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Der Trümmerberg des Günter Grass. Rezension einer Kritik
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Dietrich Stahlbaum
registrierter User



Anmeldungsdatum: 23.05.2004
Beiträge: 31
Wohnort: Recklinghausen NRW

Beitrag(#951756) Verfasst am: 10.03.2008, 14:33    Titel: Der Trümmerberg des Günter Grass. Rezension einer Kritik Antworten mit Zitat



Bereits Anfang der 70er Jahre, als die »werkimmanente Textinterpretation« noch üblich war, führte der damals junge Literaturwissenschaftler Wolfgang Beutin sozialwissenschaftliche, politische und historische Aspekte, die Psychoanalyse und – vor allem – humanistisch-ethische Kriterien in seine Vorlesungen und Seminare ein. Nun hat er einen Literaturnobelpreisträger und sein Werk unter die Lupe und fachgerecht auseinander genommen.

Herausgekommen ist dabei eine nicht allein für junge Autorinnen und Autoren interessante, teils bitterernste, teils amüsante Lektion in Sachen Sprach- und Stilkritik, Weltanschauung, Politik, Zeitgeschichte, Logik und Psychologie.

Der Literaturnobelpreisträger von 1999 hat, wie wir inzwischen wissen, sieben Jahre später – nach 60 Jahren in seiner Autobiografie »Beim Häuten der Zwiebel« und in Interviews eingestanden, Mitglied der Waffen-SS gewesen zu sein, wenige Monate vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs, als 16/17-Jähriger. Ein Schock für viele, die sich nun von dem vermeintlichen Toprepräsentanten der deutschen Nachkriegsliteratur düpiert gesehen haben. Für Wolfgang Beutin, der die literarischen und politischen Bekundungen des Günter Grass seit Jahrzehnten kritisch beäugt und auch psychoanalytisch durchleuchtet hat, ist dessen gesamtes literarisches Werk der voluminöse Versuch eines „Moraltrompeters“, „sein fatales Geheimnis zu kaschieren“.

Beutin weist dies im Einzelnen nach. Er deckt die äußeren und inneren Brüche und Widersprüche auf, die Projektionen und Fluchten in infantile Fantasien, den (politischen) Opportunismus eines Menschen, der keinen festen Standpunkt hat, stets oben auf dem mainstream schwimmt, „immer wieder einmal querschießt und seine eigene Gedankenwelt unerwartet in Trümmer legt“.

Beutin geht der Frage, ob die Personen, die Grass in seinen Romanen und Novellen in der Ich-Form sprechen lässt, reine Kunstfiguren sind, oder ob sie Psyche, Mentalität und Meinung des Autors widerspiegeln, psychoanalytisch auf den Grund und kommt zu dem Schluss: Schon „seine bekannteste Figur“, der Oskar des ersten Romans ist teilweise mit ihrem Schöpfer Grass identisch und sei – Beutins Hypothese – „nichts anderes als der nach außen projizierte, in die Gestalt des Zwerges gebannte, in der Gestalt des Zwerges inkarnierte Abwehrmechanismus.“

Und nicht nur »Die Blechtrommel«, - das gesamte literarische Werk des Günter Grass erscheint dem Rezensenten dieser Studie als monströser Wörterberg, in dem sich eine kleine hin- und hergerissene, ängstliche Seele versteckt. Sie ist voller Schuldgefühle, voller Ressentiments. Grass ein Kleinbürger wider Willen?

Dem hochgelobten Lyriker und Erzähler werden von dem Philologen auch viele Sprach- und Stilschlampereien nachgewiesen. Die Zitate und Kommentare füllen 23 Seiten des Buches. Es hat mich veranlasst, meine Meinung über den Literaturnobelpreisträger Grass zu ändern. *)

Wolfgang Beutin: Der Fall Grass. Ein deutsches Debakel
Peter Lang Verlagsgruppe Bern, Berlin, Frankfurt am Main, New York, Oxford, Wien 2008.
br., 192 S.
ISBN 978-3-631-57004-3
SFR 29.00 € 19.80 (D)

*) Hierzu: »Die Kriegsgeneration des Günter Grass im Zeitzeugenstand« =>
http://zeitfragen.blog.de/2006/08/25/verstehen_um_zu_verandern~1068560
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Zuletzt bearbeitet von Dietrich Stahlbaum am 01.04.2008, 18:43, insgesamt einmal bearbeitet
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Ahriman
Tattergreis



Anmeldungsdatum: 31.03.2006
Beiträge: 17976
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Beitrag(#951888) Verfasst am: 10.03.2008, 18:34    Titel: Antworten mit Zitat

Vor einigen Jahren versuchte ich mal, ein Buch von Günter Grass zu lesen. Weiß nicht mehr welches, könnte die "Rättin" gewesen sein. Es stand bei einer Freundin im Bücherschrank. Ich habe es nach zwei Seiten maßlos gelangweilt wieder weggestellt. Grass ist ein übler Zeilenschinder. Ich hatte es geahnt, vor etlichen Jahren las ich mal von ihm diese Geschichte mit dem Ritterkreuz, weiß den Titel nicht mehr (Katz und Maus oder so?). War auch so ein mies und umständlich geschriebener Blödsinn.
Ich weiß nicht, wozu seine Bücher da sind, zur Unterhaltung jedenfalls nicht.
Daß er als Teen bei der SS war, stört mich allerdings gar nicht. Dafür kann er nichts. Anzukreiden ist ihm nur, daß er das verschwieg.
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Nergal
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 11433

Beitrag(#951907) Verfasst am: 10.03.2008, 18:49    Titel: Antworten mit Zitat

Die Leute regen sich zu sehr über den Grass auf, schließlich war er bei der Waffen-SS und nicht bei den Totenkopfverbänden.
Komisch dass er so lange gewartet hat um damit herauszurücken, das hat das ganze nur noch unbequemer gemacht!
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pewe
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Anmeldungsdatum: 20.01.2008
Beiträge: 3377

Beitrag(#951917) Verfasst am: 10.03.2008, 19:10    Titel: Antworten mit Zitat

Zugegeben, ich gehöre jener Generation an, wo das Lesen der Blechtrommel noch Pflichtlektüre für das Abitur war. Die Folgen waren, zumindest bei mir eine Abscheu gegen Totalitarismus und Gewalt.
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Evilbert
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Anmeldungsdatum: 16.09.2003
Beiträge: 42408

Beitrag(#951924) Verfasst am: 10.03.2008, 19:16    Titel: Antworten mit Zitat

Also ich musste Grass auch lesen im Abitur. Und ich fand es im Gegensatz zu manch anderem Schwachsinn so schlimm nun auch nicht.
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Peter H.
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Anmeldungsdatum: 24.06.2007
Beiträge: 9751

Beitrag(#951936) Verfasst am: 10.03.2008, 19:26    Titel: Antworten mit Zitat

Wird mal Zeit, dass der dämliche Grass den Griffel hinlegt. Es reicht!
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Norton
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Anmeldungsdatum: 11.11.2006
Beiträge: 4372

Beitrag(#951942) Verfasst am: 10.03.2008, 19:37    Titel: Antworten mit Zitat

Nach Blechtrommel und Krebsgang habe ich bei meinem unchronologischen Grass´schen Leseunterfangen den "Butt" nicht über die 20. Seite bekommen.
2-3 Bücher mehr von ihm müsste man schon kennen, aber seitdem er beim Karikaturenstreit 06 eine sehr blamable und unreflektierte Position eingenommen hat, warte ich auf seinen Tod, um einen guten Grund zu haben weiterzulesen.
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Reza
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Anmeldungsdatum: 10.09.2006
Beiträge: 4188

Beitrag(#951960) Verfasst am: 10.03.2008, 19:59    Titel: Re: Der Trümmerberg des Günter Grass. Rezension einer Kritik Antworten mit Zitat

Dietrich Stahlbaum hat folgendes geschrieben:


Und nicht nur »Die Blechtrommel«, - das gesamte literarische Werk des Günter Grass erscheint dem Rezensenten dieser Studie als monströser Wörterberg, in dem sich eine kleine hin- und hergerissene, ängstliche Seele versteckt. Sie ist voller Schuldgefühle, voller Ressentiments. Grass ein Kleinbürger wider Willen?


Grass konnte ich nie anders verstehen.
Was ich zusätzlich besonders unangenehm finde ist sein dem entsprechendes Frauenbild, das bei ihm noch stärker als bei anderen Autoren die ganz klassischen Mutter- Hure Klischees erfüllt.
Er ist, wie er schreibt, was nicht bedeutet, dass ich die Blechtrommel nicht für lesenswert halte.

Als Autor insgesamt erheblich überschätzt, zuallererst von ihm selbst.
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Ralf Rudolfy
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Anmeldungsdatum: 11.12.2003
Beiträge: 26674

Beitrag(#951966) Verfasst am: 10.03.2008, 20:06    Titel: Antworten mit Zitat

Ich empfehle das Buch "Literatur als Qual und Gequalle" von Klaus Bittermann -- hübsche kleine Sammlung von Schmähtexten über Günter Grass.
_________________
Dadurch, daß ein Volk nicht mehr die Kraft oder Willen hat, sich in der Sphäre des Politischen zu halten, verschwindet das Politische nicht aus der Welt. Es verschwindet nur ein schwaches Volk. (Carl Schmitt)
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Barnie
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Anmeldungsdatum: 20.04.2006
Beiträge: 39

Beitrag(#951995) Verfasst am: 10.03.2008, 20:49    Titel: Antworten mit Zitat

Grass' Mitgliedschaft in der SS wird schon in einer Biografie aus den 60er Jahren erwähnt. Wer sich für Grass interessiert, hat das schon gewusst. Er ist damit nicht zu "spät rausgekommen". Er hat es neulich nur noch mal erwähnt, um sich und sein neues Buch (irgendwas vom Zwiebelschälen) ins Gespräch zu bringen.
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Peter H.
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Anmeldungsdatum: 24.06.2007
Beiträge: 9751

Beitrag(#952000) Verfasst am: 10.03.2008, 20:55    Titel: Antworten mit Zitat

Hatte vor langer Zeit mal die Blechtrommel gelesen. Das Buch war so was von langweilig, so dass ich mir schwor, kein weiteres Buch dieses Schreibers anzurühren!
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zelig
Kultürlich



Anmeldungsdatum: 31.03.2004
Beiträge: 25405

Beitrag(#952008) Verfasst am: 10.03.2008, 21:01    Titel: Antworten mit Zitat

Mir haben seine Sachen gefallen. Zum Öffnungspost:
Scheint mir ein wenig aufgesetzt, die Kernthese, etwas gewollt. Bin generell skeptisch gegenüber Bemühungen, ein ganzes Werk anhand eines einzigen Schlüssels (neu)interpretieren zu wollen. Widerspricht auch meiner Annahme, daß es Werke gibt, die ihren Autor gewissermaßen überragen.
_________________
Es gibt kein richtiges Leben im falschen.
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Dietrich Stahlbaum
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Anmeldungsdatum: 23.05.2004
Beiträge: 31
Wohnort: Recklinghausen NRW

Beitrag(#952125) Verfasst am: 11.03.2008, 00:07    Titel: Die Kernthese Antworten mit Zitat

Wenn der Eindruck entstanden ist, das ganze Schaffen von Grass sei auf eine nicht eingestandene Schuld zurückzuführen, dann ist dieser Eindruck falsch. Dies ist zwar ein zentrales Motiv, aber - habe ich es nicht zumindest angedeutet? - bei Grass handelt es sich um einen Komplex psychischer Probleme, die er nicht literarisch aufarbeiten kann und deshalb verdrängt. Beutin deckt sie anhand von Textbeispielen auf.

Der psychoanalytische Aspekt in Beutins Studie ist einer von vielen anderen Aspekten.

Aus dem Buchrückentext:

»(…) In dieser literaturwissenschaftlichen Untersuchung werden Auszüge seines Werks (Romane, Reden) und Momente seines Wirkens während eines halben Jahrhunderts unter einer Mehrzahl von Aspekten analysiert: seine eigene Sicht der Autor-Rolle (Ablehnung von Utopie, Weltanschauung, Ideologie), Präzeptor-Mentalität, politische Einstellung, 'Antipsychologie' und Psychologie, Frauenbild, literarische Technik und Sprache, seine Förderer und Kritiker. Es wird nach dem Verbindenden zwischen den hier angedeuteten Facetten des Phänomens Grass gefragt und danach, ob sich ein organisierendes Zentrum ermitteln lasse, wovon Grundzüge seiner Schriften und seiner außerliterarischen Tätigkeit determiniert sind.

Inhalt:

Engagierte Literatur und außerliterarisches Engagement - Frühe Opposition gegen Grass - Zugehörigkeit zur SS, langes Schweigen, das Eingeständnis - Verhältnis zum deutschen antifaschistischen Widerstand und zum Antifaschismus, zur Sozialdemokratie, zu Krieg und Frieden - Psychologie und Alltagspsychologie - Frauenhaß, Double-bind und Projektionsmechanismus - Literarische Technik im Roman - Sprache, Stil, Metaphorik - Welche Institutionen und Medien haben den Autor Grass 'gemacht'?

Der Autor:

Wolfgang Beutin, Privatdozent an der Universität Bremen sowie Schriftsteller; wissenschaftliche Veröffentlichungen, u. a. zur mittelalterlichen Frauenmystik, zur Geschichte der erotischen Literatur, zur literarischen Moderne; auch belletristische Werke, darunter fünf Romane.«
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Telliamed
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Anmeldungsdatum: 05.03.2007
Beiträge: 5125
Wohnort: Wanderer zwischen den Welten

Beitrag(#952210) Verfasst am: 11.03.2008, 08:17    Titel: Antworten mit Zitat

Von Wolfgang Beutin kenne ich seinen Anteil an der mehrfach aufgelegten "Deutschen Literaturgeschichte", seine Studien zur Mystik sowie die von ihm herausgegebenen Tagungsbände zu J. H. Voss und G. A. Bürger. Von dem literarischen Gesamtschaffen des Günter Grass habe ich nur einen Teil gelesen.
Deshalb soll es mir hier weniger um Person und Werk dieses Schriftstellers gehen, sondern mehr um die Methoden der Literaturkritik, von denen @Dietrich Stahlbaum dankenswerterweise berichtet.

In der DDR habe ich erlebt, wie die soziale Bedingtheit des schriftstellerischen Schaffens in den Mittelpunkt gestellt wurde, die Literatur als "Abbild der Wirklichkeit" galt und man auf dieser Grundlage einen "kritischen Realismus" von dem die literarische Entwicklung krönenden "sozialistischen Realismus" unterschied. Die gelben bzw. blauen Bände von Georg Lukacz begleiteten im Osten die mit Grass (Jg. 1927) etwa gleichaltrige Generation als "Klassiker", wobei die Literaturkritik von Lukacz in bezug auf das 20. Jh. nicht über Thomas Mann hinauskam.

Wie es in der Eingangsrezension dargestellt wird, wurde im Westen Deutschlands vor allem im Zusammenhang mit den 1968er Ereignissen die traditionelle "werkimmanente" Textinterpretation durch weitere Methoden ergänzt oder auch völlig abgelöst, wovon die Psychoanalyse nur eine ist. Auch Wolfgang Beutin (Jg. 1934) ging es nun um die Aufdeckung der sozialen Verankerung und politischen Einordnung der Autoren in einer Zeit, in der die massenhafte Verstrickung der Deutschen in die nationalsozialistischen Verbrechen zu einem zentralen Thema der gesellschaftlichen Auseinandersetzungen wurde.

Verschiedene Methoden der Literaturkritik lösten einander ab, wobei das jeweils "Moderne" besonders anzog und das bisher angewandte Instrumentarium beiseite geschoben wurde. Mittlerweile hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass es viele Methoden der literarischen Analyse gibt, die alle ihre Berechtigung, ihre Möglichkeiten und Grenzen haben, ganz in Abhängigkeit davon, welches Ziel sich der Kritiker stellt. Bei dieser Neuerscheinung von Wolfgang Beutin entsteht der Eindruck, dass es darum geht, einen nach Ansicht des Kritikers überschätzten Autor von seinem zu hohen Sockel zu holen, indem die Projektionen und anderen Verfahren des Günter Grass sowie auch formale Mängel unter die Lupe genommen werden.

Abschließend möchte ich eine Frage vornehmen, die in der Eingangs-Rezension anklingt:

Die einen Autoren "erfinden" mehr Kunstfiguren, andere, offenbar Günter Grass, projezieren mehr vom "Ich" auf andere zentrale Gestalten. Nun wird man sich darüber schnell im klaren sein, dass auch bei den "Kunstfiguren" ein beträchtlicher Anteil literarischer Projektion vorliegen dürfte. Beide Herangehensweisen haben sicher ihre Berechtigung. Kann dieses unterschiedliche Herangehen ein Maßstab für die Bewertung von Literatur sein?
Aus der Vorstellung der Studie von W. Beutin könnte der Eindruck entstehen, dass ästhetische Kriterien gegenüber der "Verschleierungstaktik" des Romanautors, der seine eigene Biographie deutet, in den Hintergrund treten, und das aus aktuellem Anlass (Aufdeckung der Waffen-SS-Vergangenheit). Da wäre zu fragen, ob man dadurch dem Autor doch wieder nicht ausreichend gerecht wird.
Da ich aus einem Umfeld komme, wo vor allem nach sozialen und politischen Bezügen gefragt wurde, interessieren mich eben jetzt mehr die ästhetischen Bewertungen, die damals viel zu kurz kamen.
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Agnost
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Anmeldungsdatum: 12.11.2006
Beiträge: 5618

Beitrag(#952342) Verfasst am: 11.03.2008, 12:05    Titel: Antworten mit Zitat

Wie wissenschaftlich Psychoanalyse ist müsste vielleicht auch wieder mal diskutiert werden.

Was aber undiskutabel öd ist, sind Fernanalysen psychologisierender Art.
Das ist nur der Versuch von Wichtigtuern sich an anderen so abzuarbeiten, dass man ohne eigene Kreativität trotzdem als bedeutend dasteht.

Entweder findet man Gründe im Werk selbst, die gegen die Blechtrommel sprechen oder nicht.

Wenn Peter H. das Buch langweilig fand ist das eine zulässige subjekive Wertung.

Wenn ein Psychoschwurbler meint das Buch aufgrund von ihm erkannter Schwächen des Schreiberlings beurteilen zu müssen, dann traut er seiner Wertung des Werkes nicht.

Kleist war privat auch ein ziemlich fragwürdiger Typ, seine grössten Werke bestehen trotzdem.

Agnost
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atheist666
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Anmeldungsdatum: 17.02.2007
Beiträge: 8494

Beitrag(#952349) Verfasst am: 11.03.2008, 12:12    Titel: Antworten mit Zitat

Agnost hat folgendes geschrieben:
Wie wissenschaftlich Psychoanalyse ist müsste vielleicht auch wieder mal diskutiert werden.

Was aber undiskutabel öd ist, sind Fernanalysen psychologisierender Art.
Das ist nur der Versuch von Wichtigtuern sich an anderen so abzuarbeiten, dass man ohne eigene Kreativität trotzdem als bedeutend dasteht.

Entweder findet man Gründe im Werk selbst, die gegen die Blechtrommel sprechen oder nicht.

Wenn Peter H. das Buch langweilig fand ist das eine zulässige subjekive Wertung.

Wenn ein Psychoschwurbler meint das Buch aufgrund von ihm erkannter Schwächen des Schreiberlings beurteilen zu müssen, dann traut er seiner Wertung des Werkes nicht.

Kleist war privat auch ein ziemlich fragwürdiger Typ, seine grössten Werke bestehen trotzdem.

Agnost


Danke Agnost Ausrufezeichen Genau das habe ich mir bei dem Lesen des Eingangsposting auch gedacht. Man sollte eher mal diesen Beutin unter die Lupe nehmen.

Ich persönlich kann das Geschwafel von Grass auch nicht ab. Aber diesen Psychomurks noch weniger, weil auch völlig Ahistorisch.
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Asz
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Anmeldungsdatum: 31.01.2008
Beiträge: 2431
Wohnort: Berlin

Beitrag(#952412) Verfasst am: 11.03.2008, 13:25    Titel: Re: Der Trümmerberg des Günter Grass. Rezension einer Kritik Antworten mit Zitat

Reza hat folgendes geschrieben:
Dietrich Stahlbaum hat folgendes geschrieben:


Und nicht nur »Die Blechtrommel«, - das gesamte literarische Werk des Günter Grass erscheint dem Rezensenten dieser Studie als monströser Wörterberg, in dem sich eine kleine hin- und hergerissene, ängstliche Seele versteckt. Sie ist voller Schuldgefühle, voller Ressentiments. Grass ein Kleinbürger wider Willen?


Grass konnte ich nie anders verstehen.
Was ich zusätzlich besonders unangenehm finde ist sein dem entsprechendes Frauenbild, das bei ihm noch stärker als bei anderen Autoren die ganz klassischen Mutter- Hure Klischees erfüllt.
Er ist, wie er schreibt, was nicht bedeutet, dass ich die Blechtrommel nicht für lesenswert halte.

Als Autor insgesamt erheblich überschätzt, zuallererst von ihm selbst.


Meine Schwester hat mir das Buch (die Blechtrommel) angedreht, als ich ca. 14/ 15 war. Ganz davon abgesehen, daß mir die Sprache nicht gefiel, der dämliche Bengel der nicht mehr wachsen wollte und mit seiner Blechtrommel die Leute nervte störte mich schon damals das ausgesprochen negative Frauenbild. Erbrechen Obwohl ich damals noch keine Ahnung vom Feminismus hatte...

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Der Gescheitere gibt nach! Ein unübertreffliches Wort. Es begründete die Weltherrschaft der Dummheit
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Reza
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Anmeldungsdatum: 10.09.2006
Beiträge: 4188

Beitrag(#952454) Verfasst am: 11.03.2008, 13:53    Titel: Antworten mit Zitat

Agnost hat folgendes geschrieben:
Wie wissenschaftlich Psychoanalyse ist müsste vielleicht auch wieder mal diskutiert werden.

Was aber undiskutabel öd ist, sind Fernanalysen psychologisierender Art.
Das ist nur der Versuch von Wichtigtuern sich an anderen so abzuarbeiten, dass man ohne eigene Kreativität trotzdem als bedeutend dasteht.

Entweder findet man Gründe im Werk selbst, die gegen die Blechtrommel sprechen oder nicht.

Wenn Peter H. das Buch langweilig fand ist das eine zulässige subjekive Wertung.

Wenn ein Psychoschwurbler meint das Buch aufgrund von ihm erkannter Schwächen des Schreiberlings beurteilen zu müssen, dann traut er seiner Wertung des Werkes nicht.

Kleist war privat auch ein ziemlich fragwürdiger Typ, seine grössten Werke bestehen trotzdem.

Agnost


Und was hast du gelesen, dass du hier solche Fernanalysen ablieferst?
Die Blechtrommel hoffentlich doch, Beutin.....?


Die meisten Autoren kennt man ja nicht, nicht einmal aus dem Fernsehen.

Das ist bei Grass nicht so, an dem kam man ja praktisch über Jahrzehnte nicht vorbei.
Es ließ sich kaum vermeiden, einen Eindruck von ihm zu bekommen.

Er war mir immer unsympatisch, aber da von den Hundejahren und der Blechtrommel, die ich in sehr frühen Alter gelesen hatte eigentlich nichts wesentliches hängengeblieben war, schon gar nichts angenehmes, das mein Bedürfnis nach mehr Grass erweckt hätte, hab ich lange nichts mehr von ihm gelesen.
Als ich die Verfilmung der Blechtrommel gesehen hatte, hab ich sie nochmal gelesen, weil ich wissen wollte, ob insbesondere das Frauenbild, das mir da aufgefallen war, so wirklich bei Grass zu finden ist, und mir das mit 15 gar nicht, jedenfalls nicht bewusst und benennbar aufgefallen ist.

Was die Werktreue anbetrifft, aber auch so, eine der besten Literaturverfilmungen, die ich kenne.

Beim 2. Mal Lesen hat sich mir dann die Frage nach der Persönlichkeit des Autors selber förmlich aufgedrängt, und ich habe seine unvermeidbaren Auftritte aus diesem Blickwinkel heraus betrachtet.

Und bei kaum einem Autor hat das Gefühl zum "Buch", so sehr mit dem Gefühl zum Autor korreliert, wie bei Grass.
Bei kaum einem - den ich näher beurteilen kann - geht der "Meister" so sehr ins Werk ein, wie bei Grass

Bei sehr vielen AutorInnen, auch wenn ich die Bücher sehr mag, stellt sich mir die Frage nach der Person überhaupt nicht, die ist mir wurscht, normalerweise.
Und wenn überhaupt, dann schon eher in positiver Weise "mit dem/der würde ich mich gerne mal unterhalten", und nicht wie bei Grass "ist der tatsächlich so ein A..........."

Er ist es, die Personifizierung des pseudointellektuellen Großkotz-Obermachos, und nicht nur diesbezüglich völlig unreflektiert, und ohne jegliche ernsthafte Selbstkritik.
Einiges vom ihm, halte ich trotzdem für lesenswert, auch zweifelsohne für Literatur, die ist für mich aber nicht erbaulich, sondern hilft fürs Zeitverständnis, und wie sich auch die "Zeit" in Personen niederschlägt, bzw. bestimmte Persönlichkeitsmuster verstärken kann.

Grass ist ja nicht der einzige dieser Art, da gibt es viele solche Männer aus dieser Generation, die meisten sind glücklicherweise keine Schriftsteller.
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atheist666
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Anmeldungsdatum: 17.02.2007
Beiträge: 8494

Beitrag(#952463) Verfasst am: 11.03.2008, 14:05    Titel: Antworten mit Zitat

Und Wayne interessierts Mit den Augen rollen
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Agnost
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Anmeldungsdatum: 12.11.2006
Beiträge: 5618

Beitrag(#952464) Verfasst am: 11.03.2008, 14:07    Titel: Antworten mit Zitat

Ich hab die Beutinschen Thesen entweder in der NZZ, im Spiegel, der Zeit oder in 2 oder in allen 3 Zeitungen gelesen.

Meine Ablehnung von Psychoanalytischen Ferndiagnosen hat nichts mit Grass und nichts mit Beutin persönlich zu tun, sondern mit der Charlatanerie des Verfahrens an sich.

Nun, das Nobelpreiskomitee hat ihn höchstwahrscheinlich wegen der Blechtrommel gewählt.

Ich kenne nur die Blechtrommel und die Darstellung der Frauen im Roman dürfte einfach die Mehrheitsmeinung dieser Zeit widerspiegeln.
Das ist in sich eine Information.

Die Person Grass interessiert mich bis heute nicht besonders.

Ich halte es da mit Bob Dylan "Don't follow Leaders watching Parking Meters".

Dessen erste christliche Platte "Slow Train" ist immer noch eine seiner musikalisch besten obwohl die Texte Schrott sind.

Andere Texte von ihm wiederrum bleiben grossartig, egal wie lange er "Reborn Christ" war.

Agnost
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atheist666
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Anmeldungsdatum: 17.02.2007
Beiträge: 8494

Beitrag(#952469) Verfasst am: 11.03.2008, 14:14    Titel: Antworten mit Zitat

Agnost hat folgendes geschrieben:
Ich hab die Beutinschen Thesen entweder in der NZZ, im Spiegel, der Zeit oder in 2 oder in allen 3 Zeitungen gelesen.

Meine Ablehnung von Psychoanalytischen Ferndiagnosen hat nichts mit Grass und nichts mit Beutin persönlich zu tun, sondern mit der Charlatanerie des Verfahrens an sich.

Nun, das Nobelpreiskomitee hat ihn höchstwahrscheinlich wegen der Blechtrommel gewählt.

Ich kenne nur die Blechtrommel und die Darstellung der Frauen im Roman dürfte einfach die Mehrheitsmeinung dieser Zeit widerspiegeln.
Das ist in sich eine Information.

Die Person Grass interessiert mich bis heute nicht besonders.

Ich halte es da mit Bob Dylan "Don't follow Leaders watching Parking Meters".

Dessen erste christliche Platte "Slow Train" ist immer noch eine seiner musikalisch besten obwohl die Texte Schrott sind.

Andere Texte von ihm wiederrum bleiben grossartig, egal wie lange er "Reborn Christ" war.

Agnost


Bitte Agnost: "Don't follow Leaders watching Parking Meters". Da war er noch kein Christ !
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atheist666
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Anmeldungsdatum: 17.02.2007
Beiträge: 8494

Beitrag(#952470) Verfasst am: 11.03.2008, 14:15    Titel: Antworten mit Zitat

Hat sich einer mal den Beutin näher angeschaut bei Google. Der scheint auch ein Problem mit sich selber zu haben, wenn man so seine Bücher sieht.
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Agnost
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Anmeldungsdatum: 12.11.2006
Beiträge: 5618

Beitrag(#952478) Verfasst am: 11.03.2008, 14:20    Titel: Antworten mit Zitat

Zumindest kein Wiedergeborener.

Zusammen mit dem Free-Jazz-Pionier Ornette Coleman gehört er ja was seine Biographie anging in den ersten Jahrzehnten seiner Karriere zu den lustvollsten Rosstäuschern.

Ändert eh nix an der Grösse seiner besten Werke. Vor oder nach Slowtrain.

Oh, oh Idee das wär doch was für nen andern Thread. zwinkern

Agnost
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Reza
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Anmeldungsdatum: 10.09.2006
Beiträge: 4188

Beitrag(#952484) Verfasst am: 11.03.2008, 14:23    Titel: Antworten mit Zitat

atheist666 hat folgendes geschrieben:
Und Wayne interessierts Mit den Augen rollen


Hab ich vergessen zu erwähnen, dass es solche Herren auch reichlich außerhalb der Generation von Grass gibt?
Mit anderem Zeithintergrund selbstverständlich, insofern irgendwie "mutiert", aber auch ziemlich degoutant.
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Anmeldungsdatum: 12.11.2006
Beiträge: 5618

Beitrag(#952491) Verfasst am: 11.03.2008, 14:27    Titel: Antworten mit Zitat

Reza hat folgendes geschrieben:
atheist666 hat folgendes geschrieben:
Und Wayne interessierts Mit den Augen rollen


Hab ich vergessen zu erwähnen, dass es solche Herren auch reichlich außerhalb der Generation von Grass gibt?
Mit anderem Zeithintergrund selbstverständlich, insofern irgendwie "mutiert", aber auch ziemlich degoutant.


Weisst du, dass es Chauvis gab und gibt und manchmal unsere 12. Alternativ-Identiät auch dazugehört, wissen wir doch schon lange.

Interessieren tut es uns nur nicht wahnsinnig, ausser wenn wir wieder mal selbst um die Ecke unser Bier kaufen müssen und dann noch im Sitzen pinkeln.

Agnost
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Anmeldungsdatum: 10.09.2006
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Beitrag(#952492) Verfasst am: 11.03.2008, 14:27    Titel: Re: Der Trümmerberg des Günter Grass. Rezension einer Kritik Antworten mit Zitat

Asz hat folgendes geschrieben:


Meine Schwester hat mir das Buch (die Blechtrommel) angedreht, als ich ca. 14/ 15 war. Ganz davon abgesehen, daß mir die Sprache nicht gefiel, der dämliche Bengel der nicht mehr wachsen wollte und mit seiner Blechtrommel die Leute nervte störte mich schon damals das ausgesprochen negative Frauenbild. Erbrechen Obwohl ich damals noch keine Ahnung vom Feminismus hatte...

Hexe


Ja, vieles weiß man, bevor man es weiß Auf den Arm nehmen
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atheist666
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Beitrag(#952494) Verfasst am: 11.03.2008, 14:29    Titel: Antworten mit Zitat

Reza hat folgendes geschrieben:
atheist666 hat folgendes geschrieben:
Und Wayne interessierts Mit den Augen rollen


Hab ich vergessen zu erwähnen, dass es solche Herren auch reichlich außerhalb der Generation von Grass gibt?
Mit anderem Zeithintergrund selbstverständlich, insofern irgendwie "mutiert", aber auch ziemlich degoutant.


Hast Du nicht. Nur habe ich mich immer gefragt, was dieser ganze Hype um Grass u.A. soll.
Und was will uns der Threaderöffner eigentlich mitteilen-Fragen über Fragen Mit den Augen rollen
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atheist666
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Anmeldungsdatum: 17.02.2007
Beiträge: 8494

Beitrag(#952497) Verfasst am: 11.03.2008, 14:30    Titel: Antworten mit Zitat

Agnost hat folgendes geschrieben:
Reza hat folgendes geschrieben:
atheist666 hat folgendes geschrieben:
Und Wayne interessierts Mit den Augen rollen


Hab ich vergessen zu erwähnen, dass es solche Herren auch reichlich außerhalb der Generation von Grass gibt?
Mit anderem Zeithintergrund selbstverständlich, insofern irgendwie "mutiert", aber auch ziemlich degoutant.


Weisst du, dass es Chauvis gab und gibt und manchmal unsere 12. Alternativ-Identiät auch dazugehört, wissen wir doch schon lange.

Interessieren tut es uns nur nicht wahnsinnig, ausser wenn wir wieder mal selbst um die Ecke unser Bier kaufen müssen und dann noch im Sitzen pinkeln.

Agnost



Gröhl...
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Reza
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Beiträge: 4188

Beitrag(#952503) Verfasst am: 11.03.2008, 14:36    Titel: Antworten mit Zitat

Agnost hat folgendes geschrieben:


Interessieren tut es uns nur nicht wahnsinnig, ausser wenn wir wieder mal selbst um die Ecke unser Bier kaufen müssen und dann noch im Sitzen pinkeln.

Agnost


Mich interessieren Sprüche dieser hochintellektuellen Art auch überhaupt nicht, zumal wenn leider jeder Witz fehlt.

Naja, atheist gefällt's, seh ich gerade, kein Wunder, manche Leute sind halt leicht zu unterhalten
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Dietrich Stahlbaum
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Wohnort: Recklinghausen NRW

Beitrag(#952509) Verfasst am: 11.03.2008, 14:39    Titel: Antworten mit Zitat

Telliamed hat folgendes geschrieben:

In der DDR habe ich erlebt, wie die soziale Bedingtheit des schriftstellerischen Schaffens in den Mittelpunkt gestellt wurde, die Literatur als "Abbild der Wirklichkeit" galt und man auf dieser Grundlage einen "kritischen Realismus" von dem die literarische Entwicklung krönenden "sozialistischen Realismus" unterschied. Die gelben bzw. blauen Bände von Georg Lukacz begleiteten im Osten die mit Grass (Jg. 1927) etwa gleichaltrige Generation als "Klassiker", wobei die Literaturkritik von Lukacz in bezug auf das 20. Jh. nicht über Thomas Mann hinauskam.


Als ich 1976 mit einer Kulturdelegation aus dem Ruhrgebiet in Leipzig war, war man in der DDR gerade dabei, „das kulturelle Erbe aufzuarbeiten“. Wir diskutierten in der Karl Marx-Uni über unsere Literatur der Arbeitswelt, die wir, an die Arbeiterliteratur der 20er-, 30er Jahre anknüpfend und in Anlehnung an den “Bitterfelder Weg“ (DDR), in zahlreichen „Werkstätten“, u. a. auch in Recklinghausen, „hergestellt“ und publiziert haben.

„Bitterfeld“, sagte man damals fast mitleidig zu uns, „liegt längst hinter uns.“ Mit dem kulturellen Erbe, das man auf seine Brauchbarkeit für den Realexistierenden abklopfte, war das „bürgerliche“ gemeint. Und irgendjemand fragte: „Auch Sigmund Freud?“ Die dialektisch bestens geschulten Professoren schauten, sichtbar überrascht, einander an. Dann sagte einer: „Ja, auch Freud“. Später in Auerbachs Keller, wo Goethe und sein Faust gegessen und literweise Wein getrunken haben, kam es heraus: Einer aus unserm kleinen Kreis, der hier "bei Tische" saß, ein wissenschaftlicher Assistent, der bei der Diskussion in der Uni mit spitzen Ohren zugehört hatte, sagte: “… Freud, ja. Ein kleiner ausgesuchter Zirkel hat begonnen, sich mit seiner Psychoanalyse zu befassen. Es soll herausgefunden werden, ob was und was davon für uns brauchbar ist. Die anderen, Reich, Jung, Adler usw., sind tabu.“ Für Tiefenpsychologie war beim DIAMAT, beim dialektischen Materialismus, der Staatsdoktrin der DDR, eigentlich kein Platz.

Tiefenpsychologie war subversiv und galt dort als sehr gefährlich. Dabei war der Mangel an sozial- und individual-psychologischer Einsicht einer der Hauptgründe für den Zusammenbruch dieses verknöcherten Systems.

Nun ist, wie ich bereits anfangs gesagt/geschrieben habe, die PsA. nur einer von vielen Blickwinkeln, aus denen Beutin Literatur betrachtet, analysiert, beurteilt. Außerdem sind es sozialwissenschaftliche, politische und historische Aspekte und, besonders bei Grass, humanistisch-ethische Kriterien. Das war damals, Anfang der 70er, ein Novum.
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