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Was für Werte haben wir? Brauchen wir Werte und Moral?
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Ascanius
abnorm



Anmeldungsdatum: 14.06.2005
Beiträge: 375
Wohnort: Berlin

Beitrag(#944540) Verfasst am: 29.02.2008, 19:55    Titel: Antworten mit Zitat

Sanne hat folgendes geschrieben:
um Tierrechte zu installieren (ich schätze darum geht es, will mir nicht vorstellen, daß es darum ginge, manchen Menschen die Menschenrechte abzusprechen) werden Humanisten diskreditiert und mit Rassisten, Sexisten, Nazis, Homophobikern, Dieben und anderen Kriminellen gleichgestellt.


Das hast Du getan, bzw. versucht, mir in den Mund zu legen. Wenn Du auf den Begriff "Humanist" nicht verzichten möchtest, dann definiere ihn doch einfach so, daß er jemanden repräsentiert, der nicht in dieselbe Kategorie wie Rassisten, Sexisten etc. gehört! Das wäre ein ganz normales philosophisches Prozedere.

Sanne hat folgendes geschrieben:
Der Antispeziesist hat - in meiner Erinnerung - einen Katalog von Eigenschaften, die erfüllt sein müssen, damit ein Wesen/ ein irgendwas Rechte zugestanden bekommt. Dieser Katalog wird von irgendwelchen Leuten


...auf wohlbegründete Weise...

Sanne hat folgendes geschrieben:
festgelegt, die haben sich


...aus guten Gründen...

Sanne hat folgendes geschrieben:
drauf geeinigt.

Andere Leute benutzen einen anderen Katalog.


...meist, ohne genau genug über dessen Implikationen nachzudenken! Selbstverständlich darfst Du mir gern einen Katalog vorlegen und erklären, warum er als Grundlage einer Ethik besser geeignet ist als "meiner".

Sanne hat folgendes geschrieben:
Aber sie benutzen alle einen Katalog, auch und grade die Antispeziesisten und die Utilitaristen.
Das gemeinsame Niveau, welches du beim Rassisten ansiedeln willst, ist, daß überhaupt irgendwelche Eigenschaften verlangt werden.


Es geht nicht anders! Wie sonst willst Du verhindern, daß Felsbrocken oder Scheißhaufen zu moralischen Objekten erklärt und Lesben oder Tapire gequält werden???

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Falls Du es noch nicht bemerkt hast: Es geht in der Ethik darum, gleiche ethisch relevante Eigenschaften auch in gleicher Weise zu würdigen - egal, ob es sich um die Eigenschaften menschlicher oder nichtmenschlicher Tiere handelt!


Sanne hat folgendes geschrieben:
In wessen Ethik? In jeder Ethik?


Ich behaupte: ja, bzw. daß es aus den genannten Gründen so sein sollte. Du darfst natürlich gerne Alternativen anbieten.

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Leider wird's wieder mühselig. Warum hast Du Dich noch nicht mit dem Utilitarismus auseinandergesetzt? Warum nimmst Du an einer Diskussion teil, ohne das dafür notwendige Wissen mitzubringen?


Sanne hat folgendes geschrieben:
Hab ich doch,


Dann hättest Du in Deinem letzten Beitrag keine so unbedarften Fragen gestellt, sondern Gegenargumente geliefert. Auch Deine Bemerkung im ersten Zitat dieses Beitrages dokumentiert, daß Du den Untilitarismus nicht einmal ansatzweise verstanden hast ("Tierrechte installieren / Menschenrechte absprechen").

Sanne hat folgendes geschrieben:
Ich kenn deine Argumente.


Leider ist nicht erkennbar, daß Du ihnen auch nur das Geringste entgegenzusetzen hättest. Darum werde ich mich für heute aus dem Staub machen.

Auf wiederschaun!
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Evilbert
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Anmeldungsdatum: 16.09.2003
Beiträge: 42408

Beitrag(#944547) Verfasst am: 29.02.2008, 20:05    Titel: Antworten mit Zitat

Dunning-Kruger; Vol. 151623.
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Rasmus
entartet und notorisch gottlos - Ich bin Papst



Anmeldungsdatum: 20.05.2004
Beiträge: 17559

Beitrag(#944577) Verfasst am: 29.02.2008, 20:26    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Rasmus hat folgendes geschrieben:
[...](Natürlich unterschieden sich Menschen und Kühe und man kann an Hand dieser Unterschiede eine unterschiedliche Behandlung begründen. Aber die Mühe muss man sich machen, und auch wenn ich kein Vegetarier bin habe ich noch kein Argument in diese Richtung gesehen, daß über das Niveau eines normalen Rassisten hinausginge.)


Hallo Rasmus. Ich würde dagegen zunächst zwei Dinge zu bedenken geben.

Damit überhaupt Ethik existieren kann, bedarf es ethischer Subjekte. Und erst wenn es ethische Subjekte gibt, kann es ethische Objekte geben. Das einizge uns bekannte Wesen aber, daß ein ethisches Subjekt sein kann, das ist der Mensch. Und wenn wir Ethik als den Versuch betrachten, mit Pathos gesprochen, Regeln zu finden, die aus der Welt einen besseren Ort machen können (eben auch für Tiere), dann lässt sich diese kategorische Unterscheidung zwischen Mensch und Tier nicht ignorieren.


Richtig.

Von Tieren ethisches Verhalten zu erwarten wäre ziemlich albern. Aber das, weil sie dazu unfähig sind, und nicht weil sie zufällig bloß keine Menschen sind. Ethisches Verhalten von Menschen zu erwarten die dazu nicht fähig sind wäre halt genauso albern, und es könnte irgendwann Tiere geben, die daß hinbekommen.

Zitat:
Wer ungefähr dieser Meinung ist, der ist jedoch nicht weniger Freund des Tieres und tritt nicht per se weniger für die Rechte des Tieres ein, als diejenigen, die vorangestellte Begründung als "speziesistisch" bezeichnen. Und dies wird leider, meiner Erfahrung aus einer Reihe von Diskussionen heraus, stillschweigend unterstellt. Im Gegenteil halte ich es sogar für gegeben, daß genau die Anerkenntnis des prinzipiellen Unterschiedes zwischem ethischem Subjekt und ethischem Objekt erst eine Voraussetzung dafür darstellt, das Tier als Wesen mit berechtigten (aber eben ihm gemäßen) Interessen zu postulieren. Denn selber kann es das nicht. Weder für sich noch für andere Tiere mit berechtigten Interessen.


Ich habe niemanden als speziesistisch bezeichnet. Und was Du hier darlegst ist ja eben nicht primär an der Spezies festgemacht, sondern an individuellen Fähigkeiten. Das ist aber was völlig anderes.

Auf den Punkt gebracht: Die eigentliche Frage ist, inwiefern behandeln wir Menschenbabys und z.B. Schimpansen anders, und wie rechtfertigen wir diese Unterscheidung? Wenn die Begründung nur auf "Wir sind Menschen und die sind Schimpansen" hinausläuft halte ich das für problematisch.
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Sylvia Browne - Wahrsager oder Scharlatan?
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zelig
Kultürlich



Anmeldungsdatum: 31.03.2004
Beiträge: 25405

Beitrag(#944613) Verfasst am: 29.02.2008, 20:55    Titel: Antworten mit Zitat

Rasmus hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Rasmus hat folgendes geschrieben:
[...](Natürlich unterschieden sich Menschen und Kühe und man kann an Hand dieser Unterschiede eine unterschiedliche Behandlung begründen. Aber die Mühe muss man sich machen, und auch wenn ich kein Vegetarier bin habe ich noch kein Argument in diese Richtung gesehen, daß über das Niveau eines normalen Rassisten hinausginge.)


Hallo Rasmus. Ich würde dagegen zunächst zwei Dinge zu bedenken geben.

Damit überhaupt Ethik existieren kann, bedarf es ethischer Subjekte. Und erst wenn es ethische Subjekte gibt, kann es ethische Objekte geben. Das einizge uns bekannte Wesen aber, daß ein ethisches Subjekt sein kann, das ist der Mensch. Und wenn wir Ethik als den Versuch betrachten, mit Pathos gesprochen, Regeln zu finden, die aus der Welt einen besseren Ort machen können (eben auch für Tiere), dann lässt sich diese kategorische Unterscheidung zwischen Mensch und Tier nicht ignorieren.


Richtig.

Von Tieren ethisches Verhalten zu erwarten wäre ziemlich albern. Aber das, weil sie dazu unfähig sind, und nicht weil sie zufällig bloß keine Menschen sind. Ethisches Verhalten von Menschen zu erwarten die dazu nicht fähig sind wäre halt genauso albern, und es könnte irgendwann Tiere geben, die daß hinbekommen.

Zitat:
Wer ungefähr dieser Meinung ist, der ist jedoch nicht weniger Freund des Tieres und tritt nicht per se weniger für die Rechte des Tieres ein, als diejenigen, die vorangestellte Begründung als "speziesistisch" bezeichnen. Und dies wird leider, meiner Erfahrung aus einer Reihe von Diskussionen heraus, stillschweigend unterstellt. Im Gegenteil halte ich es sogar für gegeben, daß genau die Anerkenntnis des prinzipiellen Unterschiedes zwischem ethischem Subjekt und ethischem Objekt erst eine Voraussetzung dafür darstellt, das Tier als Wesen mit berechtigten (aber eben ihm gemäßen) Interessen zu postulieren. Denn selber kann es das nicht. Weder für sich noch für andere Tiere mit berechtigten Interessen.


Ich habe niemanden als speziesistisch bezeichnet. Und was Du hier darlegst ist ja eben nicht primär an der Spezies festgemacht, sondern an individuellen Fähigkeiten. Das ist aber was völlig anderes.

Auf den Punkt gebracht: Die eigentliche Frage ist, inwiefern behandeln wir Menschenbabys und z.B. Schimpansen anders, und wie rechtfertigen wir diese Unterscheidung? Wenn die Begründung nur auf "Wir sind Menschen und die sind Schimpansen" hinausläuft halte ich das für problematisch.


In aller Kürze. Meine Antwort war ein Versuch, Deiner Aufforderung nachzukommen, den Unterschied zum Rassismus darzulegen. Ein Rassist wäre jemand, der auf Menschen bezogen so argumentieren würde wie ich (Er würde vielleicht sagen: "Neger können, wie Tiere, kein volles Selbstbestimmungsrecht haben, da sie nicht dazu befähigt sind, vollwertige ethische Subjekte zu sein.")
Wer den BEgriff Speziesismus verwendet, der behauptet aber, daß es keinen Unterschied in der Argumentation gibt. Das wollte ich nachvollziehbar machen.
_________________
Es gibt kein richtiges Leben im falschen.
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AgentProvocateur
registrierter User



Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#944663) Verfasst am: 29.02.2008, 22:03    Titel: Antworten mit Zitat

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Ascanius hat folgendes geschrieben:
Es bereitet Menschen Angst, befürchten zu müssen, daß sie während einer Bewußtlosigkeit verstümmelt oder umgebracht werden. Darum sollte auch das unterbleiben.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ja, ja, schon klar. Bedeutet aber logischerweise, dass es Deiner Ansicht nach ethisch neutral wäre, einen Bewusstlosen zu töten, wenn das sonst keiner mitbekäme (2 Schiffbrüchige auf einer einsamen Insel, einer davon bewusstlos/schlafend).

Es gibt selbst bei einer solchen Tat keine Garantie dafür, daß sie nicht entdeckt wird.

Na und. Eine garantierte Zukunft gibt es niemals, es gibt immer höchstens eine sehr wahrscheinliche Zukunft.

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Außerdem können wir alle Schiffbruch erleiden und würden uns über ein gewisses Maß an Sicherheit freuen, einen zweisamen Inselaufenthalt auch zu überleben. Eine solche Sicherheit gibt es nur, wenn wir alle bereit sind, darauf zu verzichten, ein lebensbewußtes Wesen gegen seinen Willen zu töten - sei's auf dem Kudamm, sei's auf einer einsamen Insel.

In meinem Beispiel ging es nicht um ein lebensbewusstes Wesen, sondern um einen Bewusstlosen. Da dieser vorher nichts von seiner bevorstehenden Tötung wusste, konnte er auch keine Angst entwickeln. In diesem Fall muss also eine Tötung Deiner bisherigen Begründungen nach logischerweise ethisch neutral sein. Du müsstest zusätzliche bisher nicht erwähnte Gründe anführen, falls Du der Meinung wärst, das sei abzulehnen.

Klar aber kann man sich gemeinschaftlich einigen, Wesen, die später ein Selbstbewusstsein erlangen werden, nicht zu töten. Nur gilt das gleichfalls für den Säugling. Dabei spielt es keine Rolle, ob ich persönlich noch einmal ein Säugling werden kann oder nicht. Ich kann nicht einsehen, wieso ein genuin egoistisches Interesse wertvoller sein sollte als ein eher altruistisches Interesse. Jedoch genau dieser mMn unbegründeten Annahme begegnet man bei den Anhängern Singers auf Schritt und Tritt. Es ist aber nur eine Setzung und zwar eine, die mir überhaupt nicht evident erscheint. Hier müsste also noch ein wenig Begründungsarbeit geleistet werden.

Ascanius hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Klar folgt aus einem Kann kein Muss, aber es folgt eine ethische Neutralität der (schmerzlosen) Tötung von Säuglingen und Kühen.

Nicht unbedingt. Säuglinge und Kühe können geliebt werden und deshalb von Bedeutung für andere leidensfähige Wesen sein. Das meinte ich mit "indirekten Gründen, auf Tötungen zu verzichten".

Ja, sicher, die können aber ebenso auch nicht persönlich geliebt werden und daher von keiner direkten Bedeutung für andere bewussten Wesen sein. Was wäre Deine Ansicht in einem solchen Falle? Die Tötung wäre ethisch neutral?

Ascanius hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Bisher hast Du nur von Leid gesprochen, nicht von einer Abwägung von Leid mit Glück. Wenn aber Glück keine Rolle spielen soll, nur Leidvermeidung, dann ist es eben logischerweise eine gute Tat, alles Leben zu beenden, bevor es zukünftiges Leid erfahren kann.

Glück kann es nur in wenigstens zeitweiliger Abwesenheit von Leid geben. Also ist es folgerichtig, die Linderung und Beseitigung von Leid zu fordern, bevor man anfängt, über Glück zu reden. Tatsächlich ist es auch absurd, das Leben eines glücklichen Millionärs zu verschönern, solange es Menschen gibt, die weder sauberes Wasser noch genug zu essen haben.

Du bist überhaupt nicht auf meinen Einwand eingegangen. Wenn die Vermeidung zukünftigen Leides die einzige Prämisse Deiner Ethik ist, dann folgt daraus zwingend, dass alles Leben so schnell und schmerzlos wie möglich zu beenden ist. Denn das Leid einer schnellen und schmerzlosen Tötung ist sicher geringer als die Summe des Leides, die das Wesen anderenfalls im Laufe seines Lebens noch erfahren würde.

Anders gesagt: das Ziel der möglichst weitgehenden Leidvermeidung kann wenig zur Begründung eines Tötungsverbotes beitragen.
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Wolf
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Anmeldungsdatum: 23.08.2004
Beiträge: 16610
Wohnort: Zuhause

Beitrag(#944683) Verfasst am: 29.02.2008, 22:16    Titel: Antworten mit Zitat

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Wolf hat folgendes geschrieben:
Ascanius hat folgendes geschrieben:
Sanne hat folgendes geschrieben:
x² = 4

x kann 2 oder minus 2 sein...


Mathematik hat ja an sich erstmal nichts mit der Wirklichkeit zu tun. Darum kann man sie auch nicht beliebig auf reale Sachverhalte anwenden. So gibt es z.B. keine Dinge, die äquivalent mit der Zahl '-2' sind.


2Euro Schulden.


Schulden sind ja kein Ding sondern nur eine Äquivalenzklasse von Dingen, also ein Konstrukt.

Was ist ein Ding?
Und wo ist der Unterschied zwischen einem Konstrukt und einem realen Sachverhalt?
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Trish:(
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Ascanius
abnorm



Anmeldungsdatum: 14.06.2005
Beiträge: 375
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Beitrag(#944889) Verfasst am: 01.03.2008, 02:53    Titel: Antworten mit Zitat

Das nenne ich sachliche Kritik! Smilie

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Es bereitet Menschen Angst, befürchten zu müssen, daß sie während einer Bewußtlosigkeit verstümmelt oder umgebracht werden. Darum sollte auch das unterbleiben.


AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ja, ja, schon klar. Bedeutet aber logischerweise, dass es Deiner Ansicht nach ethisch neutral wäre, einen Bewusstlosen zu töten, wenn das sonst keiner mitbekäme (2 Schiffbrüchige auf einer einsamen Insel, einer davon bewusstlos/schlafend).


Ascanius hat folgendes geschrieben:
Es gibt selbst bei einer solchen Tat keine Garantie dafür, daß sie nicht entdeckt wird.


AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Na und. Eine garantierte Zukunft gibt es niemals, es gibt immer höchstens eine sehr wahrscheinliche Zukunft.


Die Möglichkeit, daß der Mord von Dritten entdeckt wird, ist auch auf einer einsamen Insel gegeben. Wie wahrscheinlich es ist, dort vom einzigen anderen Mitbewohner getötet zu werden, hängt von dessen Ethik ab. Jemand, der sich einen Dreck um lebensbewußte Wesen schert oder den nur drohende Bestrafung von Verbrechen abhält, wird in dieser Situation eher zu einem Mord bereit sein, als jemand, der verstanden hat, warum er das Lebensinteresse anderer Menschen respektieren sollte. Darum weiß ich nicht recht, worauf Du hinaus willst. All das, was wir mit einer Ethik erreichen wollen, ist nur erreichbar, wenn sich so viele Menschen wie möglich - am besten alle - gemäß ihren Grundsätzen verhalten wollen und das auch voneinander wissen.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
In meinem Beispiel ging es nicht um ein lebensbewusstes Wesen, sondern um einen Bewusstlosen. Da dieser vorher nichts von seiner bevorstehenden Tötung wusste, konnte er auch keine Angst entwickeln.


Man kann doch nicht nur dann Angst vor einer Ermordung haben, wenn man definitiv weiß, daß sie einem bevorsteht!

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
In diesem Fall muss also eine Tötung Deiner bisherigen Begründungen nach logischerweise ethisch neutral sein. Du müsstest zusätzliche bisher nicht erwähnte Gründe anführen, falls Du der Meinung wärst, das sei abzulehnen.


Die Angst, ermordet zu werden, ist umso größer, je weniger sicher wir sein können, nicht ermordet zu werden. Wir können umso sicherer sein, nicht getötet zu werden, je besser wir uns darauf verlassen können, daß Menschen keine anderen lebensbewußten Wesen töten - gleichgültig, ob am Kudamm oder auf einer einsamen Insel. Allerdings kann keine Ethik der Welt ihre eigene Mißachtung mit absoluter Zuverlässigkeit unterbinden. Man kann nur versuchen, sie auf ein rationales und für möglichst alle Menschen nachvollziehbares Fundament zu stellen sowie logisch konsistent zu halten. Ich wüßte nicht, welche ethische Theorie in dieser Hinsicht größere Erfolgsaussichten hätte als der Utilitarismus, aber Du darfst gerne Vorschläge machen.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Klar aber kann man sich gemeinschaftlich einigen, Wesen, die später ein Selbstbewusstsein erlangen werden, nicht zu töten.


Dabei macht den entscheidenden Unterschied, ob diese Wesen schon einmal Lebensbewußtsein hatten oder jemals wiedererlangen werden. Ein Säugling kann bis ins Kleinkindalter hinein keine Angst vor dem Tod haben, weil er nicht weiß, daß er lebt. Darum ist es sinnlos, ihm - wie auch anderen Organismen ohne Lebensbewußtsein - ein (weitestgehend) uneingeschränktes Lebensrecht zuzubilligen. Ob's uns paßt oder nicht: alle Gründe gegen seine Tötung können "nur" indirekt sein. Ein Säugling ist nun mal ein moralisches Objekt ganz anderer Art als ein erwachsener Mensch, und deshalb gibt es keine lebensbewußten Wesen, die aus der Tötung eines Säuglings für sich selbst eine berechtigte Angst ableiten könnten. Ganz anders sieht es mit einem Bewußtlosen aus. Die Bedrohung, während einer Bewußtlosigkeit oder auch während des Schlafes umgebracht zu werden, bereitet lebensbewußten Wesen Angst. Eine Ethik hat diese Bedrohung abzustellen.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ich kann nicht einsehen, wieso ein genuin egoistisches Interesse wertvoller sein sollte als ein altruistischer Interesse.


Sorry, aber das verstehe ich leider nicht. Was ist ein "egoistisches Interesse"? Was ist ein "altruistisches Interesse"?

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Jedoch genau dieser mMn unbegründeten Annahme begegnet man bei den Anhängern Singers auf Schritt und Tritt. Es ist aber nur eine Setzung und zwar eine, die mir überhaupt nicht evident erscheint. Hier müsste also noch ein wenig Begründungsarbeit geleistet werden.


Um die werde ich mich gern bemühen, sobald ich genau weiß, wovon Du sprichst.

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Säuglinge und Kühe können geliebt werden und deshalb von Bedeutung für andere leidensfähige Wesen sein. Das meinte ich mit "indirekten Gründen, auf Tötungen zu verzichten".


AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ja, sicher, die können aber ebenso auch nicht persönlich geliebt werden und daher von keiner direkten Bedeutung für andere bewussten Wesen sein.


Weder Kühe noch Säuglinge sind Personen. Was also bedeutet "persönlich lieben"?

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Was wäre Dein Argument in einem solchen Falle? Tötung ist ethisch neutral?


Tötungen, die niemandem - auch nicht indirekt - Leid zufügen, sind in der Tat ethisch neutral, d.h. es folgt weder ein Handlungsge- noch ein Handlungsverbot. Alles andere wäre willkürlich und nur mit dogmatischer Gewalt durchzudrücken (z.B. per Gesetz).

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wenn die Vermeidung zukünftigen Leides die einzige Prämisse Deiner Ethik ist, dann folgt daraus zwingend, dass alles Leben so schnell und schmerzlos wie möglich zu beenden ist. Das Leid einer schnellen und schmerzlosen Tötung ist sicher geringer als die Summe des Leides, die das Wesen anderenfalls im Laufe seines Lebens noch erfahren wird.

Anders gesagt: das Ziel der möglichst weitgehenden Leidvermeidung kann schlicht nicht zur Begründung eines Tötungsverbotes dienen.


Hervorragender Einwand, aber ich denke, er läßt sich zurückweisen:

Jede Ethik setzt die Existenz von moralischen Subjekten voraus, und tatsächlich existieren sie auch. Moralische Subjekte sind Teilmenge aller moralischen Objekte. Sie sind lebensbewußt, haben ein Lebensinteresse und sind zu jenen komplexen Wahrnehmungs- und Denkleistungen in der Lage, die eine Analyse und Abwägung ihrer Bedürfnisse und Interessen mit denen anderer leidensfähiger Wesen erfordert. Kurz: keine moralischen Subjekte -> keine Ethik <-> keine Leidvermeidung.
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Ascanius
abnorm



Anmeldungsdatum: 14.06.2005
Beiträge: 375
Wohnort: Berlin

Beitrag(#944890) Verfasst am: 01.03.2008, 03:01    Titel: Antworten mit Zitat

Wolf hat folgendes geschrieben:
Was ist ein Ding?


Ein Ding ist ein reales Objekt. Es kann mit anderen Dingen interagieren. Weil Schulden nicht mit Dingen interagieren können, sind sie ein Konstrukt, genauer eine Äquivalenzklasse realer Objekte wie z.B. Münzen, Geldscheine oder Schecks.

Wolf hat folgendes geschrieben:
Und wo ist der Unterschied zwischen einem Konstrukt und einem realen Sachverhalt?


Ein Konstrukt oder fiktives Objekt ist eine Äquivalenzklasse von Gehirnprozessen. Diese Prozesse finden zwar wirklich statt, sind aber selbst nicht real, weil sie mehr als einen Zustand des Gehirns umfassen (kein reales Objekt kann gleichzeitig in mehr als einem Zustand sein). Nur das Gehirn selbst ist real, und zwar zu jeweils einem bestimmten Zeitpunkt in einem bestimmten Zustand. Auch Sachverhalte können - je nach dem, ob sie ein Ding oder Konstrukt darstellen - real oder fiktiv sein. Die Existenz des Mondes ist ein realer Sachverhalt, die Freundschaft zwischen Popeye und Olivia ein fiktiver.
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Tarvoc
Holy shit, 4 decades already.



Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44766

Beitrag(#944894) Verfasst am: 01.03.2008, 03:23    Titel: Antworten mit Zitat

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Kein reales Objekt kann gleichzeitig in mehr als einem Zustand sein.

Doch, das geht sehr wohl. Ich bin zum Beispiel von deinem Posting gleichzeitig gelangweilt und belustigt. zwinkern
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"Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustand, in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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atheist666
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Anmeldungsdatum: 17.02.2007
Beiträge: 8494

Beitrag(#944923) Verfasst am: 01.03.2008, 08:23    Titel: Antworten mit Zitat

Ascanius schrieb:
Zitat:
Weil Schulden nicht mit Dingen interagieren können, sind sie ein Konstrukt, genauer eine Äquivalenzklasse realer Objekte wie z.B. Münzen, Geldscheine oder Schecks.


Der war gut Gröhl...
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Wolf
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Anmeldungsdatum: 23.08.2004
Beiträge: 16610
Wohnort: Zuhause

Beitrag(#944982) Verfasst am: 01.03.2008, 12:27    Titel: Antworten mit Zitat

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Wolf hat folgendes geschrieben:
Was ist ein Ding?


Ein Ding ist ein reales Objekt. Es kann mit anderen Dingen interagieren. Weil Schulden nicht mit Dingen interagieren können, sind sie ein Konstrukt, genauer eine Äquivalenzklasse realer Objekte wie z.B. Münzen, Geldscheine oder Schecks.

Wenn ich eine Äquivalenzreleation zwischen (neg) Zahlen und Schulden schaffe und eine Äquivalenzrelation zwischen Schulden und Münzen, Papiergeld kann ich dann eine Äquivalenzreleation zwischen (neg) Zahlen und Geld schaffen?
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Wolf
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Anmeldungsdatum: 23.08.2004
Beiträge: 16610
Wohnort: Zuhause

Beitrag(#944994) Verfasst am: 01.03.2008, 12:36    Titel: Antworten mit Zitat

Ascanius hat folgendes geschrieben:

Ein Konstrukt oder fiktives Objekt ist eine Äquivalenzklasse von Gehirnprozessen.
Was ist das nicht?
Zitat:

Diese Prozesse finden zwar wirklich statt, sind aber selbst nicht real
Die Prozesse finden wirklich statt sind aber nicht real? Klingt widersprüchlich.
Zitat:

, weil sie mehr als einen Zustand des Gehirns umfassen (kein reales Objekt kann gleichzeitig in mehr als einem Zustand sein).
Das verstehe ich nicht.
Inwiefern hatt die Zahl 2 bzw die dazu gehörigen Prozesse im Gehirn mehre Zustände?
Was sind dies für Zustände? Welchen Zustand hat das reale Objekt Sessel?
Zitat:

Nur das Gehirn selbst ist real, und zwar zu jeweils einem bestimmten Zeitpunkt in einem bestimmten Zustand. Auch Sachverhalte können - je nach dem, ob sie ein Ding oder Konstrukt darstellen - real oder fiktiv sein. Die Existenz des Mondes ist ein realer Sachverhalt, die Freundschaft zwischen Popeye und Olivia ein fiktiver.

Ist die Freundschaft zwischen mir und einem Freund fiktiv oder real?
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Anmeldungsdatum: 08.10.2006
Beiträge: 9142

Beitrag(#945008) Verfasst am: 01.03.2008, 13:17    Titel: Antworten mit Zitat

Reza hat folgendes geschrieben:
Ascanius hat folgendes geschrieben:
Warum hast Du Dich noch nicht mit dem Utilitarismus auseinandergesetzt? Warum nimmst Du an einer Diskussion teil, ohne das dafür notwendige Wissen mitzubringen?


Warum hast du ein derartig unangenehmes Auftreten?
Sind dir die Bedingungen um in diesem Forum mit diskutieren zu können nicht bekannt?
Setzt DU hier neuerdings die Regeln fest, wer hier wo diskutieren darf?

Gehört dieses Verhalten unabdingbar zu deiner Ethik?


Dachte ich auch gerade beim Lesen dieses Beitrages! Zustimm!
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Ascanius
abnorm



Anmeldungsdatum: 14.06.2005
Beiträge: 375
Wohnort: Berlin

Beitrag(#945036) Verfasst am: 01.03.2008, 14:23    Titel: Antworten mit Zitat

Wolf hat folgendes geschrieben:
Wenn ich eine Äquivalenzreleation zwischen (neg) Zahlen und Schulden schaffe und eine Äquivalenzrelation zwischen Schulden und Münzen, Papiergeld kann ich dann eine Äquivalenzreleation zwischen (neg) Zahlen und Geld schaffen?


Leider bin ich kein Mathematiker, und deshalb will ich mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Wenn es Dir gelingt, ein System von Aussagen über reale Objekte so zu mathematisieren, daß eines oder mehrere von ihnen sinnvoll durch eine negative Zahl symbolisiert werden, soll es mir recht sein. Mir ging es hauptsächlich um die Warnung davor, uns von mathematischen Werkzeugen zu philosophischen Irrtümern verleiten zu lassen. Dinge haben keine negativen Eigenschaften. Es ist keine Eigenschaft, etwas nicht zu sein, denn alle Dinge sind irgendetwas nicht.

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Ein Konstrukt oder fiktives Objekt ist eine Äquivalenzklasse von Gehirnprozessen.


Wolf hat folgendes geschrieben:
Was ist das nicht?


Dinge!

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Diese Prozesse finden zwar wirklich statt, sind aber selbst nicht real.


Wolf hat folgendes geschrieben:
Klingt widersprüchlich.


Ich weiß. Lachen Ein Ding ist ein reales Objekt in einem bestimmten Zustand zu einem bestimmten Zeitpunkt. Prozesse sind Zustandsänderungen eines Dinges und umfassen deshalb mindestens zwei seiner Zustände. Darum ist ein Ding wohl real zu jedem einzelnen Zeitpunkt während jenes Prozesses, den es durchläuft, nicht aber simultan in allen Zuständen, die diesen Prozess ausmachen. Zustandsänderungen können nur gedacht werden.

Ascanius hat folgendes geschrieben:
kein reales Objekt kann gleichzeitig in mehr als einem Zustand sein).


Wolf hat folgendes geschrieben:
Das verstehe ich nicht.


Der Zustand eines Dinges (z.B. eines Sessels) ist die Gesamtheit seiner Eigenschaften zu einem bestimmten Zeitpunkt. Ein Ding kann weder zu verschiedenen Zeitpunkten in identischen Zuständen sein noch in mehr als einem Zustand zu einem bestimmten Zeitpunkt.

Wolf hat folgendes geschrieben:
Inwiefern hatt die Zahl 2 bzw die dazu gehörigen Prozesse im Gehirn mehre Zustände?


Weder Zahlen noch Prozesse haben überhaupt Zustände, denn sie sind nicht real. Nur das Gehirn, das diese Objekte denkt, ist real.

Wolf hat folgendes geschrieben:
Ist die Freundschaft zwischen mir und einem Freund fiktiv oder real?


Sie ist fiktiv: keine neuronalen Systeme, die Freundschaft empfinden -> keine Freundschaft.
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AgentProvocateur
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Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#945084) Verfasst am: 01.03.2008, 15:50    Titel: Antworten mit Zitat

Ascanius hat folgendes geschrieben:
[...]
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ja, ja, schon klar. Bedeutet aber logischerweise, dass es Deiner Ansicht nach ethisch neutral wäre, einen Bewusstlosen zu töten, wenn das sonst keiner mitbekäme (2 Schiffbrüchige auf einer einsamen Insel, einer davon bewusstlos/schlafend).

[...]Die Möglichkeit, daß der Mord von Dritten entdeckt wird, ist auch auf einer einsamen Insel gegeben. Wie wahrscheinlich es ist, dort vom einzigen anderen Mitbewohner getötet zu werden, hängt von dessen Ethik ab. Jemand, der sich einen Dreck um lebensbewußte Wesen schert oder den nur drohende Bestrafung von Verbrechen abhält, wird in dieser Situation eher zu einem Mord bereit sein, als jemand, der verstanden hat, warum er das Lebensinteresse anderer Menschen respektieren sollte. Darum weiß ich nicht recht, worauf Du hinaus willst. All das, was wir mit einer Ethik erreichen wollen, ist nur erreichbar, wenn sich so viele Menschen wie möglich - am besten alle - gemäß ihren Grundsätzen verhalten wollen und das auch voneinander wissen.

Ich möchte auf folgendes hinaus: ich meine, dass in einer Ethik (auch einer utilitaristischen) der folgende Grundsatz unverzichtbar ist: es ist falsch, das Leben von bewusstseinsfähigen Wesen zu verkürzen (eventuell mit diesen Ausnahmen: a) das Wesen stimmt explizit der Tötung zu oder b) das Wesen kann nicht gefragt werden und sein weiteres Leben wird aller Voraussicht nach für es unerträglich sein).

Hat der Schiffbrüchige im Beispiel oben diesen Grundsatz, dann wäre es einfach aufgrund dessen falsch, den anderen bewusstlosen Schiffbrüchigen zu töten.

Du aber lehnst anscheinend diesen Grundsatz für Deine Ethik ab:

Ascanius hat folgendes geschrieben:
II. Warum die Vereitelung von Zukunftswünschen ein Argument gegen die Tötung (mindestens) selbstbewußter Wesen sein soll, kann ich insofern nicht nachvollziehen, als sie unter der Nichterfüllung ihrer Wünsche ja nicht mehr leiden können, wenn sie tot sind.


Ascanius hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Klar aber kann man sich gemeinschaftlich einigen, Wesen, die später ein Selbstbewusstsein erlangen werden, nicht zu töten.

Dabei macht den entscheidenden Unterschied, ob diese Wesen schon einmal Lebensbewußtsein hatten oder jemals wiedererlangen werden. Ein Säugling kann bis ins Kleinkindalter hinein keine Angst vor dem Tod haben, weil er nicht weiß, daß er lebt. Darum ist es sinnlos, ihm - wie auch anderen Organismen ohne Lebensbewußtsein - ein (weitestgehend) uneingeschränktes Lebensrecht zuzubilligen. Ob's uns paßt oder nicht: alle Gründe gegen seine Tötung können "nur" indirekt sein. Ein Säugling ist nun mal ein moralisches Objekt ganz anderer Art als ein erwachsener Mensch, und deshalb gibt es keine lebensbewußten Wesen, die aus der Tötung eines Säuglings für sich selbst eine berechtigte Angst ableiten könnten. Ganz anders sieht es mit einem Bewußtlosen aus. Die Bedrohung, während einer Bewußtlosigkeit oder auch während des Schlafes umgebracht zu werden, bereitet lebensbewußten Wesen Angst. Eine Ethik hat diese Bedrohung abzustellen.

In mir erweckt jedoch eine Gesellschaft, die ihre Mitglieder nach dem Grad ihres Bewusstseins bestimmen will und diejenigen, die diesen geforderten Grad noch nicht erreicht haben (Wie genau sehen eigentlich die Kriterien dafür aus? Wo liegen die Grenzen? Wer legt das fest? Wie können wir jemals eine allgemeine Einigung darüber erzielen, wer aus der Gesellschaft auszugrenzen ist und wer nicht?), aus der Gesellschaft ausschließen will, indem sie ihnen mMn wesentliche Grundrechte entzieht, sehr große Befürchtungen. Die Bedrohung durch eine Ethik, die eine derartige Segregation gut heißt, halte ich für nicht geringer als die Bedrohung durch eine Ethik, die bewusste Angehörige einer Minderheit, der ich nicht angehöre und niemals angehören kann, ausmerzen will.

Dabei spielt es keine Rolle, dass die Gründe indirekt sind. Sie sind es nämlich ganz genauso bei dem Bewusstlosen. Dem soll aber sein allgemeines Lebensrecht nicht entzogen werden, weil wir (die bereits selbst-bewussten Wesen) auch bewusstlos werden könnten und somit direkte Angst vor persönlicher Betroffenheit durch eine solche Regelung haben könnten. Und dieses wir hat hierbei eine a) ausgrenzende Funktion und impliziert b) eine besondere Wertigkeit persönlich egoistischer Motive.

Ascanius hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ich kann nicht einsehen, wieso ein genuin egoistisches Interesse wertvoller sein sollte als ein altruistischer Interesse.

Sorry, aber das verstehe ich leider nicht. Was ist ein "egoistisches Interesse"? Was ist ein "altruistisches Interesse"?

Ich meine das so:
egoistisch - direkte Gründe für etwas (ich könnte persönlich davon betroffen sein, wenn zum Beispiel Tötung allgemein akzeptiert werden würde)
altruistisch - indirekte Gründe (ich wäre von etwas nicht direkt persönlich betroffen, jedoch indirekt, wenn z.B. Tötungen von Säuglingen allgemein akzeptiert werden würden)

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Ascanius hat folgendes geschrieben:
Säuglinge und Kühe können geliebt werden und deshalb von Bedeutung für andere leidensfähige Wesen sein. Das meinte ich mit "indirekten Gründen, auf Tötungen zu verzichten".

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ja, sicher, die können aber ebenso auch nicht persönlich geliebt werden und daher von keiner direkten Bedeutung für andere bewussten Wesen sein.

Weder Kühe noch Säuglinge sind Personen. Was also bedeutet "persönlich lieben"?

Persönlich geliebt durch dritte Personen meinte ich natürlich.

Ascanius hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Was wäre Dein Argument in einem solchen Falle? Tötung ist ethisch neutral?

Tötungen, die niemandem - auch nicht indirekt - Leid zufügen, sind in der Tat ethisch neutral, d.h. es folgt weder ein Handlungsge- noch ein Handlungsverbot. Alles andere wäre willkürlich und nur mit dogmatischer Gewalt durchzudrücken (z.B. per Gesetz).

Tja, dann sind wir wieder oben bei der Bewertung der Tötung des obigen Schiffbrüchigen als ethisch neutral. Ich halte eine solche Ethik für nicht haltbar.

Es ist auch so: anders, als Du weiter oben irgendwo behauptet hast, bin ich der Meinung, dass die Ethik einer Gesellschaft sehr wohl auf das Recht durchschlagen muss. Das Rechtssystem kann von der Ethik nicht unabhängig sein.

Das bedeutet konkret in Deinem Falle, dass Du dafür eintreten müsstest, das bestehende Rechtssystem insoweit zu ändern, dass Kindstötungen als weit weniger verwerflich als die Tötungen von Erwachsenen zu bewerten wären. Die Verwerflichkeit hängt ja Deiner Ansicht nach von dem direkten Leid Dritter ab. Wenn also ein Säugling getötet würde, der Waise wäre, müsste das Deiner Ansicht nach weit weniger verwerflich sein, als wenn ein Säugling entführt und getötet würde. Denn letzteres würde sicher großes Leid bei den Angehörigen hervorrufen. Wenn die Angehörigen jedoch einvernehmlich den Säugling töteten, dann müsste das nach Deinen Argumenten ethisch neutral sein und dürfte also folgerichtig nicht mit Sanktionen belegt werden.

Ascanius hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wenn die Vermeidung zukünftigen Leides die einzige Prämisse Deiner Ethik ist, dann folgt daraus zwingend, dass alles Leben so schnell und schmerzlos wie möglich zu beenden ist. Das Leid einer schnellen und schmerzlosen Tötung ist sicher geringer als die Summe des Leides, die das Wesen anderenfalls im Laufe seines Lebens noch erfahren wird.

Anders gesagt: das Ziel der möglichst weitgehenden Leidvermeidung kann schlicht nicht zur Begründung eines Tötungsverbotes dienen.

Hervorragender Einwand, aber ich denke, er läßt sich zurückweisen:

Jede Ethik setzt die Existenz von moralischen Subjekten voraus, und tatsächlich existieren sie auch. Moralische Subjekte sind Teilmenge aller moralischen Objekte. Sie sind lebensbewußt, haben ein Lebensinteresse und sind zu jenen komplexen Wahrnehmungs- und Denkleistungen in der Lage, die eine Analyse und Abwägung ihrer Bedürfnisse und Interessen mit denen anderer leidensfähiger Wesen erfordert. Kurz: keine moralischen Subjekte -> keine Ethik <-> keine Leidvermeidung.

Oh, das verstehe ich nicht. Für mich bedeutet "Leidvermeidung" die Vermeidung von gegenwärtigem und zukünftigem Leid. Das bedeutet aber keineswegs, dass man erst einmal Leid zulassen oder erzeugen muss, um es dann vermindern zu können. Die beste Leidvermeidung scheint mir die zu sein, die Entstehung von Leid möglichst im Vorneherein schon so effektiv wie möglich zu verhindern.

Dein Problem an der Stelle ist Deine Weigerung, bewusstes Leben als etwas Positives und daher Erhaltenswertes anzusehen. Solange Du das nicht tust, ist mein Einwand gültig und kann von Dir, so wie ich das sehe, nicht widerlegt werden.
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Tarvoc
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Beitrag(#945255) Verfasst am: 01.03.2008, 20:44    Titel: Antworten mit Zitat

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Wolf hat folgendes geschrieben:
Ist die Freundschaft zwischen mir und einem Freund fiktiv oder real?

Sie ist fiktiv.

Hast du eigentlich viele Freunde? zwinkern
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Beitrag(#945261) Verfasst am: 01.03.2008, 21:10    Titel: Antworten mit Zitat

ich lese gerade das buch "die neuen spießer" von christian rickens. paßt zu dieser unsäglichen wertediskussion aus dieser gewissen ecke und rickens hat z.b. in peter hahne und eva herman sein "feindbild" gefunden. ist keine hochtrabende literatur und sicher geisteswissenschaftlich nicht gerade einer promotion gleich, aber es ist locker flockig und liest sich mal eben nebenbei am sonntag nachmittag. und es sind ein paar nette und auch schlagkräftige gedanken und argumente enthalten. was will man mehr.

natürlich ist auch eine gewisse grundhaltung deutlich erkennbar, die man ja aber nicht teilen muß und es ist recht durcheinander - aber das stört mich bis jetzt weniger. man muß ja nicht alles gut finden. der schreibstil ist natürlich etwas polemisch und massentauglich. aber für einen halben tag bißchen was lesen ohne viel kopfanstrengung ist das auch egal.
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Ascanius
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Beitrag(#945664) Verfasst am: 02.03.2008, 17:18    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ich meine, dass in einer Ethik (auch einer utilitaristischen) der folgende Grundsatz unverzichtbar ist: es ist falsch, das Leben von bewusstseinsfähigen Wesen zu verkürzen (eventuell mit diesen Ausnahmen: a) das Wesen stimmt explizit der Tötung zu


Dazu sind nur Menschen in der Lage...

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
oder b) das Wesen kann nicht gefragt werden und sein weiteres Leben wird aller Voraussicht nach für es unerträglich sein).


Das kann auch auf nichtmenschliche Tiere zutreffen. Spielt das für Dich eine Rolle?

Bitte übrigens um genaue Definition des Begriffes "Bewußtseinsfähigkeit"! Ich selbst verwende den Bewußtseinsbegriff nicht isoliert, weil jedes Bewußtsein ein Bewußtsein von etwas ist, z.B. Ich- oder Lebensbewußtsein.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Hat der Schiffbrüchige im Beispiel oben diesen Grundsatz, dann wäre es einfach aufgrund dessen falsch, den anderen bewusstlosen Schiffbrüchigen zu töten.


Keineswegs. Sein Verzicht auf den Mord wäre willkürlich weil ethisch unbegründet. Wenn er aber keine ethischen Begründungen für sein Handeln braucht, dann könnte er den Mord genausogut auch begehen. Was dieser Irrsinn mit Ethik zu tun haben soll, erschließt sich mir nicht. Lieber eine "schwache" ethische Begründung als gar keine!

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Du aber lehnst anscheinend diesen Grundsatz für Deine Ethik ab.


Ich muß noch auf Deine Definition warten, aber sollte Dein Grundsatz weder in Zusammenhang mit den ethisch relevanten Eigenschaften des vorübergehend Bewußtlosen stehen noch die Angst jener berücksichtigen, die nach einem eventuellen Schiffbruch nicht auch noch mit ihrer Ermordung rechnen wollen, kann es sich nur um eine willkürliche Setzung handeln. Damit wären wir ruckzuck auf das methodische Niveau religiöser "Ethiken" abgesunken.

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Warum die Vereitelung von Zukunftswünschen ein Argument gegen die Tötung (mindestens) selbstbewußter Wesen sein soll, kann ich insofern nicht nachvollziehen, als sie unter der Nichterfüllung ihrer Wünsche ja nicht mehr leiden können, wenn sie tot sind.


AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Klar aber kann man sich gemeinschaftlich einigen, Wesen, die später ein Selbstbewusstsein erlangen werden, nicht zu töten.


Natürlich kann man das, aber es wäre nicht ethisch begründbar.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
In mir erweckt jedoch eine Gesellschaft, die ihre Mitglieder nach dem Grad ihres Bewusstseins bestimmen will und diejenigen, die diesen geforderten Grad noch nicht erreicht haben (Wie genau sehen eigentlich die Kriterien dafür aus? Wo liegen die Grenzen? Wer legt das fest?


Biologen und Neurowissenschaftler, weil sie die am besten fundierten Aussagen darüber treffen können. Freilich besteht gewaltiger Forschungsbedarf!

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wie können wir jemals eine allgemeine Einigung darüber erzielen, wer aus der Gesellschaft auszugrenzen ist und wer nicht?),


Das ist doch kein spezifisches Problem des Utilitarismus. Jeder Konsens muß erstmal irgendwie hergestellt werden. Allerdings wird er umso stabiler sein, je rationaler er ist. Alle Ethiken, die aus willkürlichen Setzungen hergeleitet werden, haben denselben tödlichen Geburtsfehler!

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
aus der Gesellschaft ausschließen will, indem sie ihnen mMn wesentliche Grundrechte entzieht,


Der Grundrechtsbegriff ist ein juristischer und hat in der Moralphilosophie eigentlich nichts zu suchen. Wer ihn trotzdem verwenden will, müßte erklären, auf welche ethisch relevanten Eigenschaften er sich bezieht. Erst dann läßt sich überhaupt feststellen, welchen Organismen Grundrechte sinnvollerweise zustehen.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
sehr große Befürchtungen.


Warum denn nur? Aus dem Umstand, daß keine ethischen Gründe vorliegen, etwas zu unterlassen, folgt doch keineswegs, daß man es tun soll, vielmehr lediglich, daß man es nicht unterlassen muß.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Die Bedrohung durch eine Ethik, die eine derartige Segregation gut heißt, halte ich für nicht geringer als die Bedrohung durch eine Ethik, die bewusste Angehörige einer Minderheit, der ich nicht angehöre und niemals angehören kann, ausmerzen will.


Objekte auf Vorhandensein und Ausprägung ethisch relevanter Eigenschaften zu untersuchen, hat nicht das Geringste mit Segregation zu tun! Es ist schlicht Voraussetzung dafür, moralische Objekthaftigkeit erkennen und ihrer Ausprägung gemäß würdigen zu können. Zudem läßt sich mit dem gewonnenen Wissen eine belastbare Brücke über die logische Kluft zwischen Sein und Sollen bauen.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Dabei spielt es keine Rolle, dass die Gründe indirekt sind. Sie sind es nämlich ganz genauso bei dem Bewusstlosen. Dem soll aber sein allgemeines Lebensrecht nicht entzogen werden, weil wir (die bereits selbst-bewussten Wesen) auch bewusstlos werden könnten und somit direkte Angst vor persönlicher Betroffenheit durch eine solche Regelung haben könnten. Und dieses wir hat hierbei eine a) ausgrenzende Funktion und impliziert b) eine besondere Wertigkeit persönlich egoistischer Motive.


Auch ein "allgemeines Lebensrecht" muß aus einem realen Sachverhalt abgeleitet werden, wenn es keine willkürliche Setzung sein soll, die man ebenso willkürlich ignorieren könnte. Dieser Sachverhalt kann - leider! - nur die Todesangst lebensbewußter Wesen sein. Wer "persönlich egoistische Motive" für in sich negativ hält, verkennt den Umstand, daß alle Bedürfnisse und Interessen (B&I) in ihrem Kern egoistisch sind. Wir brauchen Ethik, um unsere B&I mit jenen anderer leidensfähiger Wesen in Ausgleich bringen zu können. Es folgt, daß die hochgelobte "Selbstlosigkeit" formal nichts anderes als die Antithese zum vielgeschmähten "Egoismus" und deshalb ebenso amoralisch ist. Eine Ethik, die nichts abwägt, ist nun mal keine Ethik!

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
egoistisch - direkte Gründe für etwas (ich könnte persönlich davon betroffen sein, wenn zum Beispiel Tötung allgemein akzeptiert werden würde)
altruistisch - indirekte Gründe (ich wäre von etwas nicht direkt persönlich betroffen, jedoch indirekt, wenn z.B. Tötungen von Säuglingen allgemein akzeptiert werden würden)


Diese Unterscheidung ist insofern obsolet, als mit der Forderung nach logischer Konsistenz und der aus ihr folgenden analogen Berücksichtigung gleicher B&I die notwendigen Orientierungspunkte bereits gegeben sind.

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Säuglinge und Kühe können geliebt werden und deshalb von Bedeutung für andere leidensfähige Wesen sein. Das meinte ich mit "indirekten Gründen, auf Tötungen zu verzichten".


AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ja, sicher, die können aber ebenso auch nicht persönlich geliebt werden und daher von keiner direkten Bedeutung für andere bewussten Wesen sein.


Stimmt, aber wo ist hier ein neues Problem? Es kann keine ethische Begründung dafür geben, etwas zu verbieten, unter dem niemand direkt oder indirekt leidet - eher im Gegenteil! Ein solches Verbot würde die Fundamente der Ethik beschädigen und sie der Beliebigkeit preisgeben. Allerdings ist zu beachten, daß sich Tötungen auf den psychischen Zustand des Schlächters und damit indirekt auch auf andere leidensfähige Wesen auswirken können. Diesbezügliche Erkenntnisse müssen selbstverständlich in die ethische Reflexion mit einfließen.

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Tötungen, die niemandem - auch nicht indirekt - Leid zufügen, sind in der Tat ethisch neutral, d.h. es folgt weder ein Handlungsge- noch ein Handlungsverbot. Alles andere wäre willkürlich und nur mit dogmatischer Gewalt durchzudrücken (z.B. per Gesetz).


AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Tja, dann sind wir wieder oben bei der Bewertung der Tötung des obigen Schiffbrüchigen als ethisch neutral.


Eine solche Bewertung habe ich nie vorgenommen! Ich stelle nur wiederholt fest, daß es absurd ist, aus etwas nicht Vorhandenem irgendwelche Verbote ableiten zu wollen. Interessanterweise hast Du Dich noch nicht einmal über die möglichen Folgen der Abwesenheit ausdrücklicher Gebote beschwert.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
anders, als Du weiter oben irgendwo behauptet hast, bin ich der Meinung, dass die Ethik einer Gesellschaft sehr wohl auf das Recht durchschlagen muss.


Das habe ich nie bestritten. Welchen Grund hätte ich dafür auch haben sollen?

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Das Rechtssystem kann von der Ethik nicht unabhängig sein.


Leider besteht keine logische Verbindung zwischen ethischen und legislativen Systemen. Insofern sind sie unabhängig voneinander - ob es uns paßt oder nicht. Tatsächlich besteht zwischen ihnen sogar ein unauflöslicher Widerspruch: Rechtssysteme sind beliebig, dogmatisch und fordern von ihren Bezugsobjekten die Befolgung von Gesetzen, weil es Gesetze sind - ganz unabhängig von deren Inhalt. Ein solches Handeln ist anti-moralisch, weil ihm ein mutwilliger Verzicht auf ethische Prüfung zugrundeliegt. Im Kontrast dazu kann die jeweilige Gesetzeslage für einen moralischen Menschen nur einer von vielen Aspekten sein, die er zu berücksichtigen hat. Demgemäß wird er gesetzliche Pflichten mißachten oder auch auf die Inanspruchnahme von Rechten verzichten (!!!), sofern sie im Widerspruch zum ethisch Erforderlichen stehen. Die zu erwartenden Folgen sind natürlich Bestandteil seiner ethischen Überlegungen.

Auch ein Blick auf den Zustand der Welt belegt, wie wenig Rechtssysteme mit Ethik zu tun haben. Alle Staaten der Erde haben Gesetze, aber menschliche und nichtmenschliche Tiere leiden und sterben vermeidbarerweise zu Abermilliarden, großenteils infolge massiver Umweltzerstörung, und das überall - "sogar" in Deutschland! Gesetzliche Regelungen fehlen oft ganz, tragen nichts zur Erreichung ethischer Ziele bei oder verbreiten ihrerseits Leid und Tod. Hinzu kommt die Mißachtung selbst solcher Gesetze, die auch moralisch Wünschenswertes anstreben, sowie eine ethische Bildungslosigkeit von apokalyptischem Ausmaß - wie viel schlimmer könnte es durch den Utilitarismus noch werden? In letzter und wohl utopischer Konsequenz läuft er übrigens darauf hinaus, Rechtssysteme abzulösen, denn eine "ethisch vollkommene" Gesellschaft bedarf keiner Gesetze, weil ihre Mitglieder Konflikte moralisch lösen.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Das bedeutet konkret in Deinem Falle, dass Du dafür eintreten müsstest, das bestehende Rechtssystem insoweit zu ändern, dass Kindstötungen als weit weniger verwerflich als die Tötungen von Erwachsenen zu bewerten wären.


Wenn wir an diesem Punkt eine Verbindung zwischen Ethik und Gesetz herstellen wollen, dann müssen wir das tun. Allerdings gibt es keinen logisch zwingenden Grund dafür.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Die Verwerflichkeit hängt ja Deiner Ansicht nach von dem direkten Leid Dritter ab. Wenn also ein Säugling getötet würde, der Waise wäre, müsste das Deiner Ansicht nach weit weniger verwerflich sein, als wenn ein Säugling entführt und getötet würde. Denn letzteres würde sicher großes Leid bei den Angehörigen hervorrufen. Wenn die Angehörigen jedoch einvernehmlich den Säugling töteten, dann müsste das nach Deinen Argumenten ethisch neutral sein


Weitestgehend.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
und dürfte also folgerichtig nicht mit Sanktionen belegt werden.


Non sequitur!!! Sanktionen sind ein Rechtsmittel, kein ethisches Werkzeug.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Die beste Leidvermeidung scheint mir die zu sein, die Entstehung von Leid möglichst im Vorneherein schon so effektiv wie möglich zu verhindern.


Eine Ethik setzt doch die Existenz von moralischen Subjekten voraus, die deren Zweck bestimmen und sie anwenden. Diese Subjekte wollen leben und möglichst nicht leiden - das sind unterschiedliche Wünsche, von denen der zweite nur erfüllt werden kann, wenn der erste bereits erfüllt ist. Um die Erfüllung des ersten Wunsches abzusichern, brauchen wir ein >edit:spezifisches< Tötungsverbot. Äußerst unglücklicherweise gibt es aber keinen realen Sachverhalt, aus dem man ein solches ableiten könnte, weil in diesem besonderen Fall der "Geschädigte" unter seinem "Schaden" nicht mehr leiden kann. Trotzdem müssen wir aus Konsistenzgründen unbedingt darauf bestehen, daß sich moralisches Handeln an ethisch relevanten Eigenschaften orientiert. Lassen wir auch nur eine einzige Ausnahme zu, bricht das gesamte System zusammen! Wir könnten plötzlich unbelebte Gegenstände zu moralischen Objekten erklären sowie leidensfähige Wesen nach Herzenslust quälen und bräuchten dafür keine besseren Gründe als für das gegenteilige Verhalten. Ohne eine absolut invariante Verbindung zwischen ethischer Zentralprämisse und den relevanten Eigenschaften ihrer Bezugsobjekte kann es keine funktionale Ethik geben! Darum müssen wir mit einem ungewohnt schwach erscheinenden Tötungsverbot Vorlieb nehmen. Im übrigen denke ich, daß uns das gar nicht beunruhigen muß, denn es handelt sich ja nur um einen Aspekt eines systemischen Ganzen. Reißt man einzelne Elemente aus ihrem Zusammenhang, können sie ihre Aufgabe nicht mehr mit der notwendigen Zuverlässigkeit erfüllen (falls überhaupt). Das gilt auch für einige "Reizthesen" Prof. Singers.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Dein Problem an der Stelle ist Deine Weigerung, bewusstes Leben als etwas Positives und daher Erhaltenswertes anzusehen.


Wie kommst Du nur auf diesen Gedanken? Selbstverständlich dürfen wir erhalten, was immer wir wollen, solange es keinen Schaden anrichtet, mit dem die Betroffenen nicht einverstanden sind. Wir müssen uns nur endlich von der fixen Idee verabschieden, etwas könnte allein deshalb ein moralisches Objekt sein, weil es ist, was es ist, und nicht, weil es bestimmte Eigenschaften hat, die es als solches qualifizieren. Dieses Denken führt geradewegs in den Faschismus, weil es ganz und gar willkürliche Unterscheidungen zuläßt:

Engländer = moralisches Objekt (mO) | Inder = kein mO
Kaaba = mO | nicht-Muslim = kein mO
Haustier = mO | "Nutztier" = kein mO
Heterosexueller = mO | Homosexueller = kein mO

usw., usf....

Wir brauchen endlich ein ethisches System, das nicht beliebig, dogmatisch und rigoristisch ist, denn "Ethiken" dieser Art haben ihre totale Dysfunktionalität weit mehr als hinlänglich unter Beweis gestellt.
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AgentProvocateur
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Beitrag(#945737) Verfasst am: 02.03.2008, 21:34    Titel: Antworten mit Zitat

Ohje, das ist etwas länglich geworden. Ich werde daher ein paar Dinge snippen, die mMn doppelt gemoppelt sind. Ist immer noch lang.

Ascanius hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Hat der Schiffbrüchige im Beispiel oben diesen Grundsatz, dann wäre es einfach aufgrund dessen falsch, den anderen bewusstlosen Schiffbrüchigen zu töten.

Keineswegs. Sein Verzicht auf den Mord wäre willkürlich weil ethisch unbegründet. Wenn er aber keine ethischen Begründungen für sein Handeln braucht, dann könnte er den Mord genausogut auch begehen. Was dieser Irrsinn mit Ethik zu tun haben soll, erschließt sich mir nicht. Lieber eine "schwache" ethische Begründung als gar keine!

Jegliche Ethik benötigt nicht weiter begründbare Setzungen. Was nicht heißt, dass diese Setzungen beliebig sein können, es wäre schon recht gut, wenn man für diese Setzungen eine weitestgehende Übereinstimmung finden könnte, wenn also diese Setzungen vielen Leuten plausibel erschienen. Meine Setzung hier (wir einigen uns erst mal darauf, bewussten Wesen ein Selbstbestimmungsrecht und somit auch ein Recht auf Leben zuzugestehen) erscheint mir jedoch keineswegs willkürlicher als Deine Setzungen, die da wären: a) das (einzige) Ziel einer Ethik sei die Leidvermeidung und b) nur der momentane Zustand eines Wesens könne überhaupt von ethischer Bedeutung sein.

Ascanius hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
In mir erweckt jedoch eine Gesellschaft, die ihre Mitglieder nach dem Grad ihres Bewusstseins bestimmen will und diejenigen, die diesen geforderten Grad noch nicht erreicht haben (Wie genau sehen eigentlich die Kriterien dafür aus? Wo liegen die Grenzen? Wer legt das fest?

Biologen und Neurowissenschaftler, weil sie die am besten fundierten Aussagen darüber treffen können.

Das ist mE Unsinn. Biologen und Neurowissenschaftler können zwar Fakten liefern, die Bewertung der Fakten jedoch (Festlegung der Kriterien, Festlegung der Grenzen) kann nicht ihre Aufgabe sein. Dafür haben sie keine besondere Qualifikation, die das rechtfertigen würde.

Ascanius hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
aus der Gesellschaft ausschließen will, indem sie ihnen mMn wesentliche Grundrechte entzieht,

Der Grundrechtsbegriff ist ein juristischer und hat in der Moralphilosophie eigentlich nichts zu suchen. Wer ihn trotzdem verwenden will, müßte erklären, auf welche ethisch relevanten Eigenschaften er sich bezieht. Erst dann läßt sich überhaupt feststellen, welchen Organismen Grundrechte sinnvollerweise zustehen.

Was ist denn nun genau "ethisch relevant"? Und was heißt denn hier "zustehen"?

Grundrechte "stehen nicht zu", sondern sie werden zugestanden. Zurzeit gesteht unsere Gesellschaft zum Beispiel das Grundrecht auf Leben auch Neugeborenen zu. Aus diesem Grunde gibt es dieselben Sanktionen für die Tötung von Neugeborenen wie für die Tötung von Erwachsenen. Du möchtest das ändern, aber Deine Gründe überzeugen mich noch nicht so besonders.

Ascanius hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Die Bedrohung durch eine Ethik, die eine derartige Segregation gut heißt, halte ich für nicht geringer als die Bedrohung durch eine Ethik, die bewusste Angehörige einer Minderheit, der ich nicht angehöre und niemals angehören kann, ausmerzen will.

Objekte auf Vorhandensein und Ausprägung ethisch relevanter Eigenschaften zu untersuchen, hat nicht das Geringste mit Segregation zu tun!

Natürlich ist das Segregation. Ob diese positiv, negativ oder neutral ist, ist jedoch eine andere Frage. Mir persönlich aber erscheint es ungünstig, Neugeborene aus der Gesellschaft ausschließen zu wollen, indem ihnen das bisher gewährte Lebensrecht entzogen würde.

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Wer "persönlich egoistische Motive" für in sich negativ hält, verkennt den Umstand, daß alle Bedürfnisse und Interessen (B&I) in ihrem Kern egoistisch sind.

Das ist ein Missverständnis. Ich halte direkte egoistische Motive nicht für negativ, sondern erst mal für neutral, was aber eben bedeutet, dass ich sie nicht für wertvoller halte als eher indirekte, also das Individuum nicht direkt betreffende Gründe.

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Ascanius hat folgendes geschrieben:
Säuglinge und Kühe können geliebt werden und deshalb von Bedeutung für andere leidensfähige Wesen sein. Das meinte ich mit "indirekten Gründen, auf Tötungen zu verzichten".

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ja, sicher, die können aber ebenso auch nicht persönlich geliebt werden und daher von keiner direkten Bedeutung für andere bewussten Wesen sein.

Stimmt, aber wo ist hier ein neues Problem? Es kann keine ethische Begründung dafür geben, etwas zu verbieten, unter dem niemand direkt oder indirekt leidet - eher im Gegenteil!

Naja, mir scheint, wir haben wohl unterschiedliche Vorstellungen darüber, was überhaupt ein indirektes Interesse sein kann. Ich habe aus unterschiedlichen Gründen ein Interesse daran, in einer Gesellschaft zu leben, die auch das Leben von Neugeborenen achtet. Ob man das nun auf Leid zurückführen kann oder nicht, ist eine andere Frage. Ich meine ja eher nicht, dass man alle Interessen irgendwie auf Leid reduzieren kann.

Frage an Dich wäre nun, ob Du mein Interesse an einer Einbeziehung von Neugeborenen in die Gesellschaft als legitim ansehen würdest und wenn nicht, warum nicht?

Ascanius hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Das Rechtssystem kann von der Ethik nicht unabhängig sein.

Leider besteht keine logische Verbindung zwischen ethischen und legislativen Systemen. Insofern sind sie unabhängig voneinander - ob es uns paßt oder nicht.

Ich hätte das anders formulieren sollen: Ein Rechtssystem sollte mMn die Ethik einer Gesellschaft widerspiegeln und diese Ethik berücksichtigen. Dass dies oft nicht der Fall ist mag schon sein.

Ascanius hat folgendes geschrieben:
In letzter und wohl utopischer Konsequenz läuft er übrigens darauf hinaus, Rechtssysteme abzulösen, denn eine "ethisch vollkommene" Gesellschaft bedarf keiner Gesetze, weil ihre Mitglieder Konflikte moralisch lösen.

Hm, das halte ich für ausgemachten Blödsinn. Es wird mMn niemals einen derartigen "Neuen Menschen" geben, es wird immer Abweichler eines egal wie immer großen Konsens geben und ich weiß noch nicht mal, ob ich einen solchen "Neuen Menschen" überhaupt für wünschenswert hielte. Eher nicht.

Ascanius hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Das bedeutet konkret in Deinem Falle, dass Du dafür eintreten müsstest, das bestehende Rechtssystem insoweit zu ändern, dass Kindstötungen als weit weniger verwerflich als die Tötungen von Erwachsenen zu bewerten wären.

Wenn wir an diesem Punkt eine Verbindung zwischen Ethik und Gesetz herstellen wollen, dann müssen wir das tun. Allerdings gibt es keinen logisch zwingenden Grund dafür.

Oh, das sehe ich ganz anders. Wenn jemand seine ethischen Überzeugungen für richtig hält, dann muss er sich mMn (zumindest in Gedanken) dafür einsetzen, dass diese Ethik auch umgesetzt wird.

Wenn dieser Jemand z.B. in einer Gesellschaft lebt, in der Homosexuelle aufgrund ihrer Homosexualität bestraft werden, dann müsste er das mE falsch finden, wenn das seiner Ethik widerspricht und demnach eine Initiative, die dieses Gesetz ändern will, unterstützenswert finden.

Und ganz genauso müsste ein Jemand, der in einer Gesellschaft lebt, in der Kindstötungen durch Eltern ebenso bestraft werden wie Tötungen von Erwachsenen, zumindest theoretisch eine Gesetzesänderung, die diese Betrafung abschafft, gutheißen (so er eine unterschiedliche Gewichtung dieser Tötungen aus seiner Ethik folgert).

Ist mir unbegreiflich, wie man das anders sehen kann.

Ascanius hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Die beste Leidvermeidung scheint mir die zu sein, die Entstehung von Leid möglichst im Vorneherein schon so effektiv wie möglich zu verhindern.

Eine Ethik setzt doch die Existenz von moralischen Subjekten voraus, die deren Zweck bestimmen und sie anwenden.

Huch, wieso das denn? Eine Ethik, die das alleinige Ziel der Leidvermeidung hat, hat nun mal das alleinige Ziel der Leidvermeidung. Das ist doch eine Tautologie. Und wenn das Ziel der Ethik erreicht ist, dann ist die Ethik obsolet. Ist doch logisch. Wieso sollte eine Ethik um ihrer selbst Willen bestehen bleiben? Das erscheint mir nicht plausibel.

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Diese Subjekte wollen leben und möglichst nicht leiden - das sind unterschiedliche Wünsche, von denen der zweite nur erfüllt werden kann, wenn der erste bereits erfüllt ist.

Nein, das ist falsch. Wenn die Wesen tot sind, dann können sie nicht leiden. Ist ebenfalls logisch.

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Um die Erfüllung des ersten Wunsches abzusichern, brauchen wir ein >edit:spezifisches< Tötungsverbot.

Um die Erfüllung des ersten Wunsches abzusichern kann die Ethik nicht mehr als alleiniges Ziel die Leidvermeidung haben. Sie benötigt dazu ein zusätzliches Ziel: entweder das Weiterleben der Wesen mit den Eigenschaften X (welche auch immer das sein mögen) oder das Ziel der Weiterexistenz der Ethik. Letzteres Ziel scheint jedoch mir ein wenig unevident zu sein, mal ganz vorsichtig ausgedrückt.

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Ohne eine absolut invariante Verbindung zwischen ethischer Zentralprämisse und den relevanten Eigenschaften ihrer Bezugsobjekte kann es keine funktionale Ethik geben!

Was ist denn überhaupt Deine ethische Zentralprämisse?

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Darum müssen wir mit einem ungewohnt schwach erscheinenden Tötungsverbot Vorlieb nehmen. Im übrigen denke ich, daß uns das gar nicht beunruhigen muß, denn es handelt sich ja nur um einen Aspekt eines systemischen Ganzen. Reißt man einzelne Elemente aus ihrem Zusammenhang, können sie ihre Aufgabe nicht mehr mit der notwendigen Zuverlässigkeit erfüllen (falls überhaupt).

Meiner Meinung nach lohnt es sich jedoch durchaus, bestimmte Auswirkungen einer Ethik zu betrachten.

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Das gilt auch für einige "Reizthesen" Prof. Singers.

Naja, ich glaube übrigens inzwischen eher nicht, dass deine Ethik kongruent zu der Singers ist.

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Wir brauchen endlich ein ethisches System, das nicht beliebig, dogmatisch und rigoristisch ist, denn "Ethiken" dieser Art haben ihre totale Dysfunktionalität weit mehr als hinlänglich unter Beweis gestellt.

Ok, ich stimme dem mal vorsichtig zu. Solange wir uns einig sind, dass es keine Letztbegründung geben kann und es daher eminent wichtig ist, die gesetzten Prämissen der Ethik offenzulegen und erst mal darüber eine Einigung zu finden.


Zuletzt bearbeitet von AgentProvocateur am 02.03.2008, 23:04, insgesamt einmal bearbeitet
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Wolf
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Beitrag(#945741) Verfasst am: 02.03.2008, 21:48    Titel: Antworten mit Zitat

Ascanius hat folgendes geschrieben:

Wenn es Dir gelingt, ein System von Aussagen über reale Objekte so zu mathematisieren, daß eines oder mehrere von ihnen sinnvoll durch eine negative Zahl symbolisiert werden, soll es mir recht sein. Mir ging es hauptsächlich um die Warnung davor, uns von mathematischen Werkzeugen zu philosophischen Irrtümern verleiten zu lassen. Dinge haben keine negativen Eigenschaften. Es ist keine Eigenschaft, etwas nicht zu sein, denn alle Dinge sind irgendetwas nicht.
-2 ist doch konkreter als bloß nicht2. Weswegen sollte es keinen "negativen Eigenschaften" geben? Beispiel: Kugeln, welche nicht größer als 2 im Durchmesser sind.
Natürlich kann ich diese Eigenschaft zu einer positiven umformulieren, doch wozu?
Zitat:

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Ein Konstrukt oder fiktives Objekt ist eine Äquivalenzklasse von Gehirnprozessen.


Wolf hat folgendes geschrieben:
Was ist das nicht?


Dinge!

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Diese Prozesse finden zwar wirklich statt, sind aber selbst nicht real.


Wolf hat folgendes geschrieben:
Klingt widersprüchlich.


Ich weiß. Lachen Ein Ding ist ein reales Objekt in einem bestimmten Zustand zu einem bestimmten Zeitpunkt. Prozesse sind Zustandsänderungen eines Dinges und umfassen deshalb mindestens zwei seiner Zustände. Darum ist ein Ding wohl real zu jedem einzelnen Zeitpunkt während jenes Prozesses, den es durchläuft, nicht aber simultan in allen Zuständen, die diesen Prozess ausmachen. Zustandsänderungen können nur gedacht werden.
Wie kann ich ein Ding von einem Nichtding in der Praxis unterscheiden?
Zitat:

Ascanius hat folgendes geschrieben:
kein reales Objekt kann gleichzeitig in mehr als einem Zustand sein).


Wolf hat folgendes geschrieben:
Das verstehe ich nicht.


Der Zustand eines Dinges (z.B. eines Sessels) ist die Gesamtheit seiner Eigenschaften zu einem bestimmten Zeitpunkt. Ein Ding kann weder zu verschiedenen Zeitpunkten in identischen Zuständen sein noch in mehr als einem Zustand zu einem bestimmten Zeitpunkt.
Du meinst also mit Zustand einen Gesamtzustand. Jetzt verstehe ich nicht wie etwas mehr als einen Zustand zur selben Zeit haben soll.
Zitat:

Wolf hat folgendes geschrieben:
Inwiefern hatt die Zahl 2 bzw die dazu gehörigen Prozesse im Gehirn mehre Zustände?


Weder Zahlen noch Prozesse haben überhaupt Zustände, denn sie sind nicht real. Nur das Gehirn, das diese Objekte denkt, ist real.
Ich dachte fiktive Dinge hätte im gegensatz zum realen Dingen mehrer Zustände gleichzeitig. Muss ich wohl nochmal nachlesen.
Zitat:

Wolf hat folgendes geschrieben:
Ist die Freundschaft zwischen mir und einem Freund fiktiv oder real?


Sie ist fiktiv: keine neuronalen Systeme, die Freundschaft empfinden -> keine Freundschaft.

Ja und?
Kein neuronalen Systeme, keiner der den Sessel wahrnimmt-> kein Sessel.
_________________
Trish:(
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Wolf
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Beitrag(#945747) Verfasst am: 02.03.2008, 22:01    Titel: Antworten mit Zitat

Wolf hat folgendes geschrieben:

Wenn ich eine Äquivalenzreleation zwischen (neg) Zahlen und Schulden schaffe und eine Äquivalenzrelation zwischen Schulden und Münzen, Papiergeld kann ich dann eine Äquivalenzreleation zwischen (neg) Zahlen und Geld schaffen?

Da steht ja ein Blödsinn.
Mit einer Äquivalenzreleation komme ich nicht von negativen Zahlen auf Schulden.
Eine bijektive Funktion von Z/N->X=Menge aller Schulden ist von nöten.
_________________
Trish:(
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Er_Win
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Beitrag(#945955) Verfasst am: 03.03.2008, 07:57    Titel: Antworten mit Zitat

Evilbert hat folgendes geschrieben:
Dunning-Kruger; Vol. 151623.

scheint 'ne Art Standarddiagnose von dir zu sein zynisches Grinsen
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Evilbert
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Beitrag(#945966) Verfasst am: 03.03.2008, 08:56    Titel: Antworten mit Zitat

Er_Win hat folgendes geschrieben:
Evilbert hat folgendes geschrieben:
Dunning-Kruger; Vol. 151623.

scheint 'ne Art Standarddiagnose von dir zu sein zynisches Grinsen


Ja, messerscharfer Schluß. Benutz ich in jedem 2. Beitrag.

Mit den Augen rollen
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Er_Win
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Beitrag(#945968) Verfasst am: 03.03.2008, 08:59    Titel: Antworten mit Zitat

Evilbert hat folgendes geschrieben:
Er_Win hat folgendes geschrieben:
Evilbert hat folgendes geschrieben:
Dunning-Kruger; Vol. 151623.

scheint 'ne Art Standarddiagnose von dir zu sein zynisches Grinsen


Ja, messerscharfer Schluß. Benutz ich in jedem 2. Beitrag.

Mit den Augen rollen

*ops* - so oft - dachte nur wenn du was nicht verstehst ... frech
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Evilbert
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Beitrag(#945969) Verfasst am: 03.03.2008, 09:02    Titel: Antworten mit Zitat

Er_Win hat folgendes geschrieben:
Evilbert hat folgendes geschrieben:
Er_Win hat folgendes geschrieben:
Evilbert hat folgendes geschrieben:
Dunning-Kruger; Vol. 151623.

scheint 'ne Art Standarddiagnose von dir zu sein zynisches Grinsen


Ja, messerscharfer Schluß. Benutz ich in jedem 2. Beitrag.

Mit den Augen rollen

*ops* - so oft - dachte nur wenn du was nicht verstehst ... frech


Ich verstehe tatsächlich nicht, was Du mir sagen willst.
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Er_Win
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Beitrag(#945974) Verfasst am: 03.03.2008, 09:16    Titel: Antworten mit Zitat

@evilbert

http://de.wikipedia.org/wiki/Peter-Prinzip#Allzweckkonversation

hth
Erwin zwinkern
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Evilbert
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Beitrag(#945983) Verfasst am: 03.03.2008, 09:24    Titel: Antworten mit Zitat

Er_Win hat folgendes geschrieben:
@evilbert

http://de.wikipedia.org/wiki/Peter-Prinzip#Allzweckkonversation

hth
Erwin zwinkern





Zitat:
Allzweckkonversation

Der Angestellte hört auf zu denken oder schränkt es zumindest stark ein. Um dies zu verbergen entwickelt er eine Allzweckkonversation, die aus Phrasen besteht, die zwar eindrucksvoll klingen aber keine Substanz haben. Sie lässt sich durch Austausch einiger weniger Wörter an den jeweiligen Zuhörer anpassen.


Ja, das ist schade, verschwendet Ressourcen und nervt tierisch. Lass das doch bitte einfach bleiben.
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Er_Win
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Beitrag(#945992) Verfasst am: 03.03.2008, 09:34    Titel: Antworten mit Zitat

*ähm* skeptisch
Zitat:
Lass das doch bitte einfach bleiben.

ach ja, neeeee klar - ich werde nie mehr auf Dunning-Kruger verweisen ...

danke für den Tipp
Erwin
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Evilbert
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Beitrag(#945993) Verfasst am: 03.03.2008, 09:37    Titel: Antworten mit Zitat

Er_Win hat folgendes geschrieben:
*ähm* skeptisch
Zitat:
Lass das doch bitte einfach bleiben.

ach ja, neeeee klar - ich werde nie mehr auf Dunning-Kruger verweisen ...

danke für den Tipp
Erwin


Ich frag mich immer noch, was Du mir sagen willst. Sag doch mal klipp und klar, was Sache ist. Kann doch montagmorgens nicht so schwierig sein, oder?
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Ascanius
abnorm



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Beitrag(#947248) Verfasst am: 05.03.2008, 04:35    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Jegliche Ethik benötigt nicht weiter begründbare Setzungen.


Nö. "Meine" Ethik z.B. gründet sich auf einen wenn-dann-Satz: Wenn ihr leben und dabei möglichst nicht leiden wollt, dann braucht ihr eine Ethik, die euch systematisch zur Erfüllung dieser Wünsche anleitet. Auf diese Weise kann man gleich mit der ethischen Urentscheidung den Bruch zwischen Sein und Sollen überwinden sowie Setzungen und andere Willkürakte von vornherein vermeiden.

Ich will mich an einer noch genaueren Zusammenfassung versuchen:

Wozu Ethik?

Weil wir leben aber nicht leiden wollen, brauchen wir eine systematische Anleitung, wie wir mit den Konflikten zwischen diesen beiden Wünschen umgehen sollten. Leiden setzt Leben voraus, nicht aber umgekehrt. Darum kann die ethische Zentralprämisse nur lauten: Ethik dient der Vorbeugung, Linderung und Beseitigung von Leid.

Warum eine systematische Anleitung?

Aus Effizienzgründen, d.h. zur Vermeidung interner Inkonsistenzen, zur besseren Prüfbarkeit ihrer Kompatibilität mit der ihr zugrundeliegenden Ontologie, Erkenntnistheorie und Semantik sowie zur präzisestmöglichen Anpaßbarkeit an den jeweils aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand.

Was macht die vorgeblich besonders hohe Effizienz des Utilitarismus aus?

Indem er Brüche der Verbindung zwischen seiner Zentralprämisse und den entsprechenden Eigenschaften ihrer Bezugsobjekte unter keinen Umständen duldet, definiert er seine Referenzklassen mit maximaler Präzision.

Weshalb sollten wir traditionelle Ethiken aufgeben? Vielleicht kann man sie ja verbessern.

Das ist aufgrund ihrer strukturellen Dysfunktionalität unmöglich. Ihre Grundlagen sind beliebig, und darum ist alles, was man aus ihnen ableitet, ebenfalls beliebig - ganz egal, ob es intern konsistent ist oder nicht. Fordern sie Gehorsam, sind sie sogar anti-moralisch! Keine einzige dieser Ethiken ist in der Lage, auch nur irgendeinen Mißstand so zu beheben, daß es Vorbildcharakter haben kann.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
es wäre schon recht gut, wenn man für diese Setzungen eine weitestgehende Übereinstimmung finden könnte, wenn also diese Setzungen vielen Leuten plausibel erschienen.


Genau diese "Übereinstimmung" kann sich doch auf vollkommen Beliebiges beziehen! Was, wenn es ganzen Völkern "plausibel" erschiene, z.B. Juden, Sinti und Roma, Kommunisten und Homosexuellen qua Setzung die Anerkennung der moralischen Objekthaftigkeit zu verweigern (soll ja mitunter vorkommen)? Brauchen wir wirklich eine normative Systematik, die es ermöglicht, sogar den Holocaust als ethisch motiviert zu rechtfertigen???

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Meine Setzung hier (wir einigen uns erst mal darauf, bewussten Wesen ein Selbstbestimmungsrecht und somit auch ein Recht auf Leben zuzugestehen)


Das ist mir begrifflich nach wie vor zu ungenau:

1. Was meinst Du mit "Bewußtsein"?
2. Nur selbstbestimmungsfähigen Tieren kann man sinnvollerweise ein Selbstbestimmungsrecht gewähren. Woran erkennt man, daß ein Wesen diese Eigenschaft besitzt? Warum sollte sie ethisch relevant sein?
3. Nur Tieren, die wissen, daß sie leben, kann man sinnvollerweise ein Recht auf Leben zugestehen. Warum ist Lebensbewußtsein ethisch relevant?

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
erscheint mir jedoch keineswegs willkürlicher als Deine Setzungen, die da wären: a) das (einzige) Ziel einer Ethik sei die Leidvermeidung und b) nur der momentane Zustand eines Wesens könne überhaupt von ethischer Bedeutung sein.


Wie kommst Du denn darauf? Natürlich sind auch zukünftige Zustände eines Wesens von ethischer Bedeutung - wenn denn zu erwarten ist, daß es diese Zustände noch erlebt!

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Biologen und Neurowissenschaftler können zwar Fakten liefern, die Bewertung der Fakten jedoch (Festlegung der Kriterien, Festlegung der Grenzen) kann nicht ihre Aufgabe sein. Dafür haben sie keine besondere Qualifikation, die das rechtfertigen würde.


Selbstverständlich können Biologen und Neurowissenschaftler einige Aussagen dazu machen, ob und unter welchen Umständen Lebewesen Schmerz, Angst, Streß oder Unbehagen empfinden. Wir brauchen dringendst mehr Erkenntnisse darüber, damit wir sie ethisch berücksichtigen können.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Was ist denn nun genau "ethisch relevant"?


Ethisch relevante Eigenschaften (erE) sind Leidensfähigkeit, Personalität und Lebensbewußtsein, wobei ich noch überlege, ob Personalität nicht eigentlich verzichtbar ist. Sie mag Voraussetzung für moralische Subjekthaftigkeit sein, die sich wiederum auf die Qualität der Leidensfähigkeit des betreffenden Wesens auswirkt, aber das Auftreten dieser Eigenschaft ist nur ein Stadium im Verlauf der Entwicklung moralischer Objekthaftigkeit und somit von keiner hervorzuhebenden Bedeutung.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Grundrechte "stehen nicht zu", sondern sie werden zugestanden.


Korrekt, falsche Wortwahl, mea culpa! Aus allem anderen, was ich hier von mir gebe, wäre aber auch ableitbar gewesen, daß es sich nur um einen begrifflichen Faux pas handeln kann.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Zurzeit gesteht unsere Gesellschaft zum Beispiel das Grundrecht auf Leben auch Neugeborenen zu. Aus diesem Grunde gibt es dieselben Sanktionen für die Tötung von Neugeborenen wie für die Tötung von Erwachsenen. Du möchtest das ändern,


Woraus schließt Du das? Tatsächlich habe ich mich zum Thema Sanktionen gar nicht geäußert, weil sie - wie bereits festgestellt - ein Rechtsmittel und kein ethisches Werkzeug sind.

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Objekte auf Vorhandensein und Ausprägung ethisch relevanter Eigenschaften zu untersuchen, hat nicht das Geringste mit Segregation zu tun!


AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Natürlich ist das Segregation. Ob diese positiv, negativ oder neutral ist, ist jedoch eine andere Frage.


Sorry, aber mir ist dieses Wort nur in seiner negativen Bedeutung bekannt. Warum sagst Du nicht lieber 'Unterscheidung' oder 'Trennung'?

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Mir persönlich aber erscheint es ungünstig, Neugeborene aus der Gesellschaft ausschließen zu wollen, indem ihnen das bisher gewährte Lebensrecht entzogen würde.


Bitte unterscheide doch sorgfältiger zwischen ethischen und juristischen Fragen! Es ist und bleibt ethischer Nonsens, Wesen ein Lebensrecht zu gewähren, die nicht wissen, daß sie leben, und demzufolge auch kein Interesse daran haben können. Schließlich würde auch niemand auf die Idee kommen, Kohlrabi mit einem Lebensrecht auszustatten, obwohl sogar er lebt, bis er geerntet wird. Es wäre schon viel gewonnen, wenn Gesetze weniger penetrant hinter ethischen Erfordernissen zurückblieben. Darum denke ich, wir sollten uns um wirklich Dringendes kümmern, statt über Rechte zu streiten, die ihren Bezugsobjekten nichts anderes als wurscht sein können (siehe auch Stammzelldebatte).

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ich halte direkte egoistische Motive nicht für negativ, sondern erst mal für neutral, was aber eben bedeutet, dass ich sie nicht für wertvoller halte als eher indirekte, also das Individuum nicht direkt betreffende Gründe.


Warum sollten wir überhaupt eine solche Unterscheidung treffen? Es reicht doch vollkommen aus, gleiche B&I, bzw. erE auch gleich zu berücksichtigen.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Naja, mir scheint, wir haben wohl unterschiedliche Vorstellungen darüber, was überhaupt ein indirektes Interesse sein kann. Ich habe aus unterschiedlichen Gründen ein Interesse daran, in einer Gesellschaft zu leben, die auch das Leben von Neugeborenen achtet.


"Sogar" ich achte das Leben von Neugeborenen, aber eben nicht mehr und nicht weniger als das Leben nichtmenschlicher Tiere mit den gleichen erE. Eine zentrale Forderung des Utilitarismus ist, konsequent auf willkürliche Unterscheidungen zu verzichten. Wir werden den Faschismus niemals überwinden, wenn wir dieser Forderung nicht nachkommen!

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ob man das nun auf Leid zurückführen kann oder nicht, ist eine andere Frage. Ich meine ja eher nicht, dass man alle Interessen irgendwie auf Leid reduzieren kann.


Es ist grundsätzlich anzunehmen, daß jedes unbefriedigte B&I mehr oder weniger großes Leid nach sich zieht. Sollte das in irgendeinem Zusammenhang nicht der Fall sein, gäbe es auch nichts, was ethisch zu berücksichtigen wäre.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Frage an Dich wäre nun, ob Du mein Interesse an einer Einbeziehung von Neugeborenen in die Gesellschaft als legitim ansehen würdest und wenn nicht, warum nicht?


Warum sollte ich was dagegen haben? Es würde ja vermutlich niemand darunter leiden. Allerdings ist es Dein (bisher noch unbegründetes) Interesse und hat mit der moralischen Objekthaftigkeit Neugeborener nichts zu tun.

Ascanius hat folgendes geschrieben:
In letzter und wohl utopischer Konsequenz läuft er übrigens darauf hinaus, Rechtssysteme abzulösen, denn eine "ethisch vollkommene" Gesellschaft bedarf keiner Gesetze, weil ihre Mitglieder Konflikte moralisch lösen.


AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Hm, das halte ich für ausgemachten Blödsinn. Es wird mMn niemals einen derartigen "Neuen Menschen" geben, es wird immer Abweichler eines egal wie immer großen Konsens geben und ich weiß noch nicht mal, ob ich einen solchen "Neuen Menschen" überhaupt für wünschenswert hielte. Eher nicht.


Solange Du nicht zu den Opfern der katastrophalen Auswirkungen dysfunktionaler Ethiken gehörst und sogar erheblich von ihnen profitierst, kannst Du es Dir gewiß auch leisten, auf einen solchen Wunsch zu verzichten.
Leider legst Du mir Verschiedenes in den Mund, was ich gar nicht gesagt habe. Ich sprach von "wohl utopischer Konsequenz", also befürchte auch ich, daß sich Ethik und Rechtswesen sozusagen erst in der Unendlichkeit treffen. Dennoch lohnt das Engagement für dieses Ziel, weil bereits auf dem Weg dorthin viel Leid vermieden, gelindert und beseitigt werden kann. Dazu brauchen wir übrigens keinen "Neuen Menschen", sondern schlicht ethische Bildung, deren motivative Keimzelle folgende Einsichten sein sollten:
1. Es kann keine funktionale Ethik ohne die gleiche, d.h. auch speziesunabhängige Berücksichtigung gleicher erE geben.
2. Es besteht kein ethisch relevanter Unterschied zwischen Quälen und leiden Lassen sowie zwischen Töten und sterben Lassen.
Diesen Einsichten bis zur letzten Konsequenz zu folgen, mag wohl schwierig, vielleicht sogar unmöglich sein, aber jede Annäherung wäre ein Fortschritt.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wenn jemand seine ethischen Überzeugungen für richtig hält, dann muss er sich mMn (zumindest in Gedanken) dafür einsetzen, dass diese Ethik auch umgesetzt wird.


Keine Einwände, doch schimmert in Deinen Bemerkungen ein verbreitetes und hartnäckiges Mißverständnis des Utilitarismus auf: es geht ihm nicht darum, menschliches Leben "abzuwerten", sondern vielmehr darum, nichtmenschliches Leben "aufzuwerten". Wie immer wir uns gegenüber menschlichen Säuglingen verhalten: wir sollten nichtmenschliche Tiere mit den gleichen erE nicht schlechter behandeln (man stelle sich vor, in Kinderkrippen würden auch nur annähernd vergleichbare Zustände herrschen wie in der industriellen Tierhaltung!).

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wenn dieser Jemand z.B. in einer Gesellschaft lebt, in der Homosexuelle aufgrund ihrer Homosexualität bestraft werden, dann müsste er das mE falsch finden, wenn das seiner Ethik widerspricht und demnach eine Initiative, die dieses Gesetz ändern will, unterstützenswert finden.


In diesem Sinne würde ich eine Differenzierung der Strafmaße für die Tötung unterschiedlicher Organismen natürlich befürworten, aber in einer Gesellschaft, die noch nicht einmal begriffen hat, daß frühembryonale Zellhaufen und Leichen keine moralischen Objekte sind, und daß ihr ach so brilliantes Grundgesetz totalitäre und faschistoide Elemente enthält, wäre eine solche Initiative von vornherein aussichtslos. Deshalb setze ich meine Kräfte lieber dafür ein, das Denken der Menschen in meiner direkten Umgebung zu ändern und verschiedentlich auch weiträumiger "um mich zu schlagen".

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Eine Ethik setzt doch die Existenz von moralischen Subjekten voraus, die deren Zweck bestimmen und sie anwenden.


AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Huch, wieso das denn? Eine Ethik, die das alleinige Ziel der Leidvermeidung hat, hat nun mal das alleinige Ziel der Leidvermeidung. Das ist doch eine Tautologie. Und wenn das Ziel der Ethik erreicht ist, dann ist die Ethik obsolet.


Stimmt. Leider wird dieses Ziel nie erreicht werden. Darum verstehe ich Deinen Einwand nicht.

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Diese Subjekte wollen leben und möglichst nicht leiden - das sind unterschiedliche Wünsche, von denen der zweite nur erfüllt werden kann, wenn der erste bereits erfüllt ist.


AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Nein, das ist falsch. Wenn die Wesen tot sind, dann können sie nicht leiden. Ist ebenfalls logisch.


Bitte zu beachten: sie wollen 1. leben -> und <- 2. möglichst nicht leiden.

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Darum müssen wir mit einem ungewohnt schwach erscheinenden Tötungsverbot Vorlieb nehmen. Im übrigen denke ich, daß uns das gar nicht beunruhigen muß, denn es handelt sich ja nur um einen Aspekt eines systemischen Ganzen. Reißt man einzelne Elemente aus ihrem Zusammenhang, können sie ihre Aufgabe nicht mehr mit der notwendigen Zuverlässigkeit erfüllen (falls überhaupt).


AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Meiner Meinung nach lohnt es sich jedoch durchaus, bestimmte Auswirkungen einer Ethik zu betrachten.


Das habe ich ja nicht bestritten, nur wird man unausweichlich zu Fehleinschätzungen kommen, wenn man einzelne ihrer Elemente unabhängig von deren systemischer Funktion beurteilt. Solche Fehleinschätzungen sind der Hintergrund praktisch aller mir bekannten Vorwürfe gegen Prof. Singer. Dabei outen sich gerade seine schärfsten Kritiker als ethisch vollkommen ignorant, wenn sie z.B. nicht-verboten-Sein mit erlaubt-Sein oder gar erwünscht-Sein gleichsetzen. Dieses Denken ist korrupt und in seiner Korruption auch noch weitgehend unkorrigierbar - zum Verzweifeln!

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
ich glaube übrigens inzwischen eher nicht, dass deine Ethik kongruent zu der Singers ist.


Das habe ich doch auch nicht behauptet. Tatsächlich bin ich als Emergentistischer Materialist mehr formale Strenge gewöhnt, als Prof. Singer sie anbietet (auch eine Ethik sollte zunächst ihre ontologischen, erkenntnistheoretischen und semantischen Grundlagen aufzeigen. Strahlendes Vorbild: Mahner/Bunges Biophilosophie!). Trotzdem ist sein System hervorragend, weshalb ich mich ihm im Wesentlichen anschließen kann.

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Wir brauchen endlich ein ethisches System, das nicht beliebig, dogmatisch und rigoristisch ist, denn "Ethiken" dieser Art haben ihre totale Dysfunktionalität weit mehr als hinlänglich unter Beweis gestellt.


AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ok, ich stimme dem mal vorsichtig zu. Solange wir uns einig sind, dass es keine Letztbegründung geben kann und es daher eminent wichtig ist, die gesetzten Prämissen der Ethik offenzulegen und erst mal darüber eine Einigung zu finden.


Kein Widerspruch!

Übrigens ist mir gestern noch etwas zu Deinem Insel-Beispiel eingefallen, das ich Dir nicht vorenthalten möchte. Es geht um die Struktur Deiner Argumente:

Du konstruierst eine Situation, in die kaum irgendwer jemals kommen wird. Offenbar annehmend, daß alle Schiffbrüchigen nur auf die Gelegenheit warten, einen perfekten Mord zu begehen (statt z.B. darüber nachzudenken, ob man zu zweit nicht die besseren Überlebenschancen hat), forderst Du die Anwendbarkeit "meiner" Ethik auf einen Fall, in dem sich gar kein moralisches Problem stellt. Aus der Tatsache, daß sie ein nicht vorhandenes Problem natürlich auch nicht lösen kann, schließt Du ihre strukturelle Dysfunktionalität und unterbreitest einen Gegenvorschlag, der "mein" indirektes aber ethisch begründetes und vor allem systemisch gestütztes Tötungsverbot durch ein direktes aber willkürliches Tötungsverbot ersetzt, das man - ohne in Erklärungsnot zu geraten - nach Belieben gegen ein Tötungsgebot austauschen könnte.

Erstmal finde ich, daß Dein Beispiel ein "interessantes" Menschenbild zeichnet, und dann vermisse ich die Würdigung dessen, was "meine" Ethik abseits einsamer Inseln leisten kann:

• Die Ressourcen der Welt wären gleich verteilt, weil - gemäß dem Prinzip der gleichen Berücksichtigung gleicher B&I - niemand mehr von ihnen für sich in Anspruch nehmen wollte, als auch alle Anderen haben können. Schon das würde gewaltig viel Leid beseitigen.
• Menschen würden sich ihren Fähigkeiten und Interessen entsprechend in ihre Gesellschaften einbringen können, weil sie nicht mehr als absolut unvermeidbar daran gehindert werden. Das wiederum würde die wirtschaftliche Produktivität erhöhen und über eine größere Zufriedenheit auch die allgemeine psychische und physische Gesundheit fördern.
• Jegliches Handeln würde Umwelt- und Tierschutzaspekte berücksichtigen. So ließe sich ein nachhaltiger Umgang mit den natürlichen Ressourcen gewährleisten.
• Es gäbe keine Kriege mehr, und Morde würden nur noch von Psychopathen begangen.

Das ist nur ein grober Abriß, aber er zeigt, daß die Menschheit an einer utilitaristischen Ethik ganz sicher nicht zugrunde gehen würde, nur weil alle Jubeljahrhunderte mal ein schlafender Schiffbrüchiger auf einer einsamen Insel von jemandem umgebracht werden könnte, der Töten zufällig supi findet und die Prinzipien des Utilitarismus nicht begriffen hat und auch noch glaubt, allein besser dran zu sein.


Zuletzt bearbeitet von Ascanius am 05.03.2008, 05:18, insgesamt einmal bearbeitet
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