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Effô Tisetti Königsblau bis in den Tod
Anmeldungsdatum: 18.09.2003 Beiträge: 9920
Wohnort: 75
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(#588749) Verfasst am: 23.10.2006, 16:14 Titel: |
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tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben: | Ja ... aber ich erkenne den rationalen Standpunkt doch auch an. Für alle Fragen, die Rationalität entscheiden kann. Die Gottesfrage gehört nicht dazu. |
Das sehe ich auch so. Und deshalb halte ich eine Debatte über die "Gottesfrage" eigentlich für völlig sinnlos. Denn man kann nur über etwas debattieren, das man kennt. Ihre daher willkürliche Beantwortung - von welcher Seite auch immer - sollte daher auch keinerlei Relevanz für menschliches Leben haben. Sie hat es aber, was dann wiederum im Kern das Problem darstellt.
Mich würde jedenfalls interessieren, warum du trotz obiger Erkenntnis glaubst, die Frage beantworten zu können bzw. dir zumindest solche Teilantworten glaubst geben zu können, die (rational) so solide sind, dass du es vor dir selbst rechtfertigen kannst, daraus (rationale) Schlüsse für deine Lebensführung ziehen zu können/müssen. Denn die Ratio blendest du ja laut eigener Aussage nicht aus?
_________________ "Die einfache Formel: Jesus ist stärker! hilft Menschen, sich aus der Fixierung völlig irrationaler Wertesysteme zu lösen."
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Celsus-2006 Unpapst
Anmeldungsdatum: 26.07.2006 Beiträge: 1617
Wohnort: Süddeutschland
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(#588768) Verfasst am: 23.10.2006, 16:45 Titel: |
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Rasmus hat folgendes geschrieben: | Krabat hat folgendes geschrieben: | Celsus-2006 hat folgendes geschrieben: | Um psychiatrisch korrekt zu sein: es ist eine Massen-Psychose, denn sie geht mit Wahnvorstellungen, sowie irrational begründeten Glücks- und Schuldgefühlen einher.
Gruß
Celsus |
Gefühle sind immer irrational, aber zum Glück haben wir sie. |
Gefühle sind immer irrational?
Das bezweifle ich! |
Hallo auch,
es ist dein gutes Recht, das zu bezweifeln. Albern ist es, zu unterstellen, die Befürworter einer auf Vernunft und Verstand begründeten Handlungsmaxime und Weltanschauung hätten damit ebenso wie fanatische Religiöse eine letzte Wahrheit gepachtet. Das ist ja eben der Unterschied, dass es keine letzten Wahrheiten gibt und keine von Priesterkasten zu verwaltenden und interpretierenden Dogmen.
Hier der Unterschied zwischen rational begründeten Glücksgefühlen und irrational begründeten. Vielleicht erkennst du ihn ja:
rationale Gründe für Glücksgefühl:
Eine gute Freundschaft, ein schöner Abend mit guten Freunden, der erste Abend mit der großen Liebe, ein lange gehegter und erfüllter Wunsch, der Blick auf den Sonnenuntergang am Atlantik mit der ganzen Familie, unerhofft erhaltene Unterstützung in einer Notsituation, das erste eigene Auto, das eigene Neugeborene auf dem Arm zu halten, etc., etc.
irrationale Gründe:
weil Gott mich liebt, weil ich einen Schutzengel gespürt habe, weil meine Gebete erhört wurden, weil ich die göttliche Gnade spüre, weil ich Gott liebe, weil ich der Sünde entsagt habe, weil mein Telefon mich liebt, weil ich an die Auferstehung glaube, etc. etc.
unabhängig davon heißt das natürlich nicht, dass sich Glücksgefühle mechanistisch einstellen oder nicht, da wir ein komplexes Seelenleben haben, Hormone, etc. Worüber man sich im einzelnen freuen kann, was einen glücklich macht, sind bei jedem Menschen und zu verschiedenen Zeitpunkten verschiedene Dinge, das macht sie aber noch lange nicht irrational.
Gruß
ein glücklicher
Celsus
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Celsus-2006 Unpapst
Anmeldungsdatum: 26.07.2006 Beiträge: 1617
Wohnort: Süddeutschland
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(#588770) Verfasst am: 23.10.2006, 16:50 Titel: |
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hier noch ein kleiner, aber feiner Nachtrag aus Wikipadia:
"Es wird auch bezweifelt, ob ein akut-schizophrener psychotischer Zustand ausreichend von der mystischen Erfahrung gesunder Menschen zu unterscheiden ist. Phänomenologisch betrachtet, besteht laut R. Mundhenk (s. Lit.) der einzige Unterschied lediglich darin, dass ein Mystiker sich im Nachhinein mit seiner Erfahrung in seiner Glaubenstradition eingebettet weiß, während ein "Psychotiker" mit derselben Erfahrung einsam und unverstanden bleibt, von seiner Umgebung stigmatisiert und ausgegrenzt wird und letztlich daher in eigene weltfremde Ideologien flüchtet. "
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Ermanameraz auf Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 07.05.2006 Beiträge: 3932
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(#588773) Verfasst am: 23.10.2006, 16:57 Titel: |
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Wenn jemand felsenfest an Gott glauben kann, kann man sich auch einbilden dafür beobachtbare Bestätigungen gesehen zu haben, ohne ernsthaft krank zu sein. Traumatische Erlebnisse können das noch ungemein erleichtern. Ein frommer Mensch, der eine lebensgefährliche Situation überstanden hat und dem sich unmittelbar danach eine Taube auf die Schulter hockt, wird dies als direkte Bozschaft Gottes verstehen. Für ihn ist dann die Taube z.B. ganz besonders weiss und ihr Flügelschlag verursacht sturmwinde, etc...
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Sokrateer souverän
Anmeldungsdatum: 05.09.2003 Beiträge: 11649
Wohnort: Wien
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(#588776) Verfasst am: 23.10.2006, 17:00 Titel: |
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tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben: | Ja ... aber ich erkenne den rationalen Standpunkt doch auch an. Für alle Fragen, die Rationalität entscheiden kann. Die Gottesfrage gehört nicht dazu. |
Die Gottesfrage gehört da genauso dazu wie die Yeti-Frage.
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Celsus-2006 Unpapst
Anmeldungsdatum: 26.07.2006 Beiträge: 1617
Wohnort: Süddeutschland
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(#588780) Verfasst am: 23.10.2006, 17:01 Titel: |
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Erminamerjaz hat folgendes geschrieben: | Wenn jemand felsenfest an Gott glauben kann, kann man sich auch einbilden dafür beobachtbare Bestätigungen gesehen zu haben, ohne ernsthaft krank zu sein. Traumatische Erlebnisse können das noch ungemein erleichtern. Ein frommer Mensch, der eine lebensgefährliche Situation überstanden hat und dem sich unmittelbar danach eine Taube auf die Schulter hockt, wird dies als direkte Bozschaft Gottes verstehen. Für ihn ist dann die Taube z.B. ganz besonders weiss und ihr Flügelschlag verursacht sturmwinde, etc... |
Ja, natürlich kann man das Zustandekommen seiner Annahme rational nachvollziehen, die Annahme selbst wird dadurch aber nicht rational, ich vermute, das hast du auch nicht gemeint, oder?
Gruß
Celsus
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Ermanameraz auf Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 07.05.2006 Beiträge: 3932
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(#588783) Verfasst am: 23.10.2006, 17:05 Titel: |
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Celsus-2006 hat folgendes geschrieben: | Erminamerjaz hat folgendes geschrieben: | Wenn jemand felsenfest an Gott glauben kann, kann man sich auch einbilden dafür beobachtbare Bestätigungen gesehen zu haben, ohne ernsthaft krank zu sein. Traumatische Erlebnisse können das noch ungemein erleichtern. Ein frommer Mensch, der eine lebensgefährliche Situation überstanden hat und dem sich unmittelbar danach eine Taube auf die Schulter hockt, wird dies als direkte Bozschaft Gottes verstehen. Für ihn ist dann die Taube z.B. ganz besonders weiss und ihr Flügelschlag verursacht sturmwinde, etc... |
Ja, natürlich kann man das Zustandekommen seiner Annahme rational nachvollziehen, die Annahme selbst wird dadurch aber nicht rational, ich vermute, das hast du auch nicht gemeint, oder?
Gruß
Celsus |
Nein... auch nicht das. Das ist auch nicht wirklich rational nachvollzogen. Es ist ein Yeti, der einen Yeti vom Berg schubst, der dann an einen Yeti am Hang stößt, der dann einem vor die Füße kullert.
Ich meine damit, dass man definitiv das Wollen wollen kann. Man kann das Unbewußte dazu veranlassen einem den Willen zu verschaffen, an so gut wie alles zu glauben. Der Wahnsinn ist dem Menschen von Natur aus mitgegeben. Er ist mindestens so präsent wie die Religion.
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Celsus-2006 Unpapst
Anmeldungsdatum: 26.07.2006 Beiträge: 1617
Wohnort: Süddeutschland
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(#588784) Verfasst am: 23.10.2006, 17:08 Titel: |
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Da gebe ich dir vollumfänglich Recht. Der Beweis ist die Existenz und Macht der Religionen, (deren Existenz lächerlicherweise ja als Gottesbeweis angeführt wird).
Also dass so viele Menschen an den Yeti glauben, beweist, dass es ihn gibt. So funktioniert Religion, jedenfalls seine Grundlegung.
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skeptic griggsy registrierter User
Anmeldungsdatum: 21.10.2006 Beiträge: 52
Wohnort: BLYTHE,GA.
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(#588849) Verfasst am: 23.10.2006, 18:08 Titel: |
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Prediger sagten dass wir all einen Hunger fuer Gott haben damit wir noch in ihm glauben .Sie sagen dass es gut ist zu Gott zu zweifeln um freie Wille zu zeigen . Denno ch mann ein Sklave zu Gott bleibt.
_________________ Vater Griggs bleibt in Socratischem Ignoranz und naturalischem Demutigkeit. Die Logik ist der Ruin der Theisten.
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Ermanameraz auf Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 07.05.2006 Beiträge: 3932
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(#589224) Verfasst am: 24.10.2006, 07:24 Titel: |
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skeptic griggsy hat folgendes geschrieben: | Prediger sagten dass wir all einen Hunger fuer Gott haben damit wir noch in ihm glauben .Sie sagen dass es gut ist zu Gott zu zweifeln um freie Wille zu zeigen . Denno ch mann ein Sklave zu Gott bleibt.  |
a domms Gschwätz halt.
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Tapuak registrierter User
Anmeldungsdatum: 23.02.2006 Beiträge: 1264
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(#589695) Verfasst am: 24.10.2006, 19:04 Titel: |
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Surata hat folgendes geschrieben: | Tapuak hat folgendes geschrieben: | Es gibt nicht den geringsten Anlass, mit dieser Aussage anders zu verfahren als mit der Behauptung, dass Angela Merkel oder wer auch immer existiert.
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In gewisser Weise schon, weil nämlich Gott noch die Eigenschaft hat (haben soll), transzendent zu sein. |
Wenn man solche man solche vorbeugenden Kritikimmunisierungen akzeptiert, ist man den Gottesapologeten m.E. bereits auf den Leim gegangen. Das Attribut "transzendent" ändert ja nichts daran, dass es irrational bleibt, von der Existenz dieses Wesens auszugehen. Es ist schlicht nicht einsehbar, warum hier andere Maßstäbe gelten sollten als bei anderen Existenzpostulaten. Siehe oben das Beispiel mit dem Yeti: Die These, dass ganz sicher ein Yeti existiert, der aber leider jegliche Wahrnehmung übersteigt, würde auch kein Mensch als rational annehmbar bezeichnen.
Außerdem: Ist der christliche Gott überhaupt "transzendent"? Er greift doch angeblich direkt in das irdische Leben ein. Dadurch wird er ja aus Christensicht für die menschliche Wahrnehmung erfahrbar.
Und noch ein weiterer Gedanke zu der Behauptung, dass die Gottesfrage gar nicht rational entscheidbar sei: Mal angenommen, es würden plötzlich empirische, überprüfbare, handfeste Belege für die Existenz Gottes vorliegen. Gemäß der These der rationalen Nichtentscheidbarkeit wären diese ja wertlos, da sich die Frage nach Gott ja der Rationalität entzieht. Es dürfte sich also kein Christ, der diese These akzeptiert, auf diese Belege berufen. Wetten, es würde trotzdem keine 2 Wochen dauern, bis die gesamte irdische Theologie das ganze "Transzendenz"-Geschwurbel aufgeben würde und sich voll und ganz auf diese empirischen Belege stützen würde? Die Flucht in die angebliche Unerkennbarkeit Gottes ist doch eine reine Notlösung der heutigen Theologie, die eben ohne jeden prüfbaren Gottesbeweis auskommen muss.
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Leukrit registrierter User
Anmeldungsdatum: 24.09.2006 Beiträge: 248
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(#589728) Verfasst am: 24.10.2006, 19:34 Titel: |
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Tapuak hat folgendes geschrieben: | Außerdem: Ist der christliche Gott überhaupt "transzendent"? |
Der Christengott ist solange handfest, wie keine Kritiker auftreten. Denn dann ist plötzlich alles symbolisch zu verstehen.
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cptchaos kritischer Rationalist
Anmeldungsdatum: 17.07.2006 Beiträge: 304
Wohnort: Hamburg
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(#594941) Verfasst am: 01.11.2006, 20:02 Titel: |
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tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben: | Ja ... aber ich erkenne den rationalen Standpunkt doch auch an. Für alle Fragen, die Rationalität entscheiden kann. Die Gottesfrage gehört nicht dazu. |
Hm?
Was bedeutet es, wenn eine Frage nicht rational Entscheidbar ist?
Man kann die Ratio nicht benutzen um eine Antwort darauf zu finden?
Was dann?
Wenn man von den nicht rational beantwortbaren fragen, diejenigen abzieht, welche keine konsistente Bedeutung besitzen, was bleiben dann für Fragen übrig?
Ich vermute keine!
grüße Eike
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hehehe registrierter User
Anmeldungsdatum: 26.07.2006 Beiträge: 674
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(#595069) Verfasst am: 01.11.2006, 23:45 Titel: |
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Zitat: | Was bedeutet es, wenn eine Frage nicht rational Entscheidbar ist?
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Praktisch nichts lässt sich rein mit der Vernunft herleiten; wie Kurt Gödel gezeigt hat, benötigt jedes System von formalen Aussagen Prämissen, die nicht aus dem System heraus beweisbar sind. So gründet sich selbst die Mathematik auf Axiome, die nicht beweisen werden können, sondern deren Richtigkeit man einfach deswegen glaubt, weil sie (zumindest bislang) funktionieren.
Aussagen wie "man braucht keinen Glauben, das Wissen reicht" o.ä. sind Zeichen gefährlicher Verblendung, weil diejenigen die solche Aussagen treffen, nicht mehr in der Lage sind, selbst zu unterscheiden, wo sie eigentlich glauben, wo sie etwas wirklich sicher wissen (sehr selten!), und wo sie einfach nur das übernehmen, was "man so eben heutzutage glaubt". Der Verblödung und Assimilation belieber Vorurteile und unreflektierter Voreingenommenheit öffnen solche Ansichten jedenfalls Tür und Tor, besonders, wenn man sich dann noch auf Seite der "Guten" (Auserwählten ) weiß, die natürlich gar nichts glauben, sondern nur wissen, und es somit auch nicht mehr nötig hat, seine Ansichten kritisch zu hinterfragen - mit der gleichen Strenge, mit der man so gerne die Ansichten der Religiösen hinterfragt.
So gesehen ist inzwischen auch rein wissenschaftlich erwiesen, dass der aufklärerische Traum von der reinen Vernunfts-Religion utopischer Quatsch ist: Die Vernunft ohne Glaubensannahmen, auf denen sie Aussagen bauen kann, ist völlig impotent; überall bedarf es der Annahme von Prämissen, die sich nicht weiter belegen lassen.
Die gleiche Impotenz zeigt sich mehr und mehr bei unserer Gesellschaft, die diese Utopie weiter zu leben versucht, und erschreckt feststellen muss, dass der Konsens von gemeinsam geteilten Werten immer kleiner wird. Nur mit der Vernunft lässt sich nämlich nicht ein einziger davon herleiten.
Insofern ist oben zitierte Frage wahrscheinlich DAS Riesenproblem unserer Zeit: Was macht man eigentlich, wenn der utopische aufklärerische Traum von der Vernunftsreligion geplatzt ist, die tradierten religiös-begründeten Werte und Normen größtenteils zerstört wurden oder aktuell in der Zerstörung begriffen sind, und man verzweifelt festellen muss, dass sich rein aus der Vernunft herzlich wenig Erkenntnisse darüber herleiten lassen, wonach der Mensch eigentlich streben und wie er leben soll? Was macht man dann?
GUTE FRAGE.
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Kramer postvisuell
Anmeldungsdatum: 01.08.2003 Beiträge: 30878
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(#595075) Verfasst am: 01.11.2006, 23:53 Titel: |
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hehehe hat folgendes geschrieben: | Was macht man dann? |
Albert lesen.
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enpassant registrierter User
Anmeldungsdatum: 20.07.2005 Beiträge: 522
Wohnort: leipzig
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(#595084) Verfasst am: 02.11.2006, 00:11 Titel: |
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hehehe hat folgendes geschrieben: | So gesehen ist inzwischen auch rein wissenschaftlich erwiesen, dass der aufklärerische Traum von der reinen Vernunfts-Religion utopischer Quatsch ist: Die Vernunft ohne Glaubensannahmen, auf denen sie Aussagen bauen kann, ist völlig impotent; überall bedarf es der Annahme von Prämissen, die sich nicht weiter belegen lassen. |
Genau so, wie von Seiten religiöser Agitation der Wissenschaft immer wieder der altbackene Unsinn untergeschoben wird, sie behaupte, absolute, unfehlbare und unwandelbare Wahrheiten zu verkünden - während es in Wirklichkeit ganz allein die Religion ist, die sich zu solch absurder Anmaßung herbei lässt - genau so wird von ihren Apologeten über diejenigen, welche darauf bestehen, dass die Vernunft eine unerlässliche Bedingung für jeglichen akzeptablen "Werte"-Entwurf ist, der Unsinn verbreitet, sie sollte zur hinreichenden Bedingung gemacht werden.
Und was die "Axiome" und besagte Grundannahmen angeht, so müssen sie ganz notwendig die Bedingungen erfüllen, weder der Vernunft noch der Erfahrung zu widersprechen.
Der Versuch der religiösen Agitation nun, die wirklich banale Erkenntnis, dass die Vernunft nicht auf alle Fragen des Menschen Antwort geben kann, ernsthaft als "Argument" ins Spiel bringen zu wollen, um die schreienden intellektuellen Absurditäten und ethischen Abgünde der meisten religiösen Welt- und Menschenbilder hoffähig machen zu wollen, ist einfach nur noch langweilig-peinlich!
Und am peinlichsten gerät dabei immer die ätzende Litanei vom "Werte-Verfall" der Gesellschaft, die wirklich eine umfassende "Impotenz" in der Realitätswahrnehmung offenbart...
_________________ Was das ewige Leben ist, weiß ich nicht - aber das gegenwärtige ist ein schlechter Spaß! (Voltaire)
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Kramer postvisuell
Anmeldungsdatum: 01.08.2003 Beiträge: 30878
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(#595093) Verfasst am: 02.11.2006, 00:27 Titel: |
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hehehe hat folgendes geschrieben: | Die Vernunft ohne Glaubensannahmen, auf denen sie Aussagen bauen kann, ist völlig impotent; überall bedarf es der Annahme von Prämissen, die sich nicht weiter belegen lassen. |
Das ist auch nicht weiter problematisch, wenn man bereit ist, Prämissen, die man als falsch erkannt hat, durch bessere zu ersetzen. In der Wissenschaft klappt das problemlos, in der Religion ist es unmöglich und auch gar nicht erwünscht.
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kamelpeitsche Weapon of Mass Discussion
Anmeldungsdatum: 15.11.2003 Beiträge: 4555
Wohnort: Devil's Dancefloor
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(#595100) Verfasst am: 02.11.2006, 00:36 Titel: |
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Das muss man auch erstmal schaffen:
Die Tatsachen so verdrehen, dass Religion die Alternative zur unhinterfragten Vernunft ist.
_________________ "Was immer jeder Einzelne mitbringen will an Prägung oder Anderssein - einem kollektiven Imperativ enzieht es sich mit Sicherheit"
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Algol Katholik, saugverwirrte schleichende Scharia
Anmeldungsdatum: 22.06.2006 Beiträge: 4797
Wohnort: Berlin
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(#595106) Verfasst am: 02.11.2006, 00:48 Titel: |
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Dr. Degenhart Datterich hat folgendes geschrieben: | Mein Mann hat im Priesterseminar mal die Gegenwart eines japanischen Roschis genossen. Man beschäftigte sich in diesem Seminar naturgemäß mit christlichen Glaubenssätzen. Der Gast aus Japan, seines Zeichens kein Christ, brachte den Glauben auf den Punkt mit der Aufforderung: "Zeigt mir das Paradies." ... |
Mut hat er ja, dieser "Roschi" ...
wenn jemand seiner Aufforderung nachkommt, läuft das dann unter "Tötung auf Verlangen"?
_________________ Leben kann tödlich sein
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Kramer postvisuell
Anmeldungsdatum: 01.08.2003 Beiträge: 30878
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(#595114) Verfasst am: 02.11.2006, 00:56 Titel: |
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hehehe hat folgendes geschrieben: | Was macht man eigentlich, wenn der utopische aufklärerische Traum von der Vernunftsreligion geplatzt ist, die tradierten religiös-begründeten Werte und Normen größtenteils zerstört wurden oder aktuell in der Zerstörung begriffen sind, und man verzweifelt festellen muss, dass sich rein aus der Vernunft herzlich wenig Erkenntnisse darüber herleiten lassen, wonach der Mensch eigentlich streben und wie er leben soll? |
Erkenntnisse kann man nur darüber gewinnen, wie die Dinge sind. Daraus zu schliessen, wie die Dinge sein sollen, ist ein naturalistischer Fehlschluss. Aber davon abgesehen, müssen wir gar keine Erkenntnisse darüber ableiten, wie wir leben wollen und wohin wir streben. Diese Fragen ergeben sich von selbst aus den unterschiedlichen Interessen unterschiedlicher Menschen. Dass religiös-tradierte Wertvorstellungen an Bedeutung verlieren, liegt vor allem daran, dass die Menschen andere Interessen haben bzw. dass eine Abwägung unterschiedlicher Interessen nicht mehr durch dogmatische Gebote verhindert wird.
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cptchaos kritischer Rationalist
Anmeldungsdatum: 17.07.2006 Beiträge: 304
Wohnort: Hamburg
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(#595526) Verfasst am: 02.11.2006, 18:02 Titel: |
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hehehe hat folgendes geschrieben: |
Aussagen wie "man braucht keinen Glauben, das Wissen reicht" o.ä. sind Zeichen gefährlicher Verblendung,
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Naja, das ist das Übliche Spiel mit der Sprache.
Meistens wird folgendes vertreten:
"There is no need for faith, assumptions are enough!".
Das der Satz, so wie du ihn geschrieben hast, von Jemanden ernsthaft vertreten wird, hab ich noch nicht erlebt.
Ja, und Albert lesen hilft!
grüße Eike
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Snark7 registrierter User
Anmeldungsdatum: 01.03.2005 Beiträge: 313
Wohnort: Hamburg
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(#595947) Verfasst am: 03.11.2006, 12:02 Titel: Re: Religion: Eine psychopathologische Analyse |
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Zur Vertiefung was speziell christlichen Fundamentalismus und die Entwicklung dorthin angeht, möchte ich den Artikel:
Bible Says
The Psychology of Christian Fundamentalism
By WALTER A. DAVIS
empfehlen.
Den kann man hier lesen:
http://www.counterpunch.org/davis01082005.html
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hehehe registrierter User
Anmeldungsdatum: 26.07.2006 Beiträge: 674
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(#596050) Verfasst am: 03.11.2006, 15:54 Titel: |
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Zitat: | Das ist auch nicht weiter problematisch, wenn man bereit ist, Prämissen, die man als falsch erkannt hat, durch bessere zu ersetzen. In der Wissenschaft klappt das problemlos, in der Religion ist es unmöglich und auch gar nicht erwünscht.
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Die Religionsgeschichte zeigt ein anderes Bild: Auch im Bereich der Religion gibt es Fortschritt, und wird überholtes ersetzt. Wenn man allerdings immer von "den Religionen" oder gar "dem Glauben" fabuliert (als ob Glaube für Religion im allg. konstituierend wäre), in völliger Ignoranz der Tatsache, dass man damit unterschiedlichste Phänomene in einen Topf wirft, kann man natürlich auch nicht die Entwicklungen erkennen, die hier stattgefunden haben. Primitive Kulte, Naturreligionen, mythologische Religionen, mystische Religionen und Offenbarungsreligionen erscheinen dann als eine Sache, und dann sieht es natürlich so aus, als ob sich nicht geändert habe. Es entspricht aber nicht den historischen Tatsachen: Auch Religion unterliegt der Veränderung, und auch hier werden Prämissen als falsch erkannt.
Zitat: | Naja, das ist das Übliche Spiel mit der Sprache.
Meistens wird folgendes vertreten:
"There is no need for faith, assumptions are enough!".
Das der Satz, so wie du ihn geschrieben hast, von Jemanden ernsthaft vertreten wird, hab ich noch nicht erlebt.
Ja, und Albert lesen hilft! |
Ich kann da nirgendwo ein sachliches Argument erkennen; falls ich es übersehen haben sollte, bitte ich um Hinweis.
Zitat: | Aber davon abgesehen, müssen wir gar keine Erkenntnisse darüber ableiten, wie wir leben wollen und wohin wir streben. Diese Fragen ergeben sich von selbst aus den unterschiedlichen Interessen unterschiedlicher Menschen. |
Und woher kommen die unterschiedlichen Interessen, wenn nicht aus Erkenntnissen darüber, wonach wir streben sollen?
JEDER Mensch, ausnahmslos jeder, trägt ein Welt- und Selbstbild herum, das ihm sagt, wonach er streben und wie er handeln soll, und dieses basiert IMMER auf unbewiesenen Annahmen bzw. auf GLAUBE. Man tut gut daran, sich dessen bewusst zu sein, sonst läuft man schnell als Fanatiker herum, der in seinem Größenwahnsinn meint, alle seine Ansichten sein objektiv abgesichertes Wissen.
Wenn ich diese Annahmen, die mein Selbst- und Weltbild konstituieren, nach dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand auszurichten versuche, so unterstelle ich damit immer noch die Zusatzannahme, dieser Erkenntnisstand würde bereits soviel von der Realität abdecken bzw. erfassen, dass es reicht, um ein realistisches Selbst- und Weltbild zu haben. Ein einfaches Beispiel: Die Wissenschaft kann mir zeigen, dass ich AUCH eine biologische Maschine bin - daraus sein Selbstbild zu machen, bedeutet jedoch, zu behaupten, man sei NUR eine biologische Maschine. Letztere Aussage ist jedoch unwissenschaftlich, da sie mögliche anderweitige Erkenntnisse leugnet, die die Wissenschaft in Zukunft noch machen könnte (etwa dass sich Intelligenz/Bewusstsein auf quantenphysikalischer Ebene abspielt, und somit ganz andere als die biologische Sphären ins Spiel kommen). Die Selbsttäuschung, der man hier leicht verfällt, besteht darin zu sagen "mein Weltbild ist doch WISSENSCHAFTLICH, wenn ich denke, ich sei nur eine biologische Maschine" - tatsächlich ist es jedoch völlig unwissenschaftlich, da dieses Weltbild eben den einen Aspekt des Biomaschine-Seins verabsolutiert, und behauptet, damit sei das menschliche Wesen vollständig beschrieben. So kann sich leicht der Fanatismus herausbilden, der in diesem Forum regelmäßig zu beobachten ist; es herrscht dann völlige Blindheit gegenüber den eigenen Glaubensannahmen und dementsprechende Verblendung und Ignoranz.
Auch wenn ich also versuche, mein Selbst- und Weltbild nach wissenschaftlichen Erkenntnissen zu gestalten, lege ich immer die (völlig unwissenschaftliche) Glaubensannahme zugrunde, dass das, was Wissenschaft HEUTE weiss, die Realität soweit abdeckt, dass alles Prinzipielle und Wichtige darin enthalten ist. Das ist aber pure, naive, optimistische/utopische Gutgläubigkeit, mehr nicht.
Wirklich wissenschaftlich wäre in diesem Sinne nur ein völlig agnostisches Weltbild, das zudem die Vorläufigkeit jeder Feststellung bzw. Annahme einsieht. Leider muss der Mensch aber auch HANDELN um leben zu können, und sobald er das tut, MUSS er so tun, als ob diese Annahmen auch der Realität entsprechen.
Insofern interessiert mich Albert`s theoretische Ausführungen nicht besonders; prinzipiell hat er völlig recht, aber man kann aus dieser Erkenntnis heraus nicht leben. Ich kann nicht die Vorläufigkeit aller meine Ansichten postulieren, und gleichzeitig aus diesen Ansichten heraus so handeln, als ob sie absolut wären. Spätestens in dem Moment, wo ich handeln will, muss ich mich entscheiden, und kann mich nicht mehr hinter der Vorläufigkeit aller Erkenntnis verstecken. Sie kann mich auch nicht davor bewahren, Entscheidungen zu treffen.
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kamelpeitsche Weapon of Mass Discussion
Anmeldungsdatum: 15.11.2003 Beiträge: 4555
Wohnort: Devil's Dancefloor
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(#596060) Verfasst am: 03.11.2006, 16:09 Titel: |
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hehehe hat folgendes geschrieben: | Die Religionsgeschichte zeigt ein anderes Bild: Auch im Bereich der Religion gibt es Fortschritt, und wird überholtes ersetzt. |
Wo ist das geschehen? Und wo hat dies den Menschen Veränderung und Fortschritt gebracht?
hehehe hat folgendes geschrieben: |
Wirklich wissenschaftlich wäre in diesem Sinne nur ein völlig agnostisches Weltbild, das zudem die Vorläufigkeit jeder Feststellung bzw. Annahme einsieht. |
So funktioniert Wissenschaft. Alles was postuliert wird, geschieht unter der Prämisse, dass es falsifizierbar ist. Andernfalls könnte man nicht von wissenschaftlichem Arbeiten sprechen.
Abschließend: Ich bin mir nicht sicher, ob ich deine Argumentationsrichtung richtig aufgefasst habe. Geht es dir um Kritik wissenschaftlich begründeter Weltbilder, der Wissenschaft "an sich" oder nur darum, aufzuzeigen, dass viele vermeintliche Freigeister ihr eigenes Weltbild nicht verstehen?
Die Antwort auf diese Frage könnte mir u.U. sehr viel Schreibarbeit ersparen.
_________________ "Was immer jeder Einzelne mitbringen will an Prägung oder Anderssein - einem kollektiven Imperativ enzieht es sich mit Sicherheit"
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hehehe registrierter User
Anmeldungsdatum: 26.07.2006 Beiträge: 674
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(#596130) Verfasst am: 03.11.2006, 17:27 Titel: |
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Zitat: | Wo ist das geschehen? Und wo hat dies den Menschen Veränderung und Fortschritt gebracht?
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Das solltest Du selber nachlesen. Grob gesagt gab es am Anfang primitive Religionen, in denen es keine konsolidierte Gesamtlehre gab, sondern soz. unformulierte religiöse Erfahrung. Offensichtlich war dem Menschen dies auf die Dauer nicht zufriedenstellend, und so entstanden bald die mythologischen Religionen, die diese Erfahrungen durch Fabelei und Dichtung zu einem umfasseden Bild (=Mythos) ergänzten. Religionsgeschichtlich gab es dann in Form der mystischen Religionen des Ostens und der monotheistischen Offenbarungsreligionen revolutionäre Ausbrüche aus diesem Mythos, der eben mit der Zeit als Fabelei und Menschenwerk durchschaut wurde: In den mystischen Religionen stellt man dem menschgemachten Mythos das mystische Erleben entgegen, das z.B. durch Meditationen erreicht wird; hier soll soz. die Wahrheit direkt und unverfälscht erlebt werden. In den monotheistischen Religionen stellte man dem Mythos die direkte Offenbarung Gottes entgegen, dass also die Wahrheit selbst sich den Menschen offenbart hat.
Du kannst den Forschrittscharakter der Religionsgeschichte zwar leugnen (allerdings wärst Du in den frühen primitiven Kulten evtl. auf dem Opferaltar gelandet, und man hätte mit Deinem Blut etwa die Sonne gefüttert, damit sie am nächsten Tag noch aufgeht), aber bestimmt nicht, dass es Veränderungen gab.
Zitat: | Geht es dir um Kritik wissenschaftlich begründeter Weltbilder, der Wissenschaft "an sich" oder nur darum, aufzuzeigen, dass viele vermeintliche Freigeister ihr eigenes Weltbild nicht verstehen? |
Ich formuliere einfach mal das Dilemma eines sog. "wissenschaftlichen Weltbildes": Entweder, dieses Weltbild postuiert, dass der aktuelle Stand wissenschaftlicher Erkenntnis die Welt hinreichend beschreibt - und das ist schonmal eine völlig unwissenschaftliche und fortschrittsfeindliche Ansicht, die revolutionäre zukünftige Erkenntnisse dogmatisch ausschließt. Dann habe ich jedoch das Recht, aus diesem Weltbild heraus mein Handeln zu begründen bzw. meine Entscheidungen daraus abzuleiten. Allerdings mit dem Problem, dass dieses Weltbild aufgrund der beschriebenen völlig unwissenschaftlichen Annahme nun mehr alles andere als wissenschaftlich ist. Mit "Wissenschaftsreligion" könnte man diesen weltanschaulichen Bastard, der leider in vielen Köpfen heute herumgeistert, am besten beschreiben; er ist jedoch beidem unwürdig: Der Religion ebenso wie der Wissenschaft. Er ist zudem gefährlich, da er die von der Wissenschaft ermöglichte Objektivität und Sicherheit unerlaubterweise auf sich selbst extrapoliert.
Oder aber man geht realistischerweise davon aus, dass der aktuelle Stand wissenschaftlicher Erkenntnis die Welt garantiert nicht hinreichend beschreibt, und wahrscheinlich noch sehr viel (auch Wesentliches) existiert, was die Wissenschaft erst in der Zukunft entdecken wird, oder (noch schlimmer!) sogar Dinge existieren, die durch die Methodik der Wissenschaft prinzipiell nicht erfassbar sind. Dann hat dieses wissenschaftliche Weltbild einen Vorläufigkeitscharakter; es erkennt an, dass es eine Reihe von Eigenschaften der Realität bereits kennt, diese aber wahrscheinlich noch lange nicht hinreichend beschreiben kann. So ein Weltbild wäre in der Tat wissenschaftlich zu nennen. Allerdings kann ich aus einem Weltbild, das anerkennt dass es das Wesentliche vielleicht noch gar nicht berücksichtigt (weil die Wissenschaft es noch gar nicht entdeckt hat), schlecht meine persönlichen Entscheidungen ableiten. In dem Moment, wo ich aus dem wissenschaftlichen Weltbild heraus mein eigenes Welt- und Selbstbild mache, d.h. meine Entscheidungen und Wertungen danach ausrichte, begebe ich mich in die Gefahr, dass dieses Weltbild evtl. wesentliche Aspekte des Seins noch gar nicht berücksichtigt, und mich somit auf eine völlig falsche Spur lockt. Die Annahme, dieses Weltbild würde schon irgendwie alles Wesentliche, was ich für mein Handeln und meine Wertungen wissen muss, beinhalten, ist völlig naiv und wissenschaftlich nicht haltbar ist; sie ist PURER GLAUBE. Aus dem wissenschaftlichen Weltbild heraus seine Handlungen und Wertungen zu begründen ist somit hochgradig religiös, ja um nichts besser, als es aus irgendeiner herkömmlichen Religion heraus zu tun. Beim wissenschaftlichen Weltbild habe ich zwar eine verhältnismäßig große Sicherheit, dass die Inhalte dieses Weltbildes der Realität entsprechend, aber es gibt keinen Hinweis, dass diese Inhalte nun gerade die sind, die für das richtige Entscheiden und die richtigen Wertungen relevant wären. Es kann sein, dass ich mich nach lauter verhältnismäßig nebensächlichen Dingen ausrichte, und in 100 Jahren eine einzige revolutionäre Entdeckung etwas Wesentliches zutage bringt, und damit alles auf den Kopf stellt. Mit Blick auf den Erkenntnis-Boom der letzten 100 Jahre ist es geradezu wahrscheinlich, dass noch eine ganze Menge Wesentliches entdeckt werden wird.
Wer also sein Handeln und seine Wertungen nach wissenschaftlicher Erkenntnis ausrichtet, der nimmt damit völlig willkürlich an, die Wissenschaft habe bis heute gerade ZUFÄLLIG diejenigen Fakten ans Tageslicht gebracht, die für richtiges Handeln und richtige Wertungen wesentlich sind. Mengentheoretisch ausgedrückt: Dass die Menge dessen, was die Wissenschaft über die Realität heute weiss, die Menge derjenigen Fakten enthält, die für ein richtiges Handeln notwendig sind; dass also in der Menge der Fakten, die sie noch nicht weiss, kein einziges Faktum drin ist, was dafür sorgen würde, dass ich mich anders entscheide bzw. anders werte.
Genauso willkürlich kann ich mich auch irgendeiner x-beliebigen Religion anschließen, und glauben, dass diese eben zufällig gerade die Aspekte der Realität ausdrückt, die für das richtige Handeln und Werten wesentlich sind. Eine Sicherheit habe ich in beiden Fällen nicht. Es könnte sogar sein, dass eine Religion zu 90% völligen Quatsch lehrt, in den restlichen 10% aber gerade diejenigen Fakten enthalten sind, die WESENTLICH sind, um richtig zu handeln.
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cptchaos kritischer Rationalist
Anmeldungsdatum: 17.07.2006 Beiträge: 304
Wohnort: Hamburg
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(#596306) Verfasst am: 03.11.2006, 23:21 Titel: |
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hehehe hat folgendes geschrieben: |
Zitat: | Naja, das ist das Übliche Spiel mit der Sprache.
Meistens wird folgendes vertreten:
"There is no need for faith, assumptions are enough!".
Das der Satz, so wie du ihn geschrieben hast, von Jemanden ernsthaft vertreten wird, hab ich noch nicht erlebt.
Ja, und Albert lesen hilft! |
Ich kann da nirgendwo ein sachliches Argument erkennen; falls ich es übersehen haben sollte, bitte ich um Hinweis.
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Ich wollte dich darauf hinweisen das du vermutlich einen semantischen Fehlschluss begehst.
Glaube ist ein Homonym, d.h. es hat mehrere Bedeutungen. Die Leute die meinen sie haben eine Weltanschauung, die ohne Glauben auskommen, meinen "Glauben" in der Bedeutung des englischen Wortes "faith". Natürlich haben sie glauben in dem Sinne das sie annahmen darüber haben, was sie für wahr und richtig halten.
hehehe hat folgendes geschrieben: |
Zitat: | Aber davon abgesehen, müssen wir gar keine Erkenntnisse darüber ableiten, wie wir leben wollen und wohin wir streben. Diese Fragen ergeben sich von selbst aus den unterschiedlichen Interessen unterschiedlicher Menschen. |
Und woher kommen die unterschiedlichen Interessen, wenn nicht aus Erkenntnissen darüber, wonach wir streben sollen?
JEDER Mensch, ausnahmslos jeder, trägt ein Welt- und Selbstbild herum, das ihm sagt, wonach er streben und wie er handeln soll, und dieses basiert IMMER auf unbewiesenen Annahmen bzw. auf GLAUBE.
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Ja von mir aus. Aber sie basieren nicht auf "faith".
hehehe hat folgendes geschrieben: |
Man tut gut daran, sich dessen bewusst zu sein, sonst läuft man schnell als Fanatiker herum, der in seinem Größenwahnsinn meint, alle seine Ansichten sein objektiv abgesichertes Wissen.
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Warum sollte dem so sein?
Weil du gerne willst, dass diese Leute mit dem Wort "Glauben" was anderes als "faith" meinen?
Faith wird in der Regel in dem Sinne eines (unerschütterlichen) Vertrauens in eine Entität (z.B.: Gott) und glauben an die selbe gebraucht.
hehehe hat folgendes geschrieben: |
Wenn ich diese Annahmen, die mein Selbst- und Weltbild konstituieren, nach dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand auszurichten versuche, so unterstelle ich damit immer noch die Zusatzannahme, dieser Erkenntnisstand würde bereits soviel von der Realität abdecken bzw. erfassen, dass es reicht, um ein realistisches Selbst- und Weltbild zu haben.
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Es ist schön das du das tun würdest.
Warum sollten die anderen das tun?
Ich bin z.B.: nur der Meinung das ich nicht mehr weiß, und keine andere Wahl habe als mich an diesem "Wissen" zu orientieren.
Allerdings hilft das bei normativen Entscheidungen eh nicht viel, da man aus deskriptiven Aussagen keine normativen Aussagen ableiten kann.
Die "Wissenschaft" kann aber Einschränkungen dafür auflegen, was sinnvolle normative Regeln sind.
Denn sollen impliziert können.
Man sollte also nicht fordern, dass etwas sein soll, wenn es aus wissenschaftlichen Gründen nicht sein kann. Dabei ist auch zu beachten das Wissenschaft immer nur unter Irrtumsvorbehalt aussagen macht.
Genau das bedutet es auch, wenn ich sage, ich richte mein Weltbild wissenschaftlich aus.
Mit deinen restlichen Einwendungen die gar nicht so falsch sind hat das schlicht nichts zu tun.
Das heißt, du kritisierst bei mir und vermutlich auch bei vielen anderen, etwas, was wir gar nicht vertreten.
Du hast uns einfach nicht richtig verstanden.
hehehe hat folgendes geschrieben: |
Auch wenn ich also versuche, mein Selbst- und Weltbild nach wissenschaftlichen Erkenntnissen zu gestalten, lege ich immer die (völlig unwissenschaftliche) Glaubensannahme zugrunde, dass das, was Wissenschaft HEUTE weiss, die Realität soweit abdeckt, dass alles Prinzipielle und Wichtige darin enthalten ist.
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Wie gesagt du hast das nicht richtig verstanden. Ich vermute aufgrund der oben angemerkten Homonymie.
hehehe hat folgendes geschrieben: |
Leider muss der Mensch aber auch HANDELN um leben zu können, und sobald er das tut, MUSS er so tun, als ob diese Annahmen auch der Realität entsprechen.
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Was hast das mit Wissenschaft zu tun?
Selbst mit wissenschaftlichem Weltbild kann man aus ihr keine normativen Regeln ableiten, ohne einen (naturalistischen) Fehlschluss zu begehen.
hehehe hat folgendes geschrieben: |
Wer also sein Handeln und seine Wertungen nach wissenschaftlicher Erkenntnis ausrichtet, der nimmt damit völlig willkürlich an, die Wissenschaft habe bis heute gerade ZUFÄLLIG diejenigen Fakten ans Tageslicht gebracht, die für richtiges Handeln und richtige Wertungen wesentlich sind. Mengentheoretisch ausgedrückt: Dass die Menge dessen, was die Wissenschaft über die Realität heute weiss, die Menge derjenigen Fakten enthält, die für ein richtiges Handeln notwendig sind; dass also in der Menge der Fakten, die sie noch nicht weiss, kein einziges Faktum drin ist, was dafür sorgen würde, dass ich mich anders entscheide bzw. anders werte.
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Wie gesagt das ist nicht richtig. Würdest du bitte damit aufhören anderen Denkfehler zu unterstellen, damit deine Argumentation funktioniert!
Wissenschaft alleine liefert nur ist beschreibugen.
Was man tun soll ist darin nicht enthalten. Die meisten Freigeister lehnen es schlicht ab, sich von anderen Entitäten (Götter,Priester,(heilige) Bücher) vorscheiben zu lassen was sie tun sollen.
Sie wollen das durch Reflektion der eigenen Wünsche sowie der Wünsche ihrer Mitmenschen und den Diskurs mit diesen Entscheiden.
Dabei kann man dann schon berücksichtigen, welche wünsche Menschen einfach aufgrund ihrer Biologischen Konstitution haben (essen, atmen, soziale Anerkennung, etc), sowie welche Mittel sie besitzen sich diese Wünsche zu erfüllen.
Darauf kann die Wissenschaft dann eine Antwort geben. Auch kann die Wissenschaft darauf Auskunft darüber geben, wie bestimmte Regelsysteme sich auswirken. Hiebei sind u.A. Geschichte und Spieltheorie wichtig. Also Wissenschaft um zu untersuchen ob unsere Normen zu den Resultaten führen zu den sie führen sollen.
Welche dieser Regelsysteme, die diese Bedingunen erfüllen, dann ausgewählt wird, ist in der Tat willkürlich. Das hast du völlig richtig erkannt.
Der Konflikt (Wissenschaft <-> Religion) der hier besteht, ist, dass viele von uns (mich eingeschlossen) aus Geschichtlichen oder Logisch/Spieltheoretischen Gründen, die meisten Religiösen Glaubenssysteme für nicht geeignet halten auch nur die schon durch unsere Biologie gegeben Bedürfnisse befriedigen zu können.
Sprich wir werfen der Religion vor das sie verlangt das sein soll, was aus Wissenschaftlichen gründen nicht sein kann.
Das führt unserer Meinung nach zu viel Leid, welches wir nur schwer ertragen können, da wir mit Mitgefühl ausgestattete Lebewesen sind.
Und von mir aus kannst du glauben was du willst, so lange du nicht wegen deines Glauben dinge tust, die andere (oder auch dich) unglücklich machen.
Grüße Eike
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CoS Antitheist
Anmeldungsdatum: 10.07.2005 Beiträge: 2734
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(#596417) Verfasst am: 04.11.2006, 02:42 Titel: |
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enpassant hat folgendes geschrieben: | Und was die "Axiome" und besagte Grundannahmen angeht, so müssen sie ganz notwendig die Bedingungen erfüllen, weder der Vernunft noch der Erfahrung zu widersprechen. |
Ganz genau! Beispielsweise - Wenn man einen Stein hochhält und dann loslässt, dann wird dieser Stein "wahrscheinlich" nach unten Fallen. Die Wissenschaft rechnet in Wahrscheinlichkeiten - Der Stein wird mit einer Wahrscheinlichkeit von 99% nach unten fallen und mit einer Wahrscheinlichkeit von 1% nach oben...
Religion hingegen würde behaupten, dass der Stein nach unten fällt, weil Gott (dessen Sohn übrigens Jesus hieß) das so will. Wenn jemand etwas anderes behauptet wird er als Ignorant bezeichnet, oder am besten gleich als Ketzer verbrannt - und jedes mal wenn der Stein dann nach unten fällt schreien sie "gelobet sei der Herr"...die Islamisten schreien "gelobet sei Allah" und die Heiden schreien "gelobet sei Zeus" - Danach treffen sie sich alle in einem großen Fussballstadion und kloppen sich so lange die Birne ein, bis nur eine Meinung übrig bleibt, während der Wissenschaftler analytisch erklärt woran es wirklich lag, dass der Stein nach unten gefallen ist!
_________________ "Wenn Sie mich suchen, ich halte mich in der Nähe des Wahnsinns auf, genauer gesagt auf der schmalen Linie zwischen Wahnsinn und Panik, gleich um die Ecke von Todesangst, nicht weit weg von Irrwitz und Idiotie!"
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hehehe registrierter User
Anmeldungsdatum: 26.07.2006 Beiträge: 674
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(#596663) Verfasst am: 04.11.2006, 18:45 Titel: |
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Zitat: | Der Stein wird mit einer Wahrscheinlichkeit von 99% nach unten fallen und mit einer Wahrscheinlichkeit von 1% nach oben... |
Ich komm manchmal aus dem Lachen nicht mehr raus...
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Surata auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 29.03.2005 Beiträge: 17383
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(#596666) Verfasst am: 04.11.2006, 18:50 Titel: |
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hehehe hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Der Stein wird mit einer Wahrscheinlichkeit von 99% nach unten fallen und mit einer Wahrscheinlichkeit von 1% nach oben... |
Ich komm manchmal aus dem Lachen nicht mehr raus... |
Es ist nicht höflich zu lachen, wenn man den Witz nicht verstanden hat
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Ermanameraz auf Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 07.05.2006 Beiträge: 3932
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(#596690) Verfasst am: 04.11.2006, 19:24 Titel: |
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CoS hat folgendes geschrieben: | enpassant hat folgendes geschrieben: | Und was die "Axiome" und besagte Grundannahmen angeht, so müssen sie ganz notwendig die Bedingungen erfüllen, weder der Vernunft noch der Erfahrung zu widersprechen. |
Ganz genau! Beispielsweise - Wenn man einen Stein hochhält und dann loslässt, dann wird dieser Stein "wahrscheinlich" nach unten Fallen. Die Wissenschaft rechnet in Wahrscheinlichkeiten - Der Stein wird mit einer Wahrscheinlichkeit von 99% nach unten fallen und mit einer Wahrscheinlichkeit von 1% nach oben...
Religion hingegen würde behaupten, dass der Stein nach unten fällt, weil Gott (dessen Sohn übrigens Jesus hieß) das so will. Wenn jemand etwas anderes behauptet wird er als Ignorant bezeichnet, oder am besten gleich als Ketzer verbrannt - und jedes mal wenn der Stein dann nach unten fällt schreien sie "gelobet sei der Herr"...die Islamisten schreien "gelobet sei Allah" und die Heiden schreien "gelobet sei Zeus" - Danach treffen sie sich alle in einem großen Fussballstadion und kloppen sich so lange die Birne ein, bis nur eine Meinung übrig bleibt, während der Wissenschaftler analytisch erklärt woran es wirklich lag, dass der Stein nach unten gefallen ist! |
nö, Heiden machen da nicht wirklich mit. Und offenbnar ist überwiegend der Monotheismus (haupts Christentum) übriggeblieben, wie man unschwer erkennen kann.
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