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M+L Schmidt-Salomon: Leibniz war kein Butterkeks
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Darwin Upheaval
Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator



Anmeldungsdatum: 23.01.2004
Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden

Beitrag(#1628099) Verfasst am: 14.04.2011, 19:07    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
Obwohl ich gewisse Ereignisse prinzipiell nicht vorhersagen kann, lässt sich trotzdem eine probabilistische Ursache-Wirkung-Beziehung angeben: Ra-226 ist radioaktiv, Fe-56 nicht.

Du mußt schon definieren, was genau hier kausal und was zufällig ist. Ich kann den Zerfall oder das Doppelspaltexperiment in der KD so formulieren, daß nur noch der echte Zufall übrigbleibt, etwa indem ich das Experiment nut einmal mache und die Observable geschickt wähle.


Aber ich kann Wahrscheinlichkeiten für das Eintreten des gewünschten Ereignisses berechnen. Das nennt man, wenn ich mich nicht irre, "probabilistische Kausalität"...

Nur ein Beispiel: Den Zerfall eines Atoms Ra-216 kann ich mit guter Hoffnung bei einer Tasse Tee erwarten, bei Bi-209 warte ich bis ich schwarz werde. Der umgekehrte Fall ist zumindest transastronomisch unwahrscheinlich. Der Zufall (ob "echt" oder nicht) wird folglich durch Systemgesetzlichkeiten (=Ursachen) "kanalisiert". Es kann und wird eben nicht alles, was vorstellbar ist, (gleichwahrscheinlich) eintreten. Nur in diesem Fall würde ich von (strenger) Akausalität sprechen - in diesem Fall würde möglicherweise sogar der Naturalismus scheitern.
_________________
"Science is a candle in the dark." - Carl Sagan

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Zuletzt bearbeitet von Darwin Upheaval am 14.04.2011, 19:10, insgesamt einmal bearbeitet
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#1628100) Verfasst am: 14.04.2011, 19:10    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Zwei konkurrierende Modelle, die sich nicht prüfen lassen, aber doch fundemental sind für unser Verständnis: Universum vs Multiversum

- Im Moment weniger fundamental: welche praktischen Konsequenzen oder Entscheidungen könnten rational denkende Menschen denn daraus ableiten?
- an der Falsifizierbarkeit wird geforscht
- man nennt sie daher "Deutungen" und nicht "Theorien" oder "Wahrheiten".

zelig hat folgendes geschrieben:
David Deutsch ist als Wissenschaftler mit jeder Faser von der Richtigkeit seiner Viele-Welten-Interpretation überzeugt. Er hat einen Wahrheitsanspruch, oder?

Wenn er mehr als den Anspruch hat, die bessere Theorie zu haben, dann findet das nicht meine Zustimmung.
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zelig
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Anmeldungsdatum: 31.03.2004
Beiträge: 25405

Beitrag(#1628101) Verfasst am: 14.04.2011, 19:17    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Zwei konkurrierende Modelle, die sich nicht prüfen lassen, aber doch fundemental sind für unser Verständnis: Universum vs Multiversum

- Im Moment weniger fundamental: welche praktischen Konsequenzen oder Entscheidungen könnten rational denkende Menschen denn daraus ableiten?


Das ist für mich der interessanteste Punkt. Wir können möglicherweise gar keine Konsequenzen daraus ableiten. Aber es interessiert uns brennend, wie die Welt wirklich beschaffen ist. Das ist die reine Lust, Neugierde. Und ich wette, auch Du würdest viel für eine solche Erkenntnis geben, selbst wenn sie folgenlos wäre. ; )

step hat folgendes geschrieben:
[...]
- man nennt sie daher "Deutungen" und nicht "Theorien" oder "Wahrheiten".

zelig hat folgendes geschrieben:
David Deutsch ist als Wissenschaftler mit jeder Faser von der Richtigkeit seiner Viele-Welten-Interpretation überzeugt. Er hat einen Wahrheitsanspruch, oder?

Wenn er mehr als den Anspruch hat, die bessere Theorie zu haben, dann findet das nicht meine Zustimmung.


OK.
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Darwin Upheaval
Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator



Anmeldungsdatum: 23.01.2004
Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden

Beitrag(#1628103) Verfasst am: 14.04.2011, 19:18    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
... aber dem Wissenschaftler geht es schon um Wahrheit. Auch wenn er sie Modellierung nennt. ; )
Worin genau besteht denn jetzt z.B. die Wahrheit von Newtons Gravitationstheorie oder von Einsteins ART, jenseits des guten Modells? Es ist doch nirgends "F=m*a" in den Sourcecode der Welt einprogrammiert oder sowas.
Der Wahrheitsanspruch besteht darin, daß man das eigene Modell für die bessere Darstellung der Welt hält als das Konkurrierende. Selbst wenn es mit dem Vorzeichen der Vorläufigkeit versehen wird.

Wenn man das eigene Modell für die bessere Darstellung der Welt hält als das Konkurrierende, so ist das erstmal unwissenschaftlich (wenn auch psychologisch verständlich), außer man kann argumentieren, daß es bessere Voraussagen macht. Oder?


Letzteres ist in den Wahrheitsbegriff natürlich eingepreist. Man wird unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten die Evolutionstheorie für "wahr" halten, die kreationistische Auslegung der Genesis dagegen als falsch erachten.

Edit: Wobei ich relativierend hinzufügen möchte, dass die Rolle der Vorhersagekraft von Theorien allgemein überschätzt wird. Wichtiger sind für die Verwendung des Wahrheitsbegriffs eher Qualitäten wie Erklärungskraft, empirische Adäquatheit (Bewährung) und externe Konsistenz von Theorien.
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Darwin Upheaval
Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator



Anmeldungsdatum: 23.01.2004
Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden

Beitrag(#1628105) Verfasst am: 14.04.2011, 19:29    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Noseman hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Was ist mit Modellen, die sich nicht prüfen lassen?
Die sind als Erstes zu verwerfen. Schulterzucken

Zumindest ist, diese für wahr zu deklarieren, noch schlimmer, als wenn sie überprüft sind.


Zwei konkurrierende Modelle, die sich nicht prüfen lassen, aber doch fundemental sind für unser Verständnis:
Universum vs Multiversum


Bezüglich der Nichtprüfbarkeit bin ich mir nicht so sicher. Was ist denn beispielsweise damit?
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step
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Beitrag(#1628114) Verfasst am: 14.04.2011, 20:07    Titel: Antworten mit Zitat

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
Bezüglich der Nichtprüfbarkeit bin ich mir nicht so sicher. Was ist denn beispielsweise damit?

Hier geht es um eine andere Sorte Multiversum, nämlich die Everett'sche. Aber selbst bei der ist das mit der Nichtüberprüfbarkeit nicht ausgemacht.
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step
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Beitrag(#1628115) Verfasst am: 14.04.2011, 20:14    Titel: Antworten mit Zitat

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Wenn man das eigene Modell für die bessere Darstellung der Welt hält als das Konkurrierende, so ist das erstmal unwissenschaftlich (wenn auch psychologisch verständlich), außer man kann argumentieren, daß es bessere Voraussagen macht. Oder?
Letzteres ist in den Wahrheitsbegriff natürlich eingepreist. Man wird unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten die Evolutionstheorie für "wahr" halten, die kreationistische Auslegung der Genesis dagegen als falsch erachten.

"Eingepreist" ist gut ... ja, und man wird man die ET für "eine gute Theorie" und den Kreationismus für "falsifiziert" halten, weil die ET überprüfbare und erfolgreich überprüfte Voraussagen macht, z.B. über zu erwartende Fossilienfunde, über genetische Verwandschaft usw. - ihr darüberhinaus eine ontologische Wahrheitseigenschaft zu verpassen ist mE irreführend bzw. unsinnig.

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
... dass die Rolle der Vorhersagekraft von Theorien allgemein überschätzt wird. Wichtiger sind für die Verwendung des Wahrheitsbegriffs eher Qualitäten wie Erklärungskraft, empirische Adäquatheit (Bewährung) und externe Konsistenz von Theorien.

Sind alles Varianten von Vorhersagekraft.
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step
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Beitrag(#1628120) Verfasst am: 14.04.2011, 20:22    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Aber es interessiert uns brennend, wie die Welt wirklich beschaffen ist. Das ist die reine Lust, Neugierde. Und ich wette, auch Du würdest viel für eine solche Erkenntnis geben, selbst wenn sie folgenlos wäre. ; )

Schon richtig, aber die Lust kommt dabei nicht aus der Vorstellung einer ontologischen Wahrheit, sondern aus der Befriedigung, ein einfaches, schönes und mächtiges Modell zu finden. Ähnlich wie bei einem Tüftler/Erfinder oder bei einem Künstler. Das Erkennen eines Systems, die Schönheit des Modells, und dazu der "Jagderfolg", das ich denke diese Kombination macht's.
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step
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Beiträge: 22782
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Beitrag(#1628122) Verfasst am: 14.04.2011, 20:31    Titel: Antworten mit Zitat

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
Den Zerfall eines Atoms Ra-216 kann ich mit guter Hoffnung bei einer Tasse Tee erwarten, bei Bi-209 warte ich bis ich schwarz werde. Der umgekehrte Fall ist zumindest transastronomisch unwahrscheinlich. Der Zufall (ob "echt" oder nicht) wird folglich durch Systemgesetzlichkeiten (=Ursachen) "kanalisiert".

Naja. Also nehmn wir das Doppelspaltexperiment, einmal durchgeführt. Der Erwartungswert ist im Rahmen der möglichen Resultate 1 und 2 streng zufällig (was bei mehreren Durchführungen einer Gleichverteilung äquivalent ist). Die "Zustandsreduktion" (aus Sicht der KD) erfolgt hier streng akausal, obwohl viele Dinge drumherum natürlich trotzdem kausal ablaufen.

Ebenso ist es bei Deinem Zerfall, nur etwas komplizierter.

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
Es kann und wird eben nicht alles, was vorstellbar ist, (gleichwahrscheinlich) eintreten. Nur in diesem Fall würde ich von (strenger) Akausalität sprechen ...

In diesem Fall würde ich von globaler, kompletter Akausalität sprechen.

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
- in diesem Fall würde möglicherweise sogar der Naturalismus scheitern.

Sicher. Aber hast Du nicht weiter oben behauptet, der Naturalismus würde bereits scheitern, wenn der ein oder andere Kobold auftaucht?
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Marcellinus
Outsider



Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#1628165) Verfasst am: 14.04.2011, 21:43    Titel: Antworten mit Zitat

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
... aber dem Wissenschaftler geht es schon um Wahrheit. Auch wenn er sie Modellierung nennt. ; )
Worin genau besteht denn jetzt z.B. die Wahrheit von Newtons Gravitationstheorie oder von Einsteins ART, jenseits des guten Modells? Es ist doch nirgends "F=m*a" in den Sourcecode der Welt einprogrammiert oder sowas.
Der Wahrheitsanspruch besteht darin, daß man das eigene Modell für die bessere Darstellung der Welt hält als das Konkurrierende. Selbst wenn es mit dem Vorzeichen der Vorläufigkeit versehen wird.

Wenn man das eigene Modell für die bessere Darstellung der Welt hält als das Konkurrierende, so ist das erstmal unwissenschaftlich (wenn auch psychologisch verständlich), außer man kann argumentieren, daß es bessere Voraussagen macht. Oder?


Letzteres ist in den Wahrheitsbegriff natürlich eingepreist. Man wird unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten die Evolutionstheorie für "wahr" halten, die kreationistische Auslegung der Genesis dagegen als falsch erachten.

Plagt ihr euch immer noch mit dem Wahrheitsbegriff? Was wäre so schlimm daran, zuzugeben, daß er ein ähnlich veralteter Begriff ist wie der Gottesbegriff, Teil philosophischer Vorstellungen, wie der Gottesbegriff Teil der religiösen ist. Philosophie wie Religion mögen für einen persönlich große Bedeutung haben, geeignet zum Entwicklung von überprüfbarem Wissen sind sie nicht. "Wahrheit" wie "Gott" sind Ausdruck der Suche nach absoluten, endgültigen und dogmatischen Antworten auf Fragen, die von gefühlsmäßiger Bedeutung für den Fragenden sind. Wissenschaft dagegen suchen nach überprüfbaren Erklärungen für Zusammenhänge, und solche Antworten sind nie absolut und endgültig, sondern vorläufig und unvollständig.

Wissenschaftliches Wissen entwickelt sich, wir irren uns gewissermaßen empor. Keine wissenschaftliche Theorie für sich genommen ist "wahr" im Sinne von absolut oder endgültig. Aber sie ist vielleicht besser als die, die vorher gegolten hat. Der Fortschritt, das höhere Maß an Sachgerechtigkeit und Überprüfbarkeit macht den Wert aus. Und wenn eine Theorie grundlegend ist und ein Fach den Status einer Wissenschaft erreicht hat, dann lösen neue Theorien alte nicht einfach mehr ab, sondern sie umfassen sie.

Wer an diese Entwicklung unseres Wissens mit dem philosophischen Kriterium "Wahrheit" herangeht, versteht dann einfach nicht das Verhältnis zwischen Newtons Gravitationstheorie und Einsteins Relativitätstheorie. Es ist der Komparativ, der Vergleich, der den Bewertungsmaßstab ergibt. Einen absoluten Maßstab gibt es da nicht, aber den gibt es nirgendwo, außer in der philosophischen oder religiösen Fantasie.
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"Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."

Friedrich Nietzsche
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Lamarck
Radikaler Konstruktivist



Anmeldungsdatum: 28.03.2004
Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main

Beitrag(#1628451) Verfasst am: 16.04.2011, 09:05    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Marcellinus!


Marcellinus hat folgendes geschrieben:

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:

step hat folgendes geschrieben:

zelig hat folgendes geschrieben:

step hat folgendes geschrieben:

zelig hat folgendes geschrieben:
... aber dem Wissenschaftler geht es schon um Wahrheit. Auch wenn er sie Modellierung nennt. ; )
Worin genau besteht denn jetzt z.B. die Wahrheit von Newtons Gravitationstheorie oder von Einsteins ART, jenseits des guten Modells? Es ist doch nirgends "F=m*a" in den Sourcecode der Welt einprogrammiert oder sowas.
Der Wahrheitsanspruch besteht darin, daß man das eigene Modell für die bessere Darstellung der Welt hält als das Konkurrierende. Selbst wenn es mit dem Vorzeichen der Vorläufigkeit versehen wird.

Wenn man das eigene Modell für die bessere Darstellung der Welt hält als das Konkurrierende, so ist das erstmal unwissenschaftlich (wenn auch psychologisch verständlich), außer man kann argumentieren, daß es bessere Voraussagen macht. Oder?


Letzteres ist in den Wahrheitsbegriff natürlich eingepreist. Man wird unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten die Evolutionstheorie für "wahr" halten, die kreationistische Auslegung der Genesis dagegen als falsch erachten.

Plagt ihr euch immer noch mit dem Wahrheitsbegriff? Was wäre so schlimm daran, zuzugeben, daß er ein ähnlich veralteter Begriff ist wie der Gottesbegriff, Teil philosophischer Vorstellungen, wie der Gottesbegriff Teil der religiösen ist. Philosophie wie Religion mögen für einen persönlich große Bedeutung haben, geeignet zum Entwicklung von überprüfbarem Wissen sind sie nicht. "Wahrheit" wie "Gott" sind Ausdruck der Suche nach absoluten, endgültigen und dogmatischen Antworten auf Fragen, die von gefühlsmäßiger Bedeutung für den Fragenden sind. Wissenschaft dagegen suchen nach überprüfbaren Erklärungen für Zusammenhänge, und solche Antworten sind nie absolut und endgültig, sondern vorläufig und unvollständig.

Wissenschaftliches Wissen entwickelt sich, wir irren uns gewissermaßen empor. Keine wissenschaftliche Theorie für sich genommen ist "wahr" im Sinne von absolut oder endgültig. Aber sie ist vielleicht besser als die, die vorher gegolten hat. Der Fortschritt, das höhere Maß an Sachgerechtigkeit und Überprüfbarkeit macht den Wert aus. Und wenn eine Theorie grundlegend ist und ein Fach den Status einer Wissenschaft erreicht hat, dann lösen neue Theorien alte nicht einfach mehr ab, sondern sie umfassen sie.

Wer an diese Entwicklung unseres Wissens mit dem philosophischen Kriterium "Wahrheit" herangeht, versteht dann einfach nicht das Verhältnis zwischen Newtons Gravitationstheorie und Einsteins Relativitätstheorie. Es ist der Komparativ, der Vergleich, der den Bewertungsmaßstab ergibt. Einen absoluten Maßstab gibt es da nicht, aber den gibt es nirgendwo, außer in der philosophischen oder religiösen Fantasie.


Begriffe altern nicht - sie stehen nur in einem gewissen Kontext, der vielleicht nicht mehr gebraucht wird. Die Logik und damit die Entscheidungstheorie kann auf das binäre Wertepaar wahr/falsch nicht verzichten.

Mit einem "Lüg mich nicht an, sag die Wahrheit!" ist etwas anderes gemeint, als die Wahrheit. Letzteres ist eine Verabsolutierung des Begriffs und dann ein Synonym für Allwissenheit. Allwissenheit ist jedoch nicht möglich, wie informationstheoretisch gezeigt werden kann. Wissen jedenfalls besteht aus einer Sammlung von Aussagen, die für wahr gehalten werden, wobei alle diese Aussagen über diesen Wahrheitswert in einem Zusammenhang stehen. Naturgemäß tendiert dieses Vorhersage-Potential eben nach .

Die Wahrheit ist also eine begriffliche Hilfsgröße, die zwar ähnlich wie der absolute Nullpunkt nicht erreichbar ist. Trotzdem lassen sich hier Tendenzen erkennen - somit ist es möglich, Kühlschränke zu bauen, die etwas aber nicht absolut kühlen; ebenso wie es möglich ist, etwas zu wissen, ohne alles wissen zu können.










Cheers,

Lamarck
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Lamarck
Radikaler Konstruktivist



Anmeldungsdatum: 28.03.2004
Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main

Beitrag(#1628452) Verfasst am: 16.04.2011, 09:17    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Darwin Upheaval!


Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:

Lamarck hat folgendes geschrieben:

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:

BTW, gerade gefunden:

P.M. Kaiser hat folgendes geschrieben:
Nehmen wir ... ein Beispiel heraus, das viele Physiker zu erwähnen belieben, um angebliche ‚Akausalität’ zu demonstrieren: den radioaktiven Zerfall eines Atoms. Beobachtet man den radioaktiven Zerfall von beispielsweise Plutonium-239, so weiß man nicht, welches von den Atomen des Plutoniumstaubes zuerst zerfällt. Daraus wird geschlossen, dass der kausale Zusammenhang ein probabilistischer ist, denn wir können nur eine Wahrscheinlichkeit angeben, mit der dieses oder jenes Atom in einem bestimmten Zeitintervall zerfällt. Diese Argumentation enthält jedoch eine Reihe von Fehlern: bei der Erläuterung des Gesetzesbegriffs haben wir gesehen, dass einzelne Elemente, hier das einzelne Atom, keiner exakten Gesetzmäßigkeit unterliegt, sondern nur das Kollektiv aller in der Probe enthaltenen Atome. Das Ganze ist deshalb mal wieder ein Gedankenexperiment. Das Gesetz des radioaktiven Zerfalls lautet nun, dass der Zerfall nach einer abnehmenden Exponentialfunktion erster Ordnung abläuft. Daraus lässt sich die Halbwertszeit berechnen, die angibt, nach welcher Zeit die Hälfte der Probe zerfallen ist, in unserem Beispiel von Pu-239 nach ca. 25.000 Jahren, nach abermals der gleichen Zeit, also insgesamt nach 50.000 Jahren, wird die Hälfte des Restes zu ¼ der Ausgangsmenge zerfallen sein, etc. Näherungsweise ist nach 5 Halbwertszeiten, also nach 125.000 Jahren, praktisch alles zerfallen. Ist diese Reaktion nun deswegen ‚akausal’ oder nur ‚statistisch-kausal’? Keineswegs, denn der Grund des Zerfalls, die Ursache, ist die Instabilität des Atomkerns der Substanz Pu-239, eben seine Radioaktivität. Das reicht für eine kausale Betrachtung vollkommen aus.


Kaiser, P.M. (2009) Über das schwierige Verhältnis von Naturwissenschaft und Philosophie – Versuch zur Lösung des Kausalitätsproblems unter Einbeziehung des objektiven Zufalls.


Der Autor Deines Zitats hat nicht ordentlich definiert. Er hätte sich wohl nicht weiter über Hegel hinaus wagen sollen ... . zwinkern


Polemik ist zwar das Salz in der Suppe, aber wo hast Du Deine Suppe? zwinkern

Soweit ich es sehe, hat der Autor den Nagel auf den Kopf getroffen. Radioaktiver Zerfall ist nicht ohne Ursache, und Indeterminismus ist nicht gleichzusetzen mit Akausalität!


Ich setze auch keineswegs Indeterminismus mit Akausalität gleich. Aber schauen wir doch in meine Suppe: Was ist die Ursache von 'Zufall'? zwinkern




Cheers,

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Lamarck
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Anmeldungsdatum: 28.03.2004
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Wohnort: Frankfurt am Main

Beitrag(#1628455) Verfasst am: 16.04.2011, 09:37    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Darwin Upheaval!


Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:

Lamarck hat folgendes geschrieben:

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:

zelig hat folgendes geschrieben:

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:

[...]Indeterminismus ist nicht gleichzusetzen mit Akausalität!

Wo ist der Unterschied?


Indeterminismus bedeutet Nichtvorhersagbarkeit, Akausalität Nichtverursachung.


Schon. Wenn aber etwas prinzipiell nicht verursacht ist, so ist dies auch nicht vorhersagbar. Und wenn wiederum etwas prinzipiell nicht vorhersagbar ist, so ist dies auch nicht verursacht. Trotzdem gibt es hier eine Lösung und die hat etwas mit einer gewissen Asymmetrie zu tun ... . zwinkern


Die zentrale Frage ist, ob es dem Naturalismus zufolge überhaupt unverursachte Ereignisse geben kann. Ich behaupte: nein! Obwohl ich gewisse Ereignisse prinzipiell nicht vorhersagen kann, lässt sich trotzdem eine probabilistische Ursache-Wirkung-Beziehung angeben: Ra-226 ist radioaktiv, Fe-56 nicht. Quizfrage: Warum? Die Antwort auf ein Warum-Frage nennt man "Erklärung". Keine Erklärung ohne Mechanismus und kein Mechanismus ohne Ursache-Wirkungs-Beziehung!


Dann schau: Die Black Box Deiner "Ursache-Wirkung-Beziehung" musst Du halt so groß wählen, dass Deine Probalistik auch hineinpasst. Gehört aber der hier versteckte Inhalt nun nicht zum Naturalismus? zwinkern




BTW: Immerhin setzen auch Beobachtungen Statistik voraus. Ist Fe-56 also tatsächlich stabil oder ist nur die Halbwertszeit entsprechend groß?




Cheers,

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Beitrag(#1628458) Verfasst am: 16.04.2011, 10:15    Titel: Antworten mit Zitat

VanHanegem hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:

....
#########
S.41
" Wissenschaftliche Wahrheit ist eine 'Wahrheit auf Zeit'" usw.

Etwas radikaler betrachtet, geht es Wissenschaften überhaupt nicht um die "Wahrheit" ihrer Modelle, sondern um deren möglichst gute Voraussagekraft. So betrachtet macht man als Wissenschaftler keinerlei ontologische Aussagen und ist auch gegen entsprechende Anwürfe gefeit.....


Das ist ein Punkt, wo ich persönlich dem Herrn Step ausnahmeweise zustimme, wo er aber im Forum ansonsten ziemlich alleine steht.

Im übrigen bringt die Pauschalisierung, daß es "den Wissenschaften" nur um predictive power ginge, zwar den heutigen Stand auf den Punkt, vernachlässigt jedoch die historische Entwicklung. Letztere zeigt ganz klar auf, daß der Ursprung unserer abendländischen grundlagenorientierten Wissenschaft zumindest seit dem alten Ägypten im Versuch der Menschen besteht den Willen der Götter zu lesen.


Die Fähigkeit geeigneter wissenschaftlicher Methoden, etwas vorauszusagen, hängt allerdings davon ab, ob die Dinge selber objektiv voraussagbar sind. Wenn sie es objektiv nicht sind, dann hängt es nicht an schlechten, falschen wissenschaftlichen Methoden, sondern an der Welt selber.

Ansonsten geht es der Wissenschaft - wenn sie denn Wissen schaffen soll! - sicherlich nicht darum, Falschheiten aufzuhäufen. Wenn schon, dann geht es darum, Richtiges von Falschem, Wahres von Unwahrem zu scheiden.

Somit impliziert das Suchen der besten wissenschaftlichen Methoden und ihre Anwendung natürlich, logischer Weise auch das Suchen nach Wahrheit.

Und Wahrheit ist letzten Endes ja die Welt selber. Wissenschaft versucht, sich dieser Wahrheit = der Welt in ihrem Sagen anzunähern.

Das heisst aber nicht, dass der heutige Stand der Erkenntnis automatisch ein Verfallsdatum hat, so als wäre er eine Ware, welche bald wieder durch den neuesten Schrei ersetzt zu werden hat. Wissenschaft produziert keine Waren. Sondern erst dann, wenn bisherige Erkenntnisse widerlegt, verbessert oder erweitert worden sind, können alte Erkenntnisse verworfen oder durch bessere oder umfassendere ersetzt werden.

Dagegen werden auf dem Markt Waren auch dann ausgetauscht, obwohl sie vielleicht nicht unbedingt eine Verbesserung darstellen - einzeln oder insgesamt betrachtet ...-

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Beitrag(#1628460) Verfasst am: 16.04.2011, 10:42    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
... dass die Rolle der Vorhersagekraft von Theorien allgemein überschätzt wird. Wichtiger sind für die Verwendung des Wahrheitsbegriffs eher Qualitäten wie Erklärungskraft, empirische Adäquatheit (Bewährung) und externe Konsistenz von Theorien.

Sind alles Varianten von Vorhersagekraft.


Das glaube ich nicht. In der Evolutionstheorie geht es weniger darum, Voraussagen über die künftige Entwicklung der Spezies zu treffen, sondern eher, zu erklären, wie das, was wir heute vorfinden, als Ausdruck einer vergangenen Entwcklung zu erklären ist.

Die Zeitachse ist eine negative, keine positive.

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Beitrag(#1628461) Verfasst am: 16.04.2011, 10:48    Titel: Antworten mit Zitat

Lamarck hat folgendes geschrieben:




Das finde ich lustig. Lachen

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Beitrag(#1628463) Verfasst am: 16.04.2011, 10:57    Titel: Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
In der Evolutionstheorie geht es weniger darum, Voraussagen über die künftige Entwicklung der Spezies zu treffen, sondern eher, zu erklären, wie das, was wir heute vorfinden, als Ausdruck einer vergangenen Entwcklung zu erklären ist. Die Zeitachse ist eine negative, keine positive.

Bei der Überprüfung von Theorien kommt es häufig vor, daß es nicht um zukünftige Entwicklungen geht, sondern um Messunge. Wenn ich etwa eine Urknalltheorie überprüfe, kann ich die kosmische Hintergrundstrahlung vermessen, die ja, kausal betrachtet, klar in der Vergangenheit liegt.

Nichtmal die Überprüfung selbst muß in der Zukunft liegen, zuweilen liegt sogar das Meßergebnis bereits vor und die Theorie fehlt noch.

Ich rede also nicht über Voraussagen künftiger Evolution (obwohl das auch interessant sein könnte), sondern über überprüfbare Folgerungen aus der ET, wie etwa genetische Verwandschaft oder Fossilienbefund.
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Beitrag(#1628464) Verfasst am: 16.04.2011, 11:01    Titel: Antworten mit Zitat

Zum Unterschied zwischen Akausalität und Indeterminismus:

Wenn in einem System A ein Ereignis a stattfindet, welches - unserer Annahme gemäß - auf echtem Zufall beruht, so setzt doch dieses Ereignis a das System A, in dem es stattfindet, oder ein anderes System A² voraus, in dem es stattfindet.

Das umgebende System bildet die Voraussetzung für ein Ereignis, was nichts anderes heisst, als dass kein Ereignis im luftleeren Raum stattfindet.

Ereignis a ist aber auch eine innere Zustandsveränderung des Systems A und das Herstellen eines neuen vorübergehend - im Grenzfall für einen unendlich kleinen Zeitraum - stabilen Zustandes. In welchen neuen Zustand Z' sozusagen das System ausweicht, ist zweitrangig. Entscheidend ist - denke ich - dass jenes System vor einem hinreichend instabil gewordenen Zustand Z ausweicht. Wohin ...? Das ist die zweite Frage; aber die erste ist die des Ausweichens als solchem.

Wenn aber auch ein anderes Ereignis b die selbe vorübergehende neue Stabilität Z' erzeugen würde, so wäre es gleichrangig mit dem möglichen Ereignis a. Dies ist wohl die Voraussetzung für echten Zufall zwischen a und b.

Dennoch - unterm Strich - kann man wohl sagen, dass selbst bei einem Indeterminismus eine Kausalität, d.h. eine Ursache für das Ereignis a oder ein gleichwertiges Ereignis b gegeben ist - als notwendige, wenn auch für a nicht hinreichende Ursache.

Aber eine hinreichende Kausalität dürfte auch auf der anderen Seite schwer zu beschreiben sein, wenn man sich klarmacht, dass womöglich unendlich viele Ursachen ein Ereignis hinreichend bedingen ...-

Skeptiker
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step
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Beitrag(#1628466) Verfasst am: 16.04.2011, 11:03    Titel: Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Die Fähigkeit geeigneter wissenschaftlicher Methoden, etwas vorauszusagen, hängt allerdings davon ab, ob die Dinge selber objektiv voraussagbar sind.

Mit den Ausdrücken "die Dinge selbst" und "objektiv" setzt Du bereits einen ontologischen Realismus voraus, aus dem Du dann später "logisch" folgerst, daß die Wissenschaft "natürlich" nach "Wahrheit" suche.
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step
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Beitrag(#1628468) Verfasst am: 16.04.2011, 11:12    Titel: Antworten mit Zitat

@Skeptiker: Jetzt mal konkret. Was genau ist beim einzelnen Doppelspaltexperiment die Ursache dafür, daß das Photon sagen wir hinter Spalt 2 gemessen wird und nicht hinter Spalt 1?

In der KD gibt es zwar eine Ursache dafür, daß die sog. Zustandsreduktion überhaupt stattfindet, aber es gibt keine Ursache für die "Spaltwahl". Diese erfolgt komplett indeterministisch, und ich würde diesen Aspekt auch als komplett akausal bezeichnen.

Wenn man dagegen, anders als in der KD, die Gesamtwellenfunktion betrachtet, so ist diese, wie früher schon zur Genüge erklärt, komplett kausal und deterministisch, und enthält keinen Zufall.
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VanHanegem
Weltmeister



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Beitrag(#1628480) Verfasst am: 16.04.2011, 11:48    Titel: Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
...
Die Fähigkeit geeigneter wissenschaftlicher Methoden, etwas vorauszusagen, hängt allerdings davon ab, ob die Dinge selber objektiv voraussagbar sind. Wenn sie es objektiv nicht sind, dann hängt es nicht an schlechten, falschen wissenschaftlichen Methoden, sondern an der Welt selber.
...

Ich hoffe ich habe dich da jetzt nicht missverstanden, aber das klingt schon sehr nach "so ein Pech für die Realität, dass die von meiner Theorie nicht vernünftig beschrieben wird".

Machen wir uns nichts vor: wenn die Quantenmechanik nicht in der Lage wäre die Eindringtiefe bei der Ionenimplentation u.v.a. halbwegs korrekt vorherzusagen würde sie bestenfalls ein Nieschendasein fristen.
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Chinasky
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Beitrag(#1628677) Verfasst am: 17.04.2011, 13:23    Titel: Antworten mit Zitat

@all: Geiler Thread, ich lese genußvoll mit! Danke! Smilie Daumen hoch! bravo
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Pfaffenschreck
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Beitrag(#1628723) Verfasst am: 17.04.2011, 16:47    Titel: Antworten mit Zitat

Ohne den Thread bzw. das Buch gelesen zu haben, nur eine kurze Frage:

Ist das Buch für 14Jährige schon geeignet, oder eher erst für Ältere?
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Merkwürdig, ich kann mich nicht erinnern, jemals einer kirchlichen Vereinigung beigetreten zu sein. Und doch mußte ich erst austreten, um Nichtmitglied zu werden!
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step
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Beitrag(#1628733) Verfasst am: 17.04.2011, 17:29    Titel: Antworten mit Zitat

Pfaffenschreck hat folgendes geschrieben:
Ohne den Thread bzw. das Buch gelesen zu haben, nur eine kurze Frage:

Ist das Buch für 14Jährige schon geeignet, oder eher erst für Ältere?

Meiner Ansicht nach ist das Buch für 14-Jähige geeignet, die philosophische Gespräche gewohnt sind und auch schon mal was über Wissenschaft gehört haben.
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Pfaffenschreck
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Beitrag(#1628737) Verfasst am: 17.04.2011, 17:40    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Pfaffenschreck hat folgendes geschrieben:
Ohne den Thread bzw. das Buch gelesen zu haben, nur eine kurze Frage:

Ist das Buch für 14Jährige schon geeignet, oder eher erst für Ältere?

Meiner Ansicht nach ist das Buch für 14-Jähige geeignet, die philosophische Gespräche gewohnt sind und auch schon mal was über Wissenschaft gehört haben.

Dann passts, danke.
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Darwin Upheaval
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Beitrag(#1628857) Verfasst am: 17.04.2011, 23:47    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
@Skeptiker: Jetzt mal konkret. Was genau ist beim einzelnen Doppelspaltexperiment die Ursache dafür, daß das Photon sagen wir hinter Spalt 2 gemessen wird und nicht hinter Spalt 1?

In der KD gibt es zwar eine Ursache dafür, daß die sog. Zustandsreduktion überhaupt stattfindet, aber es gibt keine Ursache für die "Spaltwahl". Diese erfolgt komplett indeterministisch, und ich würde diesen Aspekt auch als komplett akausal bezeichnen.


Mein Physik-LK ist zwar schon lang her, aber wenn ich es noch recht in Erinnerung habe, dann ist die Frage nach der "Wahl" des Spalts einzelner Photonen falsch gestellt und tangiert somit ein Scheinproblem. Denn streng genommen liegen gar keine Photonen vor, solange die Wellenfunktion des Lichts nicht kollabiert. Wiederholt man den Versuch x Mal mit einzelnen Photonen, wird man genau die Häufigkeitsverteilung (bzw. die Interferenzmuster) wiederfinden, wie wenn viele Photonen zugleich beide Spalte passieren und anschließend miteinander interferieren.

Kurzum: Es findet keine Auswahl statt - die Photonenwelle passiert beide Spalte zugleich und interferiert mit sich selbst. Erst der "Kollaps" der Wellenfunktion (heute spricht man m.W. eher von "Dekohärenz") führt dazu, dass sich die Welle in Gestalt eines Photons hinter einem der beiden Spalte "niederschlägt". Obwohl nicht vorhersagbar ist, wo dies der Fall sein wird, hat der Kollaps der Wellenfunktion und das Auftauchen des Photons eine Ursache: die Einbettung des quantenmechanischen Objekts in ein makroskopisches System (z.B. Kollision mit Luft-Molekülen oder Aufprall auf den Fluoreszenzschirm).
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Darwin Upheaval
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Beitrag(#1628863) Verfasst am: 18.04.2011, 00:22    Titel: Antworten mit Zitat

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Hi Darwin Upheaval!


Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:

Lamarck hat folgendes geschrieben:

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:

BTW, gerade gefunden:

P.M. Kaiser hat folgendes geschrieben:
Nehmen wir ... ein Beispiel heraus, das viele Physiker zu erwähnen belieben, um angebliche ‚Akausalität’ zu demonstrieren: den radioaktiven Zerfall eines Atoms. Beobachtet man den radioaktiven Zerfall von beispielsweise Plutonium-239, so weiß man nicht, welches von den Atomen des Plutoniumstaubes zuerst zerfällt. Daraus wird geschlossen, dass der kausale Zusammenhang ein probabilistischer ist, denn wir können nur eine Wahrscheinlichkeit angeben, mit der dieses oder jenes Atom in einem bestimmten Zeitintervall zerfällt. Diese Argumentation enthält jedoch eine Reihe von Fehlern: bei der Erläuterung des Gesetzesbegriffs haben wir gesehen, dass einzelne Elemente, hier das einzelne Atom, keiner exakten Gesetzmäßigkeit unterliegt, sondern nur das Kollektiv aller in der Probe enthaltenen Atome. Das Ganze ist deshalb mal wieder ein Gedankenexperiment. Das Gesetz des radioaktiven Zerfalls lautet nun, dass der Zerfall nach einer abnehmenden Exponentialfunktion erster Ordnung abläuft. Daraus lässt sich die Halbwertszeit berechnen, die angibt, nach welcher Zeit die Hälfte der Probe zerfallen ist, in unserem Beispiel von Pu-239 nach ca. 25.000 Jahren, nach abermals der gleichen Zeit, also insgesamt nach 50.000 Jahren, wird die Hälfte des Restes zu ¼ der Ausgangsmenge zerfallen sein, etc. Näherungsweise ist nach 5 Halbwertszeiten, also nach 125.000 Jahren, praktisch alles zerfallen. Ist diese Reaktion nun deswegen ‚akausal’ oder nur ‚statistisch-kausal’? Keineswegs, denn der Grund des Zerfalls, die Ursache, ist die Instabilität des Atomkerns der Substanz Pu-239, eben seine Radioaktivität. Das reicht für eine kausale Betrachtung vollkommen aus.


Kaiser, P.M. (2009) Über das schwierige Verhältnis von Naturwissenschaft und Philosophie – Versuch zur Lösung des Kausalitätsproblems unter Einbeziehung des objektiven Zufalls.


Der Autor Deines Zitats hat nicht ordentlich definiert. Er hätte sich wohl nicht weiter über Hegel hinaus wagen sollen ... . zwinkern


Polemik ist zwar das Salz in der Suppe, aber wo hast Du Deine Suppe? zwinkern

Soweit ich es sehe, hat der Autor den Nagel auf den Kopf getroffen. Radioaktiver Zerfall ist nicht ohne Ursache, und Indeterminismus ist nicht gleichzusetzen mit Akausalität!


Ich setze auch keineswegs Indeterminismus mit Akausalität gleich. Aber schauen wir doch in meine Suppe: Was ist die Ursache von 'Zufall'? zwinkern


Deine Frage riecht nach einem Kategorienfehler: Selbstredend wird "der Zufall" ebenso wenig verursacht wie "der Determinismus", beides sind beschreibende Begriffe. Verursacht werden Ereignisse (=Zustandsänderungen), und zwar durch Wechselwirkungen von Teilchen bzw. von Systemen. Die Wechselwirkungen im System (= Ursachen von Ereignissen) lassen sich gesetzmäßig beschreiben, treten also mit Notwendigkeit auf - ganz gleich, ob die resultierenden Ereignisse nun im Einzelnen deterministisch sind oder zufällig. (Der Zufall implizit also keineswegs das Fehlen von Gesetzmäßigkeit bzw. Ursachen!)

Der Zufall hat natürlich Gründe, nämlich das Vorliegen von Informationslücken, seien sie nun erkenntnistheoretischer Natur (= Wissenslücken) oder ontologischer (= "echter" Zufall infolge quantenmechanischer Unbestimmtheit).
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Darwin Upheaval
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Beitrag(#1628867) Verfasst am: 18.04.2011, 00:54    Titel: Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Zum Unterschied zwischen Akausalität und Indeterminismus:

Wenn in einem System A ein Ereignis a stattfindet, welches - unserer Annahme gemäß - auf echtem Zufall beruht, so setzt doch dieses Ereignis a das System A, in dem es stattfindet, oder ein anderes System A² voraus, in dem es stattfindet.

Das umgebende System bildet die Voraussetzung für ein Ereignis, was nichts anderes heisst, als dass kein Ereignis im luftleeren Raum stattfindet.

Ereignis a ist aber auch eine innere Zustandsveränderung des Systems A und das Herstellen eines neuen vorübergehend - im Grenzfall für einen unendlich kleinen Zeitraum - stabilen Zustandes. In welchen neuen Zustand Z' sozusagen das System ausweicht, ist zweitrangig. Entscheidend ist - denke ich - dass jenes System vor einem hinreichend instabil gewordenen Zustand Z ausweicht.

Ereignis a ist aber auch eine innere Zustandsveränderung des Systems A und das Herstellen eines neuen vorübergehend - im Grenzfall für einen unendlich kleinen Zeitraum - stabilen Zustandes. In welchen neuen Zustand Z' sozusagen das System ausweicht, ist zweitrangig. Entscheidend ist - denke ich - dass jenes System vor einem hinreichend instabil gewordenen Zustand Z ausweicht. Wohin ...? Das ist die zweite Frage; aber die erste ist die des Ausweichens als solchem.

Wenn aber auch ein anderes Ereignis b die selbe vorübergehende neue Stabilität Z' erzeugen würde, so wäre es gleichrangig mit dem möglichen Ereignis a. Dies ist wohl die Voraussetzung für echten Zufall zwischen a und b.

Dennoch - unterm Strich - kann man wohl sagen, dass selbst bei einem Indeterminismus eine Kausalität, d.h. eine Ursache für das Ereignis a oder ein gleichwertiges Ereignis b gegeben ist - als notwendige, wenn auch für a nicht hinreichende Ursache.

Aber eine hinreichende Kausalität dürfte auch auf der anderen Seite schwer zu beschreiben sein, wenn man sich klarmacht, dass womöglich unendlich viele Ursachen ein Ereignis hinreichend bedingen ...-


Exakt! Ein Ereignis ist die Folge der Interaktion von Subsystemen in einem System oder der Wechselwirkung eines Systems mit seiner Umwelt (also mit anderen Systemen). Umgekehrt ist die Interaktion von Systemen oder von Subsystemen im betreffenden System die Ursache des betreffenden Ereignisses (= der Zustandsänderung im System).

Zustandsänderungen werden also versacht, auch wenn nicht unbedingt klar ist, wie der neue Systemzustand im Detail aussiehen wird. Schließlich fallen keine Ereignisse "vom Himmel", sondern sie treten, unter den entsprechenden Randbedingungen, gesetzmäßig auf. Nur das Fehlen von Ursachen bedingt Gesetzlosigkeit - oder eben supranaturalistische Intervention, die im Kosmos als "Fehlen einer (innerweltlichen) Ursache" interpretiert werden muss.
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Beitrag(#1628872) Verfasst am: 18.04.2011, 01:15    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Die Fähigkeit geeigneter wissenschaftlicher Methoden, etwas vorauszusagen, hängt allerdings davon ab, ob die Dinge selber objektiv voraussagbar sind.

Mit den Ausdrücken "die Dinge selbst" und "objektiv" setzt Du bereits einen ontologischen Realismus voraus, aus dem Du dann später "logisch" folgerst, daß die Wissenschaft "natürlich" nach "Wahrheit" suche.


Wie Du es auch drehst und wendest: Theorien beinhalten nicht nur einen abstrakten Formalismus, sondern auch Inhalte, die auf Aussagen (Axiome oder Folgerungen) über die Welt heruntergebrochen werden. Schließlich sind Theorien und deren Formalismen kein Selbstzweck sondern das Explans, die Ereignisse in dieser Welt das Explanandum. Folglich muss jedem Axiom und jeder Folgerung, genauso wie jeder Theorie und jedem davon abhängigen Modell, gemäß der Korrespondenztheorie ein Wahrheitswert zugewiesen werden, wenn das "Spiel mit Theorien" überhaupt eine kognitive Relevanz haben soll.

Um das mal an einem Beispiel zu erläutern: Ein Modell zur Erklärung des Aussterbens der Dinosaurier wird sich der Iridiumanomalie "im Fischton" an der KT-Grenze bedienen und hierfür den Einschlag des Meteoriten von Yucatan als Explanans heranziehen. Diesem Postulat keinen Wahrheitswert von 1 zuzuordnen, hieße, weder an die Existenz und den Einschlag des Yukatanmeteoriten noch an die infolge des Impakts auftretenden Umweltveränderungen zu glauben, sondern allenfalls eine unerklärte Koinzidenz zwischen einer Iridiumanomalie im Fischton und dem Ereignis des Aussterbens der Dinosaurier herstellen. Mit anderen Worten, Du kannst Dir jede Theorienbildung sparen, weil deren Erklärungen per se "metaphysische Elemente" enthalten - und damit in Deinen Augen nichts als Bähworte produzieren! Teufel
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Darwin Upheaval
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Beitrag(#1628874) Verfasst am: 18.04.2011, 01:38    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
... aber dem Wissenschaftler geht es schon um Wahrheit. Auch wenn er sie Modellierung nennt. ; )
Worin genau besteht denn jetzt z.B. die Wahrheit von Newtons Gravitationstheorie oder von Einsteins ART, jenseits des guten Modells? Es ist doch nirgends "F=m*a" in den Sourcecode der Welt einprogrammiert oder sowas.
Der Wahrheitsanspruch besteht darin, daß man das eigene Modell für die bessere Darstellung der Welt hält als das Konkurrierende. Selbst wenn es mit dem Vorzeichen der Vorläufigkeit versehen wird.

Wenn man das eigene Modell für die bessere Darstellung der Welt hält als das Konkurrierende, so ist das erstmal unwissenschaftlich (wenn auch psychologisch verständlich), außer man kann argumentieren, daß es bessere Voraussagen macht. Oder?


Letzteres ist in den Wahrheitsbegriff natürlich eingepreist. Man wird unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten die Evolutionstheorie für "wahr" halten, die kreationistische Auslegung der Genesis dagegen als falsch erachten.

Plagt ihr euch immer noch mit dem Wahrheitsbegriff? Was wäre so schlimm daran, zuzugeben, daß er ein ähnlich veralteter Begriff ist wie der Gottesbegriff, Teil philosophischer Vorstellungen, wie der Gottesbegriff Teil der religiösen ist. Philosophie wie Religion mögen für einen persönlich große Bedeutung haben, geeignet zum Entwicklung von überprüfbarem Wissen sind sie nicht. "Wahrheit" wie "Gott" sind Ausdruck der Suche nach absoluten, endgültigen und dogmatischen Antworten auf Fragen, die von gefühlsmäßiger Bedeutung für den Fragenden sind. Wissenschaft dagegen suchen nach überprüfbaren Erklärungen für Zusammenhänge, und solche Antworten sind nie absolut und endgültig, sondern vorläufig und unvollständig.


Es geht beim Wahrheitsbegriff nicht um die Verteidigung von Dogmen, sondern um das Konstatieren der Übereinstimmung von theoretischen Aussagen und Beobachtungsaussagen bzw. von bewährten Theorien oder Modellen untereinander, aus denen man die Faktizität der von ihnen postulierten Dinge ableitet. Wenn also Theorien weder absolut noch endgültig noch dogmatisch sind, dann gilt selbiges auch für das "Für-Wahr-Halten" ihrer Aussagen hinsichtlich Existenz bestimmter Ereignisse und Entitäten! Die Suche nach Wahrheit ist eine "virtuoser Zirkel" wechselseitiger Beinflussung von Hypothesenbildung und Experiment - denn Wahrheiten können sich ändern!

Im übrigen, wie "Lamarck" schon sagte: Ohne den Wahrheitsbegriff vorauszusetzen ließe sich kein Kühlschrank bauen, der kühlt, und kein Flugzeug, das fliegt. Gegenbeispiel: Die Aussage "Gedankenübertragung ist möglich". Die Prüfung ergibt, dass diese Aussage nicht wahr ist. Das könnte sich jedoch prinzipiell ändern! Dogmatismus entsteht erst, wenn jemand sagt: "Ich halte die Aussage 'Gedankenübertragung ist möglich' unabhängig vom Prüfergebnis für wahr".
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