Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen |
Autor |
Nachricht |
Effô Tisetti Königsblau bis in den Tod
Anmeldungsdatum: 18.09.2003 Beiträge: 9920
Wohnort: 75
|
(#1476953) Verfasst am: 27.05.2010, 09:34 Titel: |
|
|
step hat folgendes geschrieben: | (...) zweitens könnte man so gegen sämtliche Gebote und die gesamte Theologie argumentieren, denn welche Verse des AT oder NT wurden denn wirklich vom "Religionsstifter" geschrieben oder autorisiert? Da bleibt nicht viel. |
Richtig. Außerdem gibt es Konfessionen, wo die (vermeintlichen) "Stifter" herzlich wenig Bedeutung haben. So hat die RKK die christlichen Offenbarungsschriften selbst nach Gutdünken und v.a. politischer Interessenslage kanonisiert und die Autoren der ausgewählten Schriften kurzerhand für vom Heilgeist inspiriert erklärt. Die Jesu-Leben-Forschung hat in den Kirchen keine Bedeutung und v.a. keine Konsequenzen. Und: Neben der Offenbarung ist das Lehramt der Kirche die zweite wesentliche Autorität, ohne die man (zumindest lt. Katechismus) nicht selig werden könne.
_________________ "Die einfache Formel: Jesus ist stärker! hilft Menschen, sich aus der Fixierung völlig irrationaler Wertesysteme zu lösen."
|
|
Nach oben |
|
 |
Zumsel registrierter User
Anmeldungsdatum: 08.03.2005 Beiträge: 4667
|
(#1476979) Verfasst am: 27.05.2010, 10:20 Titel: |
|
|
Der Vorteil einer tradierten Ethik besteht darin, dass gewissermaßen die Erfahrungen vieler Generationen gebündelt werden. Dass gewisse Dinge schlecht sind, wird einem Gemeinwesen eben häufig bloß durch entsprechende Erlebnisse gewahr. Damit nun nicht jede Generation von neuem mit dem kopf vor die Wand läuft, ist es klug, diese Weisheiten weiterzugeben und an die unangenehmen Folgen bestimmter Verhaltenweisen zu erinnern. Vielleicht ist das auch der historische Kern des Himmel- und Höllemythos. Man erinnerte zunächst nur an die unheilvollen Konsequenzen dieser und jener Lebensweise und die positiven Konsequenzen einer anderen Lebensweise...
Übrigens wird das in gewissem Maße auch heute noch so betrieben. Beispiel: Dass Krieg und Rassismus scheiße sind, haben die Deutschen so richtig erst nach dem zweiten Weltkrieg begriffen. Und in der Folge wurden Floskeln wie "Dunkelstes Kapitel der Geschichte" "Singularität des Holocaustes" usw. als quasireligiöse Gebote im Bewusstsein der Deutschen verankert, inkl. pathetischer Gratisbekenntnisse für Frieden, Demokratie etc. nebst leerer Phrasen a la: "Wie verneigen uns in Demut vor den Opfern" oder "Wir tragen keine Schuld aber Verantwortung" u.dgl.m. Nicht dass die nüchterne Betrachtung der Geschichte und der wissenschaftlichen Fakten nicht ausreichen würde, Totalitarismus, Rassismus, Militarismus usw. als Irrweg zu erkennen; aber die Dämonisierung durch Geschichtsgurus a la Guido Knopp ist für die Masse möglicherweise der leichtere und erfolgsversprechendere Weg.
|
|
Nach oben |
|
 |
L.E.N. im falschen Film
Anmeldungsdatum: 25.05.2004 Beiträge: 27745
Wohnort: Hamburg
|
(#1476989) Verfasst am: 27.05.2010, 10:38 Titel: |
|
|
Zumsel hat folgendes geschrieben: | Der Vorteil einer tradierten Ethik besteht darin, dass gewissermaßen die Erfahrungen vieler Generationen gebündelt werden. Dass gewisse Dinge schlecht sind, wird einem Gemeinwesen eben häufig bloß durch entsprechende Erlebnisse gewahr. Damit nun nicht jede Generation von neuem mit dem kopf vor die Wand läuft, ist es klug, diese Weisheiten weiterzugeben und an die unangenehmen Folgen bestimmter Verhaltenweisen zu erinnern. Vielleicht ist das auch der historische Kern des Himmel- und Höllemythos. Man erinnerte zunächst nur an die unheilvollen Konsequenzen dieser und jener Lebensweise und die positiven Konsequenzen einer anderen Lebensweise...
Übrigens wird das in gewissem Maße auch heute noch so betrieben. Beispiel: Dass Krieg und Rassismus scheiße sind, haben die Deutschen so richtig erst nach dem zweiten Weltkrieg begriffen. Und in der Folge wurden Floskeln wie "Dunkelstes Kapitel der Geschichte" "Singularität des Holocaustes" usw. als quasireligiöse Gebote im Bewusstsein der Deutschen verankert, inkl. pathetischer Gratisbekenntnisse für Frieden, Demokratie etc. nebst leerer Phrasen a la: "Wie verneigen uns in Demut vor den Opfern" oder "Wir tragen keine Schuld aber Verantwortung" u.dgl.m. Nicht dass die nüchterne Betrachtung der Geschichte und der wissenschaftlichen Fakten nicht ausreichen würde, Totalitarismus, Rassismus, Militarismus usw. als Irrweg zu erkennen; aber die Dämonisierung durch Geschichtsgurus a la Guido Knopp ist für die Masse möglicherweise der leichtere und erfolgsversprechendere Weg. |
mit dem gefetteten hast du alles nötige gesagt. und ich halte die von dir zitierten floskeln auch nicht für leere phrasen, sondern auch langfristig für durchaus relevant.
den vermeintlich leichten weg der "dämonisierung" für die massen zu gehen halte ich sogar für falsch. du kannst in schulklassen feststellen, dass einerseits rassismus und (neo)nazitum verbal bekämpft werden und gleichzeitig mitschüler aufgrund von äußerlichkeiten oder herkunft gemobbt werden. es muss an der sache argumentiert werden. ethik muss gelebt werden. experimente wie "Die Welle" finde ich daher viel sinnvoller als "dunkelstes kapitel der geschichte".
_________________ Ich will Gott lästern dürfen! Weg mit §166 StGB!
|
|
Nach oben |
|
 |
Mo. over and out
Anmeldungsdatum: 30.11.2007 Beiträge: 12690
|
(#1476997) Verfasst am: 27.05.2010, 11:08 Titel: |
|
|
L.E.N. hat folgendes geschrieben: | experimente wie "Die Welle" finde ich daher viel sinnvoller als "dunkelstes kapitel der geschichte". |
Oder auch Blue Eyed
|
|
Nach oben |
|
 |
Zumsel registrierter User
Anmeldungsdatum: 08.03.2005 Beiträge: 4667
|
(#1476999) Verfasst am: 27.05.2010, 11:15 Titel: |
|
|
Ich werfe mal Nietzsche in die Diskussion, der das "Gewissen" als Resultat einer Art kulturellen Evolution interpretierte.
Zitat: | Sein Gewissen? . . . Es lässt sich voraus erraten, dass der Begriff »Gewissen«, dem wir hier in seiner höchsten, fast befremdlichen Ausgestaltung begegnen, bereits eine lange Geschichte und Form-Verwandlung hinter sich hat. [...] - »Wie macht man dem Menschen-Tiere ein Gedächtnis? Wie prägt man diesem teils stumpfen, teils faseligen Augenblicks-Verstande, dieser leibhaften Vergesslichkeit Etwas so ein; dass es gegenwärtig bleibt?« . . . Dies uralte Problem ist, wie man denken kann, nicht gerade mit zarten Antworten und Mitteln gelöst worden; vielleicht ist sogar nichts furchtbarer und unheimlicher an der ganzen Vorgeschichte des Menschen, als seine Mnemotechnik. »Man brennt Etwas ein, damit es im Gedächtnis bleibt: nur was nicht aufhört weh zu tun, bleibt im Gedächtnis« das ist ein Hauptsatz aus der allerältesten (leider auch allerlängsten) Psychologie auf Erden[...]
Es ging niemals ohne Blut, Martern, Opfer ab, wenn der Mensch es nötig hielt, sich ein Gedächtnis zu machen;[...]die Härte der Strafgesetze gibt in Sonderheit einen Maßstab dafür ab, wie viel Mühe sie hatte, gegen die Vergesslichkeit zum Sieg zu kommen und ein paar primitive Erfordernisse des sozialen Zusammenlebens diesen Augenblicks-Sklaven des Affekts und der Begierde gegenwärtig zu erhalten.[...]
Diese Deutschen haben sich mit furchtbaren Mitteln ein Gedächtnis gemacht, um über ihre pöbelhaften Grund-Instinkte und deren brutale Plumpheit Herr zu werden: man denke an die alten deutschen Strafen, zum Beispiel an das Steinigen (- schon die Sage lässt den Mühlstein auf das Haupt des Schuldigen fallen), das Rädern (die eigenste Erfindung und Spezialität des deutschen Genius im Reich der Strafe!), das Werfen mit dem Pfahle, das Zerreißen oder Zertretenlassen durch Pferde (das »Vierteilen«), das Sieden des Verbrechers in Öl oder Wein (noch im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert), das beliebte Schinden (»Riemenschneiden«), das Herausschneiden des Fleisches aus der Brust; auch wohl dass man den Übeltäter mit Honig bestrich und bei brennender Sonne den Fliegen überließ. Mit Hülfe solcher Bilder und Vorgänge behält man endlich fünf, sechs »ich will nicht« im Gedächtnisse, in Bezug auf welche man sein Versprechen gegeben hat, um unter den Vorteilen der Sozietät zu leben, und wirklich! mit Hilfe dieser Art von Gedächtnis kam man endlich »zur Vernunft«! - Ah, die Vernunft, der Ernst, die Herrschaft über die Affekte, diese ganze düstere Sache, welche Nachdenken heißt, alle diese Vorrechte und Prunkstücke des Menschen: wie teuer haben sie sich bezahlt gemacht! wie viel Blut und Grausen ist auf dem Grunde aller »guten Dinge«! |
Zur Genealogoie der Moral
|
|
Nach oben |
|
 |
L.E.N. im falschen Film
Anmeldungsdatum: 25.05.2004 Beiträge: 27745
Wohnort: Hamburg
|
(#1477004) Verfasst am: 27.05.2010, 11:37 Titel: |
|
|
Mo. hat folgendes geschrieben: | L.E.N. hat folgendes geschrieben: | experimente wie "Die Welle" finde ich daher viel sinnvoller als "dunkelstes kapitel der geschichte". |
Oder auch Blue Eyed |
genau.
_________________ Ich will Gott lästern dürfen! Weg mit §166 StGB!
|
|
Nach oben |
|
 |
Rohrspatz grobsinnig und feinschlächtig
Anmeldungsdatum: 25.12.2007 Beiträge: 3877
Wohnort: NRW
|
(#1477010) Verfasst am: 27.05.2010, 11:53 Titel: |
|
|
VanHanegem hat folgendes geschrieben: | Eleonor hat folgendes geschrieben: | Den Religionen "entnommen" sind diese Grudprinzipien sicher nicht. Dass Religionen nicht nur schlechtes übernommen haben, habe ich bereits eingeräumt. |
Stand der Diskussion ist, daß Du als mögliche grundlegende Axiome für einen moralischen Diskurs bisher nur die dem Buddhismus entnommene Leidensminimierung und den christlichen Gleichheitsgedanken angeboten hast. |
Der Punkt ist, dass ich sie dort nicht entnommen habe. Natürlich bin auch ich Produkt meines Zeitgeistes, dieser aber wird in erster Linie von einer (weitgehend) aufgeklärten Gesellschaft geprägt, die eben durch andere Weise als Buddhismus und Christentum auf diese Werte kommen musste, denn wenn du die Enwticklung historisch betrachtest, hat der Gleichheitsgedanke die meiste Zeit des Christentums wenig mit der gelebten Realität zu tun gehabt und der Buddhismus hat hierzulande zu wenig Einfluss.
Also selbst, wenn ich Teil einer christlich geprägten Kultur bin, habe ich nichts der Religion "entnommen".
Auch Moralphilosophen sind teilweise aus nichtreligiösen Überzeugungen auf solche Prinzipien gekommen. Dass viele Gedanken schon früher einmal (womöglich sogar von Religionsgründern) gedacht wurden ist ein Fakt, es ist aber noch lange kein Beweis für Ideenklau.
Danke für die Kenntnisnahme.
Zitat: |
1. Interessen sind nicht gleich, man denke nur an die Geschlechter.
2. so ziemlich die erste Erfahrung die ein Mensch macht ist die, daß man es nicht jedem recht machen kann. Aus Gleichheit der Interessen reflexartig Gleichheit des Rechtes auf deren Befriedigung zu fordern erscheint demgegenüber wie das Produkt einer religiösen Traumwelt. |
Mit "alle Menschen sind gleich" ist ja auch nicht gemeint, dass wir keine Individuen sind. Es ist Gleichwertigkeit gemeint.
Zitat: |
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Ethische Axiome sind verhandelbar. Dogmen nicht. |
Wenn man Axiome verhandeln will dann braucht man keine. Axiome machen nur Sinn als Arbeitshypothesen die der Verhandelbarkeit für die Projektdauer entzogen sind. Aber auch auch die Lebensdauer religiöser Dogmen ist begrenzt. |
Natürlich kann man verhandelbare Axiome gebrauchen. Z.B. gerade jetzt könnte man sich fragen, welches Ziel man für langfristige Planung bevorzugen möchte: Wohlstand unserer Kinder oder Umweltschutz. Je nachdem kann das Axiom anders ausfallen.
Wenn du meinst, das innerhalb der Bemühungen, ein Ziel zu erreichen, an dem Ziel festgehalten wird (ach?), dann wundert mich das hingegen nicht. Aber dann kommt die Gegenfrage: Wann ist denn ein religiöses "Projekt" abgeschlossen und wer bestimmt das?
Dass Dogmen faktisch nicht unendlich leben ist übrigens etwas anderes als der Anspruch, den ein Dogma vermeindlich hat.
Du wechselst andauernd die Ebene zwischen sein und sollen. Ein Dogma soll "unsterblich" sein. Es ist es aber natürlich nicht. (Ein Kapitän soll das letzte Wort haben, es gibt aber dennoch Meuterei)
Da frag ich mich, ob du die Ebenen tatsächlich ver-wechselst oder mich rein rhetorisch in die Pfanne hauen willst.
Zitat: |
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Unglücklicherweise sind heilige Schriften jedoch nicht dazu gedacht, sich mitzuwandeln, weswegen religiöse Werte auch zunehmend unsinnig werden. |
Du behauptest zu wissen was Schreiber und Urheber religiöser Lehren (eine Vielzahl verschiedener Menschen) "gedacht" haben. Sorry, aber dieses Argument ist irrelevant. Es geht um die Frage ob die religiöse Lehren nach heutiger Papierlage Sinn machen. |
Hmm... das ist aber auch schwer darauf zu kommen, was die Religionsstifter sich gedacht haben. "Machs nicht mit deines Nächsten Weib, sonst kommst du in die Hölle"... Stimmt, das klingt so, als könnte das durchaus auch Auslegungssache sein....
Wenn man Handlungsratschläge geben will, schreibt man ein einfaches Buch. Wenn man Handlungsvorschriften geben will, schreibt man eine heilige Schrift. Dat is ja grad der Vorteil von heiligen Schriften!
Zitat: |
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Wir merken zunehmend, dass diese willkürlichen Regeln uns wenig bis nichts bringen.
Und nun kommt das Erstaunliche: Moralphilosophen aus verschiedensten Epochen, also die, die versucht haben, Ethik zu begründen, die haben diesen Trend zu großen Stücken schon vorraus gedacht.
|
ähnliche Kritik an etablierten Regeln findet sich auch im NT. Wie gesagt, das hinterfragen von Regeln begründet keinen substantiellen Unterschied zwischen weltlichen Gesetzen und religiöser Moral. |
Was du hier erklärst ist höchstens, warum eine Art Bedarf nach neuen Religionen entstehen kann (Inkompatibilität alter Gesetze führt zu dem Wunsch nach neuen), aber es schwächt keineswegs den Punkt, dass die Schriften erst einmal Allgemeingültigkeit in Anspruch nehmen "wollen".
Für eine definierte Religionsgruppe soll eine definierte Schrift bindend sein.
Zitat: |
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Wie du schon bemerkt hast, haben Religionen hier und da durchaus allgemeinere und auch gute Konzepte übernommen, vieles aber ist eben doch streng Kulturkreis-abhängig gewesen. |
Bei Menschen mit verschiedenen Traditionen, in verschiedenen Umgebungen finden verschiedenartige Moralgesetze Akzeptanz. Was ist daran unlogisch? |
Mir scheint, du hast nicht umsonst nicht die wesentlichen Aspekte meiner Aussage weggelassen. Wie soll ich denn bitte darauf reagieren, dass du andauernd auf zusammenhangslose Sätze antwortest?
Da wir so offensichtlich nicht weiter kommen: Dann beantworte mir doch mal die Frage, ob es überhaupt sinnvollere und weniger sinnvolle Regeln geben kann und wie diese sich unterscheiden.
Wenn du daran nicht glaubst, nehme ich an, dass es je nach Kulturkreis gleichermaßen in Ordnung ist, Homosexuelle zu steinigen oder ihnen das Recht auf Heiraten zu zugestehen?
Zitat: | step hat folgendes geschrieben: | - Verbot des Verzehrs von Schweinefleisch (Islam, Judentum)
- Verbot der Selbstbefriedigung (Islam, Judentum, Christentum)
- Verbot der Homosexualität (Islam, Judentum, Christentum)
- Gebot der Verhüllung der Frau (Islam)
- Verbot des Redens von Frauen in der Gemeinde (Christentum)
- Gebot, keine anderen Götter außer Jahwe zu haben (Christentum, Judentum)
- Gebot, keine anderen Götter außer Allah zu haben (Islam)
- Verbot, am Sonntag zu arbeiten (Christentum)
- Verbot, am Samstag zu arbeiten (Judentum)
- Gebot, auch die rechte Wange hinzuhalten (Christentum)
(hoffe, ich hab nichts durcheinandergebracht ...)
|
[...]
6-9 machen Sinn, das haben wir hier bereits diskutiert.
|
Nein, haben wir eigentlich nicht. Was ist denn der "Sinn" an einem ganz speziellen Tag keine einzige Form der Arbeit ausüben zu dürfen?
Falls du das Ausmaß des Irrsinns nicht ganz überschauen kannst (und dich an der englischen Sprache nicht störst) habe ich hier auch ein witziges Video zum Sabbat für dich.
_________________ Dies ist keine Piep-Show.
|
|
Nach oben |
|
 |
Effô Tisetti Königsblau bis in den Tod
Anmeldungsdatum: 18.09.2003 Beiträge: 9920
Wohnort: 75
|
(#1477018) Verfasst am: 27.05.2010, 12:22 Titel: |
|
|
Zumsel hat folgendes geschrieben: | Der Vorteil einer tradierten Ethik besteht darin, dass gewissermaßen die Erfahrungen vieler Generationen gebündelt werden. Dass gewisse Dinge schlecht sind, wird einem Gemeinwesen eben häufig bloß durch entsprechende Erlebnisse gewahr. Damit nun nicht jede Generation von neuem mit dem kopf vor die Wand läuft, ist es klug, diese Weisheiten weiterzugeben und an die unangenehmen Folgen bestimmter Verhaltenweisen zu erinnern. Vielleicht ist das auch der historische Kern des Himmel- und Höllemythos. Man erinnerte zunächst nur an die unheilvollen Konsequenzen dieser und jener Lebensweise und die positiven Konsequenzen einer anderen Lebensweise... |
Auch religiöse Ethiken befinden sich aber immer im Wettstreit mit konkurrierenden Auffassungen. Sie sind immer auch vor dem Hintergrund politischer Interessen zu sehen - zum i.d.R. nicht unwesentlichen Teil auch als deren Konsequenz. Die abrahamitischen Offenbarungsschriften sind dafür hinlänglich Beleg. Gegen die ethische Konkurrenz setzen sich religiöse Ethiken aber nicht in erster Linie durch die besseren Erfahrungen, den praktischen Erfolg und rationale Begründungen durch, sondern durch Immunisierung und (weltlichen wie metaphysischen) Sanktionsdruck. Mythologisch bzw. religiös verbrämte Erfahrungswerte und theologische Theorien sind deshalb in Gänze m.E. nicht gut geeignet, im Sinne "kollektiver Intelligenz" bzw. einem "ethischen Trampelpfad" die nachfolgenden Generationen mit immer "besseren" ethischen Modellen bzw. "Weisheiten" zu beglücken.
Zumsel hat folgendes geschrieben: | Übrigens wird das in gewissem Maße auch heute noch so betrieben. Beispiel: Dass Krieg und Rassismus scheiße sind, haben die Deutschen so richtig erst nach dem zweiten Weltkrieg begriffen. Und in der Folge wurden Floskeln wie "Dunkelstes Kapitel der Geschichte" "Singularität des Holocaustes" usw. als quasireligiöse Gebote im Bewusstsein der Deutschen verankert, inkl. pathetischer Gratisbekenntnisse für Frieden, Demokratie etc. nebst leerer Phrasen a la: "Wie verneigen uns in Demut vor den Opfern" oder "Wir tragen keine Schuld aber Verantwortung" u.dgl.m. |
Und genau diese "Mythologisierung" halte ich für fatal bzw. gefährlich. Hinter dem Mythos drohen Einsicht und Verantwortung unterzugehen. Zur emotionalen Verarbeitung kurz nach solchen traumatischen Ereignissen mag eine solche Krücke (für manche Menschen) notwendig sein. Irgendwann muss man aber die Krücke loswerden und den Mythos zugunsten einer Weiterentwicklung eines ethischen Konsenses beerdigen.
_________________ "Die einfache Formel: Jesus ist stärker! hilft Menschen, sich aus der Fixierung völlig irrationaler Wertesysteme zu lösen."
|
|
Nach oben |
|
 |
Rohrspatz grobsinnig und feinschlächtig
Anmeldungsdatum: 25.12.2007 Beiträge: 3877
Wohnort: NRW
|
(#1477022) Verfasst am: 27.05.2010, 12:36 Titel: |
|
|
Zumsel hat folgendes geschrieben: | Eleonor hat folgendes geschrieben: | Die Ungleichheit der Menschen ist Fakt, nicht aber die der Interessen |
Das ist Wortklauberei. Interesse und Mensch gehören zusammen. Ein Interesse ohne den dazugehörigen Menschen ist ebenso wenig denkbar wie ein Gefühl oder ein Gedanke. Tatsächlich musst du die Gleichheit der Menschen schon insgeheim voraussetzen, um ihre Interessen für prinzipiell gleichwertig zu halten. |
Ich halte das nicht für Wortklauberei. Natürlich gehören viele Aspekte zum Menschen als Ganzes. Mit menschlichen Gefühlen gehe ich aber doch auch anders um als z.B. mit menschlichen Gedanken. Ein Mensch ist die Summe vieler Einzelaspekte (darunter seine Interessen) und sie bestimmen auch die jeweiligen Einzelaspekte unseres Zusammenlebens.
Interessen fallen nun aber in den Bereich der Ethik. Gedanken wiederum (trotz Überschneidungen) nicht. Wenn also die Interessen an sich gleichwertig sind und diese das Objekt der Ethik sind, warum sind es dann nicht auch die Wertigkeiten von Interessen, die allein zählen sollten?
Ich sehe das Problem schon. Wenn man Ethik anders definiert, z.B. dass das einzige Ziel der Ethik das ist, dass die Gemeinschaft irgendwie funktioniert, kann auch das krasseste Kastensystem "ethisch" sein.
Der Grund, warum ich anstatt dessen Interessen einsetze ist der, dass es erst einmal aus Sicht des Ursprungs von Moral (Ermöglichung von Kooperation um gemeinsam mehr zu erwirtschaften als einzelnd) naheliegender erscheint, wohingegen die kulturelle Evolution sehr oft gegen natürliche Bedürfnisse einzelner oder auch vieler verstößt, weswegen ich sie nicht für ein gutes Fundament von Ethik halte. (Wohl gemerkt als Fundament. Ich versuche dennoch keine naturalistischen Fehlschlüsse zu begehen und genau hierfür sind viele kulturelle Errungenschaften sehr wertvoll.)
Wenn man da prinzipiell andere Ansätze hat, werden sich die darauf aufbauenden Ansichten selbstverständlich unterscheiden.
Da ich weiß, dass ethische Überlegungen womöglich nie eine schlüssige Letztbegründung haben, sehe ich das natürlich ein und bin schon froh genug, wenn meine Überlegungen "in sich" stimmig sind und meinem Gerechtigkeitsempfinden gefällt es zusätzlich, wenn möglichst alle Menschen durch Ethik gleichermaßen geschützt sind.
Zitat: |
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Wenn sich keine qualitativen oder quantitativen Unterschiede in Interessen beweisen lassen, ist die Gleichheit sogar das, was man zunächst annehmen sollte. |
Das ist aber reichlich idealistisch gedacht. Interessen sind etwas rein abstraktes. Das Interesse ist doch bloß in seiner konkreten "Erscheinung" von Relevanz, also insoweit, wie der "Interessierte" Einfluss auf den Lauf der Welt zu nehmen vermag. Denn nur dadurch werden andere gezwungen, sich mit dessen "Interessen" auseinanderzusetzen. Das Interesse interessiert nur als Ursache möglichen Handelns. |
Nun, wenn Ethik nicht ein anzustrebendes Ideal darstellen soll... was ist es dann?
Ich weiß, dass es idealistisch gedacht ist und dass die Realität anders aussieht. Die Frage ist aber doch, inwiefern die unterschiedliche Wertung der Personen als Träger von Interessen eine ethische Rechtfertigung erhält. Dass Macht immer auch bedeutet, dass anderen Menschen aus Eigennutz schon mehr an den Interessen des Mächtigen interessiert sind als an den Interessen von Hinz und Kunz ist erst einmal eine Feststellung, die ich nur bestätigen kann.
Zitat: |
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Sofern man nicht an Schicksal oder Karma-Wiedergeburt-Beziehungen glaubt, wird jeder Mensch aus der hypothetischen Sicht eines Ungeborenen zufällig in irgend ein Umfeld geboren. Willkürlich Menschen aus irgend einem Umfeld als Unprivilegierte zu behandeln ist aus dieser Sicht banalste Ungerechtigkeit. |
Höchstens in einer stark individualisierten Gesellschaft wie der unseren. Niemand wird "zufällig" irgendwo hineingeboren. Denn vor der Geburt gibt es niemanden, der zufällig irgendwo hingelangen könnte. Jeder Mensch ist das logische Produkt der Umstände unter denen er gezeugt, geboren und aufgewachsen ist. In einer Klassengesellschaft gehört er ganz selbstverständlich "seiner" Klasse an. Denn so wenig wie wir von Karma, also der Ungleichheit der Seelen aufgrund früherer Leben ausgehen wollen, so wenig wollen wir doch auch von der (gleichberechtigten) Existenz der Seelen jenseits der irdischer Gegebenheiten ausgehen. |
Klar, ich schrieb ja nicht umsonst von der hypothetischen Sicht des Ungeborenen. Es ist nicht wirklich Zufall, aber die Umstände, die bedingen, in welche Umstände wir hinein geboren werden, erschließen sich uns erst nachträglich.
Neue Frage: Würdest du Ethik nicht von Selbsterhaltungsmechanismen von Machtsystemen unterscheiden? Wenn man diese voneinander trennt (was ich ja prinzipiell tue), was für eine "ethische" Legitimation von Hierarchie-gebundenen Privilegien bleiben denn dann noch?
Zitat: |
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Und genau daraus leitet sich auch ab, dass Gleichheit vor dem Gesetz in jeder aufgeklärten Gesellschaft ein wichtiges Anliegen ist, materielle Ungleichheit als Folge der Unterschiedlichkeit von Menschen für gewöhnlich jedoch hingenommen wird. |
"Den Menschen" gibt es nicht. Du müsstest schon konkret benennen, WAS ungleich ist, und inwiefern das zwar einerseits eine ungleiche Verteilung des Wohlstandes rechtfertigt, nicht aber eine ungleiche Zuweisung von Rechten. |
Ich denke, das steckt in den obigen Absätzen nun schon mit drin:
Interessen sind das* Objekt der Ethik, Interessen selbst können aber nicht ungleich gewichtet sein.
Menschen hingegen sind sehr unterschiedlich. Im deutlichsten Fall hat jemand mehr Wohlstand, weil er seine Talente optimal zur Erreichung dessen eingesetzt hat. Im schlechteren Fall hatte er Umstands-bedingt einfach "Glück", hat z.B. geerbt.
Inwiefern aber Ethik als Minimum nur gleiche Gesetze für alle bereit stellen muss oder gar natürlich gewachsene (im Gegensatz zu systematischen) Ungerechtigkeiten ausgleichen muss, ist eine knifflige Frage. Die möglichen Probleme sind dann aber wiederum ökonomischer Natur, was ich erst recht nicht abschätzen kann. Wenn der Ausgleich zu einem deutlich niedrigeren Durchschnitts-Wohlstand führen würde, fände ich den Ausgleich unethisch, andernfalls wäre er in meinen Augen ethisch.
*oder "ein" oder "mein Wunsch-"... ich weiß gerade nicht genau, wie weit dieser Ansatz akzeptiert ist. Ich muss dringend noch Grundwissen in Ethik nachholen...
_________________ Dies ist keine Piep-Show.
|
|
Nach oben |
|
 |
Waschmaschine777 auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 07.07.2008 Beiträge: 4007
|
(#1477027) Verfasst am: 27.05.2010, 13:06 Titel: |
|
|
L.E.N. hat folgendes geschrieben: | Mo. hat folgendes geschrieben: | L.E.N. hat folgendes geschrieben: | experimente wie "Die Welle" finde ich daher viel sinnvoller als "dunkelstes kapitel der geschichte". |
Oder auch Blue Eyed |
genau. |
Beim Lesen des angegebenen Wikipedia-Artikels fällt auf, dass wenn es darum geht diskriminierte Gruppen aufzuzählen, eine Diskriminierung stattfindet.( Und das nicht nur bei Wiki sondern überall wo über Diskriminierung gesprochen wird.) "Farbige, Behinderte, Homosexuelle, Migranten": Das sind die Gruppen, die politisch korrekt erwähnt werden können, wenn es darum geht sich von Diskriminierung zu distanzieren. Andere Personengruppen -mit Ausnahme von Frauen- wird man praktisch nie erwähnt finden.
Könnte man z.B. Pädophile in so eine Aufstellung einreihen? Ich denke nicht.
|
|
Nach oben |
|
 |
Effô Tisetti Königsblau bis in den Tod
Anmeldungsdatum: 18.09.2003 Beiträge: 9920
Wohnort: 75
|
(#1477041) Verfasst am: 27.05.2010, 14:12 Titel: |
|
|
Waschmaschine777 hat folgendes geschrieben: | L.E.N. hat folgendes geschrieben: | Mo. hat folgendes geschrieben: | L.E.N. hat folgendes geschrieben: | experimente wie "Die Welle" finde ich daher viel sinnvoller als "dunkelstes kapitel der geschichte". |
Oder auch Blue Eyed |
genau. |
Beim Lesen des angegebenen Wikipedia-Artikels fällt auf, dass wenn es darum geht diskriminierte Gruppen aufzuzählen, eine Diskriminierung stattfindet.( Und das nicht nur bei Wiki sondern überall wo über Diskriminierung gesprochen wird.) "Farbige, Behinderte, Homosexuelle, Migranten": Das sind die Gruppen, die politisch korrekt erwähnt werden können, wenn es darum geht sich von Diskriminierung zu distanzieren. Andere Personengruppen -mit Ausnahme von Frauen- wird man praktisch nie erwähnt finden.
Könnte man z.B. Pädophile in so eine Aufstellung einreihen? Ich denke nicht. |
Es wäre z.B. eine unzulässige Diskriminierung, wenn z.B. ein Arzt oder Therapeut sich weigert, einem nie straffällig gewordenen Pädophilen die gewünschte Therapie zu ermöglichen, nach dem Motto "Iih, solche Menschen behandele bzw. helfe ich nicht".
_________________ "Die einfache Formel: Jesus ist stärker! hilft Menschen, sich aus der Fixierung völlig irrationaler Wertesysteme zu lösen."
|
|
Nach oben |
|
 |
Waschmaschine777 auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 07.07.2008 Beiträge: 4007
|
(#1477052) Verfasst am: 27.05.2010, 15:22 Titel: |
|
|
Effô Tisetti hat folgendes geschrieben: | Waschmaschine777 hat folgendes geschrieben: | L.E.N. hat folgendes geschrieben: | Mo. hat folgendes geschrieben: | L.E.N. hat folgendes geschrieben: | experimente wie "Die Welle" finde ich daher viel sinnvoller als "dunkelstes kapitel der geschichte". |
Oder auch Blue Eyed |
genau. |
Beim Lesen des angegebenen Wikipedia-Artikels fällt auf, dass wenn es darum geht diskriminierte Gruppen aufzuzählen, eine Diskriminierung stattfindet.( Und das nicht nur bei Wiki sondern überall wo über Diskriminierung gesprochen wird.) "Farbige, Behinderte, Homosexuelle, Migranten": Das sind die Gruppen, die politisch korrekt erwähnt werden können, wenn es darum geht sich von Diskriminierung zu distanzieren. Andere Personengruppen -mit Ausnahme von Frauen- wird man praktisch nie erwähnt finden.
Könnte man z.B. Pädophile in so eine Aufstellung einreihen? Ich denke nicht. |
Es wäre z.B. eine unzulässige Diskriminierung, wenn z.B. ein Arzt oder Therapeut sich weigert, einem nie straffällig gewordenen Pädophilen die gewünschte Therapie zu ermöglichen, nach dem Motto "Iih, solche Menschen behandele bzw. helfe ich nicht". |
Pädophile werden sicher diskriminiert in der Gesellschaft. Ein Pädophiler der öffentlich macht, dass er pädophil ist, begeht sozialen Suizid. Hier wird nicht differenziert zwischen sexueller Präferenz und wirklich vollzogenen pädosexuellen Handlungen. Ein klarer Indikator für den Diskriminierungsgrad ist, wie offen man mit etwas umgehen kann ohne in soziale Ächtung zu fallen.
Ein weiterer Indikator ist, in oben angeführten Aufzählungen vorzukommen. Meine etwas mißverständliche Formulierung des in die Aufstellung einreihen könnens, bezog sich auf die Reaktion auf den Text. Es würde nicht akzeptiert werden, dass man Pädophile in diese Reihe eingruppierte, weil ein Großteil der Menschen das Gefühl hat, dass Pädophile eben irgendwie selbst schuld sind, und deshalb nicht in die Gruppe der zu Unrecht Diskriminierten gehören. Es gibt zwei Klassen von Diskriminierten.
|
|
Nach oben |
|
 |
Effô Tisetti Königsblau bis in den Tod
Anmeldungsdatum: 18.09.2003 Beiträge: 9920
Wohnort: 75
|
(#1477062) Verfasst am: 27.05.2010, 16:09 Titel: |
|
|
Stimmt. Das Thema ist aber auch ein Minenfeld: Wer immer behauptet, dass Pädophile allein aufgrund ihrer sexuellen Präferenz nicht diskriminiert werden dürfen, dem wird im Umkehr- bzw. Analogieschluss gerne unterstellt, er wolle für Pädophile nunmehr die gleichen Rechte erstreiten, wie sie Homosexuelle erstritten haben. Das ist natürlich Unfug, weil die H. ihre Präferenzen ausleben können, ohne die Rechte von jemand Anderem zu verletzen. Das ist bei der P. natürlich anders. Übrigens auch bei Menschen mit Kannibalismus-, Vergewaltigungs- oder sonstigen Fantasien, die bei realer Ausübung ganz sicher in den Knast führen.
_________________ "Die einfache Formel: Jesus ist stärker! hilft Menschen, sich aus der Fixierung völlig irrationaler Wertesysteme zu lösen."
|
|
Nach oben |
|
 |
Zumsel registrierter User
Anmeldungsdatum: 08.03.2005 Beiträge: 4667
|
(#1477067) Verfasst am: 27.05.2010, 16:24 Titel: |
|
|
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Wenn man da prinzipiell andere Ansätze hat, werden sich die darauf aufbauenden Ansichten selbstverständlich unterscheiden.
Da ich weiß, dass ethische Überlegungen womöglich nie eine schlüssige Letztbegründung haben, sehe ich das natürlich ein und bin schon froh genug, wenn meine Überlegungen "in sich" stimmig sind und meinem Gerechtigkeitsempfinden gefällt es zusätzlich, wenn möglichst alle Menschen durch Ethik gleichermaßen geschützt sind. |
Das klingt nun aber schon erheblich bescheidener als:
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Ich bin gegen diesen Werterelativismus. Wenn Ethik nicht bedeutet, menschliche Opfer zu verhindern, dann ist sie in sich schon sinnlos. |
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Nun, wenn Ethik nicht ein anzustrebendes Ideal darstellen soll... was ist es dann? |
Ein Faktum menschlichen Zusammenlebens.
Wir müssen hier zwischen einer normativen und einer deskriptiven Beschäftigung mit Ethik unterscheiden. Meiner Ansicht nach ist die einzige Art, sich objektiv und wissenschaftlich mit ihr zu beschäftigen, die möglichst wertneutrale Beschreibung. Das heißt nicht, dass normative Erwägungen abzulehnen seien, nur kann man dabei ehrlicherweise nicht den Anspruch erheben, allgemeingültige Wahrheiten zu suchen und man sollte auch nicht so tun, als könnte man solche sicher aus wasauchimmer ableiten. Das läuft nämlich zumeist nur darauf hinaus, dass man scheinobjektibe Gründe für eigene moralische Vorlieben und Vorurteile sucht.
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Neue Frage: Würdest du Ethik nicht von Selbsterhaltungsmechanismen von Machtsystemen unterscheiden? |
Ich bin mir nicht sicher. Läuft diese Unterscheidung auf etwas anderes als den Gegensatz Egoismus/Altruismus hinaus?
Eleonor hat folgendes geschrieben: | *oder "ein" oder "mein Wunsch-"... ich weiß gerade nicht genau, wie weit dieser Ansatz akzeptiert ist. |
Nun ja, immerhin spricht dieser Zweifel ja schon dafür, dass es sich mit diesen objektiven Ableitungen nicht ganz so einfach verhält.
|
|
Nach oben |
|
 |
Waschmaschine777 auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 07.07.2008 Beiträge: 4007
|
(#1477068) Verfasst am: 27.05.2010, 16:27 Titel: |
|
|
Effô Tisetti hat folgendes geschrieben: | Stimmt. Das Thema ist aber auch ein Minenfeld: Wer immer behauptet, dass Pädophile allein aufgrund ihrer sexuellen Präferenz nicht diskriminiert werden dürfen, dem wird im Umkehr- bzw. Analogieschluss gerne unterstellt, er wolle für Pädophile nunmehr die gleichen Rechte erstreiten, wie sie Homosexuelle erstritten haben. |
Das ist ein weiterer Indikator für den Diskriminierungsgrad: Wieviel wird dem unterstellt, der so ein Thema anfasst. Eine sachliche Auseinandersetzung wird extrem erschwert, weil wer auch immer dieses heiße Eisen anfasst, erstens "zu denen" gerechnet wird, weil ja nur "solche Leute" Interesse haben können über dieses Thema zu reden, zweitens allerlei in das Gesagte, wie Du bereits angeführt hast, böswillig hineininterpretiert wird.
|
|
Nach oben |
|
 |
Zumsel registrierter User
Anmeldungsdatum: 08.03.2005 Beiträge: 4667
|
(#1477077) Verfasst am: 27.05.2010, 16:56 Titel: |
|
|
Effô Tisetti hat folgendes geschrieben: | Auch religiöse Ethiken befinden sich aber immer im Wettstreit mit konkurrierenden Auffassungen. |
Die monotheistischen Religionen bis zu einem bestimmten Grad ja. Eine "Volksreligion" ist aber auch Ausdruck der gesamten Kultur eines Volkes. Andernfalls wäre sie bloß ein Randphänomen, das irgendwann wieder verschwinden würde. Und so ist auch eine scheinbar allmächtige Kirche in ihrer konkreten Erscheinung Abbild der gesellschaftlichen Wirklichkeit und Entwicklung. "Konkurierende Auffassungen" sind dann vor allem Konflikte um die Auslegungshoheit jener Kultur und Tradition, auf die sich die Kirche und ihre Gegner gleichermaßen stützen. Es führt hier nicht weiter, Gesellschaft und Kirche strikt zu trennen. Eine kirchliche Institution, die nur eine kleine Ecke innerhalb einer pluralistischen Gesellschaft besetzt, ist ja eine eher moderne Erscheinung.
|
|
Nach oben |
|
 |
Rohrspatz grobsinnig und feinschlächtig
Anmeldungsdatum: 25.12.2007 Beiträge: 3877
Wohnort: NRW
|
(#1477078) Verfasst am: 27.05.2010, 16:57 Titel: |
|
|
Zumsel hat folgendes geschrieben: | Eleonor hat folgendes geschrieben: | Wenn man da prinzipiell andere Ansätze hat, werden sich die darauf aufbauenden Ansichten selbstverständlich unterscheiden.
Da ich weiß, dass ethische Überlegungen womöglich nie eine schlüssige Letztbegründung haben, sehe ich das natürlich ein und bin schon froh genug, wenn meine Überlegungen "in sich" stimmig sind und meinem Gerechtigkeitsempfinden gefällt es zusätzlich, wenn möglichst alle Menschen durch Ethik gleichermaßen geschützt sind. |
Das klingt nun aber schon erheblich bescheidener als:
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Ich bin gegen diesen Werterelativismus. Wenn Ethik nicht bedeutet, menschliche Opfer zu verhindern, dann ist sie in sich schon sinnlos. |
|
Nach meinem Empfinden ist es natürlich so und mir geht auch ein wenig das Verständnis ab, wie man als emapthischer und vernünftiger Mensch nicht das Ziel der Ethik in der Verhinderung menschlicher Opfer sehen kann. Dennoch lasse ich mir doch gerne Bescheidenheit lehren
Zitat: |
Wir müssen hier zwischen einer normativen und einer deskriptiven Beschäftigung mit Ethik unterscheiden. Meiner Ansicht nach ist die einzige Art, sich objektiv und wissenschaftlich mit ihr zu beschäftigen, die möglichst wertneutrale Beschreibung. Das heißt nicht, dass normative Erwägungen abzulehnen seien, nur kann man dabei ehrlicherweise nicht den Anspruch erheben, allgemeingültige Wahrheiten zu suchen und man sollte auch nicht so tun, als könnte man solche sicher aus wasauchimmer ableiten. Das läuft nämlich zumeist nur darauf hinaus, dass man scheinobjektibe Gründe für eigene moralische Vorlieben und Vorurteile sucht. |
Die objektive und wissenschaftliche Methode ist natürlich die deskriptive. Aber die normative Beschäftigung kann uns helfen, schneller von tradierten Moralvorstellungen zu lassen und Ziele zu formulieren anstatt im Nachhinein festzustellen, dass man als Gesellschaft einen schlechten Trend verfolgt hat. (Beispiel für einen solchen Trend könnte unreflektiertes, kurzfristiges Wirtschaften sein, das dann bald zu einer Hungersnot führt)
Normative Überlegungen ermöglichen uns auch das Zusammenwachsen von Gesellschaften. (Von Sippen zu Allianzen, von Allianzen zu Nationen, von Nationen zu Kontinentalgemeinschaften und evtl. eines Tages zu einer Weltbevölkerung).
Ich nehme an, es gibt weitere Vorteile, auch normative Fragestellungen zu bedenken.
Zitat: |
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Neue Frage: Würdest du Ethik nicht von Selbsterhaltungsmechanismen von Machtsystemen unterscheiden? |
Ich bin mir nicht sicher. Läuft diese Unterscheidung auf etwas anderes als den Gegensatz Egoismus/Altruismus hinaus? |
Hm, auch ein Underdog kann egoistisch handeln. Also gleichsetzen kann man es zumindest nicht.
Sind Machtsysteme ein Teil der Ethik? Ich habe sie bisher immer so verstanden, dass sie Gegenstände von Ethik sein können. Gibt es überhaupt eine allgemeine Definition von Ethik, die so genaue Aussagen macht?
Zitat: |
Eleonor hat folgendes geschrieben: | *oder "ein" oder "mein Wunsch-"... ich weiß gerade nicht genau, wie weit dieser Ansatz akzeptiert ist. |
Nun ja, immerhin spricht dieser Zweifel ja schon dafür, dass es sich mit diesen objektiven Ableitungen nicht ganz so einfach verhält. |
Ist es auch nicht! "Objektiv" sollte auch gar nicht mein Anspruch sein (höchstens objektiver als reine Willkür), ebensowenig wie "die einzige wahre Ethik" zu präsentieren.
Es ging ja ursprünglich um die Frage, ob es gute und schlechte Ethik gibt. Wie gesagt: Ich finde schon dass eine Ethik, die mehr und/oder willkürlichere Opfer fordert als eine andere, schlechter ist. Das sage ich sicherlich als demokratisch aufgewachsener Mensch, der tolerant erzogen wurde. Ich komme aber nicht umhin, die Verbesserung der Lebensbedingung so vieler Menschen wie möglich als lohnendes Ziel anzusehen. Ich wurde aufgefordert das zu begründen und habe das so weit wie mir möglich ist getan.
Wenn ich so weit Recht habe, dass "gute" Ethik immerhin mit dem Hintergedanken, dass es keine objektive Letztbegründung geben kann, dennoch herleitbar ist, müsste man nun prüfen, ob streng kulturabhängige Regeln, die ich als unlogisch bezeichnet habe, ähnlich weit herleitbar sind.
Nochmal zum Ausschluss von Missverständnissen: Die Letztbegründung ist nicht objektiv. Aber wenn die Letztbegründung noch nicht einmal ein allgemeines Prinzip ist (z.B. wir essen mit Messer und Gabel, weil es eben so gemacht wird - basta), dann steht es auf wackeligerem Fundament als eines, das sich auf ein allgemeines Leitmotiv beruft.
_________________ Dies ist keine Piep-Show.
|
|
Nach oben |
|
 |
Zumsel registrierter User
Anmeldungsdatum: 08.03.2005 Beiträge: 4667
|
(#1477092) Verfasst am: 27.05.2010, 17:25 Titel: |
|
|
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Die objektive und wissenschaftliche Methode ist natürlich die deskriptive. Aber die normative Beschäftigung kann uns helfen, schneller von tradierten Moralvorstellungen zu lassen und Ziele zu formulieren anstatt im Nachhinein festzustellen, dass man als Gesellschaft einen schlechten Trend verfolgt hat. (Beispiel für einen solchen Trend könnte unreflektiertes, kurzfristiges Wirtschaften sein, das dann bald zu einer Hungersnot führt) |
Die normative Erwägung ist ihrer Natur gemäß subjektiv und relativ. Ob eine konkrete Norm wirklich in meinem Interesse liegt, kann ich nur entscheiden, wenn mir die dazugehörigen Umständen und die zu erwartenden Konsequenzen der mit der Norm erwünschten Handlungsweisen hinreichend bekannt sind. Sofern dies für alle gegeben wäre, würde sich jede Beurteilung und Wertung einer Handlung ohne normative Diskussion von selbst ergeben. Sofern es nicht für alle gegeben ist, entscheidet entweder eine Elite, welche Handlungsweisen sie für zielführend hält und ersinnt Instrumente ihrer Durchsetzung oder die Mehrheit lässt sich von ihren Intuitionen, Affekten und Traditionen leiten.
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Hm, auch ein Underdog kann egoistisch handeln. |
Richtig. Unter Umständen könnte sich daraus ja eine "Sklavenmoral" entwickeln (also eine Moral, die ihm als Unterdrückten nützt).
Zuletzt bearbeitet von Zumsel am 27.05.2010, 17:28, insgesamt einmal bearbeitet |
|
Nach oben |
|
 |
step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
|
(#1477093) Verfasst am: 27.05.2010, 17:28 Titel: |
|
|
Zumsel hat folgendes geschrieben: | Der Vorteil einer tradierten Ethik besteht darin, dass gewissermaßen die Erfahrungen vieler Generationen gebündelt werden. Dass gewisse Dinge schlecht sind, wird einem Gemeinwesen eben häufig bloß durch entsprechende Erlebnisse gewahr. Damit nun nicht jede Generation von neuem mit dem kopf vor die Wand läuft, ist es klug, diese Weisheiten weiterzugeben und an die unangenehmen Folgen bestimmter Verhaltenweisen zu erinnern. Vielleicht ist das auch der historische Kern des Himmel- und Höllemythos. Man erinnerte zunächst nur an die unheilvollen Konsequenzen dieser und jener Lebensweise und die positiven Konsequenzen einer anderen Lebensweise... |
Hier würde ich auf zwei Ebenen widersprechen oder zumindest einschränken:
- tradiert wird ja im besten Falle, was für die Gruppe gut=nützlich ist. Dazu gehört im Extremfall auch, wie man andere Völker überfällt oder eine Steinigung durchführt.
- Dein Argument setzt voraus, daß der Mensch als solcher sich nicht wesentlich ändert. Das mag für viele Millionen Jahre tatsächlich der Fall gewesen sein, weshalb wesentliche moralische Erfahrungen sogar hartkodiert sind. Aber wir leben in einer (erst sehr jungen) Phase, die - geistig, sozial, technisch usw. - sich eher wie in der Nähe einer Singularität verhält.
Um Spreu und Weizen zu trennen, muß man eben wieder analysieren und Ziele und Konsequenzen betrachten.
Effô Tisetti hat folgendes geschrieben: | Zumsel hat folgendes geschrieben: | Übrigens wird das in gewissem Maße auch heute noch so betrieben. Beispiel: Dass Krieg und Rassismus scheiße sind, haben die Deutschen so richtig erst nach dem zweiten Weltkrieg begriffen. Und in der Folge wurden Floskeln wie "Dunkelstes Kapitel der Geschichte" "Singularität des Holocaustes" usw. als quasireligiöse Gebote im Bewusstsein der Deutschen verankert, inkl. pathetischer Gratisbekenntnisse für Frieden, Demokratie etc. nebst leerer Phrasen a la: "Wie verneigen uns in Demut vor den Opfern" oder "Wir tragen keine Schuld aber Verantwortung" u.dgl.m. | Und genau diese "Mythologisierung" halte ich für fatal bzw. gefährlich. Hinter dem Mythos drohen Einsicht und Verantwortung unterzugehen. Zur emotionalen Verarbeitung kurz nach solchen traumatischen Ereignissen mag eine solche Krücke (für manche Menschen) notwendig sein. Irgendwann muss man aber die Krücke loswerden und den Mythos zugunsten einer Weiterentwicklung eines ethischen Konsenses beerdigen. |
Genau!
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
|
|
Nach oben |
|
 |
Zumsel registrierter User
Anmeldungsdatum: 08.03.2005 Beiträge: 4667
|
(#1477097) Verfasst am: 27.05.2010, 17:35 Titel: |
|
|
step hat folgendes geschrieben: | Effô Tisetti hat folgendes geschrieben: | Und genau diese "Mythologisierung" halte ich für fatal bzw. gefährlich. Hinter dem Mythos drohen Einsicht und Verantwortung unterzugehen. Zur emotionalen Verarbeitung kurz nach solchen traumatischen Ereignissen mag eine solche Krücke (für manche Menschen) notwendig sein. Irgendwann muss man aber die Krücke loswerden und den Mythos zugunsten einer Weiterentwicklung eines ethischen Konsenses beerdigen. |
Genau! |
Ich stimme zu, dass das erstrebenswert wäre; ich stelle nur in Frage, dass es auch realistisch ist.
|
|
Nach oben |
|
 |
Rohrspatz grobsinnig und feinschlächtig
Anmeldungsdatum: 25.12.2007 Beiträge: 3877
Wohnort: NRW
|
(#1477102) Verfasst am: 27.05.2010, 17:51 Titel: |
|
|
Zumsel hat folgendes geschrieben: | Die normative Erwägung ist ihrer Natur gemäß subjektiv und relativ. Ob eine konkrete Norm wirklich in meinem Interesse liegt, kann ich nur entscheiden, wenn mir die dazugehörigen Umständen und die zu erwartenden Konsequenzen der mit der Norm erwünschten Handlungsweisen hinreichend bekannt sind. Sofern dies für alle gegeben wäre, würde sich jede Beurteilung und Wertung einer Handlung ohne normative Diskussion von selbst ergeben. Sofern es nicht für alle gegeben ist, entscheidet entweder eine Elite, welche Handlungsweisen sie für zielführend hält und ersinnt Instrumente ihrer Durchsetzung oder die Mehrheit lässt sich von ihren Intuitionen, Affekten und Traditionen leiten. |
Die Möglichkeit, dass normative Erwägungen (zwangsläufig erdacht von einigen wenigen) der Allgemeinheit angeboten werden (was in einer Demokratie zumindest möglich wäre), würde ich noch hinzu fügen.
Oder was ist schlichtweg mit (ich hatte es an anderer Stelle schon erwähnt) Aufklärung? Informationen bereit stellen, damit Menschen große Zusammenhänge von kultureller Willkür selbst unterscheiden können?
Btw.: Mir ist schon klar, wie Ethik normalerweise entsteht. Ist die Beurteilung von Ethik aber zwingend so neutral, als würde man Kunstwerke aus verschiedenen Kulturen vergleichen? Wäre es einfach "egal", wenn wir wieder homophob, frauenfeindlich, kinderschlagend, kriegerisch etc. würden, sofern es als natürlicher Wertewandel geschieht?
Zitat: |
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Hm, auch ein Underdog kann egoistisch handeln. |
Richtig. Unter Umständen könnte sich daraus ja eine "Sklavenmoral" entwickeln (also eine Moral, die ihm als Unterdrückten nützt). |
Hm, ist also jede Legitimierung von Egoismus Moral...?
_________________ Dies ist keine Piep-Show.
|
|
Nach oben |
|
 |
Zumsel registrierter User
Anmeldungsdatum: 08.03.2005 Beiträge: 4667
|
(#1477113) Verfasst am: 27.05.2010, 18:16 Titel: |
|
|
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Wäre es einfach "egal", wenn wir wieder homophob, frauenfeindlich, kinderschlagend, kriegerisch etc. würden, sofern es als natürlicher Wertewandel geschieht? |
Aus unserer Sicht natürlich nicht. Aus Sicht derjenigen, die den Wandel durchlebt haben, natürlich schon. Es liegt er der Natur der Sache, die eigene Moral als die bessere zu empfinden. Aber was folgt daraus schon? Es gibt ja keine moralische Instanz, die über die unterschiedlichen Moralsysteme urteilen könnte. Höchstens die Vernunft könnte hier ins Feld geführt werden. Wenn freilich die Vernunft selbst ebenfalls an Wert verliert...
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Hm, ist also jede Legitimierung von Egoismus Moral...? |
Ich würde eher sagen: Moral ist die Legitimierung der eigenen Vorurteile.
|
|
Nach oben |
|
 |
Rohrspatz grobsinnig und feinschlächtig
Anmeldungsdatum: 25.12.2007 Beiträge: 3877
Wohnort: NRW
|
(#1477121) Verfasst am: 27.05.2010, 18:34 Titel: |
|
|
Zumsel hat folgendes geschrieben: | Eleonor hat folgendes geschrieben: | Wäre es einfach "egal", wenn wir wieder homophob, frauenfeindlich, kinderschlagend, kriegerisch etc. würden, sofern es als natürlicher Wertewandel geschieht? |
Aus unserer Sicht natürlich nicht. Aus Sicht derjenigen, die den Wandel durchlebt haben, natürlich schon. Es liegt er der Natur der Sache, die eigene Moral als die bessere zu empfinden. Aber was folgt daraus schon? Es gibt ja keine moralische Instanz, die über die unterschiedlichen Moralsysteme urteilen könnte. Höchstens die Vernunft könnte hier ins Feld geführt werden. Wenn freilich die Vernunft selbst ebenfalls an Wert verliert... |
Mit Vernunft und Empathie hab ich es bisher probiert.
Dass sich die jenigen, die von einem Werte-Konsens privilegiert werden, im Recht sehen, macht Sinn, aber warum soll das über Vernunft und Empathie stehen? Sind sie neben dem Egoismus nicht die einzigen Möglichkeiten, Werte überhaupt zu bewerten?
Zitat: |
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Hm, ist also jede Legitimierung von Egoismus Moral...? |
Ich würde eher sagen: Moral ist die Legitimierung der eigenen Vorurteile. |
Deiner Meinung nach oder ist das eine allgemein anerkannte Definition? Und differenzierst du hier Moral von Ethik oder sind die beiden Worte austauschbar?
Und zu guter Letzt: Wenn Empathie, Mitgefühl, Aufopferungsbereitschaft etc. sich entwickelt hatten, um Kooperation zu ermöglichen und Ethik Zusammenleben gewährleisten soll (ich hoffe so weit sind wir uns einig?), warum sollte Ethik dann nichts mit diesen zwischenmenschlichen Eigenschaften zutun haben?
Wie grenzt du Ethik von "zugunsten der Allgemeinheit zurück stecken" ab? (Dinge, die man umgangsprachlich mit "ethisch" in Verbindung bringt)
_________________ Dies ist keine Piep-Show.
|
|
Nach oben |
|
 |
VanHanegem Weltmeister
Anmeldungsdatum: 24.04.2006 Beiträge: 3180
|
(#1477135) Verfasst am: 27.05.2010, 19:17 Titel: |
|
|
zur Vokabel "legitim": scheint so, als müßtest Du an Deiner Wortwahl noch etwas schrauben
L.E.N. hat folgendes geschrieben: | besser: =rechtmäßigkeit. |
lex=Gesetz, jus=Recht, woher kommt "legitim"?
Umschwenken auf "rechtmäßig" bringt uns auch nicht weiter, denn an welchem Recht sollte man ein zu entwickelndes Moralgesetz denn messen, wenn es kein übergeordnetes Recht sein soll?
L.E.N. hat folgendes geschrieben: | im intersubjektiven diskurs demokratisch beschlossenes gesetz |
Alter Hut: Du holst Dir das übergeordnete Recht/Gesetz also gemäß dem Spruch "vox populi vox dei" (Epistula #15, Petrus von Blois ca. 1200)
Du hast nicht zeigen können inwiefern Deine "Legitimität" oder "Rechtmäßigkeit" ohne die Hypothese einer übergeordneten Instanz zustandekommt.
step. hat folgendes geschrieben: | Drittens aber wäre es sowieso irrelvant für meine Behauptung, denn sonst hätten die Religionen diese Verbote nach einer Reflektionsphase ja längst gestrichen. |
Die Erfahrung zeigt, daß auch (aus unserer Sicht) unsinnige Gebote trotz jahrhundertelanger Reflexion nicht gestrichen wurden. Vermutlich überbewertest Du die Bedeutung der Reflexion.
step hat folgendes geschrieben: | Wieso machen die heute noch "Sinn"? Mit welche rational nachvollziehbaren Begründung etwa sollte jemand an Jahwe glauben? Wenn es jedoch einen guten Grund gäbe, so müßte er angegeben werden. Heutige Begründungen müssen "etsi deus non daretur" einleuchten.
|
step hat folgendes geschrieben: | Aber wenn man es als Gebot einer heutigen Ethik etablieren will, muß es eben rational nachvollziehbar begründet sein. Wenn man es einhält, weil in der Bibel steht, daß Jesus es predigte, so ist das mangelnde Reflektion. |
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Was ist denn der "Sinn" an einem ganz speziellen Tag keine einzige Form der Arbeit ausüben zu dürfen?
Falls du das Ausmaß des Irrsinns nicht ganz überschauen kannst (und dich an der englischen Sprache nicht störst) habe ich hier auch ein witziges Video zum Sabbat für dich. |
Das Verbot der Akzeptanz fremder Götter machte zur Zeit als dieses Gebot etabliert wurde durchaus Sinn. Heute in modifizierter Form. Wo kämen wir denn hin, wenn ein Gericht den Vorwurf eines Voodoo Zaubers als Grund für eine Schadenersatzklage akzeptieren würde?
Das Sonntagsarbeitsverbot wird reflektiert und lebt, wie die lebhafte Diskussion um das Ladenschlußgesetz in D beweist. Auch in der alttestamentlichen Version wird wohl niemand die Schutzwirkung dieses Gebotes besonders für Sklaven bestreiten.
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Der Punkt ist, dass ich sie dort nicht entnommen habe. ... |
Und genau dieser Punkt ist weder belegbar noch relevant.
Tatsache ist: Deine Argumentation geht völlig konform mit altbekannten religiösen Regeln. Wenn Du auf die nun ausschließlich durch Reflexion gekommen sein solltest zeigt das nur, daß Reflexion weniger zur Findung neuer moralischer Prinzipien, sondern allenfalls zum Aussortieren bzw. modifizieren taugt.
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Es ist Gleichwertigkeit gemeint. |
Interessant: Ein Mensch hat also einen "Wert". Wer legt den denn fest?
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Du wechselst andauernd die Ebene zwischen sein und sollen. |
Nee. Ich lebe in der realen Welt des "Seins", Du in der Traumwelt des "Sollens", wie hier:
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Dass Dogmen faktisch nicht unendlich leben ist übrigens etwas anderes als der Anspruch, den ein Dogma vermeindlich hat. .... Ein Dogma soll "unsterblich" sein. |
ich habe schon früher irgendein von Dir unterstelltes "Sollen", "Wollen" etc. als irrelevant bezeichnet.
Effô Tisetti hat folgendes geschrieben: | Gegen die ethische Konkurrenz setzen sich religiöse Ethiken aber nicht in erster Linie durch die besseren Erfahrungen, den praktischen Erfolg und rationale Begründungen durch, sondern durch Immunisierung und (weltlichen wie metaphysischen) Sanktionsdruck. |
Selbstverständlich leben auch heutige Gesetze durch Sanktionsdruck (wozu bräuchte man sonst eine Exekutive). Insoweit als ein metaphysischen Sanktionsdruck tatsächlich wirksam ist, was noch zu zeigen wäre und gerade von vielen Usern hier empört zurückgewiesen wird, mindert er die Ausgabenlast des Innenministeriums, ein durchaus befriedigendes Ergebnis.
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Natürlich kann man verhandelbare Axiome gebrauchen. Z.B. gerade jetzt könnte man sich fragen, welches Ziel man für langfristige Planung bevorzugen möchte: Wohlstand unserer Kinder oder Umweltschutz. Je nachdem kann das Axiom anders ausfallen. |
Ach soooo? Dann verwenden wir die Peanoschen Axiome nur in der Kombinatorik und schmeißen sie in der Analysis um, wenn sie uns nicht passen?
In mir keimt der Verdacht, daß Du nur eine nebulöse Vorstellung von dem hast, was ein Axiom ist.
_________________ Hup Holland Hup, Oranje winnt de cup (2022)
|
|
Nach oben |
|
 |
Rohrspatz grobsinnig und feinschlächtig
Anmeldungsdatum: 25.12.2007 Beiträge: 3877
Wohnort: NRW
|
(#1477143) Verfasst am: 27.05.2010, 19:36 Titel: |
|
|
VanHanegem hat folgendes geschrieben: |
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Was ist denn der "Sinn" an einem ganz speziellen Tag keine einzige Form der Arbeit ausüben zu dürfen?
Falls du das Ausmaß des Irrsinns nicht ganz überschauen kannst (und dich an der englischen Sprache nicht störst) habe ich hier auch ein witziges Video zum Sabbat für dich. |
Das Verbot der Akzeptanz fremder Götter machte zur Zeit als dieses Gebot etabliert wurde durchaus Sinn. Heute in modifizierter Form. Wo kämen wir denn hin, wenn ein Gericht den Vorwurf eines Voodoo Zaubers als Grund für eine Schadenersatzklage akzeptieren würde?
Das Sonntagsarbeitsverbot wird reflektiert und lebt, wie die lebhafte Diskussion um das Ladenschlußgesetz in D beweist. Auch in der alttestamentlichen Version wird wohl niemand die Schutzwirkung dieses Gebotes besonders für Sklaven bestreiten. |
Das Verbot an einem bestimmten Tag auch nur irgend eine Form der Arbeit auszuüben - selbst wenn sie eigennützig ist und eben nicht fremdbestimmt - inwiefern ist das sinnvoll?
Zitat: |
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Der Punkt ist, dass ich sie dort nicht entnommen habe. ... |
Und genau dieser Punkt ist weder belegbar noch relevant.
Tatsache ist: Deine Argumentation geht völlig konform mit altbekannten religiösen Regeln. Wenn Du auf die nun ausschließlich durch Reflexion gekommen sein solltest zeigt das nur, daß Reflexion weniger zur Findung neuer moralischer Prinzipien, sondern allenfalls zum Aussortieren bzw. modifizieren taugt. |
Tut mir Leid, dass du in meiner Person keine Revolutionärin gefunden hast. Dass es kaum Gedanken gibt, die noch nicht gedacht wurden, verwundert dich aber doch nicht wirklich?
Zitat: |
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Es ist Gleichwertigkeit gemeint. |
Interessant: Ein Mensch hat also einen "Wert". Wer legt den denn fest? |
Niemand. Genau darum geht es ja. Wo niemand Werte unterscheidet, gibt es nur (auf Abwägungen bezogen) Gleichwertigkeit.
Zitat: |
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Du wechselst andauernd die Ebene zwischen sein und sollen. |
Nee. Ich lebe in der realen Welt des "Seins", Du in der Traumwelt des "Sollens", wie hier:
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Dass Dogmen faktisch nicht unendlich leben ist übrigens etwas anderes als der Anspruch, den ein Dogma vermeindlich hat. .... Ein Dogma soll "unsterblich" sein. |
ich habe schon früher irgendein von Dir unterstelltes "Sollen", "Wollen" etc. als irrelevant bezeichnet. |
Wenn wir schon die wertvolle Unterscheidung zwischen deduktiv und induktiv machen, dann können wir auch zwischen Motiven und deren Realisierungen sprechen. Von Traumwelt hingegen ist nicht die Rede. (Ich erträume mir übrigens keine Dogmen. Ich finde sie sogar widerwärtig.)
_________________ Dies ist keine Piep-Show.
|
|
Nach oben |
|
 |
Rohrspatz grobsinnig und feinschlächtig
Anmeldungsdatum: 25.12.2007 Beiträge: 3877
Wohnort: NRW
|
(#1477148) Verfasst am: 27.05.2010, 19:48 Titel: |
|
|
VanHanegem hat folgendes geschrieben: |
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Natürlich kann man verhandelbare Axiome gebrauchen. Z.B. gerade jetzt könnte man sich fragen, welches Ziel man für langfristige Planung bevorzugen möchte: Wohlstand unserer Kinder oder Umweltschutz. Je nachdem kann das Axiom anders ausfallen. |
Ach soooo? Dann verwenden wir die Peanoschen Axiome nur in der Kombinatorik und schmeißen sie in der Analysis um, wenn sie uns nicht passen?
In mir keimt der Verdacht, daß Du nur eine nebulöse Vorstellung von dem hast, was ein Axiom ist. |
Upps, übersehen.
Also: In mir keimt der Verdacht, du verstehst nicht, was in der Ethik ein Axiom überhaupt höchstens sein kann?
Wenn es in der Ethik keine Wahrheit im eigentlichen Sinn gibt, kann es natürlich höchstens eine willkürliche Satzung sein. Und diese Satzung ist verhandelbar.
Axiom hier im folgenden Sinne: Unbewiesene Grundannahme, aus welchem sich die ethischen Theoreme ableiten lassen.
Wenn dir der Begriff Probleme bereitet: Vielleicht tut es "Maxime" ebenso gut. (Wird sich zeigen)
_________________ Dies ist keine Piep-Show.
|
|
Nach oben |
|
 |
L.E.N. im falschen Film
Anmeldungsdatum: 25.05.2004 Beiträge: 27745
Wohnort: Hamburg
|
(#1477154) Verfasst am: 27.05.2010, 20:11 Titel: |
|
|
VanHanegem hat folgendes geschrieben: | zur Vokabel "legitim": scheint so, als müßtest Du an Deiner Wortwahl noch etwas schrauben
L.E.N. hat folgendes geschrieben: | besser: =rechtmäßigkeit. |
lex=Gesetz, jus=Recht, woher kommt "legitim"?
Umschwenken auf "rechtmäßig" bringt uns auch nicht weiter, denn an welchem Recht sollte man ein zu entwickelndes Moralgesetz denn messen, wenn es kein übergeordnetes Recht sein soll? |
Wikipedia: Legitimität hat folgendes geschrieben: | Legitimität (lat. legitimus - gesetzmäßig) bezeichnet in Soziologie, Politikwissenschaft und Rechtswissenschaft die Anerkennungswürdigkeit beziehungsweise Rechtmäßigkeit von Personen, Institutionen, Vorschriften etc. |
klar soweit?
Zitat: | L.E.N. hat folgendes geschrieben: | im intersubjektiven diskurs demokratisch beschlossenes gesetz |
Alter Hut: Du holst Dir das übergeordnete Recht/Gesetz also gemäß dem Spruch "vox populi vox dei" (Epistula #15, Petrus von Blois ca. 1200)
Du hast nicht zeigen können inwiefern Deine "Legitimität" oder "Rechtmäßigkeit" ohne die Hypothese einer übergeordneten Instanz zustandekommt. |
dieser hut ist sicher älter als 1000 jahre, denn auch lange vor monotheistischen moralbegründungen gab es moral, die auf vernunft basierte. wenn du meinst alle ethik/moral müsse ausschließlich religiöse wurzeln haben musst du dies beweisen.
ich bin ganz ohr.
_________________ Ich will Gott lästern dürfen! Weg mit §166 StGB!
|
|
Nach oben |
|
 |
step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
|
(#1477183) Verfasst am: 27.05.2010, 20:55 Titel: |
|
|
VanHanegem hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Drittens aber wäre es sowieso irrelvant für meine Behauptung, denn sonst hätten die Religionen diese Verbote nach einer Reflektionsphase ja längst gestrichen. | Die Erfahrung zeigt, daß auch (aus unserer Sicht) unsinnige Gebote trotz jahrhundertelanger Reflexion nicht gestrichen wurden. Vermutlich überbewertest Du die Bedeutung der Reflexion. |
Sagen wir, ich habe an eine Reflektion mit heutigem Wissen auch entsprechende Ansprüche. Für Dich dagegen scheint jegliche kulturelle Tätigkeit das Kriterium der kritischen Reflektion zu erfüllen.
VanHanegem hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Wieso machen die heute noch "Sinn"? Mit welche rational nachvollziehbaren Begründung etwa sollte jemand an Jahwe glauben? Wenn es jedoch einen guten Grund gäbe, so müßte er angegeben werden. Heutige Begründungen müssen "etsi deus non daretur" einleuchten. | Das Verbot der Akzeptanz fremder Götter machte zur Zeit als dieses Gebot etabliert wurde durchaus Sinn. Heute in modifizierter Form. Wo kämen wir denn hin, wenn ein Gericht den Vorwurf eines Voodoo Zaubers als Grund für eine Schadenersatzklage akzeptieren würde? |
Die modifizierte Variante müßte heute aber heißen: "Du sollst an keine Götter glauben" - wo kämen wir denn hin, wenn ein Gericht den Vorwurf der Gotteslästerung als Grund für eine Klage akzeptieren würde?
VanHanegem hat folgendes geschrieben: | Insoweit als ein metaphysischen Sanktionsdruck tatsächlich wirksam ist ... mindert er die Ausgabenlast des Innenministeriums, ein durchaus befriedigendes Ergebnis. |
Wie war das noch gleich mit den fundamentalistischen Attentätern? Und welche Konfession stellte nochmal bei Kindsmißbrauch ihre Gerichtsbarkeit über die weltliche? Ich muß sagen, der metaphysische Sanktionsdruck treibt bis heute die absonderlichsten Blüten.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
|
|
Nach oben |
|
 |
Zumsel registrierter User
Anmeldungsdatum: 08.03.2005 Beiträge: 4667
|
(#1477349) Verfasst am: 28.05.2010, 09:51 Titel: |
|
|
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Mit Vernunft und Empathie hab ich es bisher probiert.
Dass sich die jenigen, die von einem Werte-Konsens privilegiert werden, im Recht sehen, macht Sinn, aber warum soll das über Vernunft und Empathie stehen? Sind sie neben dem Egoismus nicht die einzigen Möglichkeiten, Werte überhaupt zu bewerten? |
Das Problem besteht hier schon in der strikten Trennung von Vernunft und Gefühl. Sofern man nicht von einem Primat des Logos ausgeht, kann Vernunft in diesem Zusammenhang ja nicht viel mehr bedeuten als umsichtiges und vorausschauendes Handeln. "Vernünftig" handelt, wer nicht jedem Impuls und erstbesten Bedürfnis nachgibt, sondern auch die Befriedigung von Bedürfnissen im Auge behält, die nur mittelbar im Bewusstsein sind. In gewissem Maße macht das jeder Mensch, in welchem Unfang, ist wohl nicht zuletzt eine Charakterfrage. Nietzsches Auffassung war ja, dass die Vernunft immer und überall dort besonders ausgeprägt ist, wo die Affekte es allzu bunt getrieben haben, gewissermaßen als Gegengift. Moral bestimmt sich dabei nicht durch die Zügelung der (bösen) Affekte durch die (erhabene) Vernunft, sondern durch das Verhältnis von Affekt und Vernunft zueinander. Die Vernunft gehört gewissermaßen selbst den Affekten an und die Trennung beider ist ein ebensolcher (letztlich sogar derselbe) Mythos wie die Trennung von Körper und Seele.
Was die Emphatie betrifft, so gehört natürlich auch sie unter die Affekte, nicht minder als Gier, Rachsucht usw.
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Deiner Meinung nach oder ist das eine allgemein anerkannte Definition? |
Ich denke nicht, dass du sie in einem Wörterbuch findest. Grundkonsens ist wohl, dass die Moral die Lehre vom "richtig Handeln" ist oder vom "Handeln nach Prinzipien". Moralisch handelt, wer in Überstimmung mit einer bestimmten Norm handelt.
Zitat: | Und differenzierst du hier Moral von Ethik oder sind die beiden Worte austauschbar? |
Letzteres.
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Und zu guter Letzt: Wenn Empathie, Mitgefühl, Aufopferungsbereitschaft etc. sich entwickelt hatten, um Kooperation zu ermöglichen und Ethik Zusammenleben gewährleisten soll (ich hoffe so weit sind wir uns einig?), warum sollte Ethik dann nichts mit diesen zwischenmenschlichen Eigenschaften zutun haben? |
Das hat sie ja zweifellos. Aber dem stehen eben auch noch andere menschliche Regungen entgegen.
|
|
Nach oben |
|
 |
Effô Tisetti Königsblau bis in den Tod
Anmeldungsdatum: 18.09.2003 Beiträge: 9920
Wohnort: 75
|
(#1477373) Verfasst am: 28.05.2010, 11:05 Titel: |
|
|
step hat folgendes geschrieben: | VanHanegem hat folgendes geschrieben: | Insoweit als ein metaphysischen Sanktionsdruck tatsächlich wirksam ist ... mindert er die Ausgabenlast des Innenministeriums, ein durchaus befriedigendes Ergebnis. |
Wie war das noch gleich mit den fundamentalistischen Attentätern? Und welche Konfession stellte nochmal bei Kindsmißbrauch ihre Gerichtsbarkeit über die weltliche? Ich muß sagen, der metaphysische Sanktionsdruck treibt bis heute die absonderlichsten Blüten. |
So ist es. Hinzu kommt, dass sich Religionen Verstöße gegen ihre Ethik ungeachtet dessen weltlich (z.B. Hexenverfolgung) und metaphysisch (z.B. "Hölle") sanktionieren lassen, dass sie mindestens in Teilen bzw. fast immer bzgl. ihrer Begründung rational nicht nachvollziehbar sind. Oder anders gesagt: "Mord" metaphysisch sanktionieren zu wollen, ist höchst gefährlich (und ist deshalb m.E. keine gute Idee zur Entlastung des Etats des Innenministeriums). "Vorehelichen Geschlechtsverkehr" mit einer metaphysischen Begründung (z.B. AT) weltlich zu sanktionieren (z.B. durch Steinigung) ist unmenschlich.
_________________ "Die einfache Formel: Jesus ist stärker! hilft Menschen, sich aus der Fixierung völlig irrationaler Wertesysteme zu lösen."
|
|
Nach oben |
|
 |
|