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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#798299) Verfasst am: 22.08.2007, 16:26 Titel: |
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@Sokrateer, Du kannst natürlich "Schuld" als Begiff auch ohne freien Willen verwenden, wenn Du es hinreichend hinbiegst. Vielleicht ist das sogar auf den ersten Blick ganz praktisch. Aber mich interessiert viel mehr, ob - und wenn ja mit welcher Begründung - Du eine vergeltende Bestrafung befürwortest, also eine "institutionalisierte Rache", eine Bestrafung über die Aspekte des Wiederholungsschutzes und der Abschreckung hinaus.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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kolja der Typ im Maschinenraum

Anmeldungsdatum: 02.12.2004 Beiträge: 16631
Wohnort: NRW
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(#798309) Verfasst am: 22.08.2007, 16:43 Titel: |
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kolja hat folgendes geschrieben: | Nein. Moral, Ethik, Normen usw. sind faktisch wirksam, weil sie von der Mehrheit gewollt werden. |
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Genauso wie Vergewaltigungen von Vergewaltigern gewollt werden. |
Ich hab' die relevante Stelle nochmal für Dich markiert. Wenn Du allerdings nicht der Meinung bist, dass Werte und Normen letztlich auf gesellschaftlichem Konsens beruhen, dann wäre es nun an Dir zu begründen, worauf sonst sie denn beruhen.
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Wenn wir Begriffe benutzen, dann sollten sie möglichst so benutzt werden, wie sie verstanden werden, es sei denn man hat wirklich triftige Gründe für eine Begriffsveränderung. |
Sicher. Ich plädiere doch gerade dafür, den Begriff "freier Wille" so zu verwenden, wie ihn die meisten verstehen. Deine ganze Argumentation diesbezüglich nutzt doch nur die Tatsache aus, dass es mit Alltagsbegriffen mühsam ist, den Unterschied zwischen verschiedenen Auffassungen des freien Willens herauszuarbeiten. Daraus folgt aber nicht, dass dieser Unterschied irrelevant wäre oder dass diese verschiedenen Auffassungen nicht vorhanden wären. Statt Sprachspielchen zu betreiben könntest Du mal auf step's Formulierung der Gretchenfrage antworten.
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | [...] Letztlich müssen wir eine Bezeichnung für denjenigen haben, der den Fußgänger achtlos überfahren hat um ihn von aufmerksam Fahrenden und den Opfern zu unterscheiden. Ich nenne ihn "schuldig" und finde nichts dabei. |
Du hast meinen wesentlichen Punkt ignoriert, nämlich den, dass Schuld an sich nicht mehr als Legitimation für Konsequenzen taugt. Also muss eine Diskussion die Ziele und Zwecke des Strafrechts einbeziehen.
_________________ Hard work often pays off after time, but laziness always pays off now.
Zuletzt bearbeitet von kolja am 22.08.2007, 16:45, insgesamt einmal bearbeitet |
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Blanka Xenophrasologiepreisträgerin 2007
Anmeldungsdatum: 22.09.2006 Beiträge: 1243
Wohnort: München
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(#798312) Verfasst am: 22.08.2007, 16:44 Titel: |
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wenn der mensch soweit ist sich nicht mehr der rache hinzugeben haben sich die allermeisten probleme übe die hier geredet wird sowieso erledigt. aber der bäcker backt das brot für den der es essen soll... und dei justiz handelt für die welche diejenigen wählen die dann die justiz machen. ohne rache wird es wohl niemals gehen solange die mehrheit immernoch an rachegötter glaubt.
_________________ Am zweifelfreisten frei von Zweifeln sind stets die Verzweifelten !
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Sokrateer souverän
Anmeldungsdatum: 05.09.2003 Beiträge: 11649
Wohnort: Wien
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(#798322) Verfasst am: 22.08.2007, 17:06 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | @Sokrateer, Du kannst natürlich "Schuld" als Begiff auch ohne freien Willen verwenden, wenn Du es hinreichend hinbiegst. Vielleicht ist das sogar auf den ersten Blick ganz praktisch. Aber mich interessiert viel mehr, ob - und wenn ja mit welcher Begründung - Du eine vergeltende Bestrafung befürwortest, also eine "institutionalisierte Rache", eine Bestrafung über die Aspekte des Wiederholungsschutzes und der Abschreckung hinaus. |
Nach meiner Definition gibt es ja den freien Willen definitiv und die Abschreckung ist auch der Grund für die Strafe.
Du vermischt hier mehrere Positionen, die zugegebenermaßen in dieser Diskussion leicht durcheinanderkommen können:
- Christlich-religiös: freier Wille, plus Schuld und Strafe/Sühne als metaphyische Ideen
- kolja-Wuketits: unfreier Wille, keine Schuld, inkonsistentes Allerlei ....
- Ich: naturalistisch-pragmatischer freier Wille, humanistischer Schuldbegriff, Strafe als utilitaristische Abschreckung
kolja hat folgendes geschrieben: | kolja hat folgendes geschrieben: | Nein. Moral, Ethik, Normen usw. sind faktisch wirksam, weil sie von der Mehrheit gewollt werden. |
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Genauso wie Vergewaltigungen von Vergewaltigern gewollt werden. |
Ich hab' die relevante Stelle nochmal für Dich markiert. Wenn Du allerdings nicht der Meinung bist, dass Werte und Normen letztlich auf gesellschaftlichem Konsens beruhen, dann wäre es nun an Dir zu begründen, worauf sonst sie denn beruhen. |
Das ist ein anderes Thema.
Ich will auf etwas anderes hinaus. Die ethische Güterabwägung des Vergewaltigers zugunsten der Vergewaltigung wurde von Wuketits als relevantes Beispiel für konkrete Implikationen des unfreien Willens und der Ablehnung des Schuldbegriffs gebracht.
Da der Vergewaltiger nicht frei entscheidet, wird seine Güterabwägung als irrelevant betrachtet.
Genauso müssen aber dann auch die Güterabwägungen der anderen Mitglieder der Gesellschaft abgetan werden, ob es da Mehrheiten gibt, oder nicht.
Im Übrigen galt Vergewaltigung in der Ehe bis vor kurzem in Deutschland noch als straffrei und früher war für die Mehrheit so etwas, wie eine Vergewaltigung in der Ehe gar nicht konzeptionell vorstellbar, obwohl es freilich häufig unter dem Titel "eheliche Pflichten" geschah. In rückschrittlichen Ländern ist das immer noch so. Und die Vergewaltigung von Sklaven wurde in der Antike auch von einer Mehrheit unterstützt.
kolja hat folgendes geschrieben: |
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Wenn wir Begriffe benutzen, dann sollten sie möglichst so benutzt werden, wie sie verstanden werden, es sei denn man hat wirklich triftige Gründe für eine Begriffsveränderung. |
Sicher. Ich plädiere doch gerade dafür, den Begriff "freier Wille" so zu verwenden, wie ihn die meisten verstehen. |
Und ich bin nun mal der Ansicht, dass meine Defintion dem Verständnis der Leute näher kommt.
kolja hat folgendes geschrieben: | Daraus folgt aber nicht, dass dieser Unterschied irrelevant wäre oder dass diese verschiedenen Auffassungen nicht vorhanden wären. |
Meine Auffassung entspricht meiner Meinung nach nicht nur der intuitiven Auffassung, sondern ist auch praktikabler.
Deiner Meinung nach ist der freie Wille eine Konstante. Der Wille ist immer und überall unfrei. Damit wird der Begriff aber auch zu einer bedeutungslosen Konstante. Das will ich ja auch mit der Gegenüberstellung des Vergewaltigers und der Gesellschaft aufzeigen. Auf einen unfreien Willen können sich immer alle ausreden. Alle Konsequenzen, die sich für manche auf den ersten Blick daraus ergeben, löschen sich bei sorgfältiger Betrachtung gegenseitig aus.
kolja hat folgendes geschrieben: |
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | [...] Letztlich müssen wir eine Bezeichnung für denjenigen haben, der den Fußgänger achtlos überfahren hat um ihn von aufmerksam Fahrenden und den Opfern zu unterscheiden. Ich nenne ihn "schuldig" und finde nichts dabei. |
Du hast meinen wesentlichen Punkt ignoriert, nämlich den, dass Schuld an sich nicht mehr als Legitimation für Konsequenzen taugt. Also muss eine Diskussion die Ziele und Zwecke des Strafrechts einbeziehen. |
Wieso? Klarerweise muss man denjenigen bestrafen/ermahnen, der schuldig ist und nicht etwa die Opfer oder die rechtschaffenden Mitglieder der Gesellschaft um damit zu bewirken, dass er und andere sich in ähnlichen (nicht exakt identischen) Situationen hinkünftig dagegen entscheiden, sich schuldig zumachen.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#798338) Verfasst am: 22.08.2007, 17:37 Titel: |
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Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Du vermischt hier mehrere Positionen, die zugegebenermaßen in dieser Diskussion leicht durcheinanderkommen können:
- Christlich-religiös: freier Wille, plus Schuld und Strafe/Sühne als metaphyische Ideen
- kolja-Wuketits: unfreier Wille, keine Schuld, inkonsistentes Allerlei ....
- Ich: naturalistisch-pragmatischer freier Wille, humanistischer Schuldbegriff, Strafe als utilitaristische Abschreckung
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Huch, jetzt machst Du das schöne binäre Weltbild kaputt. Danach kann es nicht mehr als 2 Anschauungen geben: nur 1 und 2 sind demnach korrekt. Die 3 ist ganz böse, ein "kompatibilistisches Rückzugsfecht der Philosophen". Und Philosophen sind ja böse, wie man weiß, weil die nur schwurbeln. Ekelhaft. Keine empirisch verwertbaren Vorhersagen dabei. Wertlos und dumm. Naturwissenschaft only rules, philosophy is the root of all evil.
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | kolja hat folgendes geschrieben: | Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Wenn wir Begriffe benutzen, dann sollten sie möglichst so benutzt werden, wie sie verstanden werden, es sei denn man hat wirklich triftige Gründe für eine Begriffsveränderung. |
Sicher. Ich plädiere doch gerade dafür, den Begriff "freier Wille" so zu verwenden, wie ihn die meisten verstehen. |
Und ich bin nun mal der Ansicht, dass meine Defintion dem Verständnis der Leute näher kommt. |
Dito.
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Tapuak registrierter User
Anmeldungsdatum: 23.02.2006 Beiträge: 1264
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(#798348) Verfasst am: 22.08.2007, 17:47 Titel: |
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Es ist einfach zu köstlich: Kaum fällt irgendwo der Begriff "freier Wille", kommt wieder Leben ins Haus.
Habe übrigens vorhin zufällig einen Beitrag auf Deutschlandfunk zum Thema gehört (aber auch dort schien mir begrifflich wieder Einiges durcheinanderzulaufen): Selbstkontrolle und unbewusste Impulse (mp3)
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Kival Profeminist Ghost
Anmeldungsdatum: 14.11.2006 Beiträge: 24071
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(#798350) Verfasst am: 22.08.2007, 17:48 Titel: |
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Auf die Polemik geh ich nicht ein...
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Sokrateer hat folgendes geschrieben: | kolja hat folgendes geschrieben: | Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Wenn wir Begriffe benutzen, dann sollten sie möglichst so benutzt werden, wie sie verstanden werden, es sei denn man hat wirklich triftige Gründe für eine Begriffsveränderung. |
Sicher. Ich plädiere doch gerade dafür, den Begriff "freier Wille" so zu verwenden, wie ihn die meisten verstehen. |
Und ich bin nun mal der Ansicht, dass meine Defintion dem Verständnis der Leute näher kommt. |
Dito. |
Schön, is aber nicht so. Womit wir überhaupt nicht mehr weiterkommen. Erfahrung gegen Erfahrung
_________________ "A basic literacy in statistics will one day be as necessary for efficient citizenship as the ability to read and write." (angeblich H. G. Wells)
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kolja der Typ im Maschinenraum

Anmeldungsdatum: 02.12.2004 Beiträge: 16631
Wohnort: NRW
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(#798353) Verfasst am: 22.08.2007, 17:50 Titel: |
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Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Ich will auf etwas anderes hinaus. Die ethische Güterabwägung des Vergewaltigers zugunsten der Vergewaltigung wurde von Wuketits als relevantes Beispiel für konkrete Implikationen des unfreien Willens und der Ablehnung des Schuldbegriffs gebracht. Da der Vergewaltiger nicht frei entscheidet, wird seine Güterabwägung als irrelevant betrachtet. |
Häh, wie kommst Du denn darauf? Wo ist denn die Rede von einer "ethischen Güterabwägung" des Vergewaltigers, und obendrein davon, dass diese nur deswegen als irrelevant betrachtet würde, weil er keinen freien Willen hat? Du missverstehst die Position, die Du kritisierst.
Wuketis wollte nur verdeutlichen, dass der Vergewaltiger nicht anders entscheiden konnte, dass sein Gehirn (zum Teil unbewusst) die Vor- und Nachteile einer Handlung abwägte und aufgrund seiner Prägung nur zu dieser Entscheidung gelangen konnte. Das wird deswegen so ausgeführt, weil erklärt werden soll, dass der Zweck der Strafe (oder auch nur der Strafandrohung) eine Verschiebung der Gewichte in dieser Abwägung bewirken soll. Wuketis erklärt also, wie Strafe funktioniert, mehr nicht.
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Und ich bin nun mal der Ansicht, dass meine Defintion dem Verständnis der Leute näher kommt. |
Du hast die Gretchenfrage nicht beantwortet.
kolja hat folgendes geschrieben: | [...] Also muss eine Diskussion die Ziele und Zwecke des Strafrechts einbeziehen. |
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Wieso? Klarerweise muss man denjenigen bestrafen/ermahnen, der schuldig ist und nicht etwa die Opfer oder die rechtschaffenden Mitglieder der Gesellschaft um damit zu bewirken, dass er und andere sich in ähnlichen (nicht exakt identischen) Situationen hinkünftig dagegen entscheiden, sich schuldig zumachen. |
Also ist der Zweck nur die Vermeidung zukünftiger Normverstöße, aber nicht "Vergeltung" oder "Wiederherstellung der Gerechtigkeit" oder so?
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Sokrateer souverän
Anmeldungsdatum: 05.09.2003 Beiträge: 11649
Wohnort: Wien
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(#798364) Verfasst am: 22.08.2007, 17:58 Titel: |
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In der Wiener Zeitung antwortet Norbert Leser, seines Zeichens emeritierter Professor und Präsident des Universitätszentrums für Friedensforschung in Wien:
Die Illusion der Materialisten - Von Norbert Leser
Von seiner Entgegnung halte ich freilich überhaupt nichts. Leider greift er Wukitits' Position als die Materialistische™ an, was allen anderen Materialisten Unrecht tut.
Nach endlosem Geschwurbel und Zitatejakulation schließt Norbert Leser ab mit:
Norbert Leser hat folgendes geschrieben: | Und alle diese geistigen Verrenkungen werden wohl nur deshalb vorgenommen, um der nahe liegenden Schlussfolgerung auszuweichen, dass eine absolute Kraft vor und jenseits der zeitlich-materiellen Wirklichkeit am Werke war und ist, die eine Evolution überhaupt erst ermöglicht hat. Der österreichische Physiker Walter Thirring, der heuer seinen 80. Geburtstag begehen konnte, hat dieses Wirken des Geistes in seinem Buch "Kosmische Impressionen" als "Gottes Spuren in den Naturgesetzen" identifiziert und damit zum Ausdruck gebracht, dass die Naturgesetze nicht für sich stehen, sondern auf einen Gesetzgeber hinweisen, der sehr wohl vernehmbar ist, wenn man sich ihm gegenüber nicht blind und taub verhält. |
Das wäre ja gleich Material für einen anderen Thread.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Du vermischt hier mehrere Positionen, die zugegebenermaßen in dieser Diskussion leicht durcheinanderkommen können:
- Christlich-religiös: freier Wille, plus Schuld und Strafe/Sühne als metaphyische Ideen
- kolja-Wuketits: unfreier Wille, keine Schuld, inkonsistentes Allerlei ....
- Ich: naturalistisch-pragmatischer freier Wille, humanistischer Schuldbegriff, Strafe als utilitaristische Abschreckung
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Huch, jetzt machst Du das schöne binäre Weltbild kaputt. Danach kann es nicht mehr als 2 Anschauungen geben: nur 1 und 2 sind demnach korrekt. Die 3 ist ganz böse, ein "kompatibilistisches Rückzugsfecht der Philosophen". Und Philosophen sind ja böse, wie man weiß, weil die nur schwurbeln. Ekelhaft. Keine empirisch verwertbaren Vorhersagen dabei. Wertlos und dumm. Naturwissenschaft only rules, philosophy is the root of all evil. |
Wenn ich mir das so recht überlege, dann ist meine Auffassung eher eine Rückkehr zur areligiösen Ethik der alten Griechen. Die Christen haben sich diese Ethik angeeignet und theologisch entstellt. Wuketits reibt sich an den Christen und negiert diese. Ich lasse die Christen einfach links liegen.
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Sokrateer souverän
Anmeldungsdatum: 05.09.2003 Beiträge: 11649
Wohnort: Wien
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(#798386) Verfasst am: 22.08.2007, 18:21 Titel: |
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kolja hat folgendes geschrieben: | Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Ich will auf etwas anderes hinaus. Die ethische Güterabwägung des Vergewaltigers zugunsten der Vergewaltigung wurde von Wuketits als relevantes Beispiel für konkrete Implikationen des unfreien Willens und der Ablehnung des Schuldbegriffs gebracht. Da der Vergewaltiger nicht frei entscheidet, wird seine Güterabwägung als irrelevant betrachtet. |
Häh, wie kommst Du denn darauf? Wo ist denn die Rede von einer "ethischen Güterabwägung" des Vergewaltigers, und obendrein davon, dass diese nur deswegen als irrelevant betrachtet würde, weil er keinen freien Willen hat? Du missverstehst die Position, die Du kritisierst.
Wuketis wollte nur verdeutlichen, dass der Vergewaltiger nicht anders entscheiden konnte, dass sein Gehirn (zum Teil unbewusst) die Vor- und Nachteile einer Handlung abwägte und aufgrund seiner Prägung nur zu dieser Entscheidung gelangen konnte. Das wird deswegen so ausgeführt, weil erklärt werden soll, dass der Zweck der Strafe (oder auch nur der Strafandrohung) eine Verschiebung der Gewichte in dieser Abwägung bewirken soll. Wuketis erklärt also, wie Strafe funktioniert, mehr nicht. |
Wuketits führt an dieser Stelle aber aus heiterem Himmel das Recht der Gesellschaft ein, für die dann der unfreie Wille nicht mehr bedeutsam zu sein scheint. Das war mein Hauptkritikpunkt an dieser Passage.
Und er sagt gar nichts von einer Verschiebung der Gewichter der Güterabwägung des Vergewaltigers, sondern:
Zitat: | Wenn jemand dazu neigt, andere physisch oder psychisch zu schädigen, dann hat die Gesellschaft das Recht, ihn daran zu hindern. |
Also Einsperren als Sicherheitsverwahrung, nicht als Abschreckung.
Und auch im Fall von Mord scheint er kein abschreckendes Potential zu sehen:
Zitat: | sueddeutsche.de: Kann man mit Strafandrohung jemanden dazu bringen, etwas nicht zu tun?
Wuketits: Die drastischste Strafe ist die Todesstrafe. In den USA ist die Zahl der sehr schweren Delikte wie Mord oder Serienmord in jenen Bundesstaaten, wo die Todesstrafe abgeschafft ist, nicht höher als in jenen, wo noch hingerichtet wird. Ich glaube, dass das Gehirn solcher Täter anders funktioniert als das eines unbescholtenen Bürgers. Eine Strafandrohung kann solche Menschen nicht daran hindern, ihre Verbrechen zu begehen. |
Fragt sich, wie der Rückgang von Mord und Gewalt über Jahrzehnte, Jahrhunderte und gar Jahrtausende zu erklären ist. Vermutet Wuketits hier genetische Veränderungen in kurzer Zeit?
kolja hat folgendes geschrieben: | Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Wieso? Klarerweise muss man denjenigen bestrafen/ermahnen, der schuldig ist und nicht etwa die Opfer oder die rechtschaffenden Mitglieder der Gesellschaft um damit zu bewirken, dass er und andere sich in ähnlichen (nicht exakt identischen) Situationen hinkünftig dagegen entscheiden, sich schuldig zumachen. |
Also ist der Zweck nur die Vermeidung zukünftiger Normverstöße, aber nicht "Vergeltung" oder "Wiederherstellung der Gerechtigkeit" oder so? |
Der Zweck für Strafe ja. Parallel dazu gibt muss es natürlich Schadensersatz, Wiedergutmachung, Schmerzenzgelder usw., wo das möglich ist, also eher im zivilrechtlichen Bereich.
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Kival Profeminist Ghost
Anmeldungsdatum: 14.11.2006 Beiträge: 24071
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(#798388) Verfasst am: 22.08.2007, 18:23 Titel: |
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Tapuak hat folgendes geschrieben: | Es ist einfach zu köstlich: Kaum fällt irgendwo der Begriff "freier Wille", kommt wieder Leben ins Haus.  |
Step hat schon Recht, dass ist die neue Gretchenfrage zumindest in diesem Forum.
_________________ "A basic literacy in statistics will one day be as necessary for efficient citizenship as the ability to read and write." (angeblich H. G. Wells)
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#798397) Verfasst am: 22.08.2007, 18:28 Titel: |
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Sokrateer hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | @Sokrateer, ... mich interessiert viel mehr, ob - und wenn ja mit welcher Begründung - Du eine vergeltende Bestrafung befürwortest, also eine "institutionalisierte Rache", eine Bestrafung über die Aspekte des Wiederholungsschutzes und der Abschreckung hinaus. |
Nach meiner Definition gibt es ja den freien Willen definitiv und die Abschreckung ist auch der Grund für die Strafe. |
Aha. Übrigens würde in einer Welt ohne freien Willen die Abschreckung natürlich ebenso gut oder schlecht funktionieren. Aber das nur am Rande. Hier ging es mir um Deine Konssequenzen aus Deinen Schuldbegriff.
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Du vermischt hier mehrere Positionen, die zugegebenermaßen in dieser Diskussion leicht durcheinanderkommen können: |
Huch? Wo habe ich die vermischt?
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | - Christlich-religiös: freier Wille, plus Schuld und Strafe/Sühne als metaphyische Ideen
- kolja-Wuketits: unfreier Wille, keine Schuld, inkonsistentes Allerlei ....
- Ich: naturalistisch-pragmatischer freier Wille, humanistischer Schuldbegriff, Strafe als utilitaristische Abschreckung
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Der "humanistische Schuldbegriff" geht wohl etwa so: Wie wir handeln, ist zwar naturgesetzlich bestimmt, aber wenn wir uns dabei frei fühlen (oder wenn wir Präferenzen spüren, die aber nicht allzu stark sind?), definieren wir das als "naturalistisch-pragmatischer freier Wille". "Humanistische Schuld" ist dann wohl, wenn jemand sich frei (aber nicht gar zu frei) gefühlt und gegen Regeln verstoßen hat. Oder?
Genau, ein bedarfslogisches Zurechtbiegen des Befundes in Richtung des gesellschaftlich Erwünschten.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Und Philosophen sind ja böse, wie man weiß, weil die nur schwurbeln. Ekelhaft. Keine empirisch verwertbaren Vorhersagen dabei. Wertlos und dumm. Naturwissenschaft only rules, philosophy is the root of all evil. |
Holla, da hat sich aber was angestaut!
Sokrateer an kolja hat folgendes geschrieben: | Fragt sich, wie der Rückgang von Mord und Gewalt über Jahrzehnte, Jahrhunderte und gar Jahrtausende zu erklären ist. Vermutet Wuketits hier genetische Veränderungen in kurzer Zeit? |
Die Kultur könnte Methoden entwickelt haben, die das Morden reduzieren, z.B. Deeskalationstechniken, soziale Erziehung, Befriedigung der Grundbedürfnisse ...
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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kolja der Typ im Maschinenraum

Anmeldungsdatum: 02.12.2004 Beiträge: 16631
Wohnort: NRW
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(#798413) Verfasst am: 22.08.2007, 18:51 Titel: |
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Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Wuketits führt an dieser Stelle aber aus heiterem Himmel das Recht der Gesellschaft ein, für die dann der unfreie Wille nicht mehr bedeutsam zu sein scheint. |
Ja, die Formulierung ist unglücklich, aber darauf war ich bereits eingegangen.
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Und auch im Fall von Mord scheint er kein abschreckendes Potential zu sehen [...] Fragt sich, wie der Rückgang von Mord und Gewalt über Jahrzehnte, Jahrhunderte und gar Jahrtausende zu erklären ist. Vermutet Wuketits hier genetische Veränderungen in kurzer Zeit? |
Nö, wohl eher Veränderung des kulturellen Umfelds, also andere Erziehung, weniger existenzielle Nöte, usw.
kolja hat folgendes geschrieben: | Also ist der Zweck nur die Vermeidung zukünftiger Normverstöße, aber nicht "Vergeltung" oder "Wiederherstellung der Gerechtigkeit" oder so? |
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Der Zweck für Strafe ja. |
Müsstest Du dann nicht kritisch fragen, ob die derzeit üblichen Strafen immer diesem Zweck dienen, oder nicht manchmal über das Ziel hinausschießen, ob es nicht humanere Methoden zur Erreichung dieses Ziels gibt, usw.? Angenommen, man würde einigermaßen sicher wissen, dass bei bestimmten Verstößen der Abschreckungseffekt nicht funktioniert. Würdest Du dann dafür plädieren, auf die Bestrafung zu verzichten?
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Parallel dazu gibt muss es natürlich Schadensersatz, Wiedergutmachung, Schmerzenzgelder usw., wo das möglich ist, also eher im zivilrechtlichen Bereich. |
Jo.
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Sokrateer souverän
Anmeldungsdatum: 05.09.2003 Beiträge: 11649
Wohnort: Wien
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(#798417) Verfasst am: 22.08.2007, 19:01 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Sokrateer hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | @Sokrateer, ... mich interessiert viel mehr, ob - und wenn ja mit welcher Begründung - Du eine vergeltende Bestrafung befürwortest, also eine "institutionalisierte Rache", eine Bestrafung über die Aspekte des Wiederholungsschutzes und der Abschreckung hinaus. |
Nach meiner Definition gibt es ja den freien Willen definitiv und die Abschreckung ist auch der Grund für die Strafe. |
Aha. Übrigens würde in einer Welt ohne freien Willen die Abschreckung natürlich ebenso gut oder schlecht funktionieren. Aber das nur am Rande. |
Nicht nach meiner Auffassung des freien Willens. Wenn jemand z.B. durch irgendwelche Hirnwäschetricks dazu gebracht werden könnte, jemanden zu ermorden, dann darf dieser jemand überhaupt nicht für diese Tat bestraft werden, da er zum Tatzeitpunkt über keinen freien Willen verfügte.
step hat folgendes geschrieben: |
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | - Christlich-religiös: freier Wille, plus Schuld und Strafe/Sühne als metaphyische Ideen
- kolja-Wuketits: unfreier Wille, keine Schuld, inkonsistentes Allerlei ....
- Ich: naturalistisch-pragmatischer freier Wille, humanistischer Schuldbegriff, Strafe als utilitaristische Abschreckung
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Der "humanistische Schuldbegriff" geht wohl etwa so: Wie wir handeln, ist zwar naturgesetzlich bestimmt, aber wenn wir uns dabei frei fühlen (oder wenn wir Präferenzen spüren, die aber nicht allzu stark sind?), definieren wir das als "naturalistisch-pragmatischer freier Wille". "Humanistische Schuld" ist dann wohl, wenn jemand sich frei (aber nicht gar zu frei) gefühlt und gegen Regeln verstoßen hat. Oder? |
Ich bezeichne das als humanistischen Schuldbegriff hauptsächlich als Abgrenzung zu metaphysischen Schuldbegriffen, Erbschuld usw. Ein humanistischer Schuldbegriff ist einer, der nur die menschliche Natur und seine materielle Umwelt berücksichtigt und nicht irgendwelchen übernatürlichen Hokuspokus.
step hat folgendes geschrieben: |
Sokrateer an kolja hat folgendes geschrieben: | Fragt sich, wie der Rückgang von Mord und Gewalt über Jahrzehnte, Jahrhunderte und gar Jahrtausende zu erklären ist. Vermutet Wuketits hier genetische Veränderungen in kurzer Zeit? |
Die Kultur könnte Methoden entwickelt haben, die das Morden reduzieren, z.B. Deeskalationstechniken, soziale Erziehung, Befriedigung der Grundbedürfnisse ... |
Und Mörder mit Strafe und Aufdeckung von Morden abzuschrecken. Wuketits sagt aber, die Mörderhirne würden anders funktionieren. Da gehe ich eher von physiologischen, nicht so leicht veränderlichen Mechanismus aus und eben nicht von gesellschaftlicher Prägung der Software des Gehirns.
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Sokrateer souverän
Anmeldungsdatum: 05.09.2003 Beiträge: 11649
Wohnort: Wien
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(#798426) Verfasst am: 22.08.2007, 19:12 Titel: |
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kolja hat folgendes geschrieben: |
kolja hat folgendes geschrieben: | Also ist der Zweck nur die Vermeidung zukünftiger Normverstöße, aber nicht "Vergeltung" oder "Wiederherstellung der Gerechtigkeit" oder so? |
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Der Zweck für Strafe ja. |
Müsstest Du dann nicht kritisch fragen, ob die derzeit üblichen Strafen immer diesem Zweck dienen, oder nicht manchmal über das Ziel hinausschießen, ob es nicht humanere Methoden zur Erreichung dieses Ziels gibt, usw.? Angenommen, man würde einigermaßen sicher wissen, dass bei bestimmten Verstößen der Abschreckungseffekt nicht funktioniert. Würdest Du dann dafür plädieren, auf die Bestrafung zu verzichten? |
Strafmaße gilt es immer zu hinterfragen.
Verstöße, vor denen man niemand abschrecken kann?
Dazu fallen mir auf der einen Seite psychopathische Triebtäter ein. Uneinsichtige Treibtäter, wie der aktuelle Fall eines Pädohpilen, der Frankreich bewegt, muss man sowieso wegsperren
Auf der anderen Seite gibt es dann die Verbrechen ohne direktes Opfer. Also Medikamentenmissbrauch. Das gehört sowieso frei gestellt.
Alle Gesetze, die einen großen Porzentsatz der Bevölkerung zu Straftätern macht, wie z.B. bei illegalen Downloads, sind absurd, können sowieso nicht umgesetzt werden und führen zur Willkür. Auch da darf nicht bestraft werden.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#798435) Verfasst am: 22.08.2007, 19:33 Titel: |
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Sokrateer hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Übrigens würde in einer Welt ohne freien Willen die Abschreckung natürlich ebenso gut oder schlecht funktionieren. |
Nicht nach meiner Auffassung des freien Willens. Wenn jemand z.B. durch irgendwelche Hirnwäschetricks dazu gebracht werden könnte, jemanden zu ermorden, dann darf dieser jemand überhaupt nicht für diese Tat bestraft werden, da er zum Tatzeitpunkt über keinen freien Willen verfügte. |
Das ist zwar richtig und auch ich würde keine Bestrafung befürworten. Du dagegen könntest genaugenommen nur dann auf eine utilitaristische Bestrafung verzichten, wenn Du einigermaßen sicher wärst, daß durch die Bestrafung in diesem Fall KEIN Abschreckungsefffekt für die Zukunft entsteht.
Zudem ändert Dein Einwand nichts an meiner Behauptung, daß in einer Welt ohne freien Willen (also z.B. in meiner Welt) Abschreckung ebeso gut/schlecht funktioniert wie in Deiner Welt.
In beiden Welten haben wir immer das Dilemma, daß Abschreckung eigentlich nur legitim ist, wenn der durch die Maßnahme Betroffene mit dem durch die Maßnahme Abgeschreckten identisch ist. Wird also ein Mörder besonders lange eingesperrt, so kann man das schlecht damit begründen, daß Andere dadurch besser abgeschreckt werden.
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Ich bezeichne das als humanistischen Schuldbegriff hauptsächlich als Abgrenzung zu metaphysischen Schuldbegriffen, Erbschuld usw. Ein humanistischer Schuldbegriff ist einer, der nur die menschliche Natur und seine materielle Umwelt berücksichtigt und nicht irgendwelchen übernatürlichen Hokuspokus. |
Geht das etwas genauer? Hier mein Vorschlag für Deinen Schuldbegriff:
Eine Person gilt als im Sokrateerschen Sinne schuldig, wenn sie mit einer Handlung gegen soziale Regeln verstößt, vorausgesetzt sie hat sich bei der zugrundeliegenden Handlungsentscheidung frei, aber nicht zu frei gefühlt.
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Sokrateer an kolja hat folgendes geschrieben: | Fragt sich, wie der Rückgang von Mord und Gewalt über Jahrzehnte, Jahrhunderte und gar Jahrtausende zu erklären ist. Vermutet Wuketits hier genetische Veränderungen in kurzer Zeit? | Die Kultur könnte Methoden entwickelt haben, die das Morden reduzieren, z.B. Deeskalationstechniken, soziale Erziehung, Befriedigung der Grundbedürfnisse ... | Und Mörder mit Strafe und Aufdeckung von Morden abzuschrecken. Wuketits sagt aber, die Mörderhirne würden anders funktionieren. Da gehe ich eher von physiologischen, nicht so leicht veränderlichen Mechanismus aus und eben nicht von gesellschaftlicher Prägung der Software des Gehirns. |
Also ich bin ja nicht Wuketits, sondern habe nur eine mögliche alternative Erklärung für den Rückgang der Mordrate angeboten. Klar könnte es auch einen genetischen Effekt geben, z.B. dadurch daß viele Mörder geschnappt werden und dann weniger Kinder zeugen, was aber vielleicht durch vergewaltigende Soldateskas wieder ausgeglichen wird.
Die Abschreckung habe ich extra weggelassen, weil es die ja schon immer gab. Hier habe ich aber eher meine Zweifel, ob das - besonders bei Kapitalverbrechen - überhaupt funktioniert. Ich setze hier mittelfristig eher auf pädagogische, psychotechnische, notfalls auch chemische oder genetische Frühprävention.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Peter H. dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 24.06.2007 Beiträge: 9751
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(#798481) Verfasst am: 22.08.2007, 20:35 Titel: |
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[quote="step" postid=798435] Sokrateer hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Übrigens würde in einer Welt ohne freien Willen die Abschreckung natürlich ebenso gut oder schlecht funktionieren. |
Ich setze hier mittelfristig eher auf pädagogische, psychotechnische, notfalls auch chemische oder genetische Frühprävention. |
"genetische Frühprävention" und die wäre wie?
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#798484) Verfasst am: 22.08.2007, 20:37 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: |
Genau, ein bedarfslogisches Zurechtbiegen des Befundes in Richtung des gesellschaftlich Erwünschten. |
Richtig, das hatte ich in meiner kleinen Polemik ganz vergessen: die Diffamierung der anderen Position als "bedarfslogisches Zurechtbiegen". Die Unterstellung, man hätte eine Position nur deswegen, weil sie zu gewünschten Ergebnissen führt.
Argument = Null.
Diffamierungsfaktor = Hoch.
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Kival Profeminist Ghost
Anmeldungsdatum: 14.11.2006 Beiträge: 24071
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(#798516) Verfasst am: 22.08.2007, 21:01 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: |
Genau, ein bedarfslogisches Zurechtbiegen des Befundes in Richtung des gesellschaftlich Erwünschten. |
Richtig, das hatte ich in meiner kleinen Polemik ganz vergessen: die Diffamierung der anderen Position als "bedarfslogisches Zurechtbiegen". Die Unterstellung, man hätte eine Position nur deswegen, weil sie zu gewünschten Ergebnissen führt.
Argument = Null.
Diffamierungsfaktor = Hoch. |
Beschreibung = Zutreffend.
Gähn. Können wir diese Spielchen nicht einfach mal lassen? Das geht an beide Seiten; das ganze ist so sehr ermüdend.
_________________ "A basic literacy in statistics will one day be as necessary for efficient citizenship as the ability to read and write." (angeblich H. G. Wells)
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otto blei registrierter User
Anmeldungsdatum: 11.06.2007 Beiträge: 74
Wohnort: Berlin
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(#798604) Verfasst am: 22.08.2007, 22:18 Titel: |
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Kival hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: |
Genau, ein bedarfslogisches Zurechtbiegen des Befundes in Richtung des gesellschaftlich Erwünschten. |
Richtig, das hatte ich in meiner kleinen Polemik ganz vergessen: die Diffamierung der anderen Position als "bedarfslogisches Zurechtbiegen". Die Unterstellung, man hätte eine Position nur deswegen, weil sie zu gewünschten Ergebnissen führt.
Argument = Null.
Diffamierungsfaktor = Hoch. |
Beschreibung = Zutreffend.
Gähn. Können wir diese Spielchen nicht einfach mal lassen? Das geht an beide Seiten; das ganze ist so sehr ermüdend. |
Warum sollten sie Kival? Das ist doch das Grundproblem und solange das nicht gelöst werden kann wird die Religion ihr Recht behaupten.
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Kival Profeminist Ghost
Anmeldungsdatum: 14.11.2006 Beiträge: 24071
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(#798608) Verfasst am: 22.08.2007, 22:21 Titel: |
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Die Spielchen, nicht die Diskussion. Und die Religion kann da nirgendwo ihr Recht behaupten.
_________________ "A basic literacy in statistics will one day be as necessary for efficient citizenship as the ability to read and write." (angeblich H. G. Wells)
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Algol Katholik, saugverwirrte schleichende Scharia
Anmeldungsdatum: 22.06.2006 Beiträge: 4797
Wohnort: Berlin
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(#798621) Verfasst am: 22.08.2007, 22:30 Titel: Re: Schöner Artikel.. Moral ist Eigennutz |
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Zitat: | Schöner Artikel.. Moral ist Eigennutz |
Das ist zwar die Überschrift der Reihe, aber im Interview geht es eindeutig um die Verneinung des "freien Willens".
Sollen wie hier über "Moral" oder über den "freien Willen" diskutieren?
_________________ Leben kann tödlich sein
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Algol Katholik, saugverwirrte schleichende Scharia
Anmeldungsdatum: 22.06.2006 Beiträge: 4797
Wohnort: Berlin
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(#798624) Verfasst am: 22.08.2007, 22:32 Titel: |
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kolja hat folgendes geschrieben: |
Viele Diskussionen, unter anderem mit einer früheren Version von Dir. |
Jo.
_________________ Leben kann tödlich sein
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Algol Katholik, saugverwirrte schleichende Scharia
Anmeldungsdatum: 22.06.2006 Beiträge: 4797
Wohnort: Berlin
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(#798627) Verfasst am: 22.08.2007, 22:36 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Kival hat folgendes geschrieben: | Nein, die Leute verstehen eindeutig daruner, bei einer Entsheidung die freie Wahl zwischen Alternativen zu haben: "Ich hätte anders handeln können..."
[...]
Dazu gibt es keine Studien, aber das kondensiert sich immer heraus, wenn man mit den leuten darüber redet, die sich noch nicht mit dem Thema beschäftigt haben |
Naja, wenn jemand anders gewollt hätte, hätte er ja auch anders handeln können. Aber egal, das müssen wir nicht zum x-ten Male wieder aufrollen. ... |
Btw diesbezüglich eine kleine, modellhafte Denkhilfe:
Würde man sich in exakt der selben Situation (mit exakt dem selben Wissen und exat dem selben Hintergrund) etwa anders entscheiden (können)?
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Algol Katholik, saugverwirrte schleichende Scharia
Anmeldungsdatum: 22.06.2006 Beiträge: 4797
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(#798631) Verfasst am: 22.08.2007, 22:37 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Kival hat folgendes geschrieben: | Nein, sie meinen, dass sie in genau derselben Situation anders entscheiden könnten... aber ne Studie wäre das mal wert. |
Ja, aber wie gesagt, sie gehen sicher davon aus, dass ihnen dabei ein gewisser Zeitraum bis zur Entscheidung verbleibt. Gar nicht so einfach übrigens, die Frage für diese angedachte Studie möglichst unmissverständlich zu formulieren. |
Eine solche Studie kann es nie geben (alles fließt ...).
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Algol Katholik, saugverwirrte schleichende Scharia
Anmeldungsdatum: 22.06.2006 Beiträge: 4797
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(#798639) Verfasst am: 22.08.2007, 22:42 Titel: |
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kolja hat folgendes geschrieben: | Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Treffen die Mitglieder der Gesellschaft ihre Entscheidungen nun genauso unfreiwillig, wie der Vergewaltiger, oder nicht? Und wenn die Unfreiwilligkeit der Entscheidung die Hinterhältigkeit des Vergewaltigers entkräftet, entkräftet sie dann nicht auch den Anspruch auf Moralität der Gesellschaft? |
Nein. Moral, Ethik, Normen usw. sind faktisch wirksam, weil sie von der Mehrheit gewollt werden. |
Faktisch richtig, aber sie werden nicht bewußt so gewollt, sondern deshalb, weil es schon immer so war, und/oder weil die Medien/"Wissenschaftler"/Priester/Politiker diese oder jene Ansicht druckvoll propagieren.
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Algol Katholik, saugverwirrte schleichende Scharia
Anmeldungsdatum: 22.06.2006 Beiträge: 4797
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(#798658) Verfasst am: 22.08.2007, 22:52 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | kolja hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Ja, aber wie gesagt, sie gehen sicher davon aus, dass ihnen dabei ein gewisser Zeitraum bis zur Entscheidung verbleibt. |
Wieso sollte das etwas an der Entscheidung ändern? Wie sollten sich denn aus einer vollständig feststehenden Situation zum Zeitpunkt X1 verschiedene Entscheidungen zu einem späteren Zeitpunkt X2 entwickeln können (außer durch QM-Zufall)? |
Ja, genau, durch Zufall, der geänderte Rahmenbedingungen herstellt, die zu einer anderen Entscheidung führen können. Wie gesagt, meine ich, dass eine solche Frage nach einer anderen Entscheidung in derselben Situation durchaus anders verstanden werden kann, als Du sie wohl verstehst. |
Wenn man an solch seltsame Modelle wie QM-Zufall unbedingt glauben will:
Falls unsere Entscheidungen zufällig wären, könnten wir unser "Wollen" sowieso nicht bewußt steuern.
Die sich daraus ergebenden gesellschaftsrelevanten Folgerungen wären die dabei gleichen, wie ohne QM-Zufall.
_________________ Leben kann tödlich sein
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
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(#798706) Verfasst am: 22.08.2007, 23:33 Titel: |
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Algol hat folgendes geschrieben: | Btw diesbezüglich eine kleine, modellhafte Denkhilfe:
Würde man sich in exakt der selben Situation (mit exakt dem selben Wissen und exat dem selben Hintergrund) etwa anders entscheiden (können)? |
Weißt Du, was ich nicht so richtig verstehen kann, ist dies: warum überhaupt sollte man sich in ein und derselben Situation anders entscheiden, als man sich letztlich entscheidet? Und mal angenommen, man könnte das, was würde sich daraus ergeben? Ein echter freier Wille? Und wenn nicht, wieso sollte diese Frage dann so alles entscheidend sein, wie hier immer getan wird?
Algol hat folgendes geschrieben: | Eine solche Studie kann es nie geben (alles fließt ...). |
Also kann es überhaupt keine Studien zu Einstellungen von Menschen geben, oda wie oda watt? Weil allet imma am Fließen tuen ist? Oder kann es nur keine Studie geben darüber, was Menschen unter dem "freien Willen" verstehen"? Falls ersteres: verstehe ich nicht, falls letzteres: wieso, weshalb und warum jenes?
Algol hat folgendes geschrieben: | Die sich daraus ergebenden gesellschaftsrelevanten Folgerungen wären die dabei gleichen, wie ohne QM-Zufall. |
Und zwar?
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otto blei registrierter User
Anmeldungsdatum: 11.06.2007 Beiträge: 74
Wohnort: Berlin
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(#798747) Verfasst am: 23.08.2007, 00:03 Titel: |
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Kival hat folgendes geschrieben: | Die Spielchen, nicht die Diskussion. Und die Religion kann da nirgendwo ihr Recht behaupten. |
Wenn man aneinander vorbei redet und Argumente nicht überzeugen können, helfen nur Spielchen.
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Algol Katholik, saugverwirrte schleichende Scharia
Anmeldungsdatum: 22.06.2006 Beiträge: 4797
Wohnort: Berlin
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(#798782) Verfasst am: 23.08.2007, 01:26 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Algol hat folgendes geschrieben: | Btw diesbezüglich eine kleine, modellhafte Denkhilfe:
Würde man sich in exakt der selben Situation (mit exakt dem selben Wissen und exat dem selben Hintergrund) etwa anders entscheiden (können)? |
Weißt Du, was ich nicht so richtig verstehen kann, ist dies: warum überhaupt sollte man sich in ein und derselben Situation anders entscheiden, als man sich letztlich entscheidet? |
Sollte man?
Eigentlich nicht. Und wenn man sich stets gleich entscheidet, ist der Wille nicht äh "frei" sondern (zweck-)gebunden, was ja eigentlich der Grund eines Willens ist: zweck- und situationsgebundene Interessensabwägung.
("Freier Wille" wäre diesbezüglich eigentlich ein Widerspruch sich, aber allem Anschein nach gibt es einen Gegenpol zum "freien" Willen, sonst müßte man das "frei" dabei nicht extra betonen)
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Und mal angenommen, man könnte das, was würde sich daraus ergeben? Ein echter freier Wille? Und wenn nicht, wieso sollte diese Frage dann so alles entscheidend sein, wie hier immer getan wird? |
Ein - äh - "echt freier Wille" ist Voraussetzung für jegliche "Schuld"-Zuweisung.
Ein zentraler Begriff einiger Hochreligionen, besser gesagt, lediglich der katholischen Amtskirche und noch genauer, bevor die rkk den entsprechenden Katechismus herausgegeben hat, in dem sie behauptet, die "Gnade Gottes" sei unabhängig von persönlichen Verdiensten (oder Verfehlungen).
Der sog. "freie Wille" ist mW im strengen Sinne lediglich im Strafrecht von Belang.
Dort spielt er aber eine entscheidende Rolle.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Algol hat folgendes geschrieben: | Eine solche Studie kann es nie geben (alles fließt ...). |
Also kann es überhaupt keine Studien zu Einstellungen von Menschen geben, oda wie oda watt? Weil allet imma am Fließen tuen ist? Oder kann es nur keine Studie geben darüber, was Menschen unter dem "freien Willen" verstehen"? Falls ersteres: verstehe ich nicht, falls letzteres: wieso, weshalb und warum jenes? |
Man kann keine Studien dazu anstellen, ob sich jemand unter den exakt gleichen Voraussetzungen immer gleich entscheidet, weil sich exakt gleiche Voraussetzungen nie herstellen lassen. (Man steigt nie in den selben Fluß und "man" ist immer ein anderer.)
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Algol hat folgendes geschrieben: | Die sich daraus ergebenden gesellschaftsrelevanten Folgerungen wären die dabei gleichen, wie ohne QM-Zufall. |
Und zwar? |
Ich nenne bewußt keine konkreten Beispiele, aber ein Wille, der sich stets gleich entscheiden muß, ist für seine Entscheidungen genau so wenig "verantwortlich", wie ein Wille, der von Quantenzufällen "gesteuert" wird.
_________________ Leben kann tödlich sein
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