Freigeisterhaus Foren-Übersicht
 FAQFAQ   SuchenSuchen   MitgliederlisteMitgliederliste   NutzungsbedingungenNutzungsbedingungen   BenutzergruppenBenutzergruppen   LinksLinks   RegistrierenRegistrieren 
 ProfilProfil   Einloggen, um private Nachrichten zu lesenEinloggen, um private Nachrichten zu lesen   LoginLogin 

Ethik-Preis für Paola Cavalieri und Peter Singer
Gehe zu Seite 1, 2, 3 ... 21, 22, 23  Weiter
 
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen   Drucker freundliche Ansicht    Freigeisterhaus Foren-Übersicht -> Weltanschauungen und Religionen
Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen  
Autor Nachricht
AgentProvocateur
registrierter User



Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#1638663) Verfasst am: 17.05.2011, 02:59    Titel: Ethik-Preis für Paola Cavalieri und Peter Singer Antworten mit Zitat

Artikel vom HPD:

Ethik-Preis für Paola Cavalieri und Peter Singer hat folgendes geschrieben:
Cavalieri und Singer werden für ihr engagiertes Eintreten für Tierrechte ausgezeichnet, insbesondere für die Initiierung des Great Ape Project (GAP). Unterstützt von renommierten Primatologen wie Jane Goodall fordert das Great Ape Project für Orang-Utans, Gorillas, Bonobos und Schimpansen einige jener Privilegien ein, die bisher nur für Menschen gelten: Recht auf Leben, Recht auf Freiheit und ein Verbot der Folter.

Soweit kann ich folgen und zustimmen. Ich empfinde Empathie für Menschenaffen, weil die uns sehr ähnlich sind. Haie, Kraken und Krokodile z.B. sind uns weniger ähnlich, daher weniger Empathie meinerseits.

Ethik-Preis für Paola Cavalieri und Peter Singer hat folgendes geschrieben:
Die Giordano-Bruno-Stiftung unterstützt derartige Bestrebungen, da sie sich „folgerichtig aus den Prämissen des evolutionären Humanismus ergeben“, wie Stiftungssprecher Michael Schmidt-Salomon betont: „Wir Menschen sind nicht die Krone der Schöpfung, sondern evolutionär entstandene Organismen wie andere auch. Das sollte sich in einem verantwortungsvolleren Umgang mit der nichtmenschlichen Tierwelt niederschlagen, speziell in unserem Verhältnis zu jenen Lebewesen, mit denen wir unsere Evolutionsgeschichte seit Jahrmillionen teilen.“

"Wir Menschen" sind nicht die "Krone der Schöpfung"? Na gut, kein Problem, es gibt ja gar keine Schöpfung. Und ohne Schöpfung logischerweise auch keine "Krone der Schöpfung".

Ein kleines Problem habe ich aber nun mit der Argumentation, wir (Menschen) seien so wie die anderen (Tiere) und daher sollten wir (die Menschen) Verantwortung für die anderen (die Tiere) übernehmen. Das ist ganz offensichtlich falsch. Denn wenn dem so wäre, (wir seien alle gleich), müsste der Appell der Verantwortlichkeit auch an alle Gleichen gleichermaßen gehen. Tut er aber nicht und ergo ist da ein logischer Widerspruch.

Ethik-Preis für Paola Cavalieri und Peter Singer hat folgendes geschrieben:
Es gehe darum, so Schmidt-Salomon, „positive säkulare Alternativen zu entwickeln, die uns Menschen zu einem glücklicheren und verantwortungsvollerem Leben befähigen. Dies setzt unter anderem voraus, dass wir uns von der größenwahnsinnigen Vorstellung befreien, wir stünden über der Natur. In Wahrheit sind wir ein Teil von ihr und mit den Schimpansen enger verwandt als diese mit den Gorillas. Eine zeitgemäße Ethik muss daraus Konsequenzen ziehen. [...]"

Naturalistischer Fehlschluss.

Ethik-Preis für Paola Cavalieri und Peter Singer hat folgendes geschrieben:
Dass Peter Singer in Deutschland höchst umstritten ist, ist Schmidt-Salomon bewusst: „In den 1990er Jahren gab es eine skandalöse Rufkampagne gegen ihn, gestrickt aus grotesken Fehldeutungen und böswilligen Unterstellungen. Leider existierte damals noch keine Giordano-Bruno-Stiftung, die dem hätte entgegenwirken können. Ich bin überzeugt: Wer die Bücher Peter Singers gelesen und verstanden hat, kann nur zu dem Urteil kommen, dass er einer der klarsten und zugleich mitfühlendsten Denker unserer Zeit ist. Leider ist es so, dass viele Vordenker der Menschheit in ihrer Zeit nicht geachtet, sondern geächtet wurden. Peter Singer ist da in guter Gesellschaft.“

Nun ja, ich finde Rufkampagnen auch nicht gut. Und ich stimme zu, dass es eine solche, mE ungerechtfertigte, (zumindest übertriebene), gegen Singer gab. Ich würde mir wünschen, man könnte hierzulande lockerer mit abweichenden Meinungen umgehen, denen eher argumentativ als emotional entgegen treten.

Aber das heißt noch lange nicht, dass ich Singers Prämissen zustimmen muss und das tue ich auch nicht. Aus dem Fakt, dass es gegen jemanden eine Rufkampagne gab / gibt, folgt noch lange nicht, dass der derjenige deswegen recht haben müsse. Ist mE noch nicht mal ein Indiz fürs Rechthaben.

Und auch mit Paola Cavalieris Ansicht habe ich große Schwierigkeiten. Letztlich aus dem o.g. Grund. Sie argumentiert letzlich auch so: Wir (Menschen und Tiere) sind alle gleich und daher sind wir (jetzt nur die Menschen) moralisch verpflichtet dazu, bestimmte Dinge zu tun. Aber das ist einfach nur inkonsistent. Wenn alle gleich wären, müssten auch alle die gleichen Rechte haben. Wenn alle (wer auch immer "alle" ist - ob nur Menschen, oder Menschen und Affen oder Menschen und Affen und auch die Tiere X Y und Z), nun das gleiche Recht auf Leben hätten, dann müsste logischerweise allen Mitgliedern dieser Gemeinschaft gleichermaßen verboten sein, andere Mitglieder der Gemeinschaft zu töten. Und solche Mitglieder der Gemeinschaft, die das nicht einsehen oder nicht verstehen können, müssten gleichermaßen unschädlich gemacht werden. Oder gleichermaßen ignoriert werden.

Ich verstehe nun schlicht nicht, wieso man nicht zugeben kann, dass Menschen die einzige bisher bekannte Art ist, deren (wenn auch nicht alle) Angehörige moralisch zu etwas verpflichtet werden können. Verantwortung übernehmen. Solange das geleugnet wird, erscheint mir das alles völlig absurd.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Eklatant
Selbstwiderspruch



Anmeldungsdatum: 25.07.2005
Beiträge: 535

Beitrag(#1638666) Verfasst am: 17.05.2011, 03:53    Titel: Re: Ethik-Preis für Paola Cavalieri und Peter Singer Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Ich verstehe nun schlicht nicht, wieso man nicht zugeben kann, dass Menschen die einzige bisher bekannte Art ist, deren (wenn auch nicht alle) Angehörige moralisch zu etwas verpflichtet werden können. Verantwortung übernehmen. Solange das geleugnet wird, erscheint mir das alles völlig absurd.


"Rechtsschutz zubilligen" kann durchaus nur ein Wesen, das etwas Abstraktes wie "Rechtsschutz" geistig abbilden vermag und da ist derzeit tatsächlich nur der Homo Sapiens sapiens bekannt bzw. nur die Seinen, die nicht geistig behindert, zu jung oder bereits zu dement sind um dies zu tun.

Die Argumentation ist aber eher wie folgt: Es zählen primär nicht Unterschiede, sondern Gemeinsamkeiten (z.Bsp. Leidempfinden) ob die nun ein geistig gesunder deutscher Mann, ein geistig eingeschränktes ausstralisches Känguruhweibchen oder ein geistig eingeschränkter Säugling aus Hintertupfingen inne hat ist für die Gemeinsamkeit des Leidempfindens prinzipiell egal.

Die konsequente Ethik liefe auf die Vormundschaft aller geistig behinderter Mitlebewesen und die vollkommene Kontrolle der Natur (z.Bsp. auch der Carnivoren und der Vermehrung aller Lebewesen) hinaus.

Der Hauptkritikpunkt ist deshalb die praktische Umsetzbarkeit.
Da man weltweit, ja nichtmals in den Industrienationen die Menschenrechte konsequent durchsetzen kann und es immer wieder Verstöße gibt ist eine Erweiterung mit dem Wort "utopisch" zu umschreiben, noch weit untertrieben.
_________________
Die Annäherung an die Wirklichkeit und die pragmatische Relevanz derselbigen gelingt nur mittels jederzeit wiederholbaren Experimenten...
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
zelig
Kultürlich



Anmeldungsdatum: 31.03.2004
Beiträge: 25405

Beitrag(#1638679) Verfasst am: 17.05.2011, 06:42    Titel: Re: Ethik-Preis für Paola Cavalieri und Peter Singer Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ich verstehe nun schlicht nicht, wieso man nicht zugeben kann, dass Menschen die einzige bisher bekannte Art ist, deren (wenn auch nicht alle) Angehörige moralisch zu etwas verpflichtet werden können. Verantwortung übernehmen.


Ich sehe das auch so. Der Mensch ist das einzige Wesen, das zu einer ethischen Reflexion fähig ist. Mindestens das stellt ein Alleinstellungsmerkmal dar. Vielleicht muss man das Mühen, diesen Sachverhalt zu ignorieren, als eine historisch bedingte Pendelbewegung mit zu starkem Ausschlag verstehen, die sich gegen die lange Tradition der menschlichen Hybris richtet. Und darin wiederum gleicht - mit umgekehrtem Vorzeichen natürlich.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Telliamed
registrierter User



Anmeldungsdatum: 05.03.2007
Beiträge: 5125
Wohnort: Wanderer zwischen den Welten

Beitrag(#1638703) Verfasst am: 17.05.2011, 10:13    Titel: Antworten mit Zitat

Die Menschen stehen nicht über der Natur, sondern sind ein Teil von ihr, ja. Aber kein anderes Lebewesen hat derart massiv in die Natur eingegriffen. Immer noch besteht hypothetisch die Möglichkeit, dass Menschen alle höheren Lebensformen innerhalb kurzer Zeit auslöschen können (Atomkrieg).

Es ist, wie auch @zelig meint, eine Frage der Relationen. Von dem einen Extrem, das den Menschen als Krone der Schöpfung in den Mittelpunkt der Welt stellt, geht es ins andere Extrem, das die biologische Nähe des Menschen zu bestimmten Wirbeltieren über die Maßen betont.

Die Regelung der Angelegenheiten zwischen den Menschen dürfte insofern doch den Vorrang haben vor Betrachtungen über die Nähe zu den Tieren, als menschliche Handlungen auch die gesamte übrige Natur in einer Weise beeinflussen und ummodeln können, wie es diejenigen Menschen planen und einleiten, die die Macht dazu haben.

Es ist vielleicht eine Frage der Vertreter von Disziplinen, die hier eine Ehrung vornehmen. Der Philosoph M. Schmidt-Salomon bezieht sich auf Vertreter der naturwissenschaftlich-biologischen Disziplinen, während bei den meisten Geisteswissenschaftler die "Frage der Tiere" (wie es zu Beginn des 20. Jahrhunderts hieß) über der vorrangigen Beschäftigung mit zwischenmenschlichen Angelegenheiten nicht sofort in den Sinn kommt, gleich, wie ihre Empathie gegenüber uns biologisch nahe stehenden Lebewesen (also nicht nur Hund und Katz) entwickelt ist.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
step
registriert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#1638705) Verfasst am: 17.05.2011, 10:27    Titel: Antworten mit Zitat

Ich finde APs Kritik am naturalistischen Fehlschluss nachvollziehbar und stimme da tendenziell zu.

Wer das so sieht, sollte jedoch keinesfalls selbst seine speziesistische Haltung mit einem naturalistischen Fehlschluss begründen, also z.B. "Föten haben Lebensrecht, da sie alle genetischen Anlagen dazu haben, Menschen zu werden".

Übrigens hat Singer mW zwar naturalistisch, aber nicht fehlschlüssig argumentiert. Wenn man etwa Empathie als ein Kriterium für Ethik ansieht, muß man schon abwägen dürfen, welche Lebewesen mehr Leid empfinden.

Nicht ganz einleuchten will mir das Argument, der Mensch (also jedenfalls einige davon) sei der einzige Ethiker. Selbst wenn das stimmt, was folgt daraus für die Behandlung von Tieren oder menschlichen Nicht-Ethikern?
_________________
Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Surata
auf eigenen Wunsch deaktiviert



Anmeldungsdatum: 29.03.2005
Beiträge: 17383

Beitrag(#1638714) Verfasst am: 17.05.2011, 11:05    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:


Nicht ganz einleuchten will mir das Argument, der Mensch (also jedenfalls einige davon) sei der einzige Ethiker. Selbst wenn das stimmt, was folgt daraus für die Behandlung von Tieren oder menschlichen Nicht-Ethikern?


Man sollte nicht nur beachten, was eine Handlung bei anderen (Lebenwesen) auslöst, sondern auch beim Handelnden.
Meinst du das?
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
fwo
Caterpillar D9



Anmeldungsdatum: 05.02.2008
Beiträge: 26441
Wohnort: im Speckgürtel

Beitrag(#1638721) Verfasst am: 17.05.2011, 11:24    Titel: Antworten mit Zitat

Surata hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:


Nicht ganz einleuchten will mir das Argument, der Mensch (also jedenfalls einige davon) sei der einzige Ethiker. Selbst wenn das stimmt, was folgt daraus für die Behandlung von Tieren oder menschlichen Nicht-Ethikern?


Man sollte nicht nur beachten, was eine Handlung bei anderen (Lebenwesen) auslöst, sondern auch beim Handelnden.
Meinst du das?

Das wäre aber eine Sache, die kaum allgemein behandelbar wäre, weil das hauptsächlich von der Sozialisation bestimmt wird.

fwo
_________________
Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.

The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.

Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
step
registriert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#1638723) Verfasst am: 17.05.2011, 11:40    Titel: Antworten mit Zitat

Surata hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Nicht ganz einleuchten will mir das Argument, der Mensch (also jedenfalls einige davon) sei der einzige Ethiker. Selbst wenn das stimmt, was folgt daraus für die Behandlung von Tieren oder menschlichen Nicht-Ethikern?
Man sollte nicht nur beachten, was eine Handlung bei anderen (Lebenwesen) auslöst, sondern auch beim Handelnden. Meinst du das?

Ja, das ist ein Aspekt davon, denn Ethik soll uns ja auch konsistent erscheinen.

Allgemeiner ausgedrückt: Auf irgendwelchen Kriterien müssen wir die Ethik ja basieren. Also z.B. Interessen, oder Leidminimierung, oder einem gemeinsamen Ziel, oder was auch immer. Je nachdem was wir auswählen, messen wir Werte, Rechte, Verantwortung usw. zu. Aus der Tatsache, daß nur bestimmte Wesen (nichtmal alle Menschen) fähig sind, ethisch zu reflektieren, folgt jedoch erstmal nicht mehr, als daß ich nicht erwarten kann, die übrigen Wesen von meiner Ethik zu überzeugen, oder sie an ihrer Entwicklung partizipieren zu lassen. Das gilt selbstverständlich für alle ethikunfähigen Wesen, auch für Embryonen oder Säuglinge.

Wer ohne weitere Kriterien mehr Rechte / Werte daraus ableiten will, muß sich daher dem Vergleich mit diesen anderen ethikunfähigen Wesen stellen, z.B. Embryonen oder gar Säuglingen. Und genau das ist einer von Singers wesentlichen Punkten.

Man muß dann, um konsistent zu bleiben,

- entweder deutlich stärker auf Tierquälerei verzichten, oder
- ein unabhängiges nachvollziehbares Kriterium angeben, das für Säuglinge gilt, nicht aber für Tiere, und das nicht selbst ein naturalistischer Fehlschluß ist.
_________________
Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
zelig
Kultürlich



Anmeldungsdatum: 31.03.2004
Beiträge: 25405

Beitrag(#1638740) Verfasst am: 17.05.2011, 12:15    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Nicht ganz einleuchten will mir das Argument, der Mensch (also jedenfalls einige davon) sei der einzige Ethiker. Selbst wenn das stimmt, was folgt daraus für die Behandlung von Tieren oder menschlichen Nicht-Ethikern?


Kommt mir aber wie eine Ablenkung vor. Wenn man der Meinung ist, daß der Mensch das einzig bekanne ethische Subjekt ist, zieht das nicht zwingend eine Schlussfolgerung im Umgang mit ethischen Objekten nach sich.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Effô Tisetti
Königsblau bis in den Tod



Anmeldungsdatum: 18.09.2003
Beiträge: 9920
Wohnort: 75

Beitrag(#1638742) Verfasst am: 17.05.2011, 12:17    Titel: Re: Ethik-Preis für Paola Cavalieri und Peter Singer Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Nun ja, ich finde Rufkampagnen auch nicht gut. Und ich stimme zu, dass es eine solche, mE ungerechtfertigte, (zumindest übertriebene), gegen Singer gab. Ich würde mir wünschen, man könnte hierzulande lockerer mit abweichenden Meinungen umgehen, denen eher argumentativ als emotional entgegen treten.


Dazu müsste man erst mal bereit sein, sie verstehen zu wollen.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Aber das heißt noch lange nicht, dass ich Singers Prämissen zustimmen muss und das tue ich auch nicht. Aus dem Fakt, dass es gegen jemanden eine Rufkampagne gab / gibt, folgt noch lange nicht, dass der derjenige deswegen recht haben müsse. Ist mE noch nicht mal ein Indiz fürs Rechthaben.


Richtig, aber es ist ein Indiz dafür, dass die Rufmörder-Behauptungen nicht stimmen bzw. auf groben Missverständnissen beruhen und dass man sich bei seiner eigenen Positionierung nicht auf in die Diskussion geworfene Schlagworte verlassen sollte. Das will ich gar nicht weiter vertiefen, weil das in anderen Freds schon ausgiebig getan wurde. Mir kann niemand erzählen, dass eine Beschäftigung mit Singer - gleich ob man hinterher zustimmt oder Einwände hat - nicht für die eigenen ethischen Überlegungen sinnvoll wäre. Allein von der ethischen Mechanik her ist sein in sich erstaunlich stimmiges Modell spannend. Es ist also kein Indiz fürs Rechthaben, wohl aber ein Indiz (und mehr aber auch nicht) dafür, dass sich die Beschäftigung damit lohnen könnte.

Darüber hinaus beschleicht mich übrigens - und ich weiß nicht, ob das nur mir so geht - zunehmend das Gefühl, dass MSS zuweilen sein Ego nicht (mehr?) im Griff zu haben scheint und mitunter eine Diktion verwendet, die gerne auch im pseudowissenschaftlichen oder gar religiösen Lager gebraucht wird.
_________________
"Die einfache Formel: Jesus ist stärker! hilft Menschen, sich aus der Fixierung völlig irrationaler Wertesysteme zu lösen."
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
DerBernd
auf Wunsch deaktiviert



Anmeldungsdatum: 16.10.2010
Beiträge: 1043

Beitrag(#1638747) Verfasst am: 17.05.2011, 12:30    Titel: Antworten mit Zitat

Meine Güte ihr hackt hier aber auf MSS rum. Ich bin ja auch kein Fan von ihm, aber das ist nur ein kurzer Zeitungsartikel, in dem er versucht seine "message" rüberzubringen. Bei dem begrenzten Platz ist es schlichtweg nicht möglich, seine Position so zu vermitteln, das sie vor offensichtlichen Einwänden gefeit ist.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Evilbert
auf eigenen Wunsch deaktiviert



Anmeldungsdatum: 16.09.2003
Beiträge: 42408

Beitrag(#1638748) Verfasst am: 17.05.2011, 12:41    Titel: Antworten mit Zitat

Solange nicht zweifelsfrei bewiesen ist, dass Tiere nicht ethisch denken können, sollte auch für die in dubi pro reo gelten.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
fwo
Caterpillar D9



Anmeldungsdatum: 05.02.2008
Beiträge: 26441
Wohnort: im Speckgürtel

Beitrag(#1638759) Verfasst am: 17.05.2011, 13:24    Titel: Antworten mit Zitat

Evilbert hat folgendes geschrieben:
Solange nicht zweifelsfrei bewiesen ist, dass Tiere nicht ethisch denken können, sollte auch für die in dubi pro reo gelten.

Es ist für Schimpansen soetwas wie ein Sinn für Fairness nachgewiesen worden, auch soetwas wie ein schlechtes Gewissen (da wird sowieso zuviel reingeheimnisst), aber ethisch denken verlangt eine so hochgradig abstrakte Sprache, und damit eine mindestens in etwa so lange kumulierende Sprachkultur wie die menschliche - welches andere Tier sollte soetwas entwickelt haben können, ohne dass wir das gemerkt hätten? Auf welchem Kanal reden die miteinander und bei welchen Gelegenheiten, die wir nicht beobachtet hätten? Welche sozialen und technischen Konstruktionen hat diese Kultur hervorgebracht?

Zusammengefasst: ich halte diesen Gedanken für unbegründet.

fwo
_________________
Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.

The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.

Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Norm
registrierter User



Anmeldungsdatum: 12.02.2007
Beiträge: 8149

Beitrag(#1638760) Verfasst am: 17.05.2011, 13:26    Titel: Re: Ethik-Preis für Paola Cavalieri und Peter Singer Antworten mit Zitat

HPD hat folgendes geschrieben:
Cavalieri und Singer werden für ihr engagiertes Eintreten für Tierrechte ausgezeichnet, insbesondere für die Initiierung des Great Ape Project (GAP). Unterstützt von renommierten Primatologen wie Jane Goodall fordert das Great Ape Project für Orang-Utans, Gorillas, Bonobos und Schimpansen einige jener Privilegien ein, die bisher nur für Menschen gelten: Recht auf Leben, Recht auf Freiheit und ein Verbot der Folter.
Coole Sache, das...

HPD hat folgendes geschrieben:
Die Giordano-Bruno-Stiftung unterstützt derartige Bestrebungen, da sie sich „folgerichtig aus den Prämissen des evolutionären Humanismus ergeben“, wie Stiftungssprecher Michael Schmidt-Salomon betont

Vielleicht ist es nur ungeschickt formuliert, aber es liest sich wie ein Versuch sich mit fremden Lorbeeren zu schmücken. Autsch
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Evilbert
auf eigenen Wunsch deaktiviert



Anmeldungsdatum: 16.09.2003
Beiträge: 42408

Beitrag(#1638762) Verfasst am: 17.05.2011, 13:30    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
Evilbert hat folgendes geschrieben:
Solange nicht zweifelsfrei bewiesen ist, dass Tiere nicht ethisch denken können, sollte auch für die in dubi pro reo gelten.

Es ist für Schimpansen soetwas wie ein Sinn für Fairness nachgewiesen worden, auch soetwas wie ein schlechtes Gewissen (da wird sowieso zuviel reingeheimnisst), aber ethisch denken verlangt eine so hochgradig abstrakte Sprache, und damit eine mindestens in etwa so lange kumulierende Sprachkultur wie die menschliche - welches andere Tier sollte soetwas entwickelt haben können, ohne dass wir das gemerkt hätten? Auf welchem Kanal reden die miteinander und bei welchen Gelegenheiten, die wir nicht beobachtet hätten? Welche sozialen und technischen Konstruktionen hat diese Kultur hervorgebracht?

Zusammengefasst: ich halte diesen Gedanken für unbegründet.

fwo


Ach, was wir trotz Sprache nicht alles nicht bemerkt haben und nicht bemerken.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
fwo
Caterpillar D9



Anmeldungsdatum: 05.02.2008
Beiträge: 26441
Wohnort: im Speckgürtel

Beitrag(#1638767) Verfasst am: 17.05.2011, 13:46    Titel: Antworten mit Zitat

Evilbert hat folgendes geschrieben:
....
Ach, was wir trotz Sprache nicht alles nicht bemerkt haben und nicht bemerken.

Das ist aber ein ganz anderes Thema. Ich habe danach gefragt, wo Du bei anderen Tieren eine Sprache siehst, die ein Denken über Ethik ermöglichen würde. Und ich habe indirekt darauf hingewiesen, dass auch Sprache ein Produkt der Evolution ist: Sie wird nur begonnen bzw. weiterentwickelt, wenn sie einen merkbaren Nutzen hat - den können wir bei uns sehen und den müssten wir auch beoi den anderen Tieren sehen, die eine so hoch entwicklete Sprache besitzen.

Sonst befinden wir uns auf der selben Argumentationsebene wie bei der unsterblichen Seele: Beweismal, dass ise nicht existiert. Also sollten wir davon ausgehen, dass sie existiert. noc

fwo
_________________
Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.

The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.

Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Norm
registrierter User



Anmeldungsdatum: 12.02.2007
Beiträge: 8149

Beitrag(#1638770) Verfasst am: 17.05.2011, 13:59    Titel: Antworten mit Zitat

Bei der Frage ob beide als angenommene Gleiche nicht auch die gleiche gegenseitige Verantwortung tragen sollten, ist das Problem, selbst wenn es Tiere geben sollte, die zu abstraktem ethischen Denken in der Lage sind, wie soll denn eine Aushandlung gemeinsamer ethischer Grundsätze stattfinden, wie kommuniziert werden?

Und selbst wenn die Kommunikation funktionieren würde, wie würde ein Großaffe wohl darauf reagieren, wenn jemand ihm erklären würde, dass er aber auch keine Menschen zur Unterhaltung seiner Mitaffen in Käfige stecken dürfe und außerdem auch keine Menschenversuche z.B. zu medizinischen Zwecken mehr erlaubt seien. Lachen
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Skeptiker
"I can't breathe!"



Anmeldungsdatum: 14.01.2005
Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville

Beitrag(#1638771) Verfasst am: 17.05.2011, 14:04    Titel: Antworten mit Zitat

Norm hat folgendes geschrieben:
Bei der Frage ob beide als angenommene Gleiche nicht auch die gleiche gegenseitige Verantwortung tragen sollten, ist das Problem, selbst wenn es Tiere geben sollte, die zu abstraktem ethischen Denken in der Lage sind, wie soll denn eine Aushandlung gemeinsamer ethischer Grundsätze stattfinden, wie kommuniziert werden?

Und selbst wenn die Kommunikation funktionieren würde, wie würde ein Großaffe wohl darauf reagieren, wenn jemand ihm erklären würde, dass er aber auch keine Menschen zur Unterhaltung seiner Mitaffen in Käfige stecken dürfe und außerdem auch keine Menschenversuche z.B. zu medizinischen Zwecken mehr erlaubt seien. Lachen


Er würde selbstverständlich ablehnen, was auch sonst?

Schließlich gehört es seit Jahrtausenden zur Affenkultur, andere Arten zur Unterhaltung einzusperren und zu foltern. Soll eine solch stolze Kultur etwa untergehen?

Das kann "Gott" doch nicht wollen ...-! zwinkern
_________________
°
K.I.Z - Frieden

Das ist Postmoderne Ideologie! Psychologe und Philosoph analysieren RASSISMUS-Video

Informationsstelle Militarisierung e.V.


Zuletzt bearbeitet von Skeptiker am 17.05.2011, 14:06, insgesamt einmal bearbeitet
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
zelig
Kultürlich



Anmeldungsdatum: 31.03.2004
Beiträge: 25405

Beitrag(#1638772) Verfasst am: 17.05.2011, 14:04    Titel: Antworten mit Zitat

Evilbert hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Evilbert hat folgendes geschrieben:
Solange nicht zweifelsfrei bewiesen ist, dass Tiere nicht ethisch denken können, sollte auch für die in dubi pro reo gelten.

Es ist für Schimpansen soetwas wie ein Sinn für Fairness nachgewiesen worden, auch soetwas wie ein schlechtes Gewissen (da wird sowieso zuviel reingeheimnisst), aber ethisch denken verlangt eine so hochgradig abstrakte Sprache, und damit eine mindestens in etwa so lange kumulierende Sprachkultur wie die menschliche - welches andere Tier sollte soetwas entwickelt haben können, ohne dass wir das gemerkt hätten? Auf welchem Kanal reden die miteinander und bei welchen Gelegenheiten, die wir nicht beobachtet hätten? Welche sozialen und technischen Konstruktionen hat diese Kultur hervorgebracht?

Zusammengefasst: ich halte diesen Gedanken für unbegründet.

fwo


Ach, was wir trotz Sprache nicht alles nicht bemerkt haben und nicht bemerken.


Ich würde ungefähr überlegen, ob Katzen in der Lage wären, Menschen nicht zu verspeisen, falls sie das könnten.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
AgentProvocateur
registrierter User



Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#1638861) Verfasst am: 17.05.2011, 20:03    Titel: Antworten mit Zitat

Eklatant hat folgendes geschrieben:
Die konsequente Ethik liefe auf die Vormundschaft aller geistig behinderter Mitlebewesen und die vollkommene Kontrolle der Natur (z.Bsp. auch der Carnivoren und der Vermehrung aller Lebewesen) hinaus.

Der Hauptkritikpunkt ist deshalb die praktische Umsetzbarkeit.
Da man weltweit, ja nichtmals in den Industrienationen die Menschenrechte konsequent durchsetzen kann und es immer wieder Verstöße gibt ist eine Erweiterung mit dem Wort "utopisch" zu umschreiben, noch weit untertrieben.

Mag sein, bloß verstehe ich "Gemeinschaft der Gleichen" so, dass alle in dieser Gemeinschaft gleiche Rechte und gleiche Pflichten (bzw. zu etwas verpflichtet werden können) haben sollen.

Mag zwar sein, dass es gute Gründe gibt, warum man das unterschiedlich handhabt, Affen bekommen ein Recht auf Leben nur gegenüber Menschen und Menschen ein Recht auf Leben gegenüber Menschen und Tieren. Affen haben demnach die Pflicht, (bzw. können verpflichtet werden), keine Menschen zu töten, Menschen haben demnach die Pflicht, (bzw. können dazu verpflichtet werden), weder Affen noch Menschen zu töten.

Nur sollte man dann den Ausdruck "Gemeinschaft der Gleichen" fallen lassen. Der ist dann irreführend.

Nicht dass ich was gegen das Great Ape Project hätte, ich finde das gut und auch den Ethik-Preis finde ich in Ordnung. Nur mit den Begründungen dazu kann ich nichts anfangen.

step hat folgendes geschrieben:
Übrigens hat Singer mW zwar naturalistisch, aber nicht fehlschlüssig argumentiert. [...] Nicht ganz einleuchten will mir das Argument, der Mensch (also jedenfalls einige davon) sei der einzige Ethiker. Selbst wenn das stimmt, was folgt daraus für die Behandlung von Tieren oder menschlichen Nicht-Ethikern?

Normativ gar nichts. Genauso wenig, wie daraus, dass Menschen "evolutionär entstandene Organismen sind wie andere auch", gar "speziell" daraus, dass Menschen die Evolutionsgeschichte mit anderen Wesen seit Jahrmillionen teilen und daraus, dass Menschen eine größere genetische Übereinstimmung mit Schimpansen haben als Schimpansen mit Gorillas. Und da nichts normativ daraus folgt, kann eine Ethik auch keine Konsequenzen daraus ziehen.

Ich wollte nicht behaupten, dass Singer naturalistische Fehlschlüsse begeht - das tut er mE nicht - und Cavalieri auch nicht.

Aber Schmidt-Salomon tut es hier, und das ist insofern noch viel mehr verwirrend, als das dann nichts mehr mit den Ethiken von Singer und Cavalieri zu tun hat.

Übrigens bin ich der Meinung, dass man sehr wohl begründet die Auffassung vertreten kann, Menschen seien in einem gewissen Sinne die "Krone der Schöpfung" (oder "Krone der Evolution", oder so).

Und auch die Auffassung, Menschen stünden in einem gewissen Sinne über der Natur, weil Menschen nämlich nicht nur Naturwesen, sondern auch Kulturwesen sind. Ich sehe nicht, was daran nun "größenwahnsinnig" sein soll.

Woraus man aber ebenfalls keine normativen Schlussfolgerungen ziehen kann.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
M.S.Salomon
registrierter User



Anmeldungsdatum: 15.09.2003
Beiträge: 389

Beitrag(#1639001) Verfasst am: 18.05.2011, 09:09    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Dies setzt unter anderem voraus, dass wir uns von der größenwahnsinnigen Vorstellung befreien, wir stünden über der Natur. In Wahrheit sind wir ein Teil von ihr und mit den Schimpansen enger verwandt als diese mit den Gorillas. Eine zeitgemäße Ethik muss daraus Konsequenzen ziehen. [...]"


Hierbei handelt es sich nicht, wie unterstellt wurde, um einen "naturalistischen Fehlschluss". Beim naturalistischen Fehlschluss wird ja bekanntlich aus dem, was ist, UNREFLEKTIERT abgeleitet, was sein sollte. Doch darum geht es hier nicht. Es geht darum, KONSEQUENZEN aus empirischen Erkenntnissen zu ziehen - und das ist eine Grundanforderung an jede zeitgemäße Ethik!

Beispiel Contergan-Skandal: Die empirische Erkenntnis, dass die Einnahme von Contergan zu einer schweren Schädigung der Föten führt, hätte dazu führen müssen, dass das Medikament sofort vom Markt genommen wird. Es war im höchsten Maße unethisch seitens der Grünenthal GmbH, diese empirischen Erkenntnisse zu ignorieren und das Medikament weiter zu verbreiten.

Beispiel Hühnerhaltung: Die empirische Forschung hat festgestellt, dass Hühner ein ungemein starkes Bedürfnis haben, zu scharren. Dies sollte in einer nicht-speziesitischen utilitaristischen Ethik berücksichtigt werden: Hühner sollten unter Bedingungen gehalten werden, die es ihnen erlauben, ihrem Scharrbedürfnis nachzukommen.

Beispiel Menschenaffen: Von den großen Menschenaffen wissen wir dank der Forschung der letzten Jahrzehnte, dass sie über ein Bewusstsein ihrer selbst verfügen, sich mental in andere Wesen hineinversetzen und in die Zukunft denken können. Auch daraus sollten wir Konsequenzen ziehen: Die Mitglieder der Spezies Orang-Utan, Gorilla, Schimpanse und Bonobo sollten als Personen anerkannt und als Individuen respektiert werden. Genau hierauf zielt das Great Ape Projekt ab. Wir haben zu diesem Thema (begleitend zum Festakt) eine Broschüre erstellt, die vielleicht von Interesse ist:

http://www.giordano-bruno-stiftung.de/files/menschenaffen.pdf
_________________
Wir müssen uns Sisyphos
als einen glücklichen Menschen vorstellen."
(Albert Camus)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
step
registriert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#1639027) Verfasst am: 18.05.2011, 10:44    Titel: Antworten mit Zitat

M.S.Salomon hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Dies setzt unter anderem voraus, dass wir uns von der größenwahnsinnigen Vorstellung befreien, wir stünden über der Natur. In Wahrheit sind wir ein Teil von ihr und mit den Schimpansen enger verwandt als diese mit den Gorillas. Eine zeitgemäße Ethik muss daraus Konsequenzen ziehen. [...]"

Hierbei handelt es sich nicht, wie unterstellt wurde, um einen "naturalistischen Fehlschluss". Beim naturalistischen Fehlschluss wird ja bekanntlich aus dem, was ist, UNREFLEKTIERT abgeleitet, was sein sollte. Doch darum geht es hier nicht. Es geht darum, KONSEQUENZEN aus empirischen Erkenntnissen zu ziehen - und das ist eine Grundanforderung an jede zeitgemäße Ethik! [...] Dies sollte in einer nicht-speziesitischen utilitaristischen Ethik berücksichtigt werden: Hühner sollten unter Bedingungen gehalten werden, die es ihnen erlauben, ihrem Scharrbedürfnis nachzukommen.

Der Verdacht eines naturalistischen Fehlschlusses kann bei obiger Formulierung jedoch leicht aufkommen, mE aus zwei Gründen:

- Der Grund für die Konsequenzen ist nicht eigentlich die Verwandschaft, sondern bestimmte Fähigkeiten / Bedürfnisse. Gerade im Zusammenhang mit Speziesismuskritik sollte man mE mit dem Begriff "Verwandschaft" vorsichtig umgehen.

- Eine wesentliche Voraussetzung für die ethische Berücksichtigung jener Bedürfnisse, nämlich die Annahme, daß eine moderne Ethik utilitaristisch bzw. interessebasiert sein müsse, wird in dem monierten Passus gar nicht erwähnt - in Deiner Erklärung dann allerdings schon.

Singer arbeitete das aber sehr gut heraus, und unter dem Strich kann ich mich daher auch den genannten Forderungen nach Konsequenzen anschließen.
_________________
Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
M.S.Salomon
registrierter User



Anmeldungsdatum: 15.09.2003
Beiträge: 389

Beitrag(#1639066) Verfasst am: 18.05.2011, 12:14    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Der Verdacht eines naturalistischen Fehlschlusses kann bei obiger Formulierung jedoch leicht aufkommen


Ich gebe zu: Ein solcher Verdacht KANN aufkommen, er SOLLTE aber nicht aufkommen und schon gar nicht zu einem entsprechenden Vorurteil führen - zumindest nicht, wenn man die gute, alte hermeneutische Regel "Im Zweifel für den Autor" beherzigt (was im Freigeisterhaus leider sehr selten passiert, weshalb ich hier gewöhnlich auch nicht schreibe). Es ist ja wirklich niemandem anzukreiden, dass er nicht weiß, wie viele Seiten ich schon über den "naturalistischen Fehlschluss" geschrieben habe. Aber einfach zu unterstellen, ich würde das Problem des naturalistischen Fehlschlusses verkennen und somit blind in diese Falle laufen, ist schon etwas dreist.

Zum zitierten Text selbst ist zu sagen, dass es sich hierbei natürlich nicht um eine philosophische Arbeit handelt, in der man die Feinheiten der verschiedenen Utilitarismus-Varianten abhandeln könnte, sondern um eine Pressemitteilung, in der man für die Allgemeinheit relevante Informationen unterbringen muss. Und die Information, dass wir mit den Schimpansen näher verwandt sind als diese mit den Gorillas, ist nun einmal eine relevante Information, die leider bei viel zu vielen Leuten noch immer nicht angekommen ist.

Im Hinblick auf ethische Konsequenzen ist diese enge Verwandtschaft auch keineswegs irrelevant, da sie durchaus als Indikator für die besonderen Fähigkeiten der großen Menschenaffen betrachtet werden kann. Schließlich entwickeln sich die Eigenschaften der Lebewesen graduell im Verlauf der Evolution. Deshalb sollten wir prinzipiell davon ausgehen, dass biologisch nah verwandte Spezies ähnliche Eigenschaften aufweisen, was sich im Zuge der Primatenforschung in den letzten Jahren ja auch bewahrheitet hat...
_________________
Wir müssen uns Sisyphos
als einen glücklichen Menschen vorstellen."
(Albert Camus)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
step
registriert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#1639074) Verfasst am: 18.05.2011, 12:41    Titel: Antworten mit Zitat

@MSS:

Ich denke nicht, daß hier "über Dich hergefallen" wird (DerBernd). Was mich betrifft, habe ich nur einen einzigen Aspekt der Verlautbarung kritisiert, das muß bei allem An-einem-Strang-Ziehen möglich sein. Keine Ahnung, ob AgentProvocateur's Kritik breiterer Natur ist.

Ansonsten Zustimmung!
_________________
Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Dr. Evil
auf eigenen Wunsch deaktiviert



Anmeldungsdatum: 11.09.2010
Beiträge: 1504

Beitrag(#1639077) Verfasst am: 18.05.2011, 12:55    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Auf irgendwelchen Kriterien müssen wir die Ethik ja basieren.

Warum?

Warum müssen wir etwas begründen, das wir schon haben? Unsere Ethik hat sich, genau wie beispielsweise unser Augenlicht, im Laufe der Evolution gebildet, weil sie offensichtlich für den Fortbestand unserer Spezies nützlich war. Mir persönlich reicht das als "Legitimation". Schließlich sehe ich auch keine Veranlassung mein Augenlicht auf irgendwelche Kriterien zu stützen um es nachträglich argumentativ zu festigen. Oder besteht Grund zu der Befürchtung, dass wir Augenlicht oder Ethik verlieren, wenn wir ihre Existenzberechtigung nicht nachweisen können?
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Evilbert
auf eigenen Wunsch deaktiviert



Anmeldungsdatum: 16.09.2003
Beiträge: 42408

Beitrag(#1639079) Verfasst am: 18.05.2011, 12:57    Titel: Antworten mit Zitat

Dr. Evil hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Auf irgendwelchen Kriterien müssen wir die Ethik ja basieren.

Warum?

Warum müssen wir etwas begründen, das wir schon haben? Unsere Ethik hat sich, genau wie beispielsweise unser Augenlicht, im Laufe der Evolution gebildet, weil sie offensichtlich für den Fortbestand unserer Spezies nützlich war. Mir persönlich reicht das als "Legitimation". Schließlich sehe ich auch keine Veranlassung mein Augenlicht auf irgendwelche Kriterien zu stützen um es nachträglich argumentativ zu festigen. Oder besteht Grund zu der Befürchtung, dass wir Augenlicht oder Ethik verlieren, wenn wir ihre Existenzberechtigung nicht nachweisen können?


Das "Augenlicht" funktioniert ganz alleine. Ethisches Handeln hingegen nicht.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Dr. Evil
auf eigenen Wunsch deaktiviert



Anmeldungsdatum: 11.09.2010
Beiträge: 1504

Beitrag(#1639088) Verfasst am: 18.05.2011, 13:20    Titel: Antworten mit Zitat

Evilbert hat folgendes geschrieben:
Das "Augenlicht" funktioniert ganz alleine. Ethisches Handeln hingegen nicht.

Was meinst du mit "ganz alleine"? Beide Vorgänge werden durch das Gehirn gesteuert. Ich möchte an dieser Stelle nicht die Willenfreiheit vs. Handlungsfreiheit Diskussion importieren, aber so einfach wie du den Unterschied dargestellt hast, ist er sicher nicht.

Haben wir die Wahl ethisch zu handeln oder es zu lassen? Ich bin da nicht so sicher. Zweifellos gibt es Menschen, die ihrer genetischen und kulturellen Prägung entsprechend ethischer handeln als andere. Das bedeutet aber nicht, dass sie sich ihr Verhalten in der konkreten Situation aussuchen können. Mit dem Augenlicht ist es nicht wesentlich anders. Die eigene Sehschärfe kann man auch nicht willentlich verbessern oder verschlechtern.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Evilbert
auf eigenen Wunsch deaktiviert



Anmeldungsdatum: 16.09.2003
Beiträge: 42408

Beitrag(#1639090) Verfasst am: 18.05.2011, 13:25    Titel: Antworten mit Zitat

Dr. Evil hat folgendes geschrieben:
Evilbert hat folgendes geschrieben:
Das "Augenlicht" funktioniert ganz alleine. Ethisches Handeln hingegen nicht.

Was meinst du mit "ganz alleine"? Beide Vorgänge werden durch das Gehirn gesteuert. Ich möchte an dieser Stelle nicht die Willenfreiheit vs. Handlungsfreiheit Diskussion importieren, aber so einfach wie du den Unterschied dargestellt hast, ist er sicher nicht.



Es gibt aber den Unterschied zwischen willkürlichen und unwillkürlichen Handlungen. Versuch mal, an nichts zu denken. Sehen ist von Geburt an eine programmierte Handlung; andere Handlungen wie fahrradfahren oder laufen kann man erlernen, sodass sie quasi programmiert ablaufen. Ethisches Handeln ist allerdings zu komplex dafür.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
M.S.Salomon
registrierter User



Anmeldungsdatum: 15.09.2003
Beiträge: 389

Beitrag(#1639101) Verfasst am: 18.05.2011, 13:46    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Darüber hinaus beschleicht mich übrigens - und ich weiß nicht, ob das nur mir so geht - zunehmend das Gefühl, dass MSS zuweilen sein Ego nicht (mehr?) im Griff zu haben scheint und mitunter eine Diktion verwendet, die gerne auch im pseudowissenschaftlichen oder gar religiösen Lager gebraucht wird.


Mich würde die Begründung für diese Aussage wirklich interessieren.

Was das "Ego" betrifft, so glaube ich nicht einmal, dass so etwas wie ein "Selbst" real existiert (siehe dazu auch Thomas Metzingers Buch "Der Ego-Tunnel" sowie meine eigenen Bücher "Jenseits von Gut und Böse" bzw. "Leibniz war kein Butterkeks"). Meines Erachtens gibt es daher auch keinen vernünftigen Grund dafür, sich irgendetwas einzubilden auf Eigenschaften, die man angeblich/tatsächlich besitzt, oder Leistungen, die man angeblich/tatsächlich erbracht hat. (Dies ist eine der Kernaussagen meiner letzten Bücher.) Ich gebe zu, dass diese Einstellung etwas exotisch ist, aber sie hat, wie ich finde, sehr angenehme Nebenwirkungen: Vor allem hilft sie dabei, sich selbst nicht mehr gar zu ernst zu nehmen (was allerdings nicht verhindert, dass andere weiterhin davon ausgehen, dass man sich selbst sehr wichtig nehmen würde - bislang ist es mir nicht gelungen, dieses zentrale Kommunikationsproblem zu beheben, aber ich arbeite daran...)
_________________
Wir müssen uns Sisyphos
als einen glücklichen Menschen vorstellen."
(Albert Camus)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
Effô Tisetti
Königsblau bis in den Tod



Anmeldungsdatum: 18.09.2003
Beiträge: 9920
Wohnort: 75

Beitrag(#1639103) Verfasst am: 18.05.2011, 14:04    Titel: Antworten mit Zitat

M.S.Salomon hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Darüber hinaus beschleicht mich übrigens - und ich weiß nicht, ob das nur mir so geht - zunehmend das Gefühl, dass MSS zuweilen sein Ego nicht (mehr?) im Griff zu haben scheint und mitunter eine Diktion verwendet, die gerne auch im pseudowissenschaftlichen oder gar religiösen Lager gebraucht wird.


Mich würde die Begründung für diese Aussage wirklich interessieren.


Den Eindruck hatte ich schon zuweilen bei der einen oder anderen Äußerung im Rahmen der Ferkel-Geschichte. Im vorliegenden Fall sind das konkret zwei Stellen, die dieses "Gefühl" bei mir auslösten:

Zitat:
Leider existierte damals noch keine Giordano-Bruno-Stiftung, die dem hätte entgegenwirken können.


Das hört sich für mich so an, als wenn die Diskussion ganz anders verlaufen wäre, wenn es die GBS (und ihren Sprecher) damals schon gegeben hätte. Als wenn es keine Rufmord-Gegner gegeben hätte bzw. eine inhaltliche Aufklärung nur über die einzig wahre und kampagnenfähige säkulare Organisation in diesem Land laufen könnte. Für mich steckt da implizit eine Anmaßung drin.

Zitat:
Leider ist es so, dass viele Vordenker der Menschheit in ihrer Zeit nicht geachtet, sondern geächtet wurden. Peter Singer ist da in guter Gesellschaft.


Diese Phrase begegnet einem analog im pseudowissenschaftlichen Kontext ständig. Zuletzt erst wieder hier:
Zitat:
Außerdem sieht man an diesem Fall, wie engstirnig, doch die Wissenschaft allgemein ist – das gleiche Problem hatte Einstein aber auch, als er seine Theorie schrieb.


Nicht, dass dein Zitat faktisch "falsch" wäre. Es ist aber argumentativ völlig überflüssig bzw. nicht "sauber".
_________________
"Die einfache Formel: Jesus ist stärker! hilft Menschen, sich aus der Fixierung völlig irrationaler Wertesysteme zu lösen."
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:   
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen   Drucker freundliche Ansicht    Freigeisterhaus Foren-Übersicht -> Weltanschauungen und Religionen Alle Zeiten sind GMT + 1 Stunde
Gehe zu Seite 1, 2, 3 ... 21, 22, 23  Weiter
Seite 1 von 23

 
Gehe zu:  
Du kannst keine Beiträge in dieses Forum schreiben.
Du kannst auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten.
Du kannst deine Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten.
Du kannst deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Du kannst an Umfragen in diesem Forum nicht mitmachen.



Impressum & Datenschutz


Powered by phpBB © 2001, 2005 phpBB Group