Freigeisterhaus Foren-Übersicht
 FAQFAQ   SuchenSuchen   MitgliederlisteMitgliederliste   NutzungsbedingungenNutzungsbedingungen   BenutzergruppenBenutzergruppen   LinksLinks   RegistrierenRegistrieren 
 ProfilProfil   Einloggen, um private Nachrichten zu lesenEinloggen, um private Nachrichten zu lesen   LoginLogin 

Forscher widerlegen Willensfreiheit
Gehe zu Seite Zurück  1, 2, 3 ... 17, 18, 19 ... 69, 70, 71  Weiter
 
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen   Drucker freundliche Ansicht    Freigeisterhaus Foren-Übersicht -> Wissenschaft und Technik
Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen  
Autor Nachricht
AgentProvocateur
registrierter User



Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#989310) Verfasst am: 27.04.2008, 19:03    Titel: Antworten mit Zitat

kolja hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Es geht vielmehr um die Frage, ob man Menschen in einer naturgesetzlich ablaufenden Welt als moralisch verantwortlich für ihre Handlungen ansehen kann oder nicht.

Das ist eine Verkürzung, mit der Du eine wesentliche Ebenen in dieser Debatte ausblendest.

Nein.

kolja hat folgendes geschrieben:
Diese "moralische Verantwortlichkeit" ist für viele Menschen eine Art "moralisches Naturgesetz", bzw. sie sind intuitiv der Meinung, dass die "moralische Verantwortlichkeit" aus der Selbstbestimmtheit von Handlungen automatisch folgt, unabhängig davon, wie Selbstbestimmtheit im Einzelnen definiert wird. In Wirklichkeit handelt es sich aber um eine normative Setzung.

Das spielt erst mal überhaupt keine Rolle.

kolja hat folgendes geschrieben:
Klar kann man diese Setzung vornehmen, wenn man das will, sie ist aber nicht ohne zusätzliche Prämissen aus der wie-auch-immer-definierten Selbstbestimmtheit herleitbar. Man müsste sie also begründen, und zwar bitte nicht durch Appelle an die Intuition, sondern rational, z.B. indem man angibt, welchen Nutzen diese Setzung haben soll.

Nein, das braucht man überhaupt nicht. Wenn die harten Inkompatibilisten recht haben, dann stellt sich die Frage nämlich überhaupt nicht mehr, ob es gut oder falsch oder sinnvoll oder nicht sinnvoll wäre, andere für verantwortlich zu halten: dann wäre es genauso unzulässig, jemandem vorzuwerfen, dass er zum Beispiel etwas gestohlen hat, (er konnte ja nicht anders, aka er hatte keine "echte Möglichkeit" dazu, etwas anders zu tun, als das, was er tat), wie ihm zum Beispiel vorzuwerfen, dass irgend ein Erdbeben viele Todesopfer gekostet hat oder dass es den zweiten Weltkrieg gab oder die Inquisition oder was weiß ich (all dies konnte er nach Ansicht der harten Deterministen ganz genauso nicht verhindern, es lag wie der Diebstahl ganz genauso völlig außerhalb seiner Kontrolle).

"Verantwortung" wäre in dem Falle, wenn also harte Inkompatibilisten recht hätten, ein im Vorneherein! unsinniges und auch unzulässiges! Konzept.

Du könntest vielleicht irgend etwas anderes an die Stelle der heutigen Verantwortung setzen. Das mag sein, sehe ich zwar nicht, aber das macht ja erst mal nichts. Das wäre dann aber nicht mehr Verantwortung, es wäre XY (was auch immer).

Deine Konklusion (wenn Du harter Inkompatibilist bist, weiß nicht, ob Du das bist), müsste also notwendigerweise lauten: das Konzept "Verantwortung" ist falsch, da die notwendigen Grundlagen für Verantwortung nicht gegeben sind, widerlegt wurden. "Verantwortung" wäre also gestorben. Und dann, wenn die Grundlagen falsch sind, ist es, wie gesagt, vollkommen gleichgültig, ob man das Konzept prinzipiell als sinnvoll ansieht oder nicht!

Vorschlag: mach doch einen anderen Thread dazu auf ("Ist das Konzept 'Verantwortung' sinnvoll und/oder notwendig und/oder böse und/oder human und/oder gemein?"). Dort werde ich mich dazu sicher auch äußern. Hier aber ist es mMn erst mal nur ein Nebenaspekt. Hier möchte ich erst mal den harten Inkompatibilismus vernünftig begründet sehen. Und: "Schopenhauer meint das doch auch" und "Die meisten anderen Leute meinen das doch auch" sind für mich keine besonders belastbaren Argumente, tut mir leid.

Zwei Argumente haben wir ja schon:

1. Verantwortlichkeit kann nur zugesprochen werden, wenn "echte Möglichkeiten" vorlagen

2. Verantwortlichkeit muss immer auch Letztverantwortlichkeit sein. Ohne Letztverantwortlichkeit überhaupt keine Verantwortlichkeit.

Es wäre wirklich zauberhaft, wenn wir mal diese beiden Argumente besprechen können. Mir leuchten sie nämlich noch nicht so besonders ein.

Wenn Du aber weiterhin nicht argumentieren willst, sondern immer wieder und wieder nur schreist: "Du, Du, Du bist in der Begründungspflicht und ich gar nicht!", dann werde ich Dich wohl bei diesem Thema zukünftig ignorieren müssen.

kolja hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ein extrem großes Problem der harten Inkompatibilisten ist aus meiner Sicht der Einwand der Libertarier, dass, wenn man die Notwendigkeit der "echten Möglichkeiten" für eine moralische Verantwortung als notwendig ansieht und man als harter Inkompatibilist meint, solche "echten Möglichkeiten" gäbe es nicht, daraus automatisch folgt, dass es überhaupt keine moralisch falschen oder richtigen Handlungen geben kann.

Die Argumentation ist zirkulär, weil die Notwendigkeit von "echten Möglichkeiten" in die Definition von "moralisch falsch/richtig" bereits hineingesteckt wird. Ansonsten verharrt auch dieses Argument auf der intuitionistischen Ebene, weil nicht geklärt wird, was mit "moralischer Verantwortung" und "moralisch falsch/richtig" eigentlich gemeint sein könnte.

Moralische Verantwortung: jemand kann für seine Handlungen zur Rechenschaft gezogen werden. Normalerweise wird als Voraussetzung dafür Folgendes gesehen: seine Handlungen sind von ihm verursacht und lagen unter seiner Kontrolle.

Moralisch falsch/richtig: jemand kommt seiner moralischen Verantwortung (nicht) nach.

Die Argumentation ist übrigens nicht zirkulär. Ich verstehe auch nicht genau, wieso Du das meinst. Vielleicht könntest Du das explizit an der ausformulierten Version des Argumentes zeigen.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
AgentProvocateur
registrierter User



Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#989325) Verfasst am: 27.04.2008, 19:30    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
@AP: Ich finde Deine Zusammenfasung im wesentlichen OK,

Danke.

Vor allem ist dabei der mE ziemlich unglückliche Fokus der Diskussion auf "Determinismus" eliminiert.

step hat folgendes geschrieben:
mich stört nur eins:

Mir bleibt ja nur der harte Inkompatibilismus da ich die libertaristische Position aus physikalischen Gründen ablehnen muß und die kompatibilistische aus meiner Sicht Unfreiheit beschreibt. Soweit OK. Aber Punkt (3.) (niemand verdient Lob oder Tadel) ist nicht unbedingt die Position des Inkompatibilisten, obwohl dieser Eindruck erweckt wird. Ein Inkompatibilist könnte Lob und Tadel, oder generell die Zuweisung von Verantwortung, aus anderen Gründen (als dem der absoluten moralischen Verdientheit) für zweckdienlich halten.

Du hast schon wieder ein "absolut" eingeschmuggelt. Ich habe jedoch nichts von Absolutheit gesagt.

Lob und Tadel können in der ursprünglichen Bedeutung nur für selbstverantwortete Handlungen verteilt werden. Und verantwortlich sieht man gemeinhin nur diejenigen an, die ihre Handlungen (zu wesentlichen Anteilen) selbst steuern konnten.

Daher bleibt für Dich, wenn Du harter Inkompatibilist bist, nur, diese Kategorien als überholt/unzulässig anzusehen.

Du kannst natürlich neue Kategorien entwickeln, aber die haben dann mit der ursprünglichen Bedeutung nichts mehr gemein.

Daher wäre es gut, wenn Du diese Kategorien auch gleich anders nennen würdest.

step hat folgendes geschrieben:
Ich habe hier schon oft vorgeschlagen, wie ein Konzept der Verantwortung aus deterministische Sicht aussehen könnte:

Die Gemeinschaft weist dem Einzelnen Verantwortung (= Rechte, Pflichten) zu, wenn man es für wahrscheinlich hält, daß er sich im Sinne der Allgemeinheit verhält.

"Für wahrscheinlich hält"? Sollte man dann also zum Beispiel bei einer Normverletzung nicht mehr untersuchen, welche Umstände genau denjenigen (eventuell) zu der Normverletzung getrieben haben (Zwangsstörung, äußere Zwänge, etc.)? Und wenn man es doch untersuchen sollte und daraufhin ggf. den moralischen Vorwurf justiert, was unterscheidet es dann noch von der heutigen Auffassung von Verantwortung?

step hat folgendes geschrieben:
(3.) ist daher aus meiner Sicht ein Strohmann, zumindest in bezug auf einige der Deterministen, zum Beispiel kolja und mich, denn man kann sehrwohl ein mit dem Determinismus vereinbares Konzept der Verantwortung angeben.

Dieser Strohmann-Vorwürfe bin ich langsam echt müde. In jeden zweiten Beitrag tauchen die auf.

Das ist kein Strohmann. Wie in meiner Antwort an kolja schon gesagt, wäre das Konzept der Verantwortung dann, wenn harte Inkompatibilisten mit ihrer Sichtweise recht hätten, automatisch in Gänze hinfällig, denn es beruht auf bestimmten Annahmen, die harte Inkompatibilisten für falsch erklären.

Du kannst dann ein neues Konzept entwerfen. Das würde mich interessieren, aber Verantwortung sollte man das nicht mehr nennen.

step hat folgendes geschrieben:
Es folgt in der Tat aus der Abwesenheit echter Möglichkeiten, daß es überhaupt keine absolut(!) moralisch falschen oder richtigen Handlungen geben kann.

Das Argument hat nichts, aber auch gar nichts mit irgend einer "Absolutheit" zu tun.

step hat folgendes geschrieben:
Es ist dieser letztliche moralische Relativismus, de vielen Kompatibilsiten Angst macht.

Ach, Unsinn.

Wir sollten einfach mal versuchen, auf Diffamierungen zu verzichten. Das sind nämlich keine besonders guten Argumente.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
step
registriert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#989353) Verfasst am: 27.04.2008, 20:17    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Ein Inkompatibilist könnte Lob und Tadel, oder generell die Zuweisung von Verantwortung, aus anderen Gründen (als dem der absoluten moralischen Verdientheit) für zweckdienlich halten.

Du hast schon wieder ein "absolut" eingeschmuggelt. Ich habe jedoch nichts von Absolutheit gesagt.

Ich hatte es so verstanden, weil es mE nur so aus der inkompatibilistischen Haltung folgt.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Du kannst dann ein neues Konzept entwerfen. Das würde mich interessieren, aber Verantwortung sollte man das nicht mehr nennen.

Du hast insofern recht, als viele Philosophen und Ethiker den Begriff "Verantwortung tragen" hauptsächlich als das verstehen, das ein späteres "zur Rechenschaft ziehen" legitimiert. Für sie lädt nämlich jemand, der seiner Verantwortung nicht gerecht wird, Schuld auf sich und die legitimiert Vergeltung und Bestrafung.

Früher ging es in FW-threads immer um Schuld und Strafe. Ich habe dort mehrfach deutlich gemacht, daß ich diese Konzepte tatsächlich aus Gründen ähnlich (3.) ablehne. Der Begriff "Verantwortung" dagegen schien mir neutraler, auch mit inkompatibilistischen Ansichten vereinbar, denn er enthält (für mich) keine primär moralische, vergeltungsfähige Komponente.

Wenn ich damit aber falsch liege, verzichte ich - wenn auch ungern - auf "Verantwortung" und frage Dich, wie Du das nennst, was die Allgemeinheit dem Einzelnen zumißt, weil sie meint, daß er sich hinreichend konform verhalten wird? Rechte und Pflichten vielleicht?

Zudem fordere ich im Gegenzug natürlich den Verzicht der Kompatbilisten auf den Ausdruck "Freier Wille" zugunsten von z.B. "Wille" oder "Präferenz". Hier ist der Widerspruch viel klarer, denn der bedingte Wille ist unfrei, weil er vollständig bedingt ist.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Lob und Tadel können in der ursprünglichen Bedeutung nur für selbstverantwortete Handlungen verteilt werden. Und verantwortlich sieht man gemeinhin nur diejenigen an, die ihre Handlungen (zu wesentlichen Anteilen) selbst steuern konnten.

Wie jetzt, loben und tadeln soll ich auch nicht nehr dürfen? Lob und Tadel bedeuten erstmal nur eine positive bzw. negative Rückkopplung für eine Handlung.

wikipedia hat folgendes geschrieben:
Der Tadel bezeichnet eine Erziehungsmaßnahme mit verhaltenskorrigierender Funktion. ... Er bezweckt die Hinführung oder Rückführung zu normangemessenem Verhalten.

Das ist schön utilitaristisch und unabhängig vom unfreien Freien Willen.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Ich habe hier schon oft vorgeschlagen, wie ein Konzept der Verantwortung aus deterministische Sicht aussehen könnte:

Die Gemeinschaft weist dem Einzelnen Verantwortung (= Rechte, Pflichten) zu, wenn man es für wahrscheinlich hält, daß er sich im Sinne der Allgemeinheit verhält.

"Für wahrscheinlich hält"? Sollte man dann also zum Beispiel bei einer Normverletzung nicht mehr untersuchen, welche Umstände genau denjenigen (eventuell) zu der Normverletzung getrieben haben (Zwangsstörung, äußere Zwänge, etc.)?

Doch, natürlich, man will den Zusammenhang ja verstehen, um in Zukunft Verantwortung treffsicherer zuzuweisen.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Und wenn man es doch untersuchen sollte und daraufhin ggf. den moralischen Vorwurf justiert, was unterscheidet es dann noch von der heutigen Auffassung von Verantwortung?

Vom Justieren eines moralischen Vorwurfs habe ich nichts gesagt. Wenn man denjenigen tadelt, dann nur, wenn man glaubt, daß er so normgerechter handeln wird. Mein Vorschlag deckt sich mE tatsächlich mit Teilen des heutigen Rechts- und Erziehungssystems, nämlich mit dem utilitaristischen Teil.
_________________
Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Heiner
Grundrechte-Fan



Anmeldungsdatum: 29.05.2006
Beiträge: 1217

Beitrag(#989356) Verfasst am: 27.04.2008, 20:19    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Heiner hat folgendes geschrieben:
Verstehe ich nicht, kannst du das Haji-Argument mal näher erläutern?

Wieso soll ich hier alles vorkauen? Ich habe doch den Link dazu gegeben, reicht das etwa nicht? Kannst Du nicht selber klicken und lesen?

Aber ausnahmsweise: das Argument lautet wie folgt:


Ich mag es gar nicht irgendwelche Links vorgesetzt zu bekommen, aus denen ich mir die Argumentation selber herauslesen soll. Bitte in Zukunft nicht mehr.

Zitat:


1. Agent S ist dann und nur dann moralisch verpflichtet, A zu tun (bzw. A nicht zu tun), wenn es moralisch falsch für S ist, A nicht zu tun (bzw. A zu tun).

2. Agent S hat nur dann die moralische Verpflichtung, A zu tun (nicht zu tun), wenn er die echte Möglichkeit dazu hat, A zu tun bzw. nicht zu tun.

3. Daher ist es nur dann moralisch falsch von S, A zu tun (nicht zu tun), wenn er die echte Möglichkeit hat, A zu tun (nicht zu tun).

4. Wenn die Welt streng naturgesetzlich abläuft, dann hat S keine echte Möglichkeit, anders zu handeln, als er tatsächlich handelt.

5. Daher kann es in einer naturgesetzlichen Welt keine falschen Handlungen geben.


Erinnert mich an "WENN ich Katzen Hunde nenne, DANN sind Katzen Hunde."
Ich kann natürlich Beliebiges in die Prämissen hineinlegen, um beliebige Schlussfolgerungen zu ziehen.
Im übrigen hindert mich nichts daran, Handlungen, die anderen nützen, als moralisch gut zu bezeichnen, auch wenn ich keinen freien Willen annehme.

Denn auch nach deiner Argumentation ist es so, dass grundsätzlich die "echte Möglichkeit" zu solchen Handlungen besteht - vielen Menschen gelingt es ja, sich so zu verhalten.
Wie es im konkreten Einzelfall aussieht, ist noch einmal eine andere Frage. Ich muss also unterscheiden zwischen moralischen Bewertungen auf einer allgemeinen und auf einer individuellen Ebene. Allgemein mag ich die Norm aufstellen, dass Handlungen, die anderen schaden, moralisch schlecht sind. Wenn ich dann einen individuellen Fall bewerte, kann ich urteilen, dass eine Handlung gemessen an der Norm moralisch schlecht war. Wenn es darum geht, die moralische Schuld des Handelnden zu beurteilen, muss ich berücksichtigen, dass dessen Wille nicht frei war. Das macht aber diese Handlung nicht "gut".
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
kolja
der Typ im Maschinenraum
Betreiber



Anmeldungsdatum: 02.12.2004
Beiträge: 16631
Wohnort: NRW

Beitrag(#989367) Verfasst am: 27.04.2008, 20:42    Titel: Antworten mit Zitat

kolja hat folgendes geschrieben:
Diese "moralische Verantwortlichkeit" ist für viele Menschen eine Art "moralisches Naturgesetz", bzw. sie sind intuitiv der Meinung, dass die "moralische Verantwortlichkeit" aus der Selbstbestimmtheit von Handlungen automatisch folgt, unabhängig davon, wie Selbstbestimmtheit im Einzelnen definiert wird. In Wirklichkeit handelt es sich aber um eine normative Setzung.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Das spielt erst mal überhaupt keine Rolle.

Ich halte das für den einzig wesentlichen Punkt, der ganze Rest ist nur Ablenkung.

kolja hat folgendes geschrieben:
Klar kann man diese Setzung vornehmen, wenn man das will, sie ist aber nicht ohne zusätzliche Prämissen aus der wie-auch-immer-definierten Selbstbestimmtheit herleitbar. Man müsste sie also begründen, und zwar bitte nicht durch Appelle an die Intuition, sondern rational, z.B. indem man angibt, welchen Nutzen diese Setzung haben soll.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Nein, das braucht man überhaupt nicht.

Wie jetzt? Bestreitest Du, dass es sich um eine normative Setzung handelt? Oder bestreitest Du, dass man normative Setzungen begründen muss?

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wenn die harten Inkompatibilisten recht haben, dann stellt sich die Frage nämlich überhaupt nicht mehr, ob es gut oder falsch oder sinnvoll oder nicht sinnvoll wäre, andere für verantwortlich zu halten: dann wäre es genauso unzulässig, jemandem vorzuwerfen, dass er zum Beispiel etwas gestohlen hat, (er konnte ja nicht anders, aka er hatte keine "echte Möglichkeit" dazu, etwas anders zu tun, als das, was er tat), wie ihm zum Beispiel vorzuwerfen, dass irgend ein Erdbeben viele Todesopfer gekostet hat oder dass es den zweiten Weltkrieg gab oder die Inquisition oder was weiß ich (all dies konnte er nach Ansicht der harten Deterministen ganz genauso nicht verhindern, es lag wie der Diebstahl ganz genauso völlig außerhalb seiner Kontrolle). "Verantwortung" wäre in dem Falle, wenn also harte Inkompatibilisten recht hätten, ein im Vorneherein! unsinniges und auch unzulässiges! Konzept. [...] Deine Konklusion (wenn Du harter Inkompatibilist bist, weiß nicht, ob Du das bist), müsste also notwendigerweise lauten: das Konzept "Verantwortung" ist falsch, da die notwendigen Grundlagen für Verantwortung nicht gegeben sind, widerlegt wurden. "Verantwortung" wäre also gestorben. Und dann, wenn die Grundlagen falsch sind, ist es, wie gesagt, vollkommen gleichgültig, ob man das Konzept prinzipiell als sinnvoll ansieht oder nicht!

Ich halte lediglich "moralische Verantwortung" oder "Vorwerfbarkeit" im Sinne eines "moralischen Naturgesetzes" für sinnlos und widerlegt.

Verantwortung ist eine menschliche Erfindung, wir weisen Personen Verantwortung zu, oder verhängen Konsequenzen gegen sie, um zusätzliche Determinanten für zukünftige Handlungen zu setzen. In einer Welt ohne Konsequenzen für Diebstahl fände mehr Diebstahl statt, also ist die Verantwortungszuweisung ein Mittel, um Diebstahl zu verhindern. Dazu muss ich nicht annehmen, dass ein bestimmter Dieb in einer bestimmten Situation anders hätte handeln können, sondern nur glauben, dass er anders handeln würde, wenn er nicht von der drohenden Konsequenz wüsste.

Der Unterschied zwischen uns beiden besteht vor allem darin, dass aus meiner Sicht die Verantwortungszuweisung und die Konsequenzen nur Mittel zum Zweck sind, während Du so argumentierst, als wäre das gegeben-sein von Verantwortung bereits eine hinreichende Rechtfertigung für die Verhängung gewisser Konsequenzen. (Erinnere Dich an die Diskussionen um Bestrafung auch dann, wenn dadurch keine zukünftigen Verbrechen verhindert werden!) Damit argumentierst Du aber letztlich nicht anders als diejenigen, die von einem "moralischen Naturgesetz" ausgehen, oder Du hältst zumindest weitere Prämissen zurück, und diese Argumentation kann ich nicht akzeptieren.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wenn Du aber weiterhin nicht argumentieren willst, sondern immer wieder und wieder nur schreist: "Du, Du, Du bist in der Begründungspflicht und ich gar nicht!", dann werde ich Dich wohl bei diesem Thema zukünftig ignorieren müssen.

Darauf bin ich doch schon eingegangen. Du hast an anderer Stelle versucht, eine Entscheidungssituation (fremd- vs. selbstbestimmt) zu suggerieren und daraus eine Begründungspflicht zu konstruieren, dem habe ich entgegengehalten, dass derjenige, der die normativen Setzungen vorschlägt, in der Begründungspflicht ist, und nicht umgekehrt.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Moralische Verantwortung: jemand kann für seine Handlungen zur Rechenschaft gezogen werden.

Dem kann ich nicht zustimmen, weil sich diese Formulierung nicht deutlich genug gegen die Interpretation als "moralisches Naturgesetz" abgrenzt und keine Zwecke benennt. Ich will aber die Zwecke in der Diskussion benannt haben.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Normalerweise wird als Voraussetzung dafür Folgendes gesehen: seine Handlungen sind von ihm verursacht und lagen unter seiner Kontrolle.

Da kann ich auch nicht zustimmen, weil sich diese Formulierung nicht deutlich genug gegen eine Interpretation im Sinne eines "echten" / inkompatibilisitschen FW abgrenzt. Ich will aber, dass diese Unterschiede in der Diskussion deutlich sichtbar sind.

Meine Definition von Verantwortung: wir weisen Verantwortung zu, weil wir uns wünschen, dass er anders gehandelt hätte, weil wir wissen, dass die meisten anderen in seiner Situation anders gehandelt hätten, und wir glauben, dass er und/oder Dritte in Zukunft nicht mehr so handeln, wenn wir ihm Verantwortung zuweisen bzw. ihn zur Rechenschaft ziehen.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Die Argumentation ist übrigens nicht zirkulär. Ich verstehe auch nicht genau, wieso Du das meinst. Vielleicht könntest Du das explizit an der ausformulierten Version des Argumentes zeigen.

In Deiner Formulierung war es zirkulär, in der ausformulierten Variante brauche ich lediglich darauf zu verweisen, dass ich (2) so nicht setze.
_________________
Hard work often pays off after time, but laziness always pays off now.


Zuletzt bearbeitet von kolja am 27.04.2008, 20:52, insgesamt 2-mal bearbeitet
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
Heiner
Grundrechte-Fan



Anmeldungsdatum: 29.05.2006
Beiträge: 1217

Beitrag(#989369) Verfasst am: 27.04.2008, 20:46    Titel: Antworten mit Zitat

Agnost hat folgendes geschrieben:
Heiner lies doch deine Zitatenpatchwork nochmals.

Weisst du, wenn Bieri seine Gedanken zum Freien Willen auf 2-3 Zeilen hätte eindampfen können, hätte der Mercier mehr Zeit gehabt einen weiteren Bestseller zu schreiben.

Also liess du zuerst das Buch, bevor du voluntaristisch versuchst es auf 2-3 montierte Zeilen runterzudampfen.

Bieri ist ein Schweizer der in Deutschland lebt und wirkt, ich bin ein Deutscher, der in der Schweiz lebt und wirkt, also in gewisser Weise sind wir "verquer", aber vielleicht determiniert es mich, schweizerische Texte ein bisschen besser zu verstehen, denn wie schreibt Bieri oben "von mir gefettet, vergrössert und gefärbt":

Ganz

Mein Skibindungsmodell ist so gewählt, dass Textilbremse und auf einem Ski den Schwung stehen, keine ganz unterschiedlichen Handlungen sind.


Ja, stell dir vor, ich bin halb Deutscher, halb Schweizer und lebe in Deutschland. Was sagt uns das jetzt? Vielleicht, dass ich Bieri am allerbesten verstehe. Lachen

Auf die feinsinnige Differenzierung von wegen "ganz" wäre ich natürlich nicht gekommen.

Nach dem, was ich ÜBER Bieri gelesen habe, handelt es sich bei ihm um einen Kompatibilisten, d.h. er verbindet Determinismus mit Willensfreiheit. Der Text, den du gepostet hast, geht für mich auch in diese Richtung. Daher behaupte ich jetzt mal, dass man "ganz" auch streichen.

Ansonsten würde ja Folgendes für Bieri zutreffen:

Es ist trifft nicht zu, dass der Wille unter exakt denselben inneren und äußeren Bedingungen ganz unterschiedliche Wege nehmen könnte.

Es trifft aber zu, dass der Wille unter exakt denselben inneren un äußeren Bedingungen ein bisschen unterschiedliche Wege nehmen könnte.


Das würde unterstellen, dass Bieri einen so genannten "relativen Indeterminismus" vertreten würde. Das ist, sorry, die vielleicht unsinnigste Position, die man vertreten kann.
Sollte ein Schweizer Philosoph so viel Unsinn verzapfen? zwinkern Lachen
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
AgentProvocateur
registrierter User



Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#989451) Verfasst am: 27.04.2008, 22:33    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Ein Inkompatibilist könnte Lob und Tadel, oder generell die Zuweisung von Verantwortung, aus anderen Gründen (als dem der absoluten moralischen Verdientheit) für zweckdienlich halten.

Du hast schon wieder ein "absolut" eingeschmuggelt. Ich habe jedoch nichts von Absolutheit gesagt.

Ich hatte es so verstanden, weil es mE nur so aus der inkompatibilistischen Haltung folgt.

Hm, bin nicht sicher, ob ich das jetzt richtig verstehe. Es ist wohl richtig, dass (viele/einige) Inkompatibilisten davon ausgehen, Verantwortung müsse etwas absolutes sein. Was ich aber für nicht plausibel halte. Jetzt weiß ich nicht, ob Du auch diese Ansicht hast (Verantwortung = Letztverantwortung). Und wenn ja: warum eigentlich?

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Du kannst dann ein neues Konzept entwerfen. Das würde mich interessieren, aber Verantwortung sollte man das nicht mehr nennen.

Du hast insofern recht, als viele Philosophen und Ethiker den Begriff "Verantwortung tragen" hauptsächlich als das verstehen, das ein späteres "zur Rechenschaft ziehen" legitimiert. Für sie lädt nämlich jemand, der seiner Verantwortung nicht gerecht wird, Schuld auf sich und die legitimiert Vergeltung und Bestrafung.

Richtig. Das ist die Legitimation für das Strafrecht. Und verantwortlich kann nur derjenige sein, der seine Handlungen (wesentlich) beeinflussen konnte, den man also als (Haupt-)Urheber seiner Handlung ansieht. Derjenige, der das nicht konnte, bzw. der das nicht war, kann auch in dieser Auffassung von Verantwortung nicht strafrechtlich belangt werden.

step hat folgendes geschrieben:
Früher ging es in FW-threads immer um Schuld und Strafe. Ich habe dort mehrfach deutlich gemacht, daß ich diese Konzepte tatsächlich aus Gründen ähnlich (3.) ablehne.

Ok. Also ist für Dich Verantwortlichkeit nur dann gegeben, wenn es gleichzeitig auch Letztverantwortlichkeit ist?

step hat folgendes geschrieben:
Der Begriff "Verantwortung" dagegen schien mir neutraler, auch mit inkompatibilistischen Ansichten vereinbar, denn er enthält (für mich) keine primär moralische, vergeltungsfähige Komponente.

Hm, naja, für mich ist für die Zulässigkeit der Vorwerfbarkeit einer Handlung direkt die Vorstellung verbunden, dass es in der Möglichkeit desjenigen lag, diese Handlung aufgrund eigener Entscheidung auch tatsächlich durchzuführen (bzw. sie zu unterlassen). Und wenn das gegeben war, und nur dann, halte ich ihn für verantwortlich für diese Handlung (bzw. das Unterlassen der Handlung). Und, ja, natürlich enthält diese Vorwerfbarkeit eine moralische Komponente: das war falsch von Dir, dies zu tun! Es wäre mE sinnlos und falsch, das jemandem vorzuwerfen, der seine Handlungen gar nicht kontrollieren kann.

step hat folgendes geschrieben:
Wenn ich damit aber falsch liege, verzichte ich - wenn auch ungern - auf "Verantwortung" und frage Dich, wie Du das nennst, was die Allgemeinheit dem Einzelnen zumißt, weil sie meint, daß er sich hinreichend konform verhalten wird? Rechte und Pflichten vielleicht?

Nö, ich nenne das Verantwortung (ich nehme an, derjenige kann das leisten, was von ihm verlangt wird) und sehe noch nicht so recht den Unterschied in Deiner Verwendung.

step hat folgendes geschrieben:
Zudem fordere ich im Gegenzug natürlich den Verzicht der Kompatbilisten auf den Ausdruck "Freier Wille" zugunsten von z.B. "Wille" oder "Präferenz". Hier ist der Widerspruch viel klarer, denn der bedingte Wille ist unfrei, weil er vollständig bedingt ist.

Ich hänge nicht an Worten und Begriffen. Nur ist das immerhin der gemeinhin verwendete Begriff, wenn es eben um die Zuweisung von Verantwortung geht. Von mir aus aber können wir es auch "Steuerungsfähigkeit", "Autonomie", "Selbstbestimmung" oder "Fähigkeit zur moralische Verantwortlichkeit" nennen.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Lob und Tadel können in der ursprünglichen Bedeutung nur für selbstverantwortete Handlungen verteilt werden. Und verantwortlich sieht man gemeinhin nur diejenigen an, die ihre Handlungen (zu wesentlichen Anteilen) selbst steuern konnten.

Wie jetzt, loben und tadeln soll ich auch nicht nehr dürfen? Lob und Tadel bedeuten erstmal nur eine positive bzw. negative Rückkopplung für eine Handlung.

Hm, naja, weiß nicht. Das hört sich dann eher nach "Schräubchen drehen" oder "reparieren" an. Wir "tadeln" und "loben" ja auch nicht eine Software, wenn sie ungenügend oder hervorragend funktioniert.

Aber das sei erst mal dahingestellt. Mich interessieren hier ja vor allem die Argumente der harten Inkompatibilisten.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Und wenn man es doch untersuchen sollte und daraufhin ggf. den moralischen Vorwurf justiert, was unterscheidet es dann noch von der heutigen Auffassung von Verantwortung?

Vom Justieren eines moralischen Vorwurfs habe ich nichts gesagt. Wenn man denjenigen tadelt, dann nur, wenn man glaubt, daß er so normgerechter handeln wird. Mein Vorschlag deckt sich mE tatsächlich mit Teilen des heutigen Rechts- und Erziehungssystems, nämlich mit dem utilitaristischen Teil.

Meiner Meinung nach beruhen die Rechte und Pflichten unserer Gesellschaft auf der Vorstellung, dass (erwachsene) Menschen grundsätzlich in der Lage dazu sind, Normen zu verstehen und anzuwenden und dass sie nicht nur Rädchen im Getriebe einer prinzipiell unverstehbaren naturgesetzlichen Welt sind. Mit anderen Worten: sie werden als selbstverantwortliche Wesen angesehen. Und nur weil sie diese Fähigkeit haben, ist es mMn überhaupt zulässig, an sie diese moralischen Forderungen zu stellen und nur deswegen ist auch das Strafrecht legitim. Für eine Umstellung auf ein erziehungsbasiertes / rein präventives System, wie es Dir vielleicht vorschwebt, sehe ich im Moment keine Legitimation. Und eine solche halte ich für sehr notwendig. Aber das ist ein anderer Thread.

Lass uns doch hier mal auf die Argumente pro/contra Inkompatibilismus/Kompatibilismus konzentrieren.

Wieso also soll die Unmöglichkeit einer Letztverantwortung (die ich nicht bestreite) moralische Verantwortlichkeit ausschließen?
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Agnost
dauerhaft gesperrt



Anmeldungsdatum: 12.11.2006
Beiträge: 5618

Beitrag(#989465) Verfasst am: 27.04.2008, 22:45    Titel: Antworten mit Zitat

Step,

du machst schon wieder den Fehler, Sprache wie Mathematik oder physikalische Formeln zu behandeln.

Der Begriff "bedingt Freier Wille" impliziert, dass es keinen "absolut Freien Willen" gibt, er impliziert aber keineswegs dass der Wille total determiniert ist.

Meinst du im Ernst, ein Bieri würde mehre hundert Seiten zum "bedingt Freien Willen" abdrücken, wenn er damit nur einen Euphemismus für "vollständig determinierten Willen" meinen würde.

Wohl kaum.

Agnost
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
AgentProvocateur
registrierter User



Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#989474) Verfasst am: 27.04.2008, 22:51    Titel: Antworten mit Zitat

Heiner hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Heiner hat folgendes geschrieben:
Verstehe ich nicht, kannst du das Haji-Argument mal näher erläutern?
Wieso soll ich hier alles vorkauen? Ich habe doch den Link dazu gegeben, reicht das etwa nicht? Kannst Du nicht selber klicken und lesen?

Aber ausnahmsweise: das Argument lautet wie folgt:

Ich mag es gar nicht irgendwelche Links vorgesetzt zu bekommen, aus denen ich mir die Argumentation selber herauslesen soll. Bitte in Zukunft nicht mehr.

Ich habe Dir sicher keinen Link "vorgesetzt". Du träumst wohl. Ich habe einen Link ins Forum gestellt, nicht mehr und nicht weniger. Und ich werde auch in Zukunft keine Rücksicht auf Deine unbegründeten Befindlichkeiten nehmen.

Heiner hat folgendes geschrieben:
Im übrigen hindert mich nichts daran, Handlungen, die anderen nützen, als moralisch gut zu bezeichnen, auch wenn ich keinen freien Willen annehme.

Dazu müssen aber sicherlich bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Und eine Voraussetzung, rate ich einfach mal, wird es sein, dass Du diese Handlung als im Einflussbereich von S gesehen hast. Nun kommt das Argument zum Tragen: Inkompatibilisten behaupten, dass nur diejenigen Handlungen, die ausgeführt wurden, im Einflussbereich des Handelnden lagen. Alle anderen nicht. Und jetzt kommst Du.

Heiner hat folgendes geschrieben:
Denn auch nach deiner Argumentation ist es so, dass grundsätzlich die "echte Möglichkeit" zu solchen Handlungen besteht - vielen Menschen gelingt es ja, sich so zu verhalten.

Ich halte die Verbindung von "echten Möglichkeiten" und "Verantwortung" für absolut unsinnig und selbstwidersprüchlich. Vielleicht gelingt es aber mal jemandem, ein Argument für diese Sichtweise zu bringen. Das wäre ganz schrecklich entzückend und da würde ich mich auch sehr freuen.

Heiner hat folgendes geschrieben:
Wie es im konkreten Einzelfall aussieht, ist noch einmal eine andere Frage.

Hallo: Das genau ist die Frage! Kann S für die Handlung A (bzw. die Unterlassung der Handlung A) verantwortlich sein? Das eben ist es doch, was harte Inkompatibilisten bestreiten, weil ihrer Meinung nach keine "echte Möglichkeit" für S bestand, A zu tun (nicht zu tun). Ganz genauso wenig, wie er ein Erdbeben verhindern könnte. Und es entspricht nicht dem heutigen Verständnis von Verantwortung, jemanden für etwas verantwortlich zu machen, was außerhalb seiner Möglichkeiten lag (Erdbeben).

Heiner hat folgendes geschrieben:
Ich muss also unterscheiden zwischen moralischen Bewertungen auf einer allgemeinen und auf einer individuellen Ebene. Allgemein mag ich die Norm aufstellen, dass Handlungen, die anderen schaden, moralisch schlecht sind. Wenn ich dann einen individuellen Fall bewerte, kann ich urteilen, dass eine Handlung gemessen an der Norm moralisch schlecht war.

Auch wenn die Handlung (bzw. das Unterlassen der Handlung) völlig außerhalb des möglichen Handlungsspielraumes lag?

Heiner hat folgendes geschrieben:
Wenn es darum geht, die moralische Schuld des Handelnden zu beurteilen, muss ich berücksichtigen, dass dessen Wille nicht frei war. Das macht aber diese Handlung nicht "gut".

Hum? Sagte das jemand? In einer harten inkompatibilistischen Welt kann es weder gut noch schlecht geben. Das sagt das Argument.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Agnost
dauerhaft gesperrt



Anmeldungsdatum: 12.11.2006
Beiträge: 5618

Beitrag(#989488) Verfasst am: 27.04.2008, 23:04    Titel: Antworten mit Zitat

Heiner hat folgendes geschrieben:
Agnost hat folgendes geschrieben:
Heiner lies doch deine Zitatenpatchwork nochmals.

Weisst du, wenn Bieri seine Gedanken zum Freien Willen auf 2-3 Zeilen hätte eindampfen können, hätte der Mercier mehr Zeit gehabt einen weiteren Bestseller zu schreiben.

Also liess du zuerst das Buch, bevor du voluntaristisch versuchst es auf 2-3 montierte Zeilen runterzudampfen.

Bieri ist ein Schweizer der in Deutschland lebt und wirkt, ich bin ein Deutscher, der in der Schweiz lebt und wirkt, also in gewisser Weise sind wir "verquer", aber vielleicht determiniert es mich, schweizerische Texte ein bisschen besser zu verstehen, denn wie schreibt Bieri oben "von mir gefettet, vergrössert und gefärbt":

Ganz

Mein Skibindungsmodell ist so gewählt, dass Textilbremse und auf einem Ski den Schwung stehen, keine ganz unterschiedlichen Handlungen sind.


Ja, stell dir vor, ich bin halb Deutscher, halb Schweizer und lebe in Deutschland. Was sagt uns das jetzt? Vielleicht, dass ich Bieri am allerbesten verstehe. Lachen

Auf die feinsinnige Differenzierung von wegen "ganz" wäre ich natürlich nicht gekommen.

Nach dem, was ich ÜBER Bieri gelesen habe, handelt es sich bei ihm um einen Kompatibilisten, d.h. er verbindet Determinismus mit Willensfreiheit. Der Text, den du gepostet hast, geht für mich auch in diese Richtung. Daher behaupte ich jetzt mal, dass man "ganz" auch streichen.

Ansonsten würde ja Folgendes für Bieri zutreffen:

Es ist trifft nicht zu, dass der Wille unter exakt denselben inneren und äußeren Bedingungen ganz unterschiedliche Wege nehmen könnte.

Es trifft aber zu, dass der Wille unter exakt denselben inneren un äußeren Bedingungen ein bisschen unterschiedliche Wege nehmen könnte.


Das würde unterstellen, dass Bieri einen so genannten "relativen Indeterminismus" vertreten würde. Das ist, sorry, die vielleicht unsinnigste Position, die man vertreten kann.
Sollte ein Schweizer Philosoph so viel Unsinn verzapfen? zwinkern Lachen


Warum liesst du in dir nicht ganz durch?

Erstensmal gibt es ja wie wir wissen keine exakt gleiche innere und äussere Bedingungen sondern nur ein "bisschen" ähnliche innere und äussere Bedingungen, und auf die kann man natürliche ein bisschen ähnlich oder ein bisschen anders reagieren.

Und wenn du ja halb Schweizer bist, weisst du ja, dass der Kompromiss, die grösste Schweizer Tugend ist, noch vor der Bescheidenheit. Und dass Schweizer gerne im Dinumintiv und im Konditional "schwimmen."

"Dörfs es bitzeli meh si", hörst du in jeder Metzgereiabteilung.
Und meisst sagt man ja, aber es wäre keine ganz andere Entscheidung, wenn man mal sagen würde:

"Nei hüt uusnahmswiis nöd, lieber es bitzeli weniger."

Der Begriff vom "bedingt Freien Willen" macht nur Sinn, wenn innerhalb gewisser Rahmenbedingungen physikalischer Natur, eine freie Entscheidung möglich ist.

Wenn das nicht möglich wäre, dann kannst du den Begriff "bedingt Freier Wille" kicken.

Ein Kompatibilist, ist jemand, der annerkennt, das wir physikalische Determiniert sind, dass aber zu dieser Determiniertheit "ein bisschen freie Wahl" gehört.

Insofern ist ein Kompatibilist ein "Kompromissler".

Ziel bei der Textilbremse am Buckelhang und dem Ausfahren auf einem Ski ist das Verhindern eines "ungeleiteten Sturzes".
Beide Handlungsvarianten sind, nicht ganz verschieden.

Beim Ampelbeispiel ohne Autoverkehr, ist das Ziel die Ueberquerung der Strasse.
Einmal passiert sie "sicher" bei Rot, dass andere mal "sicher" bei Grün.
Die Wahl ist nicht ganz verschieden.

Und genau um dieses "ganz" dreht sich das "Handwerk der Freiheit".

Unerträglich wäre für Bieri der Total-Indeterminierte aber auch der Total-Determinierte Mensch.

Der Total-Indeterminierte Mensch ist für Bieri eh nur als ein Mensch mit totalem Gedächtnisverlust einigermassen annähernd denkbar.

Agnost

//Edit ist das Verhindern eines "ungeleiteten Sturzes".//
Sorry Verlegen


Zuletzt bearbeitet von Agnost am 28.04.2008, 00:47, insgesamt einmal bearbeitet
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
AgentProvocateur
registrierter User



Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#989489) Verfasst am: 27.04.2008, 23:04    Titel: Antworten mit Zitat

kolja hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Die Argumentation ist übrigens nicht zirkulär. Ich verstehe auch nicht genau, wieso Du das meinst. Vielleicht könntest Du das explizit an der ausformulierten Version des Argumentes zeigen.

In Deiner Formulierung war es zirkulär, in der ausformulierten Variante brauche ich lediglich darauf zu verweisen, dass ich (2) so nicht setze.

Dann bist Du kein harter Inkompatibilist.

Ansonsten: wenn Du über Ziele diskutieren willst, dann musst Du Dir jemanden suchen, der ebenfalls über Ziele diskutieren möchte.

Ich will das hier nicht tun, weil ich das nicht für zielführend in dieser Diskussion halte, wie schon mehrfach begründet. Mich interessieren hier Argumente pro/contra Inkompatibilismus/Kompatibilismus. That's it.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
kolja
der Typ im Maschinenraum
Betreiber



Anmeldungsdatum: 02.12.2004
Beiträge: 16631
Wohnort: NRW

Beitrag(#989492) Verfasst am: 27.04.2008, 23:09    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Dann bist Du kein harter Inkompatibilist.

Kunstvoll gesnippt. Doch, ich bin harter Inkompatibilist in Bezug auf auf Deinen naiv-intuitionistischen Verantwortungsbegriff.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ansonsten: wenn Du über Ziele diskutieren willst, dann musst Du Dir jemanden suchen, der ebenfalls über Ziele diskutieren möchte. Ich will das hier nicht tun, weil ich das nicht für zielführend in dieser Diskussion halte, wie schon mehrfach begründet. Mich interessieren hier Argumente pro/contra Inkompatibilismus/Kompatibilismus. That's it.

Dann halte ich hiermit fest, dass Du nicht in der Lage warst, Deinen Verantwortungsbegriff zu begründen. Du beschränkst Dich mal wieder darauf, seine Verwendung lediglich mittels Definitionsspielchen zu verteidigen. Also beschwere Dich nicht, wenn ich Dir weiterhin Deine Begründungspflicht vorhalte.
_________________
Hard work often pays off after time, but laziness always pays off now.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
step
registriert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#989508) Verfasst am: 27.04.2008, 23:27    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Jetzt weiß ich nicht, ob Du auch diese Ansicht hast (Verantwortung = Letztverantwortung).

Nein, ich habe ja geschrieben, was ich unter Verantwortung verstehe, für mich ist Verantwortung immer nur zugewiesen und immer nur auf die Zukunft bezogen. Du hast wohl zurecht darauf hingewiesen, daß die meisten Leute unter Verantwortung mehr verstehen, nämlich Schuld- und Straffähigkeit.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Früher ging es in FW-threads immer um Schuld und Strafe. Ich habe dort mehrfach deutlich gemacht, daß ich diese Konzepte tatsächlich aus Gründen ähnlich (3.) ablehne.

Ok. Also ist für Dich Verantwortlichkeit nur dann gegeben, wenn es gleichzeitig auch Letztverantwortlichkeit ist?

Nein, ich sprach von Schuld. Aber selbst da gibt es natürlich relativierte Versionen, etwa wie beim Wort "Schulden" im materiellen Sinne.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... das war falsch von Dir, dies zu tun! Es wäre mE sinnlos und falsch, das jemandem vorzuwerfen, der seine Handlungen gar nicht kontrollieren kann.

Es wäre uU sinnvoll, jemanden auf die Falschheit seines Tuns hinzuweisen, wenn man erwartet, daß dies einen Prozeß in Gang setzt, der seine Handlungen bessert. Kontrolle oder Automomie bedeutet das nicht, auch wenn dieser rein kausale Prozeß natürlich die emergente Person irgendwie betrifft und Du die spätere Entscheidung daher vermutlich als "selbstkontrolliert" definierst.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Wenn ich damit aber falsch liege, verzichte ich - wenn auch ungern - auf "Verantwortung" und frage Dich, wie Du das nennst, was die Allgemeinheit dem Einzelnen zumißt, weil sie meint, daß er sich hinreichend konform verhalten wird? Rechte und Pflichten vielleicht?

Nö, ich nenne das Verantwortung (ich nehme an, derjenige kann das leisten, was von ihm verlangt wird) und sehe noch nicht so recht den Unterschied in Deiner Verwendung.

Naja, für Dich impliziert die Zumessung von Rechten und Pflichten (aka Verantwortung) zusätzlich auch Rechenschaft, Schuld und Straffähigkeit, für mich nicht.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Von mir aus aber können wir es auch "Steuerungsfähigkeit" ... nennen.

Das ist irreführend, da die "Steuerung" ja in einen rein kausalen Vorgang eingebettet ist. "Bewertungsfähigkeit" oder "Präferenzfähigkeit" wäre besser.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Lob und Tadel bedeuten erstmal nur eine positive bzw. negative Rückkopplung für eine Handlung.

Hm, naja, weiß nicht. Das hört sich dann eher nach "Schräubchen drehen" oder "reparieren" an. Wir "tadeln" und "loben" ja auch nicht eine Software, wenn sie ungenügend oder hervorragend funktioniert.

Doch, wir tun genau das dann, wenn wir meinen, daß die Software dadurch lernt bzw. besser wird. Beim Menschen ist dieser Vorgang natürlich verquickt mit dem ganzen Komplex von Empathie, Psyche, Moral usw., den wir mit uns herumschleppen.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... sie werden als selbstverantwortliche Wesen angesehen. Und nur weil sie diese Fähigkeit haben, ist es mMn überhaupt zulässig, an sie diese moralischen Forderungen zu stellen und nur deswegen ist auch das Strafrecht legitim.

Ich stelle aber gar keine moralische Forderungen, sondern mich interessiert idZ nur, was von wem erwartet wird und wie nützlich für welches Ziel das eingeschätzt wird. Da ich also keine moralischen Forderungen ieS stelle, muß ich auch nicht das rein kausale System "Person" zu einem autonomen freien Wesen umdefinieren.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Lass uns doch hier mal auf die Argumente pro/contra Inkompatibilismus/Kompatibilismus konzentrieren. Wieso also soll die Unmöglichkeit einer Letztverantwortung (die ich nicht bestreite) moralische Verantwortlichkeit ausschließen?

Nochmal: ich habe doch eine Version von Verantwortung angeboten, die nicht ausgeschlossen, sondern mit nichtautonomen Personen vereinbar ist. Aber die hat Dir nicht gefallen.
_________________
Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
step
registriert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#989512) Verfasst am: 27.04.2008, 23:31    Titel: Antworten mit Zitat

Agnost hat folgendes geschrieben:
Meinst du im Ernst, ein Bieri würde mehre hundert Seiten zum "bedingt Freien Willen" abdrücken, wenn er damit nur einen Euphemismus für "vollständig determinierten Willen" meinen würde.

Bieri schreibt hier dies, dort das, er widerspricht sich zuweilen selbst. Und ja, ich meine, er würde das tun. Das Problem treibt ihn um und er möchte unbedingt eine kompatibilisitische Lösung finden, die ihn ruhig schlafen läßt. Schau nur mal, wie viele Seiten ein Thomas von Aquin geschrieben hat, oder wie Kant sich gewunden hat, um trotz all der Aufklärung noch eine göttliche Moral zu retten.
_________________
Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
AgentProvocateur
registrierter User



Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#989540) Verfasst am: 28.04.2008, 00:06    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Jetzt weiß ich nicht, ob Du auch diese Ansicht hast (Verantwortung = Letztverantwortung).

Nein, ich habe ja geschrieben, was ich unter Verantwortung verstehe, für mich ist Verantwortung immer nur zugewiesen und immer nur auf die Zukunft bezogen.

Ah! Jetzt verstehe ich erst, was Du eigentlich unter "Verantwortung" verstehst: Du meinst eine Erwartungshaltung / ein Vertrauen im Voraus.

step hat folgendes geschrieben:
Du hast wohl zurecht darauf hingewiesen, daß die meisten Leute unter Verantwortung mehr verstehen, nämlich Schuld- und Straffähigkeit.

Ja. Genauer gesagt: dieses Verständnis ist die Grundlage für die Legitimation des Staates, in grundlegende Freiheitsrechte des Bürgers einzugreifen. Eine andere Legitimation für einen (vergleichbaren) Eingriff wird sehr schwierig zu begründen sein. Einfach auf einen angeblichen Schutz der Gesellschaft hinzuweisen würde mir jedenfalls als Legitimation keineswegs ausreichen. Aber das nur nebenbei, das ist hier nicht das Thema.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Früher ging es in FW-threads immer um Schuld und Strafe. Ich habe dort mehrfach deutlich gemacht, daß ich diese Konzepte tatsächlich aus Gründen ähnlich (3.) ablehne.

Ok. Also ist für Dich Verantwortlichkeit nur dann gegeben, wenn es gleichzeitig auch Letztverantwortlichkeit ist?

Nein, ich sprach von Schuld.

Nehmen wir uns nochmal Punkt 3 vor:

Harter Inkompatibilist hat folgendes geschrieben:
[...]
3. If an act is the result of processes that trace back to factors beyond the agent’s control, then the agent does not deserve blame or praise for that act. (The Transfer of Non-Responsibility (TNR) Principle.)
[...]


Wie genau würdest Du nun, auf Schuld bezogen, diesen Punkt formulieren wollen?

step hat folgendes geschrieben:
Es wäre uU sinnvoll, jemanden auf die Falschheit seines Tuns hinzuweisen, wenn man erwartet, daß dies einen Prozeß in Gang setzt, der seine Handlungen bessert. Kontrolle oder Automomie bedeutet das nicht, auch wenn dieser rein kausale Prozeß natürlich die emergente Person irgendwie betrifft und Du die spätere Entscheidung daher vermutlich als "selbstkontrolliert" definierst.

Natürlich. Wieso sollte ich nicht?

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Von mir aus aber können wir es auch "Steuerungsfähigkeit" ... nennen.

Das ist irreführend, da die "Steuerung" ja in einen rein kausalen Vorgang eingebettet ist. "Bewertungsfähigkeit" oder "Präferenzfähigkeit" wäre besser.

Nein, keineswegs. Jemand, der nur Präferenzen hat und/oder nur bewerten kann, dies aber folgenlos für seine Handlungen bleibt, kann nach meiner Vorstellung nicht verantwortlich sein.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... sie werden als selbstverantwortliche Wesen angesehen. Und nur weil sie diese Fähigkeit haben, ist es mMn überhaupt zulässig, an sie diese moralischen Forderungen zu stellen und nur deswegen ist auch das Strafrecht legitim.

Ich stelle aber gar keine moralische Forderungen, sondern mich interessiert idZ nur, was von wem erwartet wird und wie nützlich für welches Ziel das eingeschätzt wird. Da ich also keine moralischen Forderungen ieS stelle, muß ich auch nicht das rein kausale System "Person" zu einem autonomen freien Wesen umdefinieren.

Hm, naja, wenn ich von jemandem etwas erwarte, wenn ich also Forderungen an ihn stelle, bestimmte Dinge zu tun und bestimmte Dinge nicht zu tun, dann sind das für mich moralische Forderungen. Was auch sonst? Wenn ich also zum Beispiel von jemandem erwarte, dass er mich nicht beleidigt und ich ihm das sage, dann habe ich eine moralische Forderung gestellt.

step hat folgendes geschrieben:
Nochmal: ich habe doch eine Version von Verantwortung angeboten, die nicht ausgeschlossen, sondern mit nichtautonomen Personen vereinbar ist. Aber die hat Dir nicht gefallen.

Ok, sorry, ich hatte das erst nicht so richtig verstanden. Siehe ganz oben. Ich fände es aber besser, das nicht "Verantwortung", sondern z.B. "Vorausvertrauen" zu nennen.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Agnost
dauerhaft gesperrt



Anmeldungsdatum: 12.11.2006
Beiträge: 5618

Beitrag(#989559) Verfasst am: 28.04.2008, 00:40    Titel: Antworten mit Zitat

Verantwortung wird in Hierarchischen Systemen von Oben nach Unten zugewiesen.

Man beachte, wie oft Mussolini seinen "Untergebenen" Verantwortung zuwies.

Verantwortung bedeutet dann nichts anderes, als dass man vom Oberen für seine Handlungen zur Rechenschaft gezogen werden kann.

Das erheischeit überhaupt keine Moral.

Solchermassen hat Verantwortung in einem deterministischen System eine klare Funktion.

Der Untergebene hat dem Vorgesetzten, wenn immer der es verlangt, zu erklären, warum er was gemacht hat und kann dann entsprechend sanktioniert werden.

Nur die Selbstverantwortung verlangt in Grunde genommen "Freien Willen".

Selbstverantwortung ist darum auch einer der Hauptbegriffe Liberaler und Freisinniger Parteien.

Agnost
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
PataPata
Agnostiker und Pataphysiker



Anmeldungsdatum: 05.11.2007
Beiträge: 2977
Wohnort: Toscana

Beitrag(#989600) Verfasst am: 28.04.2008, 01:36    Titel: Antworten mit Zitat

Agnost hat folgendes geschrieben:
Sorry, das sind nur Behauptungen, die du nicht beweisen kannst...

Sorry, dass ich so spät antworte. Aus irgendeinem Grund wurde ich über diesen Thread nicht mehr benachrichtigt und ich habe ihn einfach vergessen. Vielleicht ist das aber besser so! Auf Dein Dilettantengequasel ist Schweigen die beste Antwort. Falls Du Beweise für Deine Behauptungen suchen möchtest, dann wünsche ich Dir viel Glück. Meine Argumente sind jedenfalls mindestens durch den Versuch, der den Thread begründet hat, unterstützt. Und zufälligerweise bin ich Verhaltensbiologe...
_________________
Alles denkbare ist real
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Agnost
dauerhaft gesperrt



Anmeldungsdatum: 12.11.2006
Beiträge: 5618

Beitrag(#989615) Verfasst am: 28.04.2008, 02:18    Titel: Antworten mit Zitat

Agnostiker hat folgendes geschrieben:
Agnost hat folgendes geschrieben:
Sorry, das sind nur Behauptungen, die du nicht beweisen kannst...

Sorry, dass ich so spät antworte. Aus irgendeinem Grund wurde ich über diesen Thread nicht mehr benachrichtigt und ich habe ihn einfach vergessen. Vielleicht ist das aber besser so! Auf Dein Dilettantengequasel ist Schweigen die beste Antwort. Falls Du Beweise für Deine Behauptungen suchen möchtest, dann wünsche ich Dir viel Glück. Meine Argumente sind jedenfalls mindestens durch den Versuch, der den Thread begründet hat, unterstützt. Und zufälligerweise bin ich Verhaltensbiologe...


Und ich bin nur Buchhalter.

Und wenn es dir ein Problem bereitet, bei meinem Skibindungsbeispiel zu bleiben, dass eine Vorwarnung von 7 Sekunden nicht zulässt, nützt dir deine Verhaltensbiologie gar nichts.

Das eine Sportart, die von Grosshirnträgern erfunden wurde nur durch das Kleinhirn gesteuert wird, kannst du zwar behaupten aber nicht beweisen.

Ich für meinen Teil habe noch nie ein anderes Wesen als den Menschen skifahren sehen.

Ich weiss, dass ich nicht nur durch mein Kleinhirn skifahre, denn ich gehöre nachweisslich nicht zu den instinktstarken Menschen, leide seit meiner Kindheit an feinmotorischen Störungen, weshalb ich mich auch oft vertippe und bei Diktaten immer überfordert war.

Ergo bin ich ein leidentlich guter Hobby-Skifahrer geworden, weil ich meinen Grosshirn-Schmal einzetzte,

Als Verhaltensbiologe kannst du mir sicher erklären, warum du dermassen austickst, dass du meinst, du müsstest deine Argumentation damit abstützen, dass du hier der Oberhirsch bist.

Souverän wirkt das nicht gerade.
Und "Bescheiden" ist es auch nicht gerade. zwinkern Auf den Arm nehmen

Agnost
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Heiner
Grundrechte-Fan



Anmeldungsdatum: 29.05.2006
Beiträge: 1217

Beitrag(#989638) Verfasst am: 28.04.2008, 07:37    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Heiner hat folgendes geschrieben:
Im übrigen hindert mich nichts daran, Handlungen, die anderen nützen, als moralisch gut zu bezeichnen, auch wenn ich keinen freien Willen annehme.

Dazu müssen aber sicherlich bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Und eine Voraussetzung, rate ich einfach mal, wird es sein, dass Du diese Handlung als im Einflussbereich von S gesehen hast. Nun kommt das Argument zum Tragen: Inkompatibilisten behaupten, dass nur diejenigen Handlungen, die ausgeführt wurden, im Einflussbereich des Handelnden lagen. Alle anderen nicht. Und jetzt kommst Du.


Gut, jetzt komm ich: Ich teile deine Voraussetzung nicht, siehe unten.


Heiner hat folgendes geschrieben:
Denn auch nach deiner Argumentation ist es so, dass grundsätzlich die "echte Möglichkeit" zu solchen Handlungen besteht - vielen Menschen gelingt es ja, sich so zu verhalten.
Ich halte die Verbindung von "echten Möglichkeiten" und "Verantwortung" für absolut unsinnig und selbstwidersprüchlich. Vielleicht gelingt es aber mal jemandem, ein Argument für diese Sichtweise zu bringen. Das wäre ganz schrecklich entzückend und da würde ich mich auch sehr freuen.


Dazu äußere ich mich noch mal an anderer Stelle.

Heiner hat folgendes geschrieben:
Wie es im konkreten Einzelfall aussieht, ist noch einmal eine andere Frage.

Zitat:
Hallo: Das genau ist die Frage! Kann S für die Handlung A (bzw. die Unterlassung der Handlung A) verantwortlich sein? Das eben ist es doch, was harte Inkompatibilisten bestreiten, weil ihrer Meinung nach keine "echte Möglichkeit" für S bestand, A zu tun (nicht zu tun). Ganz genauso wenig, wie er ein Erdbeben verhindern könnte. Und es entspricht nicht dem heutigen Verständnis von Verantwortung, jemanden für etwas verantwortlich zu machen, was außerhalb seiner Möglichkeiten lag (Erdbeben).


Wie gesagt, zunächst geht's mir mal um deine Behauptung, es könne ohne freien Willen keine "falschen Handlungen" geben. Zum Thema Verantwortlichkeit schreibe ich noch mal was. Das sind für mich nämlich verschiedene Dinge.

Heiner hat folgendes geschrieben:
Ich muss also unterscheiden zwischen moralischen Bewertungen auf einer allgemeinen und auf einer individuellen Ebene. Allgemein mag ich die Norm aufstellen, dass Handlungen, die anderen schaden, moralisch schlecht sind. Wenn ich dann einen individuellen Fall bewerte, kann ich urteilen, dass eine Handlung gemessen an der Norm moralisch schlecht war.

Zitat:
Auch wenn die Handlung (bzw. das Unterlassen der Handlung) völlig außerhalb des möglichen Handlungsspielraumes lag?


Ja, auch dann. Die Bewertung einer Handlung oder genauer: von Handlungsfolgen ist unabhängig davon, wie ich die Situation und die "Schuld" des Handelnden bewerte.
Wenn mir jemand mein Fahrrad klaut, glaubst du, ich sage dann: "Super, fein gemacht, gestatten, harter Inkompatibilist!" zynisches Grinsen Die Handlung, den Diebstahl, bewerte ich natürlich weiterhin als schlecht - auch dann, wenn ich davon ausgehen muss, dass der Täter (leider) in der Situation so handeln musste... skeptisch

Heiner hat folgendes geschrieben:
Wenn es darum geht, die moralische Schuld des Handelnden zu beurteilen, muss ich berücksichtigen, dass dessen Wille nicht frei war. Das macht aber diese Handlung nicht "gut".

Zitat:
Hum? Sagte das jemand? In einer harten inkompatibilistischen Welt kann es weder gut noch schlecht geben. Das sagt das Argument.


Doch, natürlich, weil es auch in einer harten inkompatibilistischen Welt soziale Normen gibt und es zweckdienlich ist, an solchen Normen festzuhalten.
Solche Normen machen auch ohne freien Willen Sinn, da der Wille eines Menschen, wie bereits verschiedentlich genannt, langfristig veränderbar ist (wenn auch häufig nur schwer, da erst einmal bestehende Determinierungen aufgebrochen und durch andere ersetzt werden müssen). Das spielt z.B. in der Therapie von Straftätern eine Rolle. Ein Mensch, der eine Gewalttat begangen hat, konnte in dieser Situation leider nicht anders wollen, konnte die soziale Norm nicht befolgen. Sein Handeln war "schlecht". Aufgabe der Gesellschaft ist es nun, den Täter - seinen Willen - wieder auf den Weg in Richtung der Norm zu führen. Keinen freien Willen zu haben, heißt nicht, allgemeine Orientierungslinien des Handelns aufgeben zu müssen.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Heiner
Grundrechte-Fan



Anmeldungsdatum: 29.05.2006
Beiträge: 1217

Beitrag(#989645) Verfasst am: 28.04.2008, 08:08    Titel: Antworten mit Zitat

...
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
PataPata
Agnostiker und Pataphysiker



Anmeldungsdatum: 05.11.2007
Beiträge: 2977
Wohnort: Toscana

Beitrag(#989655) Verfasst am: 28.04.2008, 08:53    Titel: Antworten mit Zitat

Agnost hat folgendes geschrieben:
Und ich bin nur Buchhalter.

Das "nur" kannst Du ruhig streichen - den Rest Deines unsachlichen Angriffs auch. Wenn Du mir etwas über Finanzen erklären willst, dann werde ich Dir interessiert zuhören, denn ich denke, dass Du mir etwas zu sagen hast. Wenn Du mir aber als Skifahrer die Funktionsweise des Gehirnes erklären willst, und das in belehrendem Ton, dann erlaube mir meine Zweifel an Deinen Aussagen.. Besonders wenn sie mit all dem, was man unterdessen darüber weiss, in keiner Weise übereinstimmen. "Schuster bleib bei deinen Leisten"!

Ich versuch's nochmals:
Zitat:
Und wenn es dir ein Problem bereitet, bei meinem Skibindungsbeispiel zu bleiben, dass eine Vorwarnung von 7 Sekunden nicht zulässt, nützt dir deine Verhaltensbiologie gar nichts.

Diese 7 Sekunden sind ja nur nötig, wenn Du annimmst, dass das Grosshirn beim Aufspringen einer Skibindung selbst entscheiden muss, was es tun soll. Das ist eben nicht der Fall. Das ist, als ob Du jedes Mal, wenn Du eine Entscheidung als Buchhalter treffen musst, über die Hierarchieleiter bis zum Verwaltungsratspräsidenten vordringen müsstest und dieser dann entscheidet. Wäre wohl nicht sehr effizient. Der Verwaltungsrat und/oder Deine Ausbildung hat aber sicher Richtlinien erlassen, wie in solchen Fällen zu handeln sei. Und so handelst Du dann, schnell und effizient. Und deine Ausbildung und Kompetenz wird sicher auch in unerwarteten Situationen ausreichen, um schnell zu reagieren.

Zitat:
Das eine Sportart, die von Grosshirnträgern erfunden wurde nur durch das Kleinhirn gesteuert wird, kannst du zwar behaupten aber nicht beweisen.

Um bei obiger Analogie zu bleiben: Dass eine Firma, die von Unternehmern erfunden wurde nur durch die Buchhaltung finanziell (mindestens im Tagesgeschäft) gesteuert wird, könntest Du wohl behaupten und sogar beweisen.

Zitat:
Ich für meinen Teil habe noch nie ein anderes Wesen als den Menschen skifahren sehen.
Das Kleinhirn ist auch Teil des Menschen, und sogar ein sehr wichtiger. Die Buchhaltung ist auch ein Teil einer Firma, und sogar ein sehr wichtiger - oder nicht?

Zitat:
Ich weiss, dass ich nicht nur durch mein Kleinhirn skifahre, denn ich gehöre nachweisslich nicht zu den instinktstarken Menschen, leide seit meiner Kindheit an feinmotorischen Störungen, weshalb ich mich auch oft vertippe und bei Diktaten immer überfordert war.

Sicher erlebt das Grosshirn das Skifahren und erfreut sich daran! Der Verwaltungsrat hat sicher auch Freude an einer gut funktionierenden Firma, besonders, wenn er sich nicht um den "Kleinkram" (von seiner Sicht aus!) kümmern muss. Wenn bei Anfangsschwierigkeiten die Buchhaltung nicht so gut klappen will, dann muss er eben diese durch zusätzliches Training und Ausbildung auf Vordermann bringen.

Zitat:
Ergo bin ich ein leidlich guter Hobby-Skifahrer geworden, weil ich meinen Grosshirn-Schmalz einsetzte

Da hat die interne Schulung offenbar gute Arbeit geleistet.

Zitat:
Als Verhaltensbiologe kannst du mir sicher erklären, warum du dermassen austickst, dass du meinst, du müsstest deine Argumentation damit abstützen, dass du hier der Oberhirsch bist.
Ausgetickt bin ich nicht. Ich fand nur Deinen unqualifizierten Belehrungston unerträglich. Diesen pflegst Du übrigens mit viel Liebe und, wie schon einmal geschrieben, passt das nicht zu einem Agnostiker. Und zu behaupten, dass andere ja nur behaupten ist eher eine Projektion, und auf diese muss man Dich offenbar hie und da hinweisen.

Zitat:
Souverän wirkt das nicht gerade.
Und "Bescheiden" ist es auch nicht gerade. zwinkern Auf den Arm nehmen

Hast Du vielleicht recht. Aber ich habe ja ein gutes Vorbild...
_________________
Alles denkbare ist real
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
PataPata
Agnostiker und Pataphysiker



Anmeldungsdatum: 05.11.2007
Beiträge: 2977
Wohnort: Toscana

Beitrag(#989663) Verfasst am: 28.04.2008, 09:44    Titel: Antworten mit Zitat

Habe mich doch noch entschlossen, Deinen ursprünglichen Beitrag zu beantworten - da steckt noch einiges an Betrachtungsmaterial drin!
Agnost hat folgendes geschrieben:
Unser Hirn funktioniert im Flowzustand bei hoher Konzentration und Fokusierung viel schneller als ihr "Mechaniker" denkt.

Wenn schon, dann "Elektromechaniker und Elektroniker"! Der Flowzustand ist eben genau ein solcher, wenn im Hirn jede Instanz das tut, wozu sie am besten geeignet ist. Beim Skifahren wäre das der Hirnstamm mit der Analyse der visuellen, auditiven und akzeleratorischen Signale, das Kleinhirn mit der Koordination der Bewegungen und das Grosshirn mit Entscheidungen über Pistenwahl und gesamtheitliches Verhalten auf der Skipiste. Und das ganze Gehirn schwelgt in einem perfekten Genuss an sich selbst und seiner Funktionstüchtigkeit!
Zitat:
Und sorry, Skifahren, Tennisspielen, Autofahren und viele andere Komplexe Tätigkeiten wurden erst in den letzten 200 Jahren entwickelt, ja nachgerade durch unser Grosshirn und und die Stirnlappen erst ersonnen.

Sicher! Das habe ich ja auch nie bezweifelt! Das heisst aber nicht, dass das Grosshirn dann jeden Furz selbst machen muss!
Zitat:
Agnostiker, wenn du nur mit dem Kleinhirn skifährst, was erlebst du dann überhaupt?
Das muss ja ziemlich langweilig sein.

Das ist wohl oben beantwortet worden. Natürlich fährt das ganze Hirn inklusive Körper Ski! Aber bei einem plötzlich möglichen Sturz ist halt praktisch nur das Kleinhirn als oberste Instanz involviert - wenn nicht sogar praktisch nur das Rückenmark mit seinen Reflexbögen. Um das genau zu wissen, müsste man einen Mini-Hirntomografen entwickeln, den man einem Skifahrer umschnallen könnte. Vielleicht würde aber auch lediglich das Vorspielen eines Sturzes per Video reichen, um Grundsätzliches darüber zu erfahren. Reich doch einmal ein Forschungsgesuch darüber ein!

Zitat:
Du kannst den Fall der aufspringenden Bindung nicht üben, was meinst du warum ich das Beispiel genommen habe.
Aber in Deinem Skifahrerleben hast Du sicher auch schon einige Stürze und Fast-Stürze erlebt. Aus dieser Erfahrung kannst Du schöpfen...

Zitat:
Aber du kannst dich jederzeit dafür entscheiden weniger zu riskieren als du glaubst dass du kannst. Wenn ich versuche den Schwung auf einem Bein zu stehen, dann weil ich das gerne will und glaube, dass ich das kann. Bei der Textilbremse, weiss ich genau das ich sie kann.
Offenbar hat das eben viel mit Deiner Tagesform zu tun (so als erste Hypothese), die vom Grosshirn wahrgenommen wird und an das Kleinhirn als Entscheidungstendenz mitteilt. So wie die Geschäftsleitung einer Investitionsfirma an seine Mitarbeiter Anleitungen geben kann, ob heute riskant oder eher konservativ an der Börse gezockt werden soll. Ich gebe zu, das ist eine Behauptung, oder eher ein erster Erklärungsversuch. Aber ein plausibler!

Zitat:
Und wenn es mir in einer Buckelpiste die Bindung aufschlägt, wie ich das in meinem Beispiel erwähnt habe ist die Unterlage so komplex "gewellt", dass man mit Fug und Recht behaupten kann, dass sie einfacher durche viele Wellenfunktionen dargestellt werden kann wie nur durch eine Wellenfunktion.
Wie Du jetzt die Quantenmechanik hier hineinschmuggeln willst, ist mir schleierhaft.

Zitat:
Es tut mir leid, ihr seid "Philosophische Reduktionisten". Euer Axiom, dass ihr nicht beweisen könnt, ist das es für alle Dinge aller Welten und aller Universen und aller Menschen genau nur eine Ursache hat.
Nein, die Realität ist hochkomplex. Da gibt es auch unzählige Kausalschlaufen und noch mysteriösere Phänomene. Und wenn Du schon (wie ich) an eine Mehrweltentheorie "glaubst", dann wirst Du vielleicht bemerkt haben, dass ich mich als Pataphysiker bezeichne. Aber in diesem Universum und auf dieser Erde funktioniert das Hirn dieser Säugetiere nun mal nicht so wie Du denkst.

Zitat:
Das war aber bisher nie beweisbar und es gibt auch keine Hinweise darauf, dass es diese einzige Erstursache oder Schöpfer/In jemals gab.

Ihr macht aus dem Denk-Instrument der Reduktion eine Philosophie.
Das hat aber nichts mehr mit Wissen aber um so mehr mit Glauben zu tun.
Ist das nicht ein etwas grosser Sprung ausgehend von einer sich öffnenden Skibindung?
_________________
Alles denkbare ist real
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Roter Ballon
Lifted



Anmeldungsdatum: 22.12.2006
Beiträge: 2631
Wohnort: München

Beitrag(#989664) Verfasst am: 28.04.2008, 09:45    Titel: Antworten mit Zitat

Heiner hat folgendes geschrieben:
(...)
Erinnert mich an "WENN ich Katzen Hunde nenne, DANN sind Katzen Hunde."
Ich kann natürlich Beliebiges in die Prämissen hineinlegen, um beliebige Schlussfolgerungen zu ziehen.
(..)


erinnert mich daran anstelle FW alsdann fürders von Präferenzen zu flanieren.
und kannst du wirklich "beliebig" - entsprechend deiner Weltinterpretation?

Was mich wiedermal erwähnen läßt, das die Wahl des Modells selbstverständlich die Menge und Qualität der Meßergebnisse beeinflußt - sozusagen voll deterministisch.
Das sollte man aber wissen, bevor man die Kategorien festlegt, die nachgewiesen werden sollen...

oder auch @Threadstart, die Interpreation der Meßergebnisse erfolgt anhand der gewonnenen Daten
Etwas das gar ned meßbar ist ... kann eben nur vermutet werden. (mist nu hab ich das Bewußtsein ganz vergessen - ich hab doch eins?)

Sein oder Nichtsein; das ist hier die Frage:
Obs edler im Gemüt, die Pfeil und Schleudern
Des wütenden Geschicks erdulden oder,
Sich waffnend gegen eine See von Plagen,
Durch Widerstand sie enden? Sterben – schlafen –

Nichts weiter! Und zu wissen, daß ein Schlaf
Das Herzweh und die tausend Stöße endet,
Die unsers Fleisches Erbteil, ’s ist ein Ziel,
Aufs innigste zu wünschen. Sterben – schlafen –
Schlafen! Vielleicht auch träumen! Ja, da liegts:

Was in dem Schlaf für Träume kommen mögen,
Wenn wir die irdische Verstrickung lösten,
Das zwingt uns stillzustehn. Das ist die Rücksicht,
Die Elend läßt zu hohen Jahren kommen.
Denn wer ertrüg der Zeiten Spott und Geißel,

Des Mächtigen Druck, des Stolzen Mißhandlungen,
Verschmähter Liebe Pein, des Rechtes Aufschub,
Den Übermut der Ämter und die Schmach,
Die Unwert schweigendem Verdienst erweist,
Wenn er sich selbst in Ruhstand setzen könnte

Mit einer Nadel bloß? Wer trüge Lasten
Und stöhnt’ und schwitzte unter Lebensmüh?
Nur daß die Furcht vor etwas nach dem Tod,
Das unentdeckte Land, von des Bezirk
Kein Wandrer wiederkehrt, den Willen irrt,

Daß wir die Übel, die wir haben, lieber
Ertragen als zu unbekannten fliehn.
So macht Bewußtsein Feige aus uns allen;
Der angebornen Farbe der Entschließung
Wird des Gedankens Blässe angekränkelt;

Und Unternehmen, hochgezielt und wertvoll,
Durch diese Rücksicht aus der Bahn gelenkt,
Verlieren so der Handlung Namen. – Still!
Die reizende Ophelia! – Nymphe, schließ
In dein Gebet all meine Sünden ein!

pasted from Sein oder Nichtsein

unter mathematischen naturwissenschftlichen Aspekten,
wieviele fiktionalen Erzählungen könnte man da verheizen und wie viel Brennwert hätten die?
wieviele der Dudenbegriffe könnte man wohl eindampfen?
_________________
____________________
ertrage die Clowns!
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
C00KIE
dauerhaft gesperrt



Anmeldungsdatum: 03.09.2007
Beiträge: 2160

Beitrag(#989668) Verfasst am: 28.04.2008, 10:08    Titel: Antworten mit Zitat

Agnostiker hat folgendes geschrieben:
Habe mich doch noch entschlossen, Deinen ursprünglichen Beitrag zu beantworten - da steckt noch einiges an Betrachtungsmaterial drin!
Agnost hat folgendes geschrieben:
Unser Hirn funktioniert im Flowzustand bei hoher Konzentration und Fokusierung viel schneller als ihr "Mechaniker" denkt.

Wenn schon, dann "Elektromechaniker und Elektroniker"! Der Flowzustand ist eben genau ein solcher, wenn im Hirn jede Instanz das tut, wozu sie am besten geeignet ist. Beim Skifahren wäre das der Hirnstamm mit der Analyse der visuellen, auditiven und akzeleratorischen Signale, das Kleinhirn mit der Koordination der Bewegungen und das Grosshirn mit Entscheidungen über Pistenwahl und gesamtheitliches Verhalten auf der Skipiste. Und das ganze Gehirn schwelgt in einem perfekten Genuss an sich selbst und seiner Funktionstüchtigkeit!
Zitat:
Und sorry, Skifahren, Tennisspielen, Autofahren und viele andere Komplexe Tätigkeiten wurden erst in den letzten 200 Jahren entwickelt, ja nachgerade durch unser Grosshirn und und die Stirnlappen erst ersonnen.

Sicher! Das habe ich ja auch nie bezweifelt! Das heisst aber nicht, dass das Grosshirn dann jeden Furz selbst machen muss!
Zitat:
Agnostiker, wenn du nur mit dem Kleinhirn skifährst, was erlebst du dann überhaupt?
Das muss ja ziemlich langweilig sein.

Das ist wohl oben beantwortet worden. Natürlich fährt das ganze Hirn inklusive Körper Ski! Aber bei einem plötzlich möglichen Sturz ist halt praktisch nur das Kleinhirn als oberste Instanz involviert - wenn nicht sogar praktisch nur das Rückenmark mit seinen Reflexbögen. Um das genau zu wissen, müsste man einen Mini-Hirntomografen entwickeln, den man einem Skifahrer umschnallen könnte. Vielleicht würde aber auch lediglich das Vorspielen eines Sturzes per Video reichen, um Grundsätzliches darüber zu erfahren. Reich doch einmal ein Forschungsgesuch darüber ein!

Zitat:
Du kannst den Fall der aufspringenden Bindung nicht üben, was meinst du warum ich das Beispiel genommen habe.
Aber in Deinem Skifahrerleben hast Du sicher auch schon einige Stürze und Fast-Stürze erlebt. Aus dieser Erfahrung kannst Du schöpfen...

Zitat:
Aber du kannst dich jederzeit dafür entscheiden weniger zu riskieren als du glaubst dass du kannst. Wenn ich versuche den Schwung auf einem Bein zu stehen, dann weil ich das gerne will und glaube, dass ich das kann. Bei der Textilbremse, weiss ich genau das ich sie kann.
Offenbar hat das eben viel mit Deiner Tagesform zu tun (so als erste Hypothese), die vom Grosshirn wahrgenommen wird und an das Kleinhirn als Entscheidungstendenz mitteilt. So wie die Geschäftsleitung einer Investitionsfirma an seine Mitarbeiter Anleitungen geben kann, ob heute riskant oder eher konservativ an der Börse gezockt werden soll. Ich gebe zu, das ist eine Behauptung, oder eher ein erster Erklärungsversuch. Aber ein plausibler!

Zitat:
Und wenn es mir in einer Buckelpiste die Bindung aufschlägt, wie ich das in meinem Beispiel erwähnt habe ist die Unterlage so komplex "gewellt", dass man mit Fug und Recht behaupten kann, dass sie einfacher durche viele Wellenfunktionen dargestellt werden kann wie nur durch eine Wellenfunktion.
Wie Du jetzt die Quantenmechanik hier hineinschmuggeln willst, ist mir schleierhaft.

Zitat:
Es tut mir leid, ihr seid "Philosophische Reduktionisten". Euer Axiom, dass ihr nicht beweisen könnt, ist das es für alle Dinge aller Welten und aller Universen und aller Menschen genau nur eine Ursache hat.
Nein, die Realität ist hochkomplex. Da gibt es auch unzählige Kausalschlaufen und noch mysteriösere Phänomene. Und wenn Du schon (wie ich) an eine Mehrweltentheorie "glaubst", dann wirst Du vielleicht bemerkt haben, dass ich mich als Pataphysiker bezeichne. Aber in diesem Universum und auf dieser Erde funktioniert das Hirn dieser Säugetiere nun mal nicht so wie Du denkst.

Zitat:
Das war aber bisher nie beweisbar und es gibt auch keine Hinweise darauf, dass es diese einzige Erstursache oder Schöpfer/In jemals gab.

Ihr macht aus dem Denk-Instrument der Reduktion eine Philosophie.
Das hat aber nichts mehr mit Wissen aber um so mehr mit Glauben zu tun.
Ist das nicht ein etwas grosser Sprung ausgehend von einer sich öffnenden Skibindung?


Ich verstehe nur Bahnhof, was soll der "Sch..." mit der Textilbremse und dem Gehirn?
Eine Bindung stellst du nach deinem Fahrvermögen, Gewicht und dem Schi den du benutzt ( je nach Gelände ) ein
und nicht nach dem "Wissen deiner Textilbremse" im Hirnkastl

ou?
( also ich meinte den anderen Agnostik - nä Agnostiker )

Sehr glücklich
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
PataPata
Agnostiker und Pataphysiker



Anmeldungsdatum: 05.11.2007
Beiträge: 2977
Wohnort: Toscana

Beitrag(#989674) Verfasst am: 28.04.2008, 10:17    Titel: Antworten mit Zitat

C00KIE hat folgendes geschrieben:

( also ich meinte den anderen Agnostik - nä Agnostiker )

Sehr glücklich

Also welchen jetzt?
_________________
Alles denkbare ist real
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
C00KIE
dauerhaft gesperrt



Anmeldungsdatum: 03.09.2007
Beiträge: 2160

Beitrag(#989675) Verfasst am: 28.04.2008, 10:22    Titel: Antworten mit Zitat

den "Skibindungshansl"
ich habe nicht die allergeringste Ahnung was er mit seiner Textilbremse meint:
in einer steilen Buckelpiste "fühlst" du nicht ob die Bindung aufgeht oder nicht
b.z.w. bist da schon längst gflogen before du es mitkriegst, ausser du fährst wie eine Schnecke
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
PataPata
Agnostiker und Pataphysiker



Anmeldungsdatum: 05.11.2007
Beiträge: 2977
Wohnort: Toscana

Beitrag(#989679) Verfasst am: 28.04.2008, 10:39    Titel: Antworten mit Zitat

C00KIE hat folgendes geschrieben:
den "Skibindungshansl"
ich habe nicht die allergeringste Ahnung was er mit seiner Textilbremse meint:
in einer steilen Buckelpiste "fühlst" du nicht ob die Bindung aufgeht oder nicht
b.z.w. bist da schon längst gflogen before du es mitkriegst, ausser du fährst wie eine Schnecke
Also Agnost! Dann soll er antworten.

Trotzdem: Mit Textilbremse meint er seinen windschlüpfigen aber schneereibenden Skianzug, den er an hat und dessen Textilbestandteile bei einem Sturz bremsen sollen. Als Alternative sieht er sich (wahrscheinlich nur in seiner Phantasie) als einbeinigen Skihelden, der mit geistiger Blitzreaktion (von der Grosshirnrinde bewusst gesteuert) elegant aus der Affäre zieht. Und zusätzlich behauptet er, dass er Zeit habe bewusst zu entscheiden (also wiederum per Grosshirnlappen), welche der Varianten er wählen will. Also aus bewusstem freien Willen! Darüber hinaus setzt er dieses Beispiel ein, um Bieris "beschränkt freien Willen" zu beweisen - oder mindesten zu illustrieren - und darüber hinaus noch viele weltbeflügelnde Spekulationen...

Da ist Deine Beschreibung der Sachlage (als erfahrene Skifahrerin auf der Streif) wohl realistischer!
_________________
Alles denkbare ist real
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
C00KIE
dauerhaft gesperrt



Anmeldungsdatum: 03.09.2007
Beiträge: 2160

Beitrag(#989682) Verfasst am: 28.04.2008, 10:51    Titel: Antworten mit Zitat

ach so war das gemeint, na da braucht er nicht unbedingt zu antworten

.... klingt irgendwie so ähnlich wie "du brauchst einen Stahlsattel und vorn und hinten eine Federung am Mountain-Bike, damit du dir in der Stadt keinen Wolf am Arsch reibst "

Mr. Green

aber wie immer:" Des Menschen Wille sei sein Himmelreich "
so ähnlich
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
PataPata
Agnostiker und Pataphysiker



Anmeldungsdatum: 05.11.2007
Beiträge: 2977
Wohnort: Toscana

Beitrag(#989704) Verfasst am: 28.04.2008, 12:01    Titel: Antworten mit Zitat

durial hat folgendes geschrieben:
Agnostiker hat folgendes geschrieben:
durial hat folgendes geschrieben:
Und für Dich nochmal extra:
Zitat:
Soziologiekongress
"Der Mensch hat keine Tötungshemmung"

Papier ist geduldig! Man kann gerade so gut die gegenteilige Behauptung geschrieben finden.
Aso? Zeig mal! Aber bitte mind. erst ab dem 20 Jhd. Lachen Vorher hat man schonmal recht idealistische Ansichten des Menschen bezüglich unbegründet dahergeschwafelt (obschon eigtl. seit Ende 18. Jhd. nicht mehr so laut)
Du hast Dir den Link gar nicht angesehen, richtig?

Doch, hab' ich! Da stand einfach so frei Schnautze: "Die verbreitete, aber durch Geschichtskenntnis widerlegbare und durch Verhaltensforschung längst widerlegte Vorstellung von einer menschlichen Tötungshemmung kann endgültig ad acta gelegt werden". Das kann jeder behaupten. besonders, wenn man das gar nicht so genau weiss.

Du hast einfach den ersten Link genommen bei Deiner Google-Suche nach Tötungshemmung. Schön, dass er dann gerade Deine These ("wissenschaftliche" Umschreibung von Behauptung) unterstützte. Hättest Du weitere genauer angeschaut, hättest Du das genaue Gegenteil angetroffen. Aber das verschweigst Du lieber und behauptest weiter, dass Kinder ohne Deine so wertvolle Aufsicht sich gegenseitig umbringen würden. An das nicht zu glauben, würde natürlich an Deinem Selbstwertgefühl kratzen....

EDIT: Lies einmal Gerhard Staguhn: Warum die Menschen keinen Frieden halten Eine Geschichte des Krieges, da findest Du z.B. den Satz:
Staghun hat folgendes geschrieben:
In den Gehirnen von Tier und Mensch ist eine angeborene Tötungshemmung verankert, ohne dass man bislang erklären könnte, woher sie kommt. Von Natur aus gibt es kein Lebewesen, das einfach so einen Artgenossen umbringt.

_________________
Alles denkbare ist real


Zuletzt bearbeitet von PataPata am 28.04.2008, 12:19, insgesamt einmal bearbeitet
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
AgentProvocateur
registrierter User



Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#989707) Verfasst am: 28.04.2008, 12:11    Titel: Antworten mit Zitat

Heiner hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Heiner hat folgendes geschrieben:
Ich muss also unterscheiden zwischen moralischen Bewertungen auf einer allgemeinen und auf einer individuellen Ebene. Allgemein mag ich die Norm aufstellen, dass Handlungen, die anderen schaden, moralisch schlecht sind. Wenn ich dann einen individuellen Fall bewerte, kann ich urteilen, dass eine Handlung gemessen an der Norm moralisch schlecht war.

Auch wenn die Handlung (bzw. das Unterlassen der Handlung) völlig außerhalb des möglichen Handlungsspielraumes lag?

Ja, auch dann. Die Bewertung einer Handlung oder genauer: von Handlungsfolgen ist unabhängig davon, wie ich die Situation und die "Schuld" des Handelnden bewerte.
Wenn mir jemand mein Fahrrad klaut, glaubst du, ich sage dann: "Super, fein gemacht, gestatten, harter Inkompatibilist!"

Nein, sicher wirst Du das nicht sagen. Für Dich müsste das genauso zu bewerten sein wie ein Erbeben, eine Lawine und irgend eine andere Naturkatastrophe. Sicher wirst Du das nicht gut finden, genausowenig wie die Naturkatastrophe, aber moralisch falsch kann eine Handlung eben nicht sein.

Nehmen wir ein Beispiel, an dem es vielleicht klarer wird: a) S beobachtet einen Verkehrsunfall, hilft aber nicht, sondern geht einfach ohne Reaktion weiter, b) in China gibt es einen Verkehrsunfall. S bekommt davon nichts mit und reagiert nicht.

Nach Ansicht eines harten Inkompatibilisten waren beide Reaktionen genau gleich notwendig und unabwendbar und jede, egal welche, andere Reaktion, prinzipiell unmöglich. Nun kann man aber niemanden für etwas verantwortlich machen, etwas getan zu haben (oder nicht getan zu haben), wenn es ihm prinzipiell unmöglich war, anders zu handeln, als er es tat, was also außerhalb seines Handlungsspielraumes lag.

Es wäre also genauso falsch und irrational von Dir, wenn Du auf S im Falle a) sauer wärst, weil bei dem Unfall wegen der unterlassenen Hilfeleistung Menschen gestorben wären, wie wenn Du S seine Nichtreaktion im Falle b) übel nehmen würdest.

Heiner hat folgendes geschrieben:
Heiner hat folgendes geschrieben:
Wenn es darum geht, die moralische Schuld des Handelnden zu beurteilen, muss ich berücksichtigen, dass dessen Wille nicht frei war. Das macht aber diese Handlung nicht "gut".

Zitat:
Hum? Sagte das jemand? In einer harten inkompatibilistischen Welt kann es weder gut noch schlecht geben. Das sagt das Argument.

Doch, natürlich, weil es auch in einer harten inkompatibilistischen Welt soziale Normen gibt und es zweckdienlich ist, an solchen Normen festzuhalten.
Solche Normen machen auch ohne freien Willen Sinn, da der Wille eines Menschen, wie bereits verschiedentlich genannt, langfristig veränderbar ist (wenn auch häufig nur schwer, da erst einmal bestehende Determinierungen aufgebrochen und durch andere ersetzt werden müssen). Das spielt z.B. in der Therapie von Straftätern eine Rolle. Ein Mensch, der eine Gewalttat begangen hat, konnte in dieser Situation leider nicht anders wollen, konnte die soziale Norm nicht befolgen. Sein Handeln war "schlecht". Aufgabe der Gesellschaft ist es nun, den Täter - seinen Willen - wieder auf den Weg in Richtung der Norm zu führen. Keinen freien Willen zu haben, heißt nicht, allgemeine Orientierungslinien des Handelns aufgeben zu müssen.

Es gibt dann nichts mehr, was moralisch schlecht wäre, es gäbe also keine Handlungen mehr, die einem Einzelnen vorwerfbar wären. Und wenn es das nicht gibt, dann ist die heutige Legitimation dazu, die Freiheitsrechte von jemandem bei vorwerfbarer Normverletzung einzuschränken, perdu. Es gäbe schlicht keine "Straftäter" mehr, es gäbe nur noch Menschen, die einfach das taten, was sie tun mussten. Alles andere lag außerhalb ihrer Möglichkeiten.

Und in meiner Sicht gibt es keineswegs eine Legitimation der Gesellschaft, Freiheitsrechte ihrer Bürger, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen, einzuschränken, zum Beispiel irgendwelche Therapien zwangsweise zu verordnen (was aber eh nicht funktioniert) oder andere Zwangsmaßnahmen (Freiheitsentzug, Gehirnoperationen oder dergl.) durchzuführen. Das geht nicht, dafür gibt es keine Legitimation, dazu sind die Freiheitsrechte zu wichtig. Das ist übrigens das, was mich sehr wundert an (vielen) harten Inkompatibilisten, dass sie überhaupt nicht die dringende Notwendigkeit einer solchen Legitimation sehen, sie sie einfach so, wie selbstverständlich, als gegeben anzusehen scheinen.

Aufgabe der Gesellschaft ist es nicht und darf es nicht sein, Normabweichler zwangsweise normgerecht zu machen. Dafür gibt es in meiner Sicht keine Legitimation in einem freiheitlichen Rechtsstaat. Die allgemeine Anwendung dieses Prinzipes ergäbe einen totalitären Staat.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:   
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen   Drucker freundliche Ansicht    Freigeisterhaus Foren-Übersicht -> Wissenschaft und Technik Alle Zeiten sind GMT + 1 Stunde
Gehe zu Seite Zurück  1, 2, 3 ... 17, 18, 19 ... 69, 70, 71  Weiter
Seite 18 von 71

 
Gehe zu:  
Du kannst keine Beiträge in dieses Forum schreiben.
Du kannst auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten.
Du kannst deine Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten.
Du kannst deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Du kannst an Umfragen in diesem Forum nicht mitmachen.



Impressum & Datenschutz


Powered by phpBB © 2001, 2005 phpBB Group