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Xamanoth auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 07.04.2006 Beiträge: 7962
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(#872308) Verfasst am: 29.11.2007, 22:31 Titel: Haben wir faustkenner hier? |
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Ich war am Wochenende im Theater - eine Laiengruppe spielte Faust I - und das verdammt gut, gerade Mephisto war brillant. Obwohl - bei dem genialen Stück hätte sich auch einfach einer auf die Bühne stellen und vorlesen können, und der Abend wäre gerettet gewesen.
Mir sind nur wieder drei stellen aufgefallen, die ich schon beim letzten Lesen nicht verstanden habe (es gibt natürlich wohl mehr, aber diese sind mir aufgefallen):
In der Studierzimmerszene flucht Faust:
"Fluch dem Balsamsaft der Trauen,
fluch der holden Liebeshuld,
fluch der Hoffnung, fluch dem Glauben,
und Fluch vor allem der Geduld!"
Natürlich, scheint an sich selbsterklärend, nur begreife ich nicht, was diese Aussage im Kontext des Teufelspaktes für einen Zweck hat, und was Faust zu diesem Aufruf veranlasst.
Des weiteren:
In ebendieser Szene wünscht sich Faust wertlose Sachen - Gold das Zerrint, faulen Wein, ein Spiel das man nie gewinnt - Mephisto sagt "Der Auftrag schreckt mich nicht".
Hier begreife ich nicht, was dieses Soll. Natürlich besiegelt es letztlich den Teufelspakt, aber - was soll das?
Und - was weniger wichtig ist - im blöden Gretchenteil (Bratze! Blödes Weib!) bezeichnet Mephisto Gretchen als "Grasaff". Weiß jemand was das heißen soll?
Bei den ganzen schlauen Menschen hier weiß sicher jemand näheres. Ich möchte im Vorraus Anmerken, dass mich Meinung und/oder Wissen von Peter H. hierzu nicht die Spur interessieren.
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Spartacus Leto Ist hier raus!
Anmeldungsdatum: 27.08.2005 Beiträge: 5659
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(#872318) Verfasst am: 29.11.2007, 22:41 Titel: |
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Los Peter H. sag hier was!
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matthias Gefährder
Anmeldungsdatum: 10.05.2005 Beiträge: 1386
Wohnort: Rechts der Böhme
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DeHerg nun schon länger Ranglos
Anmeldungsdatum: 28.04.2007 Beiträge: 6525
Wohnort: Rostock
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(#872326) Verfasst am: 29.11.2007, 22:44 Titel: Re: Haben wir faustkenner hier? |
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Xamanoth hat folgendes geschrieben: |
Und - was weniger wichtig ist - im blöden Gretchenteil (Bratze! Blödes Weib!) bezeichnet Mephisto Gretchen als "Grasaff". Weiß jemand was das heißen soll?
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google ist dein Freund:
Zitat: | ist das "Gras" in "Grasaffe" wohl - wie "Grün" in "Grünschnabel" - eine Bezeichnung für "Unreife, Unerfahrenheit, Naivität".
Da der Affe in der Tiersymbolik das DAS EITLE Tier gilt, ist der "Grasaffe" ein unerfahrner, aber eingebildeter Mensch. |
Zitat: | So auch der Duden:
Grasaffe, der
[1.Bestandteil nach dem im Frühjahr noch frischen u. grünen Gras als Ausdruck der Unerfahrenheit u. Unreife] (salopp abwertend, veraltend):
unreifer, eitler Mensch. |
http://www.wer-weiss-was.de/theme74/article1504881.html
edit:verdammt zu langsam gewesen
_________________ Haare spalten ist was für Grobmotoriker
"Leistung muss sich wieder lohnen"<--purer Sozialismus
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Zverov häßlich
Anmeldungsdatum: 05.05.2006 Beiträge: 282
Wohnort: Ravensburg
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(#872342) Verfasst am: 29.11.2007, 22:57 Titel: Re: Haben wir faustkenner hier? |
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Xamanoth hat folgendes geschrieben: |
In der Studierzimmerszene flucht Faust:
"Fluch dem Balsamsaft der Trauen,
fluch der holden Liebeshuld,
fluch der Hoffnung, fluch dem Glauben,
und Fluch vor allem der Geduld!"
Natürlich, scheint an sich selbsterklärend, nur begreife ich nicht, was diese Aussage im Kontext des Teufelspaktes für einen Zweck hat, und was Faust zu diesem Aufruf veranlasst.
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Ich glaube, hier geht es darum, dass Faust gerne nach Höherem streben würde, aber ein Teil von ihm sich dem irdischen Vergnügen verbunden fühlt. Deswegen ist er unzufrieden und verflucht diese Dinge, die das Leben schön machen, weil er sie als Fessel oder Hindernis für sein höheres, seiner Meinung nach edleres Streben empfindet.
Xamanoth hat folgendes geschrieben: |
Des weiteren:
In ebendieser Szene wünscht sich Faust wertlose Sachen - Gold das Zerrint, faulen Wein, ein Spiel das man nie gewinnt - Mephisto sagt "Der Auftrag schreckt mich nicht".
Hier begreife ich nicht, was dieses Soll. Natürlich besiegelt es letztlich den Teufelspakt, aber - was soll das?
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Faust weiß, dass das, worum es in dem Pakt mit Mephisto eigentlich geht - dass er glücklich wird - für ihn durch die Dinge, die Mephisto ihm geben könnte, sei es nun Gold, Essen oder Frauen, nicht erreichbar ist, also wünscht er sich rhetorisch Sachen, die in sich unmöglich sind, um das auszudrücken.
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Kramer postvisuell
Anmeldungsdatum: 01.08.2003 Beiträge: 30878
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(#872346) Verfasst am: 29.11.2007, 23:01 Titel: Re: Haben wir faustkenner hier? |
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Ich habe eben mal in der von Erich Trunz kommentierten Ausgabe nachgeschaut. Da steht einiges zu den Stellen, allerdings zuviel, um es abzutippen, und zuviele Querverweise, um es auf die Schnelle zusammenzufassen. Du findest die Ausgabe bestimmt in der Bibliothek.
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Hornochse Orthographiefetischist
Anmeldungsdatum: 22.07.2007 Beiträge: 8223
Wohnort: Bundeshauptstadt
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(#872568) Verfasst am: 30.11.2007, 01:33 Titel: Re: Haben wir faustkenner hier? |
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Xamanoth hat folgendes geschrieben: |
In der Studierzimmerszene flucht Faust:
"Fluch dem Balsamsaft der Trauen,
fluch der holden Liebeshuld,
fluch der Hoffnung, fluch dem Glauben,
und Fluch vor allem der Geduld!"
Natürlich, scheint an sich selbsterklärend, nur begreife ich nicht, was diese Aussage im Kontext des Teufelspaktes für einen Zweck hat, und was Faust zu diesem Aufruf veranlasst. |
Der Grund für Fausts Ausruf ist, meiner Ansicht nach, folgender (ich schreibe, frevelhafter Weise, meine Kommentare farbig in den Text):
Zitat: | FAUST. O selig der, dem er im Siegesglanze
Die blut’gen Lorbeern um die Schläfe windet,
Den er, nach rasch durchrastem Tanze, (hier wird Fausts Verzweiflung deutlich, da es ihm, trotz allem, nicht gelang, wahre Sinnenfreude zu erlangen, die er auf verschiedenen Wegen suchte, z.B: )
In eines Mädchens Armen findet!
O wär ich vor des hohen Geistes Kraft
Entzückt, entseelt dahin gesunken! (Hieran knüpft Mephisto an:)
MEPHISTOPHELES.
Und doch hat jemand einen braunen Saft (der braune Saft ist das Gift, das Faust zuvor trinken wollte)
In jener Nacht, nicht ausgetrunken.
FAUST. Das Spionieren, scheint’s, ist deine Lust.
MEPHISTOPHELES.
Allwissend bin ich nicht; doch viel ist mir bewußt.
FAUST. Wenn aus dem schrecklichen Gewühle
Ein süß bekannter Ton mich zog (gemeint sind die Kichenglocken, die Faust an seine Kindheit erinnern und ihn vom Selbstmord abhalten),
Den Rest von kindlichem Gefühle 1585
Mit Anklang froher Zeit betrog,
So fluch ich allem, was die Seele
Mit Lock- und Gaukelwerk umspannt, (also das, was Faust zwar nicht genügt, ihn aber vor dem Selbstmord bewahrt)
Und sie in diese Trauerhöhle
Mit Blend- und Schmeichelkräften bannt! [...] |
Anschließend folgen die von dir zitierten Verfluchungen - also die Sinnenfreuden, die Faust zwar keine Genugtuung verschaffen, aber ihn doch an dieses Leben binden.
Die Aufzählung erfüllt, meiner Ansicht nach, einen doppelten Sinn. Zum Einen soll dadurch das, wonach Faust strebt, hervorgetan werden und zum Anderen dient sie als Verdeutlichung der Dringlichkeit Fauts Wunsch nach Erfüllung, da er mit Mephisto wettet, dass es diesem nicht gelingen kann, Faust einen Moment der Sinnenfreude zu geben, der in Faust den Wunsch nach Ewigkeit dieses Moments aufkommen und Faust in seinem Streben rasten lässt.
Zitat: | FAUST. Werd ich beruhigt je mich auf ein Faulbett legen,
So sei es gleich um mich getan!
Kannst du mich schmeichelnd je belügen,
Daß ich mir selbst gefallen mag,
Kannst du mich mit Genuß betrügen -
Das sei für mich der letzte Tag!
Die Wette biet ich! |
fett von mir
Xamanoth hat folgendes geschrieben: | Des weiteren:
In ebendieser Szene wünscht sich Faust wertlose Sachen - Gold das Zerrint, faulen Wein, ein Spiel das man nie gewinnt - Mephisto sagt "Der Auftrag schreckt mich nicht".
Hier begreife ich nicht, was dieses Soll. Natürlich besiegelt es letztlich den Teufelspakt, aber - was soll das? |
Zuvor sagt Faust:
Zitat: | Ward eines Menschen Geist, in seinem hohen Streben,
Von deinesgleichen je gefaßt?
Doch hast du Speise, die nicht sättigt, [...] |
und zählt all diese "wertlosen Sachen" auf. Gemeint ist aber nicht, dass Fausts Wunsch darin besteht, etwas wertloses zu erlangen.
Es soll verdeutlichen, dass Faust Mephisto nicht zutraut, ihm das zu geben, wonach ihm verlangt. Zudem soll die Widerprüchlichkeit der Angeführten Beispiele (Speise, die nicht sättigt, ein Spiel, das man nicht gewinnen kann) Fausts eigene Unsicherheit und Unstetigkeit verdeutlichen, was seine Begierden angeht.
Dies wird später übrigens noch deutlich, als Mephisto zu Faust in der Szene Wald und Höhle sagt:
Zitat: | [...]An dir Gesellen, unhold, barsch und toll,
Ist wahrlich wenig zu verlieren[...] |
Hier beklagt er sich nämlich eben darüber, dass all seine Anstrengungen, Faust zu betören, an eben dieser Unstetigkeit scheiterten.
_________________ Alles könnte anders sein - und fast nichts kann ich ändern.
- Niklas Luhmann -
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