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Artbegriff und Artentstehung
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Shadaik
evolviert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 26377
Wohnort: MG

Beitrag(#138096) Verfasst am: 13.06.2004, 16:02    Titel: Artbegriff und Artentstehung Antworten mit Zitat

** Thema von hier geteilt / Babyface **


Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Shadaik hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Hi Lamarck,

[...]

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Nein. Will sagen: Individuen evolvieren nicht! Let's Rock


Ups, was evolviert dann, wenn nicht Individuen? Wenn Du jetzt "Arten" sagst, muß ich Dich auf Mahner verweisen:

Mahner, M. (1998): Warum es Evolution nur dann gibt, wenn Arten nicht evolvieren. Theorie in den Biowissenschaften 117, 173-199. Smilie

Populationen. Cool


Das läuft in etwa auf das dasselbe hinaus zwinkern

Die evolutiven Neuheiten entstehen immer bei einem konkreten Individuum. Niemals sind sie kollektive Eigenschaften einer Population.

Evolvieren und Auftreten evolutiver Neuheiten sind verschiedene Prozesse.
Letzteres ist nur die Initialisierung des ersteren.

Frage: Wie definierst du in diesem Zusammenhang "Individuum" und "Art"?
Mir scheint, mit dieser Definition steht und fällt die Antwort auf die Frage.
_________________
Fische schwimmen nur in zwei Situationen mit dem Strom: Auf der Flucht und im Tode
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Darwin Upheaval
Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator



Anmeldungsdatum: 23.01.2004
Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden

Beitrag(#138110) Verfasst am: 13.06.2004, 17:12    Titel: Re: Ankündigung: "Evolution - die große Lüge?" Antworten mit Zitat

Hi Shadaik,

Shadaik hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Shadaik hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Hi Lamarck,

[...]

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Nein. Will sagen: Individuen evolvieren nicht! Let's Rock


Ups, was evolviert dann, wenn nicht Individuen? Wenn Du jetzt "Arten" sagst, muß ich Dich auf Mahner verweisen:

Mahner, M. (1998): Warum es Evolution nur dann gibt, wenn Arten nicht evolvieren. Theorie in den Biowissenschaften 117, 173-199. Smilie

Populationen. Cool


Das läuft in etwa auf das dasselbe hinaus zwinkern

Die evolutiven Neuheiten entstehen immer bei einem konkreten Individuum. Niemals sind sie kollektive Eigenschaften einer Population.

Evolvieren und Auftreten evolutiver Neuheiten sind verschiedene Prozesse.
Letzteres ist nur die Initialisierung des ersteren.

Frage: Wie definierst du in diesem Zusammenhang "Individuum" und "Art"?
Mir scheint, mit dieser Definition steht und fällt die Antwort auf die Frage.



Der eigentliche Speziationsvorgang ist immer die Entstehung qualitativer Neuheiten, die sich am einzelnen Individuum (Organismus) vollzieht. Ontologisch gesehen ist es daher unbedeutend, wieviele Speziationsschritte addiert werden, damit man auch in der Biologie von einer neuen Spezies spricht. Das heißt, eine neue ontologische Spezies ist ein Individuum, das eine evolutive Neuheit erworben hat.

Biologen, die auf den Begriff der Genospezies rekurrieren (Arten als Fortpflanzungsgemeinschaften, die fertile Nachkommen hervorbringen), sehen natürlich erst die reproduktive Isolation zweier Teil-Populationen als den eigentlichen Speziationsvorgang an. Das ist aber insofern problematisch, als sich auch Populationen in neue Arten transformieren können, ohne eine Aufspaltung (bzw. Isolation) durchlaufen zu haben (phyletische Speziation). Die Aufspaltung von Populationen begünstigt sozusagen nur die Speziation, aber der eigentliche Speziationsvorgang findet immer am einzelnen Individuum statt, weil er sich auf die Entstehung von qualitativen Neuheiten bezieht. Populationen und Arten (im biologischen Sinn) sind mit anderen Worten (nützliche aber eben abstrakte) Klassenbegriffe, die keine ontologische Entsprechung haben. Existent ist immer nur das Individuum.

Grüße

Martin
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"Science is a candle in the dark." - Carl Sagan

www.ag-evolutionsbiologie.de
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Darwin Upheaval
Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator



Anmeldungsdatum: 23.01.2004
Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden

Beitrag(#138114) Verfasst am: 13.06.2004, 17:27    Titel: Antworten mit Zitat

[...]

Vorschlag an die Moderatoren: Könnte man die Art-Begriffs-Diskussion nicht unter einen eigenen Thread ("Artbegriff und Artentstehung" o.ä.) setzen? Wir scheinen gerade ein neues Faß aufgemacht zu haben, das man vielleicht besser separat diskutieren sollte/könnte/müßte... Smilie
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frajo
dauerhaft gesperrt



Anmeldungsdatum: 25.08.2003
Beiträge: 11440

Beitrag(#138129) Verfasst am: 13.06.2004, 17:49    Titel: Antworten mit Zitat

der begriff evolution ist nicht eigentum der biologen, sondern der kosmologen.
auf die frage, was da evolviere, scheint mir die einzig willkürfreie antwort "das universum" zu sein.
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El Schwalmo
Naturalistischer Ignostiker



Anmeldungsdatum: 06.11.2003
Beiträge: 9073

Beitrag(#138157) Verfasst am: 13.06.2004, 19:59    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Frajo,

frajo hat folgendes geschrieben:
der begriff evolution ist nicht eigentum der biologen, sondern der kosmologen.


Begriffe sind Werkzeuge. Es sollte aus dem Kontext des Threads deutlich geworden sein, dass es sich um _Bio_evolution (also 'descent with modification') handelt. Sterne tun das nicht. Daher macht es keinen Sinn, im Kontext des Threads einen Begriff von 'Evolution' von einer anderen Wissenschaft zu verwenden.

frajo hat folgendes geschrieben:
auf die frage, was da evolviere, scheint mir die einzig willkürfreie antwort "das universum" zu sein.


Das scheint mir eher trivial denn willkürfrei. In etwa äquivalent zu: durch dieses Posting verändert sich etwas in der Bundesrepublik Deutschland.

Grüßle

Thomas
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Darwin Upheaval
Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator



Anmeldungsdatum: 23.01.2004
Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden

Beitrag(#138333) Verfasst am: 14.06.2004, 09:11    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Thomas,

Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Begriffe sind Werkzeuge. Es sollte aus dem Kontext des Threads deutlich geworden sein, dass es sich um _Bio_evolution (also 'descent with modification') handelt. Sterne tun das nicht. Daher macht es keinen Sinn, im Kontext des Threads einen Begriff von 'Evolution' von einer anderen Wissenschaft zu verwenden.


BTW, ich habe gestern nochmals den genannten Artikel von Mahner durchgelesen. Demnach ist es zwar abseitig, die Evolutionstheorie auf andere Bereiche der Wissenschaft zu übertragen, weil sie nur die Mechanismen der Bioevolution beschreibt. In der Einleitung erkennt er jedoch mit Vollmer den universellen Charakter des Evolutionsbegriffs an, weil er eine ontologische Bedeutung hat und damit über die Biologie hinausreicht: Evolution als Prozeß der Entstehung qualitativer Neuheiten. Da macht es IMAO durchaus Sinn, den auch auf andere Wissenschaftsbereiche (wie z.B. der Kosmologie) zu übertragen.

Grüße

Martin
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El Schwalmo
Naturalistischer Ignostiker



Anmeldungsdatum: 06.11.2003
Beiträge: 9073

Beitrag(#138351) Verfasst am: 14.06.2004, 10:34    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Martin,

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Begriffe sind Werkzeuge. Es sollte aus dem Kontext des Threads deutlich geworden sein, dass es sich um _Bio_evolution (also 'descent with modification') handelt. Sterne tun das nicht. Daher macht es keinen Sinn, im Kontext des Threads einen Begriff von 'Evolution' von einer anderen Wissenschaft zu verwenden.


BTW, ich habe gestern nochmals den genannten Artikel von Mahner durchgelesen. Demnach ist es zwar abseitig, die Evolutionstheorie auf andere Bereiche der Wissenschaft zu übertragen, weil sie nur die Mechanismen der Bioevolution beschreibt. In der Einleitung erkennt er jedoch mit Vollmer den universellen Charakter des Evolutionsbegriffs an, weil er eine ontologische Bedeutung hat und damit über die Biologie hinausreicht: Evolution als Prozeß der Entstehung qualitativer Neuheiten. Da macht es IMAO durchaus Sinn, den auch auf andere Wissenschaftsbereiche (wie z.B. der Kosmologie) zu übertragen.


lies, was frajo gepostet hat, lies was ich gepostet habe. Irgendwie fehlt mir der Zusammenhang zu dem, was Du gepostet hast.

Falls Du noch mehr lesen möchtest:

Gould, S.J. (2002) 'What Does the Dreaded 'E' Word Mean Anyway?' in: Gould, S.J. 'I Have Landed. The End of a Beginning in Natural History' London, Jonathan Cape S. 241-256

Bowler, P.J. (1975) 'The changing meaning of 'evolution'' J. Hist. Ideas 36:95-114

Unsöld, A. (1981) 'Evolution kosmischer, biologischer und geistiger Strukturen' Stuttgart, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft

Grüßle

Thomas
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Lamarck
Radikaler Konstruktivist



Anmeldungsdatum: 28.03.2004
Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main

Beitrag(#138587) Verfasst am: 14.06.2004, 23:06    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Martin!

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Nein. Will sagen: Individuen evolvieren nicht! Let's Rock

Ups, was evolviert dann, wenn nicht Individuen? Wenn Du jetzt "Arten" sagst, muß ich Dich auf Mahner verweisen:
Mahner, M. (1998): Warum es Evolution nur dann gibt, wenn Arten nicht evolvieren. Theorie in den Biowissenschaften 117, 173-199. Smilie


Was ist das, ein Rückfall? Auf den Arm nehmen
Du bist doch auch ein Individuum, wie evolvierst Du denn? Mr. Green

Da war doch noch ein anderer Thread ... . Also gut, dann das ganze noch mal von vorn:


    Populationen evolvieren nicht,
    Arten evolvieren nicht,
    Individuen evolvieren nicht;
    es evolviert allein die Keimbahn!
    - Und Keimbahn muß nicht unbedingt nur Genetik i. e. S. bedeuten.


Die Individual-Entwicklung sei davon unbenommen. In dieser Hinsicht was das früher geläufigere Begriffspaar Ortho-/Ontogenese deutlicher (Von der statischen Deutung der Orthogenese sei hier mal abgesehen). Weiterer Vorteil: Artbegrifflichkeiten interessieren hier nicht.


Cheers,

Lamarck
_________________
„Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)

„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)

„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
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frajo
dauerhaft gesperrt



Anmeldungsdatum: 25.08.2003
Beiträge: 11440

Beitrag(#138662) Verfasst am: 15.06.2004, 04:40    Titel: Antworten mit Zitat

Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
frajo hat folgendes geschrieben:
der begriff evolution ist nicht eigentum der biologen, sondern der kosmologen.


Begriffe sind Werkzeuge. Es sollte aus dem Kontext des Threads deutlich geworden sein, dass es sich um _Bio_evolution (also 'descent with modification') handelt.

es ist nicht zu übersehen, daß sich hier einige ausgewiesene experten auf hohem niveau auf den ihnen geläufigen kontext beschränken. und das ist auch gut so.
ich gehöre jedoch nicht zu diesem erlauchten experten-kreis und erlaube mir daher, den kontext dort zu dehnen, wo ich es für sinnvoll halte.

Zitat:
Sterne tun das nicht.

den begriff "sterne" habe ich nicht verwendet. nicht einmal implizit.

Zitat:
Daher macht es keinen Sinn, im Kontext des Threads einen Begriff von 'Evolution' von einer anderen Wissenschaft zu verwenden.

für mich macht es sehr wohl sinn, den begriff "evolution" auch unter anderen aspekten seiner bedeutung zu betrachten als den auf den lokalen kontext beschränkten.

Zitat:
frajo hat folgendes geschrieben:
auf die frage, was da evolviere, scheint mir die einzig willkürfreie antwort "das universum" zu sein.


Das scheint mir eher trivial denn willkürfrei.

dann hast du wohl zuwenig kosmologische fachliteratur gelesen.
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El Schwalmo
Naturalistischer Ignostiker



Anmeldungsdatum: 06.11.2003
Beiträge: 9073

Beitrag(#138666) Verfasst am: 15.06.2004, 06:13    Titel: Antworten mit Zitat

frajo hat folgendes geschrieben:

Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
frajo hat folgendes geschrieben:
auf die frage, was da evolviere, scheint mir die einzig willkürfreie antwort "das universum" zu sein.


Das scheint mir eher trivial denn willkürfrei.

dann hast du wohl zuwenig kosmologische fachliteratur gelesen.


was daran willkürfrei sein soll, aus einem bestimmten blickwinkel aus gesehen einen begriff zur trivialität zu dehnen wird wohl ewig dein geheimnis bleiben.
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Darwin Upheaval
Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator



Anmeldungsdatum: 23.01.2004
Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden

Beitrag(#138725) Verfasst am: 15.06.2004, 12:02    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Lamarck

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Nein. Will sagen: Individuen evolvieren nicht! Let's Rock

Ups, was evolviert dann, wenn nicht Individuen? Wenn Du jetzt "Arten" sagst, muß ich Dich auf Mahner verweisen:
Mahner, M. (1998): Warum es Evolution nur dann gibt, wenn Arten nicht evolvieren. Theorie in den Biowissenschaften 117, 173-199. Smilie


Was ist das, ein Rückfall? Auf den Arm nehmen
Du bist doch auch ein Individuum, wie evolvierst Du denn? Mr. Green


Die Frage überrascht mich. Also schön, nochmal zum Mitschreiben: "Evolution" als ontologischer Begriff meint doch die Entstehung qualitativer Neuheiten. Wenn während meiner Keimesentwicklung ein qualitativ neues, nicht arttypisches Merkmal entsteht (Speziation), findet folglich an mir ein Stück Evolution statt. Der historische Aspekt ist für den eigentlichen Speziationsvorgang ganz unwesentlich, er wird erst im Hinblick auf die Abstammungsrelation interessant. (Denk z.B. an Zimmermanns Hologeniespirale). Da letztlich Individuen (Organismen) Träger evolutiver Neuheiten sind, sind es auch Individuen, die evolvieren.
Prost


Lamarck hat folgendes geschrieben:
Da war doch noch ein anderer Thread ... . Also gut, dann das ganze noch mal von vorn:


    Populationen evolvieren nicht,
    Arten evolvieren nicht,
    Individuen evolvieren nicht;
    es evolviert allein die Keimbahn!


Der ist wirklich gut! Weil also Keimbahnen und nicht Individuen (als Träger evolutiver Neuheiten) evolvieren, werden in der Systematik auch nicht Individuen, sondern Keimbahnen klassifiziert Auf den Arm nehmen


Lamarck hat folgendes geschrieben:
Und Keimbahn muß nicht unbedingt nur Genetik i. e. S. bedeuten.

Die Individual-Entwicklung sei davon unbenommen. In dieser Hinsicht was das früher geläufigere Begriffspaar Ortho-/Ontogenese deutlicher (Von der statischen Deutung der Orthogenese sei hier mal abgesehen). Weiterer Vorteil: Artbegrifflichkeiten interessieren hier nicht.


Vorteil hin Vorteil her: Kann ein Abstraktum wie der Artbegriff, der Begriff "Keimbahn" oder der ihm zugrundeliegende Prozeß, der den Entwicklungsaspekt ja schon berücksichtigt, sich noch einmal als Ganzes in einer zeitlichen Dimension entwickeln? Könnte womöglich die Evolution selbst noch einmal evolvieren? Oder sind es die materiellen Systeme, die evolvieren? Wohlwissend, daß Mahner mit seinem Artikel in ein Wespennest gestochen hat, ist der wirklich extrem lesenswert. (BTW, wo kann ich eigentlich Deine These, daß Keimbahnen evolvieren, nachlesen?)

Grüße

Martin
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Zuletzt bearbeitet von Darwin Upheaval am 15.06.2004, 12:33, insgesamt einmal bearbeitet
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frajo
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Anmeldungsdatum: 25.08.2003
Beiträge: 11440

Beitrag(#138728) Verfasst am: 15.06.2004, 12:11    Titel: Antworten mit Zitat

Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
frajo hat folgendes geschrieben:

Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
frajo hat folgendes geschrieben:
auf die frage, was da evolviere, scheint mir die einzig willkürfreie antwort "das universum" zu sein.


Das scheint mir eher trivial denn willkürfrei.

dann hast du wohl zuwenig kosmologische fachliteratur gelesen.


was daran willkürfrei sein soll, aus einem bestimmten blickwinkel aus gesehen einen begriff zur trivialität zu dehnen wird wohl ewig dein geheimnis bleiben.

du wolltest mißverstehen, nehme ich an.
der satz "das universum evolviert" ist alles andere als trivial.
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Lamarck
Radikaler Konstruktivist



Anmeldungsdatum: 28.03.2004
Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main

Beitrag(#138750) Verfasst am: 15.06.2004, 13:23    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Martin!

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Nein. Will sagen: Individuen evolvieren nicht! Let's Rock

Ups, was evolviert dann, wenn nicht Individuen? Wenn Du jetzt "Arten" sagst, muß ich Dich auf Mahner verweisen:
Mahner, M. (1998): Warum es Evolution nur dann gibt, wenn Arten nicht evolvieren. Theorie in den Biowissenschaften 117, 173-199. Smilie

Was ist das, ein Rückfall? Auf den Arm nehmen
Du bist doch auch ein Individuum, wie evolvierst Du denn? Mr. Green

Die Frage überrascht mich. Also schön, nochmal zum Mitschreiben: "Evolution" als ontologischer Begriff meint doch die Entstehung qualitativer Neuheiten. Wenn in meiner Keimesentwicklung ein qualitativ neues, nicht arttypisches Merkmal entstanden ist (Speziation), hat folglich an mir ein Stück Evolution stattgefunden. Der historische Aspekt ist für den eigentlichen Speziationsvorgang ganz unwesentlich, er wird erst im Hinblick auf die Abstammungsrelation interessant. (Denk z.B. an Zimmermanns Hologeniespirale). Da aber Individuen Träger evolutiver Neuheiten sind, sind es auch Individuen, die evolvieren.
Prost


Einmal mehr zeigt sich: Ontologie im metaphysischen Sinn ist zu nichts nutze, außer zum darüber stolpern. Ich empfehle hier eher, Begriffe sauber zu definieren. Du kommst mit Begriffen wie "qualitative Neuheiten", "arttypisch" und "Merkmal" ohne Not in erhebliche Schwierigkeiten. Wie schon mal in einem anderen Thread angefragt: Versuch Dich doch bsw. mal in der Definition von "Merkmal" ... . Mr. Green Mr. Green Mr. Green

Ein einziges Individuum transformiert evolutiv nicht von n -> n'! Du benötigst also eine Linie von Individuen (d. h. mindestens zwei), die in einem gewissen Zusammenhang stehen. Wenn Du nur ein einziges Individuum untersuchst, wirst Du nie Evolution feststellen können. Mit anderen Worten: Ein Individuum wird nie ein anderes Individuum. Trivial, nicht?


Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Da war doch noch ein anderer Thread ... . Also gut, dann das ganze noch mal von vorn:


    Populationen evolvieren nicht,
    Arten evolvieren nicht,
    Individuen evolvieren nicht;
    es evolviert allein die Keimbahn!


Der ist wirklich gut! Weil also Keimbahnen und nicht Individuen (als Träger evolutiver Neuheiten) evolvieren, werden in der Systematik auch nicht Individuen, sondern Keimbahnen klassifiziert Auf den Arm nehmen


Die Systematik ist ein Werkzeug der Abstraktion. Sie versucht sich an einem statischen Schnappschuß eines dynamischen Prozesses in Zeit und Raum. Das kann nur heuristisch hinhauen. Das ist übrigens auch der Grund, warum es so viele Artbegriffe gibt. Den Wert der Systematik stelle ich natürlich nicht in Abrede. - Allerdings sollten die konzeptbedingten Schwächen nicht übersehen werden.


Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Und Keimbahn muß nicht unbedingt nur Genetik i. e. S. bedeuten.

Die Individual-Entwicklung sei davon unbenommen. In dieser Hinsicht was das früher geläufigere Begriffspaar Ortho-/Ontogenese deutlicher (Von der statischen Deutung der Orthogenese sei hier mal abgesehen). Weiterer Vorteil: Artbegrifflichkeiten interessieren hier nicht.


Vorteil hin Vorteil her: Kann ein Abstraktum wie der Artbegriff, der Begriff "Keimbahn" oder der ihm zugrundeliegende Prozeß, der den Entwicklungsaspekt ja schon berücksichtigt, sich noch einmal als Ganzes in einer zeitlichen Dimension entwickeln? Könnte womöglich die Evolution selbst noch einmal evolvieren? Oder sind es die materiellen Systeme, die evolvieren? Wohlwissend, daß Mahner mit seinem Artikel in ein Wespennest gestochen hat, ist der wirklich extrem lesenswert. (BTW, wo kann ich eigentlich Deine These, daß Keimbahnen evolvieren, nachlesen?)


Ich finde nicht, dass Mahner in ein Wespennest gestochen hat (und einige Stichworte hierzu sind ja auch schon in seinem Buch zu finden). Du solltest Dich da lieber mit der Systemtheorie beschäftigen - das ist eleganter. Und die Geschichte mit der Keimbahn findest Du dem Prinzip nach schon bei dem Erfinder des Begriffs 'Biologie'. Sehr glücklich


Cheers,

Lamarck
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„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
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El Schwalmo
Naturalistischer Ignostiker



Anmeldungsdatum: 06.11.2003
Beiträge: 9073

Beitrag(#138760) Verfasst am: 15.06.2004, 14:04    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Frajo,

frajo hat folgendes geschrieben:

du wolltest mißverstehen, nehme ich an.


nein, ganz ehrlich, ich habe Dich wirklich nicht verstanden.

Hier im Thread ging es konkret um _Bio_evolution. Du kannst davon ausgehen, dass mir der Begriff 'Evolution' in diesem Kontext in allen Nuancen sehr vertraut ist und dass ich weiß, warum Darwin diesen Begriff nicht verwenden wollte (er wurde ihm, wie einige andere, von Spencer 'aufgezwungen').

Das Spezifikum an _Bio_evolution ist 'descent with modification' (die beteiligten Systeme stehen in einem Abstammungsverhältnis, die Nachkommen unterscheiden sich von den Vorfahren). Alle Systeme, die anders evolvieren (im Sinne von 'sich ändern im Verlauf der Zeit') sollten daher mit einem anderen Begriff belegt werden (oder man sollte ihn in der Biologie vermeiden).

Auf 'Sterne' kam ich, weil Gould in einem Artikel über den Begriff 'Evolution' das, was ich gerade schrieb, in etwa so verdeutlichte: 'Papa Stern zeugt mit nicht Mama Stern neue Sterne' (das genaue Zitat kann ich gerne posten).

frajo hat folgendes geschrieben:
der satz "das universum evolviert" ist alles andere als trivial.


Würdest Du das bitte ein wenig näher ausführen? Was bedeutet im Zusammenhang mit 'Universum' konkret 'evolvieren'? Ich meinte mit 'trivial' folgendes: wenn unser Planet ein Teil des Universums ist, und darauf eine (Bio)Evolution stattfindet, dann ändert sich auch das Universum.

Mir leuchtete vor allem nicht ein, warum es nicht 'willkürlich' ist, im Zusammenhang mit dem Universum von 'Evolution' zu reden, während das für _Bio_evolution anscheinend nicht gelten soll.

Grüßle

Thomas
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Anmeldungsdatum: 23.01.2004
Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden

Beitrag(#138844) Verfasst am: 15.06.2004, 18:41    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Lamarck,

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Die Frage überrascht mich. Also schön, nochmal zum Mitschreiben: "Evolution" als ontologischer Begriff meint doch die Entstehung qualitativer Neuheiten. Wenn in meiner Keimesentwicklung ein qualitativ neues, nicht arttypisches Merkmal entstanden ist (Speziation), hat folglich an mir ein Stück Evolution stattgefunden. Der historische Aspekt ist für den eigentlichen Speziationsvorgang ganz unwesentlich, er wird erst im Hinblick auf die Abstammungsrelation interessant. (Denk z.B. an Zimmermanns Hologeniespirale). Da aber Individuen Träger evolutiver Neuheiten sind, sind es auch Individuen, die evolvieren.
Prost


Einmal mehr zeigt sich: Ontologie im metaphysischen Sinn ist zu nichts nutze, außer zum darüber stolpern. Ich empfehle hier eher, Begriffe sauber zu definieren. Du kommst mit Begriffen wie "qualitative Neuheiten", "arttypisch" und "Merkmal" ohne Not in erhebliche Schwierigkeiten.


Können wir uns darauf einigen, daß Dinge Eigenschaften besitzen und qualitative Neuheiten erwerben können? Das, was Du als unsaubere Begriffsdefinition bezeichnest, liegt einfach in der Natur der Emergenz - s.u. (Ich kenne übrigens niemanden, der mehr Wert auf saubere Begriffsdefinitionen und konsistente Begründungen legt, als Mahner und Bunge. Ihr philosophisches Konzept ist in dieser Hinsicht wirklich vorbildlich, ja stellenweise sogar über die Maßen penibel - deshalb kam Mayr in dessen Bewertungen meist schlecht weg. Lies einfach Mahners Artikel, vielleicht denkst Du dann über vieles anders. Dann kann man vor allem auch konkret darüber diskutieren, was IMAO sinnvoller wäre.)


Lamarck hat folgendes geschrieben:
Wie schon mal in einem anderen Thread angefragt: Versuch Dich doch bsw. mal in der Definition von "Merkmal" ... . Mr. Green Mr. Green Mr. Green


Die Bestimmung von Merkmalen ist doch ein erkenntnistheoretisches Problem, kein ontologisches! Niemand bestreitet, daß es oft schwer abzuschätzen ist, wann genau ein System den Neuerwerb einer qualitativen Eigenschaft vollzogen hat. Wann besitzt der chemische Übergangszustand [H...H...O...O] schon die emergenten Eigenschaften des Wassers, wann ist er noch gasförmig? Wo läßt sich in der chemischen Evolution die Grenze zwischen einem unbelebten und einem belebten System ziehen usw.? Wer daraus aber die ontologische These ableitet, daß der Prozeß der Speziation (der Entstehung qualitativer Neuheiten) "dynamisch-kontinuierlich" ablaufen müsse, führt nicht nur den Emergenzbegriff, sondern die Welt mit ihren verschiedenen Systemen insgesamt ad absurdum.

Wenn sich mit anderen Worten die Entstehung qualitativer Neuheiten weder an konkreten Individuen noch sprunghaft-diskret vollzöge, gäbe es auch keine Systeme mehr, die definitiv lebendig oder definitiv tot wären. Infolge der Dehnung des Emergenzbegriffs könnten auch Steine immerhin schon ein bißchen lebendig sein. Wasserstoff-Sauerstoff-Gemische könnten bereits ein bißchen flüssig sein. Ein Wasserstoffatom könnte bereits ein bißchen die Eigenschaften eines Helium-, Lithium- oder Urankerns besitzen. Jedes Dinge könnte schon ein bißchen alle Eigenschaften besitzen. Jede qualitative Eigenschaftsänderung muß sich diskret innerhalb eines konkreten Systems vollziehen, alles andere wäre ein ontologisch unsauberes Konzept. Wie war das doch gleich mit der Nutzlosigkeit bestimmter Metaphysiken? Auf den Arm nehmen


Lamarck hat folgendes geschrieben:
Ein einziges Individuum transformiert evolutiv nicht von n -> n'! Du benötigst also eine Linie von Individuen (d. h. mindestens zwei), die in einem gewissen Zusammenhang stehen.


Wo aber soll denn diese Transformation stattfinden, wenn nicht bei einem der beiden Individuen? Die "Linie" ist doch nur die begriffliche Repräsentation unzähliger, in einem genealogischen Zusammenhang stehender Individuen. Der evolutionäre Schritt kann hier doch ebenso wenig auf eine nebulösen "Linie" zwischen beiden Individuen ausgelagert werden, wie etwa die Transformation eines U238-Kerns in einen Th234-Kern. Es doch vielmehr trivial, daß immer nur ein individueller U238-Kern gemäß U238->Th234 in eine neue ontologische Sorte übergehen kann und muß, weil die Eigenschaften an konkrete Entitäten gebunden sind.

Analog dazu kann auch immer nur ein konkreter Embryo oder Fetus (vulgo Individuum) eine qualitativ neue Eigenschaft entwickeln. In einem frühontogenetischen Stadium, in dem das neue Merkmal noch nicht in Erscheinung tritt, nimmt er natürlich noch den gesetzmäßigen Zustandsraum seiner Eltern ein und gehört somit (noch) zur selben ontologischen Sorte wie sie. Erst wenn das neue Merkmal emergiert, ist er einer neuen ontologischen (nicht biologischen) Spezies zuzurechnen.

[...]

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Die Systematik ist ein Werkzeug der Abstraktion.


Die Systematik schon, aber nicht die hinter dem Klassenbegriff stehenden Entitäten. Und auch der Klassenbegriff ist zwar ein Abstraktum, aber kein beliebiger, sondern ein natürlicher Sortenbegriff, weil er Eigenschaften materieller Entitäten sortiert, die gesetzmäßig miteinander verbunden sind.


Lamarck hat folgendes geschrieben:
Sie versucht sich an einem statischen Schnappschuß eines dynamischen Prozesses in Zeit und Raum. Das kann nur heuristisch hinhauen. Das ist übrigens auch der Grund, warum es so viele Artbegriffe gibt. Den Wert der Systematik stelle ich natürlich nicht in Abrede. - Allerdings sollten die konzeptbedingten Schwächen nicht übersehen werden.


Tue ich doch gar nicht. Mein Argument ist lediglich, daß sich Emergenz nicht dynamisch fassen läßt...


[...]

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Ich finde nicht, dass Mahner in ein Wespennest gestochen hat (und einige Stichworte hierzu sind ja auch schon in seinem Buch zu finden). Du solltest Dich da lieber mit der Systemtheorie beschäftigen - das ist eleganter.


Verzeih'. Aber ich glaube man kann philosophische Meinungsverschiedenheiten auch intellektuell redlich austragen. Über das Thema ist wohl schon hektoliterweise Tinte verspritzt worden, ohne daß auf die ad-hominem-Ebene ausgewichen wäre. Wenn Du meine Ansicht nicht teilst ist das doch in Ordnung. Aber Du solltest einen Angriff gegen die "Eleganz" des Gegners nicht mit einem eleganten Angriff gegen dessen Argument verwechseln. Insbesondere dann nicht, wenn letzterer eine Heerschar philosophischer Mitkombattanten im Rücken hat. zwinkern

Grüße

Martin
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El Schwalmo
Naturalistischer Ignostiker



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Beitrag(#138857) Verfasst am: 15.06.2004, 19:53    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Martin,

[ ... ]

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Insbesondere dann nicht, wenn letzterer eine Heerschar philosophischer Mitkombattanten im Rücken hat. :wink:


das habe ich jetzt nicht ganz verstanden. Wenn ich richtig informiert bin, vertritt Mahner eine Position, die man, gelinde gesagt, als 'etwas abseits des MainStream' bezeichnen kann. Schau über den von Dir zitierten Artikel. Da steht eine Qualifizierung, die viele Menschen als 'eigentlich würden wir das nicht drucken, aber vielleicht möchte jemand darüber diskutieren' interpretieren.

Die 'Heerscharen' könnten recht licht sein.

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Grüßle

Thomas
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Lamarck
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Beitrag(#138966) Verfasst am: 16.06.2004, 04:46    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Martin!

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Die Frage überrascht mich. Also schön, nochmal zum Mitschreiben: "Evolution" als ontologischer Begriff meint doch die Entstehung qualitativer Neuheiten. Wenn in meiner Keimesentwicklung ein qualitativ neues, nicht arttypisches Merkmal entstanden ist (Speziation), hat folglich an mir ein Stück Evolution stattgefunden. Der historische Aspekt ist für den eigentlichen Speziationsvorgang ganz unwesentlich, er wird erst im Hinblick auf die Abstammungsrelation interessant. (Denk z.B. an Zimmermanns Hologeniespirale). Da aber Individuen Träger evolutiver Neuheiten sind, sind es auch Individuen, die evolvieren.
Prost

Einmal mehr zeigt sich: Ontologie im metaphysischen Sinn ist zu nichts nutze, außer zum darüber stolpern. Ich empfehle hier eher, Begriffe sauber zu definieren. Du kommst mit Begriffen wie "qualitative Neuheiten", "arttypisch" und "Merkmal" ohne Not in erhebliche Schwierigkeiten.

Können wir uns darauf einigen, daß Dinge Eigenschaften besitzen und qualitative Neuheiten erwerben können? Das, was Du als unsaubere Begriffsdefinition bezeichnest, liegt einfach in der Natur der Emergenz - s.u. (Ich kenne übrigens niemanden, der mehr Wert auf saubere Begriffsdefinitionen und konsistente Begründungen legt, als Mahner und Bunge. Ihr philosophisches Konzept ist in dieser Hinsicht wirklich vorbildlich, ja stellenweise sogar über die Maßen penibel - deshalb kam Mayr in dessen Bewertungen meist schlecht weg. Lies einfach Mahners Artikel, vielleicht denkst Du dann über vieles anders. Dann kann man vor allem auch konkret darüber diskutieren, was IMAO sinnvoller wäre.)


Ähm, nein. Aus meiner Perspektive - der eines Radikalen Konstruktivisten - 'besitzen' nicht Dinge Eigenschaften, sondern Eigenschaften Dinge (Hoffentlich kannst Du mit dieser Aussage was anfangen zwinkern ). Jedenfalls sind die Begriffe Eigenschaft und Merkmal ziemlich wesensnah. Ob Du das als Ontologie, Erkenntnistheorie oder sonst was ansiehst: Gib mir einfach mal eine Definition von Merkmal. Und eine saubere Definition ist eine naturwissenschaftliche Definition. Und nur zu, welchen Standpunkt von Mahner möchtest Du konkret diskutieren?


Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Wie schon mal in einem anderen Thread angefragt: Versuch Dich doch bsw. mal in der Definition von "Merkmal" ... . Mr. Green Mr. Green Mr. Green

Die Bestimmung von Merkmalen ist doch ein erkenntnistheoretisches Problem, kein ontologisches! Niemand bestreitet, daß es oft schwer abzuschätzen ist, wann genau ein System den Neuerwerb einer qualitativen Eigenschaft vollzogen hat. Wann besitzt der chemische Übergangszustand [H...H...O...O] schon die emergenten Eigenschaften des Wassers, wann ist er noch gasförmig? Wo läßt sich in der chemischen Evolution die Grenze zwischen einem unbelebten und einem belebten System ziehen usw.? Wer daraus aber die ontologische These ableitet, daß der Prozeß der Speziation (der Entstehung qualitativer Neuheiten) "dynamisch-kontinuierlich" ablaufen müsse, führt nicht nur den Emergenzbegriff, sondern die Welt mit ihren verschiedenen Systemen insgesamt ad absurdum.

Wenn sich mit anderen Worten die Entstehung qualitativer Neuheiten weder an konkreten Individuen noch sprunghaft-diskret vollzöge, gäbe es auch keine Systeme mehr, die definitiv lebendig oder definitiv tot wären. Infolge der Dehnung des Emergenzbegriffs könnten auch Steine immerhin schon ein bißchen lebendig sein. Wasserstoff-Sauerstoff-Gemische könnten bereits ein bißchen flüssig sein. Ein Wasserstoffatom könnte bereits ein bißchen die Eigenschaften eines Helium-, Lithium- oder Urankerns besitzen. Jedes Dinge könnte schon ein bißchen alle Eigenschaften besitzen. Jede qualitative Eigenschaftsänderung muß sich diskret innerhalb eines konkreten Systems vollziehen, alles andere wäre ein ontologisch unsauberes Konzept. Wie war das doch gleich mit der Nutzlosigkeit bestimmter Metaphysiken? Auf den Arm nehmen


Da verstehe ich jetzt nicht ganz Deine Argumentation. Zum einen gibt es Statistik. Zum anderem gibt es die fraktale Geometrie mit ihren gebrochenen Dimensionen. Und Viren und Viroide bezeichne ich durchaus als ein bißchen lebendig. Qualitative Eigenschaften sind diskrete Eigenschaften. Ist das dann Metaphysik, wenn Wäsche auch im Winter an der Leine trocknet?


Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Ein einziges Individuum transformiert evolutiv nicht von n -> n'! Du benötigst also eine Linie von Individuen (d. h. mindestens zwei), die in einem gewissen Zusammenhang stehen.

Wo aber soll denn diese Transformation stattfinden, wenn nicht bei einem der beiden Individuen? Die "Linie" ist doch nur die begriffliche Repräsentation unzähliger, in einem genealogischen Zusammenhang stehender Individuen. Der evolutionäre Schritt kann hier doch ebenso wenig auf eine nebulösen "Linie" zwischen beiden Individuen ausgelagert werden, wie etwa die Transformation eines U238-Kerns in einen Th234-Kern. Es doch vielmehr trivial, daß immer nur ein individueller U238-Kern gemäß U238->Th234 in eine neue ontologische Sorte übergehen kann und muß, weil die Eigenschaften an konkrete Entitäten gebunden sind.

Analog dazu kann auch immer nur ein konkreter Embryo oder Fetus (vulgo Individuum) eine qualitativ neue Eigenschaft entwickeln. In einem frühontogenetischen Stadium, in dem das neue Merkmal noch nicht in Erscheinung tritt, nimmt er natürlich noch den gesetzmäßigen Zustandsraum seiner Eltern ein und gehört somit (noch) zur selben ontologischen Sorte wie sie. Erst wenn das neue Merkmal emergiert, ist er einer neuen ontologischen (nicht biologischen) Spezies zuzurechnen.


Diese Transformation findet in der Tat zwischen zwei Individuen (und nicht unzähligen) statt; somatische Mutationen interessieren hier nicht. Ich darf daran erinnern, dass hier nur die Mutationen in der Keimbahn relevant sind. Und auch der Embryo hat qualitativ andere Eigenschaften als der adulte Organismus. Was soll das heißen, "in eine neue ontologische Sorte übergehen kann und muß, weil die Eigenschaften an konkrete Entitäten gebunden sind"?


Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Die Systematik ist ein Werkzeug der Abstraktion.

Die Systematik schon, aber nicht die hinter dem Klassenbegriff stehenden Entitäten. Und auch der Klassenbegriff ist zwar ein Abstraktum, aber kein beliebiger, sondern ein natürlicher Sortenbegriff, weil er Eigenschaften materieller Entitäten sortiert, die gesetzmäßig miteinander verbunden sind.


Die Taxa sind enkaptisch miteinander "verbunden" und nichts weiter. Für mich ist der Begriff 'Entität' sinnlos. Natürliche Sortenbegriffe sind mir unbekannt. Von wegen "Keimbahnen klassifizieren" ... .


Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Sie versucht sich an einem statischen Schnappschuß eines dynamischen Prozesses in Zeit und Raum. Das kann nur heuristisch hinhauen. Das ist übrigens auch der Grund, warum es so viele Artbegriffe gibt. Den Wert der Systematik stelle ich natürlich nicht in Abrede. - Allerdings sollten die konzeptbedingten Schwächen nicht übersehen werden.

Tue ich doch gar nicht. Mein Argument ist lediglich, daß sich Emergenz nicht dynamisch fassen läßt...


He, das war die Erwiderung auf Deine Keimbahn-Polemik ... . Cool


Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Ich finde nicht, dass Mahner in ein Wespennest gestochen hat (und einige Stichworte hierzu sind ja auch schon in seinem Buch zu finden). Du solltest Dich da lieber mit der Systemtheorie beschäftigen - das ist eleganter.

Verzeih'. Aber ich glaube man kann philosophische Meinungsverschiedenheiten auch intellektuell redlich austragen. Über das Thema ist wohl schon hektoliterweise Tinte verspritzt worden, ohne daß auf die ad-hominem-Ebene ausgewichen wäre. Wenn Du meine Ansicht nicht teilst ist das doch in Ordnung. Aber Du solltest einen Angriff gegen die "Eleganz" des Gegners nicht mit einem eleganten Angriff gegen dessen Argument verwechseln. Insbesondere dann nicht, wenn letzterer eine Heerschar philosophischer Mitkombattanten im Rücken hat. zwinkern


Mit "Eleganz" meine ich doch nur, das meiner Ansicht nach mit Mitteln einer Systemtheorie das Problem einfacher zu lösen ist. Von Deiner "Eleganz" oder der Deiner Argumente war nicht die Rede. Aber manche Argumente sind halt ästhetischer als andere.


Cheers,

Lamarck
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Darwin Upheaval
Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator



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Beitrag(#140009) Verfasst am: 19.06.2004, 16:33    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Lamarck,

[...]

Ich fürchte, an der Stelle kommen wir nicht weiter. Als radikaler Konstruktivist wirst Du vermutlich auch den Emergenzbegriff ablehnen, so daß Dich meine Argumente nicht überzeugen können. Weil Deine Philosophie die Erkenntnis der Welt auf Null reduziert („die Welt wird als solche nicht erkannt“), ist ihr (als "sparsamste" aller Epistemologien) auch mit rationalen Überlegungen nicht beizukommen. Aber das ist für mich kein Problem, die Positionen sind halt verschieden... Smilie


Lamarck hat folgendes geschrieben:
Aus meiner Perspektive - der eines Radikalen Konstruktivisten - 'besitzen' nicht Dinge Eigenschaften, sondern Eigenschaften Dinge (Hoffentlich kannst Du mit dieser Aussage was anfangen zwinkern ).


Nicht wirklich. Ich verstehe zwar, was Du sagen willst, aber in meinem Weltbild existieren eben keine "Dinge von Eigenschaften", oder Dinge als Konstrukte. Aus meiner Sicht beruht auch die Behauptung, es gäbe so etwas wie "Eigenschaften von Eigenschaften" auf einem Kategorienfehler, der seine Wurzel in einer semantisch unsauberen Begriffsunterscheidung "Ding (Entität)– Eigenschaft (Konstrukt)" hat Mr. Green


Lamarck hat folgendes geschrieben:
Jedenfalls sind die Begriffe Eigenschaft und Merkmal ziemlich wesensnah. Ob Du das als Ontologie, Erkenntnistheorie oder sonst was ansiehst: Gib mir einfach mal eine Definition von Merkmal.


Ich weiß nicht recht, welchen Sinn das haben könnte. Wie gesagt, in meinen Augen läßt sich Wissenschaft nicht philosophisch voraussetzungsfrei betreiben. Das heißt, ihre methodologischen Prinzipien erzwingen eine Erkenntnistheorie und Ontologie, die Du als "metaphysisches Wortgeklingel" abtust. Insofern ist Dein rK dem Positivismus eben doch sehr wesensnah:

Zitat:
(...) manche Philosophen - insbesondere empiristisch oder konstruktivistisch angehauchte -, die unter Wissenschaftstheorie lediglich Methodologie ['Heuristik'] verstehen, zweifeln am Nutzen der Ontologie für die Wissenschaftsphilosophie. Doch die Tatsache, daß viele Metaphysiken falsch oder nutzlos sind, macht nicht jede Metaphysik zu einem anstößigen Unterfangen. So setzen die meisten unserer Handlungen voraus, daß es außerhalb des erkennenden oder handelnden Subjekts tatsächlich eine reale Welt gibt. Wie also vielfach richtig bemerkt wurde, ist ein Antimetaphysiker nur jemand, der primitive und unanalysierte metaphysische Auffassungen vertritt.


Mahner, M.; Bunge, M. (2000): Philosophische Grundlagen der Biologie. Springer, Berlin, S. 3 (der Einschub stammt von mir).

Weshalb soll Dich also ein ausgefeiltes System von Begriffsdefinitionen, Postulaten und Theoremen, das auf einem emergentistischen Materialismus basiert, interessieren oder gar überzeugen? Na gut, ich versuch’s trotzdem mal (in Anlehung an Mahner/Bunge): Merkmale sind Eigenschaften von Dingen (Dinge = Entitäten, materielle Ganzheiten). Die Welt besteht IMAO nur aus Dingen, so daß Eigenschaften als solche nicht real sein, sondern nur begrifflich von Dingen abstrahiert werden können. Anders ausgedrückt: Die Eigenschaft (das Merkmal) einer materiellen Ganzheit ist immer der Besitz von Teilen (wie z.B. der Besitz von Masse, Umfang, Extremitäten, Haaren etc.). Die Teile eines Dings sind wiederum in noch kleinere Teile unterteilbar. Weil die Teile einer materiellen Ganzheit also keine Merkmale (Eigenschaften) sind und sein können, gibt es zwar Teile von Teilen, aber keine Eigenschaften von Eigenschaften oder gar Dinge von Eigenschaften. Eigenschaften haben mit anderen Worten keinen ontologischen Status - ganz im Gegensatz zu Dingen!

Weiter: Es gibt natürlich verschiedene Eigenschaftsklassen, wie z.B. intrinsische/relationale, primäre/sekundäre, essentielle/akzidentielle sowie qualitative/quantitative Eigenschaften. Aufgrund von Eigenschaften sind Dinge überhaupt erst individuier- und klassifizierbar. Wenn man Dinge im Hinblick auf Eigenschaften klassifiziert, die gesetzmäßig miteinander verbunden sind, generiert man eine natürliche Sorte. Gesetzmäßig miteinander verbunden sind Eigenschaften dann, wenn sie entweder konstant zusammen auftreten (wie z.B. die Eigenschaften „Haare besitzen“ und „Milchdrüsen besitzen“ -> natürliche Sorte = Taxon der Mammalia) oder wenn eine Eigenschaft der anderen logisch vorausgeht (so wie z.B. die Eigenschaft von Atomen „mit Metallen Salze zu bilden“ der Eigenschaft „besitze Elektronenkonfiguration Xs2p5“ vorausgeht -> natürliche Atomsorte der Halogene).

Nun können die Dinge einer natürlichen Sorte nicht nur hinsichtlich einiger, sondern hinsichtlich aller Merkmale gesetzmäßig miteinander verbunden sein. In diesem Fall „besitzen“ die Dinge denselben gesetzmäßigen Zustandsraum, so daß sie zur gleichen ontologische Spezies gehören. Wenn nun eines der Dinge im Laufe seiner Geschichte eine qualitative Neuheit erwirbt (also durch Emergenz in eine höhere Dimension des Phasenraumes „springt“), ist eine neue ontologische Art entstanden. Und weil immer nur konkrete Dinge eine Geschichte haben und immer nur konkrete Dinge Eigenschaften besitzen, können folglich auch nur konkrete Dinge evolvieren. Dem ist so, weil sich der Begriff Evolution an der Entstehung evolutiver Neuheiten orientiert. Du wirst vermutlich gemerkt haben, daß viele der genannten Aspekte auch und gerade in der Kladistik eine Rolle spielen. Sie erzeugt mit anderen Worten natürliche Sorten von Dingen (also von Organismen und nicht von evolvierenden Keimbahnen o.ä.). Das heißt, das Klassifizieren von Organismen setzt automatisch die Akzeptanz des ontologischen und erkenntnistheoretischen Realismus als philosophische (natürlich nicht streng zu beweisende) Position (von wegen bloße "Heuristik"!) voraus. Oder um mit Mahner und Bunge (a.a.O., S. 5 - Einschub von mir) zu sprechen:

Zitat:
(...) das Postulat [die Welt existiert mit all ihren primären Eigenschaften aus sich selbst heraus] hat die Falschheit des ontologischen Konstruktivismus zur Folge, d.h. der These, wonach die Welt zur Gänze vom Subjekt (individuell) oder von Subjekten (kollektiv) erschaffen wird. Der Zusatz ‚mit al ihren primären Eigenschaften’ schließt auch eine mildere Form des Konstruktivismus aus, nach dem es zwar eine objektive Welt (...) gibt, deren genaue Eigenschaften aber letztlich vom denkenden Subjekt festgelegt werden. All dies halten wir für einen Rest magisch-anthropozentrischen Denkens – auch wenn dies in bestimmten Kreisen der Wissenschaftsphilosophie und –soziologie en vogue ist.

Wir gehen demgegenüber davon aus, daß sich Biologen in der täglichen Praxis als ontologische Realisten verhalten. Sie gehen z.B. davon aus, daß die Dinosaurier auch dann existiert hätten wenn Menschen nie evolviert wären. Und experimentelle Biologen und Ethologien achten darauf, ob bzw. wie ihre Beobachtungen die zu untersuchenden Organismen beeinflussen – was wiederum die Subjekt-Objekt-Unterscheidung voraussetzt.


Da Deine Epistemologie mit einem Wort alles andere als wissenschaftstauglich ist (ob sie hinsichtlich bestimmter Annahmen ökonomischer ist als meine, ist eine andere Frage), ist sie auch heuristisch steril und rational nicht hinterfragbar. So, jetzt kennst Du meine Ontologie, die sich zu annähernd 100% an derjenigen Mahners und Bunges orientiert, noch einmal ganz ausführlich... Teufel


[...]

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Wenn sich mit anderen Worten die Entstehung qualitativer Neuheiten weder an konkreten Individuen noch sprunghaft-diskret vollzöge, gäbe es auch keine Systeme mehr, die definitiv lebendig oder definitiv tot wären. Infolge der Dehnung des Emergenzbegriffs könnten auch Steine immerhin schon ein bißchen lebendig sein. Wasserstoff-Sauerstoff-Gemische könnten bereits ein bißchen flüssig sein. Ein Wasserstoffatom könnte bereits ein bißchen die Eigenschaften eines Helium-, Lithium- oder Urankerns besitzen. Jedes Dinge könnte schon ein bißchen alle Eigenschaften besitzen. Jede qualitative Eigenschaftsänderung muß sich diskret innerhalb eines konkreten Systems vollziehen, alles andere wäre ein ontologisch unsauberes Konzept. Wie war das doch gleich mit der Nutzlosigkeit bestimmter Metaphysiken? Auf den Arm nehmen


Da verstehe ich jetzt nicht ganz Deine Argumentation. Zum einen gibt es Statistik. Zum anderem gibt es die fraktale Geometrie mit ihren gebrochenen Dimensionen. Und Viren und Viroide bezeichne ich durchaus als ein bißchen lebendig. Qualitative Eigenschaften sind diskrete Eigenschaften. Ist das dann Metaphysik, wenn Wäsche auch im Winter an der Leine trocknet?


Nein, der Vergleich ist schief. Wäsche kann auch ein bißchen naß sein, weil Humidität eine quantitative Eigenschaft ist. Wie willst Du aber qualitative Eigenschaften wie „Leben“ oder „Schwangersein“ quantifizieren? Qualitatives quantifizieren zu wollen, ist ein Widerspruch in sich. Ein Viroid kann daher ebenso wenig ein bißchen lebendig sein, wie eine Frau ein bißchen schwanger sein kann. (Das erkenntnistheoretische oder definitorische Problem will ich dabei gar nicht in Abrede stellen.) Wie Du dem Problem mithilfe der Statistik beikommen willst, ist mir auch nicht klar. Meinst Du, wenn von 100 Frauen 50 schwanger sind und 50 nicht, dann sind alle zur Hälfte schwanger? Lachen


Lamarck hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Wo aber soll denn diese Transformation stattfinden, wenn nicht bei einem der beiden Individuen? Die "Linie" ist doch nur die begriffliche Repräsentation unzähliger, in einem genealogischen Zusammenhang stehender Individuen. Der evolutionäre Schritt kann hier doch ebenso wenig auf eine nebulösen "Linie" zwischen beiden Individuen ausgelagert werden, wie etwa die Transformation eines U238-Kerns in einen Th234-Kern. Es doch vielmehr trivial, daß immer nur ein individueller U238-Kern gemäß U238->Th234 in eine neue ontologische Sorte übergehen kann und muß, weil die Eigenschaften an konkrete Entitäten gebunden sind. Analog dazu kann auch immer nur ein konkreter Embryo oder Fetus (vulgo Individuum) eine qualitativ neue Eigenschaft entwickeln. In einem frühontogenetischen Stadium, in dem das neue Merkmal noch nicht in Erscheinung tritt, nimmt er natürlich noch den gesetzmäßigen Zustandsraum seiner Eltern ein und gehört somit (noch) zur selben ontologischen Sorte wie sie. Erst wenn das neue Merkmal emergiert, ist er einer neuen ontologischen (nicht biologischen) Spezies zuzurechnen.


Diese Transformation findet in der Tat zwischen zwei Individuen (und nicht unzähligen) statt; somatische Mutationen interessieren hier nicht. Ich darf daran erinnern, dass hier nur die Mutationen in der Keimbahn relevant sind. Und auch der Embryo hat qualitativ andere Eigenschaften als der adulte Organismus. Was soll das heißen, "in eine neue ontologische Sorte übergehen kann und muß, weil die Eigenschaften an konkrete Entitäten gebunden sind"?


Ich hoffe, meine obigen Ausführungen haben die Frage beantwortet. Was sich IMAO wandelt, sind immer nur Dinge und nichts anderes. Ein konkreter Urankern zerfällt eben in einen konkreten Thoriumkern – da gibt es keine "geheimnisvolle Essenz" dazwischen. Eben dieser Atomkern erwirbt im Laufe seiner Geschichte qualitative Neuheiten und vollzieht gewissermaßen einen "Sprung" im Phasenraum. Dasselbe passiert doch auch, wenn ein Embryo/Fötus eine qualitative Neuheit entwickelt, die vorher bei keiner anderen Spezies vorhanden war und schlagartig zum Schlüsselmerkmal eines neuen Taxons erkoren wird. Du siehst einmal mehr: Biologie wird nicht metaphysisch neutral betrieben, sondern fußt auf der Ontologie des emergentischen Materialismus (der sich im übrigen aus dem Naturalismus ableiten läßt).


Lamarck hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Die Systematik ist ein Werkzeug der Abstraktion.

Die Systematik schon, aber nicht die hinter dem Klassenbegriff stehenden Entitäten. Und auch der Klassenbegriff ist zwar ein Abstraktum, aber kein beliebiger, sondern ein natürlicher Sortenbegriff, weil er Eigenschaften materieller Entitäten sortiert, die gesetzmäßig miteinander verbunden sind.


Die Taxa sind enkaptisch miteinander "verbunden" und nichts weiter. Für mich ist der Begriff 'Entität' sinnlos. Natürliche Sortenbegriffe sind mir unbekannt. Von wegen "Keimbahnen klassifizieren" ... .


Das "enkaptische System" ist eine logische Darstellung natürlicher - hierarchisch ineinandergeschachtelter - Sorten. Hinter dem "enkaptischen System" stehen wiederum handfeste, reale Entitäten – eben jene, die klassifiziert werden sollen. Was Du mit "und weiter nichts" meinst, wird mir deshalb so gar nicht klar. Wenn Du phylogenetische Systematik betreibst, handelt Du sowohl mit Entitäten als auch mit natürlichen Sorten. (Du weißt es nur nicht.) zwinkern

Noch eine Frage, die in diesem Zusammenhang relevant sein könnte: Hängst Du eher der phylogenetische Systematik oder der numerischen, Linéeischen oder der "evolutionären" Taxonomie an? Und wie begründest Du Deine Entscheidung?


Lamarck hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Verzeih'. Aber ich glaube man kann philosophische Meinungsverschiedenheiten auch intellektuell redlich austragen. Über das Thema ist wohl schon hektoliterweise Tinte verspritzt worden, ohne daß auf die ad-hominem-Ebene ausgewichen wäre. Wenn Du meine Ansicht nicht teilst ist das doch in Ordnung. Aber Du solltest einen Angriff gegen die "Eleganz" des Gegners nicht mit einem eleganten Angriff gegen dessen Argument verwechseln. Insbesondere dann nicht, wenn letzterer eine Heerschar philosophischer Mitkombattanten im Rücken hat. zwinkern


Mit "Eleganz" meine ich doch nur, das meiner Ansicht nach mit Mitteln einer Systemtheorie das Problem einfacher zu lösen ist. Von Deiner "Eleganz" oder der Deiner Argumente war nicht die Rede. Aber manche Argumente sind halt ästhetischer als andere.


OK, geschenkt. Entschuldige meinen "Anranzer" - ich war an dem Tag, als ich Dir geantwortet habe, auch aus anderen Gründen etwas mißgestimmt... zwinkern

Grüße

Martin
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step
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Beitrag(#140020) Verfasst am: 19.06.2004, 18:07    Titel: Antworten mit Zitat

Martin Neukamm in Anlehnung an M/B hat folgendes geschrieben:
Merkmale sind Eigenschaften von Dingen (Dinge = Entitäten, materielle Ganzheiten). Die Welt besteht IMAO nur aus Dingen, so daß Eigenschaften als solche nicht real sein, sondern nur begrifflich von Dingen abstrahiert werden können. ... Eigenschaften haben mit anderen Worten keinen ontologischen Status - ganz im Gegensatz zu Dingen!

Tut mir leid - aber ich halte das tatsächlich ebenfalls für philosophisches Wortgeklingel. Wir bezeichnen etwas meist als Ding, weil es scheinbar bestimmte Eigenschaften hat, die uns seine Abgrenzung ermöglichen - bei Dir ist das z.B. in "materielle Ganzheit" verborgen. Über Eigenschaften zu reden, die dieses Etwas über seine wahrnehmbaren Eigenschaften hinaus hat (also etwa einen "ontologischen Status"), ist mE abergläubisch.

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El Schwalmo
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Beitrag(#140052) Verfasst am: 19.06.2004, 20:43    Titel: Antworten mit Zitat

Hi step,

step hat folgendes geschrieben:

Tut mir leid - aber ich halte das tatsächlich ebenfalls für philosophisches Wortgeklingel. Wir bezeichnen etwas meist als Ding, weil es scheinbar bestimmte Eigenschaften hat, die uns seine Abgrenzung ermöglichen - bei Dir ist das z.B. in "materielle Ganzheit" verborgen.


Wenn ich Mahner/Bunge richtig verstanden habe, besteht nach denen die gesamte Welt aus zwei sich gegenseitig ausschließenden Mengen: Dingen und Konstrukten. Dinge 'sind', Konstrukte machen wir. Wenn es keine Menschen bzw. denkende Systeme mehr gäbe, gäbe es nur noch Dinge. Das ist in etwa die Ontologie, welche diese Forscher vertreten. In deren Ontologie kommen nur 'natürliche Dinge' vor, keine Geister, Götter oder sonstwas.

step hat folgendes geschrieben:
Über Eigenschaften zu reden, die dieses Etwas über seine wahrnehmbaren Eigenschaften hinaus hat (also etwa einen "ontologischen Status"), ist mE abergläubisch.


Dinge können durchaus auch Eigenschaften haben, die wir nicht wahrnehmen können (schau Dir eine Blüte mit UV-Flecken an, vor der UV-Photographie wusste niemand, dass es so etwas gibt, Bienen sehen die problemlos). Wir können zu Dingen auch Konstrukte konstruieren (beispielsweise einen Gegenstand als 'purpurfarbig' bezeichnen, obwohl es gar keine Wellenlänge des Lichts für diese Sinnesqualität gibt). Selbstverständlich ist 'ontologischer Status' ein Konstrukt, das einem Ding nicht an sich zukommt.

Wir sind aber hier wieder beim selben Problem wie bei 'Gott': wenn wir nicht sinnvoll über etwas _reden_ können, folgt daraus noch nicht die 'closed world assumption'. Ist zwar eine gute Heuristik, aber ich habe mich immer gewundert, warum mein PROLOG-Programm immer 'no' ausspuckte, wenn es hätte sagen müssen 'ups, darüber kann ich auf der Basis meiner Fakten und Regeln nichts Sinnvolles sagen'.

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Thomas
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Beitrag(#140064) Verfasst am: 19.06.2004, 21:30    Titel: Antworten mit Zitat

Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Wenn ich Mahner/Bunge richtig verstanden habe, besteht nach denen die gesamte Welt aus zwei sich gegenseitig ausschließenden Mengen: Dingen und Konstrukten. Dinge 'sind', Konstrukte machen wir. Wenn es keine Menschen bzw. denkende Systeme mehr gäbe, gäbe es nur noch Dinge. Das ist in etwa die Ontologie, welche diese Forscher vertreten. In deren Ontologie kommen nur 'natürliche Dinge' vor, keine Geister, Götter oder sonstwas.

Diese Metaphysik habe ich ja in diesem Fall gar nicht kritisiert (was nicht heißt daß ich sie für erkenntnistheoretisch nützlich halte). Meine Kritik bezog sich auf die mE unzulässig kategorische Unterscheidung zwischen sog. Eigenschaften und sog. Dingen. Es ist nicht möglich, Dinge anders als über ihre Eigenschaften zu definieren, wahrzunhmen usw., und dies geschieht oft keineswegs über bewußte Abstraktion.

Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Über Eigenschaften zu reden, die dieses Etwas über seine wahrnehmbaren Eigenschaften hinaus hat (also etwa einen "ontologischen Status"), ist mE abergläubisch.
Dinge können durchaus auch Eigenschaften haben, die wir nicht wahrnehmen können (schau Dir eine Blüte mit UV-Flecken an, vor der UV-Photographie wusste niemand, dass es so etwas gibt, Bienen sehen die problemlos).

Wäre die "Ding-an-sich"- Artigkeit eine solche Eigenschaft, verlöre sie ihren ontologischen Status.

Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Selbstverständlich ist 'ontologischer Status' ein Konstrukt, das einem Ding nicht an sich zukommt.

Ein interessanter Satz, mglw. selbstwidersprüchlich? Kommen andere Eigenschaften "einem Ding an sich zu"?

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Darwin Upheaval
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Beitrag(#140230) Verfasst am: 20.06.2004, 14:18    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Step,

step hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm in Anlehnung an M/B hat folgendes geschrieben:
Merkmale sind Eigenschaften von Dingen (Dinge = Entitäten, materielle Ganzheiten). Die Welt besteht IMAO nur aus Dingen, so daß Eigenschaften als solche nicht real sein, sondern nur begrifflich von Dingen abstrahiert werden können. ... Eigenschaften haben mit anderen Worten keinen ontologischen Status - ganz im Gegensatz zu Dingen!

Tut mir leid - aber ich halte das tatsächlich ebenfalls für philosophisches Wortgeklingel. Wir bezeichnen etwas meist als Ding, weil es scheinbar bestimmte Eigenschaften hat, die uns seine Abgrenzung ermöglichen - bei Dir ist das z.B. in "materielle Ganzheit" verborgen. Über Eigenschaften zu reden, die dieses Etwas über seine wahrnehmbaren Eigenschaften hinaus hat (also etwa einen "ontologischen Status"), ist mE abergläubisch.


Nun, das ist - wie Thomas bereits angedeutet hat - der typische Irrglaube der Empiristen. Ihr Programm hat derlei fatale Konsequenzen für die Wissenschaft, daß die Nachfolgegenerationen des "Wiener Kreises" das Programm des logischen Positivismus mehr und mehr aufgelöst haben. Laß mich mit ein paar Zitaten antworten:


Zitat:
(...) schon das Hinzudenken des Weichkörpers zum gefundenen Steinkern (etwa einer Muschel oder eines Ammoniten) ist durchaus nicht frei von 'gewagten' Zutaten (...) wer nicht bestimmte Postulate gelten läßt (die nicht aus der Beobachtung stammen); wer sich nicht bei ähnlichen Gelegenheiten sagt: ich muß mir dies und jenes hinzudenken, sonst reimt sich das nicht mit allem, was ich von dem oder jenem weiß; für den ist die Annahme, daß in diesem gewundenen Stein einst ein Tier von bestimmtem Typus, von bestimmter Klasse oder Ordnung gelebt hat, immerhin eine gewagte.

Tschulok, S. (1922): Deszendenzlehre. Gustav-Fischer, Jena.


Zitat:
About thirty years ago there was much talk that geologists ought only to observe and not to theorize; and I well remember someone saying that at this rate a man might as well go into a gravel pit and count the pebbles and describe their colours. How odd it is that anyone should not see that all observations must be for or against some view if it is to be of any service.

Darwin zu Fawcett, 1861. In: Hull, D.L. (1973): Darwin and his Critics. Harvard University Press, Cambridge MA, 9.


Zitat:
Newtons in axiomatischer Form eingeführte neue Mechanik ist zweifellos das erste Paradebeispiel einer hypothetisch-deduktiv aufgebauten Theorie, die an ganz zentraler Stelle Nichtobservablen wie etwa die Kraftfunktion verwendet. Er war sogar bereit, grundsätzlich unbeobachtbare Objekte wie etwa den absoluten Raum als respektable physikalische Entitäten anzuerkennen, da es empirische Effekte gibt, zu deren Erklärung man dieses theoretische Element braucht (...) Wenn man einen Grund für den überwältigenden Erfolg der modernen Naturwissenschaft angeben soll, so ist es vermutlich die wachsende Abstraktion von der grobsinnigen Erfahrung bei der Wahl der Bausteine der Theorien.

Kanitscheider, B. (1981): Historische Aspekte der Wissensgewinnung. In: Kanitscheider, B.: Wissenschaftstheorie der Naturwissenschaft. Walter de Gruyter, Berlin, 31-52 (41).


Zitat:
Der positivistische [empiristische] Radikalismus vernichtet mit der Metaphysik auch die Naturwissenschaft: Auch die Naturgesetze sind auf elementare Erfahrungssätze logisch nicht zurückführbar. Wendet man das Wittgensteinsche Sinnkriterium konsequent an, so sind auch die Naturgesetze, die aufzusuchen 'höchste Aufgabe des Physikers ist' (...) sinnlos, d.h. keine echten (legitimen) Sätze (...)

Popper, K.R. (1984): Logik der Forschung. Mohr, Tübigen, 11.

Grüße

Martin
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step
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Beitrag(#140244) Verfasst am: 20.06.2004, 15:23    Titel: Antworten mit Zitat

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Nun, das ist - wie Thomas bereits angedeutet hat - der typische Irrglaube der Empiristen.

Also nochmal: Mir geht es diesmal NICHT um die Rolle nichtwahrgenommener Eigenschaften, sondern um Deine Behauptung:
Martin Neukamm in Anlehnung an M/B hat folgendes geschrieben:
Merkmale sind Eigenschaften von Dingen (Dinge = Entitäten, materielle Ganzheiten). Die Welt besteht IMAO nur aus Dingen, so daß Eigenschaften als solche nicht real sein, sondern nur begrifflich von Dingen abstrahiert werden können. ... Eigenschaften haben mit anderen Worten keinen ontologischen Status - ganz im Gegensatz zu Dingen!

Vielleicht war es tatsächlich mißverständlich, daß ich "wahrnembare Eigenschaften" geschrieben habe, also lasse ich das einfach weg:
step hat folgendes geschrieben:
Tut mir leid - aber ich halte das tatsächlich ebenfalls für philosophisches Wortgeklingel. Wir bezeichnen etwas meist als Ding, weil es scheinbar bestimmte Eigenschaften hat, die uns seine Abgrenzung ermöglichen - bei Dir ist das z.B. in "materielle Ganzheit" verborgen. Über Eigenschaften zu reden, die dieses Etwas über seine Eigenschaften hinaus hat (also etwa einen "ontologischen Status"), ist mE abergläubisch.

Es geht mir also darum, daß man nicht in einem Atemzug Dinge von Eigenschaften trennen und "Ding" durch eine Eigenschaft (materielle Ganzheit) definieren darf. In der Biologie richtet das vielleicht keinen großen Schaden an, da die Eigenschaften, die makroskopische Dinge zu etwas machen, das uns "dinghaft" erscheint", dort wohl stets gegeben sind. Aber in der Physik ist das keineswegs mehr der Fall (z.B. Felder). Es stört mich deshalb nicht, wenn wir in der Alltagssprache und den makroskopischen oder "emergenten" Wissenschaften von Dingen und ihren Eigenschaften sprechen, da dies eben praktisch ist. Ich fühle mich aber genötigt zu protestieren, wenn daraus eine ontologische Behauptung gebastelt wird.

Auch der hypothetische Realismus setzt genaugenommen nicht voraus, daß es - unabhängig von Eigenschaften - Dinge "an sich" gebe.

Kanitscheider hat folgendes geschrieben:
(...) Wenn man einen Grund für den überwältigenden Erfolg der modernen Naturwissenschaft angeben soll, so ist es vermutlich die wachsende Abstraktion von der grobsinnigen Erfahrung bei der Wahl der Bausteine der Theorien.

Das kann man so sehen, wenn man das hypothetisch-deduktive Element in den Vordergrund stellt - also wie komme ich kreativ zu neuen Theorien. Wenn man eher daran interessiert ist, warum sich die Naturwissenschaft methodisch durchgesetzt hat, so würde ich in den Vordergrund stellen, daß sie auf voraussagefähige und falsifizierbare Simulation abzielt.

Popper hat folgendes geschrieben:
... Wendet man das Wittgensteinsche Sinnkriterium konsequent an, so sind auch die Naturgesetze, die aufzusuchen 'höchste Aufgabe des Physikers ist' (...) sinnlos, d.h. keine echten (legitimen) Sätze (...)

Genau so ist es. Naturgesetze sind nur Regeln, von denen wir wissen, daß sie sich zu hinreichend guten Voraussagen eignen, mehr nicht. Wer echte Wahrheiten oder gar Sinn will, muß zu spinnen anfangen.

gruß/step
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El Schwalmo
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Beitrag(#140407) Verfasst am: 20.06.2004, 23:06    Titel: Antworten mit Zitat

Hi step,

step hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Wenn ich Mahner/Bunge richtig verstanden habe, besteht nach denen die gesamte Welt aus zwei sich gegenseitig ausschließenden Mengen: Dingen und Konstrukten. Dinge 'sind', Konstrukte machen wir. Wenn es keine Menschen bzw. denkende Systeme mehr gäbe, gäbe es nur noch Dinge. Das ist in etwa die Ontologie, welche diese Forscher vertreten. In deren Ontologie kommen nur 'natürliche Dinge' vor, keine Geister, Götter oder sonstwas.

Diese Metaphysik habe ich ja in diesem Fall gar nicht kritisiert (was nicht heißt daß ich sie für erkenntnistheoretisch nützlich halte). Meine Kritik bezog sich auf die mE unzulässig kategorische Unterscheidung zwischen sog. Eigenschaften und sog. Dingen. Es ist nicht möglich, Dinge anders als über ihre Eigenschaften zu definieren, wahrzunhmen usw., und dies geschieht oft keineswegs über bewußte Abstraktion.


das ist wieder ein anderer Thread. Mahner/Bunge haben ihre Definition im Gegensatz zur platonischen Auffassung formuliert. Es gibt eben keine 'Rotheit', sondern nur Dinge, die 'rot' sind.

step hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Über Eigenschaften zu reden, die dieses Etwas über seine wahrnehmbaren Eigenschaften hinaus hat (also etwa einen "ontologischen Status"), ist mE abergläubisch.
Dinge können durchaus auch Eigenschaften haben, die wir nicht wahrnehmen können (schau Dir eine Blüte mit UV-Flecken an, vor der UV-Photographie wusste niemand, dass es so etwas gibt, Bienen sehen die problemlos).

Wäre die "Ding-an-sich"- Artigkeit eine solche Eigenschaft, verlöre sie ihren ontologischen Status.


Warum? Ein Ding 'ist' einfach, unabhängig davon, ob wir es erkennen (oder möchtest Du Berkeley durch die Hintertür schmuggeln?). Ich werde den Verdacht nicht los, dass Du irgendwie 'dicht machst', sobald Begriffe wie 'ontologisch', 'metaphysisch' etc. auftauchen.

step hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Selbstverständlich ist 'ontologischer Status' ein Konstrukt, das einem Ding nicht an sich zukommt.

Ein interessanter Satz, mglw. selbstwidersprüchlich? Kommen andere Eigenschaften "einem Ding an sich zu"?


Ich verstehe Dein Problem nicht. Ein 'ontologischer Status' ist dasselbe, wie wenn ich zu einem Viech, das da herumsteht 'cheval' sage. Macht das wirklich einen Unterschied, ob ich 'horse', 'Pferd' oder 'equus' dazu sage? Ich _bezeichne_ mit einem Konstrukt ein Ding.

Grüßle

Thomas
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step
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Beitrag(#140491) Verfasst am: 21.06.2004, 11:23    Titel: Antworten mit Zitat

Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Meine Kritik bezog sich auf die mE unzulässig kategorische Unterscheidung zwischen sog. Eigenschaften und sog. Dingen. Es ist nicht möglich, Dinge anders als über ihre Eigenschaften zu definieren, wahrzunhmen usw., und dies geschieht oft keineswegs über bewußte Abstraktion.

das ist wieder ein anderer Thread.

Nö. Ich bin immer noch bei Martins Behauptung.

Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Mahner/Bunge haben ihre Definition im Gegensatz zur platonischen Auffassung formuliert. Es gibt eben keine 'Rotheit', sondern nur Dinge, die 'rot' sind.

In der Ablehnung der platonischen Auffassung sind wir uns einig. Genausowenig wie "Eigenschaften an sich, über die Dinge hinaus" gibt es aber auch keine "Dinge an sich, über ihre Eigenschaften hinaus", auch wenn das in der Biologie eine praktische Annahme sein mag. Das merkst Du, wenn Du versuchst, "Ding" zu definieren, ohne Eigenschaften wie z.B. "Masse", "materiell", "abgegrenzt" o.ä. hinzuzuziehen.

Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Selbstverständlich ist 'ontologischer Status' ein Konstrukt, das einem Ding nicht an sich zukommt.
Ein interessanter Satz, mglw. selbstwidersprüchlich? Kommen andere Eigenschaften "einem Ding an sich zu"?
Ich verstehe Dein Problem nicht. Ein 'ontologischer Status' ist dasselbe, wie wenn ich zu einem Viech, das da herumsteht 'cheval' sage. Macht das wirklich einen Unterschied, ob ich 'horse', 'Pferd' oder 'equus' dazu sage? Ich _bezeichne_ mit einem Konstrukt ein Ding.

Ich verstehe den Zusammenhang nicht. Es ging doch um die Frage, ob es Sinn macht, Dingen neben ihren Eigenschaften (bekannten und unbekannten) noch einen ontologischen Status einzuräumen, ein "an-sich", das nicht durch Eigenschaften definiert ist. Meine Antwort ist nein, denn mE erscheinen uns manche Erscheinungen dinghafter als andere einzig aufgrund gewisser physikalischer Eigenschaften (Masse, Lokalität, Stabilität usw.).

gruß/step
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Darwin Upheaval
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Beitrag(#140496) Verfasst am: 21.06.2004, 11:39    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Step,

[...]

Step hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Mahner/Bunge haben ihre Definition im Gegensatz zur platonischen Auffassung formuliert. Es gibt eben keine 'Rotheit', sondern nur Dinge, die 'rot' sind.

In der Ablehnung der platonischen Auffassung sind wir uns einig. Genausowenig wie "Eigenschaften an sich, über die Dinge hinaus" gibt es aber auch keine "Dinge an sich, über ihre Eigenschaften hinaus", auch wenn das in der Biologie eine praktische Annahme sein mag. Das merkst Du, wenn Du versuchst, "Ding" zu definieren, ohne Eigenschaften wie z.B. "Masse", "materiell", "abgegrenzt" o.ä. hinzuzuziehen.


Was bitte sind "Dinge an sich, über ihre Eigenschaften hinaus"? Wer hat wann wo behauptet, daß es so etwas gäbe? Kann es sein, daß Du unter "Ontologie" etwas anderes verstehst, als Thomas und ich?


Step hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Selbstverständlich ist 'ontologischer Status' ein Konstrukt, das einem Ding nicht an sich zukommt.
Ein interessanter Satz, mglw. selbstwidersprüchlich? Kommen andere Eigenschaften "einem Ding an sich zu"?
Ich verstehe Dein Problem nicht. Ein 'ontologischer Status' ist dasselbe, wie wenn ich zu einem Viech, das da herumsteht 'cheval' sage. Macht das wirklich einen Unterschied, ob ich 'horse', 'Pferd' oder 'equus' dazu sage? Ich _bezeichne_ mit einem Konstrukt ein Ding.

Ich verstehe den Zusammenhang nicht. Es ging doch um die Frage, ob es Sinn macht, Dingen neben ihren Eigenschaften (bekannten und unbekannten) noch einen ontologischen Status einzuräumen, ein "an-sich", das nicht durch Eigenschaften definiert ist.


Wir reden aneinander vorbei. Wenn festgestellt wird, daß Dinge einen ontologischer Status haben, bedeutet das doch nur, daß sie real sind, daß die Welt aus Dingen besteht und aus nichts anderem. Du hast als Person einen ontologischen Status, weil Du ein materielles System bist. Deine Eigenschaft, Nahrung zu verdauen oder über ein Bewußtsein zu verfügen, hat dahingegen keinen ontologischen Status. Es gibt eben keinen "Nahrungsverdauung" oder ein "Bewußsein", das als reale, greifbare Entität, die mit Dir in Wechselwirkung träte. Verdauen und sich selbst bewußt werden kann immer nur ein Step Smilie


Step hat folgendes geschrieben:
Meine Antwort ist nein, denn mE erscheinen uns manche Erscheinungen dinghafter als andere einzig aufgrund gewisser physikalischer Eigenschaften (Masse, Lokalität, Stabilität usw.).


Sorry, ich weiß nicht, was Du damit sagen willst. Dinge sind einfach materielle Ganzheiten, Punkt. Ob es sich dabei um quantenmechanische Objekte, Fußbälle, elektromagnetische Felder, oder was auch immer handelt, spielt doch keine Rolle.

Grüße

Martin
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Lamarck
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Beitrag(#140500) Verfasst am: 21.06.2004, 12:08    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Martin,

ich habe im Augenblick nicht so viel Zeit, deshalb ganz schnell ein kurzer Einwurf:

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Sorry, ich weiß nicht, was Du damit sagen willst. Dinge sind einfach materielle Ganzheiten, Punkt. Ob es sich dabei um quantenmechanische Objekte, Fußbälle, elektromagnetische Felder, oder was auch immer handelt, spielt doch keine Rolle.


Elektromagnetische Felder sind doch auch Eigenschaften von z. B. ferromagnetischen Stoffen.


Cheers,

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El Schwalmo
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Beitrag(#140533) Verfasst am: 21.06.2004, 14:00    Titel: Antworten mit Zitat

Hi step,

[ ... ]

step hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Mahner/Bunge haben ihre Definition im Gegensatz zur platonischen Auffassung formuliert. Es gibt eben keine 'Rotheit', sondern nur Dinge, die 'rot' sind.

In der Ablehnung der platonischen Auffassung sind wir uns einig. Genausowenig wie "Eigenschaften an sich, über die Dinge hinaus" gibt es aber auch keine "Dinge an sich, über ihre Eigenschaften hinaus",


mhmmmm, ich gehe davon aus, dass es Dinge 'gibt', die Eigenschaften 'haben', die wir (teilweise) feststellen können. Das 'Ding an sich' ist für mich synonym mit 'Ding'.

step hat folgendes geschrieben:
auch wenn das in der Biologie eine praktische Annahme sein mag.


Keine Ahnung, wo man so etwas in der Biologie 'hat'. Es sei denn als Reifikation. Das sind dann aber Konzepte, keine Dinge. 'Stoffwechsel' zum Beispiel.

step hat folgendes geschrieben:
Das merkst Du, wenn Du versuchst, "Ding" zu definieren, ohne Eigenschaften wie z.B. "Masse", "materiell", "abgegrenzt" o.ä. Hinzuzuziehen.


Genau. Das sind dann Konstrukte, die ja per definitionem immateriell sind.

step hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Selbstverständlich ist 'ontologischer Status' ein Konstrukt, das einem Ding nicht an sich zukommt.

Ein interessanter Satz, mglw. selbstwidersprüchlich? Kommen andere Eigenschaften "einem Ding an sich zu"?

Ich verstehe Dein Problem nicht. Ein 'ontologischer Status' ist dasselbe, wie wenn ich zu einem Viech, das da herumsteht 'cheval' sage. Macht das wirklich einen Unterschied, ob ich 'horse', 'Pferd' oder 'equus' dazu sage? Ich _bezeichne_ mit einem Konstrukt ein Ding.

Ich verstehe den Zusammenhang nicht. Es ging doch um die Frage, ob es Sinn macht, Dingen neben ihren Eigenschaften (bekannten und unbekannten) noch einen ontologischen Status einzuräumen, ein "an-sich", das nicht durch Eigenschaften definiert ist.


Ups, vermutlich haben wir aneinander vorbei geredet. Wie gesagt, ein Ding 'existiert einfach so'. Wie es 'an sich' ist, wissen wir nicht. Wir nehmen es nur über die Eigenschaften wahr, die wir rezipieren können. Ob das eine strukturell isomorphe Abbildung oder ein 'passendes' Konzept ist, weiß vermutlich niemand. Es ist noch schlimmer: wir wissen eigentlich nicht mal so recht, welche 'Dinge' es überhaupt 'gibt', weil wir nur aus Messungen Weltbilder basteln.

step hat folgendes geschrieben:
Meine Antwort ist nein, denn mE erscheinen uns manche Erscheinungen dinghafter als andere einzig aufgrund gewisser physikalischer Eigenschaften (Masse, Lokalität, Stabilität usw.).


Das ist doch die eigentlich spannende ontologische Frage: was 'ist' es eigentlich, dessen physikalische Eigenschaften wir messen? Die Antwort der Ontologie, die ich vertrete, habe ich Dir geschildert.

Grüßle

Thomas
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Beitrag(#140557) Verfasst am: 21.06.2004, 14:32    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Lamarck,

Lamarck hat folgendes geschrieben:
ich habe im Augenblick nicht so viel Zeit, deshalb ganz schnell ein kurzer Einwurf:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Sorry, ich weiß nicht, was Du damit sagen willst. Dinge sind einfach materielle Ganzheiten, Punkt. Ob es sich dabei um quantenmechanische Objekte, Fußbälle, elektromagnetische Felder, oder was auch immer handelt, spielt doch keine Rolle.


Elektromagnetische Felder sind doch auch Eigenschaften von z. B. ferromagnetischen Stoffen.


Wie gesagt, nach meiner Ontologie ist diese Aussage nicht ganz "astrein". Das elektromagnetische Feld ist (nach gleichgerichteter Orientierung des Gesamtspins der Atome) Bestandteil ferromagnetischer Stoffe, nicht aber deren Eigenschaft. Die (essentielle) Eigenschaft ferromagnetischer Stoffe wäre die Fähigkeit, permanente elektromagnetische Felder zu erzeugen (oder der Besitz eines solchen Feldes). Eigenschaften sind demnach reine Abstraktionen der Wirklichkeit. Wenn es kein abstrahierendes Subjekt mehr gibt, gibt es auch keine Eigenschaften (als Abstrakta) mehr, wohl aber Dinge, wie ferromagnetische Stoffe und ihre Felder...

Grüße

Martin
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Lamarck
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Beitrag(#140594) Verfasst am: 21.06.2004, 16:40    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Martin,

dann unterscheidest Du Dich also hier von den Positionen von Mahner/Bunge?

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
ich habe im Augenblick nicht so viel Zeit, deshalb ganz schnell ein kurzer Einwurf:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Sorry, ich weiß nicht, was Du damit sagen willst. Dinge sind einfach materielle Ganzheiten, Punkt. Ob es sich dabei um quantenmechanische Objekte, Fußbälle, elektromagnetische Felder, oder was auch immer handelt, spielt doch keine Rolle.

Elektromagnetische Felder sind doch auch Eigenschaften von z. B. ferromagnetischen Stoffen.

Wie gesagt, nach meiner Ontologie ist diese Aussage nicht ganz "astrein". Das elektromagnetische Feld ist (nach gleichgerichteter Orientierung des Gesamtspins der Atome) Bestandteil ferromagnetischer Stoffe, nicht aber deren Eigenschaft. Die (essentielle) Eigenschaft ferromagnetischer Stoffe wäre die Fähigkeit, permanente elektromagnetische Felder zu erzeugen (oder der Besitz eines solchen Feldes). Eigenschaften sind demnach reine Abstraktionen der Wirklichkeit. Wenn es kein abstrahierendes Subjekt mehr gibt, gibt es auch keine Eigenschaften (als Abstrakta) mehr, wohl aber Dinge, wie ferromagnetische Stoffe und ihre Felder...


Ich weiß jetzt nicht recht, was Du unter ein "permanentes elektromagnetisches Feld" verstehst. Ist das Magnetfeld der Erde "permanent"? Oder das eines Permanent-Magneten? Wie steht es dann mit Massen und Wellen (z. B. "Farbe Rot")?

Die Aussage 'Eigenschaften als Abstraktionen ' gefällt mir natürlich. Sehr glücklich Aber warum soll dies bei Dingen denn anders sein? Was ein Ding ist, wird doch gleichermaßen z. B. von Dir bestimmt. Auf linguistischer Ebene betrachtet, sind Dinge so gleichermaßen Konstrukte (Subjekt, Prädikat, Objekt): Du denkst nicht mit der Welt, sondern über die Welt.


Cheers,

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