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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#118581) Verfasst am: 24.04.2004, 23:17 Titel: |
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Hi!
Sokrateer hat folgendes geschrieben: |
Wahrscheinlich wurde die Wichtigkeit der Grammatik von etwaigen Enthusiasten einfach überschätzt. Viele Sachverhalte kann man ja auch ganz ohne Grammatik rüberbringen. Z.b. "Chef sagen gehen müssen Baustelle" |
Deinen Satz interpretierst Du allerdings in einer gewissen Art und Weise, womit die Grammatik wieder in's Spiel kommt! Zudem steckt gleichwohl in diesem Satz mehrfach eine gewisse Grammatik (Groß-/Kleinschreibung; WER-WANN, ...)
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)
„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#118584) Verfasst am: 24.04.2004, 23:23 Titel: |
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Hi!
IMHO sind die folgende Thesen thematisch bedeutsam, die ich hier mal als weiteren Diskussionsanstoß posten möchte:
i) Es läßt sich keine Universalgrammatik im linguisten Sinne finden
ii) 'Sprache' ist als Komplexitätsphänomen systemtheoretisch zu betrachten
iii) Je komplexer ein System, desto wahrscheinlicher die Zunahme an 'Widersprüchen'
iv) Diese 'Widersprüche' erfordern 'Systemreaktionen'; d. h. eine gewisse Form von Selbstorganisation, die sich als Emergenz auffassen läßt
v) Die emergente 'Erfindung' der Lösung stellt sich als 'Regel' - bsw. Grammatik oder Naturkonstante - dar.
vi) Dergestalt sind unterschiedliche Systeme möglich
vii) Aufgrund der 'Klammer' 'Wiederspruchsfreiheit bzw. ~lösung' verringern sich trotz beliebiger Anfangsbedingungen die Freiheitsgrade des Systems (determiniertes Chaos vs. Selbstähnlichkeit)
viii) Das System 'Sprache' setzt auf den biologisch/psychologischen Hintergrund als Basissystem auf
ix) Zur phänomenologischen Betrachtung ist der Radikale Konstruktivismus das geeignete philosophische Mittel
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)
„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#118670) Verfasst am: 25.04.2004, 12:49 Titel: |
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Hi,
wie grundlegend die Rolle von Mathematik für die Physik und die einer Grammatik für kognitive Leistungen ist, ist umstritten.
Mich stört, daß diese Frage gleich wieder zum Reduktionisten-Bashing mißbraucht wird.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Chemische Systeme sind aus physikalischen aufgebaut, und es gibt 'durchreichende' Seinsgesetze, die auf _allen_ Stufen gelten. Diesen Aspekt der chemischen Systeme kannst Du von der Physik her erklären. Aber nicht den, der auf der Ebene der chemischen Systeme emergiert. |
Hier hatten wir als Beispiel ja mal die chemischen Eigenschaften des Wassers und die Frage, ob man sie aus physikalischen Struktur und EIgenschaften des Wassermoleküls oder sogar der beteiligten Atome simulieren / herleiten kann. Beim Wasser ist das in der Tat relativ schwierig, aber eben doch möglich.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Natürlich kannst Du von der oberen Seinsstufe die darunter liegende nicht erklären. Aber das heißt nicht, dass Du die der höheren Seinsstufe von der niedrigeren ausgehend erklären kannst. |
Natürlich folgt das nicht daraus. Aber es gibt immerhin Beispiele dafür, und es ist eine Theorie über die Wissenschaften. Der Emergentist sagt dagegen: "Wenn die und die Bedingungen in einem komplexen System so oder so sind, dann 'entsteht' ein neues Phänomen X". Entweder fragt er dann nicht weiter nach Erklärungen (z.B. weil er sie zum Biologietreiben nicht benötigt), oder er muß den Zusammenhang reduzieren, etwa indem er chemisch, stochastisch oder physikalisch argumentiert.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Aber wenn wir schon dabei sind: brauchst Du nicht _Menschen_, um überhaupt über physikalische Gesetze _sprechen_ zu können? |
Nein. Das scheint nur in Deinem Weltbild so, weil Du dazu neigst, bestimmte Fähgkeiten ("sprechen", "leben", "denken") axiomatisch für auf Menschen beschränkt zu postulieren, denn nur auf diese Weise kannst Du halbwegs ungestraft über "Seinsstufen", "Emergenzen", "Geist" oder sonstiges reden.
Würde eine KI eine Theorie aufstellen und mithilfe derer Voraussagen machen, und sie vielleicht sogar anderen KI's zur Verfügung stellen, so würdest Du sicherlich argumentieren, das sei nicht dasselbe, weil die KI auf anderem Wege zu dieser Theorie gekommen sie oder die Theorie in der KI anders repräsentiert sei als im menschlichen Gehirn.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Du könntest mit Sicherheit behaupten, dass ein Tier nicht mehr sch***t als frisst. Wenn Dir das genügt, bleib Reduktionist. Ansonsten solltest Du Dein Weltbild etwas justieren. |
Du solltest klar sagen, ob Du nur an der sinnvollen Nutzung der physikalischen Reduktion zweifelst (Kenntnis der Parameter, Rechenzeit) oder ob Du an echte "emergente Dinge" oder Geistwesen glaubst, die prinzipiell nicht physikalisch erklärbar sind. Bedenke, daß Deine Alternative zu einer physikalischen Reduktion letztlich darin besteht, das chemische oder biologische Phänomen gar nicht zu erklären.
Wie gehst Du damit um, daß von Zeit zu Zeit ehemals "emergentes" Eigentum der Chemie oder Biologie plötzlich doch reduzierbar ist, nur weil sagen wir ein besserer Simulationscomputer zur Verfügung steht? Klar bleiben Dir immer Phänomene, deren Komplexität für eine Simulation zu hoch ist. Notfalls kannst Du immer noch sagen: Oops, das war jetzt eins von der Sorte "'durchreichende's Seinsgesetz".
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Trefflich hierzu Ernst Mayr: "Meines Wissens hat keine dieser revolutionären physikalischen Theorien auch nur zu einer einzigen minimalen Änderung in irgendeiner biologischen Theorie geführt. Dies zeigt, wie unabhängig die Biologie von den physikalischen Wissenschaften ist." |
Dies ist geleich mehrfacher Unsinn:
- Erstens ist es einfach falsch. Die Kenntnis neuronaler Potentiale z.B. hat die biologische Theorie des Bewußtseins stark verändert, und man weiß heute, warum Pflanzen grün sind). Noch stärker ist der Effekt zwischen Physik/Chemie oder zwischen Chemie/Biologie. Natürlich wird man physikalische Theorien aus Extrembereichen (Quarks, ART, Urknall) kaum in der Biologie wiederfinden.
- Zweitens: Die Biologie ist natürlich dennoch hinreichend unabhängig, da es effizientere Methoden der biologischen Forschung gibt als die immerwährende Reduktion. Man darf die Effizienz der Erkenntnisgewinnung nicht mit der prinzipiellen Reduzierbarkeit in einen Topf werfen. Wir können Simulationsregeln ("Naturgesetze") wie etwa die Mendelschen Gesetze emergent - und damit meist effizienter - formulieren. Dafür zahlen wir den Preis der schlechteren Generalität und der fehlenden Erklärung.
gruß/step
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Wygotsky registrierter User
Anmeldungsdatum: 25.01.2004 Beiträge: 5014
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(#118684) Verfasst am: 25.04.2004, 13:50 Titel: |
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@step:
Ich will mal checken, ob ich richtig verstanden habe. Du würdest also argumentieren, dass sich sämtliche biologischen Phänomene, also z.B. auch Verhalten oder Evolution, auf physikalische Prozesse reduzieren lassen. Mit zunehmender Komplexität entstehen keine Systemeigenschaften, die auf der darunterliegenden Stufe nicht mehr erklärbar sind? Willst du darauf hinaus?
Zweistens: Die Physik wird die Biologie dennoch nicht ersetzen. Biologen werden Verhalten und Vererbung und andere Phänomene weiterhin mit biologischen Modellen erklären. Dies aber nicht, weil es prinzipiell nicht anders geht, sondern aus pragmatischen Gründen wie Rechenzeit oder Überschaubarkeit der Theorie oder wie schwierig es ist, einen Sachverhalt aus den Grundannahmen einer Theorie zu entwickeln. Im Endeffekt läuft es darauf hinaus, dass wer häufig Schrauben eindreht einen kompletten Satz Schraubenzieher dem viel platzsparenderen und eleganteren Leatherman Tool vorzieht. Trifft es das etwa?
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Wygotsky registrierter User
Anmeldungsdatum: 25.01.2004 Beiträge: 5014
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(#118687) Verfasst am: 25.04.2004, 13:52 Titel: |
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Lamarck hat folgendes geschrieben: | ii) 'Sprache' ist als Komplexitätsphänomen systemtheoretisch zu betrachten |
Von Systemtheorie habe ich noch keine Ahnung. Gibt's da was in knapper und leicht verständlicher Form. Bitte bei der Literaturempfehlung berücksichtigen, dass ich als Kindergärtner eher schlichteren Gemütes bin.
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Shadaik evolviert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 26377
Wohnort: MG
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(#118688) Verfasst am: 25.04.2004, 13:53 Titel: |
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Wygotsky hat folgendes geschrieben: | An Computern simulierte. |
Dann vermute ich, dass es sich um Programme handelt.
Verrätst du mir wie man ohne Informationen einzugeben ein Programm schreibt?
_________________ Fische schwimmen nur in zwei Situationen mit dem Strom: Auf der Flucht und im Tode
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Shadaik evolviert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 26377
Wohnort: MG
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(#118690) Verfasst am: 25.04.2004, 14:00 Titel: |
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Lamarck hat folgendes geschrieben: | i) Es läßt sich keine Universalgrammatik im linguisten Sinne finden |
Umstritten, die meinung kommt auf die linguistische Schule an. Hier in Düsseldorf gilt die UG als korrekt, aber noch nicht entschlüsselt.
Ich persönlich bezweifle das und nehme mir grade die dieser Meinung zu Grunde liegenden Forschungen über Pidgiun/Kreol zur Brust.
Zitat: | ii) 'Sprache' ist als Komplexitätsphänomen systemtheoretisch zu betrachten |
Nur, wenn du Sprache entsprechend definierst.
Zitat: | iii) Je komplexer ein System, desto wahrscheinlicher die Zunahme an 'Widersprüchen'
iv) Diese 'Widersprüche' erfordern 'Systemreaktionen'; d. h. eine gewisse Form von Selbstorganisation, die sich als Emergenz auffassen läßt
v) Die emergente 'Erfindung' der Lösung stellt sich als 'Regel' - bsw. Grammatik oder Naturkonstante - dar.
vi) Dergestalt sind unterschiedliche Systeme möglich |
Ja.
Zitat: | vii) Aufgrund der 'Klammer' 'Wiederspruchsfreiheit bzw. ~lösung' verringern sich trotz beliebiger Anfangsbedingungen die Freiheitsgrade des Systems (determiniertes Chaos vs. Selbstähnlichkeit) |
Jein, da die Regeln selbst jederzeit verändert werden können und eine neue Organisation statt findet.
Zitat: | ix) Zur phänomenologischen Betrachtung ist der Radikale Konstruktivismus das geeignete philosophische Mittel |
Ja.
_________________ Fische schwimmen nur in zwei Situationen mit dem Strom: Auf der Flucht und im Tode
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Shadaik evolviert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 26377
Wohnort: MG
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(#118691) Verfasst am: 25.04.2004, 14:02 Titel: |
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Sokrateer hat folgendes geschrieben: |
Wahrscheinlich wurde die Wichtigkeit der Grammatik von etwaigen Enthusiasten einfach überschätzt. Viele Sachverhalte kann man ja auch ganz ohne Grammatik rüberbringen. Z.b. "Chef sagen gehen müssen Baustelle" |
Wieso gibt es dann keine Sprache ohne Grammatik?
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#118699) Verfasst am: 25.04.2004, 14:32 Titel: |
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Wygotsky hat folgendes geschrieben: | @step:
Ich will mal checken, ob ich richtig verstanden habe. Du würdest also argumentieren, dass sich sämtliche biologischen Phänomene, also z.B. auch Verhalten oder Evolution, auf physikalische Prozesse reduzieren lassen. |
Ja, zumindest wenn wir Effekte der großen Zahl, der Stichproben usw. auch noch gelten lassen.
Wygotsky hat folgendes geschrieben: | Mit zunehmender Komplexität entstehen keine Systemeigenschaften, die auf der darunterliegenden Stufe nicht mehr erklärbar sind? Willst du darauf hinaus? |
Ja. Über eine mögliche Reduktion der Physik selbst wird gestritten.
Wygotsky hat folgendes geschrieben: | Zweistens: Die Physik wird die Biologie dennoch nicht ersetzen. Biologen werden Verhalten und Vererbung und andere Phänomene weiterhin mit biologischen Modellen erklären. Dies aber nicht, weil es prinzipiell nicht anders geht, sondern aus pragmatischen Gründen wie Rechenzeit oder Überschaubarkeit der Theorie oder wie schwierig es ist, einen Sachverhalt aus den Grundannahmen einer Theorie zu entwickeln. |
Ja, und das ist auch gar nichts Schlechtes. Der Biologe muß sich darum kümmern, Regeln für die Voraussage biologischer Phänomene zu finden, und die kann er effizienter biologisch formulieren. Mir geht es darum, daß niemand das Kind mit dem Bade ausschüttet und behauptet, es "gäbe" da noch etwas - für das der Biologe Priester ist.
Wygotsky hat folgendes geschrieben: | Im Endeffekt läuft es darauf hinaus, dass wer häufig Schrauben eindreht einen kompletten Satz Schraubenzieher dem viel platzsparenderen und eleganteren Leatherman Tool vorzieht. Trifft es das etwa? |
Diese Analogie finde ich nicht so passend, aber sei's drum.
gruß/step
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Wygotsky registrierter User
Anmeldungsdatum: 25.01.2004 Beiträge: 5014
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(#118707) Verfasst am: 25.04.2004, 15:04 Titel: |
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Shadaik hat folgendes geschrieben: | Wygotsky hat folgendes geschrieben: | An Computern simulierte. |
Dann vermute ich, dass es sich um Programme handelt.
Verrätst du mir wie man ohne Informationen einzugeben ein Programm schreibt? |
Natürlich gibt man Informationen ein, aber eben nicht über Grammatik. Das Programm simuliert ein mehrschichtiges Netz von Neuronen, bei dem jedes Neuron mit jedem verschaltet ist. Benachbarte Neuronen erregen sich gegenseitig. Weiter entfernte Neuronen hemmen sich gegenseitig. Feuern zwei Neuronen zugleich, so wird die Synapse zwischen den beiden künftig erregender. Sonst wird sie hemmender. Das ist grob gesagt die Grammatik eines Kohonennetzes.
Das kann dann allen möglichen Scheiß selbst "lernen", wobei dem Programmierer des Netzes verborgen bleibt, wie dieses Lernen im einzelnen abläuft. Lernen heißt hier Mustererkennung. Gibt man einen Input ins Netz, bereitet sich Erregung aus, die sich schließlich in einem bestimmten Areal konzentriert. Wenn man die Inputs häufig darbietet, reagieren bestimmte Areale zunehmend zuverlässig mit Erregung auf Inputs, die gewisse Eigenschaften haben. Man sagt dann, sie repräsentieren den Input. Ähnliche Inputs werden in benachbarten Arealen repräsentiert.
Der Gag ist, dass kein explizites grammatikalisches Wissen programmiert wird, sondern nur die beschriebenen Verhaltensregeln für die simulierten Neuronen. Natürlich haben echte Neuronen viele Eigenschaften, die hier nicht simuliert werden. Darüber kann dir Thomas mehr sagen. Wenn ein solches Netz in der Lage ist, Repräsentationen grammatikalischer Strukturen oder Formen auszubilden, z.B. einen simple past cluster, dann zeigt das zumindest, dass man keinen language acquisistion device als Universalgrammatik denken muss. Man kann sich genauso vorstellen, dass Grammatik auf der Grundlage allgemeinerer Prinzipien der Mustererkennung erworben wird. Die Strukturen, die Grammatik lernen, könnten also alles mögliche lernen.
Chomsky hätte dann insofern recht behalten, als dass Grammatikregeln aus der dargebotenen Sprache extrahiert werden. Er hätte insofern unrecht, als dass dafür kein spezielles Modul erforderlich wäre. Gehirne können grammatikalische Muster erkennen, ebenso wie sie musikalische, graphische oder soziale Muster erkennen können. Das ist grob vereinfacht die Idee.
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Shadaik evolviert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 26377
Wohnort: MG
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(#118713) Verfasst am: 25.04.2004, 15:19 Titel: |
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Problem bei der Sache: Wie bilden sich dann spezielle "Zentren" für spezielle Tätigkeiten in unterschiedlichen Hirnregionen, die sich bei den meisten Menschen auch noch entsprechen?
_________________ Fische schwimmen nur in zwei Situationen mit dem Strom: Auf der Flucht und im Tode
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Wygotsky registrierter User
Anmeldungsdatum: 25.01.2004 Beiträge: 5014
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(#118717) Verfasst am: 25.04.2004, 15:29 Titel: |
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Shadaik hat folgendes geschrieben: | Problem bei der Sache: Wie bilden sich dann spezielle "Zentren" für spezielle Tätigkeiten in unterschiedlichen Hirnregionen, die sich bei den meisten Menschen auch noch entsprechen? |
Das ist schon eine Metadiskussion. Soweit ich informiert bin, geht man gegenwärtig von der Existenz echter Module aus. Es ist also per Anlage bestimmt, dass eine bestimmte Hirnregion bestimmte Aufgaben haben wird. Andere glauben, dass die Module selbstorganisiert entstehen. Dafür spricht zum Beispiel der Fall eines 3-jährigen Mädchens, dem aufgrund einer Hirnentzündung die dominante linke Hirnhälfte komplett entfernt werden musste. Die enthielt auch die Sprachzentren und selbstverständlich die motorische Kontrolle für die rechte Körperhälfte. Das Mädchen ist heute 7 Jahre alt. Es ist zweisprachig aufgewachsen und spricht fließend türkisch und niederländisch. Es hat eine leichte Spastik des rechten Arms und Beins. Ansonsten lebt sie ganz normal. Sicher ein sehr ungewöhnlicher Einzelfall. Mit der Vorstellung bestimmter Zentren, die einzig und allein geeignet sind, bestimmte Aufgaben zu übernehmen, ist dieses Beispiel aber nicht vereinbar. Offenbar hat das Mädchen die Grammatik seiner Muttersprachen mit "Zentren" lernen können, die für solche Aufgaben normalerweise nicht vorgesehen sind. Der Fall zeigt einmal mehr, dass der LAD nicht angenommen werden muss.
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Sokrateer souverän
Anmeldungsdatum: 05.09.2003 Beiträge: 11649
Wohnort: Wien
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(#118736) Verfasst am: 25.04.2004, 17:05 Titel: |
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Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: |
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Eben. KI heißt ja auch Künstliche Intelligenz. Das Akronym ist ja heute ziemlich verpönt und wurde durch AI ersetzt. |
weil die tumbe Masse kein Englisch kann? Oder wie würdest Du 'artificial' übersetzen? |
Es geht nicht um das "artificial" sondern vielmehr um das "intelligence", was nicht bedeutungsäquivalent mit "Intelligenz" ist.
Ein weiteres Wort, das uns im Deutschen übrigens fehlt, ist "mind".
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Mit der Frage, wie genau ein Mensch denkt, beschäftigen sich andere. |
Wenn die [K|A]I-ler das explizit betonen würden, würde viel heiße Luft aus der Diskussion entweichen. Könnte aber sein, dass das viel Reiz und Forschungsmittel nähme. |
Vorsicht! Die meisten [K|A]I-ler sind auch gleichzeitig Psychologen, Linguisten, Kognistionswissenschaftler, Musiktheorethiker, Philosophen, usw. Die KI ist am menschlichen Denken nur soweit interessiert, wie es für die KI nötig ist. Die Kognitionswissenschaft beschäftigt sich mit Kognition im Allgemeinen und zieht auch Computermodelle heran.
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Wygotsky registrierter User
Anmeldungsdatum: 25.01.2004 Beiträge: 5014
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(#118749) Verfasst am: 25.04.2004, 18:39 Titel: |
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Übrigens: Auch wenn ich nicht an einen angeborenen language acquisition device glaube, steht Chomsky bei mir in höchstem Ansehen.
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Sokrateer souverän
Anmeldungsdatum: 05.09.2003 Beiträge: 11649
Wohnort: Wien
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(#118763) Verfasst am: 25.04.2004, 19:41 Titel: |
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Lamarck hat folgendes geschrieben: | Hi!
Sokrateer hat folgendes geschrieben: |
Wahrscheinlich wurde die Wichtigkeit der Grammatik von etwaigen Enthusiasten einfach überschätzt. Viele Sachverhalte kann man ja auch ganz ohne Grammatik rüberbringen. Z.b. "Chef sagen gehen müssen Baustelle" |
Deinen Satz interpretierst Du allerdings in einer gewissen Art und Weise, womit die Grammatik wieder in's Spiel kommt! Zudem steckt gleichwohl in diesem Satz mehrfach eine gewisse Grammatik (Groß-/Kleinschreibung; WER-WANN, ...) |
Die Groß-/Kleinschreibung kannst du gerne weglassen. Ist nicht nötig. Du kannst die Wörter beliebig mischen und der Sinn bleibt erhalten. Subjekt und Objekt sind nicht kodiert. Das hast du unbewußt aus aus dem Wissen geschlossen, dass Chefs Menschen sind und Baustellen selten sprechen.
Zeit ist keine angegeben. Alle Verben sind im Infinitiv. Ich nehme an, dass du als Zeit die Vergangenheit bzw. die Gegenwart für "sagen" angenommen hast, was aber bedeutungsäquivalent wäre. Für die Zukunft braucht man nur ein "morgen" irgendwo hineinmischen.
Umgangsprachlich bilden wir die Zukunft ohnehin meistens so. z.B. "Morgen gehe ich auf die Feier".
Von Futur keine Spur!
Shadaik hat folgendes geschrieben: | Wieso gibt es dann keine Sprache ohne Grammatik? |
Kommt drauf an, was du jetzt mit Sprache und Grammatik verstehst. Letztlich kann man jede Wortfolge mit einer Grammatik darstellen.
Eine Chomsky Typ-0 Grammatik ist halt ein beliebig komplexes Programm. Und selbst die Zufallsgrammatik kann man leicht mit einer Typ-3 Grammatik (regulärer Ausdruck) darstellen:
Satz => Wort Satz
Ich nehme an du meinst eine menschenübliche Grammatik. Nötig ist sie ja nicht. Mit S-Ausdrücken kann man ja schon beliebig komplexe Sachverhalte darstellen. Und die Grammatik der S-Ausdrücke lässt sich auf fünf Zeilen niederschreiben, würde also nicht als menschenübliche Grammatik zählen.
Die Grammatiken natürlicher Sprachen dienen zum einen der Redundanz und damit der Fehlertoleranz und -erkennung. Wichtiger ist aber, dass in der Grammatik wichtige, häufige Informationen encodiert werden. Unsere Welt dreht sich um Handlungen, in denen meist Personen involviert sind. Da hilft uns die Grammatik, da sie Geschlecht und Zahl zur Verfügung stellt. Unsere Welt verändert sich und unsere Sprache dreht sich um diese Veränderung. Verben sind deshalb durch die Grammatik leicht erkenntlich gemacht und man kann die Handlung in einen zeitlichen Bezug bringen, Passiv/-Aktiv unterscheiden usw. Weiters gibt die Grammatik Hinweise darauf, wer der Verursacher, bzw. der Hauptakteur der Handlung ist (Subjekt). Was behandelt wird (direktes Objekt), was das Ziel bzw. wer der Benefizient (indirektes Objekt) ist. Objekte haben oft einen Besitzer bzw. sind zu etwas zugehörig, was man mit dem Genitiv ausdrücken kann. Konjunktionen usw. sind ebenfalls häufig nötig, so wie Beifügungen, nähere Erklärungen, was über Nebensätze ermöglicht ist.
Ein weiterer Faktor ist auch, dass die Sprache durch Grammatik in Häppchen strukturiert wird. Das hilft uns dabei nicht den Faden zu verlieren.
Die Grammatik enthält also erstaunlich viel Information, die deshalb oft gar nicht mehr in einzelnen Wörtern kodiert wird. Das ist auch der Grund, aus dem die gerne belächelten Übersetzungsprogramme ja doch so weit funktionieren, dass sie doch gerne verwendet werden. Übersetzt werden damit ja meist Nachrichen und Pressetexte, die üblicherweise grammatikalisch korrekt sind und auch feinere Spezialitäten der Grammatik verwenden, wie z.B. Konjunktiv.
Shadaik hat folgendes geschrieben: | Wygotsky hat folgendes geschrieben: | An Computern simulierte. |
Dann vermute ich, dass es sich um Programme handelt.
Verrätst du mir wie man ohne Informationen einzugeben ein Programm schreibt? |
Programme und Daten sind ein- und dasselbe.
@alle:
Wieviele und welche Bedeutungen hat der Satz:
"Petra sieht den Mann auf dem Berg mit dem Fernrohr"
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Wygotsky registrierter User
Anmeldungsdatum: 25.01.2004 Beiträge: 5014
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(#118768) Verfasst am: 25.04.2004, 19:54 Titel: |
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Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Mit S-Ausdrücken kann man ja schon beliebig komplexe Sachverhalte darstellen. Und die Grammatik der S-Ausdrücke lässt sich auf fünf Zeilen niederschreiben, würde also nicht als menschenübliche Grammatik zählen. |
Was ist mit S-Ausdrücken gemeint?
Sokrater hat folgendes geschrieben: | Wichtiger ist aber, dass in der Grammatik wichtige, häufige Informationen encodiert werden. |
Interessant. Den kannte ich noch nicht.
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frajo dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 25.08.2003 Beiträge: 11440
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(#118769) Verfasst am: 25.04.2004, 20:01 Titel: |
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Wygotsky hat folgendes geschrieben: | Von Systemtheorie habe ich noch keine Ahnung. Gibt's da was in knapper und leicht verständlicher Form. Bitte bei der Literaturempfehlung berücksichtigen, dass ich als Kindergärtner eher schlichteren Gemütes bin. |
so schöne sätze möchte ich auch sagen.
aber als nicht-kindergärtner bleibt mir leider nur kinderloser übrig.
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Shadaik evolviert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 26377
Wohnort: MG
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(#118771) Verfasst am: 25.04.2004, 20:04 Titel: |
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Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Hi!
Sokrateer hat folgendes geschrieben: |
Wahrscheinlich wurde die Wichtigkeit der Grammatik von etwaigen Enthusiasten einfach überschätzt. Viele Sachverhalte kann man ja auch ganz ohne Grammatik rüberbringen. Z.b. "Chef sagen gehen müssen Baustelle" |
Deinen Satz interpretierst Du allerdings in einer gewissen Art und Weise, womit die Grammatik wieder in's Spiel kommt! Zudem steckt gleichwohl in diesem Satz mehrfach eine gewisse Grammatik (Groß-/Kleinschreibung; WER-WANN, ...) |
Die Groß-/Kleinschreibung kannst du gerne weglassen. Ist nicht nötig. Du kannst die Wörter beliebig mischen und der Sinn bleibt erhalten. Subjekt und Objekt sind nicht kodiert. Das hast du unbewußt aus aus dem Wissen geschlossen, dass Chefs Menschen sind und Baustellen selten sprechen. |
Ich kenne den Zusammenhang nicht, in dem dieser Satz gefallen ist. Daher wäre es durchaus möglich (wenn auch unwahrscheinlich), dass die Baustelle spricht.
Zitat: | Zeit ist keine angegeben. |
Infinitiv wird automatisch als Präsenz interpretiert.
Zitat: | Alle Verben sind im Infinitiv. Ich nehme an, dass du als Zeit die Vergangenheit bzw. die Gegenwart für "sagen" angenommen hast, was aber bedeutungsäquivalent wäre. Für die Zukunft braucht man nur ein "morgen" irgendwo hineinmischen. |
Muss man dann morgen gehen oder wird der Chef das morgen sagen?
Zitat: | Umgangsprachlich bilden wir die Zukunft ohnehin meistens so. z.B. "Morgen gehe ich auf die Feier".
Von Futur keine Spur!  |
Man beachte: Zeitmarker und Verb können bei Sätzen mit mehr als einem Verb nicht getrennt werden.
Zitat: | Wieviele und welche Bedeutungen hat der Satz:
"Petra sieht den Mann auf dem Berg mit dem Fernrohr" |
Bei hochdeutscher Syntax und Präpositionkonstruktion zwei.
_________________ Fische schwimmen nur in zwei Situationen mit dem Strom: Auf der Flucht und im Tode
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frajo dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 25.08.2003 Beiträge: 11440
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(#118773) Verfasst am: 25.04.2004, 20:09 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Wygotsky hat folgendes geschrieben: | Im Endeffekt läuft es darauf hinaus, dass wer häufig Schrauben eindreht einen kompletten Satz Schraubenzieher dem viel platzsparenderen und eleganteren Leatherman Tool vorzieht. Trifft es das etwa? |
Diese Analogie finde ich nicht so passend, aber sei's drum. |
trifft es die analogie
wer viel zu integrieren hat, wird mit den regeln der integralrechnung effektiver arbeiten können als mit den grundrechenarten
besser?
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#118777) Verfasst am: 25.04.2004, 20:32 Titel: |
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frajo hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Wygotsky hat folgendes geschrieben: | Im Endeffekt läuft es darauf hinaus, dass wer häufig Schrauben eindreht einen kompletten Satz Schraubenzieher dem viel platzsparenderen und eleganteren Leatherman Tool vorzieht. Trifft es das etwa? |
Diese Analogie finde ich nicht so passend, aber sei's drum. |
trifft es die analogie
wer viel zu integrieren hat, wird mit den regeln der integralrechnung effektiver arbeiten können als mit den grundrechenarten
besser? |
Noch effektiver mit Bronstein oder Integraltabellen.
Für Chemiker reichen idR Bindungsmodelle aus, aber eben nur in der Regel. Schon in etws komplizierteren Fällen benötigt man stärker aus physikalischem Wissen geprägte Modelle, um ein chemisches Verhalten zu erklären. Ist dies erledigt, reciht dem Chemiker aber wieder eine neue Faustregel (die er vielleicht sogar schon vorher kannte, aber nicht verstand).
gruß/step
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Sokrateer souverän
Anmeldungsdatum: 05.09.2003 Beiträge: 11649
Wohnort: Wien
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(#118791) Verfasst am: 25.04.2004, 21:16 Titel: |
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Wygotsky hat folgendes geschrieben: |
Was ist mit S-Ausdrücken gemeint? |
Wohlgeformte Klammerausdrücke mit Symbolen, Zahlen und Strings. Lisp verwendet sie. S-Ausdrücke sind gleich mächtig, wie das schauderhafte XML.
Beispiel:
(person (name "peter") (haustier (katze "mitzi") (hund "bello")) (alter 23))
usw.
Shadaik hat folgendes geschrieben: |
Ich kenne den Zusammenhang nicht, in dem dieser Satz gefallen ist. Daher wäre es durchaus möglich (wenn auch unwahrscheinlich), dass die Baustelle spricht. |
Sicher muss man die Begriffe kennen, Sprecher und Hörer ein Weltbild teilen usw., damit das Beispiel funktioniert.
Sobald du etwas hast wie: "schenken Peter Buch Lissie Robert" kann man die Wörter nicht mehr beliebig mischen. Hier gibt es schon acht Bedeutungen. z.B. "Peter schenkt Robert Lissies Buch"
Shadaik hat folgendes geschrieben: |
Muss man dann morgen gehen oder wird der Chef das morgen sagen? |
Ersteres, denn letzteres würde hellseherische Fähigkeiten beim Sprecher voraussetzen. Es gibt sicherlich mehrere Interpretationen, auch bei grammatikalisch korrekten Sätzen, aber wir gehen üblicherweise davon aus, dass die wahrscheinlichste Interpretation genommen wird. Andernfalls spezifizieren wir.
Shadaik hat folgendes geschrieben: |
Zitat: | Umgangsprachlich bilden wir die Zukunft ohnehin meistens so. z.B. "Morgen gehe ich auf die Feier".
Von Futur keine Spur!  |
Man beachte: Zeitmarker und Verb können bei Sätzen mit mehr als einem Verb nicht getrennt werden. |
Ich nix verstehen!
Shadaik hat folgendes geschrieben: |
Zitat: | Wieviele und welche Bedeutungen hat der Satz:
"Petra sieht den Mann auf dem Berg mit dem Fernrohr" |
Bei hochdeutscher Syntax und Präpositionkonstruktion zwei. |
So? Welche wären diese?
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El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
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(#118803) Verfasst am: 25.04.2004, 21:30 Titel: |
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Hi step
step hat folgendes geschrieben: |
wie grundlegend die Rolle von Mathematik für die Physik und die einer Grammatik für kognitive Leistungen ist, ist umstritten. |
woran könnte das wohl liegen?
step hat folgendes geschrieben: | Mich stört, daß diese Frage gleich wieder zum Reduktionisten-Bashing mißbraucht wird. |
Hängt das nicht vielleicht mit dem, was Du oben gefragt hast, zusammen? Könnte es sein, dass Reduktionismus vielleicht auf Nicht-Reduktionisten nicht so überzeugend wirkt?
step hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Chemische Systeme sind aus physikalischen aufgebaut, und es gibt 'durchreichende' Seinsgesetze, die auf _allen_ Stufen gelten. Diesen Aspekt der chemischen Systeme kannst Du von der Physik her erklären. Aber nicht den, der auf der Ebene der chemischen Systeme emergiert. |
Hier hatten wir als Beispiel ja mal die chemischen Eigenschaften des Wassers und die Frage, ob man sie aus physikalischen Struktur und EIgenschaften des Wassermoleküls oder sogar der beteiligten Atome simulieren / herleiten kann. Beim Wasser ist das in der Tat relativ schwierig, aber eben doch möglich. |
Sorry, ich bin immer noch nicht dazu gekommen, den Artikel, den Du mir genannt hast, zu lesen. Ich vermute aber, dass der eher schildert, wie man den _Wert_ für die Dielektrizitäts-Konstante _ermittelt_, aber nicht zeigt, wie man die _Existenz_ dieser Aggregateigenschaft von Wasser aus der Schrödinger-Gleichung oder sonst was ableitet. Ich vermute, dass 'relativ schwierig' bestenfalls ein Euphemismus ist.
step hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Natürlich kannst Du von der oberen Seinsstufe die darunter liegende nicht erklären. Aber das heißt nicht, dass Du die der höheren Seinsstufe von der niedrigeren ausgehend erklären kannst. |
Natürlich folgt das nicht daraus. Aber es gibt immerhin Beispiele dafür, und es ist eine Theorie über die Wissenschaften. Der Emergentist sagt dagegen: "Wenn die und die Bedingungen in einem komplexen System so oder so sind, dann 'entsteht' ein neues Phänomen X". Entweder fragt er dann nicht weiter nach Erklärungen (z.B. weil er sie zum Biologietreiben nicht benötigt), oder er muß den Zusammenhang reduzieren, etwa indem er chemisch, stochastisch oder physikalisch argumentiert. |
Du machst Dir die Welt sehr einfach. Nehmen wir als Beispiel die Mendelschen 'Gesetze'. Wir sind uns hoffentlich darüber einig, dass die emergierten, als diploide Organismen mit einer fairen Segregation der Chromosomen bei der Meiose entstanden. Zu fragen, wo die 'vorher' waren, ist in etwa so sinnvoll wie die Frage nach Raum und Zeit vor dem Urknall. Du kannst nun sagen, dass die Mendelschen 'Gesetze' mit allem, was Du über Physik weißt, kompatibel sind (kein Wunder, weil ja die höheren Seinsschichten auf den niedrigeren aufbauen), aber wenn Du meinst, Du könntest die Mendelschen 'Gesetze' aus physikalischen Grundlagen _ableiten_, würde mich echt interessieren, wie Du das machen möchtest.
step hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Aber wenn wir schon dabei sind: brauchst Du nicht _Menschen_, um überhaupt über physikalische Gesetze _sprechen_ zu können? |
Nein. Das scheint nur in Deinem Weltbild so, weil Du dazu neigst, bestimmte Fähgkeiten ("sprechen", "leben", "denken") axiomatisch für auf Menschen beschränkt zu postulieren, denn nur auf diese Weise kannst Du halbwegs ungestraft über "Seinsstufen", "Emergenzen", "Geist" oder sonstiges reden. |
Wer oder was 'redet' denn, wenn kein Mensch da ist? Nur so nebenbei, ich habe alle Menschen, die mir begegneten und sich ein wenig mit Wissenschaftstheorie auskennen, gefragt, ob es Naturgesetze 'gibt' und wir sie nur _entdecken_, oder ob wir uns ein Weltbild _konstruieren_, indem wir davon _ausgehen_, es gäbe Naturgesetze. Was meinst Du?
step hat folgendes geschrieben: | Würde eine KI eine Theorie aufstellen und mithilfe derer Voraussagen machen, und sie vielleicht sogar anderen KI's zur Verfügung stellen, so würdest Du sicherlich argumentieren, das sei nicht dasselbe, weil die KI auf anderem Wege zu dieser Theorie gekommen sie oder die Theorie in der KI anders repräsentiert sei als im menschlichen Gehirn. |
Im Prinzip, weil ich den Unterschied zwischen 'fungieren' und 'funktionieren' ernst nehme. Ich finde, das ist eine _offene_ Frage, die die KI erst noch _beantworten_ muss. Ich habe ein Zitat, in dem das angesprochen wird unter
http://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=118375#118375
gepostet.
step hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Du könntest mit Sicherheit behaupten, dass ein Tier nicht mehr sch***t als frisst. Wenn Dir das genügt, bleib Reduktionist. Ansonsten solltest Du Dein Weltbild etwas justieren. |
Du solltest klar sagen, ob Du nur an der sinnvollen Nutzung der physikalischen Reduktion zweifelst (Kenntnis der Parameter, Rechenzeit) oder ob Du an echte "emergente Dinge" |
Ich glaube an Emergenzen zumindest im Sinn von 'Konstrukten' (das ist der Gegensatz zu 'Dingen', die 'Welt' besteht aus Konstrukten und Dingen, nichts ist beides, nichts ist keins)
step hat folgendes geschrieben: | oder Geistwesen glaubst, die prinzipiell nicht physikalisch erklärbar sind.
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Was heißt 'physikalisch erklärbar'? Meinst Du damit im Gegensatz zum Supranaturalismus oder mit physikalischen Termen beschreibbar oder auf physikalische Sätze abbilddbar oder was?
step hat folgendes geschrieben: | Bedenke, daß Deine Alternative zu einer physikalischen Reduktion letztlich darin besteht, das chemische oder biologische Phänomen gar nicht zu erklären. |
Ups. Ist das nun der Schluss von Wollen auf das Sein oder bastelst Du Dir aus einer Heuristik eine Ontologie?
step hat folgendes geschrieben: | Wie gehst Du damit um, daß von Zeit zu Zeit ehemals "emergentes" Eigentum der Chemie oder Biologie plötzlich doch reduzierbar ist, nur weil sagen wir ein besserer Simulationscomputer zur Verfügung steht? Klar bleiben Dir immer Phänomene, deren Komplexität für eine Simulation zu hoch ist. Notfalls kannst Du immer noch sagen: Oops, das war jetzt eins von der Sorte "'durchreichende's Seinsgesetz". |
Nein. Ich sage, dass es Systeme gibt, die auf 'niedrigeren Stufen' aufbauen und _als_ System emergente Eigenschaften haben, die 'vorher' nicht da waren. Wie die aufgrund der Gesetze der unteren Ebenen erklärbar sein sollen, würde mich interessieren.
step hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Trefflich hierzu Ernst Mayr: "Meines Wissens hat keine dieser revolutionären physikalischen Theorien auch nur zu einer einzigen minimalen Änderung in irgendeiner biologischen Theorie geführt. Dies zeigt, wie unabhängig die Biologie von den physikalischen Wissenschaften ist." |
Dies ist geleich mehrfacher Unsinn:
- Erstens ist es einfach falsch. Die Kenntnis neuronaler Potentiale z.B. hat die biologische Theorie des Bewußtseins stark verändert, und man weiß heute, warum Pflanzen grün sind). Noch stärker ist der Effekt zwischen Physik/Chemie oder zwischen Chemie/Biologie. Natürlich wird man physikalische Theorien aus Extrembereichen (Quarks, ART, Urknall) kaum in der Biologie wiederfinden. |
Mayr ist Evolutionsbiologe. Wenn er 'Biologie' sagt, hat er einen etwas idiosynkratischen Blickwinkel. Vielleicht musst Du auch 'Änderung' von 'Erweiterung' unterscheiden. Schau Dir vielleicht alte Biologie-Bücher aus der Zeit vor der Aufklärung der Struktur oder gar Wirkungsweise des Chlorophylls an und untersuche, was sich durch die moderne Physik _geändert_ hat, sprich, was von dem, was damals gedacht wurde, obsolet wird.
step hat folgendes geschrieben: | - Zweitens: Die Biologie ist natürlich dennoch hinreichend unabhängig, da es effizientere Methoden der biologischen Forschung gibt als die immerwährende Reduktion. Man darf die Effizienz der Erkenntnisgewinnung nicht mit der prinzipiellen Reduzierbarkeit in einen Topf werfen. Wir können Simulationsregeln ("Naturgesetze") wie etwa die Mendelschen Gesetze emergent - und damit meist effizienter - formulieren. Dafür zahlen wir den Preis der schlechteren Generalität und der fehlenden Erklärung. |
Dann zeige mal, wie die Mendelschen 'Gesetze' allgemeiner werden, wenn Du sie auf weiß der Herr was reduzierst.
Grüßle
Thomas
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El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
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(#118846) Verfasst am: 25.04.2004, 22:39 Titel: |
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Hi Sokrateer
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Es geht nicht um das "artificial" sondern vielmehr um das "intelligence", was nicht bedeutungsäquivalent mit "Intelligenz" ist. |
hmmmm.
Zitat: | B.I.-Wissenschaftsverlag; (Hrsg.) (1993) 'DUDEN Informatik. 2. Aufl.' Mannheim; Leipzig; Wien; Zürich, Dudenverlag
<cite S.364>
Die Bezeichnung 'Künstliche Intelligenz' entstand als Übersetzung von 'artificial intelligence'. Dieser Begriff war Mitte der 50er Jahre in den USA geboren worden. Die Übersetzung von 'artificial' als 'künstlich' trifft die Bedeutung nur teilweise. 'artificial' bedeutet zugleich 'unecht', 'erkünstelt', 'Schein-'. Die Programme, die in der KI entstehen, verhalten sich also für den Beobachter so, <i>als ob</i> sie Intelligenz besäßen. Auch das Wort 'intelligence' besitzt im Englischen eine weitergehende Bedeutung als im Wort 'Intelligenz' im Deutschen, nämlich denkbezogene Information, Einsicht und Verständnis.
</cite>
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trifft das in etwa zu?
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Ein weiteres Wort, das uns im Deutschen übrigens fehlt, ist "mind". |
Yep. Es gibt sogar Menschen, die 'Mind-Brain' vermissen.
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Mit der Frage, wie genau ein Mensch denkt, beschäftigen sich andere. |
Wenn die [K|A]I-ler das explizit betonen würden, würde viel heiße Luft aus der Diskussion entweichen. Könnte aber sein, dass das viel Reiz und Forschungsmittel nähme. |
Vorsicht! Die meisten [K|A]I-ler sind auch gleichzeitig Psychologen, Linguisten, Kognistionswissenschaftler, Musiktheorethiker, Philosophen, usw. Die KI ist am menschlichen Denken nur soweit interessiert, wie es für die KI nötig ist. Die Kognitionswissenschaft beschäftigt sich mit Kognition im Allgemeinen und zieht auch Computermodelle heran. |
Wird immer komplexer. Aber auch hier vermute ich, dass die Frage, ob man 'Kognition im allgemeinen' überhaupt erforschen kann, philosophisch sehr knifflig wird. Irgendwie sieht mir das nach Platonismus aus.
Grüßle
Thomas
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Sokrateer souverän
Anmeldungsdatum: 05.09.2003 Beiträge: 11649
Wohnort: Wien
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(#118851) Verfasst am: 25.04.2004, 23:11 Titel: |
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Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Hi Sokrateer
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Es geht nicht um das "artificial" sondern vielmehr um das "intelligence", was nicht bedeutungsäquivalent mit "Intelligenz" ist. |
hmmmm.
Zitat: | B.I.-Wissenschaftsverlag; (Hrsg.) (1993) 'DUDEN Informatik. 2. Aufl.' Mannheim; Leipzig; Wien; Zürich, Dudenverlag
<cite S.364>
Die Bezeichnung 'Künstliche Intelligenz' entstand als Übersetzung von 'artificial intelligence'. Dieser Begriff war Mitte der 50er Jahre in den USA geboren worden. Die Übersetzung von 'artificial' als 'künstlich' trifft die Bedeutung nur teilweise. 'artificial' bedeutet zugleich 'unecht', 'erkünstelt', 'Schein-'. Die Programme, die in der KI entstehen, verhalten sich also für den Beobachter so, <i>als ob</i> sie Intelligenz besäßen. Auch das Wort 'intelligence' besitzt im Englischen eine weitergehende Bedeutung als im Wort 'Intelligenz' im Deutschen, nämlich denkbezogene Information, Einsicht und Verständnis.
</cite>
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trifft das in etwa zu? |
Yup.
Es gibt ja schließlich auch die CIA, die "Zentrale Intelligenz-Agentur"
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El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
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(#118852) Verfasst am: 25.04.2004, 23:16 Titel: |
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Hi Sokrateer,
Sokrateer hat folgendes geschrieben: |
Es gibt ja schließlich auch die CIA, die "Zentrale Intelligenz-Agentur" :lol: |
wenn AI als 'erkünstelte Einsicht' übersetzt werden kann, würde noch viel mehr heiße Luft aus der Diskussion entweichen ;-)
Grüßle
Thomas
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Wygotsky registrierter User
Anmeldungsdatum: 25.01.2004 Beiträge: 5014
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(#118861) Verfasst am: 26.04.2004, 00:46 Titel: |
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Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Wygotsky hat folgendes geschrieben: |
Was ist mit S-Ausdrücken gemeint? |
Wohlgeformte Klammerausdrücke mit Symbolen, Zahlen und Strings. Lisp verwendet sie. S-Ausdrücke sind gleich mächtig, wie das schauderhafte XML.
Beispiel:
(person (name "peter") (haustier (katze "mitzi") (hund "bello")) (alter 23)) |
Aha. Ich dachte, das hätte etwas mit formaler Logik zu tun. War ja gar nicht so weit daneben.
OT: Wird Lisp eigentlich noch ernsthaft eingesetzt? Lohnt es sich noch, sich damit zu befassen? Und was ist eigentlich aus Prolog geworden? Ich schätze mal, für solche Fragen bist du der Ansprechpartner.
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Wygotsky registrierter User
Anmeldungsdatum: 25.01.2004 Beiträge: 5014
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(#118862) Verfasst am: 26.04.2004, 00:53 Titel: |
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Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Wer oder was 'redet' denn, wenn kein Mensch da ist? Nur so nebenbei, ich habe alle Menschen, die mir begegneten und sich ein wenig mit Wissenschaftstheorie auskennen, gefragt, ob es Naturgesetze 'gibt' und wir sie nur _entdecken_, oder ob wir uns ein Weltbild _konstruieren_, indem wir davon _ausgehen_, es gäbe Naturgesetze. Was meinst Du? |
Ich bin zwar nicht gefragt, aber das Antworten kann ich mir trotzdem nicht verkneifen.
Dass wir uns ein Weltbild konstruieren, indem wir davon ausgehen, dass es Naturgesetze gibt, dessen bin ich mir sicher.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#118956) Verfasst am: 26.04.2004, 17:47 Titel: |
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Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Wer oder was 'redet' denn, wenn kein Mensch da ist? Nur so nebenbei, ich habe alle Menschen, die mir begegneten und sich ein wenig mit Wissenschaftstheorie auskennen, gefragt, ob es Naturgesetze 'gibt' und wir sie nur _entdecken_, oder ob wir uns ein Weltbild _konstruieren_, indem wir davon _ausgehen_, es gäbe Naturgesetze. Was meinst Du? |
Die Aussage, es "gebe" Naturgesetze wirklich, scheint mir semantisch fragwürdig, solange wir uns nicht auf eine Bedeutung von "geben" einigen. Es dürfte aber schwierig sein, dies zu tun, ohne bereits eine Antwort auf Deine Frage dogmatisch vorwegzunehmen. Daher würde ich diese Aussage nicht treffen.
Die Aussage, "wir konstruieren uns ein Weltbild, indem wir davon ausgehen, es gäbe Naturgesetze" scheint mir immerhin sinnvoll, denn sie widerspricht sich nicht selbst. Zudem finden selbst die Realisten heraus, daß an der konstruktivistischen These etwas dran ist: Einiges an unserem Weltbild ist ja "nachweislich" selbstgebastelt.
Es sieht aber so aus, als ob zumindest unser Gehirn keine endgültige Entscheidung zwischen Realismus und Konstruktivismus treffen kann.
Daher neige ich zu einer Art "radikalem hypothetischen Realismus", das heißt, Wirklichkeit ist für mich kein grundlegendes infragestehendes Axiom, sondern ein relativ schwammiger nachgeordneter Sammelbegriff. Ich gebe mich damit zufrieden, Regeln angeben zu können, mithilfe derer man offensichtlich relativ gute Voraussagen über Wahrnehmbares machen kann. "Naturgesetz" ist demnach für mich ein anderes Wort für "offensichtlich funktionierende Simulationsregel".
Ich denke, diese Einstellung ist logisch und vermeidet unendliche Regresse oder Scheinparadoxa, wie sie Philosophen nahezu jeglicher Provenienz als tägliche Kost erleben und auf deren Wesentlichkeit sie lächerlicherweise pochen.
gruß/step
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Shadaik evolviert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 26377
Wohnort: MG
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(#118961) Verfasst am: 26.04.2004, 17:55 Titel: |
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Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Shadaik hat folgendes geschrieben: |
Muss man dann morgen gehen oder wird der Chef das morgen sagen? |
Ersteres, denn letzteres würde hellseherische Fähigkeiten beim Sprecher voraussetzen. Es gibt sicherlich mehrere Interpretationen, auch bei grammatikalisch korrekten Sätzen, aber wir gehen üblicherweise davon aus, dass die wahrscheinlichste Interpretation genommen wird. Andernfalls spezifizieren wir. |
Vielleicht war der Sprecher ja einfach bei einer Firmenbesprechung anwesend. Oder der Chef hat ihm das direkt verraten.
Aber ich sehe, was du mit "andernfalls spezifizieren wir" meinst.
Zitat: | Shadaik hat folgendes geschrieben: |
Zitat: | Wieviele und welche Bedeutungen hat der Satz:
"Petra sieht den Mann auf dem Berg mit dem Fernrohr" |
Bei hochdeutscher Syntax und Präpositionkonstruktion zwei. |
So? Welche wären diese? |
1. Petra hat ein Fernrohr und sieht damit den Mann, der sich auf dem Begr befindet.
1. Petra sieht auf dem Berg einen Mann, der ein fernrohr hat.
_________________ Fische schwimmen nur in zwei Situationen mit dem Strom: Auf der Flucht und im Tode
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El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
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(#118967) Verfasst am: 26.04.2004, 19:52 Titel: |
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Hi step
step hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Wer oder was 'redet' denn, wenn kein Mensch da ist? Nur so nebenbei, ich habe alle Menschen, die mir begegneten und sich ein wenig mit Wissenschaftstheorie auskennen, gefragt, ob es Naturgesetze 'gibt' und wir sie nur _entdecken_, oder ob wir uns ein Weltbild _konstruieren_, indem wir davon _ausgehen_, es gäbe Naturgesetze. Was meinst Du? |
Die Aussage, es "gebe" Naturgesetze wirklich, scheint mir semantisch fragwürdig, solange wir uns nicht auf eine Bedeutung von "geben" einigen. Es dürfte aber schwierig sein, dies zu tun, ohne bereits eine Antwort auf Deine Frage dogmatisch vorwegzunehmen. Daher würde ich diese Aussage nicht treffen. |
Clever ;-)
step hat folgendes geschrieben: | Die Aussage, "wir konstruieren uns ein Weltbild, indem wir davon ausgehen, es gäbe Naturgesetze" scheint mir immerhin sinnvoll, denn sie widerspricht sich nicht selbst. |
Die erste tut das auch nicht. Und sie wird von vielen Menschen vertreten.
step hat folgendes geschrieben: | Zudem finden selbst die Realisten heraus, daß an der konstruktivistischen These etwas dran ist: Einiges an unserem Weltbild ist ja "nachweislich" selbstgebastelt. |
Das _gesamte_ Welt_bild_ ;-)
Ich weiß natürlich, dass es Menschen gibt, die der alten 'adaequatio-These' anhängen. Die ist manchmal recht gut versteckt, aber mit etwas Aufmerksamkeit findet man sie doch.
step hat folgendes geschrieben: | Es sieht aber so aus, als ob zumindest unser Gehirn keine endgültige Entscheidung zwischen Realismus und Konstruktivismus treffen kann. |
Das sind doch keine Gegensätze. Ich bin (hypothetischer) Realist _und_ (nicht radikaler) Konstruktivist.
step hat folgendes geschrieben: | Daher neige ich zu einer Art "radikalem hypothetischen Realismus", das heißt, Wirklichkeit ist für mich kein grundlegendes infragestehendes Axiom, sondern ein relativ schwammiger nachgeordneter Sammelbegriff. Ich gebe mich damit zufrieden, Regeln angeben zu können, mithilfe derer man offensichtlich relativ gute Voraussagen über Wahrnehmbares machen kann. "Naturgesetz" ist demnach für mich ein anderes Wort für "offensichtlich funktionierende Simulationsregel". |
Willkommen im Club.
step hat folgendes geschrieben: | Ich denke, diese Einstellung ist logisch |
Ich scheue das Wort 'logisch' im Zusammenhang mit Ontologie wie der Teufel das Weihwasser.
step hat folgendes geschrieben: | und vermeidet unendliche Regresse oder Scheinparadoxa, wie sie Philosophen nahezu jeglicher Provenienz als tägliche Kost erleben und auf deren Wesentlichkeit sie lächerlicherweise pochen. |
Das sehe ich auch so. Und vertrete meinen Emergentismus auf der soliden Basis des hypothetischen Realismus. Man kann auch Materialismus dazu sagen, wenn man das so versteht wie Bunge und Mahner.
Grüßle
Thomas
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