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Tegularius surreal
Anmeldungsdatum: 28.07.2005 Beiträge: 2002
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(#397078) Verfasst am: 06.01.2006, 20:42 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Dann reden wir über unterschiedliche Dinge. Ein Handlungsimpuls kann verschiedene Ursachen haben, ich würde da gerne differenzieren. Einen unbewussten Handlungsimpuls, eine unbewusste Reaktion würde ich nicht gerne "Willen" nennen. |
Gut, ich werde in der Folge versuchen, mich erst einmal auf diesen Punkt zu beschränken (meine Definition jedoch im Hinterkopf behaltend ). Nur ist mir persönlich, wie ich in der Antwort auf steps Beitrag schrieb, nicht klar, was der wesentliche Unterschied zwischen beiden "Impulsen" sein soll. Da ich, wie gesagt, annehme, dass auch meine Überlegungen letztlich nicht grundlos sind bzw. dass sie durch bestimmte Faktoren ("innere" wie "äußere") bedingt sind, ist die Überlegung konsequenterweise für mich nichts anderes als ein komplexer Reflex (auch, wenn mir, der ich überlege, das nicht so vorkommen mag). Somit ist dann auch zwischen dem Impuls, überhaupt mit der Überlegung zu beginnen und der Überlegung selbst bzw. deren "Ergebnis", kein wesentlicher Unterschied zu finden und letztlich ist alles eine Kette von aufeinanderfolgenden "Reflexen". "Ich selbst" hingegen erlebe in beiden Fällen (also im Falle des spontanen Reagierens und im Falle des überlegten Handelns) den Willen als Antrieb zur Tat bzw. ich erlebe meine Tat (und auch die Überlegung) als "gewollt".
Zitat: | Unterscheiden möchte ich auch noch diejenigen Handlungen, die aufgrund von (starkem) äußerem Zwang entstehen. Diese kann man "Willen" nennen, aber keineswegs "freier Wille". Wenn mich z.B. jemand durch Anwendung nackter Gewalt zu etwas zwingt, ist das etwas anderes, als wenn ich etwas "aus freien Stücken" tue. |
Ja, man spricht ja in diesen Fällen auch von unfreiwilligen Handlungen. Allerdings sehe ich auch hier nicht, was das im eigentlichen Sinne konkret über den Willen aussagt. Es sagt etwas über die Faktoren, welche die "Richtung" des Willens bestimmen, aus. Die ("äußeren") Umstände sind in diesem Falle eben besonders gravierend und haben einen starken Einfluss auf den Willen. Letztlich will ich meiner Meinung nach aber auch hier das, was ich tue. Sonst würde ich es ja nicht tun.
Du würdest also sagen, dass der Wille der als das Ergebnis einer Überlegung bestehende Handlungsimpus ist und dann frei, wenn niemand dich an seiner Ausführung hindert? (Ist Willensfreiheit für dich also eigentlich Handlungsfreiheit?)
Zitat: | Tegularius hat folgendes geschrieben: | Oder kannst du dir etwas vorstellen, das grundlos ist, also quasi aus dem Nichts entsteht bzw. plötzlich einfach so da ist? |
Ja, natürlich, vorstellen kann ich mir das. Das heißt natürlich noch lange nicht, dass ich auch annehme, es gäbe etwas Grundloses, nur möchte ich auch nicht annehmen, alles hätte einen Grund. Ich möchte das offen lassen und vor allem möchte ich eine solche Annahme nicht als Grundlage für weitergehende Schlüsse nehmen. |
Aber wie sollte denn etwas "einfach so" bzw. ohne Ursache sein? Eine solche Prämisse ist m.E. nicht zweckdienlich. Damit wäre ja dann theoretisch schlicht "alles" möglich. Außerdem widerspricht es der Erfahrung, nach der eben nichts grundlos ist. Nun bei einer noch nicht bekannten Ursache erst einmal davon auszugehen, dass es (wenn auch nur womöglich) keine gibt, führt dann zu weniger wahrscheinlichen bzw. letztlich weniger (bzw. gar nicht?) sinnvollen Ergebnissen als die Annahme, dass (irgendeine) Ursache zu Grunde liegen wird.
Zitat: | Naja, wir müssen uns schon einigen, was im Spruch Schopenhauers mit mit "der Mensch" gemeint ist. Der Schreibtisch ist wohl kaum der Mensch. Und wenn der Gedanke nicht Teil des Menschen ist, was ist dann der Mensch? |
Vermutlich das, was man so gemeinhin darunter versteht, also die Person mit ihren Erfahrungen, Gefühlen, Gedanken und eben ihrem Willen. Aber um den, m.E. unmittelbar einleuchtenden, Sachverhalt, dass dieser Mensch nicht wollen kann, was er will, zu klären, muss man, so sehe ich das jedenfalls, von eben dieser Alltagsvorstellung des Menschen abstrahieren. Und das habe ich versucht.
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kolja der Typ im Maschinenraum

Anmeldungsdatum: 02.12.2004 Beiträge: 16631
Wohnort: NRW
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(#397101) Verfasst am: 06.01.2006, 21:10 Titel: |
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Tegularius hat folgendes geschrieben: | Die Prämisse, dass alles eine Ursache hat, ist wohl zwingend, oder nicht? |
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Nein. |
Tegularius hat folgendes geschrieben: | Oder kannst du dir etwas vorstellen, das grundlos ist, also quasi aus dem Nichts entsteht bzw. plötzlich einfach so da ist? |
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Ja, natürlich, vorstellen kann ich mir das. Das heißt natürlich noch lange nicht, dass ich auch annehme, es gäbe etwas Grundloses, nur möchte ich auch nicht annehmen, alles hätte einen Grund. Ich möchte das offen lassen und vor allem möchte ich eine solche Annahme nicht als Grundlage für weitergehende Schlüsse nehmen. |
Die Ablehnung der obigen Prämisse kannst du nicht wirklich als "offen lassen" bezeichnen, denn du wirst durch eine eigene Prämisse zu dieser Ablehnung gezwungen. Warum sollte deine Prämisse als Grundlage für weitergehende Schlüsse zulässiger sein?
_________________ Hard work often pays off after time, but laziness always pays off now.
Zuletzt bearbeitet von kolja am 06.01.2006, 21:13, insgesamt einmal bearbeitet |
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#397108) Verfasst am: 06.01.2006, 21:13 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Das bewußte Subjekt registriert das Ergebnis der physikalischen Entscheidungsfindung und empfindet das als "ich will etwas". | Wahrscheinlich haben auch wir ein Sprach- Problem. Mir ist nicht klar, was Du meinst, wenn Du "Ich" sagst. Ist für Dich das "Ich" synonym mit Bewusstsein? |
Nein, es könnte auch Bewußtsein geben, das kein personales Konstrukt ("Selbstbewußtsein") hervorbringt.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Die Prämisse, um das mal zu wiederholen, ist: alles hat eine Ursache. In der Tat, auch beschränkt auf die neurologischen Vorgänge im Gehirn ist dies mE nicht beweisbar und daher irrelevant. |
Es ist aber doch eine "derzeit beste Theorie", daß neurologische Vorgänge im Gehirn physikalisch-chemischer Natur sind und damit - nach allem was wir wisen - unter die Kausalität fallen.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Falls immer noch "nein", dann bedeutet das doch einen Widerspruch zu der Aussage, daß eine evtl. Entscheidungsfindung durch physikalische Umstände im Gehirn verursacht wird. Oder? | Ja, wenn Deine Aussage ist: Entscheidungsfindung wird immer deterministisch im Gehirn verursacht, dann kann ich nicht zustimmen. |
Aha, dann hatte ich Deine Zustimmung oben wohl mißverstanden. Wo, wenn nicht im Gehirn, und wie, wenn nicht letztlich physikalisch, findet die Entscheidungsfindung denn Deiner Meinung nach statt? Was ist ihr Substrat, wenn es nicht die Moleküle und Atome sind, die sich ja erwiesenermaßen kausal verhalten?
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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kolja der Typ im Maschinenraum

Anmeldungsdatum: 02.12.2004 Beiträge: 16631
Wohnort: NRW
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(#397115) Verfasst am: 06.01.2006, 21:17 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Ich nutze lieber die "objektiven" Beschreibungen, weil sie sich besser für Theorien eignen und weil sonst das (m.E. gelöste) Problem der "Willensfreiheit" leicht mit dem (m.E. teilweise ungelösten) Problem des Subjektbewußtseins durcheinandergerät. |
Wie ist denn da der Stand der Dinge?
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#397122) Verfasst am: 06.01.2006, 21:24 Titel: |
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kolja hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Ich nutze lieber die "objektiven" Beschreibungen, weil sie sich besser für Theorien eignen und weil sonst das (m.E. gelöste) Problem der "Willensfreiheit" leicht mit dem (m.E. teilweise ungelösten) Problem des Subjektbewußtseins durcheinandergerät. |
Wie ist denn da der Stand der Dinge? |
Da bin ich leider kein Experte. Mein diesbezügliches Halbwissen beziehe ich u.a. aus Büchern wie "Fühlen, Denken, Handeln" von G.Roth. Soweit mir bekannt, gibt es zwar diverse vage Vermutungen (z.B. im Zusammenhang mit dem episodischen Gedächtnis), wie der "Blick auf sich selbst" zustandekommt, aber nichts genaues weiß man nicht.
Mir scheint, hier im Forum gibt es überhaupt keinen Experten für neurokognitive Theorien, oder doch?
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Katatonia ...the quiet cold of late november
Anmeldungsdatum: 05.04.2005 Beiträge: 826
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(#397527) Verfasst am: 07.01.2006, 06:13 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Reschi hat folgendes geschrieben: | Das ist klar. |
Es wäre demnach also falsch, zu sagen, ich sei nicht der Monitor vor mir.
Ich bin der Monitor vor mir. |
Wobei meiner Meinung nach noch zu unterscheiden wäre zwischen Wahrnehmung und Wahrgenommenem. Die Wahrnehmung des Monitors wäre demnach zwar tatsächlich eine Komponente des "Ich", nicht jedoch der (hypothetisch von diesem "Ich" unabhängig existierende) Monitor selbst.
_________________ Faulheit: der Hang zur Ruhe ohne vorhergehende Arbeit. (Kant)
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Tegularius surreal
Anmeldungsdatum: 28.07.2005 Beiträge: 2002
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(#397529) Verfasst am: 07.01.2006, 07:56 Titel: |
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Katatonia hat folgendes geschrieben: | Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Reschi hat folgendes geschrieben: | Das ist klar. |
Es wäre demnach also falsch, zu sagen, ich sei nicht der Monitor vor mir.
Ich bin der Monitor vor mir. |
Wobei meiner Meinung nach noch zu unterscheiden wäre zwischen Wahrnehmung und Wahrgenommenem. Die Wahrnehmung des Monitors wäre demnach zwar tatsächlich eine Komponente des "Ich", nicht jedoch der (hypothetisch von diesem "Ich" unabhängig existierende) Monitor selbst. |
Das läuft dann wieder auf den "Beobachter" hinaus, wie mir scheint. Auch z.B. ein Gedanke wird ja quasi wahrgenommen.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#397571) Verfasst am: 07.01.2006, 11:57 Titel: |
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kolja hat folgendes geschrieben: | Tegularius hat folgendes geschrieben: | Die Prämisse, dass alles eine Ursache hat, ist wohl zwingend, oder nicht? |
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Nein. |
Tegularius hat folgendes geschrieben: | Oder kannst du dir etwas vorstellen, das grundlos ist, also quasi aus dem Nichts entsteht bzw. plötzlich einfach so da ist? |
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Ja, natürlich, vorstellen kann ich mir das. Das heißt natürlich noch lange nicht, dass ich auch annehme, es gäbe etwas Grundloses, nur möchte ich auch nicht annehmen, alles hätte einen Grund. Ich möchte das offen lassen und vor allem möchte ich eine solche Annahme nicht als Grundlage für weitergehende Schlüsse nehmen. |
Die Ablehnung der obigen Prämisse kannst du nicht wirklich als "offen lassen" bezeichnen, denn du wirst durch eine eigene Prämisse zu dieser Ablehnung gezwungen. Warum sollte deine Prämisse als Grundlage für weitergehende Schlüsse zulässiger sein?
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Ich glaube, dass ich ein selbstständig handelndes Subjekt bin, weil ich das in meinem persönlichen Empfinden so erlebe. Würde ich alle meine Wahrnehmungen als pure Illusion annehmen, wäre es ziemlich sinnlos, mich hier unterhalten zu wollen. Nun ist es auf der anderen Seite so, dass es natürlich Illusionen gibt, zum Beispiel optische Täuschungen, Träume usw. Theoretisch könnte es also sein, dass ich mir meine Selbstständigkeit einbilde. Jedoch sehe ich eben bis jetzt keinen stichhaltigen Grund dazu.
Diese Prämisse: alles hat eine Ursache, unterscheidet sich von meiner insofern, als sie eine reine Annahme ist, die nicht auf persönlicher Wahrnehmung beruht.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#397572) Verfasst am: 07.01.2006, 12:01 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Diese Prämisse: alles hat eine Ursache, unterscheidet sich von meiner insofern, als sie eine reine Annahme ist, die nicht auf persönlicher Wahrnehmung beruht. |
Dieses Argument habe ich noch nie verstanden. Bei mir beruht auch die Prämisse alles hat eine Ursache letztlich auf persönlicher Wahrnehmung.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#397574) Verfasst am: 07.01.2006, 12:12 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Die Prämisse, um das mal zu wiederholen, ist: alles hat eine Ursache. In der Tat, auch beschränkt auf die neurologischen Vorgänge im Gehirn ist dies mE nicht beweisbar und daher irrelevant. |
Es ist aber doch eine "derzeit beste Theorie", daß neurologische Vorgänge im Gehirn physikalisch-chemischer Natur sind |
Ja.
step hat folgendes geschrieben: | und damit - nach allem was wir wisen - unter die Kausalität fallen. |
Siehe unten.
step hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Falls immer noch "nein", dann bedeutet das doch einen Widerspruch zu der Aussage, daß eine evtl. Entscheidungsfindung durch physikalische Umstände im Gehirn verursacht wird. Oder? | Ja, wenn Deine Aussage ist: Entscheidungsfindung wird immer deterministisch im Gehirn verursacht, dann kann ich nicht zustimmen. |
Aha, dann hatte ich Deine Zustimmung oben wohl mißverstanden. Wo, wenn nicht im Gehirn, und wie, wenn nicht letztlich physikalisch, findet die Entscheidungsfindung denn Deiner Meinung nach statt? Was ist ihr Substrat, wenn es nicht die Moleküle und Atome sind, die sich ja erwiesenermaßen kausal verhalten? |
Die Entscheidungsfindung findet im Körper, im Gehirn und Nervensystem statt, soweit stimme ich zu. Und sie findet wohl auch "physikalisch" statt, wenn man das hier einfach mal als Gegensatz zu etwas "Übernatürlichem" versteht (was das auch immer sein mag).
Nur der Aussage: "erwiesenermaßen kausal" kann ich nicht zustimmen. Das ist meiner Meinung nach eben nicht erwiesen und ebenfalls meiner Meinung nach ist die einzige wissenschaftliche Antwort auf die Frage: Läuft (im Makrokosmos) alles determiniert ab?, diese Antwort: Wir wissen es nicht.
El Schwalmo hat mal ein Gedankenexperiment unter Biologen beschrieben, ich hoffe, ich gebe das richtig wieder: Angenommen, wir könnten die Zeit ein paar Millionen Jahre zurückdrehen, also sozusagen die Evolution ein zweites Mal ablaufen lassen. Würde sich dann alles wieder genauso entwickeln? Würden dieselben Arten entstehen oder völlig andere? Ein Determinist würde jetzt wohl sagen: natürlich genauso, wie sonst? - aber meiner Meinung nach ist eben die einzige wissenschaftliche Antwort: Wir wissen es nicht.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#397575) Verfasst am: 07.01.2006, 12:13 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Diese Prämisse: alles hat eine Ursache, unterscheidet sich von meiner insofern, als sie eine reine Annahme ist, die nicht auf persönlicher Wahrnehmung beruht. |
Dieses Argument habe ich noch nie verstanden. Bei mir beruht auch die Prämisse alles hat eine Ursache letztlich auf persönlicher Wahrnehmung. |
Wohl kaum, da Du nämlich eine All-Aussage machst und aus dieser All-Aussage weitere Schlüsse ziehst.
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Tegularius surreal
Anmeldungsdatum: 28.07.2005 Beiträge: 2002
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(#397576) Verfasst am: 07.01.2006, 12:22 Titel: |
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Meiner Meinung nach ist die Kausalität letztlich in jede Erfahrung eingebettet. Wie gesagt müssen aber die Ursachen nicht immer erkannt werden und sind womöglich in bestimmten Fällen auch nicht erkennbar. Jedoch macht es m.E. keinen Sinn zu sagen, dass etwas keine Ursache hat.
Nur als Beispiel: würdest du, wenn sich plötzlich ein Gegenstand in deinem Gesichtsfeld bewegen würde und du keinerlei Auslöser für die Bewegung sehen kannst, sagen, diese Bewegung sei womöglich grundlos oder würde sie (quasi "automatisch") bei dir die Frage aufwerfen, warum sie stattfand?
Selbst, wenn die Bewegung deiner Erfahrung nach nicht hätte stattfinden dürfen (der Stift schwebt durch den Raum oder ähnliches), so würde doch die Frage nach der Ursache dennoch zwingend sein. Irgendetwas muss die Bewegung doch ausgelöst haben.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#397578) Verfasst am: 07.01.2006, 12:33 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Diese Prämisse: alles hat eine Ursache, unterscheidet sich von meiner insofern, als sie eine reine Annahme ist, die nicht auf persönlicher Wahrnehmung beruht. |
Dieses Argument habe ich noch nie verstanden. Bei mir beruht auch die Prämisse alles hat eine Ursache letztlich auf persönlicher Wahrnehmung. |
Wohl kaum, da Du nämlich eine All-Aussage machst und aus dieser All-Aussage weitere Schlüsse ziehst. |
Das hatten wir schon mal. Ich mache eine All-Aussage nur der Kürze halber. Genaugenommen mache ich eine zeitkernig hinreichend gut modellierende Aussage über hypothetisch reale Objekte in einem gewissen Geltungsbereich, zu dem das menschliche Gehirn gehört.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#397579) Verfasst am: 07.01.2006, 12:36 Titel: |
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Tegularius hat folgendes geschrieben: | Meiner Meinung nach ist die Kausalität letztlich in jede Erfahrung eingebettet. Wie gesagt müssen aber die Ursachen nicht immer erkannt werden und sind womöglich in bestimmten Fällen auch nicht erkennbar. Jedoch macht es m.E. keinen Sinn zu sagen, dass etwas keine Ursache hat. |
Genau, jedenfalls in mesokosmischen Bereichen.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#397583) Verfasst am: 07.01.2006, 12:59 Titel: |
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Tegularius hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Tegularius hat folgendes geschrieben: | Oder kannst du dir etwas vorstellen, das grundlos ist, also quasi aus dem Nichts entsteht bzw. plötzlich einfach so da ist? |
Ja, natürlich, vorstellen kann ich mir das. Das heißt natürlich noch lange nicht, dass ich auch annehme, es gäbe etwas Grundloses, nur möchte ich auch nicht annehmen, alles hätte einen Grund. Ich möchte das offen lassen und vor allem möchte ich eine solche Annahme nicht als Grundlage für weitergehende Schlüsse nehmen. |
Aber wie sollte denn etwas "einfach so" bzw. ohne Ursache sein? Eine solche Prämisse ist m.E. nicht zweckdienlich. |
Das ist doch an der Stelle keine Prämisse, sondern eine nicht auszuschließende Möglichkeit.
Tegularius hat folgendes geschrieben: | Damit wäre ja dann theoretisch schlicht "alles" möglich. |
Das macht doch nichts.
Tegularius hat folgendes geschrieben: | Außerdem widerspricht es der Erfahrung, nach der eben nichts grundlos ist. |
Nein, das hast Du doch selber zugegeben: Du kennst nicht alle Gründe und Du kannst auch nicht alle Gründe kennen. Das bedeutet automatisch, dass Du nicht genau weißt, dass alles einen Grund hat. Deine (begrenzte) Erfahrung (= einiges hat einen Grund) darfst Du nicht verallgemeinern auf alles hat einen Grund.
Tegularius hat folgendes geschrieben: | Nun bei einer noch nicht bekannten Ursache erst einmal davon auszugehen, dass es (wenn auch nur womöglich) keine gibt, führt dann zu weniger wahrscheinlichen bzw. letztlich weniger (bzw. gar nicht?) sinnvollen Ergebnissen als die Annahme, dass (irgendeine) Ursache zu Grunde liegen wird. |
Ja, es mag durchaus Sinn machen, immer erst mal davon auszugehen, dass eine Ursache zu Grunde liegt. Das heißt aber eben nicht, dass es auch immer eine geben muss.
Tegularius hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Dann reden wir über unterschiedliche Dinge. Ein Handlungsimpuls kann verschiedene Ursachen haben, ich würde da gerne differenzieren. Einen unbewussten Handlungsimpuls, eine unbewusste Reaktion würde ich nicht gerne "Willen" nennen. |
Gut, ich werde in der Folge versuchen, mich erst einmal auf diesen Punkt zu beschränken (meine Definition jedoch im Hinterkopf behaltend ). Nur ist mir persönlich, wie ich in der Antwort auf steps Beitrag schrieb, nicht klar, was der wesentliche Unterschied zwischen beiden "Impulsen" sein soll. Da ich, wie gesagt, annehme, dass auch meine Überlegungen letztlich nicht grundlos sind bzw. dass sie durch bestimmte Faktoren ("innere" wie "äußere") bedingt sind, ist die Überlegung konsequenterweise für mich nichts anderes als ein komplexer Reflex (auch, wenn mir, der ich überlege, das nicht so vorkommen mag). Somit ist dann auch zwischen dem Impuls, überhaupt mit der Überlegung zu beginnen und der Überlegung selbst bzw. deren "Ergebnis", kein wesentlicher Unterschied zu finden und letztlich ist alles eine Kette von aufeinanderfolgenden "Reflexen". |
Ich denke, die Frage, ob alles einen Grund hat oder nicht, ist gar nicht so wesentlich für unsere Diskussion. Viel wesentlicher ist eigentlich die Frage, was genau "der Mensch" ist, wann man überhaupt sagen kann: es ist sein Wille und wann man eher sagen muss: der Wille ist lediglich ein Reflex.
Ich bin mir da auch noch nicht sicher und muss noch darüber nachdenken. Ich weiß nur, dass mir folgende Aussagen sehr seltsam vorkommen:
Tegularius hat folgendes geschrieben: | "Ich selbst" hingegen erlebe in beiden Fällen (also im Falle des spontanen Reagierens und im Falle des überlegten Handelns) den Willen als Antrieb zur Tat bzw. ich erlebe meine Tat (und auch die Überlegung) als "gewollt". |
Tegularius hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Unterscheiden möchte ich auch noch diejenigen Handlungen, die aufgrund von (starkem) äußerem Zwang entstehen. Diese kann man "Willen" nennen, aber keineswegs "freier Wille". Wenn mich z.B. jemand durch Anwendung nackter Gewalt zu etwas zwingt, ist das etwas anderes, als wenn ich etwas "aus freien Stücken" tue. |
Ja, man spricht ja in diesen Fällen auch von unfreiwilligen Handlungen. Allerdings sehe ich auch hier nicht, was das im eigentlichen Sinne konkret über den Willen aussagt. Es sagt etwas über die Faktoren, welche die "Richtung" des Willens bestimmen, aus. Die ("äußeren") Umstände sind in diesem Falle eben besonders gravierend und haben einen starken Einfluss auf den Willen. Letztlich will ich meiner Meinung nach aber auch hier das, was ich tue. Sonst würde ich es ja nicht tun. |
Nehmen wir an, jemand würde hypnotisiert und tut dann etwas unter dieser Hypnose. Würdest Du das auch Willen nennen? Eigentlich gefällt mir Handlungsimpuls für das, was Du meinst, viel besser, da dieser kein Bewusstsein impliziert.
Tegularius hat folgendes geschrieben: | Du würdest also sagen, dass der Wille der als das Ergebnis einer Überlegung bestehende Handlungsimpus ist und dann frei, wenn niemand dich an seiner Ausführung hindert? (Ist Willensfreiheit für dich also eigentlich Handlungsfreiheit?) |
Ja, vielleicht.
Tegularius hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Naja, wir müssen uns schon einigen, was im Spruch Schopenhauers mit mit "der Mensch" gemeint ist. Der Schreibtisch ist wohl kaum der Mensch. Und wenn der Gedanke nicht Teil des Menschen ist, was ist dann der Mensch? |
Vermutlich das, was man so gemeinhin darunter versteht, also die Person mit ihren Erfahrungen, Gefühlen, Gedanken und eben ihrem Willen. Aber um den, m.E. unmittelbar einleuchtenden, Sachverhalt, dass dieser Mensch nicht wollen kann, was er will, zu klären, muss man, so sehe ich das jedenfalls, von eben dieser Alltagsvorstellung des Menschen abstrahieren. Und das habe ich versucht. |
Ich glaube, das ist ein bisschen das Problem: man darf hier eben nicht abstrahieren, da man irgendwann das Subjekt wegabstrahiert hat. Aber eigentlich (finde ich) geht es gerade darum: inwiefern beeinflusst das Subjekt seine Handlungen selber, inwieweit kann man sagen: das, was dieser Mensch getan hat, hat er aus eigenem Willen getan.
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kolja der Typ im Maschinenraum

Anmeldungsdatum: 02.12.2004 Beiträge: 16631
Wohnort: NRW
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(#397589) Verfasst am: 07.01.2006, 13:19 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Ich glaube, dass ich ein selbstständig handelndes Subjekt bin, weil ich das in meinem persönlichen Empfinden so erlebe. Würde ich alle meine Wahrnehmungen als pure Illusion annehmen, wäre es ziemlich sinnlos, mich hier unterhalten zu wollen. Nun ist es auf der anderen Seite so, dass es natürlich Illusionen gibt, zum Beispiel optische Täuschungen, Träume usw. Theoretisch könnte es also sein, dass ich mir meine Selbstständigkeit einbilde. Jedoch sehe ich eben bis jetzt keinen stichhaltigen Grund dazu.
Diese Prämisse: alles hat eine Ursache, unterscheidet sich von meiner insofern, als sie eine reine Annahme ist, die nicht auf persönlicher Wahrnehmung beruht. |
Aber zumindest der Beobachtung, dass sich für viele Ereignisse Ursachen finden lassen, stimmst du doch zu? Die Verallgemeinerung (a) "alles hat eine Ursache" ist daher eine wohlbegründete und vielfach bestätigte Hypothese, die sich aus dieser Beobachtung ableiten lässt.
Dem steht nun deine Vermutung (b) "mein Wille ist (manchmal) frei (von Ursachen)" entgegen, die du aus (b1) deiner Nicht-Beobachtung (!) von Ursachen für deinen Willen und (b2) deinem Gefühl von Entscheidungsfreiheit ableitest. (Hab ich was übersehen?)
Für dieses Gefühl (b2) gibt es aber eine sparsamere Erklärung, die nicht mit (a) in Widerspruch gerät: es entsteht, weil du zwischen dir wohlbekannten Alternativen abwägen kannst ohne während (!) des Abwägeprozesses durch äußeren Zwang eingeschränkt zu werden. Somit bleibt als Stütze für (b) nur noch (b1), also das Fehlen einer Beobachtung.
Daher erlaube ich mir, deine Prämisse (b) im Vergleich zu (a) nicht als gleichermaßen begründbar zu betrachten.
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kolja der Typ im Maschinenraum

Anmeldungsdatum: 02.12.2004 Beiträge: 16631
Wohnort: NRW
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(#397592) Verfasst am: 07.01.2006, 13:38 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Ich glaube, das ist ein bisschen das Problem: man darf hier eben nicht abstrahieren, da man irgendwann das Subjekt wegabstrahiert hat. Aber eigentlich (finde ich) geht es gerade darum: inwiefern beeinflusst das Subjekt seine Handlungen selber, inwieweit kann man sagen: das, was dieser Mensch getan hat, hat er aus eigenem Willen getan. |
Mit meiner Definition von "Mensch" kann ich dieses Problem nicht nachvollziehen.
Für mich ist der Mensch sein Körper, vorwiegend sein Gehirn. Der Mensch, speziell sein Gehirn, ist das Produkt seiner genetischen Austattung und seiner gesamten Lebenserfahrung. Daher kann ich jedes Ergebnis eines bewussten Entscheidungsprozesses in diesem Gehirn problemlos als eigenen Willen dieses Menschen betrachten.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#397599) Verfasst am: 07.01.2006, 13:54 Titel: |
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kolja hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Ich glaube, dass ich ein selbstständig handelndes Subjekt bin, weil ich das in meinem persönlichen Empfinden so erlebe. Würde ich alle meine Wahrnehmungen als pure Illusion annehmen, wäre es ziemlich sinnlos, mich hier unterhalten zu wollen. Nun ist es auf der anderen Seite so, dass es natürlich Illusionen gibt, zum Beispiel optische Täuschungen, Träume usw. Theoretisch könnte es also sein, dass ich mir meine Selbstständigkeit einbilde. Jedoch sehe ich eben bis jetzt keinen stichhaltigen Grund dazu.
Diese Prämisse: alles hat eine Ursache, unterscheidet sich von meiner insofern, als sie eine reine Annahme ist, die nicht auf persönlicher Wahrnehmung beruht. |
Aber zumindest der Beobachtung, dass sich für viele Ereignisse Ursachen finden lassen, stimmst du doch zu? |
Ja.
kolja hat folgendes geschrieben: | Die Verallgemeinerung (a) "alles hat eine Ursache" ist daher eine begründete und vielfach bestätigte Hypothese, die sich aus dieser Beobachtung ableiten lässt. |
Nein, meiner Meinung nach ist diese Verallgemeinerung nicht zulässig und auch unwissenschaftlich. Wir können nur Ursachen finden in simplifizierenden Versuchsaufbauten, nur dann, wenn wir die reale Welt ausklammern. Die reale Welt besteht aus komplexen Systemen, die alle mehr oder weniger zusammenhängen (nicht alles hängt mit allem zusammen, aber es gibt nichts, das nicht mit anderem zusammenhängt). Ob diese komplexen Systeme determiniert sind oder nicht, wissen wir nicht.
kolja hat folgendes geschrieben: | Dem steht nun deine Vermutung (b) "mein Wille ist (manchmal) frei (von Ursachen)" entgegen, die du aus (b1) deiner Nicht-Beobachtung (!) von Ursachen für deinen Willen und (b2) deinem Gefühl von Entscheidungsfreiheit ableitest. (Hab ich was übersehen?) |
Ja, allerdings hast Du etwas übersehen. Das ist nämlich gar nicht meine Aussage, meine Aussage ist: Ich bin ein selbstständig handelndes Subjekt.
kolja hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Ich glaube, das ist ein bisschen das Problem: man darf hier eben nicht abstrahieren, da man irgendwann das Subjekt wegabstrahiert hat. Aber eigentlich (finde ich) geht es gerade darum: inwiefern beeinflusst das Subjekt seine Handlungen selber, inwieweit kann man sagen: das, was dieser Mensch getan hat, hat er aus eigenem Willen getan. |
Mit meiner Definition von "Mensch" kann ich dieses Problem nicht nachvollziehen.
Für mich ist der Mensch sein Körper, vorwiegend sein Gehirn. Der Mensch, speziell sein Gehirn, ist das Produkt seiner genetischen Austattung und seiner gesamten Lebenserfahrung. Daher kann ich jedes Ergebnis eines bewussten Entscheidungsprozesses in diesem Gehirn problemlos als eigenen Willen dieses Menschen betrachten. |
Dann sind wir in diesem Punkt nicht weit auseinander.
Wie interpretierst Du dann Schopenhauers Spruch: "Der Mensch kann zwar tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will."?
Da Du sagst: der Mensch hat einen eigenen Willen, dann müsstest Du diesem Spruch eigentlich widersprechen, oder?
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Tegularius surreal
Anmeldungsdatum: 28.07.2005 Beiträge: 2002
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(#397623) Verfasst am: 07.01.2006, 14:51 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Nein, das hast Du doch selber zugegeben: Du kennst nicht alle Gründe und Du kannst auch nicht alle Gründe kennen. Das bedeutet automatisch, dass Du nicht genau weißt, dass alles einen Grund hat. Deine (begrenzte) Erfahrung (= einiges hat einen Grund) darfst Du nicht verallgemeinern auf alles hat einen Grund. |
Aber die Möglichkeit, dass etwas grundlos ist, ist meiner Meinung nach nicht einmal denkbar. Wenn etwas "erscheint" oder sich bewegt, dann muss es logischerweise irgendetwas geben, was dies veranlasst hat.
Zitat: | Ich denke, die Frage, ob alles einen Grund hat oder nicht, ist gar nicht so wesentlich für unsere Diskussion. Viel wesentlicher ist eigentlich die Frage, was genau "der Mensch" ist, wann man überhaupt sagen kann: es ist sein Wille und wann man eher sagen muss: der Wille ist lediglich ein Reflex. |
Es ist meiner Meinung nach daher von Bedeutung, dass, wenn jedem Vorgang eine Ursache zugrundeliegt, die Gedanken, Gefühle usw. des Menschen und somit auch die Willensbewegung zwangsläufig sind. Dass z.B. ein bestimmter Gedanke "erscheint", hat dann bestimmte Ursachen (die zwar wohl nicht alle gefunden werden können, aber aufgrund der Annahme, dass nichts grundlos ist, vorhanden sein müssen).
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Katatonia ...the quiet cold of late november
Anmeldungsdatum: 05.04.2005 Beiträge: 826
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(#397776) Verfasst am: 07.01.2006, 21:04 Titel: |
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Tegularius hat folgendes geschrieben: | Katatonia hat folgendes geschrieben: | Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Reschi hat folgendes geschrieben: | Das ist klar. |
Es wäre demnach also falsch, zu sagen, ich sei nicht der Monitor vor mir.
Ich bin der Monitor vor mir. |
Wobei meiner Meinung nach noch zu unterscheiden wäre zwischen Wahrnehmung und Wahrgenommenem. Die Wahrnehmung des Monitors wäre demnach zwar tatsächlich eine Komponente des "Ich", nicht jedoch der (hypothetisch von diesem "Ich" unabhängig existierende) Monitor selbst. |
Das läuft dann wieder auf den "Beobachter" hinaus, wie mir scheint. Auch z.B. ein Gedanke wird ja quasi wahrgenommen. |
Die gesamte Wahrnehmung, inklusive der Gedanken, wäre ja der "Beobachter", das "Ich".
_________________ Faulheit: der Hang zur Ruhe ohne vorhergehende Arbeit. (Kant)
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Tegularius surreal
Anmeldungsdatum: 28.07.2005 Beiträge: 2002
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(#397797) Verfasst am: 07.01.2006, 21:39 Titel: |
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Katatonia hat folgendes geschrieben: | Tegularius hat folgendes geschrieben: | Katatonia hat folgendes geschrieben: | Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Reschi hat folgendes geschrieben: | Das ist klar. |
Es wäre demnach also falsch, zu sagen, ich sei nicht der Monitor vor mir.
Ich bin der Monitor vor mir. |
Wobei meiner Meinung nach noch zu unterscheiden wäre zwischen Wahrnehmung und Wahrgenommenem. Die Wahrnehmung des Monitors wäre demnach zwar tatsächlich eine Komponente des "Ich", nicht jedoch der (hypothetisch von diesem "Ich" unabhängig existierende) Monitor selbst. |
Das läuft dann wieder auf den "Beobachter" hinaus, wie mir scheint. Auch z.B. ein Gedanke wird ja quasi wahrgenommen. |
Die gesamte Wahrnehmung, inklusive der Gedanken, wäre ja der "Beobachter", das "Ich". |
Du hast doch geschrieben, dass der Monitor nicht zum Ich gehört, sondern nur die Wahrnehmung (darunter verstehe ich den "Vorgang" des Wahrnehmens und nicht dasjenige, was wahrgenommen wird bzw. das Objekt - du ja anscheinend auch nicht). Der Gedanke ist doch letztlich ebenfalls Objekt - nicht anders als die Erscheinung des Monitors.
Somit bleibt unterm Strich stehen: entweder ist "alles" Teil des Ich, oder "nichts". Eine Auswahl zu treffen, ist doch im Grunde willkürlich.
(Oder meinst du mit dem "Wahrgenommenen" so etwas wie ein "Ding an sich"?)
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44650
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(#397808) Verfasst am: 07.01.2006, 22:02 Titel: |
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Tegularius hat folgendes geschrieben: | Somit bleibt unterm Strich stehen: entweder ist "alles" Teil des Ich, oder "nichts". |
Ist da ein Unterschied?
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Katatonia ...the quiet cold of late november
Anmeldungsdatum: 05.04.2005 Beiträge: 826
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(#397809) Verfasst am: 07.01.2006, 22:04 Titel: |
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Tegularius hat folgendes geschrieben: | Du hast doch geschrieben, dass der Monitor nicht zum Ich gehört, sondern nur die Wahrnehmung (darunter verstehe ich den "Vorgang" des Wahrnehmens und nicht dasjenige, was wahrgenommen wird bzw. das Objekt - du ja anscheinend auch nicht). |
Hm, ich meinte mit Wahrnehmung die Wahrnehmungs- bzw. Bewusstseinsinhalte (und hätte natürlich enstprechend einen dieser Begriffe wählen sollen).
Zitat: | Somit bleibt unterm Strich stehen: entweder ist "alles" Teil des Ich, oder "nichts". |
Ja, so meine ich es. Die Summe aller Wahrnehmungsinhalte bildet das "Ich".
Zitat: | (Oder meinst du mit dem "Wahrgenommenen" so etwas wie ein "Ding an sich"?) |
Ja, ich denke schon.
_________________ Faulheit: der Hang zur Ruhe ohne vorhergehende Arbeit. (Kant)
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Tegularius surreal
Anmeldungsdatum: 28.07.2005 Beiträge: 2002
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(#397810) Verfasst am: 07.01.2006, 22:04 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Tegularius hat folgendes geschrieben: | Somit bleibt unterm Strich stehen: entweder ist "alles" Teil des Ich, oder "nichts". |
Ist da ein Unterschied? |
Gute Frage.
Es ist natürlich möglich, dass beide Standpunkte mit anderen Worten das gleiche beschreiben (das war ja, so ich mich recht entsinne, auch Wittgensteins Ansicht).
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kolja der Typ im Maschinenraum

Anmeldungsdatum: 02.12.2004 Beiträge: 16631
Wohnort: NRW
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(#397881) Verfasst am: 07.01.2006, 23:13 Titel: |
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kolja hat folgendes geschrieben: | (a) "alles hat eine Ursache" |
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Nein, meiner Meinung nach ist diese Verallgemeinerung nicht zulässig und auch unwissenschaftlich. |
Ich widerspreche, denn es ist Kern der wissenschaftlichen Methode, aus Einzelbeobachtungen allgemeine Gesetzmäßigkeiten abzuleiten und diese durch möglichst viele weitere Beobachtungen zu überprüfen. Natürlich werden dadurch keine formalen Beweise produziert (die es außerhalb formaler Systeme onehin nicht gibt), sondern es entstehen (mehr oder weniger) bewährte Theorien.
Und Kausalität gilt in dem für unsere Diskussion relevanten Gültigkeitsbereich (Gehirne) als ziemlich bewährt. Die Art von Beweis, die du forderst (siehe auch deinen Beitrag an step), wird prinzipiell von der Wissenschaft nicht erbracht.
Dennoch vermute ich darin das zuverlässigste Wissen über die Welt, das für uns überhaupt erreichbar ist. Siehst du das anders?
kolja hat folgendes geschrieben: | Dem steht nun deine Vermutung (b) "mein Wille ist (manchmal) frei (von Ursachen)" entgegen, die du aus (b1) deiner Nicht-Beobachtung (!) von Ursachen für deinen Willen und (b2) deinem Gefühl von Entscheidungsfreiheit ableitest. (Hab ich was übersehen?) |
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Ja, allerdings hast Du etwas übersehen. Das ist nämlich gar nicht meine Aussage, meine Aussage ist: Ich bin ein selbstständig handelndes Subjekt. |
Du weichst aus und kannst für (b) gerne einen anderen Satz einsetzen, denn ich zielte auf deine (hier im Thread abgegebenen) Begründung für diese Aussage (darum meine Frage, ob ich etwas übersehen habe).
Ich zähle nochmal auf: (b1) die Nicht-Beobachtung von Ursachen für deinen Willen und (b2) dein Gefühl von Entscheidungsfreiheit.
kolja hat folgendes geschrieben: | Für dieses Gefühl (b2) gibt es aber eine sparsamere Erklärung, die nicht mit (a) in Widerspruch gerät: es entsteht, weil du zwischen dir wohlbekannten Alternativen abwägen kannst ohne während (!) des Abwägeprozesses durch äußeren Zwang eingeschränkt zu werden. |
Nicht-Beobachtung + Gefühl (= Glaubensfrage, aber soweit waren wir schon) reicht mir nicht als Begründung für Konzepte, die auf das Wohl und Wehe von anderen Menschen Einfluß ausüben können.
_________________ Hard work often pays off after time, but laziness always pays off now.
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kolja der Typ im Maschinenraum

Anmeldungsdatum: 02.12.2004 Beiträge: 16631
Wohnort: NRW
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(#397882) Verfasst am: 07.01.2006, 23:13 Titel: |
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kolja hat folgendes geschrieben: | Für mich ist der Mensch sein Körper, vorwiegend sein Gehirn. Der Mensch, speziell sein Gehirn, ist das Produkt seiner genetischen Austattung und seiner gesamten Lebenserfahrung. Daher kann ich jedes Ergebnis eines bewussten Entscheidungsprozesses in diesem Gehirn problemlos als eigenen Willen dieses Menschen betrachten. |
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Dann sind wir in diesem Punkt nicht weit auseinander. Wie interpretierst Du dann Schopenhauers Spruch: "Der Mensch kann zwar tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will."? Da Du sagst: der Mensch hat einen eigenen Willen, dann müsstest Du diesem Spruch eigentlich widersprechen, oder? |
Der Spruch ist eigentlich unsinnig, weil er von "wollen wollen" redet (was soll das sein, eine Art Metawillen?), aber ich hielt ihn für schön plakativ. Leider scheint er zu Mißverständnissen zu führen. Letztlich krankt er (wie die ganze Debatte) an einer inkonsistenten Verwendung von Begriffen wie "Ich", "Selbst", "Mensch", "Subjekt" usw.
Als "Ich" bezeichne ich naiverweise erstmal das, was ich von mir im Spiegel sehe: "das bin Ich". Aber auch die gedankliche Vorstellung, die ich mir von mir selbst mache (z.B. in der Zukunft oder aus der Sicht von Anderen), nenne ich so: "Ich werde morgen Eis essen", "die anderen werden mich erwischen".
Dann bezeichne ich gelegentlich die Wahrnehmung meines Körpers so, aber nicht immer, denn manchmal ist mein Körper auch mein Besitz: "du bist auf meinen Fuß getreten", "du hast mich getreten". Ähnliches gilt für meine Gedanken, meine Gefühle, meine Erinnerungen, etc.
Was bin "Ich" eigentlich? Bin ich meine Gedanken? Bin ich der wahrgenommene Körper? Bin ich all diese Wahrnehmungen? Oder bin ich nur der "Beobachter" all dieser Wahrnehmungen? (Letztere Annahme führt zu einer Auflösung des "Ich", denn der "Beobachter" kann schon definitionsgemäß nicht beobachtet werden. Reschi hält ihn (glaube ich) für transzendent, ich halte ihn für ein Artefakt der Subjekt-Objekt-Struktur unseres Denkens und/oder unserer Sprache.)
Ich persönlich betrachte mich
- manchmal als all meine Wahrnehmungen (denn diese werden von meinem Gehirn durch Interpretation geschaffen, sind also wie eine Äußerung von mir an mich selbst),
- meisten aber als meinen (hypothetisch-realen) Körper, im speziellen mein Gehirn (wenn davon ein Stück kaputt geht bin ich plötzlich massiv eine "andere" Person, kein Vergleich mit einem abgeschnittenen Finger oder so),
- niemals als den Beobachter, denn der ist doof.
Mit dieser Betrachtungsweise bin ich
- der Urheber meiner Handlungen,
- das Produkt meiner persönlichen Vergangenheit.
Wenn ich eine bewusste Entscheidung treffe, dann kann ich in diesem Moment nicht anders entscheiden, denn andernfalls würde das bedeuten, das ich eine andere Entscheidung treffen müsste, als die, die ich aufgrund meiner bisherigen Erfahrungen in diesem Moment für die Beste halte.
kolja hat folgendes geschrieben: | [das Gefühl der Willensfreiheit] entsteht, weil du zwischen dir wohlbekannten Alternativen abwägen kannst ohne während (!) des Abwägeprozesses durch äußeren Zwang eingeschränkt zu werden. |
Und weils grad so schön ist, bastele ich mir hieraus jetzt einen graduell freien Willen. Der ist in dem Maße "frei", wie der bewusste und ungestörte Abwägeprozesses (z.B. Ersinnen von Alternativen, Informationsbeschaffung zur Bewertung dieser) vor einer Entscheidung länger wird, denn dieser Prozess findet in meinem Gehirn statt und ist somit ein Teil von mir.
_________________ Hard work often pays off after time, but laziness always pays off now.
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Zumsel registrierter User
Anmeldungsdatum: 08.03.2005 Beiträge: 4667
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(#398165) Verfasst am: 08.01.2006, 15:59 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Ich habe absichtlich nicht den Künstler, sondern das Kunstwerk definiert, also rein rezeptiv definiert. |
Na ja, das Kriterium der Intention kann doch wohl nur über den Künstler definiert werden. Denn was weiß ich als Konsument schon über dessen Motive.
step hat folgendes geschrieben: | Ich hatte übrigens eher mit einem anderen Kritikpunkt gerechnet, nämlich der Frage, ob die Intention wirklich nötig ist... |
Dieser Punkt wurde hier durchaus schon erwähnt. Ich glaube vom Wanderer.
step hat folgendes geschrieben: | Nehmen wir an, Du hörst ein perfekt gesetztes Musikstück, das zudem bei Dir ästhetisch-sinnliche Empfindungen auslöst. Ist das nicht ein Kunstwerk? |
Das eben ist nicht so einfach zu beantworten. Auch ein handwerklich perfekt produzierter Bohlen-Song ruft bei schlichten Gemütern ästhetisch-sinnliche Empfindungen hervor. Zu einem Kunstwerk aber gehört wesentlich das Kriterium der Einzigartigkeit. Und um etwas Einzigartiges zu schaffen reichen handwerkliche Perfektion und das Auslösen bestimmter Empfindungen nicht aus. Zumal letzteres im Grunde mit ersterem zusammenfällt, indem nämlich das Wissen um den Geschmack des Publikums ein wesentlicher Bestandteil des Handwerks ist.
step hat folgendes geschrieben: | Ich könnte weiter definieren: Schöpferischer Genius" ist die Fähigkeit, Kunstwerke zu schaffen. |
Das wäre zirkulär.
step hat folgendes geschrieben: | Oder allgemeiner, etwas Bedeutungsvolles zu schaffen |
Das käme schon eher in Frage. Wobei dann natürlich sofort die Frage auftaucht: Was ist bedeutungsvoll? In Bezug auf die Kunst ließe sich vielleicht sagen: Ein Werk ist bedeutungsvoll, wenn es etwas, einer Wahrheit oder Erfahrung, die man zwar selbst unterbewusst immer geahnt hat, die man aber nie zu fassen bekam oder genauer benennen konnte, einen konkreten Ausdruck verschafft und sie einem dadurch erst voll ins Bewusstsein bringt.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#398311) Verfasst am: 08.01.2006, 20:07 Titel: |
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kolja hat folgendes geschrieben: | kolja hat folgendes geschrieben: | (a) "alles hat eine Ursache" |
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Nein, meiner Meinung nach ist diese Verallgemeinerung nicht zulässig und auch unwissenschaftlich. |
Ich widerspreche, denn es ist Kern der wissenschaftlichen Methode, aus Einzelbeobachtungen allgemeine Gesetzmäßigkeiten abzuleiten und diese durch möglichst viele weitere Beobachtungen zu überprüfen. Natürlich werden dadurch keine formalen Beweise produziert (die es außerhalb formaler Systeme onehin nicht gibt), sondern es entstehen (mehr oder weniger) bewährte Theorien. |
Der Punkt "alles hat eine Ursache" hat nicht direkt etwas mit dem Punkt "Willensfreiheit" zu tun. Ich bin auf folgende Argumentation von Tegularius eingegangen:
1. Ich beobachte bei vielen Vorgängen, dass es eine Ursache gibt
2. Ich habe noch keinen Vorgang beobachtet, der für mich erkennbar keine Ursache hatte
3. Ich kann prinzipiell nicht alle Ursachen erkennen
4. Ich schließe, dass alle Vorgänge eine Ursache haben
5. Weil alle Vorgänge eine Ursache haben, gilt die Schlussfolgerung X
Ich habe mit dieser Argumentation 2 Probleme:
1. Der Punkt 5 ist mMn nicht zulässig, denn Punkt 4 ist ja nur eine Annahme, eine Hypothese. Basierend auf einer Hypothese kann man keine Schlussfolgerung ziehen.
Mal ein anderes Beispiel, um das zu verdeutlichen, was ich meine:
- Du beobachtest viele, viele, viel Katzen
- Alle beobachteten Katzen haben (höchstens) 4 Beine
- Du schließt daraus, dass alle Katzen (höchstens) 4 Beine haben
Soweit so gut. Eine normale und legitime und hilfreiche Vorgehensweise. Punkt 3 ist eine Annahme, die bis zum Beweis des Gegenteiles Bestand hat.
Was aber mE nicht geht, ist folgendes: diese Annahme als Grundlage für weitere Aussagen zu nehmen, zum Beispiel so: weil Katzen (höchstens) 4 Beine haben, kann es keine Katze geben, die 5 Beine hat. Diese Aussage ist mE nicht zulässig.
2. Problem: Kausalität ist nicht etwas, das wir einfach beobachten können, so wie die Katzen im Beispiel. Wir können mMn Kausalität nur in vereinfachten Modellen der Welt beobachten, nicht aber in der realen Welt.
Beispiel: eine einfache Software. Diese ist theoretisch determiniert (eine bestimmte Eingabe ergibt immer eine bestimmte Ausgabe). In der Realität kann die Software aber nicht ohne Hardware existieren. Die Hardware ist jedoch allen komplexen Einflüssen der Umwelt ausgesetzt. Fällt z.B. während der Berechnung der Strom aus, dann ergibt die Eingabe eben nicht mehr die erwartete Ausgabe (sondern in dem Fall keine Ausgabe). Falls ich nun berechnen wollte, ob die Eingabe die erwartete Ausgabe ergibt, müsste ich alle diese Einflüsse berücksichtigen und das ist prinzipiell unmöglich, da die Einflüsse zu komplex sind.
Zusammenfassend: eine Verallgemeinerung der beobachteten Kausalität in theoretischen Modellen auf alle Vorgänge in der realen Welt scheint mir nicht unbedingt folgerichtig zu sein.
kolja hat folgendes geschrieben: | Und Kausalität gilt in dem für unsere Diskussion relevanten Gültigkeitsbereich (Gehirne) als ziemlich bewährt. |
Ob allgemeine Kausalität (Determinismus) gilt, ist mE strittig.
kolja hat folgendes geschrieben: | Die Art von Beweis, die du forderst (siehe auch deinen Beitrag an step), wird prinzipiell von der Wissenschaft nicht erbracht. |
Da fordere ich doch gar keinen Beweis.
kolja hat folgendes geschrieben: | Dennoch vermute ich darin das zuverlässigste Wissen über die Welt, das für uns überhaupt erreichbar ist. Siehst du das anders? |
Du meinst, Wissenschaft liefert das zuverlässigste Wissen über die Welt? Ja, das sehe ich genauso.
kolja hat folgendes geschrieben: | kolja hat folgendes geschrieben: | Dem steht nun deine Vermutung (b) "mein Wille ist (manchmal) frei (von Ursachen)" entgegen, die du aus (b1) deiner Nicht-Beobachtung (!) von Ursachen für deinen Willen und (b2) deinem Gefühl von Entscheidungsfreiheit ableitest. (Hab ich was übersehen?) |
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Ja, allerdings hast Du etwas übersehen. Das ist nämlich gar nicht meine Aussage, meine Aussage ist: Ich bin ein selbstständig handelndes Subjekt. |
Du weichst aus und kannst für (b) gerne einen anderen Satz einsetzen, denn ich zielte auf deine (hier im Thread abgegebenen) Begründung für diese Aussage (darum meine Frage, ob ich etwas übersehen habe). |
Nein, ich weiche nicht aus, es sind schlicht und einfach zwei verschiedene Themen (der Wille und die angeblich universell geltende Kausalität), die ich (jedenfalls in diesem Thread) nicht miteinander in Verbindung gebracht habe.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#398312) Verfasst am: 08.01.2006, 20:08 Titel: |
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kolja hat folgendes geschrieben: | kolja hat folgendes geschrieben: | Für mich ist der Mensch sein Körper, vorwiegend sein Gehirn. Der Mensch, speziell sein Gehirn, ist das Produkt seiner genetischen Austattung und seiner gesamten Lebenserfahrung. Daher kann ich jedes Ergebnis eines bewussten Entscheidungsprozesses in diesem Gehirn problemlos als eigenen Willen dieses Menschen betrachten. |
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Dann sind wir in diesem Punkt nicht weit auseinander. Wie interpretierst Du dann Schopenhauers Spruch: "Der Mensch kann zwar tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will."? Da Du sagst: der Mensch hat einen eigenen Willen, dann müsstest Du diesem Spruch eigentlich widersprechen, oder? |
Der Spruch ist eigentlich unsinnig, weil er von "wollen wollen" redet (was soll das sein, eine Art Metawillen?), aber ich hielt ihn für schön plakativ. Leider scheint er zu Mißverständnissen zu führen. Letztlich krankt er (wie die ganze Debatte) an einer inkonsistenten Verwendung von Begriffen wie "Ich", "Selbst", "Mensch", "Subjekt" usw.
Als "Ich" bezeichne ich naiverweise erstmal das, was ich von mir im Spiegel sehe: "das bin Ich". Aber auch die gedankliche Vorstellung, die ich mir von mir selbst mache (z.B. in der Zukunft oder aus der Sicht von Anderen), nenne ich so: "Ich werde morgen Eis essen", "die anderen werden mich erwischen".
Dann bezeichne ich gelegentlich die Wahrnehmung meines Körpers so, aber nicht immer, denn manchmal ist mein Körper auch mein Besitz: "du bist auf meinen Fuß getreten", "du hast mich getreten". Ähnliches gilt für meine Gedanken, meine Gefühle, meine Erinnerungen, etc.
Was bin "Ich" eigentlich? Bin ich meine Gedanken? Bin ich der wahrgenommene Körper? Bin ich all diese Wahrnehmungen? Oder bin ich nur der "Beobachter" all dieser Wahrnehmungen? (Letztere Annahme führt zu einer Auflösung des "Ich", denn der "Beobachter" kann schon definitionsgemäß nicht beobachtet werden. Reschi hält ihn (glaube ich) für transzendent, ich halte ihn für ein Artefakt der Subjekt-Objekt-Struktur unseres Denkens und/oder unserer Sprache.)
Ich persönlich betrachte mich
- manchmal als all meine Wahrnehmungen (denn diese werden von meinem Gehirn durch Interpretation geschaffen, sind also wie eine Äußerung von mir an mich selbst),
- meisten aber als meinen (hypothetisch-realen) Körper, im speziellen mein Gehirn (wenn davon ein Stück kaputt geht bin ich plötzlich massiv eine "andere" Person, kein Vergleich mit einem abgeschnittenen Finger oder so),
- niemals als den Beobachter, denn der ist doof.
Mit dieser Betrachtungsweise bin ich
- der Urheber meiner Handlungen,
- das Produkt meiner persönlichen Vergangenheit.
Wenn ich eine bewusste Entscheidung treffe, dann kann ich in diesem Moment nicht anders entscheiden, denn andernfalls würde das bedeuten, das ich eine andere Entscheidung treffen müsste, als die, die ich aufgrund meiner bisherigen Erfahrungen in diesem Moment für die Beste halte.
kolja hat folgendes geschrieben: | [das Gefühl der Willensfreiheit] entsteht, weil du zwischen dir wohlbekannten Alternativen abwägen kannst ohne während (!) des Abwägeprozesses durch äußeren Zwang eingeschränkt zu werden. |
Und weils grad so schön ist, bastele ich mir hieraus jetzt einen graduell freien Willen. Der ist in dem Maße "frei", wie der bewusste und ungestörte Abwägeprozesses (z.B. Ersinnen von Alternativen, Informationsbeschaffung zur Bewertung dieser) vor einer Entscheidung länger wird, denn dieser Prozess findet in meinem Gehirn statt und ist somit ein Teil von mir. |
Ich zitiere das jetzt einfach mal komplett, denn ich finde, Du hast das sehr, sehr schön erklärt und deswegen kann das auch ruhig zweimal hier stehen. Ich kann Dir in Deinen Ausführungen voll und ganz zustimmen. Mir scheint immer mehr, dass das Problem der Willensfreiheit eigentlich nur ein Scheinproblem ist.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#398317) Verfasst am: 08.01.2006, 20:27 Titel: |
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Zumsel hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Nehmen wir an, Du hörst ein perfekt gesetztes Musikstück, das zudem bei Dir ästhetisch-sinnliche Empfindungen auslöst. Ist das nicht ein Kunstwerk? |
Das eben ist nicht so einfach zu beantworten. Auch ein handwerklich perfekt produzierter Bohlen-Song ruft bei schlichten Gemütern ästhetisch-sinnliche Empfindungen hervor. |
Wenn er wirklich handwerklich gut ist, würde ich ihn als Kunstwerk bezeichnen. Da die musikalischen Strukturen eines Bohlen-Songs sehr primitiv sind, würde ich es allerdings nicht als perfekt gesetzt bezeichnen, also eher ein Kunstwerk von geringem künstlerischem Wert.
Zumsel hat folgendes geschrieben: | Zu einem Kunstwerk aber gehört wesentlich das Kriterium der Einzigartigkeit. Und um etwas Einzigartiges zu schaffen reichen handwerkliche Perfektion und das Auslösen bestimmter Empfindungen nicht aus. |
Ja, um etwas Einzigartiges zu schaffen, müssen alle anderen mithelfen und dürfen nichts Gleichwertiges schaffen . Ich widerspreche Deiner Behauptung, Einzigartigkeit gehöre wesentlich zum Kunstwerk. Nur zu einem "einzigartigen Kunstwerk". Das unterschiedet eben einen Picasso von jemand, der ein Kunstwerk im Stil Picassos malt (vereinfacht gesagt).
Zumsel hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Oder allgemeiner, etwas Bedeutungsvolles zu schaffen |
Das käme schon eher in Frage. Wobei dann natürlich sofort die Frage auftaucht: Was ist bedeutungsvoll? In Bezug auf die Kunst ließe sich vielleicht sagen: Ein Werk ist bedeutungsvoll, wenn es etwas, einer Wahrheit oder Erfahrung, die man zwar selbst unterbewusst immer geahnt hat, die man aber nie zu fassen bekam oder genauer benennen konnte, einen konkreten Ausdruck verschafft und sie einem dadurch erst voll ins Bewusstsein bringt. |
Eine Bedeutung im allgemeineren Sinne könnte auch unbewußt wahrgenommen werden, wenn z.B. eine Harmoniefolge das Gefühl anspricht.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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