Freigeisterhaus Foren-Übersicht
 FAQFAQ   SuchenSuchen   MitgliederlisteMitgliederliste   NutzungsbedingungenNutzungsbedingungen   BenutzergruppenBenutzergruppen   LinksLinks   RegistrierenRegistrieren 
 ProfilProfil   Einloggen, um private Nachrichten zu lesenEinloggen, um private Nachrichten zu lesen   LoginLogin 

Ist Abtreibung Mord?
Gehe zu Seite Zurück  1, 2, 3 ... 38, 39, 40 ... 75, 76, 77  Weiter
 
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen   Drucker freundliche Ansicht    Freigeisterhaus Foren-Übersicht -> Kultur und Gesellschaft
Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen  
Autor Nachricht
tridi
_____



Anmeldungsdatum: 21.06.2007
Beiträge: 7933

Beitrag(#1550773) Verfasst am: 05.10.2010, 23:01    Titel: Antworten mit Zitat

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Wolf hat folgendes geschrieben:
Wie gesagt du ruderst zurück. Vorhin gab es noch nichts gegen eine leidfreie Tötung. Jetzt muss das Lebensinteresse berücksichtigt werden.


Die Grundlagen meiner Ethik habe ich schon vor langer Zeit mit klarstmöglichen Worten dargestellt. Wer sie verstehen will, der kann sie verstehen.

das ist ein bisschen schwierig, denn nicht nur wolf hat den eindruck, dass du "zurueckruderst" und deine neueren aussagen den vorhergehenden nicht entsprechen.

Zitat:

Wolf hat folgendes geschrieben:
Ist es in deiner Ethik eigentlich unethisch Kinder zu bekommen?

Tatsächlich kann das ethisch heikel oder unmoralisch sein, aber natürlich kommt es auf die Umstände an.

gehen wir doch mal von normalen umstaenden aus: das kind wird nicht immer gluecklich sein, es wird auch mal krank sein und leiden, es wird auch mal an liebeskummer leiden usw.

also besser gar kein kind ansetzen oder es ggf. einfach abtreiben? schliesslich braucht es dann nicht leiden...

ist das deine position?

oder wieso meinst du, es koennte ethisch heikel oder unmoralisch sein, ein kind zu bekommen?
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
AgentProvocateur
registrierter User



Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#1550796) Verfasst am: 05.10.2010, 23:57    Titel: Antworten mit Zitat

tridi hat folgendes geschrieben:
Ascanius hat folgendes geschrieben:
Wolf hat folgendes geschrieben:
Ist es in deiner Ethik eigentlich unethisch Kinder zu bekommen?

Tatsächlich kann das ethisch heikel oder unmoralisch sein, aber natürlich kommt es auf die Umstände an.

gehen wir doch mal von normalen umstaenden aus: das kind wird nicht immer gluecklich sein, es wird auch mal krank sein und leiden, es wird auch mal an liebeskummer leiden usw.

also besser gar kein kind ansetzen oder es ggf. einfach abtreiben? schliesslich braucht es dann nicht leiden...

ist das deine position?

Natürlich, das ist unweigerlich und unausweichlich seine Position. Sie ergibt sich direkt aus seiner grundlegenden Prämisse:

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Soll Ethik nicht beliebig sein, muß sie einem konkreten Zweck dienen, der wiederum ihre Referenzobjekte bestimmt. Ist es der Zweck von Ethik, Leid vorzubeugen, es zu lindern oder zu beseitigen - etwas, worauf sich alle leidensfähigen, personalen und lebensbewußten Wesen einigen können sollten - kann man das Lebensinteresse eines Wesens nicht als Argument gegen seine eigene Tötung gelten lassen, denn im Augenblick seines Todes hört es auf, ein moralisches Objekt zu sein. Würden wir es gelten lassen, wäre der Zweck von Ethik nicht mehr der oben genannte, und zu ihren Referenzobjekten würden möglicherweise sogar Leichen, also empfindungslose Gegenstände gehören. Dem wüstesten Chaos wären Tür und Tor geöffnet, und das kann doch ernsthaft niemand wollen. [...]


Leider sieht er das nicht ein. Außerdem kann er erfahrungsgemäß nicht einsehen, dass seine Prämisse und die Folgerungen daraus andere schlicht nicht teilen. Das versteht er nicht, denn sie sollten sie ja - einfach so, ohne weitere Begründung - (s.o.) teilen.

Klar ist es völlig absurd, dass er nichtsdestotrotz laufend von einem Lebensinteresse redet, welches berücksichtigt werden sollte. Wie das mit seiner Grundprämisse, (s.o.), zu vereinbaren ist: darauf hat er keine Antwort. Er sagt dann immer sowas in der Art:

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Ein moralischer Mensch berücksichtigt die Leidensfähigkeit und das Lebensinteresse Anderer wie sein/e eigene/s - das ist die Übereinkunft, die meiner Ethik zugrundeliegt.

Ein (objektiv?) 'moralischer Mensch' tut dies und jenes und das nicht und das ist einfach so: weil es dann ein echt moralischer Mensch ist, weil das so ist. Und so sein sollte. Eben deswegen, weil er das meint und daher ist es so.

Wie das das aber mit seiner Prämisse: 'der einzige Zweck von Ethik sei es, Leid zu vermeiden' (s.o.) zusammenpasst - tja, darauf hat er noch keine Antwort gefunden.

Was soll man nun weiters dazu sagen? Das ist einfach nur inkonsistent.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
step
registriert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#1550954) Verfasst am: 06.10.2010, 10:19    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ja, klar, die Zukunft von allem und jedem (auch von mir und Dir und X) hängt auch von unseren Entscheidungen ab. ... Das ist doch einfach nur selbstverständlich.

Ja, sollte man meinen!

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... Aber den Zusammenhang, bzw., was Du damit sagen willst, worauf Du hinauswillst, habe ich nun immer noch nicht verstanden.

Naja, Du schreibst "die Zukunft verbauen", und das suggeriert, daß die (eine ganz bestimmte) Zukunft des Embryos bereits bekannt oder vorauszusetzen sei. Mit anderen Worten, Du glaubst an eine Bestimmung des Embryos A.
_________________
Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Babyface
Altmeister



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 11518

Beitrag(#1551004) Verfasst am: 06.10.2010, 11:31    Titel: Antworten mit Zitat

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Babyface hat folgendes geschrieben:
Ascanius hat folgendes geschrieben:
Wenn eine moralische Handlung daran zu erkennen ist, daß sie die Bedürfnisse und Interessen der von ihr betroffenen leidensfähigen Wesen dem Gleichheitsprinzip gemäß mit dem Ziel berücksichtigt, Leid vorzubeugen, es zu lindern oder zu beseitigen, kann das Lebensinteresse eines zu tötenden Wesens kein ethischer Grund gegen seine Tötung sein - das ist ein logischer Sachverhalt!


Ja, wenn die Prämisse lautet, dass man neben Leidminimierung keinen anderen Zweck einer Ethik gelten lässt, dann ist das die logische Konsequenz aus dieser Prämisse. So langsam solltest Du aber begriffen haben, dass ich genau diese Prämisse bestreite.


Das habe ich begriffen, aber auf eine rationale Begründung oder gar einen entwicklungsfähigen Gegenvorschlag warte ich noch immer.

Ich hatte ja bereits gezeigt, wie Menschen eine Unethik leidfreier Tötungen mit Lebensinteressen direkt, konsequenzialistisch, funktional und rational begründen können. Wenn Du tatsächlich begriffen hättest, dass ich Deine Prämisse bestreite, hättest Du diesen "Gegenvorschlag" nicht unreflektiert an seiner logischen Unvereinbarkeit mit Deiner Prämisse gemessen.

Zitat:
Babyface hat folgendes geschrieben:
Ascanius hat folgendes geschrieben:
Bezeichnenderweise hast Du noch kein Wort des Protestes über Tötungen durch Unterlassung verloren.


Hab ich in anderen Threads. Wofür ist es jetzt bezeichnend, dass ich es in diesem noch nicht getan habe?


Wenn Du ein Tötungsverbot nicht-konsequenzialistisch begründest, nur um es ganz überflüssigerweise direkt begründen zu können, während Du Dich über das praktisch viel größere Problem des Sterbenlassens ausschweigst, entsteht zumindest der Eindruck selektiver Wahrnehmung. Möglicherweise ist sie sogar interessengelenkt, denn Du wirst wohl kein lebensbewußtes Wesen aktiv töten, aber es könnte peinlich sein, Dir als Vertreter der vermeintlich besseren Lebensschutzidee eingestehen zu müssen, daß Du ein Unterlassungsmörder bist und viel weniger dagegen unternimmst, als es der emotionalen Vehemenz Deines Tötungsverbotes entspricht.

Diese Vorwürfe und Unterstellungen sind mir viel zu schwammig, als dass ich darauf in irgend einer Weise eingehen könnte und möchte.
_________________
posted by Babyface
.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
AgentProvocateur
registrierter User



Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#1551282) Verfasst am: 06.10.2010, 19:10    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... Aber den Zusammenhang, bzw., was Du damit sagen willst, worauf Du hinauswillst, habe ich nun immer noch nicht verstanden.

Naja, Du schreibst "die Zukunft verbauen", und das suggeriert, daß die (eine ganz bestimmte) Zukunft des Embryos bereits bekannt oder vorauszusetzen sei. Mit anderen Worten, Du glaubst an eine Bestimmung des Embryos A.

Verstehe ich immer noch nicht. Schulterzucken

Weder muss ich dazu eine ganz bestimmte Zukunft (eines Individuums) schon kennen oder voraussetzen, noch glaube ich an eine (äußere?) Bestimmung.

Beispiel: verweigere ich einem Kind seine Ausbildung komplett oder amputiere ich ihm ohne Not irgendwelche Gliedmaßen, dann kann man mE durchaus sagen, dass ich diesem Kind (sehr wahrscheinlich) damit seine Zukunft verbaue, insofern, als ich seine zukünftigen selbstbestimmten Handlungsmöglichkeiten beschränke, (und diese stellen für mich einen Wert dar). Um das meinen zu können, muss ich weder seine Zukunft exakt kennen, noch würde ich nun sagen, es sei irgendwie die Bestimmung eines Kindes, eine Ausbildung zu erhalten oder alle Gliedmaßen zu behalten, (naja, mit dem Wort 'Bestimmung' kann ich aber an der Stelle eh nicht so viel anfangen, finde ich hier einfach unpassend).
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
step
registriert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#1551300) Verfasst am: 06.10.2010, 19:57    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Du schreibst "die Zukunft verbauen", und das suggeriert, daß die (eine ganz bestimmte) Zukunft des Embryos bereits bekannt oder vorauszusetzen sei. Mit anderen Worten, Du glaubst an eine Bestimmung des Embryos A.
Verstehe ich immer noch nicht. Schulterzucken

Irgendwie kann ich das nicht mehr glauben. Es liegt doch logisch auf der Hand:

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Weder muss ich dazu eine ganz bestimmte Zukunft (eines Individuums) schon kennen oder voraussetzen, ...

Doch, mußt Du: Du mußt voraussetzen, daß die Zukunft des Embryo A darin besteht, ein Kind zu werden, und nicht etwa darin, vom Körper resorbiert oder abgesaugt zu werden. Du glaubst offensichtlich daran, daß die (typische, gewollte, natürliche, ...) Zukunft eines Embryos im Erwachsenwerden besteht, wenn Du den Ausdruck "die Zukunft verbauen" in diesem Zusammenhang verwendest.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Beispiel: verweigere ich einem Kind seine Ausbildung komplett oder amputiere ich ihm ohne Not irgendwelche Gliedmaßen, dann kann man mE durchaus sagen, dass ich diesem Kind (sehr wahrscheinlich) damit seine Zukunft verbaue, insofern, als ich seine zukünftigen selbstbestimmten Handlungsmöglichkeiten beschränke, (und diese stellen für mich einen Wert dar).

Das ist dann richtig gefolgert, wenn wir davon ausgehen, daß das amputierte Kind vermutlich einmal in diese Situation kommt, in der seine Handlungsmöglichkeiten beschränkt sind. In Deinem Beispiel ist das (hier und heute) in der Tat sehr wahrscheinlich, und deshalb ist hier eine ethische Argumentation gegen das Amputieren einfach.

Der Fall ist aber auf den Embryo A nicht übertragbar, da er im Fall einer Abtreibung niemals in die Situation kommt, in der seine Handlungsmöglichkeiten beschränkt sind.

Aus ebendiesem Grunde kann man mE relativ leicht argumentieren, daß starkes Rauchen und Saufen in der Schwangerschaft ethisch verwerflich ist (da der Embryo mit einer nicht vernachlässigbaren Wahrscheinlichleit später Schaden davon hat, ähnlich wie in Deinem Amputationsfall), nicht aber gegen Abtreibung. Auch gegen Säuglingsmord muß man anders argumentieren als über die zukünftigen Interessen, letzteres ist einfach logisch falsch.
_________________
Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
AgentProvocateur
registrierter User



Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#1551338) Verfasst am: 06.10.2010, 21:00    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Es liegt doch logisch auf der Hand:

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Weder muss ich dazu eine ganz bestimmte Zukunft (eines Individuums) schon kennen oder voraussetzen, ...

Doch, mußt Du: Du mußt voraussetzen, daß die Zukunft des Embryo A darin besteht, ein Kind zu werden, und nicht etwa darin, vom Körper resorbiert oder abgesaugt zu werden. Du glaubst offensichtlich daran, daß die (typische, gewollte, natürliche, ...) Zukunft eines Embryos im Erwachsenwerden besteht, wenn Du den Ausdruck "die Zukunft verbauen" in diesem Zusammenhang verwendest.

Aber ich habe das gar nicht in diesem Zusammenhang verwendet, eigentlich habe ich oben immer von Säuglingen geredet. Den Embryo hast Du hier hereingeschmuggelt.

Allerdings betrifft meine Ansicht durchaus in evtl. abgeschwächter Form auch Föten und Embryos. Deine Argumentation muss sich aber ebenso auf Säuglinge beziehen.

Und bez. 'Wahrscheinlichkeiten': s.u.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Beispiel: verweigere ich einem Kind seine Ausbildung komplett oder amputiere ich ihm ohne Not irgendwelche Gliedmaßen, dann kann man mE durchaus sagen, dass ich diesem Kind (sehr wahrscheinlich) damit seine Zukunft verbaue, insofern, als ich seine zukünftigen selbstbestimmten Handlungsmöglichkeiten beschränke, (und diese stellen für mich einen Wert dar).

Das ist dann richtig gefolgert, wenn wir davon ausgehen, daß das amputierte Kind vermutlich einmal in diese Situation kommt, in der seine Handlungsmöglichkeiten beschränkt sind. In Deinem Beispiel ist das (hier und heute) in der Tat sehr wahrscheinlich, und deshalb ist hier eine ethische Argumentation gegen das Amputieren einfach.

Aber das hat mE wenig mit der abschätzbaren Wahrscheinlichkeit zu tun, mit der ein bestimmter Säugling in diese Situation kommen wird. Eine nicht notwendige Amputation ist mE auch dann falsch, wenn dieser Säugling z.B. in einer Bürgerkriegssituation lebt, in der seine Überlebenswahrscheinlichkeit sehr gering ist. Sie wird dadurch doch nicht moralisch besser. Zumindest ist mir nicht ersichtlich, wieso dem so sein sollte. Ich kenne ja die Zukunft dieses speziellen Säuglings nicht und es reicht aus, dass es sein kann, dass er überlebt.

step hat folgendes geschrieben:
Der Fall ist aber auf den Embryo A nicht übertragbar, da er im Fall einer Abtreibung niemals in die Situation kommt, in der seine Handlungsmöglichkeiten beschränkt sind.

Es ist trivial, dass jemand, dessen Leben beendet wird, in keinerlei Situationen mehr kommen kann - weil er ja dann schlicht nicht mehr existiert. Fragt sich nur, ob und inwiefern dieser triviale Fakt tatsächlich eine moralische Legitimation für eine bestimmte Handlung darstellen kann.

Wenn man nur bewusste (oder 'dispositionale') Interessen als zu berücksichtigenswerte Werte einer Ethik ansieht, dann: ja, so ist das dann wohl. Aber diese Deine Prämisse teile ich nun mal nicht. Ich weiß ja immer noch nicht, wieso Du ihr eigentlich anhängst, obgleich ich das schon mehrfach versucht habe, herauszufinden.

Wenn Du ihr einfach so anhängst, weil Du das halt in Ordnung findest, Dir das plausibel erscheint etc. - dann: okay, ist bei mir und meinen Prämissen ja nicht anders. Nur fällt Deine Behauptung bezüglich Deiner angeblich rationaleren Prämissen dann wohl ziemlich flach.

step hat folgendes geschrieben:
Aus ebendiesem Grunde kann man mE relativ leicht argumentieren, daß starkes Rauchen und Saufen in der Schwangerschaft ethisch verwerflich ist (da der Embryo mit einer nicht vernachlässigbaren Wahrscheinlichleit später Schaden davon hat, ähnlich wie in Deinem Amputationsfall), nicht aber gegen Abtreibung. Auch gegen Säuglingsmord muß man anders argumentieren als über die zukünftigen Interessen, letzteres ist einfach logisch falsch.

Ich argumentiere aber nicht lediglich mit zukünftigen Interessen. Ich argumentiere mit dem aktuellen Status, den ich, falls ich ihn für hinreichend fortgeschritten halte, für schützenswert und eine Unterbrechung seiner weiteren Entwicklung für falsch halte. Wobei natürlich die Betrachtung der vermutlichen Zukunft durchaus eine Rolle spielt - aber nicht nur und ausschließlich.

Daran ist nichts logisch falsch - es ist einfach nur so, dass wir offensichtlich unterschiedliche Prämissen / Ansichten / Meinungen haben und Du meine nicht akzeptieren willst. Nur: wieso Du das nicht willst - das weiß ich immer noch nicht. Du behauptest einfach nur, dass Deine die Besseren / Rationaleren / wie auch immer seien. Letztlich unterscheidest Du Dich insofern nicht von Ascanius - der geht ganz genauso vor.

Aber das musst Du dann nun mal zeigen.

Für mich ist ja schlicht diese: 'nur aktuelle (bzw. aktuelle dispositionale) Interessen sind wichtig, wertvoll, danach muss alles beurteilt werden, man darf seine Handlung keineswegs auf die Zukunft ausrichten, indem man die Auswirkungen seiner Handlung auf ein Wesen betrachten, man darf immer nur den aktuellen Status eines Wesens betrachten und dessen Wert danach festlegen'-Ansicht jenseits von allem, was ich nachvollziehen kann. Wieso muss man das tun? Ich sehe überhaupt keinen Grund dafür.

Insbesondere aber dann, wenn sich das auch auf dispositionale (und nicht lediglich bewusste, aktuelle) Interessen bezieht. Dann wird es mE gänzlich unnachvollziehbar, das riecht dann sehr nach: 'ist so, weil ich es will'. Was ja auch in Ordnung ist - was sich aber dann nun mal nicht mehr dazu eignet, sich selber als rationaler darzustellen als Menschen mit anderen Prämissen / Interessen.

Wenn es aber nur eine Festlegung, eine Vereinbarung, eine Prämisse ist, nichts weiter, das also nicht weiter begründet werden kann, dann stimme ich dem schlicht nicht zu. Ich finde die allerdings zusätzlich höchst merkwürdig, denn die meisten Leute tun sowas in den meisten Fällen bei einer Abschätzung ihrer Handlungen nicht, sie betrachten sehr wohl, welche Auswirkungen ihrer Handlungen sich für andere Wesen (oder auch Dinge) ergeben. Es wäre mE sehr unklug, das (die Zukunft von X ist egal und darf nicht in die Kalkulation einer Handlung einbezogen werden) als allgemeines Prinzip einführen zu wollen und wenig konsistent, wenn man es nur in bestimmten Fällen, nämlich dann, wenn man den Wert eines Lebewesens bestimmen will, proklamiert. Es sei denn, eben dafür gäbe es einen guten Grund. Aber wo ist der?
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
step
registriert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#1551347) Verfasst am: 06.10.2010, 21:34    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Du mußt voraussetzen, daß die Zukunft des Embryo A darin besteht, ein Kind zu werden, und nicht etwa darin, vom Körper resorbiert oder abgesaugt zu werden. Du glaubst offensichtlich daran, daß die (typische, gewollte, natürliche, ...) Zukunft eines Embryos im Erwachsenwerden besteht, wenn Du den Ausdruck "die Zukunft verbauen" in diesem Zusammenhang verwendest.

Aber ich habe das gar nicht in diesem Zusammenhang verwendet, eigentlich habe ich oben immer von Säuglingen geredet. Den Embryo hast Du hier hereingeschmuggelt.

Nix geschmuggelt. Ich habe den Embryo verwendet, weil ich nicht für Säuglingsmord plädieren will, sondern mich auf die Widerlegung Deines "die Zukunft verbauen" konzentriert habe.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... Eine nicht notwendige Amputation ist mE auch dann falsch, wenn dieser Säugling z.B. in einer Bürgerkriegssituation lebt, in der seine Überlebenswahrscheinlichkeit sehr gering ist. Sie wird dadurch doch nicht moralisch besser. Zumindest ist mir nicht ersichtlich, wieso dem so sein sollte.

Nochmal: Daraus, daß Deine Argumentation "die Zukunft verbauen" logisch falsch ist, folgt keinerlei Argument für die Tötung von Säuglinegn oder dagegen.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Der Fall ist aber auf den Embryo A nicht übertragbar, da er im Fall einer Abtreibung niemals in die Situation kommt, in der seine Handlungsmöglichkeiten beschränkt sind.
Es ist trivial, dass jemand, dessen Leben beendet wird, in keinerlei Situationen mehr kommen kann - weil er ja dann schlicht nicht mehr existiert. Fragt sich nur, ob und inwiefern dieser triviale Fakt tatsächlich eine moralische Legitimation für eine bestimmte Handlung darstellen kann.

Und nochmal: Ich legitimiere gar nichts, sondern zeige nur, daß man für ein Verbot ein anderes Argument braucht als Deins.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ich argumentiere aber nicht lediglich mit zukünftigen Interessen. Ich argumentiere mit dem aktuellen Status, den ich, falls ich ihn für hinreichend fortgeschritten halte, für schützenswert und eine Unterbrechung seiner weiteren Entwicklung für falsch halte. Wobei natürlich die Betrachtung der vermutlichen Zukunft durchaus eine Rolle spielt - aber nicht nur und ausschließlich.

Hmm ... alo über Deine weiteren Gründe sage ich nichts, aber der mit den zukünftigen Interessen IST logisch falsch.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... Es wäre mE sehr unklug, das (die Zukunft von X ist egal und darf nicht in die Kalkulation einer Handlung eingezogen werden) als allgemeines Prinzip einführen zu wollen ...

Und noch ein letztes Mal: Ich argumentiere NICHT, daß die Zukunft von X egal ist, sondern daß nicht allein deshalb X1 die Zukunft von (jedem) X ist, weil Du das für "normal" hältst. Und daß man deshalb einen anderen Grund finden muß, um die Tötung von X zu verbieten.

Nur am Rande: "Nicht egal" heißt übrigens gerade, daß jemand Interesse dran hat.
_________________
Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
AgentProvocateur
registrierter User



Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#1551384) Verfasst am: 06.10.2010, 22:50    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ich argumentiere aber nicht lediglich mit zukünftigen Interessen. Ich argumentiere mit dem aktuellen Status, den ich, falls ich ihn für hinreichend fortgeschritten halte, für schützenswert und eine Unterbrechung seiner weiteren Entwicklung für falsch halte. Wobei natürlich die Betrachtung der vermutlichen Zukunft durchaus eine Rolle spielt - aber nicht nur und ausschließlich.

Hmm ... alo über Deine weiteren Gründe sage ich nichts, aber der mit den zukünftigen Interessen IST logisch falsch.

Und, nochmal: ich weise einem Wesen ab einem gewissen Entwicklungsstand einen Wert zu, jedoch unter Berücksichtigung seiner von mir angenommenen / möglichen zukünftigen Entwicklung. Ich teile schlicht nicht Deine Prämisse, dass nur aktuelle (oder aktuelle dispositionale) Interessen (allgemeiner für ein beliebiges X gesagt: aktuelle - hier und jetzt, aber nicht morgen oder übermorgen mögliche / eventuelle / wie auch immer - Eigenschaften) einen Wert begründen können. So verfährt normalerweise niemand bei seiner Abschätzung von Handlungsfolgen. Es wäre mMn auch sehr dumm, das als allgemeines Prinzip zu verwenden. Wenn ich z.B. guten Grund zu der Annahme hätte, dass Gold in drei Jahren das 10-fache wert wäre, dann würde ich mir einen gewaltigen Haufen Gold zulegen und ich hielte das gar für eine rationale Handlung, ich sehe daran nichts irrationales. Im Vorneherein irrational wäre das nur, wenn die Annahme notwendigerweise falsch wäre, wenn also die (von mir dann fälschlicherweise als gut angesehenen) Gründe gar keine guten Gründe wären, sie widerlegt werden könnten.

Was an meiner Ansicht nun unlogisch sein soll, ist bisher offen. Ich finde es eher unlogisch, die zukünftigen Auswirkungen der eigenen Handlungen ausblenden zu sollen. Das schreit geradezu nach einer Begründung, imho.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... Es wäre mE sehr unklug, das (die Zukunft von X ist egal und darf nicht in die Kalkulation einer Handlung eingezogen werden) als allgemeines Prinzip einführen zu wollen ...

Und noch ein letztes Mal: Ich argumentiere NICHT, daß die Zukunft von X egal ist, sondern daß nicht allein deshalb X1 die Zukunft von (jedem) X ist, weil Du das für "normal" hältst.

Das habe ich aber doch auch gar nicht behauptet. X1 ist selbstverständlich nicht die Zukunft von X, weil ich das glaube, (oder für 'normal' halte).

Aber eine Fähigkeit zu einer mehr oder weniger korrekten Zukunftsabschätzung wirst Du mir (und Personen allgemein) doch wohl zugestehen. Du wirst doch hoffentlich nicht behaupten wollen, dass man die Zukunft überhaupt nicht abschätzen könne, dass die immer einfach so völlig unvorhersehbar einträte.

Wenn ich nun z.B. Wesen Z töte, dann weiß ich ganz genau, wie es um dessen Zukunft bestellt ist: die existiert nämlich dann ganz sicher nicht. Wenn ich Wesen Z nicht töte, dann weiß ich nicht, wie seine Zukunft sein wird. Es könnte sein, dass Wesen Z zwei Minuten später auch ohne mein Zutun stirbt. Aber damit kann ich nun mal nicht pro Tötung argumentieren, (bzw. für die moralische / ethische Irrelevanz einer Tötung), ich kann auch nicht damit argumentieren, dass seine Zukunft scheiße sein könnte.

Man könnte nun zwar damit argumentieren, dass Wesen Z den Wert Null besitzt, es daher völlig gleichgültig / ethisch irrelevant ist, ob man Z tötet oder nicht. Aber das wäre dann wohl schlicht der Punkt, wo wir - in bestimmten Fällen - einen Dissens haben. Wegen der 'nur die aktuellen (bzw. aktuellen dispositionalen Interessen) können einen rationalen Wert begründen'-Prämisse, die mir unplausibel erscheint.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Babyface
Altmeister



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 11518

Beitrag(#1551420) Verfasst am: 06.10.2010, 23:34    Titel: Antworten mit Zitat

Hab im Moment kaum zeit. Deshalb nur kurz:

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Babyface hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Babyface hat folgendes geschrieben:
Aber gerade die Unethik des perfekten Betrugs (man merkt nicht, dass man betrogen wurde), ließe sich sehr gut mit dispositionalem Interesse begründen,

Nein, finde ich nicht, s.u.

Unten habe ich nichts gefunden. Wenn jemand Person X betrügt und X merkt das nicht, dann begründe ich die Unethik des Betrugs u.a. durch die Plausibilität der Annahme, dass X ein disp. Interesse hast, nicht von anderen betrogen zu werden, welches hier missachtet wurde.

Demnach wäre der Betrug / das Bestehlen / der Missbrauch an einem Säuglings egal, da der ja kein disp. Interesse in Deinem Sinne hat.

Oder aber Du hast eine zusätzliche, andere Begründung dafür, warum das Deiner Ansicht nach falsch ('unethisch') wäre.

Zwei Begründungen:

1. wie schon mehrfach erklärt: zukünftige dispositionale Interessen (hier: das dispositonale Interesse der Person, zu welcher sich der Säugling entwickelt).
2. aktuelle dispositionale Interessen Dritter am Personenrechtsstatus des Säuglings
_________________
posted by Babyface
.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
AgentProvocateur
registrierter User



Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#1551439) Verfasst am: 07.10.2010, 00:16    Titel: Antworten mit Zitat

Babyface hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Demnach wäre der Betrug / das Bestehlen / der Missbrauch an einem Säuglings egal, da der ja kein disp. Interesse in Deinem Sinne hat.

Oder aber Du hast eine zusätzliche, andere Begründung dafür, warum das Deiner Ansicht nach falsch ('unethisch') wäre.

Zwei Begründungen:

1. wie schon mehrfach erklärt: zukünftige dispositionale Interessen (hier: das dispositonale Interesse der Person, zu welcher sich der Säugling entwickelt).
2. aktuelle dispositionale Interessen Dritter am Personenrechtsstatus des Säuglings

Demnach wäre es immer moralisch / ethisch falsch, einen Säugling zu betrügen / bestehlen / missbrauchen, aber es wäre nicht immer falsch, ihn zu töten. (Bzw., vielleicht genauer gesagt: es wäre dann falsch, falls der Säugling nicht, bevor er disp. Interessen entwicklen kann, stirbt).

Und: der reine / ausschließliche Diebstahl / Betrug / Missbrauch an einem Säugling wäre zwar falsch, aber ein Diebstahl / Betrug / Missbrauch mit anschließender Tötung (eines Säuglings) wäre nicht moralisch / ethisch falsch, (zumindest falls Punkt 2 in einer bestimmten Gesellschaft / einem bestimmten Staat nicht zuträfe, [oder habe ich den Punkt jetzt falsch verstanden - reichte es Deiner Ansicht nach aus, wenn ein einziger Mensch mit disp. Interessen auf der Welt das als unmoralisch ansähe, um das als unmoralisch zu bewerten? Oder gar ein hypothetischer Mensch mit disp. Interessen? Oder Mehrheiten in einem Staat / in allen Staaten mit disp. Interessen? Oder wie?]).

Woraus (mE) nun unweigerlich (falls wir die bisher offenen Fragen in den eckigen Klammern oben mal geflissentlich ignorieren) folgende generelle moralische Handlungsanweisung folgt: 'wenn du schon einen Säugling bestiehlst / betrügst / missbrauchst, dann solltest du ihn danach töten. Denn dann ist alles wieder voll in Ordnung, dann ist alles moralisch / ethisch einwandfrei.'

Kann man so zwar sehen. Bei bestimmten Prämissen, nehme ich an.

Sehe ich aber anders. Da habe ich dann wohl schlicht andere Prämissen.

Frage ich mich dann, wieso Deine Prämissen besser / rationaler / was auch immer sein sollten als meine Prämissen.

Ich glaube immer noch, dass a) Deine Prämissen ebenso Setzungen sind wie meine und sie daher b) mitnichten rationaler sind als die meinigen und c) bin ich immer noch wenig davon überzeugt, dass Du große Zustimmung zu Deinen Prämissen erhalten wirst.

(Der Punkt c) spielt hier natürlich nur dann eine Rolle, wenn Du nicht meinst, die objektive und einzige Wahrheit™ zu vertreten. Welche Du aber dann begründen können solltest. Eine reine Behauptung, die Wahrheit™ zu besitzen ist leider wenig überzeugend. Sowas kann nämlich jeder behaupten. Völlig unabhängig davon, ob er das selber glaubt oder nicht. Überzeugt so oder so nicht.)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
step
registriert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#1551633) Verfasst am: 07.10.2010, 12:06    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
ich weise einem Wesen ab einem gewissen Entwicklungsstand einen Wert zu, jedoch unter Berücksichtigung seiner von mir angenommenen / möglichen zukünftigen Entwicklung.

Im Falle des Embryos A also:
(1) Du nimmst an, daß aus dem Embryo A mal ein Erwachsener wird
(2) deswegen (u.a.) mißt Du dem Embryo A einen Wert zu

Mein Punkt ist, daß (1) eine falsche Prämisse ist, da sie bei der zur Debatte stehenden Abtreibung, aber auch u.a. Umständen, ja gerade nicht gilt. Daher meine Vermutung, daß es sich im Wirklichkeit um eine Soll-Aussage handelt, die Du aber nicht zugeben/begründen möchtest:

(1') Du möchtest / findest es natürlich, daß aus dem Embryo A mal ein Erwachsener wird
(2) deswegen (u.a.) mißt Du dem Embryo A einen Wert zu

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ich teile schlicht nicht Deine Prämisse, dass nur aktuelle ... Eigenschaften einen Wert begründen können. So verfährt normalerweise niemand bei seiner Abschätzung von Handlungsfolgen.

Ich hatte bereits mehrfach erklärt, daß keineswegs nur aktuelle Eigenschaften einen Wert begründen können. Zukünftige Eigenschaften sind dann mit in die Folgenabschätzung (und damit in die ethische Bewertung) einzubeziehen, wenn sie vsl. eintreten. Beispiele waren das Saufen während der Schwangerschaft, wenn die Frau austragen will, oder das von Dir genannte Amputationsbeispiel.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wenn ich z.B. guten Grund zu der Annahme hätte, dass Gold in drei Jahren das 10-fache wert wäre, dann würde ich mir einen gewaltigen Haufen Gold zulegen und ich hielte das gar für eine rationale Handlung, ich sehe daran nichts irrationales. ...

Ich auch nicht. In der Frage eines Abtreibungsverbots gilt aber die Prämisse (1) einer solchen Annahme nicht. Es ist eher so wie bei einem Zug im Schachspiel: Du mußt zwischen Zug A (austragen) und Zug B (abtreiben) entscheiden. Bei der Bewertung von Zug A mußt Du nur die vsl. Zukunft von Zug A berücksichtigen, und v.v.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Du wirst doch hoffentlich nicht behaupten wollen, dass man die Zukunft überhaupt nicht abschätzen könne, dass die immer einfach so völlig unvorhersehbar einträte.

Natürlich nicht, ganz im Gegenteil betone ich ja die ganze Zeit, daß man die jeweilige Zukunft einer infragestehenden Handlung einschätzen muß.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wenn ich nun z.B. Wesen Z töte, dann weiß ich ganz genau, wie es um dessen Zukunft bestellt ist: die existiert nämlich dann ganz sicher nicht.

Richtig. Diese Tatsache allein ist jedoch rational betrachtet erstmal wertneutral und begründet noch kein Abtreibungsverbot.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wenn ich Wesen Z nicht töte, dann weiß ich nicht, wie seine Zukunft sein wird. ...

Wenn ich den Embryo austrage, muß ich bei allen Handlungen (z.B. Saufen) bedenken, welche Auswirkungen das vsl. in dessen Zukunft hat, z.B. eine für ihn merkliche Einschränkung seiner Lebensqualität.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Man könnte nun zwar damit argumentieren, dass Wesen Z den Wert Null besitzt, es daher völlig gleichgültig / ethisch irrelevant ist, ob man Z tötet oder nicht. Aber das wäre dann wohl schlicht der Punkt, wo wir - in bestimmten Fällen - einen Dissens haben. Wegen der 'nur die aktuellen (bzw. aktuellen dispositionalen Interessen) können einen rationalen Wert begründen'-Prämisse, die mir unplausibel erscheint.

Der Punkt ist, daß Du, um ein Abtreibungsverbot (oder sonstiges Verbot) zu begründen, den Grund Deiner Wertzumessung plausibel machen müßtest. Ich sage nicht, daß das nicht geht, sondern nur, daß Deine "Berücksichtigung seiner von mir angenommenen / möglichen zukünftigen Entwicklung", wie Du sie bisher vorgetragen hast, unlogisch ist.
_________________
Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
AgentProvocateur
registrierter User



Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#1551990) Verfasst am: 07.10.2010, 23:06    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
ich weise einem Wesen ab einem gewissen Entwicklungsstand einen Wert zu, jedoch unter Berücksichtigung seiner von mir angenommenen / möglichen zukünftigen Entwicklung.

Im Falle des Embryos A also:
(1) Du nimmst an, daß aus dem Embryo A mal ein Erwachsener wird
(2) deswegen (u.a.) mißt Du dem Embryo A einen Wert zu

Mein Punkt ist, daß (1) eine falsche Prämisse ist, da sie bei der zur Debatte stehenden Abtreibung, aber auch u.a. Umständen, ja gerade nicht gilt. Daher meine Vermutung, daß es sich im Wirklichkeit um eine Soll-Aussage handelt, die Du aber nicht zugeben/begründen möchtest:

(1') Du möchtest / findest es natürlich, daß aus dem Embryo A mal ein Erwachsener wird
(2) deswegen (u.a.) mißt Du dem Embryo A einen Wert zu

Doch, das gebe ich zu.

Ich weise ihm einen Wert zu, weil ich schlicht unfähig dazu bin, nicht auch in die Zukunft zu denken. Daher plädiere ich dafür, bei einer Handlung ihn betreffend, nicht nur seinen momentanen Status zu berücksichtigen, sondern auch seine interpolierte / mögliche weitere Entwicklung.

Ich gebe nur nicht zu, dass da eine falsche Prämisse drinsteckt. Denn dem ist schlicht nicht so.

Der Wert, den ich einem Embryo / Fötus / Säugling zuordne, kann ja nicht plötzlich deswegen Null sein, weil und falls er in einer Minute / einer Stunde / einem Tag / einer Woche / einem Monat / einem Jahr tot sein wird, wieso auch immer. Das wäre mE ziemlich unlogisch.

step hat folgendes geschrieben:
In der Frage eines Abtreibungsverbots gilt aber die Prämisse (1) einer solchen Annahme nicht. Es ist eher so wie bei einem Zug im Schachspiel: Du mußt zwischen Zug A (austragen) und Zug B (abtreiben) entscheiden. Bei der Bewertung von Zug A mußt Du nur die vsl. Zukunft von Zug A berücksichtigen, und v.v.

Ja, aber an der Stelle genau ist nun mal nach wie vor unser Dissens. Wenn mein Zug ethisch irrelevant ist, wenn er niemanden betrifft, dann ist es natürlich ethisch auch völlig egal, ob ich A oder B ziehe. Nur ist es ja aber so, dass Du meinst, da sei noch niemand, den das betreffen könnte und ich meine das nun mal nicht.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Du wirst doch hoffentlich nicht behaupten wollen, dass man die Zukunft überhaupt nicht abschätzen könne, dass die immer einfach so völlig unvorhersehbar einträte.

Natürlich nicht, ganz im Gegenteil betone ich ja die ganze Zeit, daß man die jeweilige Zukunft einer infragestehenden Handlung einschätzen muß.

Naja, oben hast Du aber mehrfach behauptet, man müsse die Zukunft des speziellen Embryos / Fötus / Säuglings (allgemeiner gesagt: Wesen X - oder, noch allgemeiner: Ding Y) exakt kennen, um eine Handlung ihn betreffend beurteilen zu können. Darüber streiten wir uns doch schon seit zwei Seiten. Das aber stimmt nun mal nicht...

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wenn ich Wesen Z nicht töte, dann weiß ich nicht, wie seine Zukunft sein wird. ...

Wenn ich den Embryo austrage, muß ich bei allen Handlungen (z.B. Saufen) bedenken, welche Auswirkungen das vsl. in dessen Zukunft hat, z.B. eine für ihn merkliche Einschränkung seiner Lebensqualität.

...und auch dann ist es ja wohl unzweifelhaft so, dass auch derjenige, der einen Embryo austrägt, dessen Zukunft schlicht nur interpolieren kann, die nicht exakt kennen kann. Und das hat nichts, aber auch gar nichts mit Embryonen oder Personen / Nichtpersonen zu tun. Ich kenne ja noch nicht einmal meine Zukunft exakt, (obgleich ich viel dazu tun kann), geschweige denn die die von anderen oder anderem, egal, ob von Personen oder Nichtpersonen oder Dingen.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Man könnte nun zwar damit argumentieren, dass Wesen Z den Wert Null besitzt, es daher völlig gleichgültig / ethisch irrelevant ist, ob man Z tötet oder nicht. Aber das wäre dann wohl schlicht der Punkt, wo wir - in bestimmten Fällen - einen Dissens haben. Wegen der 'nur die aktuellen (bzw. aktuellen dispositionalen Interessen) können einen rationalen Wert begründen'-Prämisse, die mir unplausibel erscheint.

Der Punkt ist, daß Du, um ein Abtreibungsverbot (oder sonstiges Verbot) zu begründen, den Grund Deiner Wertzumessung plausibel machen müßtest. Ich sage nicht, daß das nicht geht, sondern nur, daß Deine "Berücksichtigung seiner von mir angenommenen / möglichen zukünftigen Entwicklung", wie Du sie bisher vorgetragen hast, unlogisch ist.

Erstens geht es mir an der Stelle gar nicht um ein Abtreibungsverbot, es geht mir erst mal nur darum, meine Ansicht und grundlegenden Prämissen deutlich zu machen. Ob Du die plausibel finden magst oder nicht. Ein gutes Argument dagegen hast Du allerdings bisher nicht gebracht, daher halte ich sie weiter für berechtigt.

Zweitens ist an meiner Ansicht immer noch nichts unlogisch. Es ist wohl nur schlicht so, dass Du nicht akzeptieren kannst, dass für mich nicht nur die aktuellen Fähigkeiten von X ohne Berücksichtigung der wahrscheinlichen / möglichen Zukunft eine Bedeutung für den Wert von X haben und ich daher dafür plädiere, bei einer Handlungsentscheidung diese interpolierte Zukunft mit zu berücksichtigen.

Wir haben eben unterschiedliche Prämissen.

Ich finde aber meine naturgemäß plausibler und auch logischer als Deine, (sonst würde ich sie ja nicht vertreten, sondern Deine).

Dein Argument gegen meine Ansicht läuft, wenn ich das richtig verstehe, lediglich auf folgende Prämisse von Dir hinaus: 'nur aktuelle bewusste (oder evtl. aktuelle disp. Interessen) können einen moralischen / ethischen Wert eines Wesens rational begründen'.

Es wäre nun schön, wenn Du mal einsehen würdest, dass das lediglich eine Setzung ist und nicht mehr. Keineswegs eine alternativlose Voraussetzung einer Ethik.

Aber der allererste Schritt wäre, noch davor, diese Prämisse überhaupt erst mal als Deine grundlegende anzuerkennen. Bzw., falls dem nicht so ist, wenn ich mich hier irre, (was ich aber eigentlich nicht glaube), Du Deine Prämissen mal explizit benennen würdest.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Babyface
Altmeister



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 11518

Beitrag(#1552174) Verfasst am: 08.10.2010, 11:02    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Babyface hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Demnach wäre der Betrug / das Bestehlen / der Missbrauch an einem Säuglings egal, da der ja kein disp. Interesse in Deinem Sinne hat.

Oder aber Du hast eine zusätzliche, andere Begründung dafür, warum das Deiner Ansicht nach falsch ('unethisch') wäre.

Zwei Begründungen:

1. wie schon mehrfach erklärt: zukünftige dispositionale Interessen (hier: das dispositonale Interesse der Person, zu welcher sich der Säugling entwickelt).
2. aktuelle dispositionale Interessen Dritter am Personenrechtsstatus des Säuglings

Demnach wäre es immer moralisch / ethisch falsch, einen Säugling zu betrügen / bestehlen / missbrauchen, aber es wäre nicht immer falsch, ihn zu töten. (Bzw., vielleicht genauer gesagt: es wäre dann falsch, falls der Säugling nicht, bevor er disp. Interessen entwicklen kann, stirbt).

Und: der reine / ausschließliche Diebstahl / Betrug / Missbrauch an einem Säugling wäre zwar falsch, aber ein Diebstahl / Betrug / Missbrauch mit anschließender Tötung (eines Säuglings) wäre nicht moralisch / ethisch falsch, (zumindest falls Punkt 2 in einer bestimmten Gesellschaft / einem bestimmten Staat nicht zuträfe, [oder habe ich den Punkt jetzt falsch verstanden - reichte es Deiner Ansicht nach aus, wenn ein einziger Mensch mit disp. Interessen auf der Welt das als unmoralisch ansähe, um das als unmoralisch zu bewerten? Oder gar ein hypothetischer Mensch mit disp. Interessen? Oder Mehrheiten in einem Staat / in allen Staaten mit disp. Interessen? Oder wie?]).

Woraus (mE) nun unweigerlich (falls wir die bisher offenen Fragen in den eckigen Klammern oben mal geflissentlich ignorieren) folgende generelle moralische Handlungsanweisung folgt: 'wenn du schon einen Säugling bestiehlst / betrügst / missbrauchst, dann solltest du ihn danach töten. Denn dann ist alles wieder voll in Ordnung, dann ist alles moralisch / ethisch einwandfrei.'

Richtig ist: man kann die Unethik des Diebstahls am Säugling bei dessen Tötung ebenso wenig mit seinen zukünftig existierenden Interessen begründen wie eine Unethik der gesundheitlichen Schädigung des Embryos durch Drogenkonsum während der Schwangerschaft, wenn der Embryo abgetrieben werden soll. Selbiges trifft auch auf die Tötung zu. Auch deren Unethik kann man nicht mit erst zukünftig existierenden Interessen des Säuglings begründen.

Falsch ist, dass aus der Unmöglickeit einer solchen Begründung ein Tötungsgebot folgt, denn ein solches hinge wiederum von der Bewertung der Konsequenzen einer Tötung vs einer Nicht-Tötung durch disp. Interessen Dritter ab, z.b.: wäre eine Zukunft, in der eine bestimmte Person existierte, deren disp. Interesse durch den Diebstahl verletzt wurde klar weniger wünschenswert als eine Zukunft, in welcher diese Person gar nicht existierte?

Hier begründen dann also die disp. Interessen Dritter, welche dem Säugling auch Personenstatus und damit Menschenrechte gewähren können, obwohl er noch keine disp. Interessen hat. Und im Prinzip greifst Du selbst ja genau auf so eine Begründung zurück, indem Du dem Säugling einen hohen Wert zuschreibst, denn Wertzuschreibungen sind nichts anderes als der Ausdruck disp. Bewahrungsinteressen, weshalb Deine Fragen durchaus auch für Dich selbst brisant sind:

Zitat:
[oder habe ich den Punkt jetzt falsch verstanden - reichte es Deiner Ansicht nach aus, wenn ein einziger Mensch mit disp. Interessen auf der Welt das als unmoralisch ansähe, um das als unmoralisch zu bewerten? Oder gar ein hypothetischer Mensch mit disp. Interessen? Oder Mehrheiten in einem Staat / in allen Staaten mit disp. Interessen? Oder wie?]
.
Tja, wie hälst Du das mit der Ethik bzw. Wertzuschreibungen? Begründest Du die allein mit Deinem eigenen Bewahrungsinteresse oder beziehst Du auch die Interessen anderer ein?

Ich meine ja, dass Ethik nur dann eine sinnvolle Funktion hat, wenn sie das soziale Miteinander regeln kann, d.h. wenn sie mehr verfolgt als nur den Anspruch, reine Privatethik zu sein. Wenn man also meint, ethische Normen zu besitzen, die gut für die Allgemeinheit sind, dann sollte man am besten versuchen, möglichst viele Menschen von dieser Funktionalität zu überzeugen. Und am besten klappt das - sofern man nicht Indoktrinieren sondern Aufklären will - indem man sich bei der Begründung auf grundlegende gemeinsame Interessen und Ziele beruft. Und ja, dabei kann auch rauskommen, dass es diese gundlegende gemeinsame Interessensbasis für die Begründung einer gemeinsamen Ethik nicht mit allen gibt (z.b. mit Psychopathen). Die kannst Du dann halt prinzipiell nicht mit der Funktionalität Deiner ethischen Normen addressieren, sondern nur noch mit juristischen Konsequenzen, wenn Du die Macht dazu hast. Sowas in der Art hatte ich Dir aber schonmal früher und etwas ausführlicher in diesem Thread gechrieben.
_________________
posted by Babyface
.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
step
registriert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#1552262) Verfasst am: 08.10.2010, 13:14    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... Daher plädiere ich dafür, bei einer Handlung ihn betreffend, nicht nur seinen momentanen Status zu berücksichtigen, sondern auch seine interpolierte / mögliche weitere Entwicklung.

Wie oft habe ich Dir jetzt erklärt, daß auch ich die voraussichtliche Zukunft berücksichtige! Dein Fehler liegt darin, daß es (ohne weiteres) unlogisch ist, das Erwachsenwerden als voraussichtliche Zukunft eines Embryos zu bezeichnen. Darin liegt Deine falsche (weil nur konditional gültige) Prämisse. Du scheinst das irgendwie selbst zu ahnen und schreibst neuerdings wohl deswegen immer wolkig "interpoliert / möglich". Das "möglich" geht aber so nicht durch, und zwar aus rein logischen Gründen.

Das Potenzialitätsargument (also die Berücksichtigung einer Zukunft, die nur eintritt, wenn ich eine bestimmte Entscheidung treffe) wäre nur dann verwendbar, wenn Du einer zukünftigen Welt mit dem erwachsen gewordenen Embryo A einen höheren Wert zumißt als einer zukünftigen Welt ohne A.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wenn mein Zug ethisch irrelevant ist, wenn er niemanden betrifft, dann ist es natürlich ethisch auch völlig egal, ob ich A oder B ziehe. Nur ist es ja aber so, dass Du meinst, da sei noch niemand, den das betreffen könnte und ich meine das nun mal nicht.

Willst Du damit sagen, Dein Argument ist jetzt doch nicht die konditionale Zukunft des Embryos, sondern besteht irgendwie in seinen aktuellen Personeneigenschaften ("er ist bereits jemand")?

Natürlich funktioniert meine Schach-Zug-Analogie nur gegen das Potenzialitäsargument (Mißbrauch konditionaler Zukunft), nicht gegen mögliche Personalitätsargumente.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
... betone ich ja die ganze Zeit, daß man die jeweilige Zukunft einer infragestehenden Handlung einschätzen muß.
Naja, oben hast Du aber mehrfach behauptet, man müsse die Zukunft des speziellen Embryos ... exakt kennen, um eine Handlung ihn betreffend beurteilen zu können.

Nö, das habe ich nicht behauptet. Es muß reichen, wenn man hinreichende Annahmen betreffend wesentlicher Parameter der (konditionalen) Zukunft abschätzen kann, z.B. die Wahrscheinlichkeit von Fehlbildungen aufgrund von Saufen in der Schwangerschaft.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... dass für mich nicht nur die aktuellen Fähigkeiten von X ohne Berücksichtigung der wahrscheinlichen / möglichen Zukunft eine Bedeutung für den Wert von X haben und ich daher dafür plädiere, bei einer Handlungsentscheidung diese interpolierte Zukunft mit zu berücksichtigen.

Siehe oben. Vielleicht einmal so:

(1) Bist Du der Ansicht, daß eine zukünftige Welt mit dem erwachsen gewordenen Embryo X wünschenswerter / besser ist als eine zukünftige Welt ohne X?

(2) Siehst Du ein, daß Deine zitierte Formulierung im Fall einer konditionalen Zukunft (die ja nur eintritt, wenn ich mich ganz bestimmt entscheide) logisch auf (1) führt?

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Dein Argument gegen meine Ansicht läuft, wenn ich das richtig verstehe, lediglich auf folgende Prämisse von Dir hinaus: 'nur aktuelle bewusste (oder evtl. aktuelle disp. Interessen) können einen moralischen / ethischen Wert eines Wesens rational begründen'.

Nö. Ob das meine ethische Überzeugung ist, ist hier völlig irrelevant. Zumindest für mein (rein logisches) Argument gegen den Mißbrauch konditionaler Zukunft.
_________________
Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
AgentProvocateur
registrierter User



Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#1553467) Verfasst am: 10.10.2010, 22:28    Titel: Antworten mit Zitat

Babyface hat folgendes geschrieben:
Richtig ist: man kann die Unethik des Diebstahls am Säugling bei dessen Tötung ebenso wenig mit seinen zukünftig existierenden Interessen begründen wie eine Unethik der gesundheitlichen Schädigung des Embryos durch Drogenkonsum während der Schwangerschaft, wenn der Embryo abgetrieben werden soll. Selbiges trifft auch auf die Tötung zu. Auch deren Unethik kann man nicht mit erst zukünftig existierenden Interessen des Säuglings begründen.

Tja, dann haben wir da einfach einen Dissens. Meiner Ansicht nach und für mich und für meine Entscheidungen spielen dabei sehr wohl zukünftige Interessen eine Rolle.

Nehmen wir dazu einfach ein analoges, schon oft von mir gebrachtes Beispiel: nehmen wir an, ich hätte einen Freund, der immer wieder länger anhaltende, aber vorübergehende starke Depressionen hätte. Während dieser Depressionen hätte er kein Lebensinteresse, im Gegenteil, vielleicht sogar das Interesse, dass ich ihm helfe, aus dem Leben zu scheiden. Was bedeutete: er hätte während eines akuten Schubes seiner Depression weder ein unmittelbares, noch ein disp. Interesse an seinem Weiterleben.

Sollte ich ihn dann deswegen unterstützen bei seinem Wunsch, aus dem Leben zu scheiden, einfach weil er gerade kein disp. Lebensinteresse hätte und es soll mir egal sein, ich soll ignorieren, dass sich das in Zukunft wieder ändert, (wie so oft in diesem Beispiel)?

Würde und könnte ich nicht tun.

Babyface hat folgendes geschrieben:
Falsch ist, dass aus der Unmöglickeit einer solchen Begründung ein Tötungsgebot folgt, denn ein solches hinge wiederum von der Bewertung der Konsequenzen einer Tötung vs einer Nicht-Tötung durch disp. Interessen Dritter ab, z.b.: wäre eine Zukunft, in der eine bestimmte Person existierte, deren disp. Interesse durch den Diebstahl verletzt wurde klar weniger wünschenswert als eine Zukunft, in welcher diese Person gar nicht existierte?

Aus wessen Sicht, also für wen mehr oder weniger wünschenswert?
----
Vielleicht das Ganze mal ein wenig anders angegangen: nach meiner moralischen Intuition ist das Leben eines Säuglings nicht weniger wert als das eines Erwachsenen. Nehmen wir in moralisches Dilemma: ich könnte in einer akuten Gefährdungssituation als Einziger entweder einen mir unbekannten Säugling oder einen mir unbekannten Erwachsenen vor dem Tod bewahren. In dem Falle wüsste ich nicht, wie ich entscheiden sollte, ich hielte dann beide Entscheidungen für gleichwertig. Dabei wären für mich Interessen Dritter jeweils unerheblich. Ich würde nicht den einen deswegen retten, weil er eine größere Familie hätte oder so.

Ein grundlegendes moralisches Prinzip in der Art: 'rette immer denjenigen, der die meisten Sympathien (Interessen Dritter an ihm) hat' käme mir nicht richtig vor.

Jedoch auch nicht ein solches moralisches Prinzip: 'rette in einem solchen Falle immer den Erwachsenen, denn der hat disp. Interessen, der Säugling aber noch nicht und das ist hier das ethisch relevante Kriterium'.

Babyface hat folgendes geschrieben:
Hier begründen dann also die disp. Interessen Dritter, welche dem Säugling auch Personenstatus und damit Menschenrechte gewähren können, obwohl er noch keine disp. Interessen hat. Und im Prinzip greifst Du selbst ja genau auf so eine Begründung zurück, indem Du dem Säugling einen hohen Wert zuschreibst, denn Wertzuschreibungen sind nichts anderes als der Ausdruck disp. Bewahrungsinteressen,

Ja, wenn Du so willst. Natürlich basiert ja auch meiner Ansicht nach jede Ethik auf äußerbaren Interessen, Ansichten, Argumentationen etc., (denn es gibt mAn keine nicht-kommunizierbare Ethik, kein Naturrecht, keine 'Ethik-an-sich').

Nur ist es eben immer noch so, und das ist wohl unser Dissens hier, dass meine Wertzuweisungen nicht auf der aktuellen Fähigkeit des dispositionalen-Interesses-Haben-Könnens beruht, (und auch wenig abhängig ist von Sympathie-/Asympathie Dritter, s.o. in meinem Beispiel). Und ich verstehe immer noch nicht, woraus das eigentlich folgen sollte, kommt mir wie eine unbegründete Prämisse vor, die ich schlicht deswegen nicht teile, weil das meinen moralischen Intuitionen stark widerspricht.

Und unser Dissens liegt wahrscheinlich, (was jedoch evtl. noch zu klären wäre), auch darin, welche Interessen wir als berechtigter und welche wir als weniger berechtigt ansehen. Mir scheint erst mal, als Vermutung, für Dich seien solche Interessen, die man als genuin egoistisch bezeichnen könnte, (die sich direkt auf mich und mein Weiterleben und mein Wohlergehen beziehen) irgendwie höher zu gewichten als solche Interessen, die andere berücksichtigen, (obgleich ich keinen direkten Nutzen daraus ziehen könnte). Wäre dem so, dann hätten wir auch dabei einen Dissens.

Und ansonsten: natürlich halte ich eine Privatethik für wenig nützlich, weil für wenig erfolgversprechend. Natürlich muss ich mich mit anderen auf etwas einigen.

Nur fragt sich dann halt, wie man dabei vorgeht, ob man irgendwelche Prämissen postuliert, (z.B. ein disp. Interesse am Weiterleben begründe von Vorneherein ein höheres Lebensrecht als ein noch-nicht-Vorliegen eines solches Interesses), und die gar als einzig rationale und vernünftige behauptet - (was mE auch wenig erfolgversprechend ist, da a) die Begründung fehlt und das b) auch nicht weit verbreitete moralische Intuitionen einfangen kann) - oder ob man versucht, moralische Intuitionen anderer einzufangen.

Meiner Ansicht nach ist es zum Erstellen einer Ethik 1.) geboten, moralische Intuitionen nicht einfach so zu ignorieren und 2.) ebenfalls geboten, eine gewisse Konsistenz zu bewahren. Und dazu, zu Punkt 2.) sind meiner Ansicht nach ethische Dilemmata und Fallbeispiele hilfreich.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
AgentProvocateur
registrierter User



Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#1553506) Verfasst am: 10.10.2010, 23:23    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Das Potenzialitätsargument (also die Berücksichtigung einer Zukunft, die nur eintritt, wenn ich eine bestimmte Entscheidung treffe) wäre nur dann verwendbar, wenn Du einer zukünftigen Welt mit dem erwachsen gewordenen Embryo A einen höheren Wert zumißt als einer zukünftigen Welt ohne A.

Mal nur dazu, denn alles andere habe ich, meine ich, in meiner Antwort an Babyface schon berücksichtigt.

Diese Frage, bzw. diese Behauptung, hat er zwar auch gestellt / aufgestellt, aber worauf das hinausläuft, bzw. eigentlich, genauer gesagt, wie einleuchtend das ist, das ist mir immer noch genausowenig klar, wie bei ihm.

Wenn ich das richtig verstehe, dann läuft das auf Folgendes hinaus: ich soll den Wert eines Wesens durch meine Abschätzung dessen bewerten, ob die Welt a) ohne es besser wäre oder b) mit ihm. Falls b), dann gäbe es anscheinend in Deiner Sicht eine moralische Verpflichtung, das Wesen nicht zu töten, falls a), dann wäre eine Tötung, wenn nicht lediglich moralisch irrelevant, evtl. sogar moralisch geboten.

Ist das soweit korrekt? Und wenn nein: was sonst ist hier gemeint? und wenn ja: wieso sollte man das tun? Wie sieht der Bewertungsmaßstab hier aus und woraus folgt der? Und soll das eine verallgemeinerbare moralische / ethische Regel sein?
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
step
registriert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#1553794) Verfasst am: 11.10.2010, 16:20    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Das Potenzialitätsargument (also die Berücksichtigung einer Zukunft, die nur eintritt, wenn ich eine bestimmte Entscheidung treffe) wäre nur dann verwendbar, wenn Du einer zukünftigen Welt mit dem erwachsen gewordenen Embryo A einen höheren Wert zumißt als einer zukünftigen Welt ohne A.
... Wenn ich das richtig verstehe, dann läuft das auf Folgendes hinaus: ich soll den Wert eines Wesens durch meine Abschätzung dessen bewerten, ob die Welt a) ohne es besser wäre oder b) mit ihm. ...

Eigentlich nein. Ich habe nur argumentiert, daß Dein Argument "einem Embryo die Zukunft verbauen" mE nur dann logisch nachvollziehbar wäre, wenn diese Zukunft auch wünschenswert wäre.

Die Wertzumessung eines Wesens könnte durchaus auch noch durch ganz andere Dinge beeinflußt werden, etwa weil jemand (oder es selbst) Interesse an ihm hat, oder was auch immer. Hierfür müßte dann aber eben anders als mit dem Potenzialitätsargument begründet werden.
_________________
Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Dr. Evil
auf eigenen Wunsch deaktiviert



Anmeldungsdatum: 11.09.2010
Beiträge: 1504

Beitrag(#1553806) Verfasst am: 11.10.2010, 17:05    Titel: Antworten mit Zitat

Sind in dieser Diskussion Quereinsteiger erlaubt? Ich habe nämlich keine Lust, die letzten 39 Seiten zu lesen... Auf den Arm nehmen

Ich halte generell jede Argumenation, die von Möglichkeiten, Potentialen oder Zukunftsperspektiven eines (werdenen) Lebens ausgeht, für problematisch. Letztlich für falsch. Denn konsequent zu Ende gedacht bedeutet das eine Bewertung jedes einzelnen Lebens und damit eine Unterscheidung der Wertigkeiten. Genau das will doch unser GG vermeiden. Die Idee lautet: jedes Leben ist gleich viel wert.

Wenn ich sage: der Mord eines Kindes ist besonders verwerflich, weil es noch sehr viel Leben vor sich hatte (= Strafschärfung) dann bedeutet das im Umkehrschluss, dass der Mord eines alten Menschen weniger schlimm ist. Dafür müsste es dann "Rabatt" geben. Neben die Unterscheidung jung/alt tritt dann schnell die Unterscheidung gesund/ungesund. Oder arm/reich. Oder Raucher/Nichtraucher. In jedem Einzellfall wäre eine Prognose der zu erwartenden Restlebenszeit und/oder Restlebensfreude vorgenommen werden. Abgesehen davon, dass das praktisch gar nicht geleistet werden kann, will das auch niemand.

Zurück zur Abtreibung. Es kommt also nicht darauf an, was möglicherweise mal aus dem Embryo werden könnte oder bei natürlichem Verlauf werden würde. Es kann und darf nur darauf ankommen, was IST. Letztlich ist es wie bei Aktien. Ich verkaufe nicht zum Kurs von gestern oder übermorgen, sondern zum Kurs von heute.

Im Ergebnis geht es also nur um eine einzige Frage: ist das ungeborene Leben genauso viel wert wie das geborene oder weniger? Wenn wir differenzieren wollen, brauchen wir eindeutige Grenzen. Die Geburt und daran anknüpfend die Unterscheidung vorher/nachher ist eine einfach zu handhabende und damit gerechte (weil für jeden Betroffenen gleiche) Regel. Eine zweite derart eindeutige Grenze lässt sich nicht finden. Innerhalb der Schwangerschaft ist jeder Zeitpunkt mehr oder weniger willkürlich. Wenn man also die ethische Wertung verschmolzene Eizelle = Mensch nicht machen möchte, kommt man letztlich aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit um die Schwelle der Geburt nicht herum.

Ich halte das für einen gangbaren Kompromiss. Abtreibung bleibt zu Recht mit einem moralischen und gegebenenfalls sogar strafrechtlichem Makel behaftet. Sie ist aber in ihrem Unrechtsgehalt eindeutig unterschieden vom Totschlag/Mord. Auch das halte ich für richtig. Ein Embryo ist eben kein Mensch, sondern weniger.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Effô Tisetti
Königsblau bis in den Tod



Anmeldungsdatum: 18.09.2003
Beiträge: 9920
Wohnort: 75

Beitrag(#1553812) Verfasst am: 11.10.2010, 17:18    Titel: Antworten mit Zitat

Dr. Evil hat folgendes geschrieben:
Wenn wir differenzieren wollen, brauchen wir eindeutige Grenzen. Die Geburt und daran anknüpfend die Unterscheidung vorher/nachher ist eine einfach zu handhabende und damit gerechte (weil für jeden Betroffenen gleiche) Regel. Eine zweite derart eindeutige Grenze lässt sich nicht finden. (...)
Ein Embryo ist eben kein Mensch, sondern weniger.


Es ist sehr wohl eindeutig, dass das, was sich zu Beginn des 9. Monats im Körper der Frau befindet, mit Sicherheit kein Embryo (mehr) ist. Damit geht dein ganzes Plädoyer zugunsten der Geburt als Kriterium ins Leere.
_________________
"Die einfache Formel: Jesus ist stärker! hilft Menschen, sich aus der Fixierung völlig irrationaler Wertesysteme zu lösen."
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Ilmor
auf eigenen Wunsch deaktiviert



Anmeldungsdatum: 13.12.2008
Beiträge: 7151

Beitrag(#1553815) Verfasst am: 11.10.2010, 17:36    Titel: Antworten mit Zitat

Dr. Evil hat folgendes geschrieben:

Im Ergebnis geht es also nur um eine einzige Frage: ist das ungeborene Leben genauso viel wert wie das geborene oder weniger? Wenn wir differenzieren wollen, brauchen wir eindeutige Grenzen. Die Geburt und daran anknüpfend die Unterscheidung vorher/nachher ist eine einfach zu handhabende und damit gerechte (weil für jeden Betroffenen gleiche) Regel. Eine zweite derart eindeutige Grenze lässt sich nicht finden. Innerhalb der Schwangerschaft ist jeder Zeitpunkt mehr oder weniger willkürlich. Wenn man also die ethische Wertung verschmolzene Eizelle = Mensch nicht machen möchte, kommt man letztlich aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit um die Schwelle der Geburt nicht herum.


Genauso willkürlich ist es, die Geburt als Grenze anzusetzen. Ich würde die Grenze dort ansetzen, wo sich das Gehirn des Embryos entwickelt. Nun wirst du sicher einwenden, dass es ein andauernder Prozess ist, wo man keine genaue Grenze setzen kann. Das ist jedoch irrelevant. Man sollte die Grenze so setzen, dass gewährleistet ist, dass ein Embryo mit einem bereits entwickelten Gehirn nicht getötet werden darf. Wenn dabei auch noch eine oder zwei Wochen ein Fötus ohne komplexen Gehirn nicht abtreibbar ist, ist es meiner Meinung nach das kleinere Übel.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden E-Mail senden
Babyface
Altmeister



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 11518

Beitrag(#1553878) Verfasst am: 11.10.2010, 19:56    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Babyface hat folgendes geschrieben:
Richtig ist: man kann die Unethik des Diebstahls am Säugling bei dessen Tötung ebenso wenig mit seinen zukünftig existierenden Interessen begründen wie eine Unethik der gesundheitlichen Schädigung des Embryos durch Drogenkonsum während der Schwangerschaft, wenn der Embryo abgetrieben werden soll. Selbiges trifft auch auf die Tötung zu. Auch deren Unethik kann man nicht mit erst zukünftig existierenden Interessen des Säuglings begründen.

Tja, dann haben wir da einfach einen Dissens. Meiner Ansicht nach und für mich und für meine Entscheidungen spielen dabei sehr wohl zukünftige Interessen eine Rolle.

Wie bitte? Das war doch z.T. eine Zusammenfassung Deiner eigenen Schlussfolgerung zum Bestehlen eines Säuglings, deren Korrektkeit ich bestätigen wollte:

Babyface hat folgendes geschrieben:
1. wie schon mehrfach erklärt: zukünftige dispositionale Interessen (hier: das dispositonale Interesse der Person, zu welcher sich der Säugling entwickelt).

Agent provocateur hat folgendes geschrieben:

Demnach wäre es immer moralisch / ethisch falsch, einen Säugling zu betrügen / bestehlen / missbrauchen, aber es wäre nicht immer falsch, ihn zu töten. (Bzw., vielleicht genauer gesagt: es wäre dann falsch, falls der Säugling nicht, bevor er disp. Interessen entwicklen kann, stirbt).

Du argumentierst hier doch selbst, dass die zukünftigen Interessen des Säuglings nur dann eine zu berücksichtigende Rolle spielen können, wenn man annehmen darf, dass der Säugling nicht vorher stirbt. Und sterben kann er z.B. durch eine Tötung. Also nix "Dissens"!

Zitat:
Nehmen wir dazu einfach ein analoges, schon oft von mir gebrachtes Beispiel: nehmen wir an, ich hätte einen Freund, der immer wieder länger anhaltende, aber vorübergehende starke Depressionen hätte. Während dieser Depressionen hätte er kein Lebensinteresse, im Gegenteil, vielleicht sogar das Interesse, dass ich ihm helfe, aus dem Leben zu scheiden. Was bedeutete: er hätte während eines akuten Schubes seiner Depression weder ein unmittelbares, noch ein disp. Interesse an seinem Weiterleben.

Sollte ich ihn dann deswegen unterstützen bei seinem Wunsch, aus dem Leben zu scheiden, einfach weil er gerade kein disp. Lebensinteresse hätte und es soll mir egal sein, ich soll ignorieren, dass sich das in Zukunft wieder ändert, (wie so oft in diesem Beispiel)?

Aber auch der Depressiv-Suizidale hat Lebensinteressen. Diese ihm abzusprechen wäre so als würde man jemandem, der eine nicht-funktionierende Partnerschaft beenden will, unterstellen, er habe kein Interesse an Partnerschaft. Das einzige woran der Suizidale kein Interesse hat, ist ein Leben wie er es gerade erlebt. An so einem Leben, welches nur aus Leid besteht, hätte ich auch kein Interesse. Der Todeswunsch (der eigentlich ein Wunsch ist, das Leiden und nicht das Leben zu beenden) entsteht dann, weil er in seiner gedanklichen Einengung entgegen aller Empirie überzeugt ist, dass es keinen anderen Ausweg gibt, seinem Leid zu entrinnen (was nach der akut-suizidalen Phase zurückkommt ist also nicht Lebensinteresse, sondern Hoffung). Wenn ich in der akuten Phase eingreife und ihn am Suizid hindere, dann vetrete ich also durchaus die Lebensinteressen des Suizidalen (ja, damit maße ich mir an zu behaupten, dass ich diese in dem Moment besser vertreten kann als er selbst). Und ich vetrete natürlich gleichzeitig die Interessen derer (einschließlich mir selbst), die sich wünschen, ebenfalls gehindert zu werden, sollten sie auch einmal in so eine Lage kommen.

Zitat:
Babyface hat folgendes geschrieben:
Falsch ist, dass aus der Unmöglickeit einer solchen Begründung ein Tötungsgebot folgt, denn ein solches hinge wiederum von der Bewertung der Konsequenzen einer Tötung vs einer Nicht-Tötung durch disp. Interessen Dritter ab, z.b.: wäre eine Zukunft, in der eine bestimmte Person existierte, deren disp. Interesse durch den Diebstahl verletzt wurde klar weniger wünschenswert als eine Zukunft, in welcher diese Person gar nicht existierte?

Aus wessen Sicht, also für wen mehr oder weniger wünschenswert?

Erstmal aus der Sicht jedes einzelnen. Wie es dann für den einzelnen weitergeht hatte ich bereits beschrieben:
Babyface hat folgendes geschrieben:
Wenn man also meint, ethische Normen zu besitzen, die gut für die Allgemeinheit sind, dann sollte man am besten versuchen, möglichst viele Menschen von dieser Funktionalität zu überzeugen. Und am besten klappt das - sofern man nicht Indoktrinieren sondern Aufklären will - indem man sich bei der Begründung auf grundlegende gemeinsame Interessen und Ziele beruft

Wie wäre es, wenn Du zur Abwechslung mal einen tauglichen Gegenvorschlag machst?

----
Zitat:
Vielleicht das Ganze mal ein wenig anders angegangen: nach meiner moralischen Intuition ist das Leben eines Säuglings nicht weniger wert als das eines Erwachsenen. Nehmen wir in moralisches Dilemma: ich könnte in einer akuten Gefährdungssituation als Einziger entweder einen mir unbekannten Säugling oder einen mir unbekannten Erwachsenen vor dem Tod bewahren. In dem Falle wüsste ich nicht, wie ich entscheiden sollte, ich hielte dann beide Entscheidungen für gleichwertig. Dabei wären für mich Interessen Dritter jeweils unerheblich. Ich würde nicht den einen deswegen retten, weil er eine größere Familie hätte oder so.

Ein grundlegendes moralisches Prinzip in der Art: 'rette immer denjenigen, der die meisten Sympathien (Interessen Dritter an ihm) hat' käme mir nicht richtig vor.

Jedoch auch nicht ein solches moralisches Prinzip: 'rette in einem solchen Falle immer den Erwachsenen, denn der hat disp. Interessen, der Säugling aber noch nicht und das ist hier das ethisch relevante Kriterium'.

Wie gesagt, wenn dem prinzipiell Säugling der gleiche Wert und diesselbe Rechte zugeschrieben wird wie einem Erwachsenen, dann sind sie auch gleichwertig zu behandeln. Nur ob ihm diese zugeschrieben werden, das entscheidet sich, wie Du nachfolgend bestätigst, zwangsläufig nach den Interessen Dritter:

Babyface hat folgendes geschrieben:
Hier begründen dann also die disp. Interessen Dritter, welche dem Säugling auch Personenstatus und damit Menschenrechte gewähren können, obwohl er noch keine disp. Interessen hat. Und im Prinzip greifst Du selbst ja genau auf so eine Begründung zurück, indem Du dem Säugling einen hohen Wert zuschreibst, denn Wertzuschreibungen sind nichts anderes als der Ausdruck disp. Bewahrungsinteressen,
Agent Provocatuer hat folgendes geschrieben:
Ja, wenn Du so willst. Natürlich basiert ja auch meiner Ansicht nach jede Ethik auf äußerbaren Interessen, Ansichten, Argumentationen etc., (denn es gibt mAn keine nicht-kommunizierbare Ethik, kein Naturrecht, keine 'Ethik-an-sich').


Zitat:
Nur ist es eben immer noch so, und das ist wohl unser Dissens hier, dass meine Wertzuweisungen nicht auf der aktuellen Fähigkeit des dispositionalen-Interesses-Haben-Könnens beruht, (und auch wenig abhängig ist von Sympathie-/Asympathie Dritter, s.o. in meinem Beispiel). Und ich verstehe immer noch nicht, woraus das eigentlich folgen sollte, kommt mir wie eine unbegründete Prämisse vor, die ich schlicht deswegen nicht teile, weil das meinen moralischen Intuitionen stark widerspricht.

Sie widerspricht nicht nur Deiner moralischen Intuition, sondern auch dem, was ich tatsächlich geschrieben habe. Ich bin es so langsam echt leid, Deine Strohmänner zu löschen.

Zitat:
Und unser Dissens liegt wahrscheinlich, (was jedoch evtl. noch zu klären wäre), auch darin, welche Interessen wir als berechtigter und welche wir als weniger berechtigt ansehen. Mir scheint erst mal, als Vermutung, für Dich seien solche Interessen, die man als genuin egoistisch bezeichnen könnte, (die sich direkt auf mich und mein Weiterleben und mein Wohlergehen beziehen) irgendwie höher zu gewichten als solche Interessen, die andere berücksichtigen, (obgleich ich keinen direkten Nutzen daraus ziehen könnte). Wäre dem so, dann hätten wir auch dabei einen Dissens.

Und wie kommst Du darauf, dass ich egoistische Interessen höher bewerte? Tue ich nämlich nicht.

Zitat:
Und ansonsten: natürlich halte ich eine Privatethik für wenig nützlich, weil für wenig erfolgversprechend. Natürlich muss ich mich mit anderen auf etwas einigen.

s.o. Dann mach einen konkreten Vorschlag! Und zeige bitte, wie Du andere mit Deiner moralischen Intuition überzeugen willst, wenn sie diese nicht teilen.

Zitat:
Meiner Ansicht nach ist es zum Erstellen einer Ethik 1.) geboten, moralische Intuitionen nicht einfach so zu ignorieren

Würde ich auch nicht. Ich würde immer fragen, was da eigentlich für Interessen dahinter stecken.
_________________
posted by Babyface
.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Dr. Evil
auf eigenen Wunsch deaktiviert



Anmeldungsdatum: 11.09.2010
Beiträge: 1504

Beitrag(#1554178) Verfasst am: 12.10.2010, 10:16    Titel: Antworten mit Zitat

Effô Tisetti hat folgendes geschrieben:
Dr. Evil hat folgendes geschrieben:
Wenn wir differenzieren wollen, brauchen wir eindeutige Grenzen. Die Geburt und daran anknüpfend die Unterscheidung vorher/nachher ist eine einfach zu handhabende und damit gerechte (weil für jeden Betroffenen gleiche) Regel. Eine zweite derart eindeutige Grenze lässt sich nicht finden. (...)
Ein Embryo ist eben kein Mensch, sondern weniger.


Es ist sehr wohl eindeutig, dass das, was sich zu Beginn des 9. Monats im Körper der Frau befindet, mit Sicherheit kein Embryo (mehr) ist. Damit geht dein ganzes Plädoyer zugunsten der Geburt als Kriterium ins Leere.

Biologisch ist es eindeutig. Rechtlich auch. Aber anders. Das Recht kann (und hat) seine Begriffe anders definieren, als es die Biologie tut. Unser Strafrecht verwendet "meine" Grenze der Geburt. Vor der Geburt: § 218 StGB, während und nach der Geburt: §§ 211, 212 StGB.

Abgesehen davon: hast du eine bessere Idee?

Ilmor hat folgendes geschrieben:
Genauso willkürlich ist es, die Geburt als Grenze anzusetzen. Ich würde die Grenze dort ansetzen, wo sich das Gehirn des Embryos entwickelt. Nun wirst du sicher einwenden, dass es ein andauernder Prozess ist, wo man keine genaue Grenze setzen kann. Das ist jedoch irrelevant. Man sollte die Grenze so setzen, dass gewährleistet ist, dass ein Embryo mit einem bereits entwickelten Gehirn nicht getötet werden darf. Wenn dabei auch noch eine oder zwei Wochen ein Fötus ohne komplexen Gehirn nicht abtreibbar ist, ist es meiner Meinung nach das kleinere Übel.

Beginn oder Abschluss der Entwicklung des Gehirns?
Wie soll das im Einzelfall bestimmt werden?
Warum gerade das Gehirn? Warum nicht eines der anderen Organe?
Was passiert mit Embryos, die gar kein Großhirn entwicken? Lebensfähig aber schutzlos?
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
tridi
_____



Anmeldungsdatum: 21.06.2007
Beiträge: 7933

Beitrag(#1554183) Verfasst am: 12.10.2010, 10:31    Titel: Antworten mit Zitat

Babyface hat folgendes geschrieben:

Zitat:
Und ansonsten: natürlich halte ich eine Privatethik für wenig nützlich, weil für wenig erfolgversprechend. Natürlich muss ich mich mit anderen auf etwas einigen.

s.o. Dann mach einen konkreten Vorschlag! Und zeige bitte, wie Du andere mit Deiner moralischen Intuition überzeugen willst, wenn sie diese nicht teilen.

ich halte den versuch einer einigung bei einigen hier schreibenden personen leider fuer zwecklos.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
tridi
_____



Anmeldungsdatum: 21.06.2007
Beiträge: 7933

Beitrag(#1554184) Verfasst am: 12.10.2010, 10:36    Titel: Antworten mit Zitat

Dr. Evil hat folgendes geschrieben:
Wenn wir differenzieren wollen, brauchen wir eindeutige Grenzen. Die Geburt und daran anknüpfend die Unterscheidung vorher/nachher ist eine einfach zu handhabende und damit gerechte (weil für jeden Betroffenen gleiche) Regel. Eine zweite derart eindeutige Grenze lässt sich nicht finden. Innerhalb der Schwangerschaft ist jeder Zeitpunkt mehr oder weniger willkürlich. Wenn man also die ethische Wertung verschmolzene Eizelle = Mensch nicht machen möchte, kommt man letztlich aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit um die Schwelle der Geburt nicht herum.

wenn es nur diese beiden moeglichkeiten gaebe (verschmolzene eizelle und geburt), dann wuerde ich die erstere waehlen. (im gegensatz zu dir offenbar)

ich halte aber auch andere schwellen fuer moeglich, selbst wenn sie etwas "schwammiger" sein sollten.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Dr. Benchmark
Radikal-Liberalist



Anmeldungsdatum: 09.08.2006
Beiträge: 1288
Wohnort: Bayern

Beitrag(#1554225) Verfasst am: 12.10.2010, 12:59    Titel: Antworten mit Zitat

Dr. Evil hat folgendes geschrieben:
Warum gerade das Gehirn? Warum nicht eines der anderen Organe?


Weil ich dann darüber nachdenken müßte, ob Heckenschneiden überhaupt noch statthaft ist.
_________________
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Ilmor
auf eigenen Wunsch deaktiviert



Anmeldungsdatum: 13.12.2008
Beiträge: 7151

Beitrag(#1554273) Verfasst am: 12.10.2010, 14:40    Titel: Antworten mit Zitat

Dr. Evil hat folgendes geschrieben:
Ilmor hat folgendes geschrieben:
Genauso willkürlich ist es, die Geburt als Grenze anzusetzen. Ich würde die Grenze dort ansetzen, wo sich das Gehirn des Embryos entwickelt. Nun wirst du sicher einwenden, dass es ein andauernder Prozess ist, wo man keine genaue Grenze setzen kann. Das ist jedoch irrelevant. Man sollte die Grenze so setzen, dass gewährleistet ist, dass ein Embryo mit einem bereits entwickelten Gehirn nicht getötet werden darf. Wenn dabei auch noch eine oder zwei Wochen ein Fötus ohne komplexen Gehirn nicht abtreibbar ist, ist es meiner Meinung nach das kleinere Übel.


Beginn oder Abschluss der Entwicklung des Gehirns?


Im Zweifelsfall Beginn.

Dr. Evil hat folgendes geschrieben:
Wie soll das im Einzelfall bestimmt werden?


Gar nicht, es gibt eine allgemeine Regelung.

Dr. Evil hat folgendes geschrieben:
Warum gerade das Gehirn? Warum nicht eines der anderen Organe?


Weil nunmal das Gehirn der Sitz unseres Bewusstseins ist.

Dr. Evil hat folgendes geschrieben:
Was passiert mit Embryos, die gar kein Großhirn entwicken? Lebensfähig aber schutzlos?


Die sind wohl kaum überlebensfähig. Im Zweifelsfalle würde ich aber lieber einen nichtlebensfähigen Embryo schützen als einen Lebensfähigen töten. In dubio pro reo, sozusagen.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden E-Mail senden
step
registriert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#1554298) Verfasst am: 12.10.2010, 16:31    Titel: Antworten mit Zitat

Ilmor hat folgendes geschrieben:
Man sollte die Grenze so setzen, dass gewährleistet ist, dass ein Embryo mit einem bereits entwickelten Gehirn nicht getötet werden darf.

Ein Embryo hat grundsätzlich kein entwickeltes Gehirn. Z.B. Schmerzempfinden geht erst ab ca. 24. Woche.

Ilmor hat folgendes geschrieben:
Wenn dabei auch noch eine oder zwei Wochen ein Fötus ohne komplexen Gehirn nicht abtreibbar ist, ist es meiner Meinung nach das kleinere Übel.

Häh??
_________________
Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Ilmor
auf eigenen Wunsch deaktiviert



Anmeldungsdatum: 13.12.2008
Beiträge: 7151

Beitrag(#1554315) Verfasst am: 12.10.2010, 17:55    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Ilmor hat folgendes geschrieben:
Man sollte die Grenze so setzen, dass gewährleistet ist, dass ein Embryo mit einem bereits entwickelten Gehirn nicht getötet werden darf.

Ein Embryo hat grundsätzlich kein entwickeltes Gehirn. Z.B. Schmerzempfinden geht erst ab ca. 24. Woche.


Was genau meinst du mit entwickelt? Einem Gehirn, welches dem eines Erwachsenen gleicht?

step hat folgendes geschrieben:
Ilmor hat folgendes geschrieben:
Wenn dabei auch noch eine oder zwei Wochen ein Fötus ohne komplexen Gehirn nicht abtreibbar ist, ist es meiner Meinung nach das kleinere Übel.

Häh??


Was ich damit meine: wenn wir bei einer bestimmten Entwicklungstufe des Fötus nicht absehen können, ob dieser schon als Mensch zu betrachten wäre, so soll bereits in diesem Stadium keine Abtreibung mehr erlaubt sein.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden E-Mail senden
AgentProvocateur
registrierter User



Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#1554321) Verfasst am: 12.10.2010, 18:06    Titel: Antworten mit Zitat

Babyface hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Tja, dann haben wir da einfach einen Dissens. Meiner Ansicht nach und für mich und für meine Entscheidungen spielen dabei sehr wohl zukünftige Interessen eine Rolle.

Wie bitte? Das war doch z.T. eine Zusammenfassung Deiner eigenen Schlussfolgerung zum Bestehlen eines Säuglings, deren Korrektkeit ich bestätigen wollte:

Babyface hat folgendes geschrieben:
1. wie schon mehrfach erklärt: zukünftige dispositionale Interessen (hier: das dispositonale Interesse der Person, zu welcher sich der Säugling entwickelt).

Agent provocateur hat folgendes geschrieben:

Demnach wäre es immer moralisch / ethisch falsch, einen Säugling zu betrügen / bestehlen / missbrauchen, aber es wäre nicht immer falsch, ihn zu töten. (Bzw., vielleicht genauer gesagt: es wäre dann falsch, falls der Säugling nicht, bevor er disp. Interessen entwicklen kann, stirbt).

Du argumentierst hier doch selbst, dass die zukünftigen Interessen des Säuglings nur dann eine zu berücksichtigende Rolle spielen können, wenn man annehmen darf, dass der Säugling nicht vorher stirbt. Und sterben kann er z.B. durch eine Tötung. Also nix "Dissens"!

Schulterzucken

Nein, so argumentiere ich nicht. Merkwürdig und sinnentstellend zitiert von Dir.

Lies einfach oben nochmal nach, in welchem Zusammenhang ich das geschrieben habe. Das 'demnach' bezieht sich auf Deine beiden Gründe von oben, die ich nicht für ausreichend für ein Tötungsverbot an Säuglingen halte.

Der Dissens liegt hier:

Babyface hat folgendes geschrieben:
Selbiges trifft auch auf die Tötung zu. Auch deren Unethik kann man nicht mit erst zukünftig existierenden Interessen des Säuglings begründen.


Nach meiner Ansicht ist es eben sehr wohl auch deswegen unethisch, den Säugling zu töten, weil ich ihn somit daran hindere, sein Leben zu führen, selbstbestimmt zu leben, Glück zu empinden, etc.

Oder ich sage es mal mit den Worten von Dieter Birnbacher:

Dieter Birnbacher - Utilitaristische Ethik und Tötungsverbot hat folgendes geschrieben:
Einen anderen zu töten, bedeutet in der Regel, das Leben eines bewusstseinsfähigen Wesens zu verkürzen, das sein Leben nicht dauerhaft als unerträglich empfindet.

Es geht mir nicht darum, dass ich das für das alleinige, ausschlaggebende oder bedeutendste Argument für ein Tötungsverbot hielte. Jedoch: verzichtet man gänzlich darauf, weil das angeblich unlogisch sei, dann gerät man in gewisse Schwierigkeiten der Begründung, wie oben schon angedeutet.

Zumindest dann, wenn man als ethisch relevantes Kriterium für ein Tötungsverbot eines Individuums das aktuelle Vorliegen disp. Interessen annimmt.

Babyface hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Nehmen wir dazu einfach ein analoges, schon oft von mir gebrachtes Beispiel: nehmen wir an, ich hätte einen Freund, der immer wieder länger anhaltende, aber vorübergehende starke Depressionen hätte. Während dieser Depressionen hätte er kein Lebensinteresse, im Gegenteil, vielleicht sogar das Interesse, dass ich ihm helfe, aus dem Leben zu scheiden. Was bedeutete: er hätte während eines akuten Schubes seiner Depression weder ein unmittelbares, noch ein disp. Interesse an seinem Weiterleben.

Sollte ich ihn dann deswegen unterstützen bei seinem Wunsch, aus dem Leben zu scheiden, einfach weil er gerade kein disp. Lebensinteresse hätte und es soll mir egal sein, ich soll ignorieren, dass sich das in Zukunft wieder ändert, (wie so oft in diesem Beispiel)?

Aber auch der Depressiv-Suizidale hat Lebensinteressen. Diese ihm abzusprechen wäre so als würde man jemandem, der eine nicht-funktionierende Partnerschaft beenden will, unterstellen, er habe kein Interesse an Partnerschaft.

Naja, also dieser Vergleich hinkt aber mE nun ganz gewaltig. Du kannst doch denjenigen, der die Partnerschaft beendet hat, einfach fragen, ob er nun überhaupt kein Interesse an Partnerschaft mehr hat. Möglich wäre das ja durchaus. Aber wohl eher ungewöhnlich.

Mein Punkt hier war ja der: es gibt durchaus Situationen, in denen man (zumindest wir beide stimmen darin wohl halbwegs überein, da wir ja in diesem Beispiel ähnlich handeln würden) es für richtig / oder gar moralisch geboten hält, im (langfristigen, zukünftigen) Interesse eines anderen zu handeln, obgleich der (in diesem Falle) dieses Interesse leugnen würde, wenn man ihn fragte. (Die Gefahr eines Paternalismus, die Du angesprochen hast, ist hier in der Tat vorhanden, aber das ist hier ja nicht Thema).

Nur ist es dann eben meiner Ansicht nach so, dass ich dann auch im zukünftigen Interesse eines Säuglings handeln kann, ohne dass daran etwas unlogisch wird und zwar auch dann, wenn es um Tötung / Nichttötung geht. Die Unterscheidung: der Depressive habe ein Lebensinteresse, er weiß es bloß nicht und der Säugling habe kein Lebensinteresse, weil er gar nicht weiß, was das ist, das nicht verstehen kann, kommt mir merkwürdig und arg konstruiert vor. Meiner Ansicht nach geht es in beiden Fällen gleichermaßen um das langfristige, zukünftige Interesse, (bzw., allgemeiner gesagt: um ein erfülltes Leben).

Babyface hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Babyface hat folgendes geschrieben:
Falsch ist, dass aus der Unmöglickeit einer solchen Begründung ein Tötungsgebot folgt, denn ein solches hinge wiederum von der Bewertung der Konsequenzen einer Tötung vs einer Nicht-Tötung durch disp. Interessen Dritter ab, z.b.: wäre eine Zukunft, in der eine bestimmte Person existierte, deren disp. Interesse durch den Diebstahl verletzt wurde klar weniger wünschenswert als eine Zukunft, in welcher diese Person gar nicht existierte?

Aus wessen Sicht, also für wen mehr oder weniger wünschenswert?

Erstmal aus der Sicht jedes einzelnen.

Meinst Du jetzt die hypothetische, interpolierte Sicht desjenigen, dessen Tötung zur Debatte steht? Das entspräche dann ja dem in dem Zitat von Birnbacher Gemeinten. Aber das meinst Du sicher nicht, oder, (sonst hätte ich etwas ganz furchbar missverstanden, hier liegt ja, so wie ich das sehe, unser Dissens gerade)?

Babyface hat folgendes geschrieben:
Wie es dann für den einzelnen weitergeht hatte ich bereits beschrieben:
Babyface hat folgendes geschrieben:
Wenn man also meint, ethische Normen zu besitzen, die gut für die Allgemeinheit sind, dann sollte man am besten versuchen, möglichst viele Menschen von dieser Funktionalität zu überzeugen. Und am besten klappt das - sofern man nicht Indoktrinieren sondern Aufklären will - indem man sich bei der Begründung auf grundlegende gemeinsame Interessen und Ziele beruft

Wie wäre es, wenn Du zur Abwechslung mal einen tauglichen Gegenvorschlag machst?

Wieso, ich habe doch dagegen gar nichts prinzipiell einzuwenden. (Nur eine winzige Kleinigkeit: ich finde es sehr viel einfacher, meine Werte (das, was mir wichtig ist) zu bennennen als meine Ziele.)

Babyface hat folgendes geschrieben:
Wie gesagt, wenn dem prinzipiell Säugling der gleiche Wert und diesselbe Rechte zugeschrieben wird wie einem Erwachsenen, dann sind sie auch gleichwertig zu behandeln.

Hm, hört sich irgendwie zirkulär an. Aber egal.

Babyface hat folgendes geschrieben:
Nur ob ihm diese zugeschrieben werden, das entscheidet sich, wie Du nachfolgend bestätigst, zwangsläufig nach den Interessen Dritter: [...]

Ja.

Babyface hat folgendes geschrieben:
Sie widerspricht nicht nur Deiner moralischen Intuition, sondern auch dem, was ich tatsächlich geschrieben habe. Ich bin es so langsam echt leid, Deine Strohmänner zu löschen.

Na schön, ich möchte ja keine Strohmänner bauen. Tut mir leid, wenn ich das getan habe, das liegt dann wohl daran, dass mir Deine Position immer noch nicht so richtig klar ist.

Aber unser Dissens liegt doch immer noch darin, dass Du meinst, für die ethische Bewertung einer Tötung dürfe das angenommene zukünftige Leben (und Glück etc.) des zur Tötung anstehenden Individuums keine Rolle spielen oder etwa nicht?

Babyface hat folgendes geschrieben:
Und wie kommst Du darauf, dass ich egoistische Interessen höher bewerte? Tue ich nämlich nicht.

Ah, okay. Gut.

Babyface hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Und ansonsten: natürlich halte ich eine Privatethik für wenig nützlich, weil für wenig erfolgversprechend. Natürlich muss ich mich mit anderen auf etwas einigen.

s.o. Dann mach einen konkreten Vorschlag! Und zeige bitte, wie Du andere mit Deiner moralischen Intuition überzeugen willst, wenn sie diese nicht teilen.

Wie gesagt, gegen Deinen Vorschlag (sammeln der Interessen, Grundsätze, Ansichten, Prämissen, Meinungen, Werte und Ziele und deren Auswertung, Zusammenstellung, Abgleichung, Konsistenzprüfung) habe ich doch gar nichts prinzipielles einzuwenden.

Ich kann wahrscheinlich diejenigen nicht überzeugen, die meine Intuitionen und meine Prämissen nicht teilen, wenn sie gleichzeitig konsistent in ihren Ansichten und Prämissen sind. Und falls lediglich Letzteres nicht: auch dann werde ich sie wahrscheinlich nicht überzeugen können.

Babyface hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Meiner Ansicht nach ist es zum Erstellen einer Ethik 1.) geboten, moralische Intuitionen nicht einfach so zu ignorieren

Würde ich auch nicht. Ich würde immer fragen, was da eigentlich für Interessen dahinter stecken.

Dann nimm doch einfach mal das Zitat von Birnbacher oben: welche Interessen stecken Deiner Ansicht nach dahinter?
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:   
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen   Drucker freundliche Ansicht    Freigeisterhaus Foren-Übersicht -> Kultur und Gesellschaft Alle Zeiten sind GMT + 1 Stunde
Gehe zu Seite Zurück  1, 2, 3 ... 38, 39, 40 ... 75, 76, 77  Weiter
Seite 39 von 77

 
Gehe zu:  
Du kannst keine Beiträge in dieses Forum schreiben.
Du kannst auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten.
Du kannst deine Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten.
Du kannst deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Du kannst an Umfragen in diesem Forum nicht mitmachen.



Impressum & Datenschutz


Powered by phpBB © 2001, 2005 phpBB Group