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Wolf registrierter User
Anmeldungsdatum: 23.08.2004 Beiträge: 16610
Wohnort: Zuhause
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(#1445979) Verfasst am: 18.03.2010, 15:09 Titel: Michael Winterhoff Thesen |
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Hat gestern jemand SternTV gesehen?
Der deutsche Kinder- u. Jugendpsychiater stellte seine Thesen vor und warb für sein neues Buch.
Ich versuche mal seine zentralen Aussagen wieder zugeben:
Dadurch, dass die Kinder als gleichwertig betrachtet werden (als kleine Erwachsene die mitreden dürfen) und nicht als Kinder(die zu gehorchen) haben. Bleiben die Kinder in ihrem Reifegrad stecken. Viele der heutigen Auszubildenden hat einen Reifegrad von fünfjährigen.
Das Äußert sich durch ihre Selbstüberschätzung(so wollen sich die Jugendlich in einem Bewerbungsgespräch besser darstellen als sind). Sind unfähig sich zur Arbeit zu überwinden, Regeln einzuhalten usw. .
Wiki MWs Thesen hat folgendes geschrieben: | Das Kind wird als kleiner Erwachsener behandelt (Kind als Partner); der Erwachsene entwickelt das Bedürfnis, vom Kind geliebt zu werden (Projektion); das Kind wird im Rahmen einer psychischen Verschmelzung ein Teil des Erwachsenen (Symbiose).[1] Dadurch komme es zu einer Machtumkehr, die dem Kind die Chance auf eine gesunde Entwicklung verbaue.
[...]
Der emotionale Missbrauch unserer Kinder unter dem Deckmantel eines partnerschaftlichen Umgangs wird zur Anfrage an die kulturelle Lebensfähigkeit unserer Gesellschaft
[...]
Nur wenn unsere Kinder wieder wie Kinder behandelt werden, können sie in einem positiven Sinne lebensfähig werden.
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_________________ Trish:(
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44649
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(#1445983) Verfasst am: 18.03.2010, 15:17 Titel: |
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Ich war selbst für einige Jahre bei Michael Winterhoff in Behandlung.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Evilbert auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 16.09.2003 Beiträge: 42408
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(#1446023) Verfasst am: 18.03.2010, 16:34 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Ich war selbst für einige Jahre bei Michael Winterhoff in Behandlung. |
Und hat es was gebracht?
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Telliamed registrierter User
Anmeldungsdatum: 05.03.2007 Beiträge: 5125
Wohnort: Wanderer zwischen den Welten
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(#1446026) Verfasst am: 18.03.2010, 16:49 Titel: |
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Ich vermisse einen Hinweis darauf, wie verbreitet dieser kritisierte Umgang mit Kindern ist.
Werden die Kinder wirklich flächendeckend "als kleine Erwachsene behandelt", von Kap Arkona bis zur Zugspitze, von der Oder bis zur Saar?
Zitat: | Der emotionale Missbrauch unserer Kinder unter dem Deckmantel eines partnerschaftlichen Umgangs wird zur Anfrage an die kulturelle Lebensfähigkeit unserer Gesellschaft |
Ich habe dieses "unsere" fett markiert, das auch in anderen Zusammenhängen auftaucht, wenn unbekümmert eine ganze Gesellschaft, eine ganze Generation charakterisiert werden sollen.
Vorsichtig vermute ich, dass hier ein gewisser Erziehungsstil gemeint ist, der sich in gewissen gesellschaftlichen Kreisen Westdeutschlands (vornehmlich Intelligenz) seit der zweiten Hälfte der 1960er Jahre durchsetzte.
Aber sind diese Befunde wirklich von gesamtgesellschaftlicher Relevanz?
In den 1960/70er Jahren waren in den Handbüchern der Erziehung drei Erziehungsstile festgehalten: "autoritär", "demokratisch" und "laissez faire", alles mit Mischungen. Schwer zu sagen, wie weit die sich damals im Landesmaßstab durchzusetzen begannen.
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Effô Tisetti Königsblau bis in den Tod
Anmeldungsdatum: 18.09.2003 Beiträge: 9920
Wohnort: 75
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(#1446039) Verfasst am: 18.03.2010, 17:06 Titel: Re: Michael Winterhoff Thesen |
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Wiki MWs Thesen hat folgendes geschrieben: | Das Kind wird als kleiner Erwachsener behandelt (Kind als Partner); der Erwachsene entwickelt das Bedürfnis, vom Kind geliebt zu werden (Projektion); das Kind wird im Rahmen einer psychischen Verschmelzung ein Teil des Erwachsenen (Symbiose).[1] Dadurch komme es zu einer Machtumkehr, die dem Kind die Chance auf eine gesunde Entwicklung verbaue.
[...]
Der emotionale Missbrauch unserer Kinder unter dem Deckmantel eines partnerschaftlichen Umgangs wird zur Anfrage an die kulturelle Lebensfähigkeit unserer Gesellschaft
[...]
Nur wenn unsere Kinder wieder wie Kinder behandelt werden, können sie in einem positiven Sinne lebensfähig werden.
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Das ist genau das Problem, das ich mit Psycho-"Experten" habe: Wieviele völlig vagen bzw. breit interpretierbare Begriffe enthalten allein diese wenigen Zeilen? Sobald man konkret und hartnäckig nachfragt, was es mit diesen Begriffen auf sich hat und gar noch nach entsprechender Faktenbasis für derartige Behauptungen fragt, lösen sich die ganzen schönen Thesen völlig in Luft auf. M.E. ist das nichts anderes als elaboriertes Stammtischgerede. Oder mag mir mal irgendjemand wissenschaftlich fundierte Kriterien nennen, anhand derer man genau bestimmen könnte, wann genau ein "Kind im Rahmen einer psychischen Verschmelzung ein Teil des Erwachsenen" geworden ist? Was ist eine "Machtumkehr"? Was ist eine "gesunde Entwicklung"? Was ist die "kulturelle Lebensfähigkeit unserer Gesellschaft"? Wann ist man "in einem positiven Sinne lebensfähig"?
Das ist bestenfalls säkulare Theologie.
_________________ "Die einfache Formel: Jesus ist stärker! hilft Menschen, sich aus der Fixierung völlig irrationaler Wertesysteme zu lösen."
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Konrad auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 01.06.2007 Beiträge: 1528
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(#1446112) Verfasst am: 18.03.2010, 19:16 Titel: Re: Michael Winterhoff Thesen |
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Wolf hat folgendes geschrieben: | ... Viele der heutigen Auszubildenden hat einen Reifegrad von fünfjährigen.
Das Äußert sich durch ihre Selbstüberschätzung(so wollen sich die Jugendlich in einem Bewerbungsgespräch besser darstellen als sie sind). |
Jugendliche? Das ist doch mittlerweile bei den meisten Bewerbungsgesprächen für Kaderpositionen der Standard. Den Jugendlichen wird doch dieses Verhalten von sogenannten "Leistungsträgern" bis zum Erbrechen vorgelebt. Und jetzt wundert sich irgend ein Psychofuzzy darüber?
Und der Satz mit den Fünfjährigen ist nur dämlich! Im Vergleich mit welchen Fünfjährigen? Von heute? Oder aus dem dreissigjährigen Krieg? Wie definiert der Mann überhaupt Reifegrad?
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DeHerg nun schon länger Ranglos
Anmeldungsdatum: 28.04.2007 Beiträge: 6525
Wohnort: Rostock
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(#1446218) Verfasst am: 18.03.2010, 21:28 Titel: Re: Michael Winterhoff Thesen |
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Konrad hat folgendes geschrieben: | Wolf hat folgendes geschrieben: | ... Viele der heutigen Auszubildenden hat einen Reifegrad von fünfjährigen.
Das Äußert sich durch ihre Selbstüberschätzung(so wollen sich die Jugendlich in einem Bewerbungsgespräch besser darstellen als sie sind). |
Jugendliche? Das ist doch mittlerweile bei den meisten Bewerbungsgesprächen für Kaderpositionen der Standard. Den Jugendlichen wird doch dieses Verhalten von sogenannten "Leistungsträgern" bis zum Erbrechen vorgelebt. Und jetzt wundert sich irgend ein Psychofuzzy darüber? | gegen ende der Realschule hatten wir auch extra eine Art eintägige Schulung beim Arbeitsamt, wie man sich beim Vorstellungsgespräch "am besten Verkauft"(am besten darstellt), incl Informationsmappe, Rollenspiel und allem drum und dran.
Soll sich ja keiner erzählen lassen das wäre irgendein psychologischer Effekt oder so, genau das wird so verlangt und trainiert(und nicht nur vorgelebt).
_________________ Haare spalten ist was für Grobmotoriker
"Leistung muss sich wieder lohnen"<--purer Sozialismus
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Nani registrierter User
Anmeldungsdatum: 08.08.2008 Beiträge: 2202
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(#1446222) Verfasst am: 18.03.2010, 21:35 Titel: Re: Michael Winterhoff Thesen |
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Wolf hat folgendes geschrieben: |
Dadurch, dass die Kinder als gleichwertig betrachtet werden |
Interessante Wortwahl.
Also wenn nicht gleichwertig, soll ich Kinder als weniger Wert betrachten?
Wolf hat folgendes geschrieben: | (als kleine Erwachsene die mitreden dürfen) |
Wo genau liegt das Problem, wenn ein Kind mitreden/ seine Meinung äußern darf?
Und wo liegt der Unterschied, ob jemand als Erwachsener, als Kind oder als kleiner Erwachsener mitreden darf?
Wiki MWs Thesen hat folgendes geschrieben: | Das Kind wird als kleiner Erwachsener behandelt (Kind als Partner); |
Es gibt imo einen großen Unterschied, ob ich einem Kind dieselben Rechte einräume,
wie einem Erwachsenen einräume (schlimm übrigens, dass ich es in seinen Rechten beschneiden darf)
oder
Wiki MWs Thesen hat folgendes geschrieben: | der Erwachsene entwickelt das Bedürfnis, vom Kind geliebt zu werden (Projektion); |
ob ich es als Partnerersatz mißbrauche.
Was der Begriff Projektion in diesem Zusammenhang bedeuten soll, wird mir ohnehin nicht klar.
Wiki MWs Thesen hat folgendes geschrieben: | das Kind wird im Rahmen einer psychischen Verschmelzung ein Teil des Erwachsenen (Symbiose).[1] Dadurch komme es zu einer Machtumkehr, die dem Kind die Chance auf eine gesunde Entwicklung verbaue.
[...] |
Ich denke in einer gesunden, gleichwertigen Beziehung hat niemand über den anderen Macht,
warum das für eine Beziehung zu Kindern nicht gilt, .
Zu Symbiose fand ich z.B. diesen Artikel
http://www.hr-online.de/website/specials/wissen/index.jsp?rubrik=6570&key=standard_document_28140422
Zitat: | Symbiose, ein griechisches Wort, heißt wörtlich übersetzt: zusammen leben. Gemeint ist das Zusammenleben zweier Lebewesen zum beiderseitigen Nutzen.
[...]
Die moderne Bindungsforschung hat gezeigt: Besonders Menschen mit traumatischen Kindheitserfahrungen können sich nur schwer von ihren Eltern lösen und bleiben oft auf tragische Weise gebunden. Denn wenn das grundlegende Bedürfnis nach Schutz und Sicherheit nicht erfüllt ist, richtet der Mensch seine gesamte psychische Aktivität darauf aus, die ersehnte Nähe dennoch herzustellen. Anpassung und Abhängigkeit sind die Folgen. |
Wiki MWs Thesen hat folgendes geschrieben: | Nur wenn unsere Kinder wieder wie Kinder behandelt werden, können sie in einem positiven Sinne lebensfähig werden. |
Wenn ich sie also, liebe, respektiere und begleite?
Aber "Kinder wieder wie Kinder behandeln" bedeutet für Winterhoff wohl eher,
dass ich sie als Befehlsempfänger behandel.
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I.R auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 08.10.2006 Beiträge: 9142
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(#1446239) Verfasst am: 18.03.2010, 22:02 Titel: Re: Michael Winterhoff Thesen |
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Wolf hat folgendes geschrieben: | Hat gestern jemand SternTV gesehen? |
Habe ich. War aber zu müde, mich über diesen Schwachsinn aufzuregen.
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Wolf registrierter User
Anmeldungsdatum: 23.08.2004 Beiträge: 16610
Wohnort: Zuhause
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(#1446267) Verfasst am: 18.03.2010, 23:25 Titel: Re: Michael Winterhoff Thesen |
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I.R hat folgendes geschrieben: | Wolf hat folgendes geschrieben: | Hat gestern jemand SternTV gesehen? |
Habe ich. War aber zu müde, mich über diesen Schwachsinn aufzuregen. |
Deswegen habe ich es erst heute gepostet.
_________________ Trish:(
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Shadaik evolviert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 26377
Wohnort: MG
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(#1446352) Verfasst am: 19.03.2010, 08:48 Titel: Re: Michael Winterhoff Thesen |
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Wolf hat folgendes geschrieben: | Hat gestern jemand SternTV gesehen?
Der deutsche Kinder- u. Jugendpsychiater stellte seine Thesen vor und warb für sein neues Buch.
Ich versuche mal seine zentralen Aussagen wieder zugeben:
Dadurch, dass die Kinder als gleichwertig betrachtet werden (als kleine Erwachsene die mitreden dürfen) und nicht als Kinder(die zu gehorchen) haben. | Was zum Teufel heisst das überhaupt?
Aber die These ist nachprüfbar, ein solcher Umgang mit Kindern (Kinder sind kleine Erwachsene) gilt nämlich als ein soziales Merkmal des viktorianischen Zeitalters in England. Wenn man jetzt noch nachweisen kann, dass die viktorianischen Engländer ales verzogene Drecksbratzen waren, ist alles klar .
_________________ Fische schwimmen nur in zwei Situationen mit dem Strom: Auf der Flucht und im Tode
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astarte Foren-Admin

Anmeldungsdatum: 13.11.2006 Beiträge: 46545
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(#1446367) Verfasst am: 19.03.2010, 10:30 Titel: Re: Michael Winterhoff Thesen |
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Effô Tisetti hat folgendes geschrieben: | M.E. ist das nichts anderes als elaboriertes Stammtischgerede. | Jep.
_________________ Tja
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44649
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(#1446368) Verfasst am: 19.03.2010, 10:38 Titel: |
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Noseman hat folgendes geschrieben: | Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Ich war selbst für einige Jahre bei Michael Winterhoff in Behandlung. |
Und hat es was gebracht? |
Ja, er war der erste, der mir helfen konnte oder auch nur zu 'ner vernünftigen Diagnose kam.
(Ich hab' 'ne sehr schwache Form des Asperger Syndroms.)
Dass etwas mehr Disziplin den Kindern nicht schlecht tun würde, sehe ich auch so. Allerdings meine ich (vermutlich anders als er, ich hab' sein Buch nicht gelesen) mit Disziplin nicht einfach Gehorsam. Gewisse Probleme an der modernen Erziehungspraxis sehe ich aber auch. Man könnte sich z.B. einen Vater vorstellen, der sagt: "Deine Großmutter hat Geburtstag, sie will, dass wir kommen, also kommst du mit, ob du willst oder nicht." Ein anderer hingegen sagt: "Du weisst, dass deine Großmutter dich sehr lieb hat und sich sehr freuen würde, wenn du mitkämst. Aber wenn du nicht willst, dann musst du natürlich nicht." Den zweiten Fall sehe ich in der Tat als problematischer an, weil er emotionalen Druck ausübt. Im ersten Falle bekommt das Kind nicht seinen Willen, aber sein Wille selbst bleibt ihm als nach wie vor widerständiger Teil der eigenen Persönlichkeit erhalten. Im zweiten Falle beginnt das Kind, sich für seinen eigenen Willen zu schämen. Aber die Frage ist, ob es nicht noch andere Möglichkeiten jenseits des bloßen autoritären Verordnens einerseits und der Verwendung emotionalen Drucks andererseits gibt.
Für mich gibt es übrigens auch so etwas wie eine Disziplin der Freiheit. (Man könnte sogar von Strategien der Freiheit sprechen.)
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Nani registrierter User
Anmeldungsdatum: 08.08.2008 Beiträge: 2202
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(#1446385) Verfasst am: 19.03.2010, 11:43 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: |
Dass etwas mehr Disziplin den Kindern nicht schlecht tun würde, sehe ich auch so. |
Was meinst du damit genau?
Mehr Disziplin als ...?
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Gewisse Probleme an der modernen Erziehungspraxis sehe ich aber auch. |
Ich sehe, dass es heute eine große Unsicherheit im Umgang mit Kindern gibt,
sonst hätten die vielen verschiedenen Erziehungsratgeber keinen so großen Erfolg.
Mein Problem mit Winterhoff ist das Bild, dass er vom Kind zeichnet (Tyrann etc),
was er als "normal entwickelt" darstellt:
Zitat: | Ein fünfjähriges Kind würde jeden Auftrag gerne und gleich für die Mutter erledigen.
[...] |
und aus was er alles ein Erziehungsproblem macht:
Zitat: | Wenn Sie ein Kind als Kind sehen, werden Sie selbstverständlich zwölf Jahre leisten, bis das Kind duschen kann. Sie müssen ja sehen: Wir duschen automatisch. Wenn Sie mich fragen: Haben Sie sich die Schulter gewaschen?, kann ich Ihnen beruhigender Weise sagen: Ja! Aber ich bin während des Duschens in Gedanken. Das heißt, eine Mutter, die das Kind als Kind sieht, wird es fünf Jahre baden. Zwischen fünf und sieben wird sie Anleitung geben, daneben stehen, und zwischen sieben und zwölf kommt sie immer wieder dazu: Du hast noch Shampoo im Haar! Du musst die Füße waschen! Komm wir schneiden die Fußnägel! Eine Mutter, die das Kind als Partner sieht, wird erklären. Der Fünfjährige wird sagen: Mama, ich kann schon duschen! Er wird auch sehr gut duschen, weil er ja der Mama beweisen will, dass er duschen kann. Aber in Wirklichkeit kann er nicht duschen und die Mama schickt ab dann den Partner nur noch zum Duschen. Ergebnis ist: Ich untersuche sehr viele Kinder heute aus besten Elternhäusern, die letztendlich nicht wirklich geduscht sind.
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Beide Zitate von hier:
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/793369/
Die von dir beschriebene Erziehung mit emotionalem Druck sehe ich auch sehr problematisch.
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Aber die Frage ist, ob es nicht noch andere Möglichkeiten jenseits des bloßen autoritären Verordnens einerseits und der Verwendung emotionalen Drucks andererseits gibt. |
Und hier komme ich wieder zu Winterhoff.
Ich nehme als Beispiel noch einmal eine Stelle aus dem bereits oben verlinkte Interview von ihm.
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/793369/
Zitat: | Übertragen wir die Verhältnisse von heute auf Tennis, wäre das ein Trainer, der würde Ihnen erklären, wie man Tennis spielt. Er spielt Ihnen ein paar Mal vor und erwartet dann, dass Sie Tennisspielen können. Und wenn Sie dann den Ball nicht übers Netz schlagen, ist er enttäuscht oder sagt, Sie taugen nichts. So geht man heute in vielen Bereichen mit Kindern um und wundert sich dann, dass diese psychischen Funktionen sich nicht bilden. |
Dieses Beispiel übertragen auf Erziehung fände ich als Umgang mit Kindern auch sehr bedenklich.
Allerdings behauptet er, dass das Problem der partnerschaftliche Umgang mit Kindern ist
und sein Beispiel hat überhaupt nichts mit partnerschaftlicher Beziehung zu tun.
Der Weg zwischen autoritärer Erziehung, emotionaler Erpressung und absolutem laissez-faire
ist für mich ein gleichberechtigter Umgang zwischen Erwachsenen und Kindern.
(Der Ausdruck "gleichberechtigter Umgang" wird gerne falsch verstanden und mit laissez-faire gleichgesetzt. )
In deinem Beispiel mit dem Großmutter-Geburtstagsbesuch könnte das bedeuten:
"Die Großmutter hat Geburtstag. Möchtest du mitkommen?"
oder
Eltern: "Die Großmutter hat Geburtstag und ich möchte hinfahren."
Kind: "Ich will nicht hin."
Dann kann man gemeinsam überlegen, ob und welche Alternativen es gibt.
(Wo bleibt das Kind, wenn es noch nicht alleine bleiben kann, warum will es nicht mit?
Vielleicht mag es gerne die Oma besuchen, hat aber Angst vor dem Nachbarhund.
Vielleicht ist es das einzige Kind dort und langweilt sich,
dann könnte man einen kürzeren Besuch vereinbaren oder Beschäftigungssachen für's Kind mitnehmen.)
Dazu gehört dann z.B. dass man rechtzeitig miteinander plant, was alle angeht
und nicht beim Frühstück verkündet, dass heute ab 14Uhr Omas Geburtstag gefeiert wird.
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Für mich gibt es übrigens auch so etwas wie eine Disziplin der Freiheit. (Man könnte sogar von Strategien der Freiheit sprechen.) |
Magst du das näher erklären?
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44649
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(#1446392) Verfasst am: 19.03.2010, 12:23 Titel: |
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Nani hat folgendes geschrieben: | Dann kann man gemeinsam überlegen, ob und welche Alternativen es gibt. |
Ab einem gewissen Punkt vielleicht. Man sollte aber nicht vergessen, wie viel das Kind schon können muss, damit man so etwas tun kann. Ich will sicher nicht Winterhoffs Theorien verteidigen, aber die Sache mit dem Tennis kann ich recht gut nachvollziehen.
Nani hat folgendes geschrieben: | Magst du das näher erklären? |
Das wird auf die Schnelle nicht ganz einfach. Aber z.B. heißt Freiheit ja nicht Ziellosigkeit. Vielleicht wird es am deutlichsten, wenn man sich klar macht, dass Emanzipation ein Prozess ist, der nicht ohne Widerstände ablaufen kann. Wenn ich nicht lerne, mit Schwierigkeiten und Widerständen umzugehen, dann werde ich auch nicht in der Lage sein, mir selbstständig Ziele zu setzen.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Nani registrierter User
Anmeldungsdatum: 08.08.2008 Beiträge: 2202
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(#1446665) Verfasst am: 19.03.2010, 22:02 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Nani hat folgendes geschrieben: | Dann kann man gemeinsam überlegen, ob und welche Alternativen es gibt. |
Ab einem gewissen Punkt vielleicht. Man sollte aber nicht vergessen, wie viel das Kind schon können muss, damit man so etwas tun kann. |
Ich hab immer den Eindruck, dass meine Beschreibungen so aufgenommen werden, als würde alles ewig lang aus- und rumdiskutiert.
Im Alltag läuft das viel selbstverständlicher.
Auch ein zweijähriges Kind sagt nein, wenn es z.B. nicht vom Spielplatz nach Hause möchte.
Da fange ich natürlich nicht an es "pädagogisch wertvoll" zuzuquatschen um mit ihm eine Alternative auszuarbeiten.
Aber ich nehme ernst, dass es nicht gehen will.
Dann kann ich erklären, dass wir aber _jetzt_ gehen müssen, weil ...
(Wie ich das dann durchsetze ist eine andere Frage, idR geht das aber ohne autoritäres befehlen,
wenn ich nicht darauf bestehe, dass wir im selben Moment in dem ich es ausspreche den Spielplatz verlassen.
Für mich ist es ohnehin selbstverständlich, dass ich vorher dem Kind Bescheid sage,
wenn ich weiß, dass wir bald gehen müssen)
oder
ich kann sagen, dass ich noch ein bißchen bleibe, wir aber gleich gehen müssen
und ich schon anfange alles zusammenzupacken
oder
ich erzähle, was wir als nächstes machen, oft findet das Kind das interessant genug und kommt mit
oder
ich merke, dass ich nur rumstresse, obwohl gar nichts wichtiges mehr anliegt,
dann setze ich mich in die Sonne und genieße die Pause.
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Ich will sicher nicht Winterhoffs Theorien verteidigen, aber die Sache mit dem Tennis kann ich recht gut nachvollziehen. |
Wenn ich den Erzieher mit einem Tennislehrer vergleiche,
kann ich mir natürlich Gedanken darüber machen mit welchen Maßnahmen
(Kontrolle, Motivation, Erklärungen, Wiederholungen, Vormachen, ausprobieren lassen)
der Schüler am besten Tennisspielen lernt.
Ich persönlich würde allerdings einfach 2 Tennisschläger und einen Ball nehmen und anfangen zu spielen.
Während des Spiels bin ich da und kann erklären, Fragen beantworten und Hilfestellung geben.
Was Winterhoff aber behauptet ist, dass gleichberechtigter Umgang bedeutet,
dass ich erkläre und eventuell vorlebe, aber ansonsten das Kind sich selbst überlasse.
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44649
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(#1448924) Verfasst am: 23.03.2010, 19:09 Titel: |
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Nani hat folgendes geschrieben: | Dann kann ich erklären, dass wir aber _jetzt_ gehen müssen, weil ... |
Um es mit den Worten Ludwig Wittgensteins zu sagen: Die Begründungen haben ein Ende.
Die Beziehung zwischen Eltern und Kind ist immer bis zu einem gewissen Grad asymmetrisch.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Nani registrierter User
Anmeldungsdatum: 08.08.2008 Beiträge: 2202
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(#1449091) Verfasst am: 24.03.2010, 03:38 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: |
Die Beziehung zwischen Eltern und Kind ist immer bis zu einem gewissen Grad asymmetrisch. |
Na sicher ist sie das. Die Frage ist doch nur, wie ich damit umgehe.
Ich kann meine "Überlegenheit" dazu nutzen, meine Bedürfnisse durchzusetzen
und das Kind zum Befehlsempfänger machen
(Das ist es, was ich bei Winterhoff herauslese.)
oder ich kann sie für die Erfüllung der Bedüfnisse des Kindes einsetzen,
bzw die Bedürfnisse aller Beteiligten gleichwertig behandeln.
Es gibt nicht für jede Situation den perfekten Kompromiss,
aber den gibt es auch nicht immer zwischen Erwachsenen.
Mich stört, wenn Erziehung als Kampf zwischen Erwachsenen und Kindern
dargestellt (und viel zu oft auch gelebt) wird.
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44649
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(#1449113) Verfasst am: 24.03.2010, 10:11 Titel: |
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Nani hat folgendes geschrieben: | ich kann sie für die Erfüllung der Bedüfnisse des Kindes einsetzen |
Die Frage ist doch: Was sind die Interessen des Kindes und wie finde ich sie heraus? Das Kind zu fragen reicht nämlich nicht, weil es Unterschiede gibt zwischen meinem unmittelbaren Bedürfnis und dem, was langfristig in meinem Interesse liegt, und auch diese Unterscheidung muss man erst lernen. Es liegt beispielsweise im Interesse des Kindes, Triebkontrolle zu lernen, aber per Definitionem nicht in seinem jeweiligen unmittelbaren Bedürfnis. Tatsächlich beginnt die Asymmetrie zwischen Eltern und Kind bereits bei der Erkenntnisfähigkeit hinsichtlich der Frage, wann Bedürfnisbefriedigung vernünftigerweise im eigenen Interesse liegen kann und was nicht.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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astarte Foren-Admin

Anmeldungsdatum: 13.11.2006 Beiträge: 46545
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(#1449135) Verfasst am: 24.03.2010, 10:57 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Nani hat folgendes geschrieben: | ich kann sie für die Erfüllung der Bedüfnisse des Kindes einsetzen |
Die Frage ist doch: Was sind die Interessen des Kindes und wie finde ich sie heraus? Das Kind zu fragen reicht nämlich nicht, weil es Unterschiede gibt zwischen meinem unmittelbaren Bedürfnis und dem, was langfristig in meinem Interesse liegt, und auch diese Unterscheidung muss man erst lernen. Es liegt beispielsweise im Interesse des Kindes, Triebkontrolle zu lernen, aber per Definitionem nicht in seinem jeweiligen unmittelbaren Bedürfnis. Tatsächlich beginnt die Asymmetrie zwischen Eltern und Kind bereits bei der Erkenntnisfähigkeit hinsichtlich der Frage, wann Bedürfnisbefriedigung vernünftigerweise im eigenen Interesse liegen kann und was nicht. |
Wer Kinder hat und sich ein bisschen einlässt, bisschen Einblick ins Denken und Fühlen von sich und anderen hat, der merkt:
es ist gar nicht so schwer, es ist auch gar nicht weit auseinander, denn die Bedürfnisse und Interessen und das verhalten des Kindes sind nicht groß unterschiedlich zum eigenen.
_________________ Tja
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Nani registrierter User
Anmeldungsdatum: 08.08.2008 Beiträge: 2202
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(#1449202) Verfasst am: 24.03.2010, 14:28 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Nani hat folgendes geschrieben: | ich kann sie für die Erfüllung der Bedüfnisse des Kindes einsetzen |
Die Frage ist doch: Was sind die Interessen des Kindes und wie finde ich sie heraus? |
Ich sprach von Bedürfnissen, du springst zu Interessen des Kindes.
Wie willst du denn beurteilen, was im langfristigen Interesse eines anderen Menschen liegt?
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Das Kind zu fragen reicht nämlich nicht, |
Doch, weil ...
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | weil es Unterschiede gibt zwischen meinem unmittelbaren Bedürfnis und dem, was langfristig in meinem Interesse liegt, |
... ich nicht entscheiden will/ kann, was langfristig im Interesse eines anderen Menschen liegt.
Also beschränke ich meine Aktion nur auf das jetzt.
Und auf das jetzt bezogen kann das Kind (von Geburt an) immer seine Wünsche und Bedürfnisse ausdrücken.
Dann kann ich/ können wir weitersehen, ob und wie unsere Bedürfnisse miteinander vereinbar sind.
(Auch kein Unterschied zu Beziehungen zwischen Erwachsenen.)
Da andere es besser erklärt haben, als ich es je könnte:
http://wiki.bildung-schadet-nicht.de/index.php?title=Antip%C3%A4dagogik_for_beginners&printable=yes
unter "die Paradoxien der Erziehung" - "Zeitliche Perspektiven im Umgang mit Menschen"
ist es zusammengefasst.
(Bei (13) ist im verlinkten Text wohl ein Fehler unterlaufen, wenn ich mich recht erinnere
steht im Original von Ekkehard von Braunmühl "Einbruch" statt "Einkauf".)
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | und auch diese Unterscheidung muss man erst lernen. |
Und das lernt mensch nur wenn ... ?
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Es liegt beispielsweise im Interesse des Kindes, Triebkontrolle zu lernen, aber per Definitionem nicht in seinem jeweiligen unmittelbaren Bedürfnis. |
Kannst du das konkreter ausführen?
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Tatsächlich beginnt die Asymmetrie zwischen Eltern und Kind bereits bei der Erkenntnisfähigkeit hinsichtlich der Frage, wann Bedürfnisbefriedigung vernünftigerweise im eigenen Interesse liegen kann und was nicht. |
Bedürfnissbefriedigung, die nicht die eigenen Grenzen oder die Grenzen anderer überschreitet,
liegt immer im eigenen Interesse.
Oder hast du ein Beispiel im Kopf auf das das nicht zutrifft?
Es gibt eventuell Extremsituationen auf die das nicht zutreffen könnte,
aber im Alltag dürfte eine solche Situation kaum auftreten.
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44649
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(#1449223) Verfasst am: 24.03.2010, 15:59 Titel: |
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Nani hat folgendes geschrieben: | Doch, weil ich nicht entscheiden will/kann, was langfristig im Interesse eines anderen Menschen liegt. |
Dass du es nicht willst, mag ich dir glauben, und dass du es nicht kannst, ist gar nicht der Punkt, weil du das als Erziehender sowieso ganz unvermeidbar tust. Auch entscheiden zu können, was langfristig im eigenen Interesse liegt, muss man nämlich erst lernen. Das Problem ist also nicht, dass Eltern das nicht entscheiden könnten. Sie tun es bis zu einem gewissen Grad (und Zeitpunkt) sowieso immer, ob sie können oder nicht. Die Frage ist, ob sie dafür die Verantwortung übernehmen.
Nani hat folgendes geschrieben: | Oder hast du ein Beispiel im Kopf auf das das nicht zutrifft? |
Ja. Wenn ich z.B. im Schulunterricht ständig zur Toilette renne, liegt das nicht in meinem Interesse. Sogar noch nicht mal nur langfristig nicht.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Nani registrierter User
Anmeldungsdatum: 08.08.2008 Beiträge: 2202
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(#1449390) Verfasst am: 24.03.2010, 21:22 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Nani hat folgendes geschrieben: | Doch, weil ich nicht entscheiden will/kann, was langfristig im Interesse eines anderen Menschen liegt. |
Dass du es nicht willst, mag ich dir glauben, und dass du es nicht kannst, ist gar nicht der Punkt, weil du das als Erziehender sowieso ganz unvermeidbar tust. |
Natürlich beeinflußen die Entscheidungen, die im jetzt getroffen werde teilweise das spätere Leben der Beteiligten.
Mir geht es darum, dass ich die späteren möglichen Folgen einer Entscheidung nicht zur Entscheidungsgrundlage mache,
weil ich nicht wissen kann, welche Richtung das spätere Leben des Kindes letztendlich nimmt.
(edit: das meinte ich mit "ich kann nicht entscheiden, was im langfristigen Interesse eines anderen liegt.)
Es gibt z.B. Eltern, die ihre Kinder jetzt zum Fußballtraining/ Instrumentenunterricht/ etc zwingen,
damit die Kinder später erfolgreiche Sportler/ Musiker/ what ever werden.
Damit treffen sie im Jetzt eine Entscheidung, die ihrer Meinung nach
im zukünftigen Interesse des Kindes (erfolgreicher was-auch-immer zu werden) liegt,
obwohl das Kind im Jetzt gar keine Lust auf die verordnete Tätigkeit hat.
Ich würde ein Kind ebenfalls zum Fußballtraining gehen lassen, wenn das Kind das jetzt gerne möchte,
ohne Voraussagen über die möglichen späteren Folgen
(Kind wird erfolgreicher Fußballer, Kind bricht sich beim Training den Fuß) zu treffen.
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Auch entscheiden zu können, was langfristig im eigenen Interesse liegt, muss man nämlich erst lernen. |
Kinder lernen das täglich durch Versuch (und manchmal Irrtum).
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Nani hat folgendes geschrieben: | Oder hast du ein Beispiel im Kopf auf das das nicht zutrifft? |
Ja. Wenn ich z.B. im Schulunterricht ständig zur Toilette renne, liegt das nicht in meinem Interesse. Sogar noch nicht mal nur langfristig nicht. |
Dieses Beispiel ist für mich ungefähr so als würdest du anführen,
dass herumrennen im Gottesdienst nicht im Interesse des Kindes ist.
Ich bin kein Befürworter der frontal unterrichteten 45min Lehreinheiten, versuche aber trotzdem das aufzulösen.
"ständig zur Toilette rennen" ist erstmal kein Bedürfnis, also müsste man wissen welches Bedürfnis dahintersteckt.
Ist z.B. permanenter Harndrang (oder eine andere körperliche Ursache) der Grund,
wäre ein Arzt- statt Schulbesuch im Interesse des Kindes.
Wenn das dahinterliegende Bedürfnis Bewegungsdrang ist,
wäre es im Interesse des Kindes ihm außerhalb der Schulzeit
genügend Gelegenheiten anzubieten um dieses Bedürfnis zu befriedigen.
Der Grund könnte auch stiller Protest gegen langweilig, autoritär gestaltete Unterrichtsstunden sein.
Dann würde ich persönlich den Wechsel an eine Schule mit freieren Lernmethoden wählen.
Häufig wird aber das tatsächliche Bedürfnis ignoriert und statt dessen
mit Verboten und Strafen der Toilettengang unterbunden, im Interesse des Kindes versteht sich,
denn "du lernst nicht für die Schule, sondern für's Leben" und zwar das, was andere für dich entscheiden.
Zuletzt bearbeitet von Nani am 24.03.2010, 22:03, insgesamt 2-mal bearbeitet |
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Evilbert auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 16.09.2003 Beiträge: 42408
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(#1449392) Verfasst am: 24.03.2010, 21:26 Titel: |
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Nani hat folgendes geschrieben: |
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Auch entscheiden zu können, was langfristig im eigenen Interesse liegt, muss man nämlich erst lernen. |
Kinder lernen das täglich durch Versuch (und manchmal Irrtum). |
Und ich seh da auch jetzt echt nicht wo der qualitative Unterschied zu Erwachsenen bestehen sollte; das ist doch ein lebenslanger Prozess.
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Grymner Morgenmuffel
Anmeldungsdatum: 21.02.2008 Beiträge: 429
Wohnort: Schleswig-Holstein
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(#1449486) Verfasst am: 24.03.2010, 22:44 Titel: |
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Francisco de Goya
Noch immer lerne ich...
_________________ “There’s class warfare, all right, but it’s my class, the rich class, that’s making war, and we’re winning”.
Warren Buffet
Published: November 26, 2006/New York Times
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Friede den Hütten! Krieg den Palästen!
Georg Büchner im Frühjahr 1834
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44649
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(#1449678) Verfasst am: 25.03.2010, 01:35 Titel: |
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Nani hat folgendes geschrieben: | Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Auch entscheiden zu können, was langfristig im eigenen Interesse liegt, muss man nämlich erst lernen. |
Kinder lernen das täglich durch Versuch (und manchmal Irrtum). |
Versuche finden aber nicht im luftleeren Raum statt, und es gibt Umgebungen, die das Erlernen erschweren. Zu restriktive Umgebungen fallen ebenso darunter wie Umgebungen, in denen es gar keine Grenzen gibt und Bedürfnisse instantan befriedigt werden, ohne dass das Kind ein Abwägen lernen müsste. Man könnte auch sagen: Damit das Kind so etwas durch Versuch und Irrtum lernt, muss seine Umgebung ihm erstmal Anlässe geben, solche Versuche überhaupt zu unternehmen.
Nani hat folgendes geschrieben: | "ständig zur Toilette rennen" ist erstmal kein Bedürfnis, also müsste man wissen welches Bedürfnis dahintersteckt. |
Darum geht es aber nicht. Triebkontrolle muss ich auch unabhängig davon, welches Bedürfnis nun in einem konkreten Fall dahintersteckt, lernen. Eine Welt, in der ich keine Grenzen vorfände, alle meine momentanen Bedürfnisse instantan befriedigt würden und ich selbst gar nichts dafür tun oder leisten, keinen Aufwand aufbringen, keine Schwierigkeiten überwinden und mich selbst nicht beherrschen müsste, wäre eine Dystopie. Ich wäre überhaupt nicht in der Lage, eine Persönlichkeit auszubilden.
Nani hat folgendes geschrieben: | denn "du lernst nicht für die Schule, sondern für's Leben" und zwar das, was andere für dich entscheiden. |
Man muss im Leben nunmal auch Dinge lernen, die man nicht lernen will. Was nicht heißt, dass ich ein Freund unseres Schulsystems wäre.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
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Nani registrierter User
Anmeldungsdatum: 08.08.2008 Beiträge: 2202
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(#1450634) Verfasst am: 27.03.2010, 02:26 Titel: |
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Tarvoc, ich stimme dir zum Großteil zu, nur trifft deine Kritik nicht
auf gleichberechtigte Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern zu.
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Nani hat folgendes geschrieben: | Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Auch entscheiden zu können, was langfristig im eigenen Interesse liegt, muss man nämlich erst lernen. |
Kinder lernen das täglich durch Versuch (und manchmal Irrtum). |
Versuche finden aber nicht im luftleeren Raum statt, |
Eben, hierarchische Erziehung ("ich Erzieher, du Zögling") schafft aber eine künstliche Umgebung für Kinder.
Die Umgebung ist gestaltet durch die darin lebenden Individuen. In jeder Umgebung brauche und lerne ich andere Dinge.
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | wie Umgebungen, in denen es gar keine Grenzen gibt |
Grenzen müssen aber nicht zu Erziehungszwecken geschaffen werden
(du musst um 20Uhr ins Bett, du musst stillsitzen und lernen, wenn ich dich belehre(n möchte), ...)
sondern sie ergeben sich natürlicherweise durch das (nicht nur räumliche) Zusammenleben verschiedener Menschen.
(Ich bin sauer, wenn du nachts um 3Uhr laute Musik hörst, weil ich dann nicht schlafen kann.)
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | und Bedürfnisse instantan befriedigt werden, |
Eine augenblicklich Bedürfnisbefriedigung ist selbst für die Grundbedürfnisse
(schlafen, Nahrungsaufnahme, Ausscheidungen) nicht immer möglich.
Wenn ich im Bus sitze und auf die Toilette muss, muss ich warten.
Wenn ich im Wald spaziere und Hunger bekomme, muss ich warten.
Diese Situationen erleben Kinder und lernen Bedürfnisbefriedigung aufzuschieben.
Hierarchische Erziehung erlaubt sich aber die Ignorierung der Bedürfnisse der Kinder, nicht aber der eigenen.
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | ohne dass das Kind ein Abwägen lernen müsste. |
Das Kind lernt das von selbst, wenn ich ihm Raum und Zeit dafür lasse. Ich muss es nicht dazu zwingen.
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Man könnte auch sagen: Damit das Kind so etwas durch Versuch und Irrtum lernt, muss seine Umgebung ihm erstmal Anlässe geben, solche Versuche überhaupt zu unternehmen. |
s.o.
Kinder sind im eigenen Interesse an einem harmonischen Zusammenleben interessiert.
Wenn es dich interessiert, hier eine Leseprobe zum Thema Bindung und Folgebereitschaft.
(bis Seite 96)
Dort wo Bedürfnisse und Wünsche der Beteiligten aufeinanderprallen (das passiert in jeder Beziehung),
kann gelernt werden damit umzugehen (durch durchsetzen, nachgeben, Verhandlungen, Kompromisse),
aber das Kind lernt nur aus Angst zu gehorchen, wenn der Erziehende sich mit Machtmitteln durchsetzt.
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Triebkontrolle muss ich auch unabhängig davon, welches Bedürfnis nun in einem konkreten Fall dahintersteckt, lernen. |
Ich schrieb bereits, dass mensch von selbst lernt, was er braucht um sich in seiner Umwelt zurechtzufinden.
Jemand anderen zu zwingen etwas zu lernen, weil ich das möchte, funktioniert nur durch Angst.
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Eine Welt, in der ich keine Grenzen vorfände, alle meine momentanen Bedürfnisse instantan befriedigt würden und ich selbst gar nichts dafür tun oder leisten, keinen Aufwand aufbringen, keine Schwierigkeiten überwinden und mich selbst nicht beherrschen müsste, wäre eine Dystopie. Ich wäre überhaupt nicht in der Lage, eine Persönlichkeit auszubilden. |
Eine solche Welt für Kinder zu schaffen, ist, selbst wenn man das wollte, gar nicht möglich.
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Man muss im Leben nunmal auch Dinge lernen, die man nicht lernen will. |
Die Idee, das Menschen nicht von sich aus lernen wollen, was sie brauchen, ist mir fremd.
Interessanterweise vertrauen Erwachsene darauf, dass Kinder von sich aus sprechen und laufen lernen,
bei den darauffolgenden Entwicklungsschritten meint man aber Zwang anwenden zu müssen,
weil das Kind sonst kein Interesse hat sich das Wissen und die Fähigkeiten anzueignen, die es braucht.
Und damit das nochmal deutlich wird, ich schreibe weder davon, Kinder sich selbst zu überlassen
(sondern begleiten, unterstützen, erklären, Information ermöglichen, Hilfestellung anbieten, ...)
noch dass man sich/seine Bedürfnisse/seine Wünsche denen eines anderen Menschen
(in diesem Fall des Kindes) unterordnen soll (sondern gleichberechtigt leben).
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44649
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(#1450936) Verfasst am: 28.03.2010, 02:42 Titel: |
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Ich möchte lieber nicht weiter diskutieren, solange meine Sätze auf diese Weise in ihre Bestandteile zerlegt werden.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Nani registrierter User
Anmeldungsdatum: 08.08.2008 Beiträge: 2202
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(#1450952) Verfasst am: 28.03.2010, 08:13 Titel: |
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Okay, dann lassen wir diese Diskussion, war aber keine böse Absicht von mir,
sollte nur der Übersichtlichkeit dienen, weil wir aus gegensätzlichen Blickrichtigungen schreiben.
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44649
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(#1451098) Verfasst am: 28.03.2010, 16:33 Titel: |
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Naja, Übersichtlichkeit. Ich habe gewisse Zweifel, ob ich hier überhaupt richtig verstanden werde.
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- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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