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MWI und Determinismus
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
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Beitrag(#978662) Verfasst am: 12.04.2008, 17:48    Titel: Antworten mit Zitat

Habe inzwischen auf Anraten von Myron das Papier von Hoefer gelesen, hier also meine Rezension. Sorry, wird etwas lang, aber ich hoffe, es interessiert jemanden ...

"Freedom From the Inside Out” (PDF)

Der Autor verwendet zu Beginn viel Raum auf die Einführung des Bildes eines Blockuniversums, das die subjektive Illusion eines Zeitflusses vermeidet. Obwohl er zwischendurch diverse fragwürdige statements zum besten gibt, auf die hier einzugehen sich nicht lohnt, ist diese Sichtweise prinzipiell korrekt und in der Tat eine bessere Beschreibung von Zeit als das klassische Modell, wie auch ich hier schon oft gepostet habe. Immerhin macht der Autor an dieser STelle nicht den Fehler des anderen papers von derselben Seite, das AP neulich postete, nämlich die Kausalität als (mikroskopisch) zeitgerichtet anzunehmen.

Der Autor behauptet im folgenden recht vollmundig, eine solche Sichtweise der Zeit beseitige den Konflikt der "Handlungsfreiheit" mit den kausalen Gesetzen, und er werde jetzt zeigen, wieso das so sei.

Im Folgenden seine Argumente, jeweils von mir kommentiert und widerlegt:

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- Es wird behauptet, die Einschränkungen, die ein Ereignis auf Verg. und Zukunft ausübt, seien erstaunlich schwach. Zur Begründung wird ein Mikrozustand als zum Zeitpunkt t bekannt angenommen, etwa das Drücken der Taste "t" am Computer. Der Autor behauptet, dieses Ereignis habe schon im Abstand von einer Minute kaum noch wesentlichen Einfluß auf die dortigen Mikrozustände in beide Zeitrichtungen.

Das ist physikalisch falsch (bzw. höchstens insofern richtig, als der Gesamtmikrozustand natürlich sehr groß ist). Überhaupt scheint dem Autor die Rolle einer infinitesimalen "Zeitscheibe" in der Physik nicht klar zu sein, bzw. was das d/dt in der Schrödingergleichung bedeutet.

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- Als nächstes behauptet der Autor, schon die SRT zeige, daß Umgebung von außerhalb des Lichtkegels in kürzester Zeit mit der Kausalität in der Nähe des Ereignisses interferiere und daher ständig Unvorhergesehenes passiere.

Auch hier übersieht der Autor erstmal 2 wesentliche Tatsachen:

1. Für dieses Argument muß er den räumlichen Radius des bekannten Mikrozustands einschränken. Sein Argument gilt also nicht, wenn man von einer hinreichend weiträumig bekannten Gesamtwellenfunktion zu einem Zeitpunkt ausgeht.

2. Die meisten mesokosmisch und makroskopisch beobachtbaren Phänomene, inklusive unsere Gehirns, funktionieren überhaupt nur, weil solche Störeffekte statistisch ausgemittelt werden. Es fährt normalerweise nicht mal eben ein Schwarzes Loch durch unser Gehirn, während wir uns entscheiden.

#########

- Sodann widmet sich Hoefer der Frage, wieso wir keine makroskopischen Effekte in der Vergangenheit erzielen können. Er weist korrekterweise auf die thermodynamische Asymmetrie hin, auch wenn er das ganze leider mal wieder als "Mysterium" bezeichnet. Spielt aber keine Rolle, da er ja bisher nicht mal gezeigt hat, daß wir makroskopische Effekte in die Zukunft "frei" erzielen können. Bis jetzt hat er ja nur angenommen, daß wir das tun, und will zeigen, daß das nicht im Widerspruch zur Physik steht.

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- Auf Seite 10 kommt er auf den Punkt. Hoefer stellt sich jetzt die Frage, wie es kommt, daß, wenn wir alle immerzu frei handeln, überhaupt ein in sich konsistenter Gesamtmikrozustand entsteht und nichts Widersprüchliches. Und er stellt die berechtigte Frage, ob es daher nicht logischer wäre, zu jedem Zeitpunkt einen konsistent determinierten Gesamtzustand anzunehmen. Ja, wie in unserer Diskussion hier im FGH, weist er darauf hin, daß es nicht um die phys. Konsistenz der tatsächlichen Handlungen, sondern um die der alternativ möglichen geht! Er fragt also im Folgenden, ob er wirklich hätte "z" statt "t" tippen können, bzw. ob das Tippen von "z" ebenso konsistent mit der Vergangenheit gewesen wäre.

Kurze Zwischenbemerkung: Nach meinem Verständnis würde AP hier "nein" antworten. AP würde eingestehen, daß der Autor nur dann "z" hätte tippen können ("getippt hätte" wäre hier genauer), wenn er es gewollt hätte, und daß er es nur hätte wollen können, wenn zuvor ... usw. . Hoefer jedoch ist tatsächlich der Meinung, daß auch das Tippen von "z" mit der tatsächlichen Vergangenheit konsistent wäre!

Um seine Behauptung zu belegen, führt Hoefer zwei Argumente an:

(i) Er verläßt den mikrophysikalischen Blick und argumentiert, aus makroskopischer Sicht wüßten wir empirisch, daß diverse Entscheidungen mit dem früheren makroskopischen Zustand vereinbar seien.

Das ist natürlich naiv oder argumentativ unredlich, es ist nämlich nichts anderes als eine unbegründete Affirmation seiner eigentlichen Behauptung.

(ii) Er verläßt den Bereich der "freiwilligen" Handlung und setzt - ähnlich wie Er_win hier - ein Gedankenexperiment auf, in dem das Tippen der Tasten zufällig ist und damit möglichst wenig vom Gesamtzustand der Vergangenheit abhängt. Den möglichen Einwand, auch eine frei erscheinende Wahl könne determiniert sein, tut er mit dem Wort "paranoid" ab.

#########

Unten auf Seite 12 faßt Hoefer dann nochmal zusammen:

Vielleicht wird man es nie genau wissen. Aber ...
Hoefer hat folgendes geschrieben:
... I am moved by the intuition that in any recognizeable deterministic microphysics, there will be so many different micro-level world histories, there has to be more than enough scope for freedom as we normally conceive it. ...

Peinlich.

Die restlichen 4 Seiten habe ich nicht mehr gelesen.
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Er_Win
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Beitrag(#978676) Verfasst am: 12.04.2008, 18:06    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Den möglichen Einwand, auch eine frei erscheinende Wahl könne determiniert sein, tut er mit dem Wort "paranoid" ab.

wo ich ihm Recht gebe, soferne es sich um eine Wahl handelt, die keinerlei Bedeutungsqualität hat (die vielmissbrauchten und schwammig verwendeten Präferenzen also keine Rolle spielen können)

Erwin
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step
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Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#978737) Verfasst am: 12.04.2008, 18:48    Titel: Antworten mit Zitat

Er_Win hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Den möglichen Einwand, auch eine frei erscheinende Wahl könne determiniert sein, tut er mit dem Wort "paranoid" ab.

wo ich ihm Recht gebe, soferne es sich um eine Wahl handelt, die keinerlei Bedeutungsqualität hat (die vielmissbrauchten und schwammig verwendeten Präferenzen also keine Rolle spielen können)

Wenn die Wahl echt zufällig ist (was Hoefer aber nicht annimmt), ist sie zwar frei (jedenfalls in der KI), aber nicht von der Person gesteuert.
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Er_Win
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Anmeldungsdatum: 31.01.2008
Beiträge: 4482

Beitrag(#980457) Verfasst am: 15.04.2008, 09:01    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Wenn die Wahl echt zufällig ist (was Hoefer aber nicht annimmt), ist sie zwar frei (jedenfalls in der KI), aber nicht von der Person gesteuert.

Und genau diese Aussage bezeichne auch ich als "paranoid" ...

Er_Win im anderen Thread hat folgendes geschrieben:
das hatten wir aber schon ...


Erwin
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step
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Beiträge: 22782
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Beitrag(#980494) Verfasst am: 15.04.2008, 11:00    Titel: Antworten mit Zitat

Er_Win hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Wenn die Wahl echt zufällig ist (was Hoefer aber nicht annimmt), ist sie zwar frei (jedenfalls in der KI), aber nicht von der Person gesteuert.

Und genau diese Aussage bezeichne auch ich als "paranoid" ...

1. bezeichnet Hoefer diese Aussage nicht als paranoid, sondern die, daß etwas als frei Empfundenes dennoch determiniert sein könne.
2. verstehe ich nicht, was an meiner Aussage paranoid sein soll. Meinst Du, ich sehe die Person in dem von Dir skizzierten Szenario als vom Zufall verfolgt an? Oder ich sei krankhaft mißtrauisch gegenüber autonomen Geistwesen?
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