehen, reisen, fahren“.
In dem alten Grimm’schen Wörterbuch der deutschen Sprache ist ‚Orientierung’ eine der Hauptbedeutungen von Sinn .
Was ist ein System?
Ein System besteht in den Strukturwissenschaften aus einzelnen Elementen, die durch Beziehungen (Relationen) miteinander in dynamischem Kontakt stehen. Ein System kann dabei z. B. ein Atom, bestehend aus Atomkern und Elektronen sein, genauso aber auch einen Menschen oder das gesamte Universum repräsentieren. Daher ist der Systembegriff an sich skaleninvariant. Ledigleich ein Elementarteilchen wäre kein System, da es keine Relationen zu anderen Elementen enthält.
Die Strukturwissenschaften, Systeme und die Sinnfrage
Am intensivsten haben sich wissenschaftlich die Strukturwissenschaften, insbesondere die Systemtheorie und die Mathematik, mit der Sinnfrage zur Bildung von Sinnmodellen und Sinntheorien beschäftigt. Sie liefern daher äußerst interessante grundsätzliche Überlegungen zum Sinn von Systemen und dem Sinn an sich. Fundamental betrachte ist Sinn ein interessantes Problem der Logik. Eine weitere interessante Sichtweise stammt aus der Systemtheorie.
Die ursprünglich biologisch motivierte allgemeine Systemtheorie (Bertalanffy) und die ursprünglich technisch motivierte Kybernetik (Wiener) verschmelzen heutzutage immer mehr zu einer Einheit (z. B. zur Biokybernetik). Etwas aus der Reihe tanzt dabei das systemtheoretische Modell der Sozialwissenschaften von Niklas Luhmann und sein ‚sinnverarbeitendes System’ - welches aber trotzdem natürlich äußerst interessant ist.
So, und jetzt kommt's:
Meine bislang mehr oder weniger misslungenen minutenlangen Recherchen haben z. B. folgende strukturwissenschaftlichen Aussagen zum Sinn eines Systems geliefert:
- Der Sinn ergibt sich stets aus dem Existenzgrund eines Systems.
- Der Sinn zeigt sich in den Funktionen eines Systems.
- Sinn entsteht aus der Selbsterhaltung eines Systems.
- Sinn entsteht durch Vermehrung und Fortpflanzung.
- Sinn entsteht durch die Entwicklung eines Systems.
- Sinn entsteht durch Anpassung und Optimierung.
- Systeme sind aus sich selbst heraus sinnstiftend.
Nun ja, ein bescheidener Anfang ist gemacht, ... aber Ich würde mich selbstverständlich sehr über jede weitere Anregung zum Thema Sinn aus Sicht der Strukturwissenschaften freuen!
Gruß,
Wonko der Verständige
P. S.: Ach so ... hier noch der obligatorische internationale Warnhinweis: „Warning! Warning! Chaostheorie causes pathological complexity. Handel with care!”
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Wolf registrierter User
Anmeldungsdatum: 23.08.2004 Beiträge: 16610
Wohnort: Zuhause
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(#739578) Verfasst am: 05.06.2007, 22:16 Titel: |
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Diese Unterteilung der Wiki behagt mir nicht.
Ich würde die Informatik nur als einen Spezialfall der Mathematik betrachten, ebenso sehe ich die Unterpunkte( [formale]Logik und selbstverständlich Informationstheorie und Spieletheorie) der Mathematik zuordnen.
Zudem möchte ich darauf hinweisen, dass Mathematik keine Naturwissenschaft ist und erst recht keine Geisteswissenschaft.
Deine Sinnfrage verstehe ich nicht.
_________________ Trish:(
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Elischua auf Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 05.05.2007 Beiträge: 73
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(#739596) Verfasst am: 05.06.2007, 22:27 Titel: |
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Wolf hat folgendes geschrieben: | ebenso sehe ich die Unterpunkte( [formale]Logik und selbstverständlich Informationstheorie und Spieletheorie) der Mathematik zuordnen. |
Logik ist kein Teilgebiet der Mathematik. Richtig ist, dass die Mathematik die Logik benötigt und umgekehrt das Grundlagenproblem der Mathematik die Weiterentwicklung der Logik durchaus beschleunigt hat, aber dennoch ist die Logik eine eigene Wissenschaft. Die sogenannte mathematische Logik ist lediglich ein Teilbereich der Logik. Die Logik umfasst inzwischen doch recht viel, was in der Mathematik längst nicht mehr gebraucht wird. Man kann so sagen, dass der mathematische Teil um 1960 herum abgeschlossen war.
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Wolf registrierter User
Anmeldungsdatum: 23.08.2004 Beiträge: 16610
Wohnort: Zuhause
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(#739613) Verfasst am: 05.06.2007, 22:34 Titel: |
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Elischua hat folgendes geschrieben: |
Logik ist kein Teilgebiet der Mathematik. Richtig ist, dass die Mathematik die Logik benötigt und umgekehrt das Grundlagenproblem der Mathematik die Weiterentwicklung der Logik durchaus beschleunigt hat, aber dennoch ist die Logik eine eigene Wissenschaft. Die sogenannte mathematische Logik ist lediglich ein Teilbereich der Logik. Die Logik umfasst inzwischen doch recht viel, was in der Mathematik längst nicht mehr gebraucht wird. Man kann so sagen, dass der mathematische Teil um 1960 herum abgeschlossen war. |
Da hast du natürlich recht. Wobei gibt es Teile der klassische Logik(auf die klassische, formale Logik bezog ich mich), welche nicht zur Mathematik gehören?
_________________ Trish:(
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Elischua auf Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 05.05.2007 Beiträge: 73
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(#739645) Verfasst am: 05.06.2007, 22:58 Titel: |
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Wolf hat folgendes geschrieben: | Wobei gibt es Teile der klassische Logik(auf die klassische, formale Logik bezog ich mich), welche nicht zur Mathematik gehören? |
Ich habe gerade gesehen, dass Wikipedia die Logik als ein Teilgebiet der Mathematik beschreibt, aber auch als Teilgebiet der Philosophie. Ich bin damit nicht ganz einverstanden, meiner Meinung nach ist die Logik eine eigene Wissenschaft, die in der Mathematik natürlich ganz intensiv, aber auch in der Philosophie benötigt wird, wobei es allerdings Überschneidungen gibt.
Dadurch, dass die Logik das korrekte Schließen als Untersuchungsgegenstand hat, ist sie natürlich mit Philosophie und Mathematik doch sehr eng verbunden. Ich würde sagen, dass weder die Logik ein echtes Teilgebiet der Mathematik ist, noch umgekehrt. Beide Wissenschaften stehen aber zueinander in einer so gearteten Beziehung, dass sie nicht zu trennen sind, jedenfalls was bestimmte Teilgebiete der beiden Wissenschaften betrifft. Sie sind teilweise sehr eng miteinander verwoben.
Die Mathematik kann man definieren als das Arbeiten in abstrakten Modellen und es ist natürlich klar, dass dabei die Logik selbstverständlich ganz wesentlich benötigt wird. Die Logik stellt im Grunde genommen das Werkzeug zur Verfügung, womit wir in abstrakten Modellen arbeiten.
Was die klassische Logik betrifft, fällt mir jetzt kein Teil davon ein, der in der Mathematik nicht benötigt wird.
Ich werde mir das noch genauer überlegen, wenn ich weniger müde bin. Das ist im Moment wohl das Beste, was mir im Moment spontan einfällt.
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zelig Kultürlich
Anmeldungsdatum: 31.03.2004 Beiträge: 25405
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(#739656) Verfasst am: 05.06.2007, 23:06 Titel: Re: Sinnforschung aus Sicht der Strukturwissenschaften |
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Wonko der Verständige hat folgendes geschrieben: | [...]
Was ist Sinn?
Das Wort Sinn kommt aus u. a. aus dem althochdeutschen „sin“. Die Grundbedeutung war dabei „Weg, Reise, Gang“. Entwickelt wurde die Bedeutung indogermanisch zu „sentsin“, d. h. „eine Richtung nehmen, gehen, reisen, fahren“.
In dem alten Grimm’schen Wörterbuch der deutschen Sprache ist ‚Orientierung’ eine der Hauptbedeutungen von Sinn .
[...]
Nun ja, ein bescheidener Anfang ist gemacht, ... aber Ich würde mich selbstverständlich sehr über jede weitere Anregung zum Thema Sinn aus Sicht der Strukturwissenschaften freuen! :idea: |
Ich vermisse das entscheidende Merkmal von Sinn, nämlich die Beschreibung als einen Versuch, eine Sache in einen größeren Zusammenhang einzubetten. Gemäß Deiner etymologischen Erklärung sehr schön zu veranschaulichen. Man hat nur den Teil einer Strecke, einer Reise, eines Weges vor Augen. Die Orientierung kann aus diesem Teil selber nicht gewonnen werden. Sie resultiert, sage ich mal ins Blaue hinein, aus Wissen (über das Ziel) und einem Fixpunkt mit möglichst großer Distanz zum Reisenden (die Sonne Beispielsweise, oder der magnetische Nordpol). Die Ferne des Fixpunktes erlaubt es, sich in einem kleinen Areal zurechtzufinden. Erstaunlich.
Da ich kein Systemtheoretiker bin, muss mein Versuch, diese Überlegungen in eine systemtheoretische Sprache zu übersetzen, scheitern. Trotzdem:
Sinn ist der Versuch, eine bekannte Struktur mithilfe eines ausserhalb der [edit: Gesamt-]Struktur liegenden Fixpunktes als Teil einer größeren Struktur zu begreifen.
_________________ Es gibt kein richtiges Leben im falschen.
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Wolf registrierter User
Anmeldungsdatum: 23.08.2004 Beiträge: 16610
Wohnort: Zuhause
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(#739681) Verfasst am: 05.06.2007, 23:37 Titel: |
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Elischua hat folgendes geschrieben: | Wolf hat folgendes geschrieben: | Wobei gibt es Teile der klassische Logik(auf die klassische, formale Logik bezog ich mich), welche nicht zur Mathematik gehören? |
Ich habe gerade gesehen, dass Wikipedia die Logik als ein Teilgebiet der Mathematik beschreibt, aber auch als Teilgebiet der Philosophie. Ich bin damit nicht ganz einverstanden, meiner Meinung nach ist die Logik eine eigene Wissenschaft, die in der Mathematik natürlich ganz intensiv, aber auch in der Philosophie benötigt wird, wobei es allerdings Überschneidungen gibt. | Bei Wiki findet sich beides.
Natürlich benötigt die Mathematik Logik. Das für mich sehr verwirrende daran ist, dass sich diese logisch Schlussregeln(von den man meinen könnte die sind zu logisch um sie beweisen zu können) durch Definition einfacher Junktoren, mit Hilfe von Wahrheitstafeln recht einfach beweisen lässt.
Zitat: |
Dadurch, dass die Logik das korrekte Schließen als Untersuchungsgegenstand hat, ist sie natürlich mit Philosophie und Mathematik doch sehr eng verbunden.
Ich würde sagen, dass weder die Logik ein echtes Teilgebiet der Mathematik ist, noch umgekehrt. Beide Wissenschaften stehen aber zueinander in einer so gearteten Beziehung, dass sie nicht zu trennen sind, jedenfalls was bestimmte Teilgebiete der beiden Wissenschaften betrifft. Sie sind teilweise sehr eng miteinander verwoben.
| Ich kann mir keine formale Logik vorstellen, die nicht mathematisch behandelbar wäre, nur welche die nicht von mathematischen Interesse wären, ich schätze mal, dass sind die philosophischen. Zitat: |
Die Mathematik kann man definieren als das Arbeiten in abstrakten Modellen und es ist natürlich klar, dass dabei die Logik selbstverständlich ganz wesentlich benötigt wird. Die Logik stellt im Grunde genommen das Werkzeug zur Verfügung, womit wir in abstrakten Modellen arbeiten.
| Es wird zwar ständig mit logischen Schlussregeln bewiesen, aber diese wurden ja bereits durch Wahrheitstafeln bewiesen. Also handelt es sich um selbstgeschaffenes Werkzeug.(Das will ich jetzt allerdings auch nicht ganz glauben, ich denke nochmal darüber nach) Zitat: |
Was die klassische Logik betrifft, fällt mir jetzt kein Teil davon ein, der in der Mathematik nicht benötigt wird.
Ich werde mir das noch genauer überlegen, wenn ich weniger müde bin. Das ist im Moment wohl das Beste, was mir im Moment spontan einfällt. | Ich auch müde
_________________ Trish:(
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#739711) Verfasst am: 06.06.2007, 00:23 Titel: Re: Sinnforschung aus Sicht der Strukturwissenschaften |
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Hi zelig!
zelig hat folgendes geschrieben: |
Wonko der Verständige hat folgendes geschrieben: | [...]
Was ist Sinn?
Das Wort Sinn kommt aus u. a. aus dem althochdeutschen „sin“. Die Grundbedeutung war dabei „Weg, Reise, Gang“. Entwickelt wurde die Bedeutung indogermanisch zu „sentsin“, d. h. „eine Richtung nehmen, gehen, reisen, fahren“.
In dem alten Grimm’schen Wörterbuch der deutschen Sprache ist ‚Orientierung’ eine der Hauptbedeutungen von Sinn .
[...]
Nun ja, ein bescheidener Anfang ist gemacht, ... aber Ich würde mich selbstverständlich sehr über jede weitere Anregung zum Thema Sinn aus Sicht der Strukturwissenschaften freuen! |
Ich vermisse das entscheidende Merkmal von Sinn, nämlich die Beschreibung als einen Versuch, eine Sache in einen größeren Zusammenhang einzubetten. Gemäß Deiner etymologischen Erklärung sehr schön zu veranschaulichen. Man hat nur den Teil einer Strecke, einer Reise, eines Weges vor Augen. Die Orientierung kann aus diesem Teil selber nicht gewonnen werden. Sie resultiert, sage ich mal ins Blaue hinein, aus Wissen (über das Ziel) und einem Fixpunkt mit möglichst großer Distanz zum Reisenden (die Sonne Beispielsweise, oder der magnetische Nordpol). Die Ferne des Fixpunktes erlaubt es, sich in einem kleinen Areal zurechtzufinden. Erstaunlich.
Da ich kein Systemtheoretiker bin, muss mein Versuch, diese Überlegungen in eine systemtheoretische Sprache zu übersetzen, scheitern. Trotzdem:
Sinn ist der Versuch, eine bekannte Struktur mithilfe eines ausserhalb der [edit: Gesamt-]Struktur liegenden Fixpunktes als Teil einer größeren Struktur zu begreifen.
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Fast hättest Du es gehabt - nur Dein "größerer Zusammenhang" scheint Dich in die Irre geführt zu haben. Also: Wer oder was unternimmt hier eine Reise?!
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)
„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
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kolja der Typ im Maschinenraum

Anmeldungsdatum: 02.12.2004 Beiträge: 16631
Wohnort: NRW
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(#739717) Verfasst am: 06.06.2007, 00:35 Titel: |
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Der Sinn (oder Zweck) von Dingen ist keine intrinsische Eigenschaft, er wird den Dingen von entsprechend hochentwickelten Gehirnen zugeordnet, z.B. weil sie mit diesen Dingen Ziele und Pläne verfolgen. Im unreflektierten Falle wird auch schon mal ein Sinn vermutet, wo gar kein Planer ist, weil die Dinge so aussehen, als wären sie geplant. Das ist dann ein teleologischer Fehlschluss.
_________________ Hard work often pays off after time, but laziness always pays off now.
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zelig Kultürlich
Anmeldungsdatum: 31.03.2004 Beiträge: 25405
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(#739825) Verfasst am: 06.06.2007, 06:50 Titel: Re: Sinnforschung aus Sicht der Strukturwissenschaften |
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Lamarck hat folgendes geschrieben: | Hi zelig!
zelig hat folgendes geschrieben: |
Wonko der Verständige hat folgendes geschrieben: | [...]
Was ist Sinn?
Das Wort Sinn kommt aus u. a. aus dem althochdeutschen „sin“. Die Grundbedeutung war dabei „Weg, Reise, Gang“. Entwickelt wurde die Bedeutung indogermanisch zu „sentsin“, d. h. „eine Richtung nehmen, gehen, reisen, fahren“.
In dem alten Grimm’schen Wörterbuch der deutschen Sprache ist ‚Orientierung’ eine der Hauptbedeutungen von Sinn .
[...]
Nun ja, ein bescheidener Anfang ist gemacht, ... aber Ich würde mich selbstverständlich sehr über jede weitere Anregung zum Thema Sinn aus Sicht der Strukturwissenschaften freuen! |
Ich vermisse das entscheidende Merkmal von Sinn, nämlich die Beschreibung als einen Versuch, eine Sache in einen größeren Zusammenhang einzubetten. Gemäß Deiner etymologischen Erklärung sehr schön zu veranschaulichen. Man hat nur den Teil einer Strecke, einer Reise, eines Weges vor Augen. Die Orientierung kann aus diesem Teil selber nicht gewonnen werden. Sie resultiert, sage ich mal ins Blaue hinein, aus Wissen (über das Ziel) und einem Fixpunkt mit möglichst großer Distanz zum Reisenden (die Sonne Beispielsweise, oder der magnetische Nordpol). Die Ferne des Fixpunktes erlaubt es, sich in einem kleinen Areal zurechtzufinden. Erstaunlich.
Da ich kein Systemtheoretiker bin, muss mein Versuch, diese Überlegungen in eine systemtheoretische Sprache zu übersetzen, scheitern. Trotzdem:
Sinn ist der Versuch, eine bekannte Struktur mithilfe eines ausserhalb der [edit: Gesamt-]Struktur liegenden Fixpunktes als Teil einer größeren Struktur zu begreifen.
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Fast hättest Du es gehabt - nur Dein "größerer Zusammenhang" scheint Dich in die Irre geführt zu haben. Also: Wer oder was unternimmt hier eine Reise?!
Cheers,
Lamarck |
Hallo Lamarck.
Der Reisende will ein Ziel erreichen.
Er überschaut ein Areal von sagen wir mal einem Quadratkilometer (=kleine Struktur).
Er muss nun seinen lokalen Bereich in einen Bezug zum Ziel setzen (=einbetten in eine Gesamtstruktur).
Dazu verhilft ihm sein GPS (oder Kompass und Karte oder Sonne...), welches ihm die Richtung zeigt. Diese ist aus der Kenntnis über das Areal alleine nicht zu ermitteln (=Orientierung).
Das GPS stellt eine lokale Erweiterung des erdumspannenden Satellitennetzes dar (= Fixpunkt ausserhalb der Gesamtstruktur).
Erreicht der Reisende das Ziel, erweist sich die kleine Struktur als Teilstruktur einer Gesamtstruktur.
Erklärst Du mal, wo ich mich verlaufen habe?
Liegt hier etwa eine Ängstlichkeit vor dem "größeren Zusammenhang" vor, weil die in ihrer Anschaulichkeit so schöne Etymologie eine gar schrökliche Metaphorik nahelegt?
_________________ Es gibt kein richtiges Leben im falschen.
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Einsiedler registrierter User
Anmeldungsdatum: 01.03.2007 Beiträge: 1435
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(#739845) Verfasst am: 06.06.2007, 08:39 Titel: |
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kolja hat folgendes geschrieben: | Der Sinn (oder Zweck) von Dingen ist keine intrinsische Eigenschaft, er wird den Dingen von entsprechend hochentwickelten Gehirnen zugeordnet, z.B. weil sie mit diesen Dingen Ziele und Pläne verfolgen. Im unreflektierten Falle wird auch schon mal ein Sinn vermutet, wo gar kein Planer ist, weil die Dinge so aussehen, als wären sie geplant. Das ist dann ein teleologischer Fehlschluss. |
So sehe ich das auch. Sinn gibt es nur aus Sicht eines Betrachters. Deshalb schließt jede Frage nach einem Sinn
automatisch die Fragen "Sinn für wen?" in sich ein. Damit ist Sinn etwas höchst Subjektives, was natürlich
Intersubjektivität nicht ausschließt. Aber ohne jeden Betrachter gibt es auch keinen Sinn.
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#740071) Verfasst am: 06.06.2007, 14:38 Titel: Re: Sinnforschung aus Sicht der Strukturwissenschaften |
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Hi zelig!
zelig hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: |
zelig hat folgendes geschrieben: |
Wonko der Verständige hat folgendes geschrieben: | [...]
Was ist Sinn?
Das Wort Sinn kommt aus u. a. aus dem althochdeutschen „sin“. Die Grundbedeutung war dabei „Weg, Reise, Gang“. Entwickelt wurde die Bedeutung indogermanisch zu „sentsin“, d. h. „eine Richtung nehmen, gehen, reisen, fahren“.
In dem alten Grimm’schen Wörterbuch der deutschen Sprache ist ‚Orientierung’ eine der Hauptbedeutungen von Sinn .
[...]
Nun ja, ein bescheidener Anfang ist gemacht, ... aber Ich würde mich selbstverständlich sehr über jede weitere Anregung zum Thema Sinn aus Sicht der Strukturwissenschaften freuen! |
Ich vermisse das entscheidende Merkmal von Sinn, nämlich die Beschreibung als einen Versuch, eine Sache in einen größeren Zusammenhang einzubetten. Gemäß Deiner etymologischen Erklärung sehr schön zu veranschaulichen. Man hat nur den Teil einer Strecke, einer Reise, eines Weges vor Augen. Die Orientierung kann aus diesem Teil selber nicht gewonnen werden. Sie resultiert, sage ich mal ins Blaue hinein, aus Wissen (über das Ziel) und einem Fixpunkt mit möglichst großer Distanz zum Reisenden (die Sonne Beispielsweise, oder der magnetische Nordpol). Die Ferne des Fixpunktes erlaubt es, sich in einem kleinen Areal zurechtzufinden. Erstaunlich.
Da ich kein Systemtheoretiker bin, muss mein Versuch, diese Überlegungen in eine systemtheoretische Sprache zu übersetzen, scheitern. Trotzdem:
Sinn ist der Versuch, eine bekannte Struktur mithilfe eines ausserhalb der [edit: Gesamt-]Struktur liegenden Fixpunktes als Teil einer größeren Struktur zu begreifen.
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Fast hättest Du es gehabt - nur Dein "größerer Zusammenhang" scheint Dich in die Irre geführt zu haben. Also: Wer oder was unternimmt hier eine Reise?!
Cheers,
Lamarck |
Hallo Lamarck.
Der Reisende will ein Ziel erreichen.
Er überschaut ein Areal von sagen wir mal einem Quadratkilometer (=kleine Struktur).
Er muss nun seinen lokalen Bereich in einen Bezug zum Ziel setzen (=einbetten in eine Gesamtstruktur).
Dazu verhilft ihm sein GPS (oder Kompass und Karte oder Sonne...), welches ihm die Richtung zeigt. Diese ist aus der Kenntnis über das Areal alleine nicht zu ermitteln (=Orientierung).
Das GPS stellt eine lokale Erweiterung des erdumspannenden Satellitennetzes dar (= Fixpunkt ausserhalb der Gesamtstruktur).
Erreicht der Reisende das Ziel, erweist sich die kleine Struktur als Teilstruktur einer Gesamtstruktur.
Erklärst Du mal, wo ich mich verlaufen habe?
Liegt hier etwa eine Ängstlichkeit vor dem "größeren Zusammenhang" vor, weil die in ihrer Anschaulichkeit so schöne Etymologie eine gar schrökliche Metaphorik nahelegt?
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Dein "Reisender" ist zuallererst ein Subjekt!
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
Latenight hat folgendes geschrieben: |
Allgemeingültige Aussagen über einen verbindlichen Lebenssinn kann man nicht machen. Da stimme ich dir vollkommen zu.
Allerdings ist der Lebenssinn für den Einzelnen schon relevant. Und was und ob jemand für sich als Sinn erkennt hat durchaus spürbare Auswirkungen auf das Umfeld des Betreffenden. Das ist auch der Grund, warum man auch solche abstrakten Konstrukte unabhängig vom inhaltlichen Wahrheitsgehalt als "wahr" bezeichnet. Sie existieren und stehen in beobachtbarer Wechselwirkung mit der Umgebung. |
Also die berühmte Sinnfrage. Sicher kennst Du die Formulierung "Das macht Sinn!" Aber weitaus besser wäre hier ein "In Bezug zu mir als Subjekt sehe ich dieses oder jenes als sinnvoll an!" (das klingt doch – wenn auch in einer milden Form – sehr nach "Beziehungsidee" …).
Die Sinnfrage steht selbstverständlich in einem emphatischen Zusammenhang mit der Detektion von Absichten: Besser, Dir ist klar, was der Löwe im "Sinn!" hat - ist er nun satt oder ist er hungrig? Und weiters ist es besser, bei der Beantwortung dieser Frage etwas zu übersteuern und ein klein wenig übervorsichtig zu sein …
Und genau dies können auch andere Organismen als nur der Mensch. Aber nicht nur das, es gibt sogar abergläubische Tiere!
Übrigens: Welche Sinnfrage kann sich denn ein Gott für sich selbst stellen? Das nenne ich mal ein Ebenbild: Gott ist – wie ich auch – Atheist … .
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Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)
„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
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zelig Kultürlich
Anmeldungsdatum: 31.03.2004 Beiträge: 25405
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(#740126) Verfasst am: 06.06.2007, 15:32 Titel: Re: Sinnforschung aus Sicht der Strukturwissenschaften |
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Lamarck hat folgendes geschrieben: |
Dein "Reisender" ist zuallererst ein Subjekt! |
Oh ja. Nie würde ich was anderes behaupten.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Besser, Dir ist klar, was der Löwe im "Sinn!" hat - ist er nun satt oder ist er hungrig? Und weiters ist es besser, bei der Beantwortung dieser Frage etwas zu übersteuern und ein klein wenig übervorsichtig zu sein |
Ja. Allerdings ist das wohl eine andere Bedeutung von Sinn, wenn es das sein soll, was eine Absicht enthält. Es steht für etwas Verborgenes. Ähm... vielleicht doch nicht so weit entfernt, es scheint immer was Verborgenes zu sein (auch beim Weg), über das man nur indirekt Informationen erhält. Ist es das, was Du meinst? Ich versteh Dich nicht. : (
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Und genau dies können auch andere Organismen als nur der Mensch. Aber nicht nur das, es gibt sogar abergläubische Tiere! |
Welche? Würde mich intressieren.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Übrigens: Welche Sinnfrage kann sich denn ein Gott für sich selbst stellen? |
Da sie selber schlichtweg der Gesamtzusammenhang wäre, läge auch jeglicher Sinn in ihr.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Das nenne ich mal ein Ebenbild: Gott ist – wie ich auch – Atheist … . |
Ich schätze, sie wäre Agnostiker: Gibt es Lamarck?
: )
_________________ Es gibt kein richtiges Leben im falschen.
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Konstrukt konstruktiver Radikalist
Anmeldungsdatum: 19.08.2005 Beiträge: 6587
Wohnort: Im Barte des Propheten
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(#740137) Verfasst am: 06.06.2007, 15:50 Titel: |
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Ist Sinn nicht immer nur eine Frage subjektiver Interpretation? Wenn Sinn ethymologisch eine Reise, ein Weg ist, dann ist es der Beobachter, das Subjekt, welchen den Sinn konstruiert, einen Weg einschlägt und in eine bestimmte Sache oder Frage hineininterpretiert. Sinn wird also "gegeben", ist aber nicht apriori etwas was man finden kann.
Wonko der Verständige hat folgendes geschrieben: | Der Sinn ergibt sich stets aus dem Existenzgrund eines Systems | Nein, auch der Existenzgrund für ein System wäre eine Frage der Interpretation dessen der ein System beobachtet oder Teil von ihm ist. Ein Existenzgrund ist doch zudem auch bereits ein Sinn bzw. unterstellt ungeprüft das es einen Sinn für die Existenz gibt. Das klingt m.E. doppelt gemoppelt und quasi tautologisch.
Wonko der Verständige hat folgendes geschrieben: | Sinn entsteht aus der Selbsterhaltung eines Systems | Die Selbsterhaltung kann bereits als Sinn betrachtet werden, womit ein Sinn aus dem Sinn doch irgendwie sinnlos erscheinen könnte oder Fehlschlüsse möglich macht, wenn ein Sinn falsch oder von anderen anders interpretiert wird.
Wonko der Verständige hat folgendes geschrieben: | Sinn entsteht durch Vermehrung und Fortpflanzung. | Auch hier kann wieder die Vermehrung und Fortpflanzung bereits als Sinn verschieden und subjektiv interpretiert werden.
Wonko der Verständige hat folgendes geschrieben: | Sinn entsteht durch die Entwicklung eines Systems. | Da stimme schon eher ich zu. Je nach dem wie ein System sich entwickelt und warum es das tut.
Wonko der Verständige hat folgendes geschrieben: | Sinn entsteht durch Anpassung und Optimierung. |
Nein, er kann ja z.B. auch auf das Gegenteil ausgerichtet werden. Manchmal ist es besser aus einem System auszubrechen. Die Evolution hat hier sicherlich zahlreiche Beispiele parat, wo Anpassung und Optimierung Sinn macht, aber der Sinn eben nicht erst dadurch ensteht. Ich würde eher den Begriff "Voraussetzung" statt "Sinn" verwenden. Dann würden Deine Aussagen alle viel besser passen.
Vielleicht hilft die Erweiterung des Begriff System um das Wort autopoietisch weiter. Also sprechen wir über autopoietische Systeme:
"Maturana beobachtete das Nervensystem unter der Leitdifferenz von System und Umwelt. Lebendige Systeme (Organismen) bezeichnete er als "autopoietische Systeme", d.h. das System hat die Fähigkeit sich selbst zu erzeugen und zu erhalten. Weiterhin arbeiten autopoietische Systeme selbstrefferentiell, d.h. sie verarbeiten nur - und ausschließlich - systeminterne Operationen, mit Hilfe derer eine Umwelt projeziert wird. Die Umwelt dringt somit nicht über die Sinne in den Verstand, sondern wir konstruieren die Umwelt zuerst in "unserem Kopf" und projezieren sie anschließend nach "Außen".
Weiter sagt Maturana, daß lebendige System operational geschlossen und energetisch offen sind. Energetisch offen, da ein Energieaustausch zwischen dem System und Umwelt - z.B. über Nahrung und Wärme - etc. stattfinden kann.
Autopoietische Systeme sind hochspezialisiert und weisen eine "strukturelle Kopplung" mit ihrer Umwelt auf. Strukturell gekoppelt meint, daß das System eine spezifische Beziehung zwischen sich selbst und der Umwelt herstellen kann - man denke an das Beispiel des Mikrofons in dem U-Boot. Strukturell gekoppelte Systeme sind aufeinander angewiesen, d.h. das autopoietische System - oder der lebende Organismus - ist nicht autark bezüglich seiner Umwelt - sondern operiert nur autonom. Die strukturelle Kopplung erlaubt es dem System sich von seiner Umwelt "irritieren" zu lassen - was es aus dieser Irritation macht, wird jedoch systemintern entschieden.
Ein autopoietisches System muß sich in der Evolution bewähren, damit es sich weiter reproduzieren kann, was besagt, daß die strukturelle Kopplung des Systems mit seiner so gut funktionieren muß, das es Irritationen liefert, die das System für die Aufrechterhaltung seiner eigenen Operationen benötigt. Ist die strukturelle Kopplung oder Anpassungsfähigkeit des Systems an seine Umwelt zu speziell, wird es bei größeren Veränderungen der Umwelt sterben.
Jedes autopoietische System kann zwischen sich selbst und seiner Umwelt unterscheiden - Selbst- und Fremdreferenz. Dies trifft selbst auf eine Amöbe zu, die sich - z.B. bei der Nahrungsaufnahme - nicht selbst frißt, sondern "äußere" Nahrungsquellen verarbeitet. Luhmann sagt daher zurecht, daß organische autopoietische Systeme "Einrichtungen des Körpers zur Selbstbeobachtung" sind.
Doch damit nicht genung: Luhmann greift den Grundgedanken Maturanas - als Leitdifferenz der Beobachtung zwischen System und Umwelt zu unterscheiden - auf und sucht nach weiteren Systemen, die ebenfalls autopoietisch operieren. Die typische Frage des systemischen Denkens ist die "Wie-geschieht-X?-Frage".
Hierbei entdeckt er zwei weitere Systeme, die nach demselben Prinzip funktionieren, wie der Organismus - das psychische System und soziale System (Gesellschaft)."
Quelle:
http://www.philognosie.net/index.php/article/articleview/348/3/
Wonko der Verständige hat folgendes geschrieben: | Systeme sind aus sich selbst heraus sinnstiftend. |
Genau. Deshalb ist die Frage nach Sinn eben subjektiv, nicht zu verallgemeinern und nichts was objektiv zu beurteilen wäre. Eigentlich könnte man "agnostisch" sagen: es macht keinen Sinn, nach Sinn zu suchen, es sei denn für sich selbst, aus der Wahrnehmung heraus und wenn der Sinn in die Konstruktion der eigenen Wirklichkeit integrierbar ist. Denn der Sinn wird niemals für alle verbindlich und objektiv sein. Es gibt vielleicht keine richtige Antwort. Und wenn eine Antwort nicht möglich ist, dann ist eine Frage unsinnig. Radikalkonstruktivistisch betrachtet gibt es keine vom Beobachter unabhängige Wirklichkeit, wir konstruieren uns unsere Wirklichkeit selbst. Alle Sinnfragen sind also: Relativ. Sinn ist relativ.
_________________ "Geisteskrank den eignen Namen sagen: Ich ich ich ich denke also bin ich - Bin ich nicht! Ich ist geisteskrank. Und kauf mir was." (Peter Licht)
Zuletzt bearbeitet von Konstrukt am 06.06.2007, 16:05, insgesamt 2-mal bearbeitet |
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göttertod Atheist und Zweifelsäer
Anmeldungsdatum: 20.08.2004 Beiträge: 1565
Wohnort: Freiburg
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(#740145) Verfasst am: 06.06.2007, 16:03 Titel: |
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Hallo zusammen,
Was mir gerade zu Sinn einfällt, ist folgendes:
Zitat: | Was ist der Beweis dafür, daß die möglichen praktischen Folgen eines Begriffes die Gesamtsumme des Begriffs konstituieren?
Das Argument, auf dem die Maxime meiner ursprünglichen Schrift beruhte, war, daß Überzeugung vor allem darin besteht, daß man bewußt bereit ist, die Formel, an die geglaubt wird, als den Führer zur Handlung zu wählen. Wenn das in Wahrheit die Natur der Überzeugung ist, dann kann zweifellos der geglaubte Satz selbst nichts anderes als eine Maxime der Lebensführung sein. Das ist, glaube ich , ganz evident. |
(natürlich geht es nach dem Zitat noch viel tiefer ins Detail.. mit Halbthesen, Modifikationen, Definitionen und Fragen zum Thema)
aus "Vorlesung über Pragmatismus" von Charles Sanders Peirce (bin gerade im ersten Drittel)
hat das einer gelesen??
Ich schreibe absichtlich nicht was ich mir beim Posten gedacht habe.., denn könnt ihr mit dem Zitierten etwas anfangen, wenn ihr an Sinn denkt?
_________________ auf dass die Bücher von "Iain Banks" Wirklichkeit werden
The Jimmy Dore Show
jede Tradition ist es wert sich an sie zu erinnern, aber nicht jede Tradition ist es wert gelebt zu werden
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Argáiþ dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 27.01.2007 Beiträge: 12486
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(#740195) Verfasst am: 06.06.2007, 17:15 Titel: |
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Ich möchte das Thema, bzw die Diskussion nicht banalisieren (ich finde den eröffnenden Beitrag übrigens interessant), ich sehe aber wirklich kein echtes Problem in Bezug auf den Begriff 'Sinn'.
Mir scheint, dass in dieser Diskussion zum Einen die zugehörigen Begrifflichkeiten etwas einseitig beleuchtet werden und zum Anderen Definitionsprobleme hier künstlich generiert werden, um das Thema aus irgendwlechen Gründen aufzublähen.
'Sinnvoll' ist nicht nur notwendigerweise etwas, das in irgend einem Sinne zielführend ist, sondern - und das ist gleichsam eine Verallgemeinerung - eine Theorie, die eine Mustererkennung ermöglicht, also einen Analyseversuch zum Erfolg führt, wie zB die These zu einem bestimmten Wort, die die Übersetzung eines Satzes ermöglicht, so dass er ein erkennbares Muster ergibt.
Es geht also allgemein um Strukturerkennung und speziell um Problemlösung. So ergibt einfach jede Entscheidung im Rahmen einer Problemlösung 'Sinn', wenn sie zur Problemlösung beiträgt.
Eine Problemstellung muss natürlich erst als erkannt und definitiv vorausgesetzt werden, um Planungen und Aktionen als sinnvoll oder nicht sinnvoll bewerten zu können. Andererseits und das ist weniger trivial, sind Aktionen nicht zwingend sinnlos, wenn keine definitive Problemstellung vorhanden ist, da hier, sozusagen also umgekehrt schliessend, ebenfalls kein 'Sinnkriterium' überprüft werden kann. Daher sind zum Beispiel Fragen, wie die nach dem Sinn des Lebens, nicht unbedingt sinnlos, wenn unbekannt ist, zu welchem Ziel das Leben führen soll. Wenn man das Leben als Selbstzweck voraussetzt, dazu dienend den Erhalt des Lebens fortzusetzen, dann sind alle Planungen und Handlungen, die dieses Ziel unterstützen, eben sinnvoll.
Wenn man den Begriff 'Leben' systemtheoretisch zu 'selbstorganisierendes komplexes System' generalisiert, dann sind alle Abläufe, die dem komplexen Teil dieses Systems zugeordnet werden können (solche System sind immer offen, ich versuche sprachlich zu vermeiden, zB die gesamte Welt miteinzubeziehen, die einen Organismus umgibt), genau dann 'sinnvoll' wenn die Fortexistenz dieses Systems als Zielsetzung vorausgesetzt ist und entsprechende Abläufe diese Zielsetzung unterstützen.
Zuletzt bearbeitet von Argáiþ am 06.06.2007, 17:32, insgesamt einmal bearbeitet |
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Einsiedler registrierter User
Anmeldungsdatum: 01.03.2007 Beiträge: 1435
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(#740200) Verfasst am: 06.06.2007, 17:25 Titel: Re: Sinnforschung aus Sicht der Strukturwissenschaften |
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zelig hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Und genau dies können auch andere Organismen als nur der Mensch. Aber nicht nur das, es gibt sogar abergläubische Tiere! |
Welche? Würde mich intressieren. |
Zum Beispiel Tauben (vermutlich aber so ziemlich alle "höheren" Tiere). B. F. Skinner hat bereits 1948 ein Experiment
durchgeführt, bei dem er Tauben in einen Käfig sperrte, denen unabhängig von ihrem Verhalten alle 15 Sekunden Futter
gegeben wurde. Die Tauben entwickelten daraufhin bestimmte Verhaltensmuster; das, was sie gerade bei einer Futtergabe
machten (ein Bein heben, irgendwo picken, ...), wiederholten sie - in der Hoffnung, damit eine erneute Futterzufuhr zu
bewirken. Da sie damit scheinbar tatsächlich hin und wieder Erfolg hatten, verstärkte sich dieses Verhalten.
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kolja der Typ im Maschinenraum

Anmeldungsdatum: 02.12.2004 Beiträge: 16631
Wohnort: NRW
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(#740210) Verfasst am: 06.06.2007, 17:46 Titel: |
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Semnon hat folgendes geschrieben: | Wenn man das Leben als Selbstzweck voraussetzt [...] |
Auch das wäre nur eine von Dir persönlich vorgenommene (Ziel)Setzung.
_________________ Hard work often pays off after time, but laziness always pays off now.
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Argáiþ dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 27.01.2007 Beiträge: 12486
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(#740212) Verfasst am: 06.06.2007, 17:57 Titel: |
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kolja hat folgendes geschrieben: | Semnon hat folgendes geschrieben: | Wenn man das Leben als Selbstzweck voraussetzt [...] |
Aber auch das wäre nur eine von Dir persönlich vorgenommene (Ziel)Setzung. |
Ja, deshalb habe ich das auch mit 'vorausgesetzt' betont. Sicher sind Zielsetzungen Vorgaben oder Notwendigkeiten (die meisten wollen ja möglichst lange leben), die im Zusammenhang mit konkreten Planungen oder Handlungen ein erkennbares Muster ergeben. Letzteres ist mE der eigentlich relevante Teil.
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#740485) Verfasst am: 06.06.2007, 23:53 Titel: Re: Sinnforschung aus Sicht der Strukturwissenschaften |
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Hi zelig!
zelig hat folgendes geschrieben: |
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
Dein "Reisender" ist zuallererst ein Subjekt!
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Oh ja. Nie würde ich was anderes behaupten.
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Gut. Ich wollte hier nur sicher gehen, dass Du auch keinen Unsinn im Sinn hast ... .
zelig hat folgendes geschrieben: |
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
Besser, Dir ist klar, was der Löwe im "Sinn!" hat - ist er nun satt oder ist er hungrig? Und weiters ist es besser, bei der Beantwortung dieser Frage etwas zu übersteuern und ein klein wenig übervorsichtig zu sein.
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Ja. Allerdings ist das wohl eine andere Bedeutung von Sinn, wenn es das sein soll, was eine Absicht enthält. Es steht für etwas Verborgenes. Ähm... vielleicht doch nicht so weit entfernt, es scheint immer was Verborgenes zu sein (auch beim Weg), über das man nur indirekt Informationen erhält. Ist es das, was Du meinst? Ich versteh Dich nicht. : (
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Die Frage nach dem Sinn des Lebens etc. ist ein Anthropozentrismus. Etwas im Sinne haben ist ein Synonym für eine Absicht. Wenn Du also planst, eine Reise zu unternehmen, so spekulierst Du darauf, einen gewissen Zustand ändern zu können und beabsichtigst - sprich: willst - dies dann auch. Der Nützlichkeitsaspekt ist hier offenkundig: Absichten zu haben, bedeutet, in meinem Sinne etwas zu bewirken. Wenn ich nun zu dergleichen Leistungen fähig bin, ist es auch nicht mehr weit, per Emphatie zu versuchen, die Absichten von Anderen herauszufinden: Was macht für mich Sinn? - Was macht für Dich Sinn? - Was macht für uns Sinn? Der böse Stuhl hat mir wehgetan ... . So lässt sich leicht auf die Vorstellung eines Donnergotts kommen, der mich mit seinem zornigen Donnern erschreckt und mich damit daran erinnern will, aus Gründen der Loyalität Menschenopfer darzubringen ... .
zelig hat folgendes geschrieben: |
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
Und genau dies können auch andere Organismen als nur der Mensch. Aber nicht nur das, es gibt sogar abergläubische Tiere!
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Welche? Würde mich intressieren.
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Da das Beispiel der Tauben schon genannt wurden: Würden Tauben wesentlich klüger werden können, so würden sie dann zweifellos an ihre Taubengötter glauben. Würden sie nun noch wesentlich klüger werden können, so wären sie Atheisten ... .
zelig hat folgendes geschrieben: |
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Übrigens: Welche Sinnfrage kann sich denn ein Gott für sich selbst stellen?
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Da sie selber schlichtweg der Gesamtzusammenhang wäre, läge auch jeglicher Sinn in ihr.
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Stimmt. Aber was ist nun Dein "Gesamtzusammenhang"?
zelig hat folgendes geschrieben: |
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Das nenne ich mal ein Ebenbild: Gott ist – wie ich auch – Atheist … .
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Ich schätze, sie wäre Agnostiker: Gibt es Lamarck?
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Jedenfalls soll sie keinen anderen Lamarck neben sich haben ... .
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)
„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
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Einsiedler registrierter User
Anmeldungsdatum: 01.03.2007 Beiträge: 1435
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(#740583) Verfasst am: 07.06.2007, 09:04 Titel: Re: Sinnforschung aus Sicht der Strukturwissenschaften |
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Lamarck hat folgendes geschrieben: | Würden Tauben wesentlich klüger werden können, so würden sie dann zweifellos an ihre Taubengötter glauben. Würden sie nun noch wesentlich klüger werden können, so wären sie Atheisten ... . |
Und das ohne Smiley. Au weia!
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zelig Kultürlich
Anmeldungsdatum: 31.03.2004 Beiträge: 25405
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(#740652) Verfasst am: 07.06.2007, 11:25 Titel: Re: Sinnforschung aus Sicht der Strukturwissenschaften |
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Hallo Lamarck.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Da das Beispiel der Tauben schon genannt wurden: Würden Tauben wesentlich klüger werden können, so würden sie dann zweifellos an ihre Taubengötter glauben. Würden sie nun noch wesentlich klüger werden können, so wären sie Atheisten ... . |
Würden Tauben weise, sie könnten womöglich über dies Bemerkung lächeln. ; )
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
zelig hat folgendes geschrieben: |
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Übrigens: Welche Sinnfrage kann sich denn ein Gott für sich selbst stellen?
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Da sie selber schlichtweg der Gesamtzusammenhang wäre, läge auch jeglicher Sinn in ihr.
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Stimmt. Aber was ist nun Dein "Gesamtzusammenhang"? |
Alleine schon der Versuch, das zu beschreiben, muss lächerlich wirken. Dies in einer Sprache, deren Begrifflichkeit ein Naturalist akzeptieren könnte, wohl unmöglich. Ich mach mich trotzdem mal zum Gespött (nach beiden Seiten): Der Gesamtzusammenhang ist die Menge aller Relationen. Möglicherweise bedeutet dies die Aufhebung der Relationalität selber. Unser Geist ist prinzipiell nur in der Lage, den Bruchteil aller Relationen zu erfassen.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | zelig hat folgendes geschrieben: |
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Das nenne ich mal ein Ebenbild: Gott ist – wie ich auch – Atheist … . | Ich schätze, sie wäre Agnostiker: Gibt es Lamarck?
:)
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Jedenfalls soll sie keinen anderen Lamarck neben sich haben ... . |
Das wünschen sich wohl die meisten. Wäre ich unvorsichtig genug, würde ich behaupten, daß es darum geht, in seiner Einzigartigkeit (an)erkannt zu werden. Wir sind eifersüchtig, ein allzu menschlicher Gott wäre eifersüchtig...
_________________ Es gibt kein richtiges Leben im falschen.
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Wonko der Verständige registrierter User
Anmeldungsdatum: 03.06.2007 Beiträge: 10
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(#741837) Verfasst am: 08.06.2007, 23:44 Titel: |
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Hallo zusammen,
danke für die zahlreichen Antworten! Hab’ dadurch bereits einige wertvolle Inspirationen erhallten. Besonders überrascht hat mich die Vermutung, dass Sinn etwas mit vögeln ... ähm ... Vögeln zu tun haben könnte. Da muß ich mal drüber nachdenken!
Eines ist mir aber zunächst besonders aufgefallen. Sinn wird hier oft als der Sinn betrachtet, den ein Bewusstsein modelliert. Ich würde daher gerne zwei ‚Sinnarten’ grundsätzlich unterscheiden: zum einen den vom Bewusstsein konstruierten Sinn und den ‚realen’ Sinn eines Systems.
Beim Beispiel einer Reise wäre der konstruierte Sinn die Vorstellung der Reise im Bewusstsein und der reale Sinn dann die ‚echte’ Fortbewegung von A nach B.
Diese Unterscheidung ist systemtheoretisch notwendig, denn sonst würden Systeme ohne Bewusstsein, wie z. B. Bakterien oder ballistische Flugobjekte keinen Sinn besitzen. Trotzdem vermehren sich auch Bakterien, und sind um ihre Selbsterhaltung bemüht. Und auch ballistische Flugkörper erreichen bei präzisem Abschuss (meist) ihr Ziel. Hm, ... apropos Ziel ...
Zelig hat geschrieben: „Der Reisende will ein Ziel erreichen.“
Ja, genau! Das Thema Ziel ist ein ganz zentraler Punkt in der Definition und der abstrakten Beschreibung von Sinn. Eine Relation ist zunächst nur eine Verbindung von zwei Elementen. Sinn ist jedoch eine gerichtete Verbindung, wie bereits die Sinn-Begriffsdefinition der ‚Orientierung’ nahe legt. Bildlich würde ich mir Sinn als einen Pfeil darstellen, der von einem Startpunkt aus auf ein Ziel verweist – ähnlich wie ein Zeiger in der Informatik auf einen bestimmten Speicherplatz verweist (oder wie beim Navi der Pfeil mit der freundlichen Frauenstimme „an der nächsten Kreuzung bitte rechts abbiegen“ ).
Semnon hat geschrieben: „Wenn man das Leben als Selbstzweck voraussetzt, dazu dienend den Erhalt des Lebens fortzusetzen, dann sind alle Planungen und Handlungen, die dieses Ziel unterstützen, eben sinnvoll. „
Das sehe ich auch so.
„Auch kann „man den Begriff 'Leben' systemtheoretisch zu 'selbstorganisierendes komplexes System' „ generalisieren. „Es geht also allgemein um ... Problemlösung. So ergibt einfach jede Entscheidung im Rahmen einer Problemlösung 'Sinn', wenn sie zur Problemlösung beiträgt.“
DAS finde ich sehr interessant!
Apropos Probleme: Zum Sinn fallen mir da zwei grundsätzliche Problemarten ein. Zum einem operativ auf der Reise, wenn z. B. ein umgefallener Baumstamm den Weg versperrt, und zum zweiten beim Verlust der Orientierung auf der Reise. Beides kann zum scheitern am Sinn bzw. am Erreichen eines Ziels führen.
(Das war jetzt hier mal ein kleiner Beitrag für alle Dekonstruktivisten unter uns )
Zelig fragte, ob es Sinn macht, Sinn als „einen Versuch, eine Sache in einen größeren Zusammenhang einzubetten“ zu bezeichnen.
Hm, ... ich würde sagen, dass kommt darauf an, welches Ziel man damit verfolgt und was man unter ‚größerem Zusammenhang’ versteht.
Nach Zelig ist „der Gesamtzusammenhang die Menge aller Relationen. Möglicherweise bedeutet dies die Aufhebung der Relationalität selber.“
Interessanter Gedanke. Die Menge aller Relationen wären dann kosmologisch betrachtet ja sämtliche Wechselwirkungen des Universums. Warum dies jedoch die Aufhebung der Relationalität bedeuten soll, ist mir nicht so klar. Es sei denn, man versucht über den Gesamtzusammenhang hinaus, quasi außerhalb des Systems, noch einen ‚Über-Sinn’ zu finden. Dies ist z. B. nach den Modellen von Luhmann grundsätzlich nicht möglich, da außerhalb von Systemen kein Sinn existieren kann (umgekehrt jedoch in jedem System ein Sinn existieren muß).
Da aber jedes System teilweise auch ein offenes System ist, würde ich Systemtranszendenzen durchaus als Chance sehen, den Sinn eines Systems auch über sich selbst hinauszuheben. Hm, ... *grübel*
Eine weitere interessante Geschichte ist das Thema Einbettung. Das wird mich jedoch wohl noch eine ganze Weile beschäftigen (und zwar nicht nur in Bezug auf meine Freundin ). Denn eingebettete Systeme (engl. ‚embedded systems’) sind wichtige Elemente von komplexen Systemen.
@Konstrukt
Danke für das Stichwort der Autopoiese!
Autopoiese und auch dissipative Strukturen sind fundamentale strukturbildende Mechanismen der Strukturwissenschaften. Sie heben die Eigenschaft von komplexen Systemen hervor, aus sich selbst heraus (also intrinsisch) Strukturen hervorzubringen. Auch der vom Bewusstsein konstruierte Sinn gehört meiner Meinung nach dazu. Du hast gefragt: „Ist Sinn nicht immer nur eine Frage subjektiver Interpretation?“ Ich würde sagen nein, bis eben auf genau denjenigen Sinn, der von einem Bewusstsein konstruiert wurde.
„Ein Existenzgrund ist doch zudem auch bereits ein Sinn?“ Nicht direkt. Der Existenzgrund eines Systems führt in der Systemtheorie erst zu Sinn. Beispiel: Ein Auto soll Personen von A nach B bringen. Der Existenzgrund ist hier der Warentransport. Die einzelnen Reisen des Autos wären dann der jeweilige (dynamische) Sinn.
„Die Selbsterhaltung kann bereits als Sinn betrachtet werden“. Nein, der Wunsch zur Selbsterhaltung führt erst zu Aktionen, die dann (hoffentlich) irgendwie sinnvoll sind und Sinn hervorbringen.
Zum Thema Anpassung: ja, auch das Ausbrechen aus ‚eingefahrenen Gleisen’ oder Systemen kann sinnvoll sein, unterstreicht jedoch nur das Wesen der Anpassung, denn Anpassung ist immer eine Reaktion auf Bedingungen, mit denen ein Lebewesen auf ‚normalem’ Weg (Sinn) nicht klarkommt.
Mit der Sinnstiftung sind wir uns wohl einig! Ja, Sinn ist (auch) subjektiv, und ja, subjektiver Sinn ist relativ (der Spruch könnte glatt von mir sein! ).
Ich überlege mir übrigens gerade, ob relative Relationen auch bei Lichtgeschwindigkeit noch funktionieren, oder ob sie dann den Raum krümmen!
Gruß,
Wonko der Verständige
P. S.: Auch dieser Thread befindet sich wohl irgendwie auf einer Reise, und auch dieser Thread ringt irgendwie um seine Orientierung .... hm, möge der Sinn mit uns sein!
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Wonko der Verständige registrierter User
Anmeldungsdatum: 03.06.2007 Beiträge: 10
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(#742184) Verfasst am: 09.06.2007, 12:59 Titel: |
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Hallo zusammen,
ich bin es nochmal 'kurz'.
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal etwas zu ‚objektiven Sinn’ sagen. Dieser Sinn beschreibt im systemtheoretischen Modell den Weg, den komplexe Systeme nehmen. Kosmologisch betrachtet handelt es sich daher gleichsam um ‚die Reise des Universums’.
Bei der wissenschaftlichen Beschreibung dieser ‚Reise’ hat sich das Theoriemodell der Evolution als bislang mächtigstes Werkzeug durchgesetzt. Das Zitat des berühmten Genetikers T. Dobzhansky macht dies deutlich: "Nichts in der Biologie hat einen Sinn, außer im Licht der Evolution". Diese Auffassung unterstreichen alle führenden Biologen. Sie sagen, dass es keine wissenschaftliche Alternative zur Evolutionstheorie beim dem Erkennen irgendeines Sinns gibt. Und nicht nur biologisch gilt die Evolutionstheorie, sondern auch in der Physik, der Chemie und der Kosmologie. Alle Objekte dieser Welt sind das Ergebnis einer Evolution – und zwar einer, die noch lange nicht abgeschlossen ist.
Problematisch erscheint nun aber die Einbindung von Zielen. Die Evolutionstheorie hat sich erfolgreich gegen eine teleologische Weltbeschreibung erwehren können. Eine der zentralsten Aussagen der Evolutionstheorie ist ja, dass es keine zielgerichtete Entwicklung gibt.
Wir stehen nun daher zunächst vor dem Dilemma, dass die Evolutionstheorie unserer Weltmodellierung zwar einen Sinn verpasst, aber gleichzeitig einen Sinn über ein Ziel ablehnt. Doch Sinn ohne Ziel ist in der Systemtheorie und der Kybernetik nicht einmal ansatzweise modellierbar. Eine unlösbare Aufgabe? Ich glaube nicht.
Zunächst bedarf die anti-teleologische Haltung der Evolutionstheorie meiner Meinung nach einer weiterführenden Erklärung. Sie wendet sich damit zum einen gegen eine abstrakte philosophische Teleologie, in der z. B. ‚Das Gute’ als Endziel angestrebt wird, und zum anderen vor allem gegen eine auf ein Endziel ausgerichtete biologische Teleologie, die dann z. B. den Menschen als ‚höchste’ Form der Evolution darstellt, auf den die Evolution bereits von Anfang an ausgerichtet war. Dies ist in der Tat nach den heutigen Erkenntnissen und auch meiner Meinung nach völliger Humbug.
Dennoch darf die Sinnfrage damit nicht gleich mit dem Bade ausgekippt werden, indem man sich nun auf eine allgemeine Sinnlosigkeit zurückzieht, und mit einem müden Lächeln verkündet, dass man sich ja zumindest den Sinn noch irgendwie ‚einbilden’ kann.
In der Sinnfrage kommen wir meiner Meinung nach nur dann modellbildend voran, wenn wir denn Sinn und auch die Ziele diskretisieren. Ich meine damit eine Art ‚Quantenphysik’ des Sinns. Statt eines großen Endsinns oder eines Endziels gibt es dann dort lediglich Teilziele und einzelne Sinn-Fragmente. Sinn besitzt für mich daher eine fraktale Struktur.
Der große Vorteil dieser Modellbildung liegt in der Vermeidung einer klassischen Teleologie unter gleichzeitiger Beibehaltung der Modellfähigkeit inklusive der fundamental wichtigen Begriffe von Ziel und Sinn. Denn wer eine Welt systemtheoretisch ohne Ziele und Sinn beschreiben möchte, der kann auch gleich ganz darauf verzichten, überhaupt irgendeine Aussage über die Welt zu treffen – vor allem eine, die einen Sinn ergibt. Dies widerspricht jedoch dem Gedanken des Humanismus und der Aufklärung. Was wir brauchen ist keine sinnlose Beliebigkeit, genauso wenig wie man den Sinn ganz einfach ‚wegdiskutieren’ kann und darf.
Trotzdem ist die systemtheoretische Beschäftigung mit der Sinnfrage ein schwieriges Unterfangen. Ich will da niemandem Hoffnung auf eine einfache Lösung machen, etwa im sinne der einfachen Antwort ‚42’. Aber auch die Theorie der Evolution ist eine komplexe Theorie (z. B. ersetzt sie den Determinismus durch Wechselwirkungen – ähnlich wie in der Physik).
Die Sinnfrage enthält in ihrem Kern systemtheoretisch die Frage nach der Logik – und beschwört hierbei meiner Meinung nach einige ‚logische Monster’ herauf. Na ja, dem Sinnforscher bleibt halt nichts erspart.
Die anspruchsvolle Aufgabe lautet dabei in etwa wie folgt: Wie entwickelt man eine Sinn-Theorie, die zwar Ziele kennt, jedoch bei welcher der Sinn nicht einem vorgegebenen Endziel folgt, sondern der Sinn quasi aus sich selbst - also irgendwie zufällig - hervorgeht?
Meiner Meinung nach müssen dazu ganz massiv die Theoriemodelle der Kybernetik (insbesondere die des Regelkreises) und der nichtklassischen Logiken angewandt werden. Die klassische Logik mit ihren Wahrheitstabellen und den Begriffen ‚wahr’ und ‚falsch’ sind in einem Sinnmodell zwar nicht überflüssig, aber werden hier jedoch stark relativiert. Wer ‚die Wahrheit’ sucht, kann sich vom Sinn meiner Meinung nach auch gleich von vornherein verabschieden. Das funktioniert so nicht. Ich halte von Verlust einer absoluten logischen Wahrheit jedoch für vertretbar bzw. sogar logisch für unverzichtbar.
Da blutet dem Wahrheitsfanatiker zwar das Herz – aber irgendwas ist ja immer, oder? Außerdem: wahr und falsch als absoluten Wert brauchen doch eh nur Paranoiker – nicht aber aufgeklärte Humanisten, oder?
Gruß,
Wonko der Verständige
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