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Menschenrechte, eine Errungenschaft des Christentums?
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44681

Beitrag(#1594802) Verfasst am: 02.01.2011, 15:48    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Weitere Kandidaten wären aus meiner Sicht:

Offensichtlich. Ich sehe das nicht so einseitig.
_________________
"Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44681

Beitrag(#1594804) Verfasst am: 02.01.2011, 15:50    Titel: Antworten mit Zitat

Deus ex Machina hat folgendes geschrieben:
Der relevante Unterschied ist, dass das "Westlertum" den Menschen "jenseits des Mittelmeeres" die Quellen seines Wohlstandes nicht vorenthält sondern deren Verbreitung sogar unterstützt. Die römischen Adligen hätten mit ihren Untertanen auch ihren Wohlstand verloren. Versänke Afrika im Meer würde das hingegen das Wohlstandsniveau der Westler nicht entscheidend senken.

Wenn du meinst...
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"Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#1594843) Verfasst am: 02.01.2011, 16:54    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Ich denke, auch im antiken Griechenland und sogar in China war es bereits zuvor Thema.
Es wurde vielleicht in gewissen Kreisen diskutiert, aber nicht in Kreisen, in denen auch Sklaven Mitglieder gewesen wären. Also es war vielleicht philosophisch Thema, aber nicht gesellschaftlich.

Hab nochmal nachgeschaut, die Quellenlage ist doch sehr dünn. Es wurde zwar eingesehen, daß Sklaven gewisse Rechte haben, aber die Sklaverei als solche wurde wohl nicht wirklich infragesgestellt. Am ehesten noch
- im klass. Judentum, wo es bereits den Ansatz der Gleichheit aler Menschen gab
- in den Lehren des Konfuzius, der darauf hinwies, daß auch Sklaven Menschenwürde besäßen

Um zum Thema zurückzukommen: Ich würde nicht behaupten, christliche Ideen hätten keinerlei positiven Einfluß gehabt. Speziell aber bei den Themen Aufklärung, wissenschaftlich-technischer Fortschritt, Demokratie sehe ich einen wesentlich größeren Einfluß durch die Antike und die oben von mir genannten Punkte.
_________________
Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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homosapiens1957
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Anmeldungsdatum: 31.12.2010
Beiträge: 20
Wohnort: Celle

Beitrag(#1594871) Verfasst am: 02.01.2011, 18:34    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Ich denke, auch im antiken Griechenland und sogar in China war es bereits zuvor Thema.
Es wurde vielleicht in gewissen Kreisen diskutiert, aber nicht in Kreisen, in denen auch Sklaven Mitglieder gewesen wären. Also es war vielleicht philosophisch Thema, aber nicht gesellschaftlich.

Hab nochmal nachgeschaut, die Quellenlage ist doch sehr dünn. Es wurde zwar eingesehen, daß Sklaven gewisse Rechte haben, aber die Sklaverei als solche wurde wohl nicht wirklich infragesgestellt. Am ehesten noch
- im klass. Judentum, wo es bereits den Ansatz der Gleichheit aler Menschen gab
- in den Lehren des Konfuzius, der darauf hinwies, daß auch Sklaven Menschenwürde besäßen

Um zum Thema zurückzukommen: Ich würde nicht behaupten, christliche Ideen hätten keinerlei positiven Einfluß gehabt. Speziell aber bei den Themen Aufklärung, wissenschaftlich-technischer Fortschritt, Demokratie sehe ich einen wesentlich größeren Einfluß durch die Antike und die oben von mir genannten Punkte.


Nach meiner Meinung kommt es zwar geistesgeschichtlich aber nicht historisch darauf an, ob Einzelne irgendwann einmal sich zum Thema Sklaverei geäußert haben. Man kann wohl ohne weiteres unterstellen, dass es in jeder Gesellschaft zu jeder Zeit einzelne Menschen gegeben hat, die gegen Sklaverei oder bestimmte Auswüchse der Sklaverei waren, ohne dass uns heute diese Personen bekannt sind.

Auch hinsichtlich von Quellen und Personen, deren Gegnerschaft uns heute noch bekannt sind, wir man wohl unterscheiden müssen, ob sie zu Lebzeiten, später oder nie Einfluss im Sinne einer Abschaffung gehabt haben. Manchmal war auch der Einsatz für Sklaven eher dem Umstand geschuldet, dass jemand erkannte, dass Sklaven, die man schlecht behandelt, auch weniger leisten als wenn man ihnen ein halbwegs vernünftiges und sicheres Leben zugesteht. Die Forderung, Sklaven besser zu behandeln, kann also auch ökonomische und nicht humanistische Gründe haben.


Allerdings, wenn hier behauptet wird, dass auch schon im klassischen Judentum bereits den Ansatz der Gleichheit aller Menschen gab, halte ich dies für eine christliche-mythische Fehlinformation. Der Nächste im alten Testament ist der Mitjude und nicht jeder Mensch, oder wie es sogar in der Guten Nachricht Bibel heißt, der Mitmensch. Natürlich steht in den hebräischen Schriften, vor allem nicht in der Thora das Wort Mitjude. Für einen Juden war klar, dass nicht irgendwelche Assyrer, Kanaaniter oder sonst was für Ausländer gemeint waren, sondern der (ebenfalls jüdische) Nachbar, der Angehörige des eigenen Volkes. Ausländer waren damals nicht so häufig, wie sie heute selbst in kleinen Dörfer schon fast alltäglich sind, Fernsehen und Internet, nicht einmal Zeitungen gab es. Selbst das Nachbardorf war manchmal schon eine exotische Welt. Kurz gesagt, wir sprechen hier nicht von der Neuzeit, sondern vor allem von der Bronze- und Eisenzeit, von einer Zeit, die noch vor der klassischen griechischen Antike liegt.

Aber man kann dies auch anhand des alten Testaments selbst belegen. Stichwortartig einmal kurz ein paar Highlights:
- in den Bücher Mose werden bestimmte Gebote auch auf die Fremden, die unter euch leben, erstreckt. Wenn sowieso schon alle Menschen gemeint wären, wie die christlichen Kirchen nicht müde werden zu erzählen, wer sollen denn dann noch die Fremden sein? Außerirdische?
- Die Eroberung Kanaans ist auch sehr interessant, Genozid zum Zwecke der Landgewinnung (wer sich nicht unterwirft, wird getötet, wer sich unterwirft, versklavt usw)
- Der Untergang Israels wird aus der Sicht Judas unter anderem dem Umstand zugeschrieben, dass man sich dort mit Fremden vermischt hatte. (Auf neuhochdeutsch heißt dies Sarrazininsmus)
- Juda ist jedes Mal in Gefahr, wenn man eine Vermischung mit Fremden zulässt
- Fremde allgemein, sind ganz gefährlich, sie bringen das Volk Israel von Gott ab und damit ins Verderben
- Sklavenfreilassung, in bestimmten Abständen aber immer wieder gerne, soweit es sich bei den Sklaven um Juden handelt, nicht-Juden bleiben Sklaven

Und dies sind nur einige Stichworte, man könnte dicke Bücher darüber schreiben.

Na gut, werden jetzt einige sagen. Aber Jesus war anders! Nach der offiziellen christlichen Bibelauslegung gewiss. Aber was sagt Jesus selbst? „Ich bin nur zu den verlorenen Schafen aus dem Hause Israel gesandt“ Wie das Ganze dann im christlichen Sinne umgedeutet wird, kann man dann beispielsweise auf folgender Webseite nachlesen: http://www.visionen.com/Rubriken/Spiritualitaet/War_Jesus_Christ Da kann man nur sagen, Jesus wusste wohl nicht, wie missverständlich er sich ausdrückt hat, gut, dass es Theologen gibt, die uns sagen, was er meinte. (Wohlgemerkt, Jesus hat sich missverständlich ausgedrückt, der vaterlose Mann, der sein eigener Vater und allwissend ist.)

Komisch auch, dass nach der Offenbarung des Johannes auch nur jeweils 12.000 Männer (nicht Brüder und Schwestern, wie es in der politisch korrekten Gute Nachricht Bibel steht) aus den 12 Stämmen Israels gesiegelt werden. Aber keine Sorge, Theologen können heute begründen, dass man nicht Jude sein muss, um gesiegelt zu werden, dass man nicht männlich sein muss und vor allen, dass es nicht nur lediglich 144.000 sind, die gesiegelt werden, denn dann wären schon seit mindestens 1.500 Jahre alle Siegel weg. Da gibt es natürlich einige Unterschiede, je nach dem, welcher christlichen Sekte oder Kirche man angehört.

PS: Mit großer Wahrscheinlichkeit war es Paulus, der auf die Idee gekommen ist, die Heiden zu missionieren - nachdem die Juden mehrheitlich keine Lust hatten, sich missionieren zu lassen.

Aber aus alledem folgt, das klassische Judentum an sich hatte keine Ansätze hinsichtlich der Gleichheit aller Menschen, im Gegenteil, die Könige der Völker werden eines Tages Tribut an das himmlische Jerusalem leisten. Dies schließt natürlich nicht aus, dass eine ganz kleine Minderheit hier und da einmal anderer Meinung war. Aber diese Minderheit war garantiert nicht einmal so groß, die man sie in Prozent ausdrücken könnte, es sei denn, man schreibt eine Null, dann ein Komma, dann ganz viele Nullen und dann irgendeine Ziffer von 1 bis 9.

Wenn überhaupt, dann ist die Bibel eine Blaupause für Rassismus und Nationalismus, aber garantiert nicht für Menschenrechte und Demokratie. Dass es Gebote gibt, untereinander Frieden zu halten, ist doch nur logisch; man überlege einmal, was uns alles erspart worden wäre, wenn sich die Nazis ständig gegenseitig umgebracht hätten.
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(Irren ist menschlich, aber auf Irrtümern zu bestehen ist teuflisch.)
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step
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Beiträge: 22782
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Beitrag(#1594882) Verfasst am: 02.01.2011, 19:20    Titel: Antworten mit Zitat

Mir liegt es absolut fern, hier irgendwie die Bibel als humanistisches Buch darzstellen.

Aber meines Wissens ist es nunmal so, daß die Israeliten sich selbst als Nachfahren von Zwangsarbeitern verstanden und das zur Folge hatte, daß die Schutzrechte für Sklaven deutlich weitgehender als in anderen Gesellschaften jener Zeit und Region waren.

Sicher kennt sich jemand Anderer besser aus, hab jetzt auf die Schnelle nur diese Beispiele gefunden:

http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Sklaverei#Israel_in_biblischer_Zeit
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homosapiens1957
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Beitrag(#1594930) Verfasst am: 02.01.2011, 21:25    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Mir liegt es absolut fern, hier irgendwie die Bibel als humanistisches Buch darzstellen.

Aber meines Wissens ist es nunmal so, daß die Israeliten sich selbst als Nachfahren von Zwangsarbeitern verstanden und das zur Folge hatte, daß die Schutzrechte für Sklaven deutlich weitgehender als in anderen Gesellschaften jener Zeit und Region waren.

Sicher kennt sich jemand Anderer besser aus, hab jetzt auf die Schnelle nur diese Beispiele gefunden:

http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Sklaverei#Israel_in_biblischer_Zeit


Was Religionen und ihre Inhalte betrifft, ist Wikipedia mit äußerster Vorsicht zu genießen. Das ist ungefähr genauso wie mit den Seiten über Parteien und Politikern. Da schreiben vor allem Leute, die ein Interesse an dem Thema haben, und das sind wahlweise Gläubige, Parteimitglieder und Anhänger beziehungsweise die Politiker selbst, im Zweifelsfalle vertreten durch einen Angestellten (Sekretärin, Referenten etc.) Kritisches wirst du da regelmäßig nicht finden.

Was die Sklaverei in Ägypten angeht, aufgrund der Beschreibungen der Bibel geistern in Europa ganz seltsame Vorstellungen herum. Sklaverei in der Form, wie viele meinen, gab es dort alttestamentarischer Zeit gar nicht. Diese Formen der Sklaverei gab es erst Jahrhunderte später.

Das nächste Problem sind wieder die Bibelübersetzungen selbst.

Es gibt zwei Probleme, zu dem moderne Übersetzer nichts können. 1. Die Übersetzung erfolgt aus einer Sprache, die man nicht einfach 1:1 übersetzen kann, also praktisch nur Worte austauschen und hier und da die Satzstellung korrigieren. 2. Das Zweite ist, dass sich die Bedeutung von Worten im Laufe von Jahrhunderten ändern kann. Kanaken sind eigentlich ein Südseevolk, aber wenn in Deutschland heute von Kanaken gesprochen wird, dann sind bestimmt nicht Südseevölker gemeint, und vor 100 Jahren wären keine Türken gemeint gewesen.

Aber es gibt ein weiteres Problem, und dies ist letztlich auch ein theologisches. Vieles wird zu sehr aus Sicht heutiger Christen übersetzt, genau genommen müssten sich die Übersetzer fragen, wie hat Otto-Normal-Hebräer 800 oder 600 vor unserer Zeitrechnung oder wann auch immer den Sinn dieses Textes verstanden. Dies geschieht aber häufig nicht. Da kommen dann zum Schluss wirklich so nette Sachen bei heraus, dass Gott seine Gebote im Hinblick nicht nur auf den Mitjuden sondern im Hinblick auf alle Menschen erlässt und dann anschließend gebietet, einen Teil dieser Gebote auch auf die Fremden, die unter euch leben, anzuwenden. In meinen Augen wird hier theologischer Unsinn auf die Spitze getrieben, denn wer sollen die Fremden, die nach diesen "Übersetzungskünsten" ja dann inmitten der gesamten Menschheit leben, noch sein. Da bleibt doch niemand übrig, der gemeint sein könnte.

Problematisch wird es natürlich, wenn man sich mit diesen Texten wirklich auseinander setzen will. Die ganzen Übersetzungen ins Deutsch, und dies gilt auch für die erste Übersetzung, die Lutherbibel, sind im Grunde genommen unbrauchbar, soweit man nicht evangelische oder katholische Theologie betreibt. Es bleibt einem im Grunde gar nichts anderes übrig, als Hebräisch zu lernen und das Original (genauer gesagt, die verschiedenen überlieferten Fassungen) zu studieren. Wenn man nicht gerade ein kritischer Bibelwissenschaftler werden will, kann man dieses Problem in der Praxis natürlich etwas umgehen, indem man kritische Bibelexergeten und kritische Bücher zur Bibel zu Rate zieht - und - die Bibelstellen auch in der Falschübersetzung kritisch ließt und nicht einfach die Erklärungen weiter tradiert, die man schon 1000 mal gehört hat. Ich habe in meinem vorhergehenden Beitrag schon ein Beispiel angegeben, wie die Christen die Worte ihres Heilandes notfalls auch mal gegen den Strich bügeln. („Ich bin nur zu den verlorenen Schafen aus dem Hause Israel gesandt“ - Ironische Anmerkung: Tut mir Leid, ihr lieben deutschen Christen, ihr seid nicht gemeint, ihr seid ein Völkergemisch aus vorwiegend Germanen und Kelten und nicht Israeliten!)

Noch so ein Problem. Die Bibel ist ein Sammelsurium aus Einzelschriften, sie ist nicht, wie heutige gebundene Ausgaben vielleicht vermuten lassen, ein einheitliches Buch. Und da sind schon einmal einige Sachen doppelt, manchmal wörtlich, manchmal nicht, und hier und da widerspricht sich das Ganze auch, weshalb Jesus nicht nur ein Kind ohne Vater ist, er besitzt obendrein noch zwei verschiedene Stammbäume in der väterlichen Linie. Das soll ihm erst einmal jemand nachmachen!

Über den Link bin ich zu dem Wikipedia-Aufsatz gekommen. Unter anderem wird dort als Beleg, dass alle Menschen gemeint seien, die Bibel wie folgt zitiert: "Wer einen Menschen raubt, gleichgültig, ob er ihn verkauft hat oder ob man ihn noch in seiner Gewalt vorfindet, wird mit dem Tod bestraft." (Einheitsübersetzung 2. Moses 21, 16). Hierzu gibt es eine Parallelstelle (5. Moses 24, 7) und da hört sich das Ganze schon etwas anders an: "Wenn ein Mann dabei ertappt wird, wie er einen seiner Brüder, einen Israeliten, entführt, ihn als Sklaven kennzeichnet und verkauft, dann soll dieser Entführer sterben."

Natürlich hat de Wikipedia-Autor auch auf diese Stelle hingewiesen. Er schreibt insgesamt: "Sie verbietet allgemein den Raub von Menschen und bedroht diesen mit der Todesstrafe (Ex 21,16 EU): Wer einen Menschen raubt, gleichgültig, ob er ihn verkauft hat oder ob man ihn noch in seiner Gewalt vorfindet, wird mit dem Tod bestraft. Nach Dtn 24,7 EU sollte der Raub eines Israeliten ebenso bestraft werden. " Da bleibt nur die Frage, sind Israeliten keine Menschen, so dass für sie extra bestimmt werden muss, dass sie nicht geraubt werden dürfen - und das ausgerechnet noch in ihrer eigenen heiligen Schrift?

Ich glaube nicht einmal, dass der Autor in Wikipedia dies bewusst war, er glaubt wahrscheinlich an das, was er dort geschrieben hat, aber dass man an der christlichen Auslegung der Bibel berechtigte Zweifel haben kann, ja sogar haben muss, und darüber hinaus sehr genau aufpassen muss, was uns da unter Umständen für ein komischer Kram verkauft werden soll, macht, glaube ich, schon dieses kleine Beispiel klar.

Ich gehe noch ein Stück weiter. Die älteren Schriften des alten Testaments sind die Staatsideologischen Schriften des judäischen Staates kurz vor seinem Untergang, natürlich zugleich auch religiöse Schriften, denn zu dieser Zeit waren Staat, Religion und Kult drei Seiten der gleichen Sache, von Ägypten bis Mesopotamien und soweit man weiß, auf der ganzen arabischen Halbinsel.

Natürlich war es auch damals schon nicht üblich, jeden Fremden, der ins Land kam, gleich zu erschlagen, zu versklaven oder zu berauben, und natürlich waren die Gebote im Grunde genommen das, was wir heute Gesetze nennen und natürlich wurde auch den Fremden, die ins Land kamen, ein gewisser Schutz zugestanden, schließlich wollte man mit diesen ja unter anderem auch Handel treiben, aber die 10 Gebote dienten doch nicht dem Schutz aller Menschen wie die Menschenrechtserklärung, sie waren auch kein Grundgesetz mit Grundrechten, sie waren einfach ganz normale Gesetze, die das Zusammenleben regelten und unabänderlich, weil sie von Gott kamen. Und in der einen oder anderen Form hatte jeder damalige Staat solche Gesetze, denn die Menschen brauchten eine gewisse Rechtssicherheit. Wäre die nicht gewährt worden, hätten sich sonst viele wohl darauf besonnen, dass man ins Nachbarland auswandern kann. Aber hieraus abzuleiten, dass die Grund- und Menschenrechte aus der Bibel stammen, ist genauso vermessen, als wenn jemand behauptet, sie stammen aus Assyrien, aus Ägypten, von den Sumerer, Persern oder was es sonst noch so an Staaten in der Gegend gab.


So, zum Schluss noch ein kleiner Buchhinweis: Israel Finkelstein, Neil A. Silberman, Keine Posaunen vor Jericho, die archäologische Wahrheit über die Bibel, C.H.Beck, München 2002 (darin wird unter anderem begründet, warum ich eben von der judäischen Staatsideologie sprach.)
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44681

Beitrag(#1594993) Verfasst am: 03.01.2011, 01:17    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
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Was das wissenschaftliche Weltbild angeht, hast du in jedem Falle Recht. Dass zumindest das liberale Demokrateverständnis von den griechischen Poleis inspiriert ist, ist auch relativ offensichtlich. Was die Aufklärung angeht, so würde ich sagen, dass sie versuchte, sowohl das griechische als auch das jüdisch-christliche Erbe Europas zu integrieren, dabei aber zu beiden die kritische Distanz nicht zu verlieren. Die Wellen der Hellenismus-Euphorie in Europa fanden ja zeitlich größtenteils vor (Rennaissance) und nach (Hölderlin, etc.) der Aufklärung statt und nicht zeitgleich mit ihr. Aber zumindest von der Rennaissance und ihrem Humanismus war die Aufklärung natürlich stark beeinflusst.
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