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Forscher widerlegen Willensfreiheit
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Johnnyboy
Stück Scheiße



Anmeldungsdatum: 26.06.2005
Beiträge: 2562
Wohnort: Babylon

Beitrag(#990858) Verfasst am: 29.04.2008, 18:51    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Gutes Lügen ist einer der besten Hinweise, dass der Mensch seine Handlungen innerhalb von gewissen Bedingungen selbst bestimmen kann und nicht streng determiniert ist.


Nö. Warum auch? Das ist eine Handlung, wie jede andere auch, erzeugt durch einen Denk- und Entscheidungsprozess, der nicht beliebig ist...und selbst wenn er es wäre...
_________________
"Das Leben des Starken erfüllt seinen Sinn, das des Schwachen seinen Zweck".
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AgentProvocateur
registrierter User



Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#990887) Verfasst am: 29.04.2008, 19:21    Titel: Antworten mit Zitat

kolja hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Dann will ich auch keine mehr vorschlagen und frage einfach erneut: warum ist der Meinung harter Inkompatibilisten nach das Konzept der Verantwortung falsch? Warum muss man wie sie davon ausgehen, dass niemand für seine (Nicht-)Handlung verantwortlich sein könne, ihm also diese (Nicht-)Handlung nicht zugerechnet werden könne, sie ihm nicht vorwerfbar sein könne?

Da muss es doch irgend ein Argument für geben.

Die gibt es, Du ignorierst sie bloß. Schulterzucken

Nein, es gab bisher kein einziges Argument, das über die Ebene der Intuition und der persönlichen Angriffe hinausgegangen wäre ("Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass Kausalität Freiheit hervorbringen kann, "Viele Leute glauben doch auch, dass Determinismus Freiheit ausschließt", "Du bist blöd, ein philosophischer Schwurbler, weil Du das nicht auch so siehst").

Wir sind uns einig, dass es keinen "unbedingten, absoluten freien Willen" geben kann und dass die Welt naturgesetzlich abläuft.

Wir sind uns aber nicht einig, dass dadurch Verantwortung, Lob, Tadel, Schuld ganz anders gesehen werden müssten.

Wieso also? Ist es wirklich so eine Ketzerei von mir, hier ein nachvollziehbares Argument außerhalb des "ist einfach evident und intuitiv" zu fordern?

Ein Argument könnte es sein, zu behaupten, verantwortlich/lobenswert/schuldig könne überhaupt nur derjenige sein, der sich selber erschaffen hätte. Und da man das nicht kann, dürfe niemand als verantwortlich (Urheber seiner Handlungen) angesehen werden.

Ein anderes Argument könnte es sein, wenn man behauptete, Menschen könnten gar nichts entscheiden und somit gar nicht handeln, alle Handlungen seien sozusagen von der Vergangenheit ferngesteuert.

Aber irgend ein Statement muss doch endlich mal kommen, dieses Herumgeeiere ist wirklich nervig ("Ich bin sooo rational und wissenschaftlich und deswegen habe ich natürlich recht und DU musst mir selbstnatürlich beweisen, dass ich unrecht habe").

Es reicht hier nicht, einfach ein nicht hinterfragbares Dogma aufzustellen: "die Naturgesetzlichkeit der Welt verhindert zuverlässig Freiheit, Verantwortung, und Schuld" und alle, die das mangels fehlender Begründung nicht so recht einsehen wollen, als Ketzer oder als philosophische Schwurbler oder als verkappte Neo-Theologen zu bezeichnen. Das zeigt nur einen eklatanten Argumentationsnotstand und sonst gar nichts.

Da sind schon so kleine Parallelen zu Ideologien und gewissen Religionen vorhanden:

- wir haben ein Dogma (Naturgesetzlichkeit schließt Freiheit total aus)
- wer das nicht anerkennt, ist ein Ketzer
- wer nach einer Begründung fragt, wird aufgefordert, das Dogma gefälligst zu widerlegen
- ein Ketzer wird mit diversen Unterstellungen diffamiert
- wir sind toll und haben die Wahrheit und Du bist entweder ein Bösewicht, der die Wahrheit bewusst leugnet und die Leute mit rhetorischen Tricks hinters Licht führen will (Satan!) oder Du bist zu dumm, die Wahrheit zu erkennen

Also nochmal, ganz langsam: es gibt keine "unbedingte Willensfreiheit". Das ist von meiner Seite unbestritten. Was aber folgt nun daraus und wieso folgt es daraus? Verdammt, ist das wirklich so schwer zu beantworten?

Wäre wirklich zauberhaft, wenn mal ein Argument dafür gegeben werden könnte, wenn also eine rationale Diskussion hier doch möglich sein sollte.

Nicht, dass ich etwas gegen Intuition hätte. Nur, wenn man andere überzeugen will, die diese Intuition nicht teilen, dann wäre eine rationale Argumentation schon recht hilfreich. Meine ich.
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Agnost
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Anmeldungsdatum: 12.11.2006
Beiträge: 5618

Beitrag(#990904) Verfasst am: 29.04.2008, 19:46    Titel: Antworten mit Zitat

Sie kommt nicht,

Agent Provocateur, denn sie sind letztlich Metaphysiker unsere Herren "Strengen Deterministen".

Agnost
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Heiner
Grundrechte-Fan



Anmeldungsdatum: 29.05.2006
Beiträge: 1217

Beitrag(#990916) Verfasst am: 29.04.2008, 20:06    Titel: Re: gegen die feindliche Übernahme durch das mechanistische Weltbild Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Die Wahl bezieht sich auf die Mittel.

Das Ziel ist zum großen Teil äußerlich vorgegeben und hat mit den Individuen nur mittelbar zu tun. nenne es "Sachzwänge" oder "Aufgabenstellung".

Das macht doch keinen Unterschied, welchen Zeitpunkt man nimmt.

Zu einem bestimmten Zeitpunkt gibt es eine Reihe von Argumenten und Gründen für einen bestimmten Weg zu einem bestimmten Ziel. Das ist immer so, egal, wann der Zeitpunkt ist, usw.

Und ob nun eine Entscheidung geändert wurde oder nicht, spielt auch keine Rolle.

Eine Rolle spielt aber schon, was passiert, wenn mehrere Wege nach Rom führen und alle gleich gut sind.


Ich überlege schon länger, worauf du eigentlich hinaus willst.

Wieso kommst du immer mit den "zwei Wegen", die "äquivalent" sind? Ich finde das äußerst abstrakt und lebens-/realitätsfremd. Sind Atomenergie- und Solarenergie-Nutzung "äquivalent", weil beide dasselbe Ziel haben (Energieversorgung)? Und weil sie äquivalent sind, existieren sie als objektive Möglichkeiten? Und weil es diese objektiven Möglichkeiten gibt, gibt es auch den freien Willen, weil ich mich nun zwischem Äquivalentem entscheiden muss? Ich kann dir leider nicht folgen.

Ich finde den mathematischen Begriff "äquivalent" hier deplatziert. Die Nutzung von Atomenergie und Solarenergie sind nicht "äquivalent". Es sind ganz unterschiedliche Formen der Energieversorgung.
Mir fällt auch keine lebenspraktisch relevante Situation ein, wo ich zwischen "äquivalenten" Wegen entscheiden müsste und mir dann auch noch dessen bewusst bin... Mit den Augen rollen


Zitat:
Entscheidend ist zunächst einmal, dass diese Wege vor aller Entscheidung 1. objektiv existieren und dass sie 2. als objektive Möglichkeiten erkannt (und eben nicht nur fantasiert werden).

Dann erst findet in einem 3. Schritt die Festlegung für eine der realen und gleichwertigen Möglichkeiten statt.


S.o. - "gleichwertige" Möglichkeiten, wo sollte es die geben?

Zitat:
Und von dieser Ausgangsposition aus muss man diskutieren.


Na, wenn das der Ausgangspunkt sein soll... Traurig

Zitat:

Aber: Entweder zwei Möglichkeiten a und b sind objektiv gegeben, dann sind sie auch jeweils durchführbar bzw. es gibt keinen Grund, weshalb nicht oder aber sie sind nicht objektiv gegeben, dann sind sie auch nicht beide durchführbar, sondern es handelte sich nur um herbei fantasierte Möglichkeiten. Das Wort "Erkennntis" hätte dann keinen Sinn.


Das, was du hier schreibst, passt besser in eine Diskussion um Erkenntnistheorie als um Willensfreiheit... Ich kann dir darin nicht folgen, dass, wenn man keinen freien Willen hat, man auch nicht "erkennen" kann... Vielleicht kannst du den Zusammenhang zwischen Erkennen und Wollen noch einmal genauer explizieren... Mit den Augen rollen
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Mario Hahna
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Anmeldungsdatum: 04.04.2005
Beiträge: 9607
Wohnort: München

Beitrag(#990941) Verfasst am: 29.04.2008, 20:32    Titel: Antworten mit Zitat

Agnostiker hat folgendes geschrieben:
Mario Hahna hat folgendes geschrieben:
Uninteressant!

Vielleicht für Dich! Ich verlange ja nicht von Dir, dass Du alles interessant findest...
Mich selbst interessiert das sehr!


Was stimmt mit dir nicht?

Es gibt Kausalitäten und die Existenz des Menschen kann (Mit)Ursache sein. Das bestreitet niemand. Was soll daran jetzt interessant sein? Was hat das mit dem Thema Willensfreiheit zu tun?
Warum kannst du das auch auf mehrmalige Nachfrage nicht erklären?
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Mario Hahna
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Anmeldungsdatum: 04.04.2005
Beiträge: 9607
Wohnort: München

Beitrag(#990945) Verfasst am: 29.04.2008, 20:33    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
kolja hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Dann will ich auch keine mehr vorschlagen und frage einfach erneut: warum ist der Meinung harter Inkompatibilisten nach das Konzept der Verantwortung falsch? Warum muss man wie sie davon ausgehen, dass niemand für seine (Nicht-)Handlung verantwortlich sein könne, ihm also diese (Nicht-)Handlung nicht zugerechnet werden könne, sie ihm nicht vorwerfbar sein könne?

Da muss es doch irgend ein Argument für geben.

Die gibt es, Du ignorierst sie bloß. Schulterzucken

Nein, es gab bisher kein einziges Argument, das über die Ebene der Intuition und der persönlichen Angriffe hinausgegangen wäre ("Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass Kausalität Freiheit hervorbringen kann, "Viele Leute glauben doch auch, dass Determinismus Freiheit ausschließt", "Du bist blöd, ein philosophischer Schwurbler, weil Du das nicht auch so siehst").

Wir sind uns einig, dass es keinen "unbedingten, absoluten freien Willen" geben kann und dass die Welt naturgesetzlich abläuft.

Wir sind uns aber nicht einig, dass dadurch Verantwortung, Lob, Tadel, Schuld ganz anders gesehen werden müssten.

Wieso also? Ist es wirklich so eine Ketzerei von mir, hier ein nachvollziehbares Argument außerhalb des "ist einfach evident und intuitiv" zu fordern?

Ein Argument könnte es sein, zu behaupten, verantwortlich/lobenswert/schuldig könne überhaupt nur derjenige sein, der sich selber erschaffen hätte. Und da man das nicht kann, dürfe niemand als verantwortlich (Urheber seiner Handlungen) angesehen werden.

Ein anderes Argument könnte es sein, wenn man behauptete, Menschen könnten gar nichts entscheiden und somit gar nicht handeln, alle Handlungen seien sozusagen von der Vergangenheit ferngesteuert.

Aber irgend ein Statement muss doch endlich mal kommen, dieses Herumgeeiere ist wirklich nervig ("Ich bin sooo rational und wissenschaftlich und deswegen habe ich natürlich recht und DU musst mir selbstnatürlich beweisen, dass ich unrecht habe").

Es reicht hier nicht, einfach ein nicht hinterfragbares Dogma aufzustellen: "die Naturgesetzlichkeit der Welt verhindert zuverlässig Freiheit, Verantwortung, und Schuld" und alle, die das mangels fehlender Begründung nicht so recht einsehen wollen, als Ketzer oder als philosophische Schwurbler oder als verkappte Neo-Theologen zu bezeichnen. Das zeigt nur einen eklatanten Argumentationsnotstand und sonst gar nichts.

Da sind schon so kleine Parallelen zu Ideologien und gewissen Religionen vorhanden:

- wir haben ein Dogma (Naturgesetzlichkeit schließt Freiheit total aus)
- wer das nicht anerkennt, ist ein Ketzer
- wer nach einer Begründung fragt, wird aufgefordert, das Dogma gefälligst zu widerlegen
- ein Ketzer wird mit diversen Unterstellungen diffamiert
- wir sind toll und haben die Wahrheit und Du bist entweder ein Bösewicht, der die Wahrheit bewusst leugnet und die Leute mit rhetorischen Tricks hinters Licht führen will (Satan!) oder Du bist zu dumm, die Wahrheit zu erkennen

Also nochmal, ganz langsam: es gibt keine "unbedingte Willensfreiheit". Das ist von meiner Seite unbestritten. Was aber folgt nun daraus und wieso folgt es daraus? Verdammt, ist das wirklich so schwer zu beantworten?

Wäre wirklich zauberhaft, wenn mal ein Argument dafür gegeben werden könnte, wenn also eine rationale Diskussion hier doch möglich sein sollte.

Nicht, dass ich etwas gegen Intuition hätte. Nur, wenn man andere überzeugen will, die diese Intuition nicht teilen, dann wäre eine rationale Argumentation schon recht hilfreich. Meine ich.


Was ist denn das Konzept der Verantwortung?
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Johnnyboy
Stück Scheiße



Anmeldungsdatum: 26.06.2005
Beiträge: 2562
Wohnort: Babylon

Beitrag(#990968) Verfasst am: 29.04.2008, 20:54    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
- wir haben ein Dogma (Naturgesetzlichkeit schließt Freiheit total aus)


Nein. Freiheit ist ein Wort. Niemand schließt Wörter von ihrer Verwendung aus, nur diverse Definitionen sind nicht sinnvoll. Was anderes behauptet hier niemand.

Zitat:
- wer das nicht anerkennt, ist ein Ketzer


Nein, denn "wir" sind ganz bestimmt keine Moralisten.

Zitat:
- wer nach einer Begründung fragt, wird aufgefordert, das Dogma gefälligst zu widerlegen


Nein, er wird aufgefordert genau zu definieren was er für Freiheit hält und wie er genau den Zusammenhang zwischen seiner Freiheit und z.b dem moralischen Konzept der Verantwortung sieht. Und das möglichst stringent und ohne herumeiern. Das ist schwer, ich weiss...

Zitat:
- wir sind toll und haben die Wahrheit und Du bist entweder ein Bösewicht, der die Wahrheit bewusst leugnet und die Leute mit rhetorischen Tricks hinters Licht führen will (Satan!) oder Du bist zu dumm, die Wahrheit zu erkennen


Hör auf dich so in die Opferrolle zu rangieren, das steht dir nicht gut, außerdem ist das hier schlicht lächerlich.

Zitat:
Also nochmal, ganz langsam: es gibt keine "unbedingte Willensfreiheit". Das ist von meiner Seite unbestritten. Was aber folgt nun daraus und wieso folgt es daraus? Verdammt, ist das wirklich so schwer zu beantworten?

Wäre wirklich zauberhaft, wenn mal ein Argument dafür gegeben werden könnte, wenn also eine rationale Diskussion hier doch möglich sein sollte.


Die Antwort ist recht banal. Da es keine wirckliche Definition von Willensfreiheit gibt, folgt ersmal gar nichts aus irgendwas, außer vllt, dass alles, was gemäß der Ansicht diverser Vertreter der Willensfreiheit aus der Existenz der Willensfreiheit angeblich folgern soll (Verantwortung et.c) im höchsten Maße fragwürdig ist.

Übrigens: Niemand verlangt von Vertetern der Sorte "Verantwortungsvoll weil Willensfrei" das sie überhaupt irgendetwas widerlegen. Das einzige was zumindest ich von ihen fordere ist, dass sie mir eine einigermaßen stringenten Zusammenhang zwischen ihrer Definition von Willensfreiheit und dem Schrei nach Verantwortung aufzeigen können. Wenn sie das nicht schaffen, ist ihre "Theorie" ohnehin eine Totgeburt und verdient keinerlei weitere Beachtung.

Abgesehen davon steht es natürlich jedem frei, an einen "freien Willen" zu glauben, niemand feindet jemanden wegen Begriffen an...zumindest nicht, wenn er/sie nicht zu einer bestimmten, unglücklichen Sorte von Feministen gehört...wie gesagt, man kann so ziemlich jeden Begriff sinnvoll besetzen, wie z.b. "freier Wille"im Sinne von "eigener Wille".
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Zuletzt bearbeitet von Johnnyboy am 29.04.2008, 21:01, insgesamt 2-mal bearbeitet
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Heiner
Grundrechte-Fan



Anmeldungsdatum: 29.05.2006
Beiträge: 1217

Beitrag(#990978) Verfasst am: 29.04.2008, 20:59    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Heiner hat folgendes geschrieben:
Der Präventionsgedanke lässt sich übrigens mit der Annahme eines freien Willens gar nicht schlüssig vereinbaren, nebenbei bemerkt.


Zitat:
Aha. Wieso dieses?


Der Präventionsgedanke setzt voraus, dass ich Einfluss auf den Willen eines Menschen nehmen kann, indem ich Einfluss auf Faktoren nehme, die den Willen determinieren.

Bei der Kriminalitätsbekämpfung müssen sich Präventionsmaßnahmen auf die wissenschaftliche Erforschung der Faktoren stützen, die kriminelles Verhalten determinieren.
Gäbe es einen freien Willen, wäre Kriminalitätsforschung gar nicht denkbar. Kriminelle Handlungen würden sich dann - wie alle willentlichen Handlungen - jeder Gesetzmäßigkeit entziehen und wissenschaftliche Aussagen über sie - etwa, was Prognostizierbarkeit angeht - wären nicht möglich.
Nun sind aber wissenschaftliche Aussagen hier möglich.

FW-Vertretern müsste es bspw. ein Rätsel bleiben, warum in bestimmten Risikogruppen, die durch ganz bestimmte Faktoren gekennzeichnet sind, eine erhöhte Kriminalitätsneigung auftritt, also der Wille zu kriminellen Handlungen in erhöhtem Maße auftritt. Warum ist das so, wenn doch der Wille ach so frei ist? Und selbstverständlich müssten Vertreter des freien Willens, wären sie denn konsequent, auch auf Präventionsmaßnahmen verzichten, da sich die Beeinflussung des Willens nicht mit der Freiheit des Willens verträgt.

Vertreter des freien Willens sind halt inkonsequent. Dass der Mensch durch soziale, psychologische usw. Faktoren bestimmt wird, wird vielleicht zugestanden. Und sogleich versichert, dass der Wille aber trotzdem frei ist - "so ein bisschen frei" halt... Cool
Überzeugend ist das nicht. Es ist nicht zu Ende gedacht.
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Peter H.
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Anmeldungsdatum: 24.06.2007
Beiträge: 9751

Beitrag(#990993) Verfasst am: 29.04.2008, 21:09    Titel: Antworten mit Zitat

Keine Willensfreiheit und was nun? Was ist die Konsequenz?
Kriminelle können sich fein rausreden. Es überkam sie ganz einfach. Sie hatten leider keine andere Wahl.
Alles determiniert, auch so ein Art Schicksal. ("es geht alles seinen Gang")
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Wolf
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Anmeldungsdatum: 23.08.2004
Beiträge: 16610
Wohnort: Zuhause

Beitrag(#990996) Verfasst am: 29.04.2008, 21:11    Titel: Antworten mit Zitat

Peter H. hat folgendes geschrieben:
Keine Willensfreiheit und was nun? Was ist die Konsequenz?
Kriminelle können sich fein rausreden.

Richter auch. zwinkern
_________________
Trish:(
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Johnnyboy
Stück Scheiße



Anmeldungsdatum: 26.06.2005
Beiträge: 2562
Wohnort: Babylon

Beitrag(#990998) Verfasst am: 29.04.2008, 21:12    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Keine Willensfreiheit und was nun? Was ist die Konsequenz?
Kriminelle können sich fein rausreden.


Es gibt keinen Gott, was nun? Die Konsequenzen? Dann gibt es wohl kein Leben nach dem Tod! Na dann ist das Leben schön sinnlos...

Die Moral der Geschichte? Es ist einfacher aufgeklärt zu tun, als es zu sein. Übrigens: Mann kann Verbrecher immernoch einsperren. Nur das schöne ich-bin-der-moralische-Bessermensch-Gefühl bleibt leider weg. Aber so ist das nunmal. Auch Säuglinge müssen lernen, ohne Schnuller zu leben.
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Zuletzt bearbeitet von Johnnyboy am 29.04.2008, 21:21, insgesamt einmal bearbeitet
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#991008) Verfasst am: 29.04.2008, 21:19    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
warum ist der Meinung harter Inkompatibilisten nach das Konzept der Verantwortung falsch?

Nicht "das" Konzept der Verantwortung, sondern "Dein" Konzept. Du selbst hast mich ja um ein alternatives Konzept der Verantwortung gebeten und dieses auch erhalten. Es hat Dir aber nicht gefallen, weil daraus nicht das folgt, was Du möchtest.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Warum muss man wie sie davon ausgehen, dass niemand für seine (Nicht-)Handlung verantwortlich sein könne, ihm also diese (Nicht-)Handlung nicht zugerechnet werden könne, sie ihm nicht vorwerfbar sein könne?

Das sind 3 Fragen auf einmal und das "also" ist aus meiner Sicht falsch:

Warum muss man ... davon ausgehen, dass niemand für seine (Nicht-)Handlung verantwortlich sein könne? -

- Ob das so ist, hängt von der Definition von Verantwortung ab. Die wikipedia-Definition von Verantwortung scheint auf den ersten BLick sehr ähnlich Deinem Verständnis, Verantwortung bedeutet demnach Rechenschaft ablegen und die Folgen tragen zu müssen. Beim genaueren Hinsehen zeigt sich aber, daß die "Folgen" nicht definiert sind, so daß diese Definition auch mit meinem Konzept von Verantwortung vereinbar wäre, auch wenn ich in einer Definition den Fokus viel stärker auf die Erwartungshaltung legen würde, da diese den funktionalen Kern der Sache besser trifft (den Mechanimus besser erklärt).

Warum muss man ... davon ausgehen, dass ... ihm also diese (Nicht-)Handlung nicht zugerechnet werden könne? -

- Muß man nicht, klar kann man die Handlung der Person zurechnen, das geht sogar bei einem Tier oder einem Computerprogramm. Es ist eine letztlich willkürliche emergente Setzung, für die allerdings gewisse Vorteile in der Ablaufbeschreibung sprechen.

Warum muss man ... davon ausgehen, dass [die] (Nicht-)Handlung ... ihm nicht vorwerfbar sein könne? -

- Weil die Handlung nicht anders ablaufen konnte. Man kann daher rationalerweise nur die Handlung beklagen und Druck auf den Handelnden ausüben, in Zukunft anders zu handeln. Den "Vorwurf" mit Schuld und Strafe könnte man höchstens utilitaristisch retten, indem man ihn anders begründet, z.B. wenn man zeigt, daß Vorwürfe / Strafe präventiv wirksamer sind. dies bei Menschen, den die determinierten Hintergründe unklar sind, präventiv besser wirkt .

########################

Zur Auflockerung mal eine mir interessant erscheinende Frage:

Wie hängt Deiner Ansicht nach die Schwere der Verantwortung zusammen mit der Erwartung, daß der Träger normgerecht handelt? Würde man z.B. jemand Verantwortung übertragen, von dem man meint, daß er seine Präferenzen überwinden muß, um der V. gerecht zu werden? Oder eher jemand, von dem man sicher ist, daß er sowieso normgrecht handelt?

########################

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Nein, es gab bisher kein einziges Argument, das über die Ebene der Intuition und der persönlichen Angriffe hinausgegangen wäre ("Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass Kausalität Freiheit hervorbringen kann, "Viele Leute glauben doch auch, dass Determinismus Freiheit ausschließt", "Du bist blöd, ein philosophischer Schwurbler, weil Du das nicht auch so siehst").

Eine Folge von unwahren Untestellungen. Nur herausgegriffen: Das Argument war nicht

"Viele Leute glauben doch auch, dass Determinismus Freiheit ausschließt"

sondern

"Die meisten Leute glauben, daß es echte Möglichkeiten gebe."



Weiter im nächsten post ....
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#991018) Verfasst am: 29.04.2008, 21:29    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Also nochmal, ganz langsam: es gibt keine "unbedingte Willensfreiheit". Das ist von meiner Seite unbestritten. Was aber folgt nun daraus ...?

Daraus folgt gar nichts. Aber anbei nochmal die Übersicht des Schlußverfahrens.


1. Physikalischer Teil

Aus der Schrödingergleichung und den thermodynamischen Verhältnissen im Gehirn (die beide empirisch gut bestätigt sind) folgt, daß das Gehirn als Ganzes, also einschließlich der Bewußtseinsvorgänge, komplett unitär zeitentwickelt und außerdem hinreichend dekohärent verhält.

Daraus folgt, daß es keine "echten Möglichkeiten" gibt, daß also alle im raumzeitlichen Umfeld vorstellbaren Varianten bis auf genau eine unphysikalisch sind. Das gilt offenbar für Präferenzen und Abwägungen genauso wie für Handlungen.

Daraus folgt, daß es keine Freiheit im Sinne einer den determinierten Ablauf beeinflussenden Auswahl gibt.


2. Freiheit wovon?

Will man also den Term "Freiheit" idZ konsistent verwenden, so muß man darunter etwas anderes verstehen, z.B. den determinierten Vorgang der Berechnung der Handlungssteuerung oder den determinierten Vorgang der Simulation mehrerer (unmöglicher) Möglichkeiten, oder sogar die Tatsache, daß verschiedene Menschen in ähnlichen Situationen verschieden handeln. Ebenso bedeutet die "Autonomie der Person" dann nur noch so etwas wie das Überwiegen innerer Zwänge gegenüber äußeren.


3. Ethischer Teil

Aus oben gesagtem (auch nur aus (1.)) folgt, daß es keine Schuld gibt, da:

wikipedia hat folgendes geschrieben:
Als Voraussetzung für die Schuld wird meistens angenommen, dass der Schuldige die Wahlmöglichkeit hatte, die als schlecht definierte Tat zu unterlassen.

wikipedia hat folgendes geschrieben:
Nach der Theorie des Determinismus, welche bei rückschauender Betrachtung das Handeln des Menschen in anlage- und umweltbedingten Bestimmungskräften begründet sieht, ist in Ermangelung der Fähigkeit des Menschen, sich frei zwischen Gut und Böse zu entscheiden, dem Schuldprinzip der Boden entzogen.


Ein Konzept der Verantwortung oder gar Verantwortlichkeit kann man natürlich dennoch aufstellen, zum Beispiel als Übereinkunft über Folgen von Fehlverhalten im Sinne eines gemeinsamen Ziels. Aber vergeltende bzw. rächende Bestrafung ist so nicht mehr direkt legitimiert.

wikipedia hat folgendes geschrieben:
... Problematisch bleibt für eine solche Ethik die Legitimation für die bewusste Peinigung (Strafe, Poena) „schuldiger“ Personen. Die deterministische Lehre bejaht zwar die Möglichkeit, Täter zur Verantwortung zu ziehen - dies lässt sich z.B. auf einen Gesellschaftsvertrag gründen, der die Vereinbarung enthält, sich gegenseitig als frei und verantwortlich zu behandeln und behandeln zu lassen ..., verneint aber ein Recht der Gesellschaft auf Bestrafung (Übelzufügung) und hält nur eine Behandlung des Täters und eine Sicherung der Gesellschaft vor solchen Personen (z.B. durch Sicherungshaft) für angebracht.


http://de.wikipedia.org/wiki/Schuld_%28Ethik%29#Schuld_als_Verantwortlichkeit


@AP: Bei welchem Schritt genau hakt es bei Dir und wo siehst Du den Fehlschluss?
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Beitrag(#991027) Verfasst am: 29.04.2008, 21:38    Titel: Antworten mit Zitat

Heiner hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Heiner hat folgendes geschrieben:
Der Präventionsgedanke lässt sich übrigens mit der Annahme eines freien Willens gar nicht schlüssig vereinbaren, nebenbei bemerkt.

Zitat:
Aha. Wieso dieses?

Der Präventionsgedanke setzt voraus, dass ich Einfluss auf den Willen eines Menschen nehmen kann, indem ich Einfluss auf Faktoren nehme, die den Willen determinieren.

Oh, Du hast meinen sonstigen Beitrag gesnippt.

Heiner hat folgendes geschrieben:
Bei der Kriminalitätsbekämpfung müssen sich Präventionsmaßnahmen auf die wissenschaftliche Erforschung der Faktoren stützen, die kriminelles Verhalten determinieren.

Und?

Heiner hat folgendes geschrieben:
Gäbe es einen freien Willen, wäre Kriminalitätsforschung gar nicht denkbar. Kriminelle Handlungen würden sich dann - wie alle willentlichen Handlungen - jeder Gesetzmäßigkeit entziehen und wissenschaftliche Aussagen über sie - etwa, was Prognostizierbarkeit angeht - wären nicht möglich.

Oh, Du hast wohl eine merkwürdige Vorstellung vom freien Willen. Meine Vorstellung ist die, dass ein Mensch frei ist, weil er seine Handlungen aufgrund seiner Überlegungen beeinflussen und steuern kann.

Heiner hat folgendes geschrieben:
FW-Vertretern müsste es bspw. ein Rätsel bleiben, warum in bestimmten Risikogruppen, die durch ganz bestimmte Faktoren gekennzeichnet sind, eine erhöhte Kriminalitätsneigung auftritt, also der Wille zu kriminellen Handlungen in erhöhtem Maße auftritt. Warum ist das so, wenn doch der Wille ach so frei ist?

Habe ich nie behauptet, dass er in dem Sinne frei wäre.

Heiner hat folgendes geschrieben:
Und selbstverständlich müssten Vertreter des freien Willens, wären sie denn konsequent, auch auf Präventionsmaßnahmen verzichten, da sich die Beeinflussung des Willens nicht mit der Freiheit des Willens verträgt.

Mir scheint, wir reden über Unterschiedliches. Es wäre aber ganz gut, wenn wir über das Selbe reden würden.

Heiner hat folgendes geschrieben:
Vertreter des freien Willens sind halt inkonsequent. Dass der Mensch durch soziale, psychologische usw. Faktoren bestimmt wird, wird vielleicht zugestanden. Und sogleich versichert, dass der Wille aber trotzdem frei ist - "so ein bisschen frei" halt... Cool
Überzeugend ist das nicht. Es ist nicht zu Ende gedacht.

Wenn Du ein Argument hättest... Und nicht nur eines, das lediglich Positionen angreift, die ich nicht vertrete... Dann wäre das sehr, sehr schön...

Kommen wir nochmal zu dem Punkt, den Du gesnippt hast. Wenn Du meinst, Du könntest aufgrund moralischer Überlegungen willentlich einen Einfluss auf die Zukunft nehmen, dann musst Du das konsequenterweise auch von anderen Menschen annehmen. Oder Du meinst, Du wärest etwas ganz Besonderes. Wenn aber andere Menschen auch solche Überlegungen anstellen können, sie also ihre zukünftigen Handlungen nach ihren moralischen Vorstellungen ausrichten können, dann genau sind sie in meiner Sichtweise auch dafür verantwortlich und zur Rechenschaft ziehbar. Darauf hätte ich gerne noch eine Antwort.
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Argáiþ
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Anmeldungsdatum: 27.01.2007
Beiträge: 12486

Beitrag(#991028) Verfasst am: 29.04.2008, 21:38    Titel: Antworten mit Zitat

hi, step

Zitat:
Aber vergeltende bzw. rächende Bestrafung ist so nicht mehr direkt legitimiert.


aber Strafe/Sanktion hat immer vergeltende Wirkung, eal wie ihr Zweck oder Anlass ausgelegt wird. Wer sagt denn überhaupt, dass der Vergeltungsgedanke mit dem Präventionsgedanken nicht kompatibel ist? Ich denke schon, dass jedes Verantwortungskonstrukt automatisch Vergeltung legitimiert, wie genau und warum sei dahingestellt.
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Beitrag(#991041) Verfasst am: 29.04.2008, 21:48    Titel: Antworten mit Zitat

Johnnyboy hat folgendes geschrieben:
Zitat:
- wer das nicht anerkennt, ist ein Ketzer

Nein, denn "wir" sind ganz bestimmt keine Moralisten.

Nein, natürlich nicht, Ihr seid ganz toll, was ganz Besonderes.

Johnnyboy hat folgendes geschrieben:
Zitat:
- wer nach einer Begründung fragt, wird aufgefordert, das Dogma gefälligst zu widerlegen

Nein, er wird aufgefordert genau zu definieren was er für Freiheit hält und wie er genau den Zusammenhang zwischen seiner Freiheit und z.b dem moralischen Konzept der Verantwortung sieht. Und das möglichst stringent und ohne herumeiern. Das ist schwer, ich weiss...

Das habe ich getan...

Wo ist nun Dein Argument für Deine Sichtweise? Hast Du nun eines oder nicht?

Johnnyboy hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Also nochmal, ganz langsam: es gibt keine "unbedingte Willensfreiheit". Das ist von meiner Seite unbestritten. Was aber folgt nun daraus und wieso folgt es daraus? Verdammt, ist das wirklich so schwer zu beantworten?

Wäre wirklich zauberhaft, wenn mal ein Argument dafür gegeben werden könnte, wenn also eine rationale Diskussion hier doch möglich sein sollte.

Die Antwort ist recht banal. Da es keine wirckliche Definition von Willensfreiheit gibt, folgt ersmal gar nichts aus irgendwas, außer vllt, dass alles, was gemäß der Ansicht diverser Vertreter der Willensfreiheit aus der Existenz der Willensfreiheit angeblich folgern soll (Verantwortung et.c) im höchsten Maße fragwürdig ist.

Daraus, dass Menschen ihre Handlungen abwägen und überdenken und danach ausrichten können und diese Handlungen nicht außerhalb ihres Einflusses stehen, folgt, dass man sie für solche Handlungen als Urheber und als verantwortlich ansehen kann und sie daher für diese Handlungen loben oder tadeln kann. Wenn jedoch diese Handlungen von Umständen außerhalb ihres Einflussbereiches einfach so geschehen sind, dann kann man das nicht. Wäre dem so, dann hätte das in der Tat diverse Auswirkungen auf unsere Gesellschaft.

Nur: ist dem tatsächlich so? Wieso kann man kein Argument dafür bringen, dass dem so sein soll?

Johnnyboy hat folgendes geschrieben:
Übrigens: Niemand verlangt von Vertetern der Sorte "Verantwortungsvoll weil Willensfrei" das sie überhaupt irgendetwas widerlegen. Das einzige was zumindest ich von ihen fordere ist, dass sie mir eine einigermaßen stringenten Zusammenhang zwischen ihrer Definition von Willensfreiheit und dem Schrei nach Verantwortung aufzeigen können. Wenn sie das nicht schaffen, ist ihre "Theorie" ohnehin eine Totgeburt und verdient keinerlei weitere Beachtung.

Ah, verstehe. Das gilt aber wohl gleichermaßen für Deine Theorie, wie auch immer die aussehen mag, oder etwa nicht?

Deine Theorie ist mir auch vollkommen gleichgültig. Du kannst die gerne für Dich behalten. Das interessiert mich nicht die Bohne.

Solange Du da keine Folgerungen raus ziehst.


Zuletzt bearbeitet von AgentProvocateur am 29.04.2008, 21:48, insgesamt einmal bearbeitet
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Mario Hahna
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Beitrag(#991042) Verfasst am: 29.04.2008, 21:48    Titel: Antworten mit Zitat

Fakt ist, dass das deutsche Strafrecht von einer Kompatibilität ausgeht und dieses Verständnis Eingang in das StGB fand.
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step
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Beitrag(#991045) Verfasst am: 29.04.2008, 21:54    Titel: Antworten mit Zitat

Argaith hat folgendes geschrieben:
aber Strafe/Sanktion hat immer vergeltende Wirkung, egal wie ihr Zweck oder Anlass ausgelegt wird.

Strafe ja, Sanktion nein. So kann eine Sanktion darin bestehen, jemandem vorerst weniger Verantwortung (Pflichten, Rechte) zu übertragen, weil man die Gesellschaft schützen will. Oder ihn zu einer Therapie zu verpflichten. Vielleicht kann er das sogar einsehen.

Aber eine lange Haftstrafe als Vergeltung für ein Verbrechen wäre ausgeschlossen, außer im Fall einer Sicherheitsverwahrung, wenn es keine besseren Techniken gibt.

Argaith hat folgendes geschrieben:
Wer sagt denn überhaupt, dass der Vergeltungsgedanke mit dem Präventionsgedanken nicht kompatibel ist?

Ja, wenn man zeigen könnte, daß Vergeltung den gemeinsam vereinbarten Zielen nutzt.

Argaith hat folgendes geschrieben:
Ich denke schon, dass jedes Verantwortungskonstrukt automatisch Vergeltung legitimiert, wie genau und warum sei dahingestellt.

Denke ich eher nicht.

Übrigens gibt es im neuen "Spektrum" einen Hinweis auf den spieltheoretischen Stellenwert der Vergeltung bzw. Rache:

SdW 2008/5 hat folgendes geschrieben:
... Immerhin sollte man meinen, dass es einer Gruppe insgesamt Vorteile bringt, wenn einzelne Mitglieder das Bestrafen von Egoisten auf sich nehmen. Doch wie ein Team von Evolutionsbiologen und Spieltheoretikern um die schwedische Wirtschaftswissenschaftlerin Anna Dreber jetzt herausfand, ist dem nicht so (Nature, Bd. 452, S. 348). In einem Experiment traten gut hundert Teilnehmer per Computer paarweise gegeneinander an, wobei sie die Wahl hatten zwischen drei Verhaltensweisen: Kooperieren, Nichtkooperieren und kostspielige Bestrafung. Im Kontrollspiel gab es hingegen nur die üblichen zwei Optionen des Gefangenendilemmas, ohne zusätzliche Sanktionsmöglichkeit. Wie erwartet, stieg im ersten Fall die Kooperation – aber um einen hohen Preis.

Die Gesamtbilanz beim Spiel mit Strafen ist nämlich nicht besser als bei der straflosen Variante, weil die Kosten der häufigen Sanktionen sehr negativ zu Buche schlagen. Das heißt, die ganze Gruppe gewinnt nichts dadurch, dass ihre Egoisten weniger werden; denn die vielen Strafaktionen kommen sie teuer zu stehen. Während Sanktionen also der Gemeinschaft insgesamt praktisch nichts bringen, ist die Bilanz für den einzelnen Rächer sogar verheerend. Er zahlt den Preis seiner kostspieligen Vergeltung und hat für sich keinen Vorteil. Am besten fahren Teilnehmer, die nie strafen; denn sie profitieren davon, dass durch die Sanktionen anderer die Kooperation in der Gruppe steigt.


http://www.wissenschaft-online.de/artikel/950683 (pdf, gegen Ende)
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Beitrag(#991057) Verfasst am: 29.04.2008, 21:59    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Also nochmal, ganz langsam: es gibt keine "unbedingte Willensfreiheit". Das ist von meiner Seite unbestritten. Was aber folgt nun daraus ...?

Daraus folgt gar nichts. Aber anbei nochmal die Übersicht des Schlußverfahrens.

1. Physikalischer Teil

Aus der Schrödingergleichung und den thermodynamischen Verhältnissen im Gehirn (die beide empirisch gut bestätigt sind) folgt, daß das Gehirn als Ganzes, also einschließlich der Bewußtseinsvorgänge, komplett unitär zeitentwickelt und außerdem hinreichend dekohärent verhält.

Daraus folgt, daß es keine "echten Möglichkeiten" gibt, daß also alle im raumzeitlichen Umfeld vorstellbaren Varianten bis auf genau eine unphysikalisch sind. Das gilt offenbar für Präferenzen und Abwägungen genauso wie für Handlungen.

Daraus folgt, daß es keine Freiheit im Sinne einer den determinierten Ablauf beeinflussenden Auswahl gibt.

Nö, das folgt keineswegs daraus. Natürlich haben meine Überlungen Einfluss auf den determinierten Ablauf, völlig wurscht, ob die selber determiniert sind oder nicht. Ich habe die Fähigkeit dazu, moralische Überlegungen anzustellen und mich auch danach zu richten. Das genau reicht für meine Begriffe der Verantwortlichkeit, Lob, Tadel und Schuld. Wenn ich diese Fähigkeit nicht hätte, dann hättest Du sie auch nicht.

Meine Frage ist nun, warum das nicht reichen sollte? Was ist der Grund dafür, welches Argument gibt es dafür?

step hat folgendes geschrieben:
Ein Konzept der Verantwortung oder gar Verantwortlichkeit kann man natürlich dennoch aufstellen, zum Beispiel als Übereinkunft über Folgen von Fehlverhalten im Sinne eines gemeinsamen Ziels.

Nein, das eben könnte man meiner Meinung nach nicht, wenn man annehmen würde, dass Menschen ihre Handlungen prinzipiell nicht steuern könnten. Niemand darf mMn für etwas verantwortlich gemacht werden, was völlig außerhalb seines Einflussbereiches las. Egal, wie nützlich das auch immer für die Gesellschaft wäre.

step hat folgendes geschrieben:
@AP: Bei welchem Schritt genau hakt es bei Dir und wo siehst Du den Fehlschluss?

s.o.

Mir ist nicht klar, wieso überhaupt jemand etwas soll machen können, was er nicht machen will.
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Argáiþ
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Beitrag(#991058) Verfasst am: 29.04.2008, 22:01    Titel: Antworten mit Zitat

step

Jupp, den Artikel kenne ich! Ich habe die Zeitschrift auch abonniert. Das halte ich aber, mit Verlaub, für Wunschdenken. Wenn es keinen spieltheoretischen Mehrwert (soziale Kontrollmechanismen) ergäbe, wäre es als Verhaltensmuster evolutionär nicht entstanden. D.h. der Autor geht von falschen Voraussetzungen aus.

Zitat:

Sanktion nein. So kann eine Sanktion darin bestehen, jemandem vorerst weniger Verantwortung (Pflichten, Rechte) zu übertragen, weil man die Gesellschaft schützen will. Oder ihn zu einer Therapie zu verpflichten. Vielleicht kann er das sogar einsehen.


Also, ich kann ehrlich gesagt keinen prinzipiellen Unterschied zwischen Wegsperren aufgr. des Gesellschaftsschutzes oder Wegsperren aus sonst einem Grund feststellen. Lediglich das Strafmaß, also die Intensität des "Schmerzes" den ein Normverstoß zur Folge hat, macht dabei mE ein Unterscheidungsmerkmal aus, aber es handelt sich dennoch um eine Art von Zurechtweisung, zwangsweise Belehrung, etc, also handelt es sich im zumindest abstrakten Sinne um Bestrafung. Das das zu psychologisch sinnvolleren Konzepten führt, stelle ich dabei aber nicht in Frage.
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Beitrag(#991076) Verfasst am: 29.04.2008, 22:11    Titel: Antworten mit Zitat

Argaith hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Sanktion nein. So kann eine Sanktion darin bestehen, jemandem vorerst weniger Verantwortung (Pflichten, Rechte) zu übertragen, weil man die Gesellschaft schützen will. Oder ihn zu einer Therapie zu verpflichten. Vielleicht kann er das sogar einsehen.

Also, ich kann ehrlich gesagt keinen prinzipiellen Unterschied zwischen Wegsperren aufgr. des Gesellschaftsschutzes oder Wegsperren aus sonst einem Grund feststellen.

Hi. Smilie

Doch, es gibt hier durchaus einen prizipiellen Unterschied: das eine (Strafe) ist direkt abhängig von der Schwere der Tat und nach oben begrenzt, das andere (Sicherheitsverwahrung) hat mit der Tat nichts zu tun, sondern hängt nur von der (vermuteten) Gefährlichkeit des Täters ab. Sie ist durch den Täter nicht zu beeinflussen und nicht vorhersehbar. Unabwendbares Schicksal eben.
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Johnnyboy
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Beitrag(#991078) Verfasst am: 29.04.2008, 22:13    Titel: Antworten mit Zitat

@ AP:

Zitat:
Nein, natürlich nicht, Ihr seid ganz toll, was ganz Besonderes.


Wenn du dich besser fühlst, "uns" irgendwas blödsinniges zu unterstellen, bitteschön.

Zitat:
Das habe ich getan...


Echt? Könntest du besagte Stelle zitieren? Ich finde sie grad nicht.

Zitat:
Wo ist nun Dein Argument für Deine Sichtweise? Hast Du nun eines oder nicht?


Meine Sichtweise findest du hier:

Zitat:

Bei der Diskussion um die "Willensfreheit" entstehen die meisten Probleme dadurch, dass "Eigener Wille" häufig mit "Freier Wille" gleichgesetzt wird. Das ist mE gar nicht schlimm, solange man es nicht mit einem FW zu tun hat, wie ihn sich Moralisten vorstellen. Diese Art der FW dient nur dem Zweck das Schuldkonzept aufrecht zuerhalten, d.h. um denjenigen die einer beliebeigen "absoluten moral. Wahrheit" nicht folgen wollen ein schlechtes Gewissen machen zu können. Irrtümlicherweise wird hier vorausgesetzt, dass der Mensch ein grundlegendes Vernunftswesen ist, dessen entscheidungen "durch und durch" vernünftig sind und nicht durch Bedrüfnisse u.ä. bedingt sind. Die Vernunft ist allerdings nur ein Werkzeug, es ist z.b. nur deshalb "vernünftig" zu essen weil man nicht sterben will. Da also jeder Entscheidung die "vernünftig" ist immer ein Wille vorauslaufen muss, der an sich jedoch nicht vernünftig ist (sondern im Gegenteil erst definiert was überhaupt vernünftig ist), ist ein FW wie ihn sich die Kirche und Konsorten vorstellen schlicht nicht exisitent. Jede andere Definition von FW allerdings, taugt mE nicht als Stüzte für einen beliebigen Moralismus.

Übrigens: Einen solchen "moralistischen" FW zu widerlegen ist unmöglich, da eine einigermaßen stringent logische Definition desselben nicht exisitiert.


Zitat:
Daraus, dass Menschen ihre Handlungen abwägen und überdenken und danach ausrichten können und diese Handlungen nicht außerhalb ihres Einflusses stehen, folgt, dass man sie für solche Handlungen als Urheber und als verantwortlich ansehen kann und sie daher für diese Handlungen loben oder tadeln kann.


Du kannst selbstverständlich alles, was im Rahmen der physikalischen Möglichkeiten steht (z.b. jemanden erschießen weil er niest). Die Frage ist nur, was hinter deinem "Lob" und deinem "Tadel" steckt. Möchtest du den Menschen motivieren? (oder andersrum?) Oder steckt am Ende nur ein stumpfer Moralismus dahinter? Der Punkt ist nämlich der, dass, wenn alles was der Mensch tut bedingt ist, es schwer wird, überhaupt so etwas wie ein moralisches Schwarz-Weiss Bild aufrechtzuerhalten, welches z.b. für "moralische" Schuld notwendig ist. Die Schuld eines Kinderschänders, der etwas gemäß seinem Willen getan hat, hat einen qualitativen Unterschied zu der Schuld eines Kinderschänders, der gemäß seinem Willen gehandelt hat, aber diesen Willendurch eine - "echte Wahl" was auch immer das genau sein mag, erworben hat (es stellt sich hier auch die Frage, was denn dann eine "unechte" Wahl ist...aber setze ich voraus, das ein Mensch, wie auch immer einen Willen aus dem nichts erschaffen kann, dann wäre ein Verbrecher in meinen Augen graduell verachtenswerter).

Zitat:
Wäre dem so, dann hätte das in der Tat diverse Auswirkungen auf unsere Gesellschaft.


Wieso? Könntest du einen Kinderschänder denn mehr verachten, weil du weisst, das sein eigener, bewusster Wille determiniert entstanden ist, als wenn du annehmen würdest, er wäre z.b. eine bewusstseinslose Maschine?

Zitat:
Ah, verstehe. Das gilt aber wohl gleichermaßen für Deine Theorie, wie auch immer die aussehen mag, oder etwa nicht?


Nicht wenn meine Theorie auf der simplen Festellung beruht, dass eine andere Theorie ungenügend begründet ist und ich alle Folgerungen dieser Theorie einfach mal anzweifle (so frei bin ich dann...). Meine Ansicht zum Thema (jetzt nicht speziell zu diesen Strang, aber zum Willesnfreheitsdiskurs im allgemeinen) findest du sehr schön kpomprimiert in meinem obigen Zitat.
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Beitrag(#991096) Verfasst am: 29.04.2008, 22:34    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Argaith hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Sanktion nein. So kann eine Sanktion darin bestehen, jemandem vorerst weniger Verantwortung (Pflichten, Rechte) zu übertragen, weil man die Gesellschaft schützen will. Oder ihn zu einer Therapie zu verpflichten. Vielleicht kann er das sogar einsehen.

Also, ich kann ehrlich gesagt keinen prinzipiellen Unterschied zwischen Wegsperren aufgr. des Gesellschaftsschutzes oder Wegsperren aus sonst einem Grund feststellen.

Doch, es gibt hier durchaus einen prizipiellen Unterschied: das eine (Strafe) ist direkt abhängig von der Schwere der Tat und nach oben begrenzt, das andere (Sicherheitsverwahrung) hat mit der Tat nichts zu tun, sondern hängt nur von der (vermuteten) Gefährlichkeit des Täters ab.

Genau.
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Beitrag(#991097) Verfasst am: 29.04.2008, 22:35    Titel: Antworten mit Zitat

Johnnyboy hat folgendes geschrieben:
Meine Sichtweise findest du hier:
Zitat:
Bei der Diskussion um die "Willensfreheit" entstehen die meisten Probleme dadurch, dass "Eigener Wille" häufig mit "Freier Wille" gleichgesetzt wird. Das ist mE gar nicht schlimm, solange man es nicht mit einem FW zu tun hat, wie ihn sich Moralisten vorstellen. Diese Art der FW dient nur dem Zweck das Schuldkonzept aufrecht zuerhalten, d.h. um denjenigen die einer beliebeigen "absoluten moral. Wahrheit" nicht folgen wollen ein schlechtes Gewissen machen zu können. Irrtümlicherweise wird hier vorausgesetzt, dass der Mensch ein grundlegendes Vernunftswesen ist, dessen entscheidungen "durch und durch" vernünftig sind und nicht durch Bedrüfnisse u.ä. bedingt sind. Die Vernunft ist allerdings nur ein Werkzeug, es ist z.b. nur deshalb "vernünftig" zu essen weil man nicht sterben will. Da also jeder Entscheidung die "vernünftig" ist immer ein Wille vorauslaufen muss, der an sich jedoch nicht vernünftig ist (sondern im Gegenteil erst definiert was überhaupt vernünftig ist), ist ein FW wie ihn sich die Kirche und Konsorten vorstellen schlicht nicht exisitent. Jede andere Definition von FW allerdings, taugt mE nicht als Stüzte für einen beliebigen Moralismus.

Übrigens: Einen solchen "moralistischen" FW zu widerlegen ist unmöglich, da eine einigermaßen stringent logische Definition desselben nicht exisitiert.

Der Unterschied in beiden Sichtweisen hier im Thread scheint mir folgender zu sein:

1. Meine Sichtweise: ich halte Menschen (in Grenzen) für frei und eigenverantwortlich und daher meine ich, dass ihnen deswegen bestimmte Grundrechte von Vorneherein zugestanden werden sollten, die von der Gesellschaft immer und bedingungslos respektiert werden müssen. Ich halte sehr viel von Bürger- und Persönlichkeitsrechten und ich meine, dass die Gesellschaft eine verdammt gute Legitimation benötigt, um diese Rechte einschränken zu dürfen und ich meine weiterhin, dass die Erfahrungen der Geschichte gezeigt haben, dass, wenn diese Rechte auf dem Altar einer behaupteten Nützlichkeit geopfert werden dürfen, das unweigerlich in einen totalitären Staat führt. Die andere, notwendige Seite der Medaille ist jedoch, dass man auch den Anspruch an Menschen stellen kann, sich gemäß der moralischen/ethischen Normen zu verhalten und dass man ihnen, wenn sie das nicht tun, das vorwerfen kann. Man sie also als schuldhaft für unethisches Verhalten betrachten kann und sie aufgrund dieser Schuld für ihr Fehlverhalten sanktionieren kann.

2. Die andere Sichtweise: Menschen sind grundsätzlich nicht verantwortlich für ihre Handlungen, weil diese mir immer noch unbegreiflicherweise durch vergangene Umstände vollständig deteminiert sind. Und weil sie nicht verantwortlich sind, sind die heutigen Rechte verzichtbar. Und man behauptet, die Gesellschaft habe automatisch die Legitimation dazu, sich gegen gefährliche Elemente zu schützen. Und wenn man es als irgendwie als nützlich ansieht, dann ergreift man eben "Maßnahmen". Die Nützlichkeit ist Legitimation genug, hier Maßnahmen zu ergreifen, die vom einzelnen Menschen nicht vorhersehbar und ihm willkürlich erscheinen müssen. Es geht ja um den Schutz der Gesellschaft, da darf der Einzelne keine Rolle mehr spielen. Hat halt Pech gehabt, der Arme. Es geschieht dann etwas mit ihm, was er nicht will, egal, ob er etwas getan hat oder nicht. "Gefährlichkeit", das ist das Kriterium. Alles passiert dann willkürlich, nach vom Einzelnen nicht nachprüfbaren Kriterien. Ist dann halt so, ist ja zum Besten Aller.

Johnnyboy hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Daraus, dass Menschen ihre Handlungen abwägen und überdenken und danach ausrichten können und diese Handlungen nicht außerhalb ihres Einflusses stehen, folgt, dass man sie für solche Handlungen als Urheber und als verantwortlich ansehen kann und sie daher für diese Handlungen loben oder tadeln kann.

Du kannst selbstverständlich alles, was im Rahmen der physikalischen Möglichkeiten steht (z.b. jemanden erschießen weil er niest). Die Frage ist nur, was hinter deinem "Lob" und deinem "Tadel" steckt. Möchtest du den Menschen motivieren? (oder andersrum?) Oder steckt am Ende nur ein stumpfer Moralismus dahinter?

Ich tue das deswegen, weil ich meine, derjenige hat Lob oder Tadel verdient, da seine Handlung von ihm verursacht wurde und ich sie ihm zurechne. Ich tue das aber nicht, um ihn zu manipulieren. Ist das nun stumpfer Moralismus?

Johnnyboy hat folgendes geschrieben:
Wieso? Könntest du einen Kinderschänder denn mehr verachten, weil du weisst, das sein eigener, bewusster Wille determiniert entstanden ist, als wenn du annehmen würdest, er wäre z.b. eine bewusstseinslose Maschine?

Ja, natürlich.


Zuletzt bearbeitet von AgentProvocateur am 29.04.2008, 22:43, insgesamt einmal bearbeitet
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step
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Beitrag(#991099) Verfasst am: 29.04.2008, 22:39    Titel: Antworten mit Zitat

Argaith hat folgendes geschrieben:
Jupp, den Artikel kenne ich! Ich habe die Zeitschrift auch abonniert. Das halte ich aber, mit Verlaub, für Wunschdenken. Wenn es keinen spieltheoretischen Mehrwert (soziale Kontrollmechanismen) ergäbe, wäre es als Verhaltensmuster evolutionär nicht entstanden. D.h. der Autor geht von falschen Voraussetzungen aus.

Er schreibt doch extra, daß zu klären ist, wieso so etwas evolutionär dennoch entstanden ist.
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Argáiþ
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Beitrag(#991100) Verfasst am: 29.04.2008, 22:45    Titel: Antworten mit Zitat

Das liegt offensichtlich daran, dass er seinen Bewertungsrahmen nicht weit genug fasst. ZB kann ein Racheakt ein einer 'gesetzlosen' Gesellschaft zu 'Beseitzaneignung' in irgend einem Sinne führen und sich daher für den jeweiligen Aktuer positiv auswirken, erscheint mir jedenfalls offensichtlich. Das er sich am Rande dieser Frage stellt, korrigiert doch den faktisch vorliegenden Denkfehler nicht. Racheakte lohnen sich eben nur bei einem hinreichenden Ausmaß eines Gewaltmonopols nicht mehr unbedingt. Das ist aber eine ziemlich tiefgreifende Voraussetzung und diese ist in zB internationalen Zusammenhängen, wenn man es auf die Gegenwart des Menschen bezieht, sehr schnell unbrauchbar.

Zuletzt bearbeitet von Argáiþ am 29.04.2008, 22:47, insgesamt 2-mal bearbeitet
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Skeptiker
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Beitrag(#991101) Verfasst am: 29.04.2008, 22:45    Titel: Re: gegen die feindliche Übernahme durch das mechanistische Weltbild Antworten mit Zitat

Heiner hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Die Wahl bezieht sich auf die Mittel.

Das Ziel ist zum großen Teil äußerlich vorgegeben und hat mit den Individuen nur mittelbar zu tun. nenne es "Sachzwänge" oder "Aufgabenstellung".

Das macht doch keinen Unterschied, welchen Zeitpunkt man nimmt.

Zu einem bestimmten Zeitpunkt gibt es eine Reihe von Argumenten und Gründen für einen bestimmten Weg zu einem bestimmten Ziel. Das ist immer so, egal, wann der Zeitpunkt ist, usw.

Und ob nun eine Entscheidung geändert wurde oder nicht, spielt auch keine Rolle.

Eine Rolle spielt aber schon, was passiert, wenn mehrere Wege nach Rom führen und alle gleich gut sind.


Ich überlege schon länger, worauf du eigentlich hinaus willst.

Wieso kommst du immer mit den "zwei Wegen", die "äquivalent" sind? Ich finde das äußerst abstrakt und lebens-/realitätsfremd.


Das ist abstrakt, völlig korrekt. Aber diese Abstraktheit ist Absicht.

Eigentlich arbeite ich ungern mit Beispielen, sondern mag es, induktiv vorzugehen.

Aber trotzdem zu dem gebrachten Beispiel:

Heiner hat folgendes geschrieben:
Sind Atomenergie- und Solarenergie-Nutzung "äquivalent", weil beide dasselbe Ziel haben (Energieversorgung)? Und weil sie äquivalent sind, existieren sie als objektive Möglichkeiten? Und weil es diese objektiven Möglichkeiten gibt, gibt es auch den freien Willen, weil ich mich nun zwischem Äquivalentem entscheiden muss? Ich kann dir leider nicht folgen.


Das, was ich meine ist, dass man die Frage der Handlungsfreiheit vielleicht gar nicht zuerst von der Seite des Subjekts angehen sollte, sondern von der Seite objektiver Möglichkeiten a, b, c, ..., n, aus denen jeweils bestimmte Ergebnisse X, Y, Z folgen. Dabei kann man so etwas wie Ziele und Präferenzen zunächst mal aussen vor lassen.

In dem obigen Beispiel geht es darum, dass z.B. ein Staat bzw. eine Gruppe von Subjekten vor der Tatsache (!) steht, dass man die Energieversorgung entweder mit Atomenergie oder mit Solarenergie (oder mit einem Mix aus beidem) sicherstellen kann.

Man stelle sich vor, diese Möglichkeiten seien insofern äquivalent (gleichwertig) als dass sie beide mit ähnlichem Aufwand umzusetzen wären. Dies ist natürlich in der Realität bei diesem Beispiel nicht der Fall.

Es ist aber bei anderen Beispielen gegeben, etwa bei der Entscheidung für eine ausgewogene Ernährung. Ich kann z.B. den Tagesbedarf an Eiweiß, Kohlehydraten, Vitaminen und Flüssigkeiten durch ganz unterschiedliche Nahrungsmittel decken. Ich muss kein Fleisch essen, um Proteine zu mir zu nehmen. Es kann auch Soja sein.

Die Rolle bedingt frei entscheidender Subjekte kommt dann ins Spiel, wenn diese erkenntnisfähig in Bezug auf diese äquivalenten Wahlmöglichkeiten sind.

Ohne diese Erkenntnis der objektiven Äquivalenzen in Bezug auf die Mittel a, b, c, ..., n bezüglich eines Zieles X gibt es keine systematische Wahlfreiheit, bestenfalls eine zufällige Wahlalternative.

Das ist der Zusammenhang zwischen Erkenntnis und Freiheit der (möglichst optimalen) Wahl (in bezug auf ein Ziel).

Dies findet übrigens keine Analogie beim Schachcomputer o.ä., weil dieser kein selbst organisierendes und sich weiter entwickelndes Etwas ist.

Der Evolutionsprozess unserer Erkenntnis findet aber seine Analogie im Evolutionsprozess des Lebens und in dessen (Weiter-)Entwicklung.

Heiner hat folgendes geschrieben:
Ich finde den mathematischen Begriff "äquivalent" hier deplatziert. Die Nutzung von Atomenergie und Solarenergie sind nicht "äquivalent". Es sind ganz unterschiedliche Formen der Energieversorgung.


Deswegen ja auch nicht gleich, sondern nur gleichwertig.

Heiner hat folgendes geschrieben:
Mir fällt auch keine lebenspraktisch relevante Situation ein, wo ich zwischen "äquivalenten" Wegen entscheiden müsste und mir dann auch noch dessen bewusst bin... Mit den Augen rollen


Manchmal ist eine bestimmte Musik genau so entspannend wie ein Waldlauf. Beides wären dann äquivalente Wege zum gleichen Ziel der Entspannung.

Heiner hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Aber: Entweder zwei Möglichkeiten a und b sind objektiv gegeben, dann sind sie auch jeweils durchführbar bzw. es gibt keinen Grund, weshalb nicht oder aber sie sind nicht objektiv gegeben, dann sind sie auch nicht beide durchführbar, sondern es handelte sich nur um herbei fantasierte Möglichkeiten. Das Wort "Erkennntis" hätte dann keinen Sinn.


Das, was du hier schreibst, passt besser in eine Diskussion um Erkenntnistheorie als um Willensfreiheit... Ich kann dir darin nicht folgen, dass, wenn man keinen freien Willen hat, man auch nicht "erkennen" kann... Vielleicht kannst du den Zusammenhang zwischen Erkennen und Wollen noch einmal genauer explizieren... Mit den Augen rollen


Das stimmt. Es berührt die Erkenntnistheorie, wobei Erkenntnis auch aus der sinnlichen Erfahrung und nicht bloß aud dem Denken stammt.

Freiheit ohne Erkenntnis realer Chancen ist aber nicht möglich.

Skeptiker

P.S.: Ich bin der Meinung, dass man hier mit einem allzu engen Begriffsarsenal nicht weit kommt. Es geht um mehr als bloß um einzelne Entscheidungen und Handlungen. Diese haben immer eine Bedeutung im Kontext von Gesamtstrategien im Sinne von Optimierung und Weiterentwicklung ...-
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Beitrag(#991104) Verfasst am: 29.04.2008, 22:53    Titel: Antworten mit Zitat

@AgentProvocateur: Du gehst leider völlig an meiner Argumentation vorbei und ignorierst die Problematik, um die es mir geht. Ich bin deswegen ziemlich angefressen und habe kaum noch Bock, mich schon wieder zu wiederholen, ich will aber noch einen Versuch wagen.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wir sind uns einig, dass es keinen "unbedingten, absoluten freien Willen" geben kann und dass die Welt naturgesetzlich abläuft. Wir sind uns aber nicht einig, dass dadurch Verantwortung, Lob, Tadel, Schuld ganz anders gesehen werden müssten.

Die meisten Menschen glauben nicht nur an einen "echten", anti-kausalen FW, sondern haben auch ein ontologisches, überpositives, naturrechtliches Verständnis von Verantwortung und Schuld, welche sich aus der Existenz des "echten" FW automatisch ergibt. In dieser Sichtweise sind Verantwortung, Schuld und Werte im allgemeinen nicht etwas von Menschen gesetztes, sondern sind dem Menschen vorgegeben, ähnlich wie Naturgesetze. Wenn ich sage, dass die traditionelle Sichtweise von "echter" Verantwortung und "echter" Schuld widerlegt ist, dann beziehe ich mich auf diese Auffassung.

Übrigens bin ich mittlerweile der Meinung, dass man völlig unabhängig von einer Widerlegung des "echten" FW diese Auffassung als abergläubigen Unsinn abtun kann. Allerdings ist diese Auffassung schwierig argumentativ anzugreifen, weil es den meisten Menschen schwer fällt, ihre moralischen Intuitionen kritisch-distanziert zu betrachten. Es scheint dagegen leichter zu sein, diese Auffassungen über die Widerlegung des "echten" FW anzugreifen. Für meinen Teil möchte ich das aber nicht so verstanden wissen, dass ich die Prämisse, "echte" Schuld/Verantwortung würde sich aus "echtem" FW ergeben, damit implizit akzeptieren würde.

Im ersten Schritt geht es mir also um Aufklärung darüber, dass Verantwortung/Schuld menschliche Setzungen sind. Im zweiten Schritt geht es mir um die Begründungen dieser Setzungen. Als Legitimation einer Strafe kann also nicht mehr die Schuld herangezogen werden, denn diese ist ja nur eine Setzung, die auch begründungsbedürftig ist.

Darum akzeptiere ich auch Dein Argument nicht, die "Interessen der Gesellschaft" würden nicht als Legitimation für eine Maßnahme oder Strafe ausreichen, denn aus meiner Sicht hast auch Du nichts besseres in der Hand als irgendwelche nicht näher spezifizierten Interessen, im Zweifelsfalle Deine ganz persönlichen, um Deine Setzungen zu begründen! Das einzige, was mich überzeugen könnte, wäre, wenn Du andere/zusätzliche Interessen angibst, die für Deine Setzungen und gegen mein Modell sprechen. (Ich kann mir da übrigens durchaus welche vorstellen, es ist ja nicht so, dass sich aus Deiner Argumentation nicht hin und wieder solche implizit herauslesen lassen.) Wenn ich Deine Konzepte von Schuld oder Verantwortung ablehne, dann nicht, weil ich sie für inkompatibel mit den Naturgesetzen oder so halte, sondern nur, weil mich Deine Begründungen nicht überzeugen.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wieso also? Ist es wirklich so eine Ketzerei von mir, hier ein nachvollziehbares Argument außerhalb des "ist einfach evident und intuitiv" zu fordern?

Wo habe ich mich auf die Intuition bezogen? Im Gegenteil kritisiere ich an Deiner Argumentation, dass diese sprachlich darauf ausgerichtet ist, an die Intuition derer zu appellieren, die an eine "echte" Verantwortung glauben.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ein Argument könnte es sein, zu behaupten, verantwortlich/lobenswert/schuldig könne überhaupt nur derjenige sein [...]

Hier ein Beispiel dafür. Du verwendest eine Sprache, die ein ontologisches Verständnis von Verantwortung impliziert. Verantwortlich kann man nicht "sein", Verantwortung wird von Menschen konstruiert und zugewiesen.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ein anderes Argument könnte es sein, wenn man behauptete, Menschen könnten gar nichts entscheiden und somit gar nicht handeln, alle Handlungen seien sozusagen von der Vergangenheit ferngesteuert.

Da ist wieder Deine Dichotomie. Wobei ich wohl mal genauer erklären muss, was ich damit meine, weil ich den Eindruck habe, dass Du mich die letzten Male falsch verstanden hast.

Du konstruierst einen Gegensatz zwischen "ferngesteuert" und "selbstbestimmt". Ich unterstelle Dir nicht, dass Du behaupteten würdest, menschliche Handlungen seien entweder alle "ferngesteuert" oder alle "selbstbestimmt". Ich gehe vielmehr davon aus, dass Du sagen willst, es gäbe ein Kontinuum zwischen "ferngesteuert" und "selbstbestimmt", und man könne Handlungen irgendwo auf der Skala dazwischen anordnen, je nach Einzelfall weiter hier oder weiter da. Trotzdem bleiben die beiden Begriffe für Dich ein Gegensatzpaar, eine Entscheidung kann nicht gleichzeitig "ferngesteuert" und "selbstbestimmt" sind.

Und genau das meine ich, wenn ich sage, dass Du eine Dichotomie aufbaust, denn aus meiner Sicht sind "selbstbestimmt" und "aus der Vergangenheit ferngesteuert werden" keine gegensätzlichen Kategorien, wie ich schon sagte ist der Streit um diese Gegensätze für mich vergleichbar mit dem Streit, ob ein Glas "halbvoll" oder "halbleer" ist.

Es gibt zwar aus meiner Sicht selbstbestimmte Handlungen in dem Sinne, dass ein Mensch in Übereinstimmung mit seinen Präferenzen entscheidet und sich dabei frei fühlt, oder fremdbestimmte Handlungen in dem Sinne, dass er nicht in Übereinstimmung mit seinen Präferenzen entscheidet und sich gezwungen fühlt. Aber: "ferngesteuert", d.h. vollständig determiniert durch Ereignisse in der Vergangenheit, ist er immer.

Wenn diese Kategorien für Dich unvereinbar sind, bitteschön, für mich sind sie es nicht. Aber unterstelle mir bitte nicht, ich müsste mich entscheiden, oder ich hätte mich für eins davon entschieden, oder ich benötigte diese Entscheidung für meine Setzungen oder so. Wenn Du das meinen solltest, dann hast Du meinen Standpunkt nicht verstanden.

Den Rest Deines Beitrags übergehe ich mal besser, denn er demonstriert noch deutlicher, dass Du mich nicht verstanden hast.
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Johnnyboy
Stück Scheiße



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Beitrag(#991105) Verfasst am: 29.04.2008, 22:56    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
1. Meine Sichtweise: ich halte Menschen (in Grenzen) für frei und eigenverantwortlich und daher meine ich, dass ihnen deswegen bestimmte Grundrechte von Vorneherein zugestanden werden sollten, die von der Gesellschaft immer und bedingungslos respektiert werden müssen


Auch wenn das jetzt nichts direkt mit dem Thema zu tun hat: Ich sehe keinen logischen Grund einem wie auch immer "freien" Wesen irgendwelche Rechte zuzugestehen.

Zitat:
Ich halte sehr viel von Bürger- und Persönlichkeitsrechten und ich meine, dass die Gesellschaft eine verdammt gute Legitimation benötigt, um diese Rechte einschränken zu dürfen und ich meine weiterhin, dass die Erfahrungen der Geschichte gezeigt haben, dass, wenn diese Rechte auf dem Altar einer behaupteten Nützlichkeit geopfert werden dürfen, das unweigerlich in einen totalitären Staat führt.


Das sehe ich ähnlich. Wobei ich als Nihilist schlicht eine Abneigung gegen Tyrannei haben, dass ist alles. Ich habe auch kein anderes Argument dagegen, als das.

Zitat:
Die andere, notwendige Seite der Medaille ist jedoch, dass man auch den Anspruch an Menschen stellen kann, sich gemäß der moralischen/ethischen Normen zu verhalten und dass man ihnen, wenn sie das nicht tun, das vorwerfen kann.


Das ist ja nett. Du gestehst dem Menschen gütigerweise etwas zu, unter der Bedingung, dass sie etwas tun sollen, was sie so im Grunde nicht können, weil ihre Regelkonformität, in einem quasi deterministischen Universum mit zufälligen Einwürfen ev. schon vor ihrer Geburt festgelegt wurde (wenn ich dich recht verstehe, ist es ja das, was du glaubst)?

Zitat:
Man sie also als schuldhaft für unethisches Verhalten betrachten kann und sie aufgrund dieser Schuld für ihr Fehlverhalten sanktionieren kann.


Blöde nur, dass es keine universelle Ethik gibt.

Zitat:
2. Die andere Sichtweise


Ich finde es schön, dass du gütigerweise annimmst, dass es ganze zwei Sichtweisen gibt...wobei letzere natürlich auch impliziert, dass die heutigen Rechte "verzichtbar" seien und das irgendeine Gesellschaft dann natürlich (logischerweise!) irgendwelche Rechte zu Beschneidem der Rechte andere hat...Mal im Erst, so zweifältig denkst du nicht wircklich? Was ist wenn ich dir sage, dass meine Annahme, dass es sowas wie einen "FW" (in Bezug auf ein Verantwortungsprinzip) mich zu folgendem gebracht hat:
1. Das niemand an sich über Rechte verfügt.
2. Das keine Gesellschaft an sich irgendetwas darf/muss/soll.
3. Das es mich nicht interessiert wie andere konkret ihren Rechtstaat haben wollen, solange es nicht mit meiner Vorstellung in Konflikt gerät ( die ich vollkommen beliebig nach meinem Gutdünken entworfen ist und ich demensprehcnd auch gegen eine Tyrannei wie du sie beschreibst sein kann.)

Zitat:
Hat halt Pech gehabt, der Arme.


Das hat der Täter in deinem ach so humanen Weltbild auch.

Zitat:
Alles passiert dann willkürlich, nach vom Einzelnen nicht nachprüfbaren Kriterien.


Toll. Und eine Ethik die als Richtschnur dienen soll, ist natürlich nicht - letztenendes - willkürlich? Willkommen in der Realität. In einer Welt, in der verschiedene miteinader inkompatible Bedürfnisse aufeinanderprallen, gibt es keine ideale Lösung.

Zitat:
Ich tue das deswegen, weil ich meine, derjenige hat Lob oder Tadel verdient, da seine Handlung von ihm verursacht wurde und ich sie ihm zurechne. Ich tue das aber nicht, um ihn zu manipulieren. Ist das nun stumpfer Moralismus?


Selbstverständlich. Das der Kerl überhaupt etwas an sich "verdient" setzt ja überhaut soetwas wie ein objektives Richtig/Falsch voraus.

Zitat:
Ja, natürlich.


Wieso? Weil die eine Maschine so toll ist, dass sie ein phänomenales Bewusstsein hat?
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Zuletzt bearbeitet von Johnnyboy am 29.04.2008, 23:07, insgesamt einmal bearbeitet
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kolja
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Anmeldungsdatum: 02.12.2004
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Wohnort: NRW

Beitrag(#991112) Verfasst am: 29.04.2008, 23:03    Titel: Antworten mit Zitat

(Strukturierung von mir)
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
(1) Daraus, dass Menschen ihre Handlungen abwägen und überdenken und danach ausrichten können und diese Handlungen nicht außerhalb ihres Einflusses stehen,

folgt,

(2) dass man sie für solche Handlungen als Urheber und als verantwortlich ansehen kann und sie daher für diese Handlungen loben oder tadeln kann.

Nein, das folgt nicht, zumindest nicht im Sinne einer logischen Schlussfolgerung. Das ist und bleibt eine Setzung, die unabhängig von (1) begründungsbedürftig ist. Die meisten Menschen bemerken diesen Trick allerdings nicht, weil ihnen dieser Zusammenhang irgendwie intuitiv-logisch erscheint. Das ist ein weiteres Beispiel dafür, dass Du intuitionistisch argumentierst und Deine Setzungen verschleierst.
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