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Wolf registrierter User
Anmeldungsdatum: 23.08.2004 Beiträge: 16610
Wohnort: Zuhause
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(#953140) Verfasst am: 11.03.2008, 23:54 Titel: Re: Willensfreiheit |
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Kival hat folgendes geschrieben: |
Ich behaupe ja das Gegentum. |
Nun ihr habt ja auch beide Recht.
_________________ Trish:(
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Kival Profeminist Ghost
Anmeldungsdatum: 14.11.2006 Beiträge: 24071
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(#953144) Verfasst am: 11.03.2008, 23:56 Titel: Re: Willensfreiheit |
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Wolf hat folgendes geschrieben: | Kival hat folgendes geschrieben: |
Ich behaupe ja das Gegentum. |
Nun ihr habt ja auch beide Recht. |
Das ist vermutlich korrekt.
_________________ "A basic literacy in statistics will one day be as necessary for efficient citizenship as the ability to read and write." (angeblich H. G. Wells)
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HiobHolbach registrierter User
Anmeldungsdatum: 28.07.2007 Beiträge: 1715
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(#953158) Verfasst am: 12.03.2008, 00:18 Titel: Aus Hiob Holbachs gestammelten Werken |
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Wer will, kann eben noch die folgende Gutenachtgeschichte lesen:
Heinz Erhardt zu Ehren
Gemächlich fliesst der Bach zu Tal,
er hat halt keine andre Wahl.
Er kann zwar unsern Durst gut stillen,
doch hat er keinen freien Willen.
Ob wir in seine Fluten fassen?
Ob wir es lieber bleiben lassen?
Es scheint, wir handeln völlig frei
und treiben doch bergab dabei.
Der Bach, der Mensch und selbst der Hund,
die haben immer einen Grund.
_________________ Bibel- und Kirchenkritik: www.reimbibel.de
Kritik an § 217 StGB (Verbot der professionellen Suizidhilfe): www.reimbibel.de/217.htm
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#953274) Verfasst am: 12.03.2008, 09:51 Titel: |
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Katatonia hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Er_Win hat folgendes geschrieben: | Zitat: | ...Deine Illusion der Handlungsfreiheit... |
wie jetzt ?! Ich dachte nur die Willensfreiheit ist Einbildung |
Nee, beide. Ich verneine "Handlungsfreiheit", seit mich ein Kompatibilist darauf hinwies, daß Handlungsfreiheit ja wohl offensichtlich gegeben sei und auch von denen akzeptiert werden müsse, die Willensfreiheit ablehnten. |
Unter Handlungsfreiheit wird gewöhnlich verstanden, so handeln zu können, wie man will. Und dass diese Fähigkeit oft realisiert ist, scheint mir offensichtlich. Sogar andere Tiere als der Mensch können handlungsfrei sein. |
Ja, wenn man Handlungsfreiheit definiert als hinreichende Übereinstimmung zwischen (det.) Handlung (Ergebnis) und (det.) Präferenz, dann habe ich kein Problem damit, und habe es auch früher selbst so verwendet. Wie ich schon versucht habe zu erklären, wird das aber in Diskussionen über den FW von desssen Vertretern oft so ausgelegt, als impliziere die Handlungsfreiheit, daß es wirklich mehrere Möglichkeiten gebe, von denen aktiv eine herbeigeführt werde.
Eine Übereinstimmung zwischen Ergebnis und Präferenz habe ich sogar bei einem Lottogewinn, oder wenn ich von einer Krankheit genese, oder wenn ich im Schachspiel gewinne.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Er_Win dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 31.01.2008 Beiträge: 4482
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(#953289) Verfasst am: 12.03.2008, 11:02 Titel: |
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Zitat: | Ja, wenn man Handlungsfreiheit definiert als hinreichende Übereinstimmung zwischen (det.) Handlung (Ergebnis) und (det.) Präferenz ... |
Aha - und wie und auf welchem "Systemlevel" definieren sich deine (angeblich det.) Präferenzen ?
Und wie stellt sich nach deiner Meinung der Zustand der Hypnose ein bzw. dar, der genau ein Beispiel dafür ist, wo die Wirkbeeinflussung des Bewußtseins (sogar extern getriggert) eindeutig systemisch gesehen top-down erfolgt. Und wenn jemand behauptet, daß Hypnose nicht erst auf der Bewußtseinsebene, sondern davor (sensorisch, vegetativ, physikalisch ...) "wirkt", der sollte als Nachweis einen Bewußtlosen bzw. Narkotisierten hypnotisieren.
Eine Tranceinduktion ruft messbare körperliche Veränderungen hervor. Durch moderne bildgebende Verfahren können spezifische Veränderungen der Gehirnaktivitäten in der Trance nachgewiesen werden. (Zitat aus vorigem Link)
Zitat: | Eine Übereinstimmung zwischen Ergebnis und Präferenz habe ich sogar bei einem Lottogewinn, oder wenn ich von einer Krankheit genese, oder wenn ich im Schachspiel gewinne. |
Und was begründest du damit - oder wo ist da der stringente Zusammenhang mit Willens-/Handlungsfreiheit ? Bzw. wenn du schon das Thema Genesung einbringst: wie wirken in deinem Modell Placebos ? Ein weiteres gutes Beispiel für eine systemische Wirkbeeinflussung in top-down Sicht.
Die zT. euphorische Haltung einiger Neurobiologen, sie wüßten jetzt qua ihrer neuronalen Forschungen, was Bewußtsein ist und wie es "funktioniert" erscheinen mir aus systemtheoretischer Hinsicht ähnlich naiv (bzw. eher noch naiver) als wenn jemand behauptet, er könne Wissen über eine komplexe Anwendungssoftware erlangen, indem er RAM-Aktivitäten beobachtet. Sicherlich werden sich auch da funktionale Zusammenhänge feststellen lassen, aber Ahnung von den (in diesem Falle algorithmisch) abstrakten Konzepten der Software bekommt man so wohl kaum. In diesem Fall wird eher der Erforschungsweg aus der "epiphänomenalen" Sicht (bzw. besser formuliert der komplexesten Systemschicht) genauso legitim sein, wie er es auch beim Bewußtsein ist und bekanntermassen auch zu den idealistischen Formen der philosophischen Betrachtungen geführt hat.
Noch ein Wort zu den angeblich determinierenden Präferenzen: Ich beziehe mich da nochmals auf die geschilderte Testsituation (mit den Kugeln) und unterstelle jetzt, daß die beiden Auswahlobjekte dergestalt sind, daß ich gegen eines sogar bewußte sehr starke Aversionen habe und das andere (bewußt) sehr stark präferiere. Trotzdem schafft es mein Bewußtsein ganz locker, qua der Tatsache, daß ich mir der Testsituation bewußt bin, das nicht präferierte Objekt zu wählen.
Erwin
Zuletzt bearbeitet von Er_Win am 12.03.2008, 15:25, insgesamt einmal bearbeitet |
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#953464) Verfasst am: 12.03.2008, 14:28 Titel: |
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Fragen wir uns doch erst einmal, was "Willensfreiheit" ist und um was es in der öffentlichen Diskussion der letzten Jahre überhaupt ging. Nehmen wir dazu erst einmal die Definition von MSS:
Von der illusorischen zur realen Freiheit hat folgendes geschrieben: | Willensfreiheit hingegen meint etwas völlig anderes. Es ist die Vorstellung, wir könnten beliebig wollen, was wir wollen. Damit ist kein „Wille zweiter Ordnung“ gemeint, sondern die in sich widersprüchliche und doch höchst folgenreiche Auffassung, wir wären göttergleiche Wesen, die sich unbeeinflusst von inneren und äußeren Determinanten „frei“ entscheiden könnten. |
Wenn es in der öffentlichen Diskussion der letzten Jahre tatsächlich nur um dieses Verständnis ginge, wenn also "echte" Willensfreiheit bedeuten solle, man müsse sich von allen vergangenen und gegenwärtigen äußeren und inneren Einflüssen, Gegebenheiten, Überlegungen, Erfahrungen usw. völlig frei machen können, dann wäre das Ganze eine Gespensterdiskussion, denn mir zumindest scheint es selbstverständlich, dass dies aus logischen Gründen unmöglich ist. Wenn das also alles wäre, könnte man sich müde zurücklehnen, mit den Schultern zucken und gelangweilt fragen "so what?". Diese gar nicht neue Erkenntnis hat keinerlei Auswirkungen auf unser Weltbild, unseren Umgang miteinander; geschweige denn, dass sie eine grundlegende Umwälzung oder "Kränkung" bedeuten würde, wie oft behauptet wird.
Meiner Meinung nach ging und geht es aber eigentlich nicht um dieses enge Verständnis von Willensfreiheit, sondern es geht um mehr. Dazu betrachten wir uns mal einige Aussagen von Hirnforschern:
Freier Wille unter Neuronenfeuer hat folgendes geschrieben: | [Gerhard Roth:] Das Gefühl trügt: Man fühlt sich frei, aber man ist es nicht. In unzähligen Experimenten haben Forscher nachgewiesen, dass Erregungszustände im Gehirn schon eine Handlung ankündigen, noch bevor der Mensch sich bewusst ist, dass er überhaupt handeln will. [...] [Wolf Singer:] Das Wollen, Denken und Verhalten werden von limbischen Gehirnsystemen gesteuert, die grundsätzlich unbewusst arbeiten und die dem bewussten Ich kaum zugänglich sind. [...] [Wolfgang Prinz:] Was scheinbar als freie Willensentscheidung daherkommt, sei nichts anderes als das nachträgliche Ratifizieren einer Entscheidung, die das Gehirn in der gegebenen Situation schon längst getroffen hat. |
Mit anderen Worten: es wird hier behauptet, es gäbe keine bewussten Gründe für Handlungen, sondern diese vermeintlichen Gründe würden immer erst nachträglich (frei - im Sinne von beliebig) erfunden. In Wirklichkeit könnten wir überhaupt keine bewussten Entscheidungen treffen, sondern diese Entscheidungen würden für uns nicht nachvollziehbar vom "limbischen System" getroffen (oder noch viel schöner die letzte Aussage: "wir" könnten nichts entscheiden, sondern "unser Gehirn" entscheide für "uns". Ein geradezu grotesker Kategorienfehler und letztlich auch ein Dualismus. *kopfschüttel*)
Mit anderen Worten: unsere bewussten Gedanken, Überlegungen, Argumente, Entscheidungen wären demnach tatsächlich ein reines Epiphänomen; es wäre eine Einbildung, eine Illusion, dass wir bewusst etwas bewirken könnten. Sie hätten keinerlei Rückwirkungen auf unsere Handlungen, sondern wären von ihnen abgekoppelt und somit vollkommen beliebig.
Gut, man könnte nun natürlich fragen, warum denn die Gedanken der Hirnforscher, wenn dem tatsächlich so wäre, da plötzlich eine Ausnahme bilden sollten. Aber das wäre natürlich ein Sakrileg, wir vom armen tumben Fußvolk müssen natürlich andächtig hinaufblicken zu den Geistesgrößen der Neurowissenschaft. Die haben bekanntlich Fähigkeiten, die wir nicht haben, die können ihr limbisches System kontrollieren und bei ihnen entscheidet nicht ihr Gehirn für sie. *anbet*
Weniger polemisch ausgedrückt: wenn dem tatsächlich so wäre, wie aus den obigen Aussagen herauzulesen ist; Aussagen, die übrigens immer wieder in der öffentlichen Diskussion so auftauchen; dann folgt daraus selbstverständlich, dass auch alle Aussagen und Forschungsergebnisse dieser Hirnforscher (und aller Wissenschaftler überhaupt natürlich) nachträgliche Ratifizierungen sind. Und wenn wir keinen Einfluss auf die Entscheidungen "unseres" limbischen Systems haben, dann können wir auch nichts über diese Entscheidungen sagen, sondern wir können nur raten, was "unser" limbisches System (oder "unser" Gehirn ) da wohl mit uns anstellt. Und Wissenschaft und raten verträgt sich mMn nicht so besonders gut. Die logische Folgerung dessen müsste also erst einmal sein, dass wir wissenschaftliche Erkenntnisse als Illusion ansehen und auf Wissenschaft gänzlich verzichten. Wir lehnen uns dann mal locker zurück und schauen uns nur noch an, was das limbische System alles für uns entscheidet, für uns denkt, für uns handelt. Wird sicher spannend.
Mit anderen Worten: meiner Meinung nach dreht sich die Diskussion letztlich um die Frage: können wir rationale Überlegungen anstellen, können wir Argumente abwägen, können wir basierend darauf Entscheidungen treffen? Und kann man sagen: diese Person hat diese Entscheidung getroffen? Oder können wir das nicht sagen, müssen wir zum Beispiel sagen: nein, die Person kann prinzipiell keine Entscheidungen treffen, alles läuft (determiniert oder nicht - völlig wurscht) einfach so ab, wie es abläuft und deshalb dürfen wir dieser Person ihre Gedanken, Argumente und Entscheidung nicht zuschreiben, sondern all dies läuft für uns prinzipiell! nicht nachvollziehbar einfach so ab (im limbischen System, in "unserem" Gehirn oder irgendwo anders in einem Bereich, der von "uns" getrennt und nicht einsichtig ist - was auch immer man hier unter "uns" verstehen mag).
Zuletzt bearbeitet von AgentProvocateur am 12.03.2008, 14:55, insgesamt einmal bearbeitet |
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Er_Win dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 31.01.2008 Beiträge: 4482
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(#953484) Verfasst am: 12.03.2008, 14:54 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Fragen wir uns doch erst einmal, was "Willensfreiheit" ist und um was es in der öffentlichen Diskussion der letzten Jahre überhaupt ging. Nehmen wir dazu erst einmal die Definition von MSS [...]
... wenn also "echte" Willensfreiheit bedeuten solle, man müsse sich von allen vergangenen äußeren und inneren Einflüssen, Gegebenheiten, Überlegungen, Erfahrungen usw. völlig frei machen können, dann wäre das Ganze eine Gespensterdiskussion, denn mir zumindest scheint es selbstverständlich, dass dies aus logischen Gründen unmöglich ist. |
da stimme ich dir vollständig zu ! Gebe allenfalls zu bedenken, daß gerade durch Bewußtwerdung dieser Determiniertheit als auch der Auseinandersetzung mit Methoden der mentalen "Selbstumstrukturierung" in sicher gewissen Grenzen doch Dinge möglich sind, die einem "Wollen-was-man-will" näher kommen. Das ist jedoch ein langfristiger Prozess der durchaus aus der von Wissenschaftlern festgestellten sg. Plastizität unseres Hirns erklärt werden kann. Weil diese im Baby- bzw. Kleinkindalter auch wesentlich grösser ist, als später, erklärt sich auch die schnellere und wichtige Prägung in diesem Lebensabschnitt.
Zitat: | Dazu betrachten wir uns mal einige Aussagen von Hirnforschern:
Freier Wille unter Neuronenfeuer hat folgendes geschrieben: | [Gerhard Roth:] Das Gefühl trügt: Man fühlt sich frei, aber man ist es nicht. In unzähligen Experimenten haben Forscher nachgewiesen, dass [...] |
Mit anderen Worten: es wird hier behauptet, es gäbe keine bewussten Gründe für Handlungen, sondern diese vermeintlichen Gründe würden immer erst nachträglich (frei - im Sinne von beliebig) erfunden. [...] |
dabei handelt es sich *imho* - wie ich schon an einigen Stellen versucht habe darzustellen - einfach um eine Missinterpretation der Forschungsergebnisse - von einem Nachweis zu sprechen, erscheint mir ähnlich schlüssig wie bei Gottesbeweisen. Dass selbige "Nachweise" dann klarerweise auch determiniert sind, entbehrt nicht einer gewissen Komik
Wenn man eine evolutorische Entwicklung des Hirns voraussetzt und davon ausgeht, daß (Selbst-)bewußtsein als (oberste) letzte "Systemschicht" entstanden ist, ergibt sich auch völlig logisch, daß das Sensorische, (Re-)aktive der Bewußtwerdung vorausgeht. Das hat aber nichts - zumindest in meinem Verständnis - mit dem Prinzip des freien Willens (als steuerndem, beeinflussendem Element), der in determinationsfreien Testsituationen jedem direkt erfahrbar ist, zu tun.
Erwin
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26445
Wohnort: im Speckgürtel
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(#953513) Verfasst am: 12.03.2008, 15:31 Titel: |
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Ich würde noch weitergehen: Diese netten Versuche, in denen "nachgewiesen" wurde, dass einen Willensfreiheit nicht existiert, basieren geradezu auf ihr, weil sie alle davon ausgehen, dass die Probanden nach einer Instruktion in der Lage sind, am Versuch teilzunehmen, dass sie sich also entscheiden können, der Instruktion - einer abstrakten Information, die auf der Bewusstseinsebene verarbeitet wird - zu folgen.
oder kürzer: Ohne freihen Willen ist kein auf abstrakter Kommunikation beruhendes soziales Verhalten möglich. Meine tägliche Erfahrung sagt mir jedoch, dass mir der Bäcker die Brötchen gibt, deren Bezeichnung ich ihm genannt habe. (Dieser Versuch ist auch viel preiswerter.)
fwo
_________________ Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.
The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.
Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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Er_Win dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 31.01.2008 Beiträge: 4482
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(#953657) Verfasst am: 12.03.2008, 18:05 Titel: |
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@fwo
Zitat: | ...der Instruktion - einer abstrakten Information, die auf der Bewusstseinsebene verarbeitet wird - zu folgen. |
je intensiver man sich die "Determiniertheit" dieses Umstandes zu Gemüte führt, desto komischer wird die Sache
Erwin
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#953737) Verfasst am: 12.03.2008, 20:47 Titel: |
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fwohlgemuth hat folgendes geschrieben: | Diese netten Versuche, in denen "nachgewiesen" wurde, dass einen Willensfreiheit nicht existiert, basieren geradezu auf ihr, weil sie alle davon ausgehen, dass die Probanden nach einer Instruktion in der Lage sind, am Versuch teilzunehmen, dass sie sich also entscheiden können, der Instruktion - einer abstrakten Information, die auf der Bewusstseinsebene verarbeitet wird - zu folgen. |
Daß jemand gemäß einer Instruktion handelt, bedeutet erstmal nur, daß sein Gehirn einen Input empfängt und basierend auf diesem eine Handlung initiiert. Je nach Situation kann das von reflexhaft bis zu einer bewußt-komplexen Bewertung reichen. Bis hierhin sehe ich überhaupt keine Freiheit.
Im Falle symbolischen, abstrakten Inputs muß zusätzlich zuvor dessen Bedeutung gelernt, also in einer neuronalen Struktur oder Zustand abgelegt worden sein, die eine Assoziation oder einen Mustervergleich ermöglicht. Auch hier sehe ich keinerlei Freiheit.
Meine Argumentation ist unabhängig von der genauen Kenntnis der Funktionsweise von Bewußtsein. Du dagegen mußt zuerst einmal zeigen, wo überhaupt ein echter Freiheitsgrad in diesem Vorgang steckt, mal ganz abgesehen von der Frage, wie der Mensch den "unphysikalisch" beeinflußt.
fwohlgemuth hat folgendes geschrieben: | oder kürzer: Ohne freihen Willen ist kein auf abstrakter Kommunikation beruhendes soziales Verhalten möglich. |
Nein, es reicht ein System, das gelernt hat, Symbole mit simulierten Situationen zu assoziieren und diese vergleichend zu bewerten.
fwohlgemuth hat folgendes geschrieben: | Meine tägliche Erfahrung sagt mir jedoch, dass mir der Bäcker die Brötchen gibt, deren Bezeichnung ich ihm genannt habe. (Dieser Versuch ist auch viel preiswerter.) |
Das könnte auch ein Backroboter.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#953738) Verfasst am: 12.03.2008, 20:52 Titel: |
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@Erwin, ich kann jetzt nicht auf alle im Detail unverstandenen Bewußtseinsphänomene eingehen.
Er_Win hat folgendes geschrieben: | Noch ein Wort zu den angeblich determinierenden Präferenzen: Ich beziehe mich da nochmals auf die geschilderte Testsituation (mit den Kugeln) und unterstelle jetzt, daß die beiden Auswahlobjekte dergestalt sind, daß ich gegen eines sogar bewußte sehr starke Aversionen habe und das andere (bewußt) sehr stark präferiere. Trotzdem schafft es mein Bewußtsein ganz locker, qua der Tatsache, daß ich mir der Testsituation bewußt bin, das nicht präferierte Objekt zu wählen. |
Ja und? Das zeigt doch nur, daß Dein Bewertungssystem mehrere Aspekte auswertet und die letztliche Präferenz situativ eben doch anders berechnet.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#953747) Verfasst am: 12.03.2008, 21:21 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Fragen wir uns doch erst einmal, was "Willensfreiheit" ist Zitat: | ... die Vorstellung, wir könnten beliebig wollen, was wir wollen. Damit ist gemeint ... die in sich widersprüchliche und doch höchst folgenreiche Auffassung, wir wären göttergleiche Wesen, die sich unbeeinflusst von inneren und äußeren Determinanten „frei“ entscheiden könnten. |
... Wenn das also alles wäre, könnte man sich müde zurücklehnen, mit den Schultern zucken und gelangweilt fragen "so what?". Diese gar nicht neue Erkenntnis hat keinerlei Auswirkungen auf unser Weltbild, unseren Umgang miteinander; geschweige denn, dass sie eine grundlegende Umwälzung oder "Kränkung" bedeuten würde, wie oft behauptet wird. |
Darum geht es mir aber nicht. Vielmehr muß ein Verfechter jeglicher Sorte von Willensfreiheit zeigen, daß es mindestens einen einzigen frei beeinflußbaren wesentlichen Freiheitsgrad physikalisch gibt.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Mit anderen Worten: unsere bewussten Gedanken, Überlegungen, Argumente, Entscheidungen wären demnach tatsächlich ein reines Epiphänomen; es wäre eine Einbildung, eine Illusion, dass wir bewusst etwas bewirken könnten. |
Nein. Unser Gehirn bewirkt etwas, indem es input mithilfe einer "Berechnung" in eine Handlung umsetzt. Unser Bewußtsein begleitet diese Berechnung zuweilen.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Sie hätten keinerlei Rückwirkungen auf unsere Handlungen, sondern wären von ihnen abgekoppelt und somit vollkommen beliebig. |
Nein! Sie sind nicht beliebig, sondern sie korrelieren mit unseren Handlungen, s.o.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | ... meiner Meinung nach dreht sich die Diskussion letztlich um die Frage: können wir rationale Überlegungen anstellen, können wir Argumente abwägen, können wir basierend darauf Entscheidungen treffen? Und kann man sagen: diese Person hat diese Entscheidung getroffen? Oder können wir das nicht sagen, müssen wir zum Beispiel sagen: nein, die Person kann prinzipiell keine Entscheidungen treffen, alles läuft (determiniert oder nicht - völlig wurscht) einfach so ab, wie es abläuft und deshalb dürfen wir dieser Person ihre Gedanken, Argumente und Entscheidung nicht zuschreiben, sondern all dies läuft für uns prinzipiell! nicht nachvollziehbar einfach so ab (im limbischen System, in "unserem" Gehirn oder irgendwo anders in einem Bereich, der von "uns" getrennt und nicht einsichtig ist - was auch immer man hier unter "uns" verstehen mag). |
Der letzte Nachsatz ist das wichtigste: Du setzt die Person und damit einen kleinen Akteur voraus (weil DU es so fühlst bzw. möchtest) und wunderst Dich dann, wozu der gut sein soll, wenn er letztlich nie frei agiert.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Er_Win dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 31.01.2008 Beiträge: 4482
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(#953766) Verfasst am: 12.03.2008, 21:49 Titel: |
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@step
Zitat: | Darum geht es mir aber nicht. Vielmehr muß ein Verfechter jeglicher Sorte von Willensfreiheit zeigen, daß es mindestens einen einzigen frei beeinflußbaren wesentlichen Freiheitsgrad physikalisch gibt.
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da würde ich doch eher eine umgekehrte "Beweislast" sehen. Jedem normalen "Denksystem" ist auf Bewußtseinsebene die freie Willensentscheidung in Testsituationen wie der von mir geschilderten bzw. auch im normalen Leben unmittelbar erfahrbar. Wenn jetzt jemand behauptet, das wäre lediglich Einbildung da eigentlich jede Handlung und jeder Gedanke "irgendwie" determiniert sei, dann möge er doch den Weg und vorallem den Grund dieser Determiniertheit aufzeigen.
Wieso "verbeißt" du dich eigentlich so in die down-top Sichtweise (bzgl. Determinanz) komplexer Systeme ? Auch bei (im Vergleich) ganz simplen, menschlich geschaffenen, mehrschichtigen Systemen (deren Schichtaufbau gänzlich deterministisch ist) ist die Steuerungsebene idR. die "höchste".
Erwin
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Er_Win dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 31.01.2008 Beiträge: 4482
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(#953770) Verfasst am: 12.03.2008, 21:57 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Er_Win hat folgendes geschrieben: | Noch ein Wort zu den angeblich determinierenden Präferenzen [...] |
Ja und? Das zeigt doch nur, daß Dein Bewertungssystem mehrere Aspekte auswertet und die letztliche Präferenz situativ eben doch anders berechnet. |
Also wie jetzt ?! Solange mir die Präferenzen nicht bewußt sind, sind sie für die Determinanz "irgendwie" zuständig - und wenn sie mir bewußt sind, dann "berechnet" ES plötzlich die Präferenz doch anders ...
Erwin
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#953777) Verfasst am: 12.03.2008, 22:04 Titel: |
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Er_Win hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Er_Win hat folgendes geschrieben: | Noch ein Wort zu den angeblich determinierenden Präferenzen [...] |
Ja und? Das zeigt doch nur, daß Dein Bewertungssystem mehrere Aspekte auswertet und die letztliche Präferenz situativ eben doch anders berechnet. | Also wie jetzt ?! Solange mir die Präferenzen nicht bewußt sind, sind sie für die Determinanz "irgendwie" zuständig - und wenn sie mir bewußt sind, dann "berechnet" ES plötzlich die Präferenz doch anders ... |
Nein. Meine Erklärung ist unabhängig davon, welcher Anteil dieses Vorgangs Dir bewußt wird. In allen Fällen berechnet Dein Gehirn das Ergebnis. Ob man nur die gelernten / vererbten Präferenzen als solche bezeichnet oder jedes Ergebnis des Bewertungsvorgangs, ist vielleicht ungenau, aber unwesentlich.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Er_Win dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 31.01.2008 Beiträge: 4482
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(#953785) Verfasst am: 12.03.2008, 22:15 Titel: |
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Zitat: | Meine Erklärung ist unabhängig davon, welcher Anteil dieses Vorgangs Dir bewußt wird. |
Ahhhh - interessant ! Also dann bleiben wir mal bei dem Bereich im (nach dir unfreien) Entscheidungsfindungsprozess, in dem mir das schon alles bewußt ist. Wenn ich also dann beim Test 5 mal hin- und herüberlege ob ich die schwarze oder weisse Kugel nehmen soll, dann kommt dieser Vorgang also qua meiner Präferenz für's 5x Hinundher-Überlegen zustande, damit die Entscheidung, die ES dann trifft keine freie Willensentscheidung ist
Irgendwie werden deine "Argumente" langsam etwas kurios ...
Erwin
Zuletzt bearbeitet von Er_Win am 12.03.2008, 22:16, insgesamt einmal bearbeitet |
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Botschafter Kosh auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 26.11.2007 Beiträge: 3972
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(#953786) Verfasst am: 12.03.2008, 22:16 Titel: |
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Er_Win hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Er_Win hat folgendes geschrieben: | Noch ein Wort zu den angeblich determinierenden Präferenzen [...] |
Ja und? Das zeigt doch nur, daß Dein Bewertungssystem mehrere Aspekte auswertet und die letztliche Präferenz situativ eben doch anders berechnet. |
Also wie jetzt ?! Solange mir die Präferenzen nicht bewußt sind, sind sie für die Determinanz "irgendwie" zuständig - und wenn sie mir bewußt sind, dann "berechnet" ES plötzlich die Präferenz doch anders ...
Erwin |
Es ist fast ausgeschlossen, dass alle Präferenzen gleich sind und alle bewusst sind.
Das Ergebnis kann deshalb überraschen.
mfg kosh
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Er_Win dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 31.01.2008 Beiträge: 4482
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(#953788) Verfasst am: 12.03.2008, 22:20 Titel: |
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@B.Kosh
es könnte sich als sinnvoll herausstellen, wenn jemand mal den schwammigen Begriff "Präferenz" innerhalb seines Vorstellungsmodells des Hirns auf physikalischer, neurobiologischer, systemtheoretischer ... (was-weiss-ich) bzw. generell jener bzw. jenen Systemschicht(en), die ihm dafür relevant erscheinen etwas näher spezifiziert.
Erwin
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#953810) Verfasst am: 12.03.2008, 22:47 Titel: |
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Er_Win hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Vielmehr muß ein Verfechter jeglicher Sorte von Willensfreiheit zeigen, daß es mindestens einen einzigen frei beeinflußbaren wesentlichen Freiheitsgrad physikalisch gibt. |
da würde ich doch eher eine umgekehrte "Beweislast" sehen. Jedem normalen "Denksystem" ist auf Bewußtseinsebene die freie Willensentscheidung in Testsituationen wie der von mir geschilderten bzw. auch im normalen Leben unmittelbar erfahrbar. Wenn jetzt jemand behauptet, das wäre lediglich Einbildung da eigentlich jede Handlung und jeder Gedanke "irgendwie" determiniert sei, dann möge er doch den Weg und vorallem den Grund dieser Determiniertheit aufzeigen. |
Der liegt in der empirisch gut abgesicherten Theorie, daß das Gehirn aus Elementarteilchen besteht und daher durch eine Überlagerung deren quantenelektodynamischer Wellenfunktionen beschrieben werden kann. Auch wenn wir die nie geschlossen angeben könnten, so wissen wir doch ziemlich sicher, daß sie keine nichtstatistischen Freiheitsgrade offenlassen, wenn wir nicht an Geister glauben.
Er_Win hat folgendes geschrieben: | Wieso "verbeißt" du dich eigentlich so in die down-top Sichtweise (bzgl. Determinanz) komplexer Systeme ? Auch bei (im Vergleich) ganz simplen, menschlich geschaffenen, mehrschichtigen Systemen (deren Schichtaufbau gänzlich deterministisch ist) ist die Steuerungsebene idR. die "höchste". |
Du klingst ja schon wie ein ID-Vertreter - die Natur kann keine Top-Down Systeme schaffen, da sie kein Designer ist. Komplexe Systeme sind zwar faszinierend, aber ihre Komplexität emergiert von unten.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Botschafter Kosh auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 26.11.2007 Beiträge: 3972
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#953816) Verfasst am: 12.03.2008, 22:53 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Fragen wir uns doch erst einmal, was "Willensfreiheit" ist Zitat: | ... die Vorstellung, wir könnten beliebig wollen, was wir wollen. Damit ist gemeint ... die in sich widersprüchliche und doch höchst folgenreiche Auffassung, wir wären göttergleiche Wesen, die sich unbeeinflusst von inneren und äußeren Determinanten „frei“ entscheiden könnten. |
... Wenn das also alles wäre, könnte man sich müde zurücklehnen, mit den Schultern zucken und gelangweilt fragen "so what?". Diese gar nicht neue Erkenntnis hat keinerlei Auswirkungen auf unser Weltbild, unseren Umgang miteinander; geschweige denn, dass sie eine grundlegende Umwälzung oder "Kränkung" bedeuten würde, wie oft behauptet wird. |
Darum geht es mir aber nicht. Vielmehr muß ein Verfechter jeglicher Sorte von Willensfreiheit zeigen, daß es mindestens einen einzigen frei beeinflußbaren wesentlichen Freiheitsgrad physikalisch gibt. |
Kommt wohl darauf an, was man unter "Freiheit" versteht. Es kann keine absolute Freiheit im obigen Sinne geben (Unabhängigkeit von Allem), welche an sich logisch unmöglich ist, da es mAn in der realen Welt (hier als Gegensatz zu vereinfachenden Modellen gemeint) nichts gibt, was nicht von etwas anderem abhängt.
Im Gegensatz zu der oben zitierten Aussage von MSS, gilt das mMn jedoch auch für einen hypothetischen persönlichen Gott oder "göttergleiche Wesen".
Mir geht es hier nur darum, zu behaupten, dass ich Dinge bewusst entscheiden, beeinflussen und steuern kann. D.h. ich meine, es ist sinnvoll, von einer graduellen Freiheit zu sprechen. Wenn man das nicht glauben würde, hätte das direkte Auswirkungen auch auf das, was wir unter Wissenschaft verstehen. Diese wäre dann nämlich nicht möglich.
Ob das jemand nun "Willensfreiheit" nennen mag oder nicht ist mir dabei ziemlich gleichgültig.
step hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Mit anderen Worten: unsere bewussten Gedanken, Überlegungen, Argumente, Entscheidungen wären demnach tatsächlich ein reines Epiphänomen; es wäre eine Einbildung, eine Illusion, dass wir bewusst etwas bewirken könnten. |
Nein. Unser Gehirn bewirkt etwas, indem es input mithilfe einer "Berechnung" in eine Handlung umsetzt. Unser Bewußtsein begleitet diese Berechnung zuweilen. |
Diese implizite Dichotomie zwischen Gehirn und Bewusstsein ist mir unverständlich und erscheint mir mehr als merkwürdig. Ich sehe das als einen Kategorienfehler an. Um in derselben Kategorie zu bleiben und damit eine (in meiner Sicht) überhaupt sinnvolle Aussage treffen zu können, müsste man statt vom Gehirn zum Beispiel vom Unterbewusstsein sprechen. "Unterbewusstsein" ist dieselbe Kategorie wie "Bewusstsein", "Gehirn" nicht.
step hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Sie hätten keinerlei Rückwirkungen auf unsere Handlungen, sondern wären von ihnen abgekoppelt und somit vollkommen beliebig. |
Nein! Sie sind nicht beliebig, sondern sie korrelieren mit unseren Handlungen, s.o. |
Wenn es eine Berechnung gibt, die nicht wir durchführen, sondern unser Gehirn, (was anscheinend merkwürdigerweise eine eindeutige Trennung von Gehirn und Bewusstsein voraussetzt); wenn es keine Rückwirkung unseres Bewusstseins auf diese Berechnung gibt, wenn es nur eine Einbahnstraßenbeziehung vom Gehirn (welches hier wohl - wieder merkwürdigerweise - als "außerhalb" von "uns" existierend angesehen wird) auf unser Bewusstsein ("innerhalb" von "uns") geben soll, dann spricht mMn überhaupt nichts dafür, dass diese Einbahnstraßenbeziehung irgendwie (sinnvoll!) korrelieren sollte.
Wir handelten dann halt irgendwie (so wie es "unser Gehirn" bestimmt) und ratifizierten das dann irgendwie (so wie wieder unser Gehirn vorgibt, um uns ruhig und zufrieden zu stellen). Wenn nur diese Ursachen im Gehirn unsere Gedanken bestimmen sollten und wenn unsere Gedanken keine Rückwirkung auf unser Gehirn und somit auf unsere künftigen Gedanken und Handlungen haben sollten, wenn es also diesen mir so seltsam anmutenden Dualismus tatsächlich geben sollte, dann können wir nichts wissen. Wir könnten dann nur schicksalsergeben die vermeintlichen Bedeutungsbröckchen hinnehmen, die "unser" Gehirn "uns" unverständlicherweise zum Fraße vorwirft.
step hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | ... meiner Meinung nach dreht sich die Diskussion letztlich um die Frage: können wir rationale Überlegungen anstellen, können wir Argumente abwägen, können wir basierend darauf Entscheidungen treffen? Und kann man sagen: diese Person hat diese Entscheidung getroffen? Oder können wir das nicht sagen, müssen wir zum Beispiel sagen: nein, die Person kann prinzipiell keine Entscheidungen treffen, alles läuft (determiniert oder nicht - völlig wurscht) einfach so ab, wie es abläuft und deshalb dürfen wir dieser Person ihre Gedanken, Argumente und Entscheidung nicht zuschreiben, sondern all dies läuft für uns prinzipiell! nicht nachvollziehbar einfach so ab (im limbischen System, in "unserem" Gehirn oder irgendwo anders in einem Bereich, der von "uns" getrennt und nicht einsichtig ist - was auch immer man hier unter "uns" verstehen mag). |
Der letzte Nachsatz ist das wichtigste: Du setzt die Person und damit einen kleinen Akteur voraus (weil DU es so fühlst bzw. möchtest) und wunderst Dich dann, wozu der gut sein soll, wenn er letztlich nie frei agiert. |
Diejenigen, die einen Dualismus zwischen entscheidendem Gehirn und lediglich beobachtendem Bewusstsein postulieren, nehmen damit automatisch einen merkwürdig daneben stehenden Beobachter an, der keinerlei Einflussmöglichkeiten hat.
Ich nehme keinen "kleinen Akteur" an. Ich kann noch nicht einmal den hier postulierten angeblichen Gegensatz zwischen "meinem" Gehirn (aber irgendwie "außerhalb" von mir stehend) und meinem Bewusstsein nachvollziehen.
Ich setze auch keine Person voraus. Ich verwende allerdings die Kategorie "Person" und ich halte das für eine sinnvolle Kategorie. Und falls Du mit "letztlich frei agieren" hier wieder mal "absolut, vollkommen und unendlich frei" meinen solltest, dann: nein, so etwas halte ich für prinzipiell unmöglich. Ich kann es gerne noch mal wiederholen: ich halte das für nicht möglich und daher nehme ich es auch nicht an.
Es ist nichts weiter als ein Strohmann, der permanent von der mMn entscheidenen Frage hier ablenken soll: können wir etwas entscheiden oder können wir es nicht.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#953825) Verfasst am: 12.03.2008, 23:07 Titel: |
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Also solange mir jetzt nicht endlich jemand den physikalischen Freiheitsgrad nennt, der dann auf emergenter Ebene wenigstens ein ganz kleines bißchen Freiheit (nein, nicht absolute Freiheit) ermöglicht, betrachte ich meine Argumentation als im vollen Umfang gültig, auch wenn ich nicht behaupte, das Phänomen Bewußtsein erklären zu können.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#953848) Verfasst am: 12.03.2008, 23:38 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Also solange mir jetzt nicht endlich jemand den physikalischen Freiheitsgrad nennt, der dann auf emergenter Ebene wenigstens ein ganz kleines bißchen Freiheit (nein, nicht absolute Freiheit) ermöglicht, |
Wenn nicht absolute Freiheit, was meinst Du genau?
Und nach was für einem Freiheitsgrad der "emergenten Ebene" fragst Du? Nach einem, der von der darunterliegenden Ebene unabhängig macht? Wenn ja: warum? Wenn nein: was dann?
step hat folgendes geschrieben: | betrachte ich meine Argumentation als im vollen Umfang gültig, |
Welche war das nochmal?
step hat folgendes geschrieben: | auch wenn ich nicht behaupte, das Phänomen Bewußtsein erklären zu können. |
Es mutet für mich schon ziemlich absurd an, wenn jemand einerseits zugibt, er könne das Phänomen Bewusstsein zwar nicht erklären, aber trotzdem behauptet, man könne das Phänomen vollständig auf darunterliegende Ebenen reduzieren. Sorry.
Und noch einmal: die wesentliche Frage ist mMn eigentlich die: können wir etwas bewusst entscheiden oder können wir das nicht? Alle Diskussion über "Freiheit" oder "nicht Freiheit" sind unwichtig, auch die Diskussionen darüber, ob man etwas tatsächlich "Willensfreiheit" nennen darf oder nicht, ob das nun "echt" ist oder "unecht". Blabla. Rhabarber.
Aber: wenn wir tatsächlich nichts bewusst entscheiden könnten, dann wäre das ein Hammer und hätte Auswirkungen, die eklatant wären und zumindest ich noch nicht absehen kann. Politik, Recht, Wissenschaft, Philosophie, Ethik: wir müssten sofort alles in die Tonne kloppen.
Also: können wir oder nicht?
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Wolf registrierter User
Anmeldungsdatum: 23.08.2004 Beiträge: 16610
Wohnort: Zuhause
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(#953862) Verfasst am: 12.03.2008, 23:58 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Also solange mir jetzt nicht endlich jemand den physikalischen Freiheitsgrad nennt, der dann auf emergenter Ebene wenigstens ein ganz kleines bißchen Freiheit (nein, nicht absolute Freiheit) ermöglicht, |
Wenn nicht absolute Freiheit, was meinst Du genau? |
Ich vermute mal soetwas wie die Freiheit sich zwischen mehren physikalischen möglichen Ausgängen bewusst zu entscheiden und zwar so dass diese Entscheidung nicht bereits durch die Physik detemiert ist aber auch nicht echt zufällig(d.h. ohne meinen Einfluss) ist(bzw eine Mischform der beiden).
_________________ Trish:(
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Tapuak registrierter User
Anmeldungsdatum: 23.02.2006 Beiträge: 1264
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(#953865) Verfasst am: 13.03.2008, 00:04 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Mir geht es hier nur darum, zu behaupten, dass ich Dinge bewusst entscheiden, beeinflussen und steuern kann. D.h. ich meine, es ist sinnvoll, von einer graduellen Freiheit zu sprechen. Wenn man das nicht glauben würde, hätte das direkte Auswirkungen auch auf das, was wir unter Wissenschaft verstehen. Diese wäre dann nämlich nicht möglich. |
Warum nicht? Ich sehe da gar keinen Zusammenhang.
Wenn Menschen Wissenschaft betreiben, denken sie sich Theorien aus. Wir sehen diese intellektuellen Konstrukte als kreative Produkte ihres Geistes an. "Kreativ" heißt aber hier nichts anderes, als dass die genaue Art und Weise, wie diese intellektuellen Konstrukte im Gehirn zustande gekommen sind, sehr komplex oder sogar unbekannt ist; sie sind nicht auf einen leicht erkennbaren "Input" oder ähnliches zurückzuführen. Das menschliche Gehirn ist also wesentlich komplexer als z.B. sehr einfache Maschinen, die nur auf eine bestimmte Art von Input reagieren und immer den gleichen Output liefern. Aber es sind ja durchaus kompexere Maschinen vorstellbar, die in einem ähnlichen Sinne wie Gehirne in der Lage sind, kreativ zu sein. Zumindest fällt mir gerade nichts ein, was prinzipiell dagegen sprechen sollte.
Vor allem aber scheint es mir im Hinblick auf die Machbarkeit von Wissenschaft vollkommen unwichtig zu sein, ob die Vorgänge, die im Gehirn, in Computern usw. ablaufen, (physikalisch) determiniert sind oder nicht. Wenn sie es sind, ändert das überhaupt nichts daran, dass wir die "Denk-Leistungen" des Gehirns, von Computern oder wem auch immer nutzen können, um Wissenschaft zu betreiben. Was ändert es an Darwins Evolutionstheorie, wenn die Vorgänge in Darwins Gehirn physikalisch determiniert waren? Ich meine: nichts.
(Vielleicht habe ich deinen Punkt aber auch völlig missverstanden.)
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#953869) Verfasst am: 13.03.2008, 00:08 Titel: |
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Wolf hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Also solange mir jetzt nicht endlich jemand den physikalischen Freiheitsgrad nennt, der dann auf emergenter Ebene wenigstens ein ganz kleines bißchen Freiheit (nein, nicht absolute Freiheit) ermöglicht, |
Wenn nicht absolute Freiheit, was meinst Du genau? |
Ich vermute mal soetwas wie die Freiheit sich zwischen mehren physikalischen möglichen Ausgängen bewusst zu entscheiden |
Man kann überhaupt nur etwas eine Entscheidung nennen, wenn es eine Auswahl zwischen mindestens zwei Möglichkeiten gibt. Aber natürlich müssen diese Möglichkeiten möglich sein (Tautologiealarm).
Wolf hat folgendes geschrieben: | und zwar so dass diese Entscheidung nicht bereits durch die Physik detemiert ist |
Aber wieso? Wenn eine Entscheidung nicht determiniert wäre (nämlich durch die abgewägten Gründe), dann würde ich mich damit schwer tun, das eine Entscheidung nennen zu wollen.
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Er_Win dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 31.01.2008 Beiträge: 4482
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(#953876) Verfasst am: 13.03.2008, 00:22 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Er_Win hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Vielmehr muß ein Verfechter jeglicher Sorte von Willensfreiheit zeigen, daß es mindestens einen einzigen frei beeinflußbaren wesentlichen Freiheitsgrad physikalisch gibt. |
[...]dann möge er doch den Weg und vorallem den Grund dieser Determiniertheit aufzeigen. |
Der liegt in der empirisch gut abgesicherten Theorie, daß das Gehirn aus Elementarteilchen besteht und daher durch eine Überlagerung deren quantenelektodynamischer Wellenfunktionen beschrieben werden kann. Auch wenn wir die nie geschlossen angeben könnten, so wissen wir doch ziemlich sicher, daß sie keine nichtstatistischen Freiheitsgrade offenlassen, wenn wir nicht an Geister glauben.
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Ähm - Bewußtsein auf Elementarteilchenebene zu begründen ...
Was hat die höchste emergente Systemschicht, die ihrerseits auch wieder zu Emergenz fähig ist, denn bitte bzgl. ihres Systemverhaltens und ihrer Systemdeterminanz mit "deinen" QM-Wellenfunktionen zu tun ? Das ist ja noch "abenteuerlicher" als die Geschichte über die "quantisierten" Hameroff-Mikrotubuli.
Hattest du nicht selber in einem anderen Thread den Zufall der QM als betrachtungsirrelevant für das Hirn ausgeschlossen, da er auf neuronaler Betrachtungs-Ebene keine Rolle spielen kann ?
Zitat: | Er_Win hat folgendes geschrieben: | Wieso "verbeißt" du dich eigentlich so in die down-top Sichtweise [...] |
Du klingst ja schon wie ein ID-Vertreter - die Natur kann keine Top-Down Systeme schaffen, da sie kein Designer ist. Komplexe Systeme sind zwar faszinierend, aber ihre Komplexität emergiert von unten. |
Und was hat das mit ID zu tun ? Klar tritt Emergenz "von unten" auf um dann emergent immer Komplexeres zu ergeben mit jeweils neuen Systemeigenschaften (sonst wär's ja keine Emergenz). Wo im System die Steuerungs-Freiheitsgrade liegen hat doch nichts damit zu tun, wie Systeme (evolutionär) entstehen. Klar entstehen die "von unten", werden aber (auch) "von oben" (im generellen Rahmen physikalischer Möglichkeiten) gesteuert, so sich das als (evolutionär) sinnvoll erweist.
Deshalb weißt du zB. dass du nicht auf die Herdplatte greifen sollst, wenn sie eingeschalten ist, weil Mami es dir gesagt hat und wirst das idR. bewußt vermeiden, passiert es dir trotzdem ziehst du die Hand aber schneller zurück, als du den Schmerz überhaupt bewußt spürst.
Erwin
Zuletzt bearbeitet von Er_Win am 13.03.2008, 00:57, insgesamt einmal bearbeitet |
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Er_Win dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 31.01.2008 Beiträge: 4482
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(#953883) Verfasst am: 13.03.2008, 00:35 Titel: |
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es geht aber jetzt nicht um diese - philosophisch bzw. psychologisch vielleicht interessante - Erklärungen zu "Präferenz", sondern um die konkrete Erklärungen, was diese "Präferenz" sein soll und wie sie im Hirn so wirkt, daß (angeblich) ein freier Wille "verhindert" wird. Ansonsten ist es argumentativ gleichwertig, als würde ich behaupten in meinem Hirn wirkt "Gott" und der gibt mir die Willensfreiheit
Erwin
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Er_Win dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 31.01.2008 Beiträge: 4482
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(#953890) Verfasst am: 13.03.2008, 00:46 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Also solange mir jetzt nicht endlich jemand den physikalischen Freiheitsgrad nennt, der dann auf emergenter Ebene wenigstens ein ganz kleines bißchen Freiheit (nein, nicht absolute Freiheit) ermöglicht, betrachte ich meine Argumentation als im vollen Umfang gültig, auch wenn ich nicht behaupte, das Phänomen Bewußtsein erklären zu können. |
das war zu erwarten (also determiniert durch meine Erwartungspräferenz)
Hatte ich nicht mal ausgeführt, daß der QM-Zufall zumindest Teil des Systems sei, wenn ich auch keine Ahnung habe, wie und ob überhaupt jener auf irgendeine Weise Relevanz auf Bewußtseinsebene hat. Es wäre systemtheoretisch in Analogie zu den Beobachtungen aus der Chaosforschung möglich, wobei die Analogie zugegebenermassen etwas weit hergeholt ist. Chaostheorie ist eher auf einer höheren Betrachtungsebene sinniger als Modell anwendbar.
Würde ich angesichts meines geschilderten simplen Kugelexperiments annehmen, daß ich mir nur einbilde frei entschieden zu haben aber in "Wirklichkeit" ES für mich entschieden hat, ich aber leider nicht wissen kann, wie ES das genau gemacht hat, dann wäre das zumindest für mich Grund genug, einen Psychologen meines Vertrauens aufzusuchen ...
Erwin
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#953893) Verfasst am: 13.03.2008, 00:56 Titel: |
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Tapuak hat folgendes geschrieben: | Was ändert es an Darwins Evolutionstheorie, wenn die Vorgänge in Darwins Gehirn physikalisch determiniert waren? Ich meine: nichts. |
Ich rede nicht über Determinismus, sondern über die weitergehenden Behauptungen, die in der öffentlichen Diskussion über die Willensfreiheit eine entscheidende Rolle spielen, an denen sich die Diskussion eigentlich erst entzündet hat:
Freier Wille unter Neuronenfeuer hat folgendes geschrieben: | a) [Gerhard Roth:] Das Gefühl trügt: Man fühlt sich frei, aber man ist es nicht. In unzähligen Experimenten haben Forscher nachgewiesen, dass Erregungszustände im Gehirn schon eine Handlung ankündigen, noch bevor der Mensch sich bewusst ist, dass er überhaupt handeln will. [...] b) [Wolf Singer:] Das Wollen, Denken und Verhalten werden von limbischen Gehirnsystemen gesteuert, die grundsätzlich unbewusst arbeiten und die dem bewussten Ich kaum zugänglich sind. [...] c) [Wolfgang Prinz:] Was scheinbar als freie Willensentscheidung daherkommt, sei nichts anderes als das nachträgliche Ratifizieren einer Entscheidung, die das Gehirn in der gegebenen Situation schon längst getroffen hat. |
a): Unsere Handlungen sind nicht von uns bewusst gesteuert und nicht von uns bewusst beeinflussbar
b): Unser Wollen, Denken und Verhalten werden vom limbischen System gesteuert, ohne dass uns das zugänglich ist
c): Unsere Entscheidungen werden nachträglich von unserem Gehirn für uns ratifiziert
An der Evolutionstheorie ändert sich dadurch nichts. Sie ist so, wie sie ist. Nur verstehen können wir sie nicht, denn es ändert sich entscheidend etwas an unseren (dann nur vermeintlichen) Fähigkeiten, diese Theorie beurteilen zu können.
Es gibt Versuche, in denen bei jemandem durch ins Gehirn implantierte Elektroden eine Handlung hervorgerufen wird. Wenn man nun diesen Menschen fragt, warum er das getan hat, (zum Beispiel den Arm gehoben), dann versucht er, diese Handlung nachträglich zu ratifizieren, er denkt sich dann meist eine ihm plausibel erscheinende Begründung aus. Diese Begründung hat aber nichts mit der eigentlichen Ursache zu tun (ihm wurde ein Strom in eine bestimmte Gehirnregion geleitet). Die Begründung ist von der Ursache unabhängig, sie ist erfunden.
Und so frage ich mich denn: wieso sollte das anders sein, wenn generell alles ohne unser Wissen im Vorneherein durch das limbische System gesteuert wird? Wieso sollten unsere Gedanken, Überlegungen, Begründungen, Argumentationen nicht ebenso willkürlich sein, wie im obigen Versuch, wenn man denn tatsächlich davon ausgehen will, dass unsere Gedanken keinen Einfluss auf unsere Gedanken und unsere Handlungen haben, sondern alles (nicht nachvollziehbar für "uns") von "unserem Gehirn" gesteuert wird?
Es kann natürlich sein, dass unser limbisches System mal zufällig eine wissenschaftliche Theorie hervorbringt. Zufälle kann man nicht ausschließen, Affen können auch zufällig ein tausendseitiges literarisches Meisterwerk vollbringen, wenn man ihnen Schreibmaschinen vorsetzt. Oder wenn man einen Würfel hundertausendmal wirft, kann es sein, dass immer die 6 kommt. Ist nicht unmöglich. Ebenso ist es natürlich theoretisch möglich, dass das limbische System uns meist sinnvolle Gründe für unser Handeln vorgaukelt.
Ach, nee, braucht es ja gar nicht, es muss uns nur glauben machen, dass sie sinnvoll seien. Das limbische System denkt für uns, urteilt für uns, handelt für uns und sorgt dafür, dass wir glauben, wir würden eigentlich all dies tun. Warum aber sollte das limbische System sich nun noch zusätzlich die Mühe machen, uns alles so mitzuteilen, wie es in Wirklichkeit ist? Das wäre doch überflüssig, wenn denn das limbische System doch die Möglichkeit hat, uns einfach so glauben zu lassen, was immer es will.
(Disclaimer: mir ist schon klar, dass obige Zitate sehr verkürzt sind (nicht durch mich - durch die Medien) und nicht unbedingt die Meinung der Zitierten darstellen. Liest man dazu mal ausführlichere Darstellungen der Hirnforscher, zum Beispiel dies, dann sieht das schon ziemlich anders aus. Jedoch sind nun mal diese Zitate diejenigen, an denen sich die öffentliche Diskussion entzündete und daher finde ich es legitim, darauf Bezug zu nehmen.)
Zuletzt bearbeitet von AgentProvocateur am 13.03.2008, 01:45, insgesamt einmal bearbeitet |
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