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Was ist an Religionen attraktiv?
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VanHanegem
Weltmeister



Anmeldungsdatum: 24.04.2006
Beiträge: 3180

Beitrag(#1494563) Verfasst am: 03.07.2010, 11:08    Titel: Re: Was ist an Religionen attraktiv? Antworten mit Zitat

Kramer hat folgendes geschrieben:
VanHanegem hat folgendes geschrieben:

So können Eltern Gleichberechtigung von Mutti und Pappi praktizieren und diese Überzeugung an die Kinder weitergeben. Alternativ könnten sie glauben, daß der Mann überlegen sei. Umgekehrt könnten sie natürlich auch ein Matriarchat praktizieren.
Aber wie sie das hinkriegen sollen nichts von dem an die Kinder weiterzugeben müßtest Du erst mal genauer erläutern.


Hä?

Hä?? Willst Du damit andeuten, daß Du das Problem der Weitergabe religiöser Werte an die Kinder nicht mal ansatzweise verstehsst?
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44684

Beitrag(#1494565) Verfasst am: 03.07.2010, 11:20    Titel: Antworten mit Zitat

L.E.N. hat folgendes geschrieben:
aber um eine kurze darstellung hier bitte ich dich trotzdem, wenns machbar ist.

Puh, ja. Erstmal ist es so, dass der Religionsbegriff, der diesen Theorien zugrunde liegt, bereits problematisch ist. Es handelt sich um den Religionsbegriff der Soziologen, wie er u.A. von Emile Durkheim geprägt wurde. Das grundlegende Element ist dabei die Trennung der Welt in Heiliges und Profanes. Allerdings weist der französische Marxist Étienne Balibar in seinem Aufsatz "Der andere Schauplatz. Gewalt – Grenze - Universalität" darauf hin, dass die Unterscheidung zwischen einem profanen und einem heiligen Symbol nur tautologisch über eine Bezugnahme auf das, was im europäischen Raum bereits als religiöse Symbolik bezeichnet wird, definieren lässt. (Mit Giorgio Agamben könnte man sogar argumentieren, dass der Begriff des Heiligen überhaupt keine religiöse, sondern eine biopolitische Kategorie ist.) Ich selbst versuche zu zeigen, dass dieses Kriterium noch weitere Lücken aufweist. Auch bin ich der Ansicht, dass Durkheims eigener Religionsbegriff bereits antisemitische Klischees beinhaltet, und dass man das auch zeigen kann.

Der Begriff der politischen Religion stammt von Eric Voegelin und das offensichtlichste Problem an seiner Theoriebildung ist, dass seine ganze begriffliche Konstruktion überhaupt nur die beiden Alternativen der partikularen politischen Religion und der "Hochreligion" in Form einer protestantischen Universalkirche zulässt: Jeder Säkularismus ist für ihn schon insgeheim eine politische Religion, die auf Staatsvergötterung oder ähnlichen Figuren beruht. Ich glaube jedoch, dass man zeigen kann, dass sich auch der Universalismus einer Hochreligion nur durch die Aussonderung einer konstitutiven Ausnahme konstituieren kann. In der Geschichte dienten dazu sowohl der katholischen als auch der protestantischen Kirche sehr oft die Juden.

Ein anderes Problem ist das des begrifflichen Konnexes von Religiösem und Politischem. Selbst wenn man annehmen würde, dass es sich bei den faschistischen Bewegungen und Gesellschaften um religiöse Phänomene handelte, wäre damit ja immer noch nicht ihr politischer Status geklärt. Jean-Luc Nancy argumentiert in seinem Aufsatz "Kirche, Staat, Widerstand", dass jede Form der Politisierung religiöser Inhalte entweder zu einem Mangel bzw. einer Reduktion des religiösen Gehalts oder zu einem Exzess über den religiösen Gehalt führt, sodass die Verbindung politischer und religiöser Begrifflichkeit von vorne herein als problematisch erscheint.

Ich zeige in der Arbeit auch noch weitere theoretische Schwierigkeiten auf, aber das nur als Kurzübersicht.
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"Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44684

Beitrag(#1494566) Verfasst am: 03.07.2010, 11:22    Titel: Antworten mit Zitat

moritura hat folgendes geschrieben:
In gewissen Sinne schon. s. meine Ausführung zum Thema Entscheidungen.

Was du beschreibst, ist aber nicht ein allgemeines Charakteristikum religiöser Bekenntnisse.
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Botschafter Kosh
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Anmeldungsdatum: 26.11.2007
Beiträge: 3972

Beitrag(#1494571) Verfasst am: 03.07.2010, 11:41    Titel: Antworten mit Zitat

Es ist das Bestreben die eigene Fantasiewelt mit anderen zu vernetzen.
Wenn man selbst wenig Fantasie enwickelt hängt man am Tropf der Gemeinschaftsfantasten.
Das strengt das eigene Denken nicht so an und man eckt auch weniger an.
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kereng
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Anmeldungsdatum: 12.12.2006
Beiträge: 3053
Wohnort: Hamburg

Beitrag(#1494573) Verfasst am: 03.07.2010, 11:45    Titel: Antworten mit Zitat

moritura hat folgendes geschrieben:
Der Koran ist in der Hinsicht extrem, da er anscheinend Vorschriften bis in Details, wie zum Beispiel auf's Klo gehen, enthält.

Nein, der Koran enthält nur wenige Vorschriften, die zudem so unklar formuliert sind, dass man sie unterschiedlich interpretieren kann. Man findet im Koran weder das Kopftuch noch die fünf täglichen Gebete oder die Pilgerfahrt nach Mekka.

Die zahlreichen genauen Vorschriften stehen in den Hadithen (Ahadith). Das sind Sammlungen von angeblichen Taten und Aussprüchen Mohammeds.
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sehr gut
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Anmeldungsdatum: 05.08.2007
Beiträge: 14852

Beitrag(#1494582) Verfasst am: 03.07.2010, 12:07    Titel: Antworten mit Zitat

Botschafter Kosh hat folgendes geschrieben:
Es ist das Bestreben die eigene Fantasiewelt mit anderen zu vernetzen.
Wenn man selbst wenig Fantasie enwickelt hängt man am Tropf der Gemeinschaftsfantasten.
Das strengt das eigene Denken nicht so an und man eckt auch weniger an.

Diese Gesellschaft ist tele-vision-iert, die meisten sitzen (stundenlang) vor der Bildermaschine und starren da rein, auch über diese könnte man dann deine Worte aussprechen.
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#1494583) Verfasst am: 03.07.2010, 12:13    Titel: Antworten mit Zitat

moritura hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
moritura hat folgendes geschrieben:
Ich denke, ein Teil der Faszination ist die Vereinfachung des Weltbildes.
Das Bekenntnis zu einer Religion führt aber nicht zwangsläufig zu einer Vereinfachung.
In gewissen Sinne schon. s. meine Ausführung zum Thema Entscheidungen.

Das sehe ich ebenso. Die Aspekte einer Religion, die sie attraktiv macht, sind nach meiner Beobachtung sehr einfach. Die Leute lieben
- klare Vorgaben, Gut/Böse
- einfache Entscheidungen ohne Dilemmata
- Verantwortung abgeben
- Heilsversprechen
- geliebt werden und Zuwendung / Trost bekommen
- rituelle Gemeinschaft

Die komplexen Aspekte einer Religion dagegen interessieren vielleicht einige kritische Theologen oder Grübler:
- Theodizee
- Freierwille
- wer hat Gott geschaffen?
- Quellenforschung
- ...
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Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#1494584) Verfasst am: 03.07.2010, 12:14    Titel: Antworten mit Zitat

sehr gut hat folgendes geschrieben:
Botschafter Kosh hat folgendes geschrieben:
Es ist das Bestreben die eigene Fantasiewelt mit anderen zu vernetzen.
Wenn man selbst wenig Fantasie enwickelt hängt man am Tropf der Gemeinschaftsfantasten.
Das strengt das eigene Denken nicht so an und man eckt auch weniger an.
Diese Gesellschaft ist tele-vision-iert, die meisten sitzen (stundenlang) vor der Bildermaschine und starren da rein, auch über diese könnte man dann deine Worte aussprechen.

Da kann ich Dir einmal zustimmen!
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L.E.N.
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Anmeldungsdatum: 25.05.2004
Beiträge: 27745
Wohnort: Hamburg

Beitrag(#1494642) Verfasst am: 03.07.2010, 15:14    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
L.E.N. hat folgendes geschrieben:
aber um eine kurze darstellung hier bitte ich dich trotzdem, wenns machbar ist.

Puh, ja. Erstmal ist es so, dass der Religionsbegriff, der diesen Theorien zugrunde liegt, bereits problematisch ist. Es handelt sich um den Religionsbegriff der Soziologen, wie er u.A. von Emile Durkheim geprägt wurde. Das grundlegende Element ist dabei die Trennung der Welt in Heiliges und Profanes. Allerdings weist der französische Marxist Étienne Balibar in seinem Aufsatz "Der andere Schauplatz. Gewalt – Grenze - Universalität" darauf hin, dass die Unterscheidung zwischen einem profanen und einem heiligen Symbol nur tautologisch über eine Bezugnahme auf das, was im europäischen Raum bereits als religiöse Symbolik bezeichnet wird, definieren lässt. (Mit Giorgio Agamben könnte man sogar argumentieren, dass der Begriff des Heiligen überhaupt keine religiöse, sondern eine biopolitische Kategorie ist.) Ich selbst versuche zu zeigen, dass dieses Kriterium noch weitere Lücken aufweist. Auch bin ich der Ansicht, dass Durkheims eigener Religionsbegriff bereits antisemitische Klischees beinhaltet, und dass man das auch zeigen kann.


hmm. erstmal muss man sich natürlich auf eine definition von "religion" einigen um darauf hinsichtlich anderer ideologien bezug nehmen zu können.

elementares element eines unbedingten glaubens bzw einer religion ist die überzeugung etwas höheres, sei es supernaturalistisch oder ein rein theoretisches, denkbares ideal sei real bzw. jenseits des bloßen gedankens zu verwirklichen.

Zitat:
Der Begriff der politischen Religion stammt von Eric Voegelin und das offensichtlichste Problem an seiner Theoriebildung ist, dass seine ganze begriffliche Konstruktion überhaupt nur die beiden Alternativen der partikularen politischen Religion und der "Hochreligion" in Form einer protestantischen Universalkirche zulässt: Jeder Säkularismus ist für ihn schon insgeheim eine politische Religion, die auf Staatsvergötterung oder ähnlichen Figuren beruht.


bloß weil er eine sehr enge definition geprägt hat heisst es aber nicht, dass der begriff breiter formuliert nicht zutreffend sein muss.
die auffassung, ein staat sei notwendig um ein für alle nach individuellen maßstäben lebenswertes leben zu leben ohne einzelnen damit das leben weniger lebenswert zu machen mag man "staatsvergötterung" nennen, allerdings wäre es dadurch, dass man nicht unbedingt an das allheilmittel staat glaubt ein indiz dafür, dass etatismus kein religiöses, sondern ein intersubjektiv-rational begründetes konzept ist. es ist das am wenigsten schlechte konzept. vergötterung kann ich da nicht erkennen, und es einfach so zu nennen, reicht nicht.

Zitat:
Ich glaube jedoch, dass man zeigen kann, dass sich auch der Universalismus einer Hochreligion nur durch die Aussonderung einer konstitutiven Ausnahme konstituieren kann. In der Geschichte dienten dazu sowohl der katholischen als auch der protestantischen Kirche sehr oft die Juden.


aber ist das nicht immer so? hat nicht jede religion oder ideologie erst in gegnerschaft zu konkurrierenden religionen/ideologien ihr profil geschärft? welche dieser konkurrierenden religionen/ideologien es im einzelnen ist halte ich für irrelevant und es ist dabei mWn sogar egal ob es das judentum, der kommunismus oder der islam ist.

Zitat:
Ein anderes Problem ist das des begrifflichen Konnexes von Religiösem und Politischem. Selbst wenn man annehmen würde, dass es sich bei den faschistischen Bewegungen und Gesellschaften um religiöse Phänomene handelte, wäre damit ja immer noch nicht ihr politischer Status geklärt.


aber sicher! ebenso, wie eine religion mit hilfe ihrer führer politischen einfluss geltend machen kann (-> theokratie) konnte dies doch auch umgekehrt laufen! einige nazi-theoretiker verhalfen sich bspw. mit germanisch-heidnischen elementen, andere wollten den hitler-kult nach dessen tod in eine religion transformieren.
ähnlich lief es bei stalin, der mit der trennung der partei vom volk und dem ausbau der partei einen auf sich zugeschnittenen personenkult geschaffen hat der erst nach seinem tod beendet werden konnte.

Zitat:
Jean-Luc Nancy argumentiert in seinem Aufsatz "Kirche, Staat, Widerstand", dass jede Form der Politisierung religiöser Inhalte entweder zu einem Mangel bzw. einer Reduktion des religiösen Gehalts oder zu einem Exzess über den religiösen Gehalt führt, sodass die Verbindung politischer und religiöser Begrifflichkeit von vorne herein als problematisch erscheint.


schon, jedoch nicht problematisch genug um nicht mittel- bis langfristig stabil zu funktionieren.

Zitat:
Ich zeige in der Arbeit auch noch weitere theoretische Schwierigkeiten auf, aber das nur als Kurzübersicht.


danke ich werde es mir in nächtster zeit zu gemüte führen.
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44684

Beitrag(#1494795) Verfasst am: 03.07.2010, 21:16    Titel: Antworten mit Zitat

L.E.N. hat folgendes geschrieben:
elementares element eines unbedingten glaubens bzw einer religion ist die überzeugung etwas höheres, sei es supernaturalistisch oder ein rein theoretisches, denkbares ideal sei real bzw. jenseits des bloßen gedankens zu verwirklichen.

Also jeder, der irgendwas verwirklichen will, ist religiös? Am Kopf kratzen

L.E.N. hat folgendes geschrieben:
aber sicher! ebenso, wie eine religion mit hilfe ihrer führer politischen einfluss geltend machen kann (-> theokratie) konnte dies doch auch umgekehrt laufen!

Die Feststellung, dass eine Religion politischen Einfluss haben kann, ist keine Klärung der Frage, wie diese Religion (inklusive ihres Einflusses) in politischen Begriffen zu charakterisieren wäre.

L.E.N. hat folgendes geschrieben:
schon, jedoch nicht problematisch genug um nicht mittel- bis langfristig stabil zu funktionieren.

Sorry, ich verstehe nicht mal, was "funktionieren" hier überhaupt heißen soll. Der Konnex von Politischem und Religiösem ist bereits begrifflich (auf der Ebene der Theorie) problematisch.
Was ich sage, ist ja nicht, dass eine bestimmte gesellschaftlich-politische Praxis nicht funktioniert, sondern dass eine bestimmte soziologisch-politische Theorie nicht funktioniert.
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L.E.N.
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Anmeldungsdatum: 25.05.2004
Beiträge: 27745
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Beitrag(#1494831) Verfasst am: 03.07.2010, 22:32    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
L.E.N. hat folgendes geschrieben:
elementares element eines unbedingten glaubens bzw einer religion ist die überzeugung etwas höheres, sei es supernaturalistisch oder ein rein theoretisches, denkbares ideal sei real bzw. jenseits des bloßen gedankens zu verwirklichen.

Also jeder, der irgendwas verwirklichen will, ist religiös? Am Kopf kratzen


wenn dieses etwas, wie ich schrieb, über das theoretische hinaus nicht zu den in der theorie genannten bedingungen realisiert werden kann und er trotzdem glaubt es sei möglich - ja.

Zitat:
L.E.N. hat folgendes geschrieben:
aber sicher! ebenso, wie eine religion mit hilfe ihrer führer politischen einfluss geltend machen kann (-> theokratie) konnte dies doch auch umgekehrt laufen!

Die Feststellung, dass eine Religion politischen Einfluss haben kann, ist keine Klärung der Frage, wie diese Religion (inklusive ihres Einflusses) in politischen Begriffen zu charakterisieren wäre.


im moment frag ich mich, wo da das problem sein soll.
der religiöse führer, nennen wir ihn papst, ist gleichzeitig staatsoberhaupt über sein theokratisches reich. auch in monarchen mit der legitimierung durch das gottesgnadentum sehe ich eine theokratie
kannst du anhand eines beispiels erläutern was du meinst?

Zitat:
L.E.N. hat folgendes geschrieben:
schon, jedoch nicht problematisch genug um nicht mittel- bis langfristig stabil zu funktionieren.

Sorry, ich verstehe nicht mal, was "funktionieren" hier überhaupt heißen soll.


funktionieren hier: ein staat der über längere zeit bestand hat.

Zitat:
Der Konnex von Politischem und Religiösem ist bereits begrifflich (auf der Ebene der Theorie) problematisch.
Was ich sage, ist ja nicht, dass eine bestimmte gesellschaftlich-politische Praxis nicht funktioniert, sondern dass eine bestimmte soziologisch-politische Theorie nicht funktioniert.


worin macht sich das "nicht-funktionieren der soziologisch-politischen Theorie" fest?
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44684

Beitrag(#1495154) Verfasst am: 04.07.2010, 17:38    Titel: Antworten mit Zitat

L.E.N. hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
L.E.N. hat folgendes geschrieben:
elementares element eines unbedingten glaubens bzw einer religion ist die überzeugung etwas höheres, sei es supernaturalistisch oder ein rein theoretisches, denkbares ideal sei real bzw. jenseits des bloßen gedankens zu verwirklichen.

Also jeder, der irgendwas verwirklichen will, ist religiös? Am Kopf kratzen

wenn dieses etwas, wie ich schrieb, über das theoretische hinaus nicht zu den in der theorie genannten bedingungen realisiert werden kann und er trotzdem glaubt es sei möglich - ja.

Also ist jeder, der sich irgendwie über die Möglichkeit von irgendwas irrt, religiös?

L.E.N. hat folgendes geschrieben:
funktionieren hier: ein staat der über längere zeit bestand hat.

Sorry, verstehe ich immer noch nicht. Es geht hier doch darum, den entsprechenden Staat oder die entsprechende Bewegung überhaupt erstmal verstehen.

L.E.N. hat folgendes geschrieben:
worin macht sich das "nicht-funktionieren der soziologisch-politischen Theorie" fest?

Woran sich eben theoretische Probleme festmachen. Inkonsistenz, falscher oder unzureichender Bezug zum Gegenstand, etc.
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L.E.N.
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Anmeldungsdatum: 25.05.2004
Beiträge: 27745
Wohnort: Hamburg

Beitrag(#1495191) Verfasst am: 04.07.2010, 20:09    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
L.E.N. hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
L.E.N. hat folgendes geschrieben:
elementares element eines unbedingten glaubens bzw einer religion ist die überzeugung etwas höheres, sei es supernaturalistisch oder ein rein theoretisches, denkbares ideal sei real bzw. jenseits des bloßen gedankens zu verwirklichen.

Also jeder, der irgendwas verwirklichen will, ist religiös? Am Kopf kratzen

wenn dieses etwas, wie ich schrieb, über das theoretische hinaus nicht zu den in der theorie genannten bedingungen realisiert werden kann und er trotzdem glaubt es sei möglich - ja.

Also ist jeder, der sich irgendwie über die Möglichkeit von irgendwas irrt, religiös?


weshalb "irgendwas"? wir sprachen von Glauben bzw ideologien oder etwa nicht? was würdest du denn dort alles noch einsetzen wollen?!

ich präzisiere: jeder, der trotz der zu den in der theorie enthaltenen bedingungen nicht durchführbaren theorie an diese glaubt ist ebenso religiös, wie jemand, der an die existenz supranaturalistischer entitäten glaubt.

Zitat:
L.E.N. hat folgendes geschrieben:
funktionieren hier: ein staat der über längere zeit bestand hat.

Sorry, verstehe ich immer noch nicht. Es geht hier doch darum, den entsprechenden Staat oder die entsprechende Bewegung überhaupt erstmal verstehen.


okay, dann erläutere mir bitte woran du sonst die problematik der verbindung religiöser und politischer begrifflichkeit festmachst, wenn es nicht die funktionalität ist.

Zitat:
L.E.N. hat folgendes geschrieben:
worin macht sich das "nicht-funktionieren der soziologisch-politischen Theorie" fest?

Woran sich eben theoretische Probleme festmachen. Inkonsistenz, falscher oder unzureichender Bezug zum Gegenstand, etc.


das ist mir zu abstrakt, konkreter bitte.

im übrigen wäre ich dir dankbar wenn du auf meine beiträge vollständig eingehst.
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Kramer
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Anmeldungsdatum: 01.08.2003
Beiträge: 30878

Beitrag(#1495193) Verfasst am: 04.07.2010, 20:16    Titel: Re: Was ist an Religionen attraktiv? Antworten mit Zitat

VanHanegem hat folgendes geschrieben:
Kramer hat folgendes geschrieben:
VanHanegem hat folgendes geschrieben:

So können Eltern Gleichberechtigung von Mutti und Pappi praktizieren und diese Überzeugung an die Kinder weitergeben. Alternativ könnten sie glauben, daß der Mann überlegen sei. Umgekehrt könnten sie natürlich auch ein Matriarchat praktizieren.
Aber wie sie das hinkriegen sollen nichts von dem an die Kinder weiterzugeben müßtest Du erst mal genauer erläutern.


Hä?

Hä?? Willst Du damit andeuten, daß Du das Problem der Weitergabe religiöser Werte an die Kinder nicht mal ansatzweise verstehsst?


Hä?
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hugo
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Anmeldungsdatum: 19.06.2010
Beiträge: 53

Beitrag(#1495234) Verfasst am: 04.07.2010, 21:51    Titel: Antworten mit Zitat

Für mich gibt es entscheidende rationale Gründe dem Christentum oder Islam beizutreten.

Nur weil es a) zu aufwändig und b) zu verlogen und c) moralisch nicht vertretbar d) zu langweilig

ist, entscheide ich mich dagegen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Atheismus mir viele Vorteile bietet. Es sind rein rationale Gründe die mich zum Glauben führen und der Glauben ist dabei für mich nur Mittel zum Zweck.

Gäbe es diese 4 Punkte oder mehr nicht, dann würde ich zu einem Glauben konvertieren. Der Hauptgrund ist, dass monotheistische Glaubensformen essentielle Dinge im Leben unterstreichen: Wie Ernährung, Ehe, Geben und Nehmen, Gemeinschaft, etc.

Religionen bieten Serviceleistungen an, die in einer Marktwirtschaft nur sehr teuer sein würden.
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fwo
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Anmeldungsdatum: 05.02.2008
Beiträge: 26511
Wohnort: im Speckgürtel

Beitrag(#1495379) Verfasst am: 05.07.2010, 01:21    Titel: Antworten mit Zitat

hugo hat folgendes geschrieben:
.....
Religionen bieten Serviceleistungen an, die in einer Marktwirtschaft nur sehr teuer sein würden.

Jetzt verwunderst Du mich. Es gibt kaum einen Dienstleister, der teurer ist als die Kirche - sie will nicht nur einen Teil deines Geldes, sie will auch noch deine Mitarbeit und deine Kinder. Und das alles bei einem höchst zweifelhaften Angebot.....

fwo
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Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.

The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.

Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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L.E.N.
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Anmeldungsdatum: 25.05.2004
Beiträge: 27745
Wohnort: Hamburg

Beitrag(#1495424) Verfasst am: 05.07.2010, 07:43    Titel: Antworten mit Zitat

hugo hat folgendes geschrieben:
Der Hauptgrund ist, dass monotheistische Glaubensformen essentielle Dinge im Leben unterstreichen: Wie Ernährung, Ehe, Geben und Nehmen, Gemeinschaft, etc.

Religionen bieten Serviceleistungen an, die in einer Marktwirtschaft nur sehr teuer sein würden.


abgesehen davon, dass die von dir genannten auch ohne religion unterstrichen wurden und werden (können): die negativen dinge in religionen hast du wohl vergessen?
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44684

Beitrag(#1495430) Verfasst am: 05.07.2010, 08:19    Titel: Antworten mit Zitat

L.E.N. hat folgendes geschrieben:
okay, dann erläutere mir bitte woran du sonst die problematik der verbindung religiöser und politischer begrifflichkeit festmachst, wenn es nicht die funktionalität ist.

Es geht nicht um die Funktionalität der Verbindung zwischen Religion und Politik, sondern um die Funktionalität von Theorien über diese Verbindung. Im Grunde genommen geht es um die Frage, wie der Übergang vom Religiösen zum Politischen stattfindet. Es findet nämlich nicht einfach eine Eins-zu-Eins-Übersetzung statt. Politik ist ein anderer Bereich menschlichen Handelns als Religion, und dass sich die Bereiche überschneiden, bedeutet nicht, dass die Überschneidung begrifflich oder theoretisch unproblematisch wäre.
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L.E.N.
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Anmeldungsdatum: 25.05.2004
Beiträge: 27745
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Beitrag(#1495454) Verfasst am: 05.07.2010, 09:16    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Im Grunde genommen geht es um die Frage, wie der Übergang vom Religiösen zum Politischen stattfindet. Es findet nämlich nicht einfach eine Eins-zu-Eins-Übersetzung statt. Politik ist ein anderer Bereich menschlichen Handelns als Religion, und dass sich die Bereiche überschneiden, bedeutet nicht, dass die Überschneidung begrifflich oder theoretisch unproblematisch wäre.


Genausogut kann man sagen, dass religion bloß politik mit anderen mitteln ist, nämlich der bekämpfung von machtansprüchen anderer politischer kräfte aller art. von eins zu eins übersetzung war von meiner seite auch keine rede, es ist möglich das elemente des einen systems nicht oder nur teilweise ihre entsprechung im anderen system finden.
ich hatte das gottesgnadentum ja schon angesprochen. könige waren vom klerus abhängig.
in england schaffte es erst der despot Henry VIII. die macht der katholiken zu brechen und "seine" anglikanische kirche als ersatz einzusetzen womit er quasi die vorzeichen umkehrte.
in frankreich lief es anders, denn dort setzte man anstelle der religion einen demokratischen, noch nicht durch chauvinismus entstellten nationalismus als legitimierendes mittel ein. im selben maße, wie sich dort revolutionäre gedanken durchsetzten verloren religöse an geltung.

ein anderes beispiel für die überschneidung zweier separat erscheinende systeme ist das zwischen militär und politik. auch hier sehe ich eine übertragung von strukturen des einen aufs andere system ohne dass es theoretisch unproblematisch ist.
darüberhinaus gibt es mischformen zwischen beiden sowie mit anderen systemen wie in nordkorea.
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AlexJ
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Beitrag(#1495495) Verfasst am: 05.07.2010, 10:17    Titel: Antworten mit Zitat

L.E.N. hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Im Grunde genommen geht es um die Frage, wie der Übergang vom Religiösen zum Politischen stattfindet. Es findet nämlich nicht einfach eine Eins-zu-Eins-Übersetzung statt. Politik ist ein anderer Bereich menschlichen Handelns als Religion, und dass sich die Bereiche überschneiden, bedeutet nicht, dass die Überschneidung begrifflich oder theoretisch unproblematisch wäre.


Genausogut kann man sagen, dass religion bloß politik mit anderen mitteln ist, nämlich der bekämpfung von machtansprüchen anderer politischer kräfte aller art. von eins zu eins übersetzung war von meiner seite auch keine rede, es ist möglich das elemente des einen systems nicht oder nur teilweise ihre entsprechung im anderen system finden.
ich hatte das gottesgnadentum ja schon angesprochen. könige waren vom klerus abhängig.
in england schaffte es erst der despot Henry VIII. die macht der katholiken zu brechen und "seine" anglikanische kirche als ersatz einzusetzen womit er quasi die vorzeichen umkehrte.
in frankreich lief es anders, denn dort setzte man anstelle der religion einen demokratischen, noch nicht durch chauvinismus entstellten nationalismus als legitimierendes mittel ein. im selben maße, wie sich dort revolutionäre gedanken durchsetzten verloren religöse an geltung.

ein anderes beispiel für die überschneidung zweier separat erscheinende systeme ist das zwischen militär und politik. auch hier sehe ich eine übertragung von strukturen des einen aufs andere system ohne dass es theoretisch unproblematisch ist.
darüberhinaus gibt es mischformen zwischen beiden sowie mit anderen systemen wie in nordkorea.


Es geht nicht um Überschneidungen als solche, sondern das es eben nur Überschneidungen und nicht Komplett identische/deckungsgleiche Systeme sind, so das jegliche Beschreibung(Theorie), welche sie ohne Beachtung der Unterschiede gleichsetzt fehlerhaft/problematisch ist. Nicht selten kommt es dabei zu einer Begrifflichen Erweiterung einer oder mehrere Bezeichnungen der beschriebenen Systeme und letztlich auch zu einer Gleichsetzung der System.

Bei Systemen wie Politik und Religion ist das aufgrund der hohen Überschneidung nicht so offensichtlich, besser erkennbar sind da fehlerhaften Gleichsetzung der als "Ersatz Religionen" bezeichneten Felder/Begriffe: Karriere/Geld, Fitness/Ernährung, Freizeit/Spaß. So gibt es dann Begriffskonstruktionen wie Konsum-, Fitness- und Freizeittempel. Das solche Begriffskonstruktion höchstens als Karikatur zu gebrauchen sind, merkt aber längst nicht jeder.
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Effô Tisetti
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Beitrag(#1495512) Verfasst am: 05.07.2010, 10:45    Titel: Antworten mit Zitat

hugo hat folgendes geschrieben:
Es sind rein rationale Gründe die mich zum Glauben führen und der Glauben ist dabei für mich nur Mittel zum Zweck.


Es sind rein rationale Gründe die mich zum Glauben dran führen, dass 2+2=5 ist, und der Glauben ist dabei für mich nur Mittel zum Zweck, weil ich keinen Bock hab, mich mit Mathematik beschäftigen zu müssen.
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Tarvoc
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Beitrag(#1495514) Verfasst am: 05.07.2010, 10:45    Titel: Antworten mit Zitat

AlexJ hat folgendes geschrieben:
Bei Systemen wie Politik und Religion ist das aufgrund der hohen Überschneidung nicht so offensichtlich, besser erkennbar sind da fehlerhaften Gleichsetzung der als "Ersatz Religionen" bezeichneten Felder/Begriffe: Karriere/Geld, Fitness/Ernährung, Freizeit/Spaß. So gibt es dann Begriffskonstruktionen wie Konsum-, Fitness- und Freizeittempel. Das solche Begriffskonstruktion höchstens als Karikatur zu gebrauchen sind, merkt aber längst nicht jeder.

Gut erklärt. Ich würde sogar sagen, dass die Theorien, die den Nationalsozialismus als "politische Religion" zu charakterisieren versuchen, tatsächlich fast immer Karikaturen von ähnlicher Art sind wie die Redeweise von "Konsumtempeln", wenn auch natürlich elaborierter in ihrer Ausführung. Dass der Nationalsozialismus sich auch religiösen und quasi-religiösen Formen bedient, ist sicher richtig, aber das macht aus ihm noch lange kein religiöses Phänomen, geschweige denn eine "politische Religion". Nicht nur der Zweck, sondern auch die Form der Verwendung ist klar politisch bzw. biopolitisch. Und wenn man die Redeweise von "politischen Religionen" dann auch noch auf die Sowjetunion bzw. den Stalinismus ausdehnt, werden die theoretischen Probleme sogar noch gewaltiger.
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L.E.N.
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Beitrag(#1495518) Verfasst am: 05.07.2010, 10:55    Titel: Antworten mit Zitat

das heisst es besteht hier nur uneinigkeit darüber, ab welchem grad der überschneidunge beider systeme die bezeichnung "politische religion" gerechtfertigt ist?

doch wenn schon nicht der begriff "religion" sondern "politische religion" verwendet wird, ist doch völlig klar, dass keine religion gemeint ist, sondern ein politisches system mit einem hohen maß an religiösen elementen. und auch wenn diese häufig pseudoreligiöse elemente sind erfüllen sie doch den gleichen zweck, nämlich eine unbedingte akzeptanz und identifizierung durch ihre anhänger!
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Tarvoc
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Beitrag(#1495526) Verfasst am: 05.07.2010, 11:05    Titel: Antworten mit Zitat

L.E.N. hat folgendes geschrieben:
das heisst es besteht hier nur uneinigkeit darüber, ab welchem grad der überschneidunge beider systeme die bezeichnung "politische religion" gerechtfertigt ist?

Nein, das ist keine rein quantitative Frage. Der Begriff "politische Religion" ist vielmehr Ausdruck einer bestimmte Weise, die (oder eine) Form dieser Überschneidung überhaupt zu theoretisieren - und zwar einer Weise, die ich für falsch halte.

L.E.N. hat folgendes geschrieben:
doch wenn schon nicht der begriff "religion" sondern "politische religion" verwendet wird, ist doch völlig klar, dass keine religion gemeint ist, sondern ein politisches system mit einem hohen maß an religiösen elementen.

Das ist eben, wenn man sich die Quellen (also insbesondere Voegelin und seine Nachfolger) ansieht, alles andere als "völlig klar". Voegelins Herangehensweise ist z.B. eine primär religionshistorische.
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Zuletzt bearbeitet von Tarvoc am 05.07.2010, 11:11, insgesamt einmal bearbeitet
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Effô Tisetti
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Beitrag(#1495528) Verfasst am: 05.07.2010, 11:11    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
AlexJ hat folgendes geschrieben:
Bei Systemen wie Politik und Religion ist das aufgrund der hohen Überschneidung nicht so offensichtlich, besser erkennbar sind da fehlerhaften Gleichsetzung der als "Ersatz Religionen" bezeichneten Felder/Begriffe: Karriere/Geld, Fitness/Ernährung, Freizeit/Spaß. So gibt es dann Begriffskonstruktionen wie Konsum-, Fitness- und Freizeittempel. Das solche Begriffskonstruktion höchstens als Karikatur zu gebrauchen sind, merkt aber längst nicht jeder.

Gut erklärt. Ich würde sogar sagen, dass die Theorien, die den Nationalsozialismus als "politische Religion" zu charakterisieren versuchen, tatsächlich fast immer Karikaturen von ähnlicher Art sind wie die Redeweise von "Konsumtempeln", wenn auch natürlich elaborierter in ihrer Ausführung. Dass der Nationalsozialismus sich auch religiösen und quasi-religiösen Formen bedient, ist sicher richtig, aber das macht aus ihm noch lange kein religiöses Phänomen, geschweige denn eine "politische Religion". Nicht nur der Zweck, sondern auch die Form der Verwendung ist klar politisch bzw. biopolitisch. Und wenn man die Redeweise von "politischen Religionen" dann auch noch auf die Sowjetunion bzw. den Stalinismus ausdehnt, werden die theoretischen Probleme sogar noch gewaltiger.


Das ist eine Form von semantischer Haarspalterei, wie sie höchstens noch Theologen oder Philosophen einfällt. Es gibt keinen "System-Dualismus" von Politik und Religion. Das sollte, wenn nicht schon seit Echnaton, so aber mindestens seit dem Deuteronomium klar sein. Und der "bessere" Mensch und die "höherwertige" Rasse sind ganz klar quasi-religiöse Inhalte, nicht nur "Formen".
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Tarvoc
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Beitrag(#1495533) Verfasst am: 05.07.2010, 11:16    Titel: Antworten mit Zitat

Effô Tisetti hat folgendes geschrieben:
Es gibt keinen "System-Dualismus" von Politik und Religion.

Was du mit "Systemdualismus" meinst, weiss ich nicht. Willst du sagen, dass Politik und Religion eigentlich immer schon genau das selbe sind und einfach begrifflich völlig in eins fallen? Wenn du das nicht sagen willst (und das hoffe ich doch mal sehr), ist gar nicht klar, was du mit einer Zurückweisung eines "System-Dualismus" hier überhaupt sagen willst. Es sind zwei verschiedene Bereiche, die sich überschneiden. Die Überschneidung ist zu theoretisieren - auf die eine oder andere Weise. Evident oder selbstverständlich ist hier gar nichts.

Effô Tisetti hat folgendes geschrieben:
Das sollte, wenn nicht schon seit Echnaton, so aber mindestens seit dem Deuteronomium klar sein.

Solange du keine Argumentation oder wenigstens minimale theoretische Ausdeutung der Phänomene anbietest, die du schlagwortartig in den Raum pfefferst, ist hier gar nichts einfach "klar".

Effô Tisetti hat folgendes geschrieben:
Und der "bessere" Mensch und die "höherwertige" Rasse sind ganz klar quasi-religiöse Inhalte, nicht nur "Formen".

Nein, die Rassenlehre ist kein religiöser Inhalt. Quasi-religiös gedeutet werden kann allenfalls die damit verbundene Heilserwartung (obwohl ich sogar dagegen gewisse Einwände hätte).
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Zuletzt bearbeitet von Tarvoc am 05.07.2010, 11:44, insgesamt 2-mal bearbeitet
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Beitrag(#1495539) Verfasst am: 05.07.2010, 11:29    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
L.E.N. hat folgendes geschrieben:
das heisst es besteht hier nur uneinigkeit darüber, ab welchem grad der überschneidunge beider systeme die bezeichnung "politische religion" gerechtfertigt ist?

Nein, das ist keine rein quantitative Frage. Der Begriff "politische Religion" ist vielmehr Ausdruck einer bestimmte Weise, die (oder eine) Form dieser Überschneidung überhaupt zu theoretisieren - und zwar einer Weise, die ich für falsch halte.


solange du nicht klarmachst aus welchen (nicht-ideologischen!) gründen du diese theoretisierung (die ich unabhängig von voegelin zumindest ansatzweise gedacht habe) falsch findest, halte ich an ihr fest.

Zitat:
L.E.N. hat folgendes geschrieben:
doch wenn schon nicht der begriff "religion" sondern "politische religion" verwendet wird, ist doch völlig klar, dass keine religion gemeint ist, sondern ein politisches system mit einem hohen maß an religiösen elementen.

Das ist eben, wenn man sich die Quellen (also insbesondere Voegelin und seine Nachfolger) ansieht, alles andere als "völlig klar". Voegelins Herangehensweise ist z.B. eine primär religionshistorische.


ich halte den begriff "politreligion" für ausreichend konsistent um mit ihm arbeiten zu können und es gibt viele beispiele die dies zeigen.
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AlexJ
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Beitrag(#1495546) Verfasst am: 05.07.2010, 11:39    Titel: Antworten mit Zitat

Effô Tisetti hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
AlexJ hat folgendes geschrieben:
Bei Systemen wie Politik und Religion ist das aufgrund der hohen Überschneidung nicht so offensichtlich, besser erkennbar sind da fehlerhaften Gleichsetzung der als "Ersatz Religionen" bezeichneten Felder/Begriffe: Karriere/Geld, Fitness/Ernährung, Freizeit/Spaß. So gibt es dann Begriffskonstruktionen wie Konsum-, Fitness- und Freizeittempel. Das solche Begriffskonstruktion höchstens als Karikatur zu gebrauchen sind, merkt aber längst nicht jeder.

Gut erklärt. Ich würde sogar sagen, dass die Theorien, die den Nationalsozialismus als "politische Religion" zu charakterisieren versuchen, tatsächlich fast immer Karikaturen von ähnlicher Art sind wie die Redeweise von "Konsumtempeln", wenn auch natürlich elaborierter in ihrer Ausführung. Dass der Nationalsozialismus sich auch religiösen und quasi-religiösen Formen bedient, ist sicher richtig, aber das macht aus ihm noch lange kein religiöses Phänomen, geschweige denn eine "politische Religion". Nicht nur der Zweck, sondern auch die Form der Verwendung ist klar politisch bzw. biopolitisch. Und wenn man die Redeweise von "politischen Religionen" dann auch noch auf die Sowjetunion bzw. den Stalinismus ausdehnt, werden die theoretischen Probleme sogar noch gewaltiger.


Das ist eine Form von semantischer Haarspalterei, wie sie höchstens noch Theologen oder Philosophen einfällt. Es gibt keinen "System-Dualismus" von Politik und Religion. Das sollte, wenn nicht schon seit Echnaton, so aber mindestens seit dem Deuteronomium klar sein. Und der "bessere" Mensch und die "höherwertige" Rasse sind ganz klar quasi-religiöse Inhalte, nicht nur "Formen".


Es ist keine Semantische Harrspalterei. Die Überschneidung von Religion und Politik wird nicht in Abrede Gestellt, dennoch ist Religion keine Politik und Politik keine "Ersatz Religion".
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Tarvoc
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Beitrag(#1495547) Verfasst am: 05.07.2010, 11:43    Titel: Antworten mit Zitat

L.E.N. hat folgendes geschrieben:
ich halte den begriff "politreligion" für ausreichend konsistent um mit ihm arbeiten zu können und es gibt viele beispiele die dies zeigen.

Welche sollen das sein?
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Effô Tisetti
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Beitrag(#1495549) Verfasst am: 05.07.2010, 11:48    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Effô Tisetti hat folgendes geschrieben:
Es gibt keinen "System-Dualismus" von Politik und Religion.

Was du mit "Systemdualismus" meinst, weiss ich nicht. Willst du sagen, dass Politik und Religion eigentlich immer schon genau das selbe sind und einfach begrifflich völlig in eins fallen? Wenn du das nicht sagen willst (und das hoffe ich doch mal sehr), ist gar nicht klar, was du mit einer Zurückweisung eines "System-Dualismus" hier überhaupt sagen willst.


Es gibt keine Religion ohne politische Motivation oder Implikation. Bewusst oder unterbewusst ist Religion immer Mittel zum politischen Zweck. Kannst du mir einen religiösen Inhalt nennen, der keinen Einfluss auf die politische Sphäre im weiteren Sinne hätte? Die Tatsache, dass ein religiöser Inhalt "geglaubt" wird, ist zudem immer Folge eines gewonnen politischen Kampfes (mindestens innerhalb der eigenen Peer-Group). Wenn man so will, ist Religion ein emergentes Phänomen von Politik.

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Effô Tisetti hat folgendes geschrieben:
Das sollte, wenn nicht schon seit Echnaton, so aber mindestens seit dem Deuteronomium klar sein.

Solange du keine Argumentation oder wenigstens minimale theoretische Ausdeutung der Phänomene anbietest, die du schlagwortartig in den Raum pfefferst, ist hier gar nichts einfach "klar".


Heilige Schriften sind in der Regel (mindestens auch) politische Kampfschriften.

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Effô Tisetti hat folgendes geschrieben:
Und der "bessere" Mensch und die "höherwertige" Rasse sind ganz klar quasi-religiöse Inhalte, nicht nur "Formen".

Nein, die Rassenlehre ist kein religiöser Inhalt. Mit den Augen rollen


Richtig, die Rassenlehre ist Pseudowissenschaft. Aber die teleologische Vorstellung davon, dass (von wem auch immer) eine wertvollere Menschenrasse in die Welt gesetzt wurde, die sich quasi zur ultimativen Krone der Schöpfung entwickeln werde und bereits jetzt (von wem eigentlich) das Recht verliehen bekommen habe, über alle anderen zu herrschen (Blut und Boden), ist m.E. eine quasi-religiöse. Nur weil neu-religiöse Ideen nicht mehr im alten Gewand von Gottvater und wundertätigen Zauberern daherkommen, sind nicht sie plötzlich was "ganz anderes".
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