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Metaphysik und Wissenschaft
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Darwin Upheaval
Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator



Anmeldungsdatum: 23.01.2004
Beiträge: 5471
Wohnort: Tief im Süden

Beitrag(#1729899) Verfasst am: 19.02.2012, 20:59    Titel: Antworten mit Zitat

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Jetzt könnte es interessanter werden: Ist ein Ding ein Ding, weil es Eigenschaften hat (vgl. Mahner/Bunge) und wie charakterisierst Du materielle Eigenschaften (bsw. durch Existenz [sic!] von Masse)?


Offenbar hast Du El Schwalmos (und nebenbei meine) "Bibel" nur unzureichend rezipiert. Gemäß deren Ontologie, und nach Heraklits "πάντα ῥεῖ") besitzen materielle Objekte die Eigenschaft der Veränderlichkeit, können also Zustandsänderungen erfahren. Im Gegensatz dazu ist die Zahl "6" nicht etwa eine modifizierte "5", und es macht auch wenig Sinn, zu fragen: "Wie geht es der Evolutionstheorie denn heute?" zwinkern

Selbstverständlich ist die Antwort auf die Frage, welches Konstrukt eine Entität repräsentiere, nur im virtuosen Zirkel zu eruieren. Man wird beispielsweise finden, dass ein hypothetisches Objekt, welches zur Erklärung zweier unterschiedlicher, voneinander unabhängiger Sachverhalte gebraucht wird (z.B. "dunkle Materie": einerseits zur Erklärung der atypischen Rotationsgeschwindigkeit von Spiralgalaxien, andererseits zur Erklärung des Phänomens, dass die Materiedichte des Universums nahe der "spezifischen Dichte" entspricht), eine ontologische Entspechung hat. Oder,

Zitat:
[i]f ... that same [hypothetical] entity or property is putatively capable of being detected by not just one, but rather two or more different means of detection—forms of detection that are distinct with respect to the apparatuses they employ and the causal mechanisms and processes they are described as exploiting in the course of detection — this may serve as the basis of a significantly enhanced argument for realism. Hacking (1983, p. 201; see also Hacking 1985, pp. 146–147) gives the example of dense bodies in red blood platelets that can be detected using different forms of microscopy. Different techniques of detection, such as those employed in light microscopy and transmission electron microscopy, make use of very different sorts of physical processes, and these operations are described theoretically in terms of correspondingly different causal mechanisms. (For similar examples, see Salmon 1984, pp. 217–219, and Franklin 1986, pp. 166–168, 1990, pp. 103–115.)


Chakravartty, A. (2011) Scientific Realism.
http://plato.stanford.edu/entries/scientific-realism/#Cor

Selbstverständlich könnte man prinzipiell alles auch im Rahmen des "radikalen Konstruktivismus" deuten, der ja omniexplanatorisch ist (so wie sich prinzipiell alles auch im Rahmen einer dubiosen, ominiexplanatorischen Schöpfungsthese interpretieren ließe), dagegen aber spricht, im einen wie im anderen Fall Mr. Green , das "Miracle Argument":

http://plato.stanford.edu/entries/scientific-realism/#MirArg
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Darwin Upheaval
Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator



Anmeldungsdatum: 23.01.2004
Beiträge: 5471
Wohnort: Tief im Süden

Beitrag(#1729916) Verfasst am: 19.02.2012, 21:37    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Tom der Dino hat folgendes geschrieben:
Was ist denn der Gott der Philosophen?
das, worauf Philosophen am Ende einer Überlegung kommen, wenn sie immer weiter fragen. Also beispielsweise der 'Unbewegte Beweger' oder auch das 'über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann'.

Ist ja goldig. Das, worauf Philosophen kommen, wenn sie ihre Fehlschlüsse nicht bemerken.

Sorry, aber wer heute noch beim unbewegten Beweger endet, wenn er immer weiter fragt, der hat 100 Jahre Wissenschaft verpasst.


Zur Ehrenrettung "der" Philosophie sei gesagt, dass es auch Richtungen in der akademischen Philosophie gibt, die längst nicht beim "Gott der Philosophen" hängen geblieben sind und die entsprechenden Fehlschlüsse auch moniert haben, wie die Vertreter der naturalistischen Wissenschaftsphilosophie. Kanitscheider beispielsweise sagt im übrigen klipp und klar, dass eine Philosophie, die diesen Namen verdient, auch naturwissenschaftliche Erkenntnisse einbeziehen sollte.

Lustigerweise hat E.S. ein Buch zitiert,

Mackie, J.L. (1985) 'Das Wunder des Theismus. Argumente für und gegen die Existenz Gottes. Reclam.

in dem der dogmatische Abbruch des unendlichen Regresses (Frage: 'Wer schuf den Schöpfer'?) durchaus als ernster Einwand gegen das Kalam-Argument bzw. gegen den "Philosophengott" erhoben wird, beispielsweise auf p. 230. Auf das "Design-Argument" gemünzt, findet sich der Einwand des unendlichen Regresses auch in:

Mahner, M. (2007) Intelligent Design und der teleologische Gottesbeweis. In: Kutschera, U. (Hg.): Kreationismus in Deutschland. Lit-Verlag, Münster, pp. 340-351.

Ein der "Zahnfee" anloges Argument wird, am Beispiel der Behauptung "dass auf Neutronen-Sternen kleine grüne Männchen wohnen", präsentiert in:

Kanitscheider, B. (2003) Naturalismus, metaphysische Illusionen und der Ort der Seele. Grundzüge einer naturalistischen Philosophie und Ethik. In: Zur Debatte. Themen der Katholischen Akademie in Bayern 1, 33 – 34 (33).

Es ist nicht uninteressant zu konstatieren, dass Menschen, die sich professionell mit Philosophie beschäftigen, durchaus ernsthaft "an Gähn-Niveau kaum noch zu überbietenden Einwände" präsentieren, auch wenn sie freilich nur ihre berufliche Zeit damit verplempern.
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Myron
Metaphysischer Materialist



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3525

Beitrag(#1729925) Verfasst am: 19.02.2012, 21:56    Titel: Antworten mit Zitat

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:

Offenbar hast Du El Schwalmos (und nebenbei meine) "Bibel" nur unzureichend rezipiert. Gemäß deren Ontologie, und nach Heraklits "πάντα ῥεῖ") besitzen materielle Objekte die Eigenschaft der Veränderlichkeit, können also Zustandsänderungen erfahren. Im Gegensatz dazu ist die Zahl "6" nicht etwa eine modifizierte "5", und es macht auch wenig Sinn, zu fragen: "Wie geht es der Evolutionstheorie denn heute?"


Es gehört zum Wesen abstrakter Objekte, dass sie keine aktiven oder passiven Mächte (Vermögenheiten, kausale Dispositionen) besitzen. Das heißt, sie können nichts verändern oder beeinflussen und sind selbst unveränderlich und unbeeinflussbar.
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Darwin Upheaval
Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator



Anmeldungsdatum: 23.01.2004
Beiträge: 5471
Wohnort: Tief im Süden

Beitrag(#1729935) Verfasst am: 19.02.2012, 22:11    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:

Offenbar hast Du El Schwalmos (und nebenbei meine) "Bibel" nur unzureichend rezipiert. Gemäß deren Ontologie, und nach Heraklits "πάντα ῥεῖ") besitzen materielle Objekte die Eigenschaft der Veränderlichkeit, können also Zustandsänderungen erfahren. Im Gegensatz dazu ist die Zahl "6" nicht etwa eine modifizierte "5", und es macht auch wenig Sinn, zu fragen: "Wie geht es der Evolutionstheorie denn heute?"


Es gehört zum Wesen abstrakter Objekte, dass sie keine aktiven oder passiven Mächte (Vermögenheiten, kausale Dispositionen) besitzen. Das heißt, sie können nichts verändern oder beeinflussen und sind selbst unveränderlich und unbeeinflussbar.


Eben, genau das unterscheidet immaterielle Objekte (Konstrukte) von Dingen (Entitäten, realen Objekten)...
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Myron
Metaphysischer Materialist



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3525

Beitrag(#1729962) Verfasst am: 19.02.2012, 23:05    Titel: Antworten mit Zitat

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:

Es gehört zum Wesen abstrakter Objekte, dass sie keine aktiven oder passiven Mächte (Vermögenheiten, kausale Dispositionen) besitzen. Das heißt, sie können nichts verändern oder beeinflussen und sind selbst unveränderlich und unbeeinflussbar.

Eben, genau das unterscheidet immaterielle Objekte (Konstrukte) von Dingen (Entitäten, realen Objekten)...


Das stimmt nicht.
Erstens, das Konkrete umfasst sowohl das Physische als auch das Psychische. Wenn es Geister/Seelen als immaterielle konkrete Objekte (spirituelle Substanzen) gäbe, dann besäßen auch sie kausale Dispositionen. (Gott ist ja sogar ein allmächtiger Geist.)
Zweitens, die Begriffe "Objekt" (* und "Ding" sind ontologisch synonym, die Begriffe "Objekt"/"Ding" und "Entität" dagegen nicht, da nicht alle Entitäten Objekte/Dinge sind.

(* im Sinn von "Seinsgegenstand", nicht "Denkgegenstand". Denn nicht alle Denkgegenstände gehören zur ontologischen Kategorie "Gegenstand (des Seins)".)
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Darwin Upheaval
Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator



Anmeldungsdatum: 23.01.2004
Beiträge: 5471
Wohnort: Tief im Süden

Beitrag(#1730014) Verfasst am: 20.02.2012, 00:09    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:

Es gehört zum Wesen abstrakter Objekte, dass sie keine aktiven oder passiven Mächte (Vermögenheiten, kausale Dispositionen) besitzen. Das heißt, sie können nichts verändern oder beeinflussen und sind selbst unveränderlich und unbeeinflussbar.

Eben, genau das unterscheidet immaterielle Objekte (Konstrukte) von Dingen (Entitäten, realen Objekten)...


Das stimmt nicht.
Erstens, das Konkrete umfasst sowohl das Physische als auch das Psychische. Wenn es Geister/Seelen als immaterielle konkrete Objekte (spirituelle Substanzen) gäbe, dann besäßen auch sie kausale Dispositionen. (Gott ist ja sogar ein allmächtiger Geist.)
Zweitens, die Begriffe "Objekt" (* und "Ding" sind ontologisch synonym, die Begriffe "Objekt"/"Ding" und "Entität" dagegen nicht, da nicht alle Entitäten Objekte/Dinge sind.

(* im Sinn von "Seinsgegenstand", nicht "Denkgegenstand". Denn nicht alle Denkgegenstände gehören zur ontologischen Kategorie "Gegenstand (des Seins)".)


Da unsere Differenzen lediglich im "High-End-Bereich" bzw. im Bereich der Definition liegen, gibt hier logischerweise auch kein "wahr" oder "falsch"...

Nach meinem Begriffsverständnis, das sich an die Ontologie von

Bunge, M./Mahner, M. (2004) Über die Natur der Dinge. Materialismus und Wissenschaft. Hirzel, Stuttgart

anlehnt, umfasst der Begriff "Objekt" sowohl Reales als auch Fiktives. Zahlen beispielsweise sind mathematische Objekte (fiktiv), wissenschaftliche Aussagen sind theoretische Objekte (ebenfalls fiktiv) und Steine sind reale Objekte. Der Begriff "Ding" ist identisch mit "Entität" und als solcher gleichzusetzen mit realen Objekten.

Selbstverständlich existieren auch immaterielle Objekte wie Schriften, mathematische Terme, Geister, Götter und dergleichen, aber nicht real, sondern nur fiktiv. Wenn es keine Menschen mehr gibt, die sie denken, hören sie auf zu existieren. Ein Buch ist dann nicht mehr als ein Stück strukturierte Materie. Die Existenz realer Objekte ("Dinge", "Entitäten") ist dagegen nicht an unseren Wahrnahmungsapparat gebunden. So hört ein Buch nicht auf zu existieren, wenn es keine Menschen mehr gibt - nur die Schrift mit ihrem semantischen Gehalt existiert als solche nicht mehr. Über kausale Dispositionen verfügen selbstverständlich nur real existente Objekte, also Dinge/Entitäten, aber keine Hirngespinste.
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Tom der Dino
registrierter User



Anmeldungsdatum: 20.07.2011
Beiträge: 3949

Beitrag(#1730032) Verfasst am: 20.02.2012, 00:37    Titel: Antworten mit Zitat

Ich wunder mich immer mehr über die Einführungen von merkwürdigen Kategorien. Was ist der Vorteil von einer Einteilung in Konstrukt und Objekt?
_________________
Am Anfang war ......das Experiment.
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El Schwalmo
Atheistischer Agnostiker



Anmeldungsdatum: 06.11.2003
Beiträge: 9070

Beitrag(#1730044) Verfasst am: 20.02.2012, 01:01    Titel: Antworten mit Zitat

Tom der Dino hat folgendes geschrieben:
Ich wunder mich immer mehr über die Einführungen von merkwürdigen Kategorien. Was ist der Vorteil von einer Einteilung in Konstrukt und Objekt?

eine konsistente Ontologie.
_________________
Ein seliges und unvergängliches Wesen (die Gottheit) trägt weder selbst Mühsal, noch belädt es ein anderes Wesen damit. Darum kennt es weder Zorn noch Wohlwollen. Dergleichen gibt es nur bei einem schwachen Wesen. (Epikur)

Der Christengott ist immens schwach!
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El Schwalmo
Atheistischer Agnostiker



Anmeldungsdatum: 06.11.2003
Beiträge: 9070

Beitrag(#1730049) Verfasst am: 20.02.2012, 01:16    Titel: Antworten mit Zitat

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Jetzt könnte es interessanter werden: Ist ein Ding ein Ding, weil es Eigenschaften hat (vgl. Mahner/Bunge) und wie charakterisierst Du materielle Eigenschaften (bsw. durch Existenz [sic!] von Masse)?

Darwin Upheaval hat was dazu gesagt. Reicht das?

Lamarck hat folgendes geschrieben:
El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Nein. Das sind Konstrukte. Also menschengemacht. Es kann durchaus eine nicht-menschliche Logik geben, die von Maschinen oder anderen Lebensformen 'gedacht' wird, das ist dann aber nicht unbedingt das, was wir unter 'Logik' und 'Mathematik' verstehen, aber immer noch Konstrukt.

Claude Shannon hat gezeigt, dass jegliche Information prinzipiell auf eine zweiwertige Logik zurückgeführt werden kann. Bist Du denn der Ansicht, dass "Maschinen oder andere Lebensformen" nicht zwangsläufig auf logisch-mathematische Konstrukte wie die Kreiszahl π oder den Satz des Pythagoras kommen können?

Wenn sie die Welt so modellieren, wie wir das tun, auf jeden Fall. Keine Ahnung, ob es in einer 'Welt', die nicht der unsrigen entspricht, andere Konstrukte geben könnte. 'Da draußen' gibt es nur Materie, keine Kreise oder Dreiecke. Wenn man bestimmte Konstrukte denkt, ergeben sich Sätze und Zahlenwerte, die man in Annäherung auf die Natur übertragen kann.


Lamarck hat folgendes geschrieben:
El Schwalmo hat folgendes geschrieben:

Lamarck hat folgendes geschrieben:

Wie soll etwas 'wirken', was nicht 'Natur' ist?

Durch Tätigkeiten von Menschen. Gedanken sind nicht materiell, auch wenn sie auf einem materiellen Substrat (Nervensystem) emergieren. Ein Computerprogramm ist auch nicht materiell, wenn es von einer Maschine ausgeführt wird. Auch vorher nicht, denn auf einem Blatt Papier aufgeschrieben sind es Farbpartikel auf einem Blatt.

Hiermit behauptest Du cum grano salis, dass Gedanken nicht dem Bereich der Natur angehören.

Nein. Sie gehören nur nicht zu der 'Welt an sich'. Sie sind Emergenzen von Materie.

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Aber auch hier ist damit noch nicht gesagt, dass sich jenes, was sich außerhalb dieses Bereiches befindet, deshalb nicht nur nicht 'natürlich', sondern 'übernatürlich' ist.

Emergenzen sind nicht in dem Sinn 'übernatürlich' wie das ein Gott wäre.

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Die theoretische Informatik zeigt übrigens, dass sich Hardware durch Software ersetzen lässt und vice versa. Dies sollte leicht eingängig sein, wenn sich klar gemacht wird, dass sich Information im informationstheoretischen Sinne nicht simulieren lässt.

Auf welcher Maschine läuft eine Software, die Hardware ersetzt?


Lamarck hat folgendes geschrieben:
El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Nicht die 'Welt für mich' mit der 'Welt an sich' verwechseln. Zur Welt des Menschen gehören Dinge und Konstrukte. Beides ist 'der Fall', auch wenn es Konstrukte gibt, denen kein Ding entspricht (beispielsweise die Zahnfee) und umgekehrt (beispielsweise Röntgenstrahlen im Mittelalter).


Gut, der Hinweis/Vorwurf auf die Verwechslungsmöglichkeit 'Welt für mich'/'Welt an sich' gehört zu Deinen rhetorischen Standards;

Warum sagst Du nicht 'Veranschaulichung'?

Lamarck hat folgendes geschrieben:
wenn wir da in die Tiefe dringen, wird da wohl nur Subjektivität vs. Objektivität übrig bleiben.

Nein, Dinge und Konstrukte.

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Jedenfalls können Dinge 'an sich' - was auch immer dieses 'an sich' genau bedeuten mag, vermutlich in Deiner Diktion nicht 'materiell' sein

Doch.

Lamarck hat folgendes geschrieben:
- aber dafür sehr wohl der 'Welt für mich' angehören, was dann doch ein klein wenig problematisch ist ... .

Nein, überhaupt nicht. Konstrukte müssen mit der Welt nichts zu tun haben. Das IPU beispielsweise.

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Wo ist das Konstrukt 'Röntgenstrahlen im Mittelalter' hin? :wink:

Es existierte noch nicht. Es wird auch wieder verschwinden, wenn es keine Menschen mehr gibt.

Die Frage, was dem Konstrukt konkret entspricht, ist noch eine andere Frage. Aus der Tatsache, dass wir uns eine Welt ('Welt für mich') konstruieren müssen, folgt noch lange nicht, dass wir das Kind mit dem Bade ausschütten und eine 'Welt an sich' konstruieren müssen. Unbestritten, wir leben in der 'Welt für mich', strittig zwischen uns scheint nur zu sein, wie die mit der 'Welt an sich' zusammenhängt.
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El Schwalmo
Atheistischer Agnostiker



Anmeldungsdatum: 06.11.2003
Beiträge: 9070

Beitrag(#1730051) Verfasst am: 20.02.2012, 01:22    Titel: Antworten mit Zitat

Tom der Dino hat folgendes geschrieben:
Dann brauchst du aber auch nicht mit Urknall zu argumentieren, weil das einfach negiert werden kann. Mich wundert insofern, dass sich solche Theologen überhaupt auf Argumente aus dem naturalistischem Weltbild einlassen. In dem Moment, wo sie das tun, gehen sie doch einen Schritt, den sie nicht mehr rückgängig machen können. Einmal auf naturwissenschaftlichem Terrain müssen sie die Methoden anerkennen und damit alle Ergebnisse. Damit müssen sie dann aber auch alles falsifizierte als unmöglich anerkennen.

ich weiß nicht, was Du mit 'falsifiziert' hinsichtlich der Theologen, auf die Dawkins nicht eingehen möchte, meinen könntest. Welche Aussagen machen die, die man falsifizieren könnte?

Sobald es 'eng' wird, rekurrieren die zudem auf Glauben. Das ist kein Problem, wenn man von einem Gott ausgeht, den man mit dem Verstand nicht fassen kann.
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Myron
Metaphysischer Materialist



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3525

Beitrag(#1730055) Verfasst am: 20.02.2012, 01:27    Titel: Antworten mit Zitat

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:

Nach meinem Begriffsverständnis…umfasst der Begriff "Objekt" sowohl Reales als auch Fiktives.


Ja, auch ich verwende "Objekt" nicht synonym mit "existentes/reales Objekt", mit "konkretes Objekt" oder mit "Entität" (was ja "seiendes Etwas" bedeutet).

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:

Zahlen beispielsweise sind mathematische Objekte (fiktiv), wissenschaftliche Aussagen sind theoretische Objekte (ebenfalls fiktiv) und Steine sind reale Objekte.


Alle sind sich einig, dass mathematische Objekte abstrakte Objekte sind (falls sie existieren). Ob solche abstrakten Objekte fiktive Objekte sind oder nicht, ist dagegen eine philosophisch sehr umstrittene Frage (die ich persönlich als materialistischer Naturalist bejahe).

Übrigens, was Aussagen (im englischen Sinn von "proposition") oder Sachverhalte betrifft, so bezeichne ich diese, Alexius Meinong folgend, lieber als Objektive (des Denkens oder Seins) denn als Objekte.

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:

Der Begriff "Ding" ist identisch mit "Entität" und als solcher gleichzusetzen mit realen Objekten.


Gut, der Dingbegriff kann auch im allerweitesten ontologischen Sinn synonym mit "Entität" verwendet werden. Ich bevorzuge jedoch in der Regel den engeren ontologischen Sinn, dem gemäß "Ding" und "Objekt" synonym sind. In einem noch engeren ontologischen Sinn kann "Ding" auch synonym mit "konkretes Objekt" = "Substanz" verwendet werden.

Was den Begriff "Entität" anbelangt, so wird er oft einfach im absolut neutralen Sinne von "Etwas" gebraucht anstatt im wortwörtlichen etymologischen Sinn von "seiendes Etwas/Seiendes", der eine ontologische Festlegung beinhaltet. Im letzteren Sinn ist die Rede von "nichtseienden/nichtexistenten Entitäten" natürlich selbstwidersprüchlich; und wenn man "existent" und "real" für synonym erachtet, dann gilt dies ebenso für die Phrase "irreale Entität".

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:

Selbstverständlich existieren auch immaterielle Objekte wie Schriften, mathematische Terme, Geister, Götter und dergleichen, aber nicht real, sondern nur fiktiv.


Aber fiktive Existenz ist doch bloß Pseudoexistenz und damit eigentlich Inexistenz. Fiktive Objekte sind fiktiv, eben weil sie nicht existieren. Wenn ich sage, dass es einen fiktiven Detektiv namens Sherlock Holmes gibt, dann wird die ontologische Verbindlichkeit dieser Aussage ja gerade durch das Prädikat "fiktiv" aufgehoben. Die Phrase "es gibt" ist in Bezug auf reine Denkgegenstände ontologisch neutral, d.h. ich bringe damit lediglich ein bestimmtes Thema ins Gespräch (einen Gesprächsgegenstand), aber kein existentes Objekt.

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:

Wenn es keine Menschen mehr gibt, die sie denken, hören sie auf zu existieren.


Daraus, dass etwas von etwas anderem seinsabhängig ist, folgt nicht, dass es fiktiv ist.
Zum Beispiel sind soziale Institutionen und Organisationen menschenabhängig, aber wirkliche Bestandteile der sozialen Realität.

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:

Ein Buch ist dann nicht mehr als ein Stück strukturierte Materie. Die Existenz realer Objekte ("Dinge", "Entitäten") ist dagegen nicht an unseren Wahrnahmungsapparat gebunden. So hört ein Buch nicht auf zu existieren, wenn es keine Menschen mehr gibt - nur die Schrift mit ihrem semantischen Gehalt existiert als solche nicht mehr.


Ich halte es für verfehlt, Geistesunabhängigkeit, d.i. Unabhängigkeit von psychischen Phänomenen, als definitorisches Wesensmerkmal des Realitätsbegriffs anzusehen. Empfindungen und Gefühle sind nicht minder real als Bücher und Steine.
Denn real ist nach meinem Begriffsverständnis all dasjenige, das hinsichtlich seines Da- und Soseins nicht davon abhängt, zum Gegenstand eines Gedankens oder einer Vorstellung gemacht zu werden. Das gilt auch für Gedanken und Vorstellungen selbst, denn es besteht ein Unterschied zwischen erststufigen Gedanken/Vorstellungen, d.i. Gedanken/Vorstellungen über Nichtgedanken/Nichtvorstellungen, und höherstufigen Gedanken/Vorstellungen, d.i. Gedanken/Vorstellungen über andere Gedanken/Vorstellungen. Zu sagen, Gedanken/Vorstellungen seien real, bedeutet nun zu sagen, dass sie hinsichtlich ihres Da- und Soseins nicht davon abhängen, selbst zum Gegenstand eines/einer höherstufigen Gedankens/Vorstellung gemacht zu werden.
Das bedeutet, dass selbst die Rede von Gedanken- oder Vorstellungsunabhängigkeit als dem definitorischen Wesensmerkmal des Realen irreführend ist, da Gedanken und Vorstellungen an sich selbstverständlich nicht in dem Sinne gedanken- oder vorstellungsunabhängig sind, dass es sie auch dann gäbe, wenn es keine Gedanken oder Vorstellungen gäbe.
Die Definition muss als ganz korrekt lauten:

x is real =def x ist entweder von erststufigen oder von höherstufigen Gedanken/Vorstellungen da- und soseinsunabhängig


Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:

Über kausale Dispositionen verfügen selbstverständlich nur real existente Objekte, also Dinge/Entitäten, aber keine Hirngespinste.


Logisch.
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Myron
Metaphysischer Materialist



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3525

Beitrag(#1730057) Verfasst am: 20.02.2012, 01:29    Titel: Antworten mit Zitat

Tom der Dino hat folgendes geschrieben:
Was ist der Vorteil von einer Einteilung in Konstrukt und Objekt?


Ein Konstrukt ist einfach ein konstruiertes Objekt.
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Er_Win
dauerhaft gesperrt



Anmeldungsdatum: 31.01.2008
Beiträge: 4482

Beitrag(#1730065) Verfasst am: 20.02.2012, 02:22    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
x is real =def x ist entweder von erststufigen oder von höherstufigen Gedanken/Vorstellungen da- und soseinsunabhängig


Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:

Über kausale Dispositionen verfügen selbstverständlich nur real existente Objekte, also Dinge/Entitäten, aber keine Hirngespinste.


Logisch.


Worunter fällt in dieser dualistischen Ontologie "Information" ?
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Myron
Metaphysischer Materialist



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3525

Beitrag(#1730067) Verfasst am: 20.02.2012, 03:24    Titel: Antworten mit Zitat

Er_Win hat folgendes geschrieben:

Worunter fällt in dieser dualistischen Ontologie "Information" ?


Bevor nicht geklärt ist, was Information überhaupt ist, kann diese Frage nicht sinnvoll beantwortet werden. Leider ist der Informationsbegriff komplex und kompliziert.
In einem Einführungsbuch wird zwischen fünf Arten von Information(en) unterschieden:

i. mathematische Information(en)
ii. physikalische Information(en)
iii. biologische Information(en)
iv. ökonomische Information(en)
v. semantische Information(en)

Semantic Conceptions of Information: http://plato.stanford.edu/entries/information-semantic/

Biological Information: http://plato.stanford.edu/entries/information-biological/
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El Schwalmo
Atheistischer Agnostiker



Anmeldungsdatum: 06.11.2003
Beiträge: 9070

Beitrag(#1730075) Verfasst am: 20.02.2012, 07:21    Titel: Re: Kommentar Kreationismus im Unterricht Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Man kann sich aber nicht sicher sein kann, ob es nicht doch einen Gott geben könnte. Das scheint mir ein epistemisches Problem zu sein, also die Einsicht, dass man keine zwingenden Argumente vorbringen kann, also keine gültige Entscheidung möglich ist.
Was spricht dagegen, das als 'Agnostizismus' zu bezeichnen?


Der Umstand, dass die meisten darunter doxastischer Agnostizismus/agnostischer Neutralismus verstehen. Jemand, der glaubt, dass Gott nicht existiert oder nicht existieren kann, ist alles andere als neutral.

okay, kann man so sehen. Ich ging davon aus, dass ich 'Agnostiker' so verwende, wie Huxley, der den Begriff prägte, ihn verwendete und wie das auch Darwin (nicht nur in der unzuverlässigen, weil vom Familienrat auf Darwins Wunsch redigierten Autobiographie) tat. Kann natürlich sein, dass sich die Verwendung in der Zwischenzeit geändert hat. Ein 'fence sitter' bin ich auf gar keinen Fall.

Myron hat folgendes geschrieben:
Was "zwingende Argumente" betrifft, so kann selbst eine logisch perfekte reductio ad absurdum niemanden im psychologischen Sinn zwingen, sie zu akzeptieren. Denn auch die offensichtlichsten und bestbewiesenen Tatsachen sind leugbar. Man kann seinen Geist davor verschließen, nach dem irrationalen Motto: "Wenn die Tatsachen meinen Überzeugungen widersprechen, umso schlimmer für die Tatsachen!"

Natürlich, aber das scheint mir kein Argument zu sein. Bestenfalls, wenn Glaube gegen Glaube steht und man meint, die besseren Gründe zu haben.

Myron hat folgendes geschrieben:
Ich denke nichtsdestoweniger, dass es stichhaltige Argumente gegen die Möglichkeit spiritueller Substanzen gibt, welche mich veranlasst haben, nicht nur an die zufällige tatsächliche Nichtexistenz von Geistwesen, sondern auch an deren notwendige Nichtexistenz zu glauben.

Dann sind wir beim Thema: Dein Glauben gegen meinen Glauben.
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El Schwalmo
Atheistischer Agnostiker



Anmeldungsdatum: 06.11.2003
Beiträge: 9070

Beitrag(#1730076) Verfasst am: 20.02.2012, 07:25    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
Biological Information: http://plato.stanford.edu/entries/information-biological/

Darwin Upheaval kann Dir nun sicher noch die Seiten in Mahner/Bunge nennen, in denen sich die Autoren dafür aussprechen, den Begriff 'Information' in der Biologie überhaupt nicht zu verwenden, eben weil selbst in diesem Bereich die Verwendung so widersprüchlich ist.

Und, ganz ehrlich, nachdem ich bei Wort und Wissen die Diskussion über den Ansatz von Gitt ('Apobetik') verfolgt habe, kann ich das gut nachvollziehen. Das sahen sogar etliche Mitglieder von Wort und Wissen so, und zwar nicht gerade welche, die sich mit dem Thema nicht auskannten.
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Darwin Upheaval
Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator



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Beitrag(#1730080) Verfasst am: 20.02.2012, 07:47    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
Aber fiktive Existenz ist doch bloß Pseudoexistenz und damit eigentlich Inexistenz. Fiktive Objekte sind fiktiv, eben weil sie nicht existieren. Wenn ich sage, dass es einen fiktiven Detektiv namens Sherlock Holmes gibt, dann wird die ontologische Verbindlichkeit dieser Aussage ja gerade durch das Prädikat "fiktiv" aufgehoben. Die Phrase "es gibt" ist in Bezug auf reine Denkgegenstände ontologisch neutral, d.h. ich bringe damit lediglich ein bestimmtes Thema ins Gespräch (einen Gesprächsgegenstand), aber kein existentes Objekt.


Naja, und doch sind Schriften, Sherlock Holmes oder Donald Duck "irgendwie" da - und sei es nur in unseren Köpfen. Während wir ein Buch über Sherlock Holmes lesen, werden neuronale Prozesse, die sich im Gehirn des Verfasser abspielten, in unserem Gehirn rekonstruiert. In gewisser Weise lassen sich damit fiktive Dinge auf eine materielle (wenn auch nur mentale) Grundlage zurückführen. Lustigerweise generalisiert hier der radikale Konstruktivist und meint, dies gälte für alles, auch für Objekte, die wir für real halten. Du scheinst hier eher die Gegenposition einzunehmen, Mahner/Bunge eine Mittlerposition (immerhin bezeichnen sie sich selbst als "moderate Konstruktivisten".)

Myron hat folgendes geschrieben:

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:

Wenn es keine Menschen mehr gibt, die sie denken, hören sie auf zu existieren.


Daraus, dass etwas von etwas anderem seinsabhängig ist, folgt nicht, dass es fiktiv ist.
Zum Beispiel sind soziale Institutionen und Organisationen menschenabhängig, aber wirkliche Bestandteile der sozialen Realität.


Ich vermute, dass es auch keine menschenabhängigen sozialen Organisationen mehr gibt, wenn Menschen aufhören zu existieren. Es gibt ohnehin keine "sozialen Zwecke" an sich, sondern nur das, was wir als sozial definieren.

Myron hat folgendes geschrieben:

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:

Ein Buch ist dann nicht mehr als ein Stück strukturierte Materie. Die Existenz realer Objekte ("Dinge", "Entitäten") ist dagegen nicht an unseren Wahrnahmungsapparat gebunden. So hört ein Buch nicht auf zu existieren, wenn es keine Menschen mehr gibt - nur die Schrift mit ihrem semantischen Gehalt existiert als solche nicht mehr.


Ich halte es für verfehlt, Geistesunabhängigkeit, d.i. Unabhängigkeit von psychischen Phänomenen, als definitorisches Wesensmerkmal des Realitätsbegriffs anzusehen. Empfindungen und Gefühle sind nicht minder real als Bücher und Steine.


Nach der Ontologie von Bunge/Mahner sind aber nicht unsere Gefühle, sondern höchsten die Chemie unserer Gefühle bzw. deren neuronale Korrelate real. Aus dem, was sich in unserem Kopf (real) abspielt, konstruiert unser Gehirn dann den Sinneseindruck "Gefühl". Das heißt aber nicht, dass es Gefühle ante res (außerhalb von Gehirnen) gibt.

Wie Du selbst oben geschrieben hast, verfügen Konstrukte über keine kausale Disposition, selbiges gilt auch für Gefühle. Wir sagen zwar gerne sowas wie: "Liebe motiviert zu Taten", aber das heißt freilich nicht, dass "die Liebe" mit der Materie namens Gehirn interagiert und diese zu Taten antreibt. Es hört sich unromantisch an, zugegeben, aber aus materialistischer Sicht lassen sich alle Gefühle und Triebe auf neurochemische Prozesse herunterbrechen.

Myron hat folgendes geschrieben:

Denn real ist nach meinem Begriffsverständnis all dasjenige, das hinsichtlich seines Da- und Soseins nicht davon abhängt, zum Gegenstand eines Gedankens oder einer Vorstellung gemacht zu werden. Das gilt auch für Gedanken und Vorstellungen selbst, denn es besteht ein Unterschied zwischen erststufigen Gedanken/Vorstellungen, d.i. Gedanken/Vorstellungen über Nichtgedanken/Nichtvorstellungen, und höherstufigen Gedanken/Vorstellungen, d.i. Gedanken/Vorstellungen über andere Gedanken/Vorstellungen. Zu sagen, Gedanken/Vorstellungen seien real, bedeutet nun zu sagen, dass sie hinsichtlich ihres Da- und Soseins nicht davon abhängen, selbst zum Gegenstand eines/einer höherstufigen Gedankens/Vorstellung gemacht zu werden.Das bedeutet, dass selbst die Rede von Gedanken- oder Vorstellungsunabhängigkeit als dem definitorischen Wesensmerkmal des Realen irreführend ist, da Gedanken und Vorstellungen an sich selbstverständlich nicht in dem Sinne gedanken- oder vorstellungsunabhängig sind, dass es sie auch dann gäbe, wenn es keine Gedanken oder Vorstellungen gäbe.


Was Du meinst, sind vermutlich nicht die Gedanken als solche, sondern die mentalen Prozesse, die zu Gedanken (Introspektion) führen. In dem Sinn teile ich auch Deine Definition:

Zitat:

x is real =def x ist entweder von erststufigen oder von höherstufigen Gedanken/Vorstellungen da- und soseinsunabhängig

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Darwin Upheaval
Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator



Anmeldungsdatum: 23.01.2004
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Beitrag(#1730082) Verfasst am: 20.02.2012, 08:10    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
Er_Win hat folgendes geschrieben:

Worunter fällt in dieser dualistischen Ontologie "Information" ?


Bevor nicht geklärt ist, was Information überhaupt ist, kann diese Frage nicht sinnvoll beantwortet werden. Leider ist der Informationsbegriff komplex und kompliziert.
In einem Einführungsbuch wird zwischen fünf Arten von Information(en) unterschieden:

i. mathematische Information(en)
ii. physikalische Information(en)
iii. biologische Information(en)
iv. ökonomische Information(en)
v. semantische Information(en)

Semantic Conceptions of Information: http://plato.stanford.edu/entries/information-semantic/

Biological Information: http://plato.stanford.edu/entries/information-biological/


Selbst diese Einteilung ist noch zu grob. Es gibt auch noch "Information" im Sinne von "Signal", "Nachricht", "Negentropie/strukturelle Ordnung", "Wissen", "Sprache", "biologische Funktion" usw. Das, was Du als "mathematische", "physikalische", "biologische" und "ökonomische Information" bezeichnest, lässt sich IMAO auf die von mir genannten Informationsbegriffe zurückführen. Aber ich teile hier eher die hübsche Polemik von

Mahner, M./Bunge, M. (2000) Philosophische Grundlagen der Biologie. Berlin, p. 275

Zitat:
... in Wahrheit ist es oft nur ein Deckmantel für Ignoranz, gemäß der nützlichen Verschleierungsregel: "Wenn Du nicht weißt, was es ist, nenn' es Information."

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fwo
Caterpillar D9



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Beitrag(#1730093) Verfasst am: 20.02.2012, 10:06    Titel: Antworten mit Zitat

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:
Er_Win hat folgendes geschrieben:

Worunter fällt in dieser dualistischen Ontologie "Information" ?


Bevor nicht geklärt ist, was Information überhaupt ist, kann diese Frage nicht sinnvoll beantwortet werden. Leider ist der Informationsbegriff komplex und kompliziert.
In einem Einführungsbuch wird zwischen fünf Arten von Information(en) unterschieden:

i. mathematische Information(en)
ii. physikalische Information(en)
iii. biologische Information(en)
iv. ökonomische Information(en)
v. semantische Information(en)

Semantic Conceptions of Information: http://plato.stanford.edu/entries/information-semantic/

Biological Information: http://plato.stanford.edu/entries/information-biological/


Selbst diese Einteilung ist noch zu grob. Es gibt auch noch "Information" im Sinne von "Signal", "Nachricht", "Negentropie/strukturelle Ordnung", "Wissen", "Sprache", "biologische Funktion" usw. Das, was Du als "mathematische", "physikalische", "biologische" und "ökonomische Information" bezeichnest, lässt sich IMAO auf die von mir genannten Informationsbegriffe zurückführen. Aber ich teile hier eher die hübsche Polemik von

Mahner, M./Bunge, M. (2000) Philosophische Grundlagen der Biologie. Berlin, p. 275

Zitat:
... in Wahrheit ist es oft nur ein Deckmantel für Ignoranz, gemäß der nützlichen Verschleierungsregel: "Wenn Du nicht weißt, was es ist, nenn' es Information."

Hübsch, aber allein die Tatsache, wie sich hier jemand über die Verwendung dieses Begriffes mokiert, zeigt bereits, dass dieser Begriff für ihn durchaus eine Bedeutung hat, sonst gäbe es das kleine Wort "oft" nicht in seiner Formulierung.

Und ganz praktisch: Dass etwas zum Verkaufsschlager wird, bedeutet in unserer Gesellschaft noch lange nicht, dass es einen Sinn hat, aber dass man etwas benutzen kann, um darauf eine Theorie zu erstellen, mit der man technische Geräte entwickeln, herstellen und benutzen kann, ist in meinen Augen ein starker Beleg für die Sinnhaftigkeit dieses Etwas.

Und nachdem ich eben 3 Minuten mit diesem Begriff allein war, wage ich auch eine Definition:

Information ist die Eigenschaft von Stoffen oder Mustern, auf noch etwas anderes als sich selbst zu verweisen.

fwo
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Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.

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Silberling
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Beitrag(#1730101) Verfasst am: 20.02.2012, 10:24    Titel: Antworten mit Zitat

Informationen sind die Antworten auf alle Fragen des Universums.

Gruß Silberling
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Effô Tisetti
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Beitrag(#1730115) Verfasst am: 20.02.2012, 11:08    Titel: Antworten mit Zitat

Das Universum ist die Frage auf alle Antworten der Information. Komplett von der Rolle
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fwo
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Beitrag(#1730124) Verfasst am: 20.02.2012, 11:38    Titel: Antworten mit Zitat

Silberling hat folgendes geschrieben:
Informationen sind die Antworten auf alle Fragen des Universums.

Gruß Silberling

Das ist jetzt eine sehr hinterhältige Art, das Mahner/Bunge-Zitat von DU zu bestätigen.

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Tom der Dino
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Anmeldungsdatum: 20.07.2011
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Beitrag(#1730282) Verfasst am: 20.02.2012, 19:37    Titel: Antworten mit Zitat

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
[...]Lustigerweise generalisiert hier der radikale Konstruktivist und meint, dies gälte für alles, auch für Objekte, die wir für real halten.

Ich bin der Meinung, dass reale Dinge, wie ein Buch nicht im Gehirn entstehen. Einzig die Bezeichnung dafür entsteht im Gehirn, bestehend aus visuellen oder sonstwie gearteten Messgrößen und dem Namen, den man meist im Kindesalter erlernt.

Was jetzt hier offenbar oft passiert, kommt mir vor als wenn die Bezeichnung im Gehirn in zwei Kategorien zerteilt wird, wovon die eine (oder beide) Ontologie genannt wird.

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
Nach der Ontologie von Bunge/Mahner sind aber nicht unsere Gefühle, sondern höchsten die Chemie unserer Gefühle bzw. deren neuronale Korrelate real. Aus dem, was sich in unserem Kopf (real) abspielt, konstruiert unser Gehirn dann den Sinneseindruck "Gefühl".
Wieso wird da etwas vom Gehirn konstruiert?

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
Das heißt aber nicht, dass es Gefühle ante res (außerhalb von Gehirnen) gibt.
Geht da nicht wieder die unsägliche Qualia-Diskussion los? Wenn man die Chemie der Gefühle und die neuronalen Korrelate simuliert entstehen zwangsläufig auch die Gefühle. Dazu brauchts nicht unbedingt ein Gehirn.

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
Wie Du selbst oben geschrieben hast, verfügen Konstrukte über keine kausale Disposition, selbiges gilt auch für Gefühle. Wir sagen zwar gerne sowas wie: "Liebe motiviert zu Taten", aber das heißt freilich nicht, dass "die Liebe" mit der Materie namens Gehirn interagiert und diese zu Taten antreibt. Es hört sich unromantisch an, zugegeben, aber aus materialistischer Sicht lassen sich alle Gefühle und Triebe auf neurochemische Prozesse herunterbrechen.


Genau. Liebe ist nur ein Sammelbegriff für eine Vielzahl neuronaler Erregungen eingebettet in einen zeitlichen Ablauf. Letztendlich unterscheidet sich eine Geschichte in einem Buch von einem Gedanken im Hirn nur in der Art des Informationsträgers, der Codierung und in der "Lebensdauer". Die Geschichte im Buch würde es auch noch nach uns Menschen geben und mit geeigneten Übersetzungshilfen könnten andere Wesen in der Lage sein, diese Geschichten ebenfalls zu lesen. Außer das Buch wird vernichtet. Dann ist auch die Geschichte unwiderbringlich verloren. Ähnlich den Gedanken eines Menschen wenn er stirbt.
_________________
Am Anfang war ......das Experiment.
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Myron
Metaphysischer Materialist



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
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Beitrag(#1730303) Verfasst am: 20.02.2012, 20:58    Titel: Antworten mit Zitat

El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:
Biological Information: http://plato.stanford.edu/entries/information-biological/

Darwin Upheaval kann Dir nun sicher noch die Seiten in Mahner/Bunge nennen, in denen sich die Autoren dafür aussprechen, den Begriff 'Information' in der Biologie überhaupt nicht zu verwenden, eben weil selbst in diesem Bereich die Verwendung so widersprüchlich ist.


Wenn man den biologischen Informationsbegriff richtig auslegt, dann darf man ihn schon verwenden.

"In the precise sense in which one may speak of semantic information, genetic information can hardly count as an instance of it. It simply lacks all its typical features, including meaningfulness, intentionality, aboutness, and veridicality. DNA contains the genetic code, precisely in the sense that it physically contains the genes which code for the development of the phenotypes. So DNA does contain genetic information, like a CD may contain some software. But the genetic code or, better, the genes, are the information itself. Genes do not send information, in the sense in which a radio sends a signal. They work more or less successfully and, like a recipe for a cake, may only partly guarantee the end result, since the environment plays a crucial role. Genes do not contain information, like envelopes or emails do, nor do they describe it, like a blueprint; they are more like performatives: 'I promise to come at 8 pm' does not describe or contain a promise, it does something, namely it effects the promise itself through the uttered words. Genes do not carry information, as a pigeon may carry a message, no more than a key carries the information to open a door. They do not encode instructions, as a string of lines and dots may encode a message in Morse alphabet. True, genes are often said to be the bearers of information, or to carry instructions for the development and functioning organisms, and so forth, but this way of speaking says more about us than about genetics. We regularly talk about our current computers as if they were intelligent—when we know they are not—and we tend to attribute semantic features to genetic structures and processes, which of course are biochemical and not intentional at all. The 'code' vocabulary should not be taken too literally, as if genes were information in a semantic-descriptive sense, lest we run the risk of obfuscating our understanding of genetics. Rather, genes are instructions, and instructions are a type of predicative and effective/procedural information, like recipes, algorithms, and commands. So genes are dynamic procedural structures that, together with other indispensable environmental factors, contribute to control and guide the development of organisms. This is a perfectly respectable sense in which biological information is indeed a kind of information. Dynamic procedural structures are a special type of informational entities, those that are in themselves instructions, programs, or imperatives."

(Floridi, Luciano. Information: A Very Short Introduction. Oxford: Oxford University Press, 2010. pp. 79-80)

"[T]here are three main ways of talking about information:

(i) Information as reality, e.g. patterns, fingerprints, tree rings;

(ii) Information for reality, e.g. commands, algorithms, recipes;

(iii) Information about reality, i.e. with an epistemic value, e.g. train tables, maps, entries in an encyclopaedia.

Something may count as information in more than one sense, depending on the context. For example, a person's iris may be an instance of information as reality (the pattern of the membrane in the eye), which provides information for reality (e.g. as a biometric means to open a door by verifying the identity of the person), or about reality (e.g. the identity of the person). But it is crucial to be clear about what sense of information is being used in each case: (i) physical, (ii) instructional, (iii) semantic."


(Floridi, Luciano. Information: A Very Short Introduction. Oxford: Oxford University Press, 2010. pp. 74-5)
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Myron
Metaphysischer Materialist



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3525

Beitrag(#1730325) Verfasst am: 20.02.2012, 21:35    Titel: Antworten mit Zitat

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:

Naja, und doch sind Schriften, Sherlock Holmes oder Donald Duck "irgendwie" da - und sei es nur in unseren Köpfen. Während wir ein Buch über Sherlock Holmes lesen, werden neuronale Prozesse, die sich im Gehirn des Verfasser abspielten, in unserem Gehirn rekonstruiert. In gewisser Weise lassen sich damit fiktive Dinge auf eine materielle (wenn auch nur mentale) Grundlage zurückführen.


Es besteht ein Unterschied zwischen fiktiven Objekten und deren mentalen Repräsentationen. Unsere Gedanken und Vorstellungen, die sich auf fiktive Objekte beziehen, entsprechen Nervenvorgängen und befinden sich damit in unseren Köpfen. Sherlock Holmes und Donald Duck sind dagegen nirgendwo.

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:

Lustigerweise generalisiert hier der radikale Konstruktivist und meint, dies gälte für alles, auch für Objekte, die wir für real halten. Du scheinst hier eher die Gegenposition einzunehmen, Mahner/Bunge eine Mittlerposition (immerhin bezeichnen sie sich selbst als "moderate Konstruktivisten".)


Ich bin ein physikalischer Realist. Der Konstruktivismus mag höchstens in der Sozialwissenschaft seine Berechtigung haben.

Naturalistic Approaches to Social Constructivism: http://plato.stanford.edu/entries/social-construction-naturalistic/

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:

Nach der Ontologie von Bunge/Mahner sind aber nicht unsere Gefühle, sondern höchsten die Chemie unserer Gefühle bzw. deren neuronale Korrelate real. Aus dem, was sich in unserem Kopf (real) abspielt, konstruiert unser Gehirn dann den Sinneseindruck "Gefühl". Das heißt aber nicht, dass es Gefühle ante res (außerhalb von Gehirnen) gibt.


Ich fasse alle Erlebungen (Empfindungen, Fühlungen, Stimmungen, Denkungen, Vorstellungen) als psychophysische Nervenvorgänge auf, deren objektiver neurophysiologischer Aspekt genauso real ist wie ihr subjektiver phänomenologischer Aspekt (ihr qualitativer Anmutungsgehalt).

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:

Wie Du selbst oben geschrieben hast, verfügen Konstrukte über keine kausale Disposition, selbiges gilt auch für Gefühle. Wir sagen zwar gerne sowas wie: "Liebe motiviert zu Taten", aber das heißt freilich nicht, dass "die Liebe" mit der Materie namens Gehirn interagiert und diese zu Taten antreibt. Es hört sich unromantisch an, zugegeben, aber aus materialistischer Sicht lassen sich alle Gefühle und Triebe auf neurochemische Prozesse herunterbrechen.


Da rennst du bei mir offene Türen ein.
Der Zustand des Verliebtseins ist ein körperlicher Zustand, und als solcher ist er durchaus verhaltenswirksam.

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
Was Du meinst, sind vermutlich nicht die Gedanken als solche, sondern die mentalen Prozesse, die zu Gedanken (Introspektion) führen.


Es gibt hier drei Aspekte:
i. die Tätigkeit des Denkens (die Denkung)
ii. der Inhalt des (aussagenartigen) Denkens (der gedanklich erzeugte, gedachte Satz)
iii. der (intentionale) Gegenstand des (aussagenartigen) Denkens (die bedachte Sache oder der bedachte Sachverhalt)

Mit "Gedanke" ist entweder i oder ii gemeint. Das Reale ist dadurch gekennzeichnet, dass es auch dann da ist und so ist, wie es ist, wenn niemand es zum Gegenstand seines Denkens macht.
Man kann auch sagen, dass das Reale hinsichtlich seines Da- und Soseins nicht davon abhängt, von jemandem erwähnt oder beschrieben zu werden.
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Er_Win
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Beitrag(#1730330) Verfasst am: 20.02.2012, 21:45    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
Er_Win hat folgendes geschrieben:

Worunter fällt in dieser dualistischen Ontologie "Information" ?


Bevor nicht geklärt ist, was Information überhaupt ist, kann diese Frage nicht sinnvoll beantwortet werden. Leider ist der Informationsbegriff komplex und kompliziert.

[...]


warum "leider" ... zwinkern

Mir ist klar dass "Information" in unterschiedlichen Kontexten unterschiedliche Bedeutung beigemessen wird, bzw. zT. strenge Def. existieren.

Mir geht es um die Frage, ob Information im semantischen Sinne (also im Sinne von "Bedeutung") ein reales Wirkpotential zukommt, gegenüber dem das konkrete "Substrat" der Informationübertragung von nachrangiger (insbesondere also non-kausaler) Bedeutung ist.

Es geht mir also insbesondere nicht um einen Informations-Begriff a'la Shannon
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Myron
Metaphysischer Materialist



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Beitrag(#1730454) Verfasst am: 21.02.2012, 00:08    Titel: Antworten mit Zitat

Er_Win hat folgendes geschrieben:

Mir geht es um die Frage, ob Information im semantischen Sinne (also im Sinne von "Bedeutung") ein reales Wirkpotential zukommt, gegenüber dem das konkrete "Substrat" der Informationübertragung von nachrangiger (insbesondere also non-kausaler) Bedeutung ist.


In diesem Sinne betrachte ich die Informatik als Semiotik. Deine Frage ist dann eine nach dem ontologischen Status von Zeichen. Es gibt aber keine Zeichen-an-sich, d.h. etwas ist nur dann ein Zeichen, wenn es als solches wahrgenommen und verstanden wird.
Aus ontologischer Sicht ist die Unterscheidung zwischen abstrakten Zeichentypen und deren konkreten Zeichenexemplaren relevant.

Types and Tokens: http://plato.stanford.edu/entries/types-tokens/
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Er_Win
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Beitrag(#1730475) Verfasst am: 21.02.2012, 00:31    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
Er_Win hat folgendes geschrieben:

Mir geht es um die Frage, ob Information im semantischen Sinne (also im Sinne von "Bedeutung") ein reales Wirkpotential zukommt, gegenüber dem das konkrete "Substrat" der Informationübertragung von nachrangiger (insbesondere also non-kausaler) Bedeutung ist.


In diesem Sinne betrachte ich die Informatik als Semiotik. Deine Frage ist dann eine nach dem ontologischen Status von Zeichen. Es gibt aber keine Zeichen-an-sich, d.h. etwas ist nur dann ein Zeichen, wenn es als solches wahrgenommen und verstanden wird.
Aus ontologischer Sicht ist die Unterscheidung zwischen abstrakten Zeichentypen und deren konkreten Zeichenexemplaren relevant.


Nein, da hast du meine Frage ziemlich missverstanden.

Wie du richtig schreibst, muss Information in semantischem Sinne wahr_genommen werden, um "anzukommen". Der Weg bis zur (bewussten) Wahrnehmung ist nicht das, wonach ich gefragt habe.

Zum Verständnis ein arg konstruiertes, verkürztes und plakativ übertriebenes Beispiel:

Die Nachbarin schreibt einen Brief, indem sie ihrem Nachbarn mitteilt, dass seine Frau ihn schon lange mit Herrn XYZ betrügt. Darauf hin bringt der Mann seine Frau um.

Es interessiert mich jetzt nicht, wie der semantische Informationsgehalt (die Frau betrügt) übermittelt wurde (Brief, mündlich, eigene Beobachtung etc...) auch nicht, was im Körper an "Informationsverarbeitung" abläuft, bis die Semantik verstanden wurde, sondern der Aspekt, ob diese Information (kausales) Wirkpotential hat (nach dem Zeitpunkt der Wahrnehmung).
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Tom der Dino
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Beitrag(#1730489) Verfasst am: 21.02.2012, 00:58    Titel: Antworten mit Zitat

Er_Win hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:
Er_Win hat folgendes geschrieben:

Mir geht es um die Frage, ob Information im semantischen Sinne (also im Sinne von "Bedeutung") ein reales Wirkpotential zukommt, gegenüber dem das konkrete "Substrat" der Informationübertragung von nachrangiger (insbesondere also non-kausaler) Bedeutung ist.


In diesem Sinne betrachte ich die Informatik als Semiotik. Deine Frage ist dann eine nach dem ontologischen Status von Zeichen. Es gibt aber keine Zeichen-an-sich, d.h. etwas ist nur dann ein Zeichen, wenn es als solches wahrgenommen und verstanden wird.
Aus ontologischer Sicht ist die Unterscheidung zwischen abstrakten Zeichentypen und deren konkreten Zeichenexemplaren relevant.


Nein, da hast du meine Frage ziemlich missverstanden.

Wie du richtig schreibst, muss Information in semantischem Sinne wahr_genommen werden, um "anzukommen". Der Weg bis zur (bewussten) Wahrnehmung ist nicht das, wonach ich gefragt habe.

Zum Verständnis ein arg konstruiertes, verkürztes und plakativ übertriebenes Beispiel:

Die Nachbarin schreibt einen Brief, indem sie ihrem Nachbarn mitteilt, dass seine Frau ihn schon lange mit Herrn XYZ betrügt. Darauf hin bringt der Mann seine Frau um.

Es interessiert mich jetzt nicht, wie der semantische Informationsgehalt (die Frau betrügt) übermittelt wurde (Brief, mündlich, eigene Beobachtung etc...) auch nicht, was im Körper an "Informationsverarbeitung" abläuft, bis die Semantik verstanden wurde, sondern der Aspekt, ob diese Information (kausales) Wirkpotential hat (nach dem Zeitpunkt der Wahrnehmung).


Ja, hat sie. Helft mir bitte, ich versuch die ganze Zeit zu verstehen, warum diese Frage nicht trivial sein sollte. Da ich nicht drauf komme, ihr aber sehr viel Energie in die Klärung dieser Frage steckt, muss ich davon ausgehen, dass ich eine gewaltig klaffende Bildungslücke besitze. Warum ist der Aspekt den Erwin erwähnt, nicht trivial?
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step
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Beitrag(#1730539) Verfasst am: 21.02.2012, 09:55    Titel: Antworten mit Zitat

Tom der Dino hat folgendes geschrieben:
Er_Win hat folgendes geschrieben:
Die Nachbarin schreibt einen Brief, indem sie ihrem Nachbarn mitteilt, dass seine Frau ihn schon lange mit Herrn XYZ betrügt. Darauf hin bringt der Mann seine Frau um.

Es interessiert mich jetzt nicht, wie der semantische Informationsgehalt (die Frau betrügt) übermittelt wurde (Brief, mündlich, eigene Beobachtung etc...) auch nicht, was im Körper an "Informationsverarbeitung" abläuft, bis die Semantik verstanden wurde, sondern der Aspekt, ob diese Information (kausales) Wirkpotential hat (nach dem Zeitpunkt der Wahrnehmung).
Ja, hat sie. Helft mir bitte, ich versuch die ganze Zeit zu verstehen, warum diese Frage nicht trivial sein sollte.

Wie Er-Win schon andeutet, geht es ihm ja gar nicht um die Frage, was genau Information ist, sondern um sein Lieblingsthema Top-Down Kausalität. Die Frage hinter der geschilderten Situation ist, was genau die kausale Wirkung ausübt bzw. den Handlungsimpuls im Leser bewirkt:
a) der informelle Inhalt des Briefes
b) der Brief
c) das Absenden des Briefes
d) die Atome der Tinte Briefes usw.
e) die Untreue der Frau
f) ...

Meiner Ansicht nach ist die Antwort abhängig von der Genauigkeit, mit der wir hinschauen. In einem vereinfachten Alltagsmodell agiert der Brief kausal, bei genauerem Hinschauen ist das aber paradox. Stattdessen sehen wir dann eine Kette vieler Einflüsse und letztlich Mikrokausalität.
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