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M+L Schmidt-Salomon: Leibniz war kein Butterkeks
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Darwin Upheaval
Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator



Anmeldungsdatum: 23.01.2004
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Wohnort: Tief im Süden

Beitrag(#1628875) Verfasst am: 18.04.2011, 02:13    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Aber es interessiert uns brennend, wie die Welt wirklich beschaffen ist. Das ist die reine Lust, Neugierde. Und ich wette, auch Du würdest viel für eine solche Erkenntnis geben, selbst wenn sie folgenlos wäre. ; )

Schon richtig, aber die Lust kommt dabei nicht aus der Vorstellung einer ontologischen Wahrheit, sondern aus der Befriedigung, ein einfaches, schönes und mächtiges Modell zu finden.

Ähnlich wie bei einem Tüftler/Erfinder oder bei einem Künstler. Das Erkennen eines Systems, die Schönheit des Modells, und dazu der "Jagderfolg", das ich denke diese Kombination macht's.


Nichts für ungut - das mag vielleicht für Physiker gelten, die in 11, 16 oder 24 Dimensionen entschweben und mit Symmetrien jonglieren, an deren Ende sie selbst nicht mehr genau wissen, was sie denn nun eigentlich ausrechnen und modellieren wollen. Aber für jemand, der "auf dem Boden der Tatsachen" steht und etwas über die Prinzipien dieser Welt, in der er lebt, erfahren möchte, für den ist es die höchste Befriedigung, Modelle zu finden, die uns erklären, "was die Welt im innersten zusammenhält". Die "Schönheit" eines Modells spielt da eher eine untergeordnete Rolle.

Z.B. hat das "Exon-Shuffling" einen konkreten Bezug zu den Genen in lebenden Systemen. Und ja, ich bin selbstbewusst genug, um einzuräumen, dass es mich mit Befriedigung erfüllt, sagen zu können, dass diese Sorte von Mutationen nicht nur "irgendwie" als abstraktes Modell existiert, sondern dass sie wahrhaftig die Evolution mitsteuern und mitgesteuert hat (auch wenn die Kreationisten hier ironischerweise eher Deinen anti-realistischen Standpunkt einnehmen dürften...). zwinkern
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
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Beitrag(#1628986) Verfasst am: 18.04.2011, 20:48    Titel: Antworten mit Zitat

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
Nur das Fehlen von Ursachen bedingt Gesetzlosigkeit - oder eben supranaturalistische Intervention, die im Kosmos als "Fehlen einer (innerweltlichen) Ursache" interpretiert werden muss.

Die "Entscheidung" für Pfad 2 in der KD des einzelnen Doppelspaltexperiments erfolgt in diesem Sinne gesetzlos / übernatürlich.
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Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
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Beitrag(#1628990) Verfasst am: 18.04.2011, 21:08    Titel: Antworten mit Zitat

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
... es mich mit Befriedigung erfüllt, sagen zu können, dass diese Sorte von Mutationen nicht nur "irgendwie" als abstraktes Modell existiert, sondern dass sie wahrhaftig die Evolution mitsteuern und mitgesteuert hat ...

Weder habe ich von abstrakten Modellen geschrieben (sondern von voraussagefähigen), noch ist die affirmative Wortwahl "wahrhaftig" besonders überzeugend. Denn worauf basiert Deine Einschätzung, daß diese Mutationstheorie eine gute Erklärung ist? Doch wohl auf ihrer Eigenschaft, mit wenig Zusatzannahmen Klassen von Beobachtungen / Messungen nahezulegen, und auf deren Überprüfung.

Solange wir den harten Realismus nur als vereinfachende Hintergrundannahme machen, begehen wir in den meisten Bereichen der Wissenschaft und erst recht des Alltags keinen großen Fehler, es funktioniert recht gut. Analog etwa der Alltagsannahme, Metall sei massiv / kompakt, Glas sei ein Festkörper, die Zeit fließe, handlungsfreie Menschen seien die Letztverursacher ihrer Handlungen, usw.

Man könnte sagen, daß Modell der Welt als real existierende ist meistens hinreichend gut. Aber der Realismus ist genausowenig "wahr" wie Newtons Gravitationstheorie.
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zelig
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Anmeldungsdatum: 31.03.2004
Beiträge: 25405

Beitrag(#1628993) Verfasst am: 18.04.2011, 21:28    Titel: Antworten mit Zitat

Ich finde die Abstinenz der Wissenschaften in Punkto Wahrheit übrigens vollkommen angemessen. Nicht daß ich da missverstanden werde. Auch hänge ich keinem naiven Realismus an. Im Gegenteil, selbst die Intuition für Kausalität und was darunter zu verstehen sei, verlässt mich, wenn ich darüber nachdenke.
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
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Beitrag(#1628996) Verfasst am: 18.04.2011, 21:43    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Im Gegenteil, selbst die Intuition für Kausalität und was darunter zu verstehen sei, verlässt mich, wenn ich darüber nachdenke.

Das ist auch richtig so. Wenn man nämlich versucht, Kausalität genauer zu definieren, oder sie physikalisch wirklich zu fassen, dann merkt man, daß das gar nicht einfach ist. Zum Beispiel daß die meisten Definition ihrerseits Kategorien voraussetzen, deren Wesen wir gar nicht verstanden haben (z.B. Zeit), oder daß sie nur unter bestimmten Umständen gelten (etwa makroskopisch), usw.
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zelig
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Anmeldungsdatum: 31.03.2004
Beiträge: 25405

Beitrag(#1629004) Verfasst am: 18.04.2011, 21:58    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Im Gegenteil, selbst die Intuition für Kausalität und was darunter zu verstehen sei, verlässt mich, wenn ich darüber nachdenke.

Das ist auch richtig so. Wenn man nämlich versucht, Kausalität genauer zu definieren, oder sie physikalisch wirklich zu fassen, dann merkt man, daß das gar nicht einfach ist. Zum Beispiel daß die meisten Definition ihrerseits Kategorien voraussetzen, deren Wesen wir gar nicht verstanden haben (z.B. Zeit), oder daß sie nur unter bestimmten Umständen gelten (etwa makroskopisch), usw.


Ja. Für den alltäglichen Umgang reicht die Vorstellung von aufeinander reagierenden Billardkugel, weil sie die Dinge repräsentieren, die unsere Lebenswirklichkeit bilden. Aber Wellen und Zeit? Und ist ein Syllogismus auch kausal? Oder nur logisch? Und ist Kausalität nicht nur jeweils eine frei wählbare Schnittstelle zwischen mehr oder weniger frei gewählten Entitäten, aus der wir das konstruieren, was wir Wirklichkeit nennen? Und was ist Kausalität in einem Blockuniversum?
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Darwin Upheaval
Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator



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Beitrag(#1629572) Verfasst am: 20.04.2011, 17:42    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
Nur das Fehlen von Ursachen bedingt Gesetzlosigkeit - oder eben supranaturalistische Intervention, die im Kosmos als "Fehlen einer (innerweltlichen) Ursache" interpretiert werden muss.

Die "Entscheidung" für Pfad 2 in der KD des einzelnen Doppelspaltexperiments erfolgt in diesem Sinne gesetzlos / übernatürlich.


Das ist ein "gefährliches" Argument: im Grunde erlaubst Du "Gott" als Wirkfaktor in den Gleichungen der Physik, wie es manche liberale Theologen behaupten. Ein Naturwissenschaftler hat damit zwar keine Probleme, wohl aber ein Wissenschaftsphilosoph.
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Darwin Upheaval
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Anmeldungsdatum: 23.01.2004
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Beitrag(#1629577) Verfasst am: 20.04.2011, 17:53    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Ich finde die Abstinenz der Wissenschaften in Punkto Wahrheit übrigens vollkommen angemessen. Nicht daß ich da missverstanden werde. Auch hänge ich keinem naiven Realismus an. Im Gegenteil, selbst die Intuition für Kausalität und was darunter zu verstehen sei, verlässt mich, wenn ich darüber nachdenke.


Ihr beide scheint den sog. "Instrumentalismus" zu vertreten, wonach wissenschaftliche Theorien nichts weiter als allgemeine Beschreibungen von Erscheinungen und Mittel zur Vorhersage sind und sein sollen. Diese Auffassung des logischen Empirismus ist seit Popper aber weitgehend "out". Diesbezüglich möchte ich mich den Wissenschaftsphilosophen M. Mahner & M. Bunge anschließen, die hierzu feststellen:

Mahner/Bunge, pp. 191-192 hat folgendes geschrieben:
Das Problem mit dem Instrumentalismus ist nicht, dass er falsch ist. Vielmehr besteht das Problem in der Behauptung, dies sei alles, was wissenschaftliche Theorien leisten bzw. leisten können sollten. Der Instrumentalismus behindert die wissenschaftliche Erklärung, weil er weder an Wahrheit noch an Dingen hinter den Erscheinungen interessiert ist, und daher weder den Erfolg noch das Scheitern wissenschaftlicher Theorien erklären kann. Demgegenüber fördert der wissenschaftliche Realismus die Erklärung, indem er auf transphänomenale Entitäten Bezug nimmt und den Systemcharakter, die Einheit, wissenschaftlicher Erkenntnis (consilience) betont. Kurzum: Der Instrumentalismus ist dem wissenschaftlichen Realismus gegenüber unterlegen. (Und wenn eine außerphilosophische Bemerkung erlaubt ist: Er ist einfach langweilig...)


Mahner, M./Bunge, M. (2000) Philosophische Grundlagen der Biologie. Springer-Verlag, Berlin.
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Marcellinus
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Beitrag(#1629627) Verfasst am: 20.04.2011, 20:39    Titel: Antworten mit Zitat

Was sollen "transphänomenale Entitäten" sein?
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"Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."

Friedrich Nietzsche
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step
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Beiträge: 22782
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Beitrag(#1629644) Verfasst am: 20.04.2011, 21:13    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Was sollen "transphänomenale Entitäten" sein?

Die braucht man, damit es nicht "gefährlich" wird. zynisches Grinsen
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
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Wohnort: Germering

Beitrag(#1629651) Verfasst am: 20.04.2011, 21:20    Titel: Antworten mit Zitat

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
Nur das Fehlen von Ursachen bedingt Gesetzlosigkeit - oder eben supranaturalistische Intervention, die im Kosmos als "Fehlen einer (innerweltlichen) Ursache" interpretiert werden muss.
Die "Entscheidung" für Pfad 2 in der KD des einzelnen Doppelspaltexperiments erfolgt in diesem Sinne gesetzlos / übernatürlich.
Das ist ein "gefährliches" Argument: im Grunde erlaubst Du "Gott" als Wirkfaktor in den Gleichungen der Physik, wie es manche liberale Theologen behaupten.

- Erstens vertrete ich die KD nicht, sondern lehne sie ab, gerade weil sie auf transzendente Wirkmechanismen zurückgreift.

- Zweitens erlaubt selbst die KD kein wesentliches Wirken Gottes, auch keines liberalen Gottes, das folgt aus den Gleichungen der QM, und ein solches Wirken würde sich als Muster in der Zufallsverteilung verraten. Außer der Gott ist so liberal, daß ihm alles wurst ist ...
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
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Beitrag(#1629659) Verfasst am: 20.04.2011, 21:42    Titel: Antworten mit Zitat

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
Ihr beide scheint den sog. "Instrumentalismus" zu vertreten, wonach wissenschaftliche Theorien nichts weiter als allgemeine Beschreibungen von Erscheinungen und Mittel zur Vorhersage sind und sein sollen. Diese Auffassung des logischen Empirismus ist seit Popper aber weitgehend "out".

An dieser Stelle denke ich immer: "Hoffentlich kommt jetzt eine gute Begründung".

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
Diesbezüglich möchte ich mich den Wissenschaftsphilosophen M. Mahner & M. Bunge anschließen, die hierzu feststellen:

Mahner/Bunge, pp. 191-192 hat folgendes geschrieben:
Das Problem mit dem Instrumentalismus ist nicht, dass er falsch ist. Vielmehr besteht das Problem in der Behauptung, dies sei alles, was wissenschaftliche Theorien leisten bzw. leisten können sollten.

Also die beiden Philosophen möchten, daß Theorien mehr können, als der "nicht falsche" Instrumentalismus ihnen zurechnet.

Mahner/Bunge, pp. 191-192 hat folgendes geschrieben:
Der Instrumentalismus behindert die wissenschaftliche Erklärung, weil er weder an Wahrheit ... interessiert ist ...

Reicht es nicht, wenn er an der wissenschaftlichen Erklärung interessiert ist?

Mahner/Bunge, pp. 191-192 hat folgendes geschrieben:
... noch an Dingen hinter den Erscheinungen interessiert ist, ...

Er macht halt möglichst sparsame transzendentale Annahmen.

Mahner/Bunge, pp. 191-192 hat folgendes geschrieben:
... und daher weder den Erfolg noch das Scheitern wissenschaftlicher Theorien erklären kann.

Wie bitte? Ich kann doch zum Beispiel erklären, warum diese oder jene Theorie ein Fehlschlag war, ohne metaphysischen Realismus vorauszusetzen.

Mahner/Bunge, pp. 191-192 hat folgendes geschrieben:
Demgegenüber fördert der wissenschaftliche Realismus die Erklärung, indem er auf transphänomenale Entitäten Bezug nimmt und den Systemcharakter, die Einheit, wissenschaftlicher Erkenntnis (consilience) betont.

Nein. Der metaphysische Realismus macht vereinfachende transzendentale Annahmen, um die er sich dann nicht weiter schert. Was in der Biologie auch nicht weiter stört. Die "Förderung" besteht also wenn überhaupt darin, daß man über diese Dinge nicht skeptisch nachdenkt und sich daher besser auf den Forschungsgegenstand konzentriert.

Mahner/Bunge, pp. 191-192 hat folgendes geschrieben:
Kurzum: Der Instrumentalismus ist dem wissenschaftlichen Realismus gegenüber unterlegen. (Und wenn eine außerphilosophische Bemerkung erlaubt ist: Er ist einfach langweilig...)

Mit den Augen rollen

Unsere Begriffe von Realität, Kausalität, Zeit usw. sind mE intuitiv, aber falsch. Letztlich müssen wir sie reduzieren auf grundlegendere Theorien, und zwar vermutlich mittels Physik.
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Marcellinus
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Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#1629660) Verfasst am: 20.04.2011, 21:43    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Was sollen "transphänomenale Entitäten" sein?

Die braucht man, damit es nicht "gefährlich" wird. zynisches Grinsen

Wenn man aufgrund seiner Überlegungen zu solchen Begriffen kommt, ist man vermutlich schon einige Straßen vorher falsch abgebogen.
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Wilson
zwischen gaga und dada



Anmeldungsdatum: 04.02.2008
Beiträge: 21453
Wohnort: Swift Tuttle

Beitrag(#1629671) Verfasst am: 20.04.2011, 22:20    Titel: Antworten mit Zitat

verschenke das buch zu einer konfirmation.
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"als ob"
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Darwin Upheaval
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Anmeldungsdatum: 23.01.2004
Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden

Beitrag(#1629677) Verfasst am: 20.04.2011, 22:25    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Mahner/Bunge, pp. 191-192 hat folgendes geschrieben:
Der Instrumentalismus behindert die wissenschaftliche Erklärung, weil er weder an Wahrheit ... interessiert ist ...

Reicht es nicht, wenn er an der wissenschaftlichen Erklärung interessiert ist?


Doch, aber sie setzt das Fürwahrhalten dessen voraus, was Deinen Zitat-Ellipsen zum Opfer fiel zwinkern

Zur Erinnerung, theoretische Erklärungen sind nicht identisch mit Beschreibungen, Vorhersagen oder Formalismen. Letzteres sind nichts weiter als semantisch leere Symbole! Was erklärt z.B. die Formel: A = B x k²


step hat folgendes geschrieben:
Mahner/Bunge, pp. 191-192 hat folgendes geschrieben:
... noch an Dingen hinter den Erscheinungen interessiert ist, ...

Er macht halt möglichst sparsame transzendentale Annahmen.


Der Preis ist der Verzicht auf Erklärungen, die über das Beschreiben von offensichtlichen Phänomenen hinausgehen. Mir ist z.B. schleierhaft, wie man den Drehimpuls von Spiralgalaxie-Armen oder den Beta-Zerfall erklären will, ohne dunkle Materie und Neutrinos als respektable, physikalische Entitäten anzuerkennen. Oder, um einen Gang zurück zu schalten, das Gesetz der "konstanten Proportionen" ohne die Anerkennung von Atomen als elementare Dinge.


step hat folgendes geschrieben:
Mahner/Bunge, pp. 191-192 hat folgendes geschrieben:
... und daher weder den Erfolg noch das Scheitern wissenschaftlicher Theorien erklären kann.

Wie bitte? Ich kann doch zum Beispiel erklären, warum diese oder jene Theorie ein Fehlschlag war, ohne metaphysischen Realismus vorauszusetzen.


Auf diese Erklärung bin ich gespannt. (Hint: Was modellieren Deine Theorien eigentlich?)

step hat folgendes geschrieben:
Mahner/Bunge, pp. 191-192 hat folgendes geschrieben:
Demgegenüber fördert der wissenschaftliche Realismus die Erklärung, indem er auf transphänomenale Entitäten Bezug nimmt und den Systemcharakter, die Einheit, wissenschaftlicher Erkenntnis (consilience) betont.

Nein. Der metaphysische Realismus macht vereinfachende transzendentale Annahmen, um die er sich dann nicht weiter schert.


Diese Behauptung erscheint mir erklärungsbedürftig.

step hat folgendes geschrieben:
Was in der Biologie auch nicht weiter stört. Die "Förderung" besteht also wenn überhaupt darin, daß man über diese Dinge nicht skeptisch nachdenkt und sich daher besser auf den Forschungsgegenstand konzentriert.


"Nicht skeptisch nachdenkt..." Ist Dir bekannt was ein "virtuoser Zirkel" ist? Und woran scheitern nun Modelle, wenn nicht an der Wirklichkeit? Scheitern Modelle an Modellen, und wenn ja, warum eigentlich Frage


step hat folgendes geschrieben:
Mahner/Bunge, pp. 191-192 hat folgendes geschrieben:
Kurzum: Der Instrumentalismus ist dem wissenschaftlichen Realismus gegenüber unterlegen. (Und wenn eine außerphilosophische Bemerkung erlaubt ist: Er ist einfach langweilig...)

Mit den Augen rollen

Unsere Begriffe von Realität, Kausalität, Zeit usw. sind mE intuitiv, aber falsch. Letztlich müssen wir sie reduzieren auf grundlegendere Theorien, und zwar vermutlich mittels Physik.


Du meinst wahrscheinlich: "... reduzieren auf grundlegendere Entitäten, die mittels Theorienbildung erschlossen werden" Mr. Green
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Marcellinus
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Beiträge: 7429

Beitrag(#1629681) Verfasst am: 20.04.2011, 22:35    Titel: Antworten mit Zitat

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:

Der Preis ist das Fehlen von Erklärungen, die über das Beschreiben des Offensichtlichen hinausgehen. Mir ist z.B. schleierhaft, wie man den Drehimpuls von Spiralgalaxie-Armen oder den Beta-Zerfall erklären will, ohne dunkle Materie und Neutrinos als respektable, physikalische Entitäten anzuerkennen. Eine physikalische Beschreibung ist keine Erklärung.

Es sind Hypothesen, nichts weiter, keine "respektablen Entitäten". Was du mit Erklärungen meinst, sind nicht anderes als die selbstverständliche Tatsache, daß man die nachprüfbaren Tatsachen und belegbaren Zusammenhänge, die man hat, mit bunten Schilderungen zu Bildern aufbläst, unter denen man sich etwas vorstellen kann. Nimm vom Bild des Neandertalers, wie es die heutige Wissenschaft zeichnet und modelliert, alles das weg, wofür wir keine Belege haben, und es bleibt ein ziemlich unvollständiger Knochenmann übrig.

Alle unsere Theorien enthalten neben belegbaren realistischen Gehalten auch Fantasievorstellungen, solche, die wir kennen, wie solche, die uns erst bewußt werden, wenn sie durch belegbare Fakten widerlegt werden. Aber deshalb muß man sich doch nicht in die Metaphysik verirren. Ein paar klare Gedanken tun es auch, es sei denn man benutzt Wissenschaft als Religionsersatz, aber das ist eine andere Party.
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Darwin Upheaval
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Anmeldungsdatum: 23.01.2004
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Beitrag(#1629683) Verfasst am: 20.04.2011, 22:43    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Was sollen "transphänomenale Entitäten" sein?


Das, was durch Theorienbildung erschlossen wird: Das nicht Offensichtliche, grundsätzlich Unbeobachtbare. Verborgene Dinge, Prozesse, Elemente und Verbindungsmechanismen, die zur Erklärung bislang unverständener Phänomene gebraucht werden. Sie sind das Ergebnis der hypothetisch-deduktiven Methode, die mindestens schon seit Newton gebräuchlich ist:

Zitat:
Newtons in axiomatischer Form eingeführte neue Mechanik ist zweifellos das erste Paradebeispiel einer hypothetisch-deduktiv aufgebauten Theorie, die an ganz zentraler Stelle Nichtobservablen wie etwa die Kraftfunktion verwendet. Er war sogar bereit, grundsätzlich unbeobachtbare Objekte wie etwa den absoluten Raum als respektable physikalische Entitäten anzuerkennen, da es empirische Effekte gibt, zu deren Erklärung man dieses theoretische Element braucht ... Wenn man einen Grund für den überwältigenden Erfolg der modernen Naturwissenschaft angeben soll, so ist es vermutlich die wachsende Abstraktion von der grobsinnigen Erfahrung bei der Wahl der Bausteine der Theorien.


Kanitscheider, B. (1981) Wissenschaftstheorie der Naturwissenschaft. Walter de Gruyter, p. 41
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Beitrag(#1629686) Verfasst am: 20.04.2011, 22:49    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:

Der Preis ist das Fehlen von Erklärungen, die über das Beschreiben des Offensichtlichen hinausgehen. Mir ist z.B. schleierhaft, wie man den Drehimpuls von Spiralgalaxie-Armen oder den Beta-Zerfall erklären will, ohne dunkle Materie und Neutrinos als respektable, physikalische Entitäten anzuerkennen. Eine physikalische Beschreibung ist keine Erklärung.

Es sind Hypothesen, nichts weiter, keine "respektablen Entitäten". Was du mit Erklärungen meinst, sind nicht anderes als die selbstverständliche Tatsache, daß man die nachprüfbaren Tatsachen und belegbaren Zusammenhänge, die man hat, mit bunten Schilderungen zu Bildern aufbläst, unter denen man sich etwas vorstellen kann. Nimm vom Bild des Neandertalers, wie es die heutige Wissenschaft zeichnet und modelliert, alles das weg, wofür wir keine Belege haben, und es bleibt ein ziemlich unvollständiger Knochenmann übrig.

Alle unsere Theorien enthalten neben belegbaren realistischen Gehalten auch Fantasievorstellungen, solche, die wir kennen, wie solche, die uns erst bewußt werden, wenn sie durch belegbare Fakten widerlegt werden. Aber deshalb muß man sich doch nicht in die Metaphysik verirren. Ein paar klare Gedanken tun es auch, es sei denn man benutzt Wissenschaft als Religionsersatz, aber das ist eine andere Party.


Deiner "Methodologie" zufolge dürften wir nicht einmal mehr fossilen Tieren (mit Ausnahme der Mammuts) Eigenschaften zugestehen, die sich aus ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten Formenkreisen ergeben. Denn bereits das Hinzudenken des Weichkörpers zum gefundenen Steinkern (z.B. eines Ammoniten) ist, um es in Deinen Worten auszudrücken, eine "metaphysische Fantasievorstellung". Es hilft nichts. Wer sich nicht ständig sagt: "Ich muß mir dies und jenes zu diesem und jenem hinzudenken, sonst reimt sich dieser Befund nicht mit allem, was ich von dem oder jenem weiß", für den ist bereits die Annahme, dass in einem gewundenen Steinkern einst ein Tier von einem bestimmtem Typus gelebt hat, eine "metaphysisch-realistische Verirrung" und daher außerwissenschaftlicher Mumpitz.

Edit: Du bekommst also, ob Du es wahrhaben willst oder nicht, ohne metaphysische "Grenzüberschreitungen" in den Naturwissenschaften kein Bein auf den Boden. Allerdings sollte man diese nicht mit Religion, unnützem Beiwerk oder wilder Spekulation verwechseln. Denn diese "Grenzüberschreitungen" sind, wie Du sicher erkannt hast, in der Regel prüfbar und empirisch oder theoretisch wohl begründet!
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Marcellinus
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Beitrag(#1629768) Verfasst am: 21.04.2011, 10:05    Titel: Antworten mit Zitat

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:

Der Preis ist das Fehlen von Erklärungen, die über das Beschreiben des Offensichtlichen hinausgehen. Mir ist z.B. schleierhaft, wie man den Drehimpuls von Spiralgalaxie-Armen oder den Beta-Zerfall erklären will, ohne dunkle Materie und Neutrinos als respektable, physikalische Entitäten anzuerkennen. Eine physikalische Beschreibung ist keine Erklärung.

Es sind Hypothesen, nichts weiter, keine "respektablen Entitäten". Was du mit Erklärungen meinst, sind nicht anderes als die selbstverständliche Tatsache, daß man die nachprüfbaren Tatsachen und belegbaren Zusammenhänge, die man hat, mit bunten Schilderungen zu Bildern aufbläst, unter denen man sich etwas vorstellen kann. Nimm vom Bild des Neandertalers, wie es die heutige Wissenschaft zeichnet und modelliert, alles das weg, wofür wir keine Belege haben, und es bleibt ein ziemlich unvollständiger Knochenmann übrig.

Alle unsere Theorien enthalten neben belegbaren realistischen Gehalten auch Fantasievorstellungen, solche, die wir kennen, wie solche, die uns erst bewußt werden, wenn sie durch belegbare Fakten widerlegt werden. Aber deshalb muß man sich doch nicht in die Metaphysik verirren. Ein paar klare Gedanken tun es auch, es sei denn man benutzt Wissenschaft als Religionsersatz, aber das ist eine andere Party.


Deiner "Methodologie" zufolge dürften wir nicht einmal mehr fossilen Tieren (mit Ausnahme der Mammuts) Eigenschaften zugestehen, die sich aus ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten Formenkreisen ergeben. Denn bereits das Hinzudenken des Weichkörpers zum gefundenen Steinkern (z.B. eines Ammoniten) ist, um es in Deinen Worten auszudrücken, eine "metaphysische Fantasievorstellung". Es hilft nichts. Wer sich nicht ständig sagt: "Ich muß mir dies und jenes zu diesem und jenem hinzudenken, sonst reimt sich dieser Befund nicht mit allem, was ich von dem oder jenem weiß", für den ist bereits die Annahme, dass in einem gewundenen Steinkern einst ein Tier von einem bestimmtem Typus gelebt hat, eine "metaphysisch-realistische Verirrung" und daher außerwissenschaftlicher Mumpitz.

Edit: Du bekommst also, ob Du es wahrhaben willst oder nicht, ohne metaphysische "Grenzüberschreitungen" in den Naturwissenschaften kein Bein auf den Boden. Allerdings sollte man diese nicht mit Religion, unnützem Beiwerk oder wilder Spekulation verwechseln. Denn diese "Grenzüberschreitungen" sind, wie Du sicher erkannt hast, in der Regel prüfbar und empirisch oder theoretisch wohl begründet!

Das ist doch einfach nicht wahr. Ich habe nur auf die Tatsache hingewiesen, daß unsere Modelle eben neben belegbarem Wissen und nachweislichen Zusammenhängen immer auch Hypothesen enthalten. Ich habe den Eindruck, daß du mich in eine bestimmte Kiste gesteckt hast, und daß du dem Wort Fantasievorstellung "metaphysisch" hinzugefügt hast, zeigt das eigentlich ziemlich deutlich.

Für mich war ein Film über die Neandertaler ein gutes Beispiel, in dem gezeigt wurde, welche Überreste man im Laufe der Zeit gefunden hat, und wie sich das Bild verändert hat, das man sich von den Neandertalern gemacht hat. Hier kann man sehr schön sehen, wie jedes Modell, das wir uns von dieser Welt machen zwangsläufig vervollständigt werden muß mit Vorstellungen, die nicht oder wenig belegt sind. Was hier am Beispiel des Neandertalers ziemlich plakativ erscheint (ich bin ja auch nur ein biologischer Laie), gilt meiner Ansicht nach für alle wissenschaftlichen Theorien.

Mit Metaphysik hat das nichts zu tun, sondern ist aus meiner Sicht notwendiger Teil des wissenschaftlichen Prozesses. Manches bestätigt sich durch spätere Beobachtungen, Messungen, Ausgrabungen usw., anderes wird widerlegt und macht neuen Vorstellungen Platz, die besser belegt werden können, und in diesem "besser" liegt der wissenschaftliche Fortschritt. Metaphysik, Grenzüberschreitungen, wie du es nennst, sind für mich Existenzbehauptungen jenseits dieser Welt, Wahrheitsbehauptungen jenseits von Mathematik oder Logik, Wahrheit hier im engeren Sinne einer absoluten, unveränderlichen Wahrheit verstanden, nicht im umgangssprachlichen Sinn von "ist wohl wahr".

Wenn du also die dunkle Materie erwähnst, und die dunkle Energie gehörte ja auch noch mit dazu, dann sind das sicherlich keine gesicherten Tatsachen, denn wie kann man etwas eine Tatsache nennen, über das man kaum etwas weiß außer, daß man es als Hilfsgröße braucht, weil sonst die eigenen schönen Gleichungen nicht aufgehen. "Entitäten" sind es jedenfalls nach unserem heutigen Kenntnisstand nicht, und es fällt auch keinem Physiker ein Zacken aus der Krone, wenn er das zugibt.

Der Wert und die Bedeutung der Wissenschaften besteht doch nicht im augenblicklichen Stand unseres belegbaren Wissens, sondern darin, daß wir unsere Modelle von Zusammenhängen, unsere Theorien in immer bessere Übereinstimmung bringen mit einer zunehmenden Menge an beobachtbaren und belegbaren Tatsachen. Dieser wissenschaftliche Fortschritt, dieses immer "besser", was immer das im jeweiligen Fachgebiet heißen mag, im Vergleich zu den vorherigen Theorien, das macht den wissenschaftlichen Prozeß aus.

Wobei es aus meiner Sicht wichtig ist, sich klar zu machen, daß dieses "besser" nicht eine Anhäherung an eine hypothetische "Wahrheit" beschreibt, denn wie wollte man die Nähe zu einer Wahrheit bestimmen, die man nicht kennt. "Besser" bezieht sich hier immer nur auf den Vergleich zwischen unseren heutigen Vorstellungen und den früheren. Wenn dann ein Fachgebiet den Status einer Wissenschaft erreicht hat, ersetzen neuen Theorien die alten auch nicht mehr, sondern umfassen sie, wie die Einstein'sche Relativitätstheorie die Theorien Newtons.
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Beitrag(#1629910) Verfasst am: 21.04.2011, 16:44    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Das ist doch einfach nicht wahr. Ich habe nur auf die Tatsache hingewiesen, daß unsere Modelle eben neben belegbarem Wissen und nachweislichen Zusammenhängen immer auch Hypothesen enthalten. Ich habe den Eindruck, daß du mich in eine bestimmte Kiste gesteckt hast, und daß du dem Wort Fantasievorstellung "metaphysisch" hinzugefügt hast, zeigt das eigentlich ziemlich deutlich.


Deine anti-metaphysische "Kiste" erkenne ich schon ganz deutlich zwinkern

Als kleine Übungsaufgabe für zuhause: Überlege Dir, welcher Gegensatz zwischen "nachweislichen Zusammenhängen" und "Hypothesen" besteht und wie Du hypothetische Entitäten bzw. "Wahrheitsnähe" gegen "belegbares Wissen" abzugrenzen gedenkst.


Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Wobei es aus meiner Sicht wichtig ist, sich klar zu machen, daß dieses "besser" nicht eine Anhäherung an eine hypothetische "Wahrheit" beschreibt, denn wie wollte man die Nähe zu einer Wahrheit bestimmen, die man nicht kennt. "Besser" bezieht sich hier immer nur auf den Vergleich zwischen unseren heutigen Vorstellungen und den früheren. Wenn dann ein Fachgebiet den Status einer Wissenschaft erreicht hat, ersetzen neuen Theorien die alten auch nicht mehr, sondern umfassen sie, wie die Einstein'sche Relativitätstheorie die Theorien Newtons.


Nun sollte Dir eigentlich klar geworden sein, warum man in den Wissenschaften am Wahrheitsbegriff nicht vorbeikommt und welches die Indizien für Wahrheitsnähe sind.
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Beitrag(#1629940) Verfasst am: 21.04.2011, 18:10    Titel: Antworten mit Zitat

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:

Als kleine Übungsaufgabe für zuhause: Überlege Dir, welcher Gegensatz zwischen "nachweislichen Zusammenhängen" und "Hypothesen" besteht und wie Du hypothetische Entitäten bzw. "Wahrheitsnähe" gegen "belegbares Wissen" abzugrenzen gedenkst.

Nun, die Umlaufbahn des Halleyscher Komet ist belegbares Wissen, die Existenz dunkler Materie eine Hypothese. Als kleine Übungsaufgabe kannst du dir ja mal überlegen, woran ich den Unterschied festmache.

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:

Nun sollte Dir eigentlich klar geworden sein, warum man in den Wissenschaften am Wahrheitsbegriff nicht vorbeikommt und welches die Indizien für Wahrheitsnähe sind.

Du meinst Erkenntnisse von dieser Art...

Lamarck hat folgendes geschrieben:

Die Wahrheit ist also eine begriffliche Hilfsgröße, die zwar ähnlich wie der absolute Nullpunkt nicht erreichbar ist. Trotzdem lassen sich hier Tendenzen erkennen - somit ist es möglich, Kühlschränke zu bauen, die etwas aber nicht absolut kühlen; ebenso wie es möglich ist, etwas zu wissen, ohne alles wissen zu können.

... bei denen jemand offenbar nicht auffällt, daß es ein Unterschied sein könnte, ob ich einen berechenbaren Grenzwert habe, den ich nur technisch nicht erreichen kann, oder ob ich behaupte, mich mit meiner Modellbildung in "Wahrheitsnähe" zu befinden, obwohl ich nicht weiß, ob nicht morgen jemand eine Entdeckung macht, die alle meine bisherigen Theorien über den Haufen wirft.

"In den Modellen besteht das Universum zum gegenwärtigen Zeitpunkt, ca. 13,7 Milliarden Jahre nach dem „Urknall“, zu 72 % aus Dunkler Energie, 23 % aus Dunkler Materie und zu 4,6 % aus der sichtbaren, baryonischen Materie. "

Das ist nicht gerade das, was ich unter "Wahrheitsnähe" verstehe. Aus meiner Sicht ist das kein Problem der Wissenschaften, sondern eines einer Weltanschauung. Die Suche nach der Wahrheit ist dabei für die Philosophie das, was die Suche nach Gott für die Religionen ist. Wissenschaften dagegen produzieren keine Wahrheiten (und auch Philosophie und Religion bilden sich das nur ein), sondern Wissen, und das ist etwas anderes.
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Beitrag(#1629998) Verfasst am: 21.04.2011, 20:39    Titel: Antworten mit Zitat

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Reicht es nicht, wenn er an der wissenschaftlichen Erklärung interessiert ist?
Doch, aber sie setzt das Fürwahrhalten dessen voraus, was Deinen Zitat-Ellipsen zum Opfer fiel zwinkern

Das wurde nicht gezeigt, sondern behauptet. Und es ist falsch. Nehmen wir z.B. die Newtonsche Theorie der Graviation. Sie ist nicht wahr, erklärt aber trotzdem die Planetenbewegungen einigermaßen gut. Das Entscheidende ist, daß sie ein Modell auf einer tieferen als der rein phänomenalen Ebene darstellt, eine mächtige Simulationsregel. Wir erkennen ein System, und das nennen wir eine Erklärung.

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
Zur Erinnerung, theoretische Erklärungen sind nicht identisch mit Beschreibungen, Vorhersagen oder Formalismen. Letzteres sind nichts weiter als semantisch leere Symbole!

Wieder Newton: Natürlich besteht die Theorie nicht nur aus einer Formel, sondern den Teilen der Formel messen wir Bedeutungen zu. Meist klingen diese Zuweisungen in der Tat wie Reifizierungen (Teilchen, Masse, Kraft, Zeit ...), aber letztlich sind es (unausgesprochen) wieder Modelle. Zum Beispiel nennen wir etwas ein Teilchen, das bestimmte Eigenschaften zeigt. Im Rahmen von Newtons Theorie ist es nicht weiter interessant, was dieses Teilchen ausmacht, warum es diese Eigenschaften zeigt, warum es "real" erscheint. Oder was die Zeit ist. In Newrons Theorie ist sie eine absolute Koordinate, und die Leute hielten (und halten zum Teil) das für "wahr"!

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Ich kann doch zum Beispiel erklären, warum diese oder jene Theorie ein Fehlschlag war, ohne metaphysischen Realismus vorauszusetzen.
Auf diese Erklärung bin ich gespannt. (Hint: Was modellieren Deine Theorien eigentlich?)

Zum Beispiel erwies sich die Epizyklen-Theorie als Fehlschlag, weil sie komplexere Planetenbewegungen nicht so einfach (wenn überhaupt) erklären konnte wie Newton.
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Beitrag(#1630444) Verfasst am: 23.04.2011, 00:15    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Reicht es nicht, wenn er an der wissenschaftlichen Erklärung interessiert ist?
Doch, aber sie setzt das Fürwahrhalten dessen voraus, was Deinen Zitat-Ellipsen zum Opfer fiel zwinkern

Das wurde nicht gezeigt, sondern behauptet. Und es ist falsch. Nehmen wir z.B. die Newtonsche Theorie der Graviation. Sie ist nicht wahr, erklärt aber trotzdem die Planetenbewegungen einigermaßen gut. Das Entscheidende ist, daß sie ein Modell auf einer tieferen als der rein phänomenalen Ebene darstellt, eine mächtige Simulationsregel. Wir erkennen ein System, und das nennen wir eine Erklärung.


Selbstverständlich ist die Newtonsche Theorie partiell wahr, sonst würde sie nichts erklären, und es wäre auch nicht darstellbar, weshalb sie als Grenzfall wiederum in der ART auftaucht. "Simulationsregeln" wie Du sie nennst, sind per se keine Erklärungen, sondern nichts weiter als formale Systeme. Mit einem entsprechenden Formalismus könnte man zwar Sonnenfinsternisse und Planetenbewegungen vorhersagen, aber nicht erklären, wie die dahinter stehende Himmelsmechanik funktioniert.


step hat folgendes geschrieben:
Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
Zur Erinnerung, theoretische Erklärungen sind nicht identisch mit Beschreibungen, Vorhersagen oder Formalismen. Letzteres sind nichts weiter als semantisch leere Symbole!

Wieder Newton: Natürlich besteht die Theorie nicht nur aus einer Formel, sondern den Teilen der Formel messen wir Bedeutungen zu. Meist klingen diese Zuweisungen in der Tat wie Reifizierungen (Teilchen, Masse, Kraft, Zeit ...), aber letztlich sind es (unausgesprochen) wieder Modelle.


M.E. verwechselst Du hier den Erklärungsgegenstand von Modellen mit den Modellen selbst: Theorien und Modelle erklären die Welt und nehmen dabei auf nicht direkt feststellbare Dinge, z.B. Elementarteilchen, Bezug. Das Modell postuliert also diese Elementarteilchen, folglich liegt eine modellhafte Beschreibung dieser Teilchen vor. Das bedeutet aber nicht, dass diese Teilchen das Modell sind. Erklärungsbedürfig ist die Welt, nicht das Modell - ein wissenschaftliches Erklärungsmodell kann nicht selbstreferenziell sein.


step hat folgendes geschrieben:

Zum Beispiel nennen wir etwas ein Teilchen, das bestimmte Eigenschaften zeigt. Im Rahmen von Newtons Theorie ist es nicht weiter interessant, was dieses Teilchen ausmacht, warum es diese Eigenschaften zeigt, warum es "real" erscheint. Oder was die Zeit ist. In Newrons Theorie ist sie eine absolute Koordinate, und die Leute hielten (und halten zum Teil) das für "wahr"!


Das zeigt doch höchstens, dass Theorien unterschiedliche Referenz- und Geltungsbereiche haben. Wenn ein Teilchen für die Newtonsche Theorie nicht weiter interessant ist, dann nur deshalb, weil ein bestimmtes Phänomen, für dessen Erklärung man dieses Teilchen braucht, nicht in den Erklärungsrahmen der Newtonschen Theorie passt.


step hat folgendes geschrieben:

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Ich kann doch zum Beispiel erklären, warum diese oder jene Theorie ein Fehlschlag war, ohne metaphysischen Realismus vorauszusetzen.
Auf diese Erklärung bin ich gespannt. (Hint: Was modellieren Deine Theorien eigentlich?)

Zum Beispiel erwies sich die Epizyklen-Theorie als Fehlschlag, weil sie komplexere Planetenbewegungen nicht so einfach (wenn überhaupt) erklären konnte wie Newton.


Ohne Voraussetzung einer realistischen Interpretation, die den Begriff der Wahrheit einschließt, lässt sich überhaupt nicht überzeugend erklären, warum die Epizykel-Theorie zugunsten der Newtonschen Theorie aufgegeben wurde. Eines war sie jedenfalls nicht: ein Fehlschlag. Im Gegenteil, auf Grundlage des Ptolemäischen Systems konnte man hervorragende Prognosen über kosmische Ereignisse und Planetenbahnen anstellen, und nichts anderes zählt doch in den Augen der Instrumentalisten!

Auch Erklärungen können so kompliziert sein wie sie wollen, aus nicht-realistischer Perspektive ist dies kein Grund, von ihnen abzurücken, denn es zählt hier eben die prognostische Kraft. (Außerdem ist das Schema der Epizykel-Theorie in gewisser Weise sehr einfach, denn man braucht lediglich das Konstruktionselement "Epizykel" ineinander zu schachteln.) Der eigentliche Vorzug der Newtonschen Theorie ist nur aus Sicht einer ontologisch-realistischen Interpretation erkennbar - es ist die Einsicht, dass die Prinzipien der Himmelsmechanik und die Gesetzmäßigkeiten der "irdischen" Mechanik auf ein- und derselben Ursache beruhen: Die "Schnittstelle" der Erkenntnis ist hier die Gravitation, die von Masse besitzenden Körpern wie der Erde ausgeht, und so einerseits Monde um die Umlaufbahn von Planeten zwingt, Dir aber anderseits auch Äpfel auf den Kopf fallen lässt...



Newton war also bereit, die Gravitation als respektable physikalische Entität anzuerkennen, die jedweder Körper emittiert und dadurch, je nach Masse, irdische als auch kosmische Effekte zeitigt. So gelang es ihm, eine Theorie mit großere Konsistenz und vereinheitlichender Kraft zu konzipieren. Aus anti-realistischer Sicht war Newtons Geniestreich dagegen lediglich einer metaphysischen Verirrung geschuldet. Das Kriterium der Konsistenz und der vereinheitlichenden Kraft sind eben Wahrheitskriterien, deren Berücksichtigung ohne Voraussetzung einer realistischen Interpretation keinen Sinn ergibt.
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Beitrag(#1630453) Verfasst am: 23.04.2011, 01:30    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:

Als kleine Übungsaufgabe für zuhause: Überlege Dir, welcher Gegensatz zwischen "nachweislichen Zusammenhängen" und "Hypothesen" besteht und wie Du hypothetische Entitäten bzw. "Wahrheitsnähe" gegen "belegbares Wissen" abzugrenzen gedenkst.

Nun, die Umlaufbahn des Halleyscher Komet ist belegbares Wissen, die Existenz dunkler Materie eine Hypothese. Als kleine Übungsaufgabe kannst du dir ja mal überlegen, woran ich den Unterschied festmache.


Allem Anschein nach an Deiner Unkenntnis hinsichtlich des Status wissenschaftlicher Erkenntnis und der Bedeutung des Begriffs "Hypothese" Mr. Green

Vermutlich erzähle ich auch "step" nichts Neues, wenn ich behauptet, dass die Existenz von Dunkler Materie wissenschaftlich so wohl bestätigt ist, wie etwa der Urknall oder die Existenz von Atomen. Umgekehrt: Kann die aus einzelnen Positionsdaten zusammengesetzte Ellipse des Halleyschen Kometen jemals mehr sein, als eine theorieimprägnierte "Hypothese"? Wäre diese Hypothese auch im Rahmen des Ptolemäischen Paradigmas gültig?
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Beitrag(#1630551) Verfasst am: 23.04.2011, 18:43    Titel: Antworten mit Zitat

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
Selbstverständlich ist die Newtonsche Theorie partiell wahr, sonst würde sie nichts erklären, ...

Du sollst doch nicht voraussetzen, was Du zeigen willst. Ich kann leicht etwas benennen, das etwas erklärt, aber deswegen noch lange nicht wahr ist. Dein Satz stimmt nur, wenn Du die Wahrheit eines Modells definierst als seine Güte, große Klassen überprüfbarer Voraussagen zu machen, denn nur dann erklärt es etwas. Und es war ja gerade meine Behauptung, daß Warheit nicht mehr sei als das, jedenfalls nicht für uns erkennbar mehr.

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
... und es wäre auch nicht darstellbar, weshalb sie als Grenzfall wiederum in der ART auftaucht.

Im Gegenteil, das geht sogar NUR, wenn man die Theorie nicht für "wahr" hält: Die ART macht genauere Voraussagen in einer größeren Klasse von Situationen, ist daher besser als Newton. Da Newtons Theorie für einen engeren Bereich auch schon gute und überprüfte Voraussagen machte, MUSS sie, rein modellmäßig betrachtet, einen Grenzfall darstellen. Die Deutungen, die in ihr enthalten sind, müssen dagegen nicht konvergieren, und tun es teilweise auch nicht, z.B. Kräfte, Raum und Zeit. Wenn man sich also fragt, welcher Teil einer ursprünglichen Theorie später (unter metaphysischen Realisten) noch als wahr gilt, so wird mit der Zeit alles unwahr, bis auf die - in bestimmten Bereichen - immer noch guten Voraussagen. So weiß man heute, daß Newton's Zeitkonzept falsch war, irgendwann wird das auch mit dem Konzept der Masse passieren, aber dennoch eignen sich Newtons Gesetze immer noch genausogut zum Voraussagen/Berechnen in bestimmten Bereichen.

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Natürlich besteht die Theorie nicht nur aus einer Formel, sondern den Teilen der Formel messen wir Bedeutungen zu. Meist klingen diese Zuweisungen in der Tat wie Reifizierungen (Teilchen, Masse, Kraft, Zeit ...), aber letztlich sind es (unausgesprochen) wieder Modelle.
M.E. verwechselst Du hier den Erklärungsgegenstand von Modellen mit den Modellen selbst: Theorien und Modelle erklären die Welt und nehmen dabei auf nicht direkt feststellbare Dinge, z.B. Elementarteilchen, Bezug. Das Modell postuliert also diese Elementarteilchen, folglich liegt eine modellhafte Beschreibung dieser Teilchen vor. Das bedeutet aber nicht, dass diese Teilchen das Modell sind.

Nicht die Teilchen selbst (was ist das?), sondern deren Reifizierungen im Rahmen einer höherliegenden Theorie sind selbst wiederum - unhinterfragte - Modelle.

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Zum Beispiel nennen wir etwas ein Teilchen, das bestimmte Eigenschaften zeigt. Im Rahmen von Newtons Theorie ist es nicht weiter interessant, was dieses Teilchen ausmacht, warum es diese Eigenschaften zeigt, warum es "real" erscheint. Oder was die Zeit ist. In Newtons Theorie ist sie eine absolute Koordinate, und die Leute hielten (und halten zum Teil) das für "wahr"!
Das zeigt doch höchstens, dass Theorien unterschiedliche Referenz- und Geltungsbereiche haben. Wenn ein Teilchen für die Newtonsche Theorie nicht weiter interessant ist, dann nur deshalb, weil ein bestimmtes Phänomen, für dessen Erklärung man dieses Teilchen braucht, nicht in den Erklärungsrahmen der Newtonschen Theorie passt.

Nein, ich meinte eine (reifizierte) Größe innerhalb der Theorie, z.B. Masse oder Zeit, die aber einfach vorausgesetzt wird. Newton liefert dann eine Erklärung für die Bewegung, die absolute Zeit ist darin aber ein metaphysisches (und, wie wir heute wissen, falsches) Konzept. Nichtsdestotrotz hielt er es für wahr.

Versuch doch mal, Newtons Theorie (oder einen Teil davon) in seiner "Bedeutung" so zu formulieren, daß möglichst wenig "falsche" Konzepte drin sind, also nur bis heute gültige Aussagen drin bleiben. Also beispielsweise müßte man "Zeit" ersetzen durch Ticks auf einer Uhr in unseren Gefilden, die Differentiale nach den Ticks könnten bleiben, ebenso die Positionen der Planeten. Nach meiner Erfahrung bleibt dann etwas "Gültiges", "Gutes" übrig, das aber gerade den mit der Theorie möglichen Voraussagen entspricht. Eine weitere "Wahrheit" ist nicht enthalten - jedenfalls nicht für uns erkennbar.
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Beitrag(#1630576) Verfasst am: 23.04.2011, 20:27    Titel: Antworten mit Zitat

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:

Ohne Voraussetzung einer realistischen Interpretation, die den Begriff der Wahrheit einschließt, lässt sich überhaupt nicht überzeugend erklären, warum die Epizykel-Theorie zugunsten der Newtonschen Theorie aufgegeben wurde. Eines war sie jedenfalls nicht: ein Fehlschlag. Im Gegenteil, auf Grundlage des Ptolemäischen Systems konnte man hervorragende Prognosen über kosmische Ereignisse und Planetenbahnen anstellen, und nichts anderes zählt doch in den Augen der Instrumentalisten!

Du erzähltst einen unbeschreiblichen Blödsinn, allerdings mit vielen wunderhübschen Worten. Das Ptolemäische System war erledigt mit Johannes Kepler, der im 16. Jh. lebte. Newton lebte im 17.
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Beitrag(#1630579) Verfasst am: 23.04.2011, 20:39    Titel: Antworten mit Zitat

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
Ohne Voraussetzung einer realistischen Interpretation, die den Begriff der Wahrheit einschließt, lässt sich überhaupt nicht überzeugend erklären, warum die Epizykel-Theorie zugunsten der Newtonschen Theorie aufgegeben wurde.

Hmm ... die Newton'sche Theorie
- lieferte Voraussagen für eine allgemeinere Klasse von Phänomenen
- war einfacher / eleganter
- beinhaltete ein Modell auf reduzierter / tieferer Ebene

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
Eines war sie jedenfalls nicht: ein Fehlschlag.

Jetzt definierst Du "Fehlschlag" aber sehr instrumentalistisch!

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
Im Gegenteil, auf Grundlage des Ptolemäischen Systems konnte man hervorragende Prognosen über kosmische Ereignisse und Planetenbahnen anstellen, und nichts anderes zählt doch in den Augen der Instrumentalisten!

Sollte man sie dann mit Deiner Argumentation weiter oben nicht auch als "partiell wahr" bezeichnen?

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
... Der eigentliche Vorzug der Newtonschen Theorie ist nur aus Sicht einer ontologisch-realistischen Interpretation erkennbar - es ist die Einsicht, dass die Prinzipien der Himmelsmechanik und die Gesetzmäßigkeiten der "irdischen" Mechanik auf ein- und derselben Ursache beruhen: Die "Schnittstelle" der Erkenntnis ist hier die Gravitation, die von Masse besitzenden Körpern wie der Erde ausgeht, und so einerseits Monde um die Umlaufbahn von Planeten zwingt, Dir aber anderseits auch Äpfel auf den Kopf fallen lässt...

Sowohl diese Vereinheitlichung als auch die Formeln stellen sehrwohl eine Vereinfachung dar. Man sollte dabei bedenken, daß die Mächtigkeit einer Theorie nicht nur von der Einfachheit des Formalismus, sondern vor allem von der Tragweite bestimmt ist. In diesem Sinne kann man sogar die ART "eleganter" nennen als die Newton-Theorie, obwohl man viel höhere Mathematik dafür benötigt.

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
Newton war also bereit, die Gravitation als respektable physikalische Entität anzuerkennen, die jedweder Körper emittiert und dadurch, je nach Masse, irdische als auch kosmische Effekte zeitigt.

Ein "Körper" "emittiert" Gravitation ... was stellt sich Newton hier vor? Er macht ein Modell, das - im Rahmen seiner Theorie - ein hinreichend gutes ist.

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
So gelang es ihm, eine Theorie mit großere Konsistenz und vereinheitlichender Kraft zu konzipieren.

Ja, vereinfachende Reifizierungen können in bestimmten Bereichen neuen Theorien aufs Pferd helfen. Man sollte sie nur nicht philosophisch überbewerten.

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
Das Kriterium der Konsistenz und der vereinheitlichenden Kraft sind eben Wahrheitskriterien, deren Berücksichtigung ohne Voraussetzung einer realistischen Interpretation keinen Sinn ergibt.

Es sind keine Wahrheitskriterien, sondern (kontingente) Erfolgskriterien.
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Beitrag(#1630725) Verfasst am: 24.04.2011, 12:21    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:

....
Den Wissenschaften vielleicht nicht, aber dem Wissenschaftler geht es schon um Wahrheit. Auch wenn er sie Modellierung nennt. ; )

Mag in Einzelfällen stimmen aber hier wird in unzulässiger Weise verallgemeinert. Einem wissenschaftler, der nicht auf der Spielwiese eines Institutes der Grundlagenforschung beschäftigt ist, sondern einer ernsthaften Tätigkeit, etwa in einer Halbleiterfab nachgeht, dem geht es eher um die ausbeute. Hier sind zutreffende Voraussagen von geldwerter Bedeutung.
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Beitrag(#1631219) Verfasst am: 26.04.2011, 10:19    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:

Ohne Voraussetzung einer realistischen Interpretation, die den Begriff der Wahrheit einschließt, lässt sich überhaupt nicht überzeugend erklären, warum die Epizykel-Theorie zugunsten der Newtonschen Theorie aufgegeben wurde. Eines war sie jedenfalls nicht: ein Fehlschlag. Im Gegenteil, auf Grundlage des Ptolemäischen Systems konnte man hervorragende Prognosen über kosmische Ereignisse und Planetenbahnen anstellen, und nichts anderes zählt doch in den Augen der Instrumentalisten!

Du erzähltst einen unbeschreiblichen Blödsinn, allerdings mit vielen wunderhübschen Worten. Das Ptolemäische System war erledigt mit Johannes Kepler, der im 16. Jh. lebte. Newton lebte im 17.


Lies mal:

Chalmers, A.F. (1999) Wege der Wissenschaft. Einführung in die Wissenschaftstheorie. 6. Auflage. Springer-Verlag, pp. 82-84

Darin wird erklärt, dass die kopernikanische Revolution mit Galilei und Kepler keineswegs vollzogen war. Das heliozentrische Weltmodell hatte mit diversen Anomalien zu kämpfen, denen Galilei im wesentlichen nur Ad-hoc-Hypothesen und Gedankenexperimente entgegenzusetzen hatte. Z.B. waren die Beobachtung, dass die sich um die Sonne drehende Erde den Mond nicht zurücklässt, dass sich ein von einem Turm fallender Stein nicht vom Fuße des Turms entfernt und dass keine Sternparallaxe nachweisbar war, schwerwiegende Einwände (Chalmers spricht gar von Falsifikation) gegen das Kopernikanische Weltbild. Dies änderte sich erst mit Newton, der die Anomalien auf Grundlage seiner Mechanik und Gravitationstheorie beseitigte.

Chalmers a.a.O., p. 83) hat folgendes geschrieben:
Galilei und Kepler bemühten sich sicherlich beide darum, Belege für die kopernikanische Theorie zu liefern. Jedoch waren weitere Entwicklungen notwendig, bevor sie auf die sichere Grundlage einer umfassenden Physik gestellt werden konnten. Newton war in der Lage, die Werke von Galilei, Kepler und anderen zu nutzen, um eine umfassende Physik zu entwickeln, wie er sie in seiner "Philosophiae naturalis principia mathematica" (1687) veröffentlichte.

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Beitrag(#1631223) Verfasst am: 26.04.2011, 11:04    Titel: Antworten mit Zitat

Du führst hier den Begriff der "umfassenden Physik" ein, die es vorher ja gar nicht gab und ich würde nicht bestreiten, daß die Physik erst mit Newton eine Wissenschaft in unserem Sinne wurde, aber das bedeutet ja nicht, daß es nicht auch schon vor Newton belegbares Wissen gab.

Der unbestreitbare Vorzug des heliozentrischen vor dem geozentrischen Weltbild waren die bei weitem einfacheren Planetenbahnen, die dann spätestens seit Kepler auch durch Messungen bestätigt wurden. Insofern war sie besser als die vorherige, sowie die newton'sche dann ihrerseits wieder besser, umfassender war. Aber "wahr" war keine von ihnen, eben aber auch nicht falsch. Sie waren einfach nur Stufen der Entwicklung des physikalischen Wissens wie der physikalischen Wissenschaften, wie unsere heutigen Theorien auch.

Die Sammlung wissenschaftlichen Wissens ist damit Teil des Prozesses der Menschen zum Sammeln von Wissen über diese Welt überhaupt. Während Religionen diese Welt mit einem oder mehreren persönlichen Verursachern zu erklären versuchen, und Philosophie auf der Suche ist nach absoluten Anfängen und Begriffen wie Ontologie oder Wahrheit, sind Wissenschaften der organisierte Versuch, herauszufinden, wie beobachtbare Ereignisse miteinander in Zusammenhang stehen, Modelle zu erstellen von beobachtbaren Zusammenhängen.

Und weil es um nachweisbares Wissen geht, waren und sind Wissenschaften so erfolgreich. Gerade die, die Suche nach belegbarem Wissen, Modellen oder Theorien, die auf beobachtbaren Tatsachen beruhen, das ist es, was die Wissenschaften als sozialen Prozeß von Religion und Philosophie unterscheidet. Daß einzelne Wissenschaftler durchaus ganz andere Vorstellungen hatten und auch heute noch haben, ist unbestritten, macht aber nicht ihren Beitrag zu diesem Prozeß aus. An Kepler erinnert man sich als Astronom, nicht als Astrologen.
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