Sehwolf registrierter User
Anmeldungsdatum: 26.03.2006 Beiträge: 10077
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(#858836) Verfasst am: 12.11.2007, 23:04 Titel: Metzinger: Bewußtsein, das letzte Rästel der Philosophie |
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Der Mainzer Philosoph Professor Thomas Metzinger in einer dreiteiligen Reihe auf SWR2 Aula über das Bewusstein. Ein sehr hörens- und/oder lesenswerter Beitrag.
Audio- und Textlinks gibt's hier beim Skepticker
Das hier ist ziemlich interessant und wurde anscheinend hier im FGH noch nie diskutiert:
Metzinger, Teil 1 hat folgendes geschrieben: | Mary ist die beste Visual-Neuro-Scientist, die beste Forscherin, die das Farbensehen des Menschen erforscht hat. Sie weiß alles über die neuronalen Grundlagen, sie weiß alles über die physikalischen Eigenschaften des Universums, die relevant sind dafür, dass Menschen bewusste Farberlebnisse haben können. Das ist die erste Prämisse des Gedankenexperiments. Die Hirnforschung ist an ihr historisches Ende gekommen. Man weiß alles, was es über die Grundlagen des Farbbewusstseins von Menschen zu wissen gibt. Die zweite Prämisse dieses Gedankenexperiments ist, Mary hat selbst noch nie ein Farberlebnis gehabt. Wegen einer schweren Allergie musste sie ihr ganzes Leben in einem Bunker unter der Erde verbringen, der war leider nur schwarz und weiß, es gab keine Farben, sie musste ihr ganzes Studium über einen schwarz-weißen Monitor absolvieren, über Internet, und auch ihre Versuchspersonen kannte sie nur über diesen schwarz-weißen Monitor. Jetzt kommt die philosophische Frage: Wenn Mary ihr achromatisches Gefängnis zum ersten Mal verlässt und sie sieht einen roten Apfel oder die Bläue des Himmels, erfährt sie dann etwas Neues über die Welt? Für viele von uns scheint es eindeutig, dass sie etwas weiß, was man nur so wissen kann, nämlich zum Beispiel worauf sich andere Menschen mit ihren phänomenologischen Farbprädikaten bezogen haben, wenn sie per Email über ihre Blau-Erlebnisse oder ihre Rot-Erlebnisse gesprochen haben. Die sprachlichen Ausdrücke bekommen eine neue Bedeutung für sie und sie selbst hat neue Bewusstseinszustände durchlaufen. Wenn das aber so ist, dann weiß sie etwas, was man nur aus der subjektiven Innenperspektive wissen kann, denn ex hypothesi hatte sie ja schon alles objektive Wissen, was man über das menschliche Farbensehen besitzen kann. Wenn das richtig ist, dann ist der Materialismus falsch und das naturwissenschaftliche Weltbild besitzt aus erkenntnistheoretischen Gründen ein grundsätzliches Loch, weil es nämlich phänomenale Informationen gibt, subjektives Wissen.
Hier noch einmal das Argument: Mary weiß vor dem Verlassen ihres achromatischen Gefängnisses alles, was es physikalisch und neurowissenschaftlich über das bewusste Farberleben von Menschen zu wissen gibt. Beim ersten Anblick eines farbigen Gegenstandes erwirbt Mary neues Wissen. Dieses Wissen ist Tatsachenwissen. Ergo kannte Mary vor ihrem ersten bewussten Farberlebnis nicht alle Tatsachen, die man diesbezüglich kennen kann. Es gibt deshalb nicht-physikalische Tatsachen - zum Beispiel über das bewusste Farbsehen von Menschen - die man nur durch phänomenales Wissen erfassen kann. Also ist der Physikalismus falsch. |
Was bedeuten solche nicht-physikalischen Tatsachen für Euch (uns) Naturalisten, Materialisten, Szientisten, Physikalisten .... ?
Ein "out-of-body"-Experiment zum selber Nachmachen. Wirklich absolut verblüffend:
Metzinger Teil 3 hat folgendes geschrieben: | Das Experiment geht so: Sie verstecken Ihre linke Hand unter den Tisch und legen vor sich auf den Tisch den Spülhandschuh. Dann muss der Versuchsleiter über Ihre Hand unter dem Tisch, die Sie nicht sehen können, und über den Gummihandschuh rhythmisch streichen mit einem Stäbchen oder einem Pinsel. Genau synchron. Nach etwa 60 bis 90 Sekunden werden Sie auf einmal eine Verbindung von Ihrer Schulter zur Gummihand halluzinieren und erst das Gefühl haben, dass diese Gummihand, die Sie sehen, tatsächlich ein Teil Ihres körperlichen Selbst ist. Aber was noch viel spannender ist: Sie werden die gesehene Berührung in dieser Hand spüren.
Die Versuchsperson erlebt die Gummihand als ihre eigene Hand und fühlt die Berührung in dieser Hand. Wenn man sie im Labor bittet, auf ihre verdeckte linke Hand zu zeigen, unterläuft ihr ein Fehler in Form einer Abweichung in Richtung auf die Gummihand (vgl. Botvinick/Cohen 1998: 756). „Verletzt“ man einen Finger der Gummihand durch eine Biegung nach hinten in eine physiologisch unmögliche Position, dann wird auch der phänomenal erlebte Finger als wesentlich weiter zurückgebogen erlebt, als er es in Wirklichkeit ist, zusätzlich zeigt sich eine deutliche messbare Hautwiderstandreaktion.
Mein persönlicher Tipp für Sie, wenn Sie dieses Experiment heute Abend ausprobieren und die Versuchsperson hat die Illusion: Schlagen Sie mal mit einem Hammer auf die Gummihand und schauen Sie, was passiert. |
Zum Abschuss noch ein nettes Zitat:
Metzinger Teil 1 hat folgendes geschrieben: | LAssen sie mich [...]eine Geschichte aus meinem eigenen Leben erzählen. In meiner Zeit an der University of California in San Diego bin ich manchmal mit Francis Crick, dem Entdecker der DNA, der von 1916 bis 2004 lebte, zum Mittagessen gegangen. Francis Crick war ein herrlicher alter Mann, so wie ich sie liebe, rüde und blitzgescheit, und er hat immer zu mir gesagt: „Wir haben das Problem des Lebens geknackt, und wir werden jetzt das Problem des Bewusstseins erledigen in den nächsten 20 Jahren. Ihr Philosophen habt 2500 Jahre Zeit gehabt. Wenn Ihr einfach einen Beitrag leisten wollt, dann wäre es das Beste, Ihr haltet einfach die Klappe!“ |
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#858894) Verfasst am: 13.11.2007, 00:12 Titel: |
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im Brights-Forum ist die Auflösung schon ganz gut getroffen.
Man muß aufpassen, was genau die Prämisse, vollständiges physikalisches Wissen zu haben, bedeutet.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Kramer postvisuell
Anmeldungsdatum: 01.08.2003 Beiträge: 30878
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(#858910) Verfasst am: 13.11.2007, 00:37 Titel: Re: Metzinger: Bewußtsein, das letzte Rästel der Philosophie |
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Sehwolf hat folgendes geschrieben: |
Metzinger, Teil 1 hat folgendes geschrieben: |
Hier noch einmal das Argument: Mary weiß vor dem Verlassen ihres achromatischen Gefängnisses alles, was es physikalisch und neurowissenschaftlich über das bewusste Farberleben von Menschen zu wissen gibt. Beim ersten Anblick eines farbigen Gegenstandes erwirbt Mary neues Wissen. Dieses Wissen ist Tatsachenwissen. Ergo kannte Mary vor ihrem ersten bewussten Farberlebnis nicht alle Tatsachen, die man diesbezüglich kennen kann. Es gibt deshalb nicht-physikalische Tatsachen - zum Beispiel über das bewusste Farbsehen von Menschen - die man nur durch phänomenales Wissen erfassen kann. Also ist der Physikalismus falsch. |
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Soweit ich informiert bin, können Menschen, die von Geburt an blind sind, nicht wirklich sehen, wenn man sie im Erwachsenenalter von ihrer Blindheit heilt. Sie haben zwar visuelle Eindrücke, aber ihr Gehirn kann diese nicht verarbeiten, weil es das nie gelernt hat und im Erwachachesnenalter ist es dafür zu spät. Wenn das auch für das Farbensehen zutrift, läuft das Gedankenspiel ins Leere. Mary wird Farbeindrücke haben, aber sie wird daraus kein Wissen beziehen, sondern nur Verwirrung.
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