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Ethik-Preis für Paola Cavalieri und Peter Singer
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Kival
Profeminist Ghost



Anmeldungsdatum: 14.11.2006
Beiträge: 24071

Beitrag(#1650401) Verfasst am: 17.06.2011, 22:26    Titel: Antworten mit Zitat

Ich denke, dass es sich auf dieser Ebene eben nicht trennen lässt. Ein gefordertes Lebensrecht im ethischen Sinne bedeutet immer auch schon, dass man es rechtlich durchgesetzt haben möchte. Das Sprechen von X-Recht ergibt sonst überhaupt keinen Sinn. Während man aber auf rechtlicher Ebene eher die innergesetzliche Rechtfertigung eines Rechts diskutiert, will man bei der ethischen Diskussion meist eine andere Perspektive annehmen, die vom herrschenden Recht losgelöst fragt, ob man ein X-Recht nun gelten oder nicht gelten sollte.
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"A basic literacy in statistics will one day be as necessary for efficient citizenship as the ability to read and write." (angeblich H. G. Wells)
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44665

Beitrag(#1650432) Verfasst am: 17.06.2011, 23:20    Titel: Antworten mit Zitat

Kival hat folgendes geschrieben:
Ein gefordertes Lebensrecht im ethischen Sinne bedeutet immer auch schon, dass man es rechtlich durchgesetzt haben möchte.

Naja. Meine Frage war ja, was es überhaupt heißt, von einem Recht im ethischen Sinne zu sprechen. Die Motivation für die Forderung nach einem bestimmten Recht mag ja eine ethische sein, aber das macht noch nicht den Rechtsbegriff zu einem ethischen Begriff.
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"Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44665

Beitrag(#1650433) Verfasst am: 17.06.2011, 23:21    Titel: Antworten mit Zitat

L.E.N. hat folgendes geschrieben:
du kannst in diskussionen in denen ich das wort "lebensrecht" verwende davon ausgehen, dass ich es nicht juristisch meine, sondern ethisch.

Was heißt es denn, das Wort Lebensrecht "ethisch zu meinen"?
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Kival
Profeminist Ghost



Anmeldungsdatum: 14.11.2006
Beiträge: 24071

Beitrag(#1650437) Verfasst am: 17.06.2011, 23:27    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Kival hat folgendes geschrieben:
Ein gefordertes Lebensrecht im ethischen Sinne bedeutet immer auch schon, dass man es rechtlich durchgesetzt haben möchte.

Naja. Meine Frage war ja, was es überhaupt heißt, von einem Recht im ethischen Sinne zu sprechen. Die Motivation für die Forderung nach einem bestimmten Recht mag ja eine ethische sein, aber das macht noch nicht den Rechtsbegriff zu einem ethischen Begriff.


Hm... sind denn Normen und Werte für dich beides ethische Begriffe?
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44665

Beitrag(#1650443) Verfasst am: 17.06.2011, 23:39    Titel: Antworten mit Zitat

Kival hat folgendes geschrieben:
Hm... sind denn Normen und Werte für dich beides ethische Begriffe?

"Norm" kommt mir eher wie ein soziologischer Begriff vor. "Wert" ist ein ziemlich unbestimmter Ausdruck und kann in ethischen, religiösen, ökonomischen, politischen und sogar ästhetischen Kontexten auftauchen. (Hab' ich noch irgendwas vergessen?) Für einen genuin ethischen Begriff würde ich ihn aber auch nicht halten. Ich kann mir eine Ethik denken, in der er keine Rolle spielt. Auch kommt mir die Verwendung des Wertbegriffs in ethischen und politischen Kontexten tendentiell politisch konservativ vor - aber ich mag mich irren.
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#1650447) Verfasst am: 18.06.2011, 00:13    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Auch kommt mir die Verwendung des Wertbegriffs in ethischen und politischen Kontexten tendentiell politisch konservativ vor...

Ich könnte mir vorstellen, das liegt daran, daß Konservative meist wertkonservativ sind.
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Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Dissonanz
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Anmeldungsdatum: 24.03.2008
Beiträge: 3541

Beitrag(#1650448) Verfasst am: 18.06.2011, 00:15    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Auch kommt mir die Verwendung des Wertbegriffs in ethischen und politischen Kontexten tendentiell politisch konservativ vor...

Ich könnte mir vorstellen, das liegt daran, daß Konservative meist wertkonservativ sind.


Ich könnt mir vorstellen, dass in den verschiedenen Kulturen die Konservativen lieber von Werten reden, während Linksliberale von.. Anderen Dingen reden.
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"In other words, the cultures have been subjected to as careless handling as if in the hands of a somewhat below par student assistant, but they have survived."
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#1650450) Verfasst am: 18.06.2011, 00:18    Titel: Antworten mit Zitat

Dissonanz hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Auch kommt mir die Verwendung des Wertbegriffs in ethischen und politischen Kontexten tendentiell politisch konservativ vor...
Ich könnte mir vorstellen, das liegt daran, daß Konservative meist wertkonservativ sind.
Ich könnt mir vorstellen, dass in den verschiedenen Kulturen die Konservativen lieber von Werten reden, während Linksliberale von.. Anderen Dingen reden.

Jo. Ich war heute in einem Briefmarkenverein - echt gruselig.
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Femina
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Anmeldungsdatum: 24.07.2005
Beiträge: 1038

Beitrag(#1650453) Verfasst am: 18.06.2011, 00:25    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Ich finde es interessant, dass hier immer wieder der Begriff des Rechts auftaucht. Ein Begriff, der eigentlich gar kein genuin ethischer, sondern ein juristischer Begriff ist. Seine Verwendung im Kontext einer Ethikdebatte wäre erstmal als solche zu rechtfertigen.

Was ist denn ein "Recht" in einem ethischen (d.h. streng nicht-juristischen) Sinne?


Ich denke, dass wir von Natur aus keine Rechte haben. Rechte stehen wir uns doch nur untereinander zu. Diese sind Ausdruck unseres Lebens in Gruppen, das einer Regelung durch das juristische Recht bedarf.

Recht im ethischen Sinn kann doch nur heißen, wir halten es für moralisch richtig, dass jemandem ein solches Recht zusteht. Das heißt, wir Menschen sprechen uns die Rechte selber zu. So kann auch die Ethik nur Rechte definieren. Ein Recht auf Leben, das heißt doch nur so viel, dass wir Menschen uns gegenseitig dieses Recht auf Leben zusprechen, weil wir jeder für uns selbst einen Anspruch auf so ein Recht haben wollen.

Singers Philosophieren darum, ob ein Kind mit diesen oder jenen Eigenschaften ein Recht auf Leben hat, kann daher auch nur ein Philosophieren darum sein, ob wir Menschen auch diesen und jenen Kindern ein Lebensrecht zusprechen wollen. Die Philosophie versucht zu rechtfertigen, warum wir hier Rechte vergeben sollten und dort nicht.


Ähnlich verhält es sich mit dem "Wert". Wenn es keine Menschen auf der Welt gäbe, hätte Gold dann einen Wert? Ich meine nein, denn der angebliche Wert des Goldes oder anderer Materialien leitet sich aus seinem Nutzen für die Menschen ab. Wie sollte es dann aber mit dem Wert eines Menschen aussehen? Wir wollen den Wert eines Menschen ja nicht anhand des Nutzens dieses Menschens bemessen. Somit haben große Erfinder auch nicht mehr Wert als ein Mensch, der aufgrund seiner Krankheit unsere Hilfe braucht und uns nicht mehr als seine Dankbarkeit geben kann. Somit ist der Begriff Wert im Zusamenhang mit dem Menschen eigentlich ad absurdum geführt. - Für mich kann allenfalls mein eigenes Leben und das Leben meiner Angehörigen und Freunde einen Wert haben, da selbige wiederum mein Leben bereichern. Trotzdem erkenne ich gern jedem Menschen auf dieser Welt einen Wert zu, auch wenn sie gar keinen oder auch einen negativen Einfluss auf mein eigenes Leben haben. Das wiederum hat wohl eher was mit einem Respekt vor dem Leben anderer was zu tun.
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Femina
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Anmeldungsdatum: 24.07.2005
Beiträge: 1038

Beitrag(#1650454) Verfasst am: 18.06.2011, 00:36    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Unbewußt muß nicht heißen: unhinterfragt. Entscheidend ist nur, daß Ethik eine Theorie über das Verhalten innerhalb einen Gruppe ist, ob diese Gruppe nun eine Familie ist, oder eine Gesellschaft oder die Menschheit insgesamt. Es ist nicht eine Theorie über das Verhalten eines Menschen, denn einen Menschen allein gibt es nicht. Damit ist Moral auch nicht eine Privatangelegenheit, denn für mich allein bräuchte ich keine Moral (Robinson hatte vor der Ankunft Freitags einfach keine Möglichkeit, unmoralisch zu sein), sondern ist das Ergebnis eines gesellschaftlichen Diskussionsprozesses. Deswegen sind bestimmte Skrupel, die wir haben, auch nicht einfach historisch entstanden Sentimentalitäten, sondern konstitutive Bestandteil unserer Gruppenkultur, deren Grundlage Solidarität ist, die nur unter ganz bestimmten Bedingungen verletzt werden darf. Nur wenn man sich dieser Grundlage bewußt ist, und des grundsätzlich sozialen Charakters von Moral, nur dann versteht man, warum die Menschen auf Singers Vorschläge zum Teil so heftig reagieren.


Da kann ich dir nicht widersprechen, Marcellinus. Unserer Moral widerspricht es im Allgemeinen, kleine Kinder zu töten und auch daher kommen die heftigen Reaktionen auf Singers Ethik. Trotzdem denken die meisten beim Bewerten seiner Ethik wohl kaum an die Ausnahmefälle, die in der Realität wirklich vorkommen, nur so selten, dass die wenigsten von uns mal mit so einem Fall zu tun bekommen. Singer spricht von absoluten Ausnahmefällen, die Leute lesen jedoch nur "töten", "Kinder töten" und "Euthanasie" und sehen rot.

Nicht vergessen sollten wir, dass es Gruppenkulturen gab und gibt, die das anders sehen. Auch diese Gruppen konnten sich offenbar behaupten. Woran liegt das? Welche Gruppenkultur ist denn nun die richtige?

Und ist es wirklich eine Jahrtausende alte Gruppenkultur, dass auch Kinder mit schwersten Behinderungen mit durchgebracht werden? Das ist doch etwas, was wir uns eigentlich nur in unserer Luxusgesellschaft leisten können. Was macht die Mutter in Afrika, die schon 10 Kinder kurz unter der Verhungergrenze hat, in ihrer Familie mit Krankheiten kämpfen muss, jedoch nicht so wie wir krankenversichert ist? Wird diese Mutter ihr schwer behindertes Neugeborenes durchbringen und ein paar andere Kinder dafür sterben lassen? Ich glaube, nicht.
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AgentProvocateur
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Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
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Beitrag(#1650455) Verfasst am: 18.06.2011, 00:46    Titel: Antworten mit Zitat

Femina hat folgendes geschrieben:
Ich denke, dass wir von Natur aus keine Rechte haben. Rechte stehen wir uns doch nur untereinander zu. Diese sind Ausdruck unseres Lebens in Gruppen, das einer Regelung durch das juristische Recht bedarf.

Recht im ethischen Sinn kann doch nur heißen, wir halten es für moralisch richtig, dass jemandem ein solches Recht zusteht. Das heißt, wir Menschen sprechen uns die Rechte selber zu. So kann auch die Ethik nur Rechte definieren. Ein Recht auf Leben, das heißt doch nur so viel, dass wir Menschen uns gegenseitig dieses Recht auf Leben zusprechen, weil wir jeder für uns selbst einen Anspruch auf so ein Recht haben wollen.

So sehe ich das auch.

Femina hat folgendes geschrieben:
Singers Philosophieren darum, ob ein Kind mit diesen oder jenen Eigenschaften ein Recht auf Leben hat, kann daher auch nur ein Philosophieren darum sein, ob wir Menschen auch diesen und jenen Kindern ein Lebensrecht zusprechen wollen. Die Philosophie versucht zu rechtfertigen, warum wir hier Rechte vergeben sollten und dort nicht.

Und wieso sollten wir nun Säuglingen kein Recht auf Leben zusprechen? Weil diese momentan kein auf die Zukunft gerichtet Interesse haben? Wieso soll das die einzig ausschlaggebende Rolle bei einer Rechtezuweisung spielen, (plus der Interessen der Eltern)?

Was gibt uns ein Recht auf Leben? hat folgendes geschrieben:
Um ein Recht darauf zu haben, nicht getötet zu werden, bedarf es mehr als eines Interesses nicht gequält zu werden - es bedarf eines Interesses an seinem eigenen Überleben!

Im Zusammenhang mit dem, was Du oben gesagt hast, (dem ich zustimme), klingt das doch nun reichlich merkwürdig, findest Du nicht? So als ob es doch von Natur aus Rechte gäbe.
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Tarvoc
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Beiträge: 44665

Beitrag(#1650456) Verfasst am: 18.06.2011, 00:53    Titel: Antworten mit Zitat

Femina hat folgendes geschrieben:
Ein Recht auf Leben, das heißt doch nur so viel, dass wir Menschen uns gegenseitig dieses Recht auf Leben zusprechen, weil wir jeder für uns selbst einen Anspruch auf so ein Recht haben wollen.

Das klingt ganz gut. Auf das Threadproblem übertragen: Wir gestehen schwerbehinderten Säuglingen ein Recht auf Leben zu, weil wir auch nicht wollen, dass wir selbst als Säuglinge getötet worden wären. (Dass das kontrafaktisch ist, spielt keine Rolle.)
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Kival
Profeminist Ghost



Anmeldungsdatum: 14.11.2006
Beiträge: 24071

Beitrag(#1650459) Verfasst am: 18.06.2011, 01:53    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Femina hat folgendes geschrieben:
Ein Recht auf Leben, das heißt doch nur so viel, dass wir Menschen uns gegenseitig dieses Recht auf Leben zusprechen, weil wir jeder für uns selbst einen Anspruch auf so ein Recht haben wollen.

Das klingt ganz gut. Auf das Threadproblem übertragen: Wir gestehen schwerbehinderten Säuglingen ein Recht auf Leben zu, weil wir auch nicht wollen, dass wir selbst als Säuglinge getötet worden wären. (Dass das kontrafaktisch ist, spielt keine Rolle.)


Dem kann ich nicht zustimmen. Und wenn man nur so argumentiert, kann man auch genauso Abtreibung ablehnen. Du siehst da aber vermute ich schon noch einen Unterschied?

Und dein Argument kann so auch nur funktionieren für jemanden, der selbst schwerbehindert ist. Aber Singer spricht ja nicht Säuglingen mit Eigenschaft X das Lebensrecht ab (die Formulierung ist... naja, aber egal), sondern weist ein Recht auf Leben überhaupt erst zu, wenn das Kind eine Person mit Interessen ist. Das heißt auch gesunden unbehinderten Säuglingen wird kein Recht auf Leben zugesprochen. Dann kommt aber noch eine weitere Diskussion darüber, ob und wann denn nun tatsächlich eine Tötung ethisch gerechtfertigt ist und wann nicht. Aber Säuglinge genießen nach Singers Theorie eben kein genuines Recht auf Leben, wir weisen es Ihnen nicht zu, weil wir es nach dem Kriterium des Interesses zu Leben zuweisen sollen (nach Singer).
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AgentProvocateur
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Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#1650462) Verfasst am: 18.06.2011, 02:05    Titel: Antworten mit Zitat

Kival hat folgendes geschrieben:
Aber Säuglinge genießen nach Singers Theorie eben kein genuines Recht auf Leben, wir weisen es Ihnen nicht zu, weil wir es nach dem Kriterium des Interesses zu Leben zuweisen sollen (nach Singer).

Was ist ein 'genuines Recht'? 'Ne Art Naturrecht? Oder 'ne Art Recht erster Klasse? Und ein 'nicht genuines Recht' ein Recht zweiter Klasse?

Falls ja: derartig wird aber im heutigen Recht nicht unterschieden. Wieso sollte man das zukünftig tun?

Und warum sollen wir ein Recht auf Leben ausschließlich nach Singers Kriterium der momentanen Fähigkeit zur Zukunftsplanung zuweisen? Woraus folgt das, wie ist das begründet?
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Kival
Profeminist Ghost



Anmeldungsdatum: 14.11.2006
Beiträge: 24071

Beitrag(#1650467) Verfasst am: 18.06.2011, 02:51    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Kival hat folgendes geschrieben:
Aber Säuglinge genießen nach Singers Theorie eben kein genuines Recht auf Leben, wir weisen es Ihnen nicht zu, weil wir es nach dem Kriterium des Interesses zu Leben zuweisen sollen (nach Singer).

Was ist ein 'genuines Recht'? 'Ne Art Naturrecht? Oder 'ne Art Recht erster Klasse? Und ein 'nicht genuines Recht' ein Recht zweiter Klasse?


Ja, den Begriff hätte ich vermutlich nicht benutzen sollen, aber für Singer leiten sich Rechte aus Interessen ab. Das heißt, ein Recht auf Leben bei einer Person leitet sich aus deren Interesse auf ihr Leben ab. Wenn andere ein Interesse am Leben von einem Lebewesen x haben, wäre das nur sekundär.

Zitat:
Falls ja: derartig wird aber im heutigen Recht nicht unterschieden. Wieso sollte man das zukünftig tun?


Siehe oben, ansonsten muss ich sagen, dass ich gar nicht genau weiß, ob und inwieweit Singers Diskussion der Rechte eigentlich auch direkt juristische Rechte meint.

Zitat:
Und warum sollen wir ein Recht auf Leben ausschließlich nach Singers Kriterium der momentanen Fähigkeit zur Zukunftsplanung zuweisen? Woraus folgt das, wie ist das begründet?


Aus Singers Ansatz, Rechte von Interessen abzuleiten. Und man kann argumentieren, dass man dies tun sollte, weil eben nur solche Personen überhaupt ethische Subjekte sind. Und ja, das ist letztendlich eine Setzung und nicht mehr begründbar. Man kann es aber sinnvoll finden von den ethischen Subjekten aus die ethische Theorie zu entwickeln. Singer argumentiert hier konkret m.W. so, dass wir denjenigen, die ein Interesse am Leben haben, ein Lebensrecht zusprechen sollten, weil von diesen die Existenz der Ethik selbst abhängig ist. Ich kann aber auch nochmal konkret nachlesen, wie Singer dies begründet. Hoffentlich finde ich das Buch wieder.

PS: Ich denke, Singer sieht Rechte schon in gewisser Weise als Eigenschaften bzw. abgeleitete Eigenschaften und nicht reine Zuweisungen. Aber (u.a.) da würde ich ihm nicht folgen. Ich bin mir aber auch nicht ganz sicher, ob ich hier Recht habe.

PPS: Alle Angaben zur Zeit ohne Gewähr, bis ich das Buch wiedergerfunden habe...
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Babyface
Altmeister



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 11519

Beitrag(#1650483) Verfasst am: 18.06.2011, 08:32    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Was gibt uns ein Recht auf Leben? hat folgendes geschrieben:
Um ein Recht darauf zu haben, nicht getötet zu werden, bedarf es mehr als eines Interesses nicht gequält zu werden - es bedarf eines Interesses an seinem eigenen Überleben!

Im Zusammenhang mit dem, was Du oben gesagt hast, (dem ich zustimme), klingt das doch nun reichlich merkwürdig, findest Du nicht? So als ob es doch von Natur aus Rechte gäbe.

Es wird gleich zu Beginn des Artikels klargestellt, dass Rechte stets "eingeräumt" werden, also nicht von Natur aus einfach da sind.
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Babyface
Altmeister



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 11519

Beitrag(#1650486) Verfasst am: 18.06.2011, 08:55    Titel: Antworten mit Zitat

Kival hat folgendes geschrieben:
Aus Singers Ansatz, Rechte von Interessen abzuleiten. Und man kann argumentieren, dass man dies tun sollte, weil eben nur solche Personen überhaupt ethische Subjekte sind. Und ja, das ist letztendlich eine Setzung und nicht mehr begründbar.

Ist es eigentlich auch eine Setzung, wenn man argumentiert: "Wenn wir unversehrt durch den Strassenverkehr kommen wollen, sollten wir diese und jene Verkehrsregeln aufstellen"? Für mich ist das keine unbegründbare Setzung, sondern eine empirisch überprüfbare Hypothese.
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Skeptiker
"I can't breathe!"



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Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville

Beitrag(#1650488) Verfasst am: 18.06.2011, 09:19    Titel: Antworten mit Zitat

Babyface hat folgendes geschrieben:
Kival hat folgendes geschrieben:
Aus Singers Ansatz, Rechte von Interessen abzuleiten. Und man kann argumentieren, dass man dies tun sollte, weil eben nur solche Personen überhaupt ethische Subjekte sind. Und ja, das ist letztendlich eine Setzung und nicht mehr begründbar.

Ist es eigentlich auch eine Setzung, wenn man argumentiert: "Wenn wir unversehrt durch den Strassenverkehr kommen wollen, sollten wir diese und jene Verkehrsregeln aufstellen"? Für mich ist das keine unbegründbare Setzung, sondern eine empirisch überprüfbare Hypothese.


Wenn das unbegründete Setzungen sind, wozu dann all die angeblichen philosophischen Begründungen Singers?

Es geht doch gerade nicht darum, dass da jemand was setzt, sondern, warum da jemand was setzt.

Ein Gesetz ist eine Setzung.

Und was den Zusammenhang zur Ethik angeht: Singer will eben seine zusammen geschusterte Ethik der Lebensrechte und Lebensnichtrechte als Begründungen für neue Setzungen, also Gesetze.

Was denn sonst?

Der wartet doch nur darauf, dass irgendwelche Biopolitiker seine stockkonservativen Gedankenfetzen (- Rechte der Familie, etc. -) popularisieren und einen entsprechenden "gesetzlichen Rahmen" zimmern. Mißfelder & co. z.B. ...-
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Wohnort: Hamburg

Beitrag(#1650497) Verfasst am: 18.06.2011, 10:14    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
L.E.N. hat folgendes geschrieben:
du kannst in diskussionen in denen ich das wort "lebensrecht" verwende davon ausgehen, dass ich es nicht juristisch meine, sondern ethisch.

Was heißt es denn, das Wort Lebensrecht "ethisch zu meinen"?


es bedeutet, ohne juristische erwägungen einem wesen nicht willkürlich das licht auszuknipsen wie zb. ner lästigen fliege oder auch nem überschüssigem katzenbaby - ohne danach ein schlechtes gewissen zu haben.
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L.E.N.
im falschen Film



Anmeldungsdatum: 25.05.2004
Beiträge: 27745
Wohnort: Hamburg

Beitrag(#1650498) Verfasst am: 18.06.2011, 10:16    Titel: Antworten mit Zitat

Femina hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Ich finde es interessant, dass hier immer wieder der Begriff des Rechts auftaucht. Ein Begriff, der eigentlich gar kein genuin ethischer, sondern ein juristischer Begriff ist. Seine Verwendung im Kontext einer Ethikdebatte wäre erstmal als solche zu rechtfertigen.

Was ist denn ein "Recht" in einem ethischen (d.h. streng nicht-juristischen) Sinne?


Ich denke, dass wir von Natur aus keine Rechte haben. Rechte stehen wir uns doch nur untereinander zu. Diese sind Ausdruck unseres Lebens in Gruppen, das einer Regelung durch das juristische Recht bedarf.

Recht im ethischen Sinn kann doch nur heißen, wir halten es für moralisch richtig, dass jemandem ein solches Recht zusteht. Das heißt, wir Menschen sprechen uns die Rechte selber zu. So kann auch die Ethik nur Rechte definieren. Ein Recht auf Leben, das heißt doch nur so viel, dass wir Menschen uns gegenseitig dieses Recht auf Leben zusprechen, weil wir jeder für uns selbst einen Anspruch auf so ein Recht haben wollen.


so ist es.

Zitat:
Singers Philosophieren darum, ob ein Kind mit diesen oder jenen Eigenschaften ein Recht auf Leben hat, kann daher auch nur ein Philosophieren darum sein, ob wir Menschen auch diesen und jenen Kindern ein Lebensrecht zusprechen wollen. Die Philosophie versucht zu rechtfertigen, warum wir hier Rechte vergeben sollten und dort nicht.


danke.
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Marcellinus
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Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#1650544) Verfasst am: 18.06.2011, 12:46    Titel: Antworten mit Zitat

Femina hat folgendes geschrieben:

Da kann ich dir nicht widersprechen, Marcellinus. Unserer Moral widerspricht es im Allgemeinen, kleine Kinder zu töten und auch daher kommen die heftigen Reaktionen auf Singers Ethik. Trotzdem denken die meisten beim Bewerten seiner Ethik wohl kaum an die Ausnahmefälle, die in der Realität wirklich vorkommen, nur so selten, dass die wenigsten von uns mal mit so einem Fall zu tun bekommen. Singer spricht von absoluten Ausnahmefällen, die Leute lesen jedoch nur "töten", "Kinder töten" und "Euthanasie" und sehen rot.

Nicht vergessen sollten wir, dass es Gruppenkulturen gab und gibt, die das anders sehen. Auch diese Gruppen konnten sich offenbar behaupten. Woran liegt das? Welche Gruppenkultur ist denn nun die richtige?

Und ist es wirklich eine Jahrtausende alte Gruppenkultur, dass auch Kinder mit schwersten Behinderungen mit durchgebracht werden? Das ist doch etwas, was wir uns eigentlich nur in unserer Luxusgesellschaft leisten können. Was macht die Mutter in Afrika, die schon 10 Kinder kurz unter der Verhungergrenze hat, in ihrer Familie mit Krankheiten kämpfen muss, jedoch nicht so wie wir krankenversichert ist? Wird diese Mutter ihr schwer behindertes Neugeborenes durchbringen und ein paar andere Kinder dafür sterben lassen? Ich glaube, nicht.

Du hast vollkommen Recht. Moral ist Eigenschaft einer Gruppenkultur und bei einer Gruppe ist es immer die Frage, wer dazugehört bzw wie man in sie aufgenommen wird; denn ein ist offensichtlich, nicht bestimmte Eigenschaften konstituieren die Mitgliedschaft zu einer Gruppe, sondern ausschließlich die Aufnahme durch die Gruppe selbst, so wie man auch nicht aufhört Mitglied einer Gruppe zu sein, nur weil man bestimmte Eigenschaften nicht mehr hat.

Der biologische Sinn ist ganz simpel: Unsere Vorfahren mußten oft im Interesse ihrer Gruppe erhebliche Risiken für Leib und Leben auf sich nehmen. Die zahlreichen Knochenbrüche bei Frühmenschen sprechen eine deutliche Sprache. Da war die Gruppe die einzige Versicherung, und die bestand offenbar darin, den einzelnen auch dann zu versorgen, wenn er schwere Verletzungen davontrug, die es ihm unmöglich machten, sich von da ab an selbst zu versorgen. Der Deal war offenbar, die Jöger riskierten ihr Leben und dafür war im Notfall für sie gesorgt.

Wenn man einmal Mitglied der Gruppe war, und keine silbernen Löffel klaute, blieb man es auch. Damit stellt sich die Frage, ob es Kriterien für die Aufnahme in die Gruppe gab. Die zahlreichen Kinderskelette, die man gefunden hat, sprechen da wohl eine eindeutige Sprache. Die Menschen der damaligen Zeit haben das vermutlich auch nicht gern getan, aber sie hatten keine andere Wahl. PID gab es noch nicht, und die Möglichkeit einer Abtreibung ohne erhebliches Risiko für die Mutter wohl auch nicht. Im antiken Rom entschied der pater familias über die Aufnahme in die Familie und das Aussetzen von kranken Säuglingen im antiken Sparta ist sprichwörtlich.

Wir dagegen haben heute Alternativen, und die sollten wir nutzen. Wenn aber ein Kind Mitglied unserer Gruppe ist, dann hat es Anspruch auf unsere Solidarität. Daran hat sich auch heute nichts geändert. Dieses Recht auf Leben, das wir uns gegenseitig garantieren, garantieren müssen, ist die Grundlage jeder menschlichen Kultur. Wo dieses Recht auf Leben nicht garantiert ist, sei es durch das Fehlen öffentlicher Sicherheit, oder durch die Willkür der Regierenden oder sonstwie, zerfällt eine Gesellschaft in Rücksichtslosigkeit und Barbarei.

Wir sehen uns heute übrigens einer Frage ausgesetzt, die Menschen vergangener Zeiten nicht hatten: Die Frage, wann jemand die Gemeinschaft der Lebenden verläßt, die Frage der Sterbehilfe. Wir sind heute in der Lage, Menschen weit über jedes menschliche Maß am Leben zu erhalten. Wir haben keine Möglichkeit, ein solches Leben zu beenden, aus den oben dargestellten Gründen. Aber wir können darüber nachdenken, wann und in wie weit wir das Recht, vielleicht sogar die Pflicht haben, den Willen eines Sterbenden zu erfüllen, auch und gerade dann, wenn er selbst dazu nicht mehr in der Lage ist.
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"Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."

Friedrich Nietzsche
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44665

Beitrag(#1650560) Verfasst am: 18.06.2011, 13:14    Titel: Antworten mit Zitat

Kival hat folgendes geschrieben:
Und wenn man nur so argumentiert, kann man auch genauso Abtreibung ablehnen.

Ja, kann man. Und im Grunde auch Verhütung. So kommt man also doch nicht weiter. Wobei es schon komisch ist, dass man mit der goldenen Regel letztlich bei der katholischen Kirche landet.

Kival hat folgendes geschrieben:
Und dein Argument kann so auch nur funktionieren für jemanden, der selbst schwerbehindert ist.

Nein, sie funktioniert für jeden, weil die Tatsache, dass du nicht schwerbehindert bist, völlig kontingent ist, und die goldene Regel auch Schwerbehinderten gegenüber gelten soll.
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Tarvoc
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Beitrag(#1650561) Verfasst am: 18.06.2011, 13:16    Titel: Antworten mit Zitat

L.E.N. hat folgendes geschrieben:
es bedeutet, ohne juristische erwägungen einem wesen nicht willkürlich das licht auszuknipsen wie zb. ner lästigen fliege oder auch nem überschüssigem katzenbaby - ohne danach ein schlechtes gewissen zu haben.

Aber wo ist da das Recht? Recht ist etwas, worauf man sich berufen kann.
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step
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Beitrag(#1650568) Verfasst am: 18.06.2011, 13:35    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Wir gestehen schwerbehinderten Säuglingen ein Recht auf Leben zu, weil wir auch nicht wollen, dass wir selbst als Säuglinge getötet worden wären. (Dass das kontrafaktisch ist, spielt keine Rolle.)

Warum spielt das keine Rolle? Und warum genau wollen wir nicht, daß wir als (halbwegs gesunde bzw. kontrafaktisch schwergeschädigte) Säuglinge getötet worden wären?
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Zuletzt bearbeitet von step am 18.06.2011, 13:39, insgesamt einmal bearbeitet
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step
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Beitrag(#1650570) Verfasst am: 18.06.2011, 13:38    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
... und die goldene Regel auch Schwerbehinderten gegenüber gelten soll.

Die Goldene Regel kann aber p.d. nur jemandem gegenüber gelten, der mit mir vergleichbar ist in seinem Personenstatus. Um sie anzuwenden (mal ganz abgesehen von ihren sonstigen Problemen), muß ich also zuerst definieren, was genau ich als vergleichbaren Personenstatus ansehe, z.B. ob Embryonen, Anenzephaliker, Neugeborene, Andersgläubige, Schwarze, Leichen oder Tiere dazugehören oder nicht.
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Tarvoc
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Beitrag(#1650574) Verfasst am: 18.06.2011, 13:48    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Und warum genau wollen wir nicht, daß wir als Säuglinge getötet worden wären?

Wie meinen? Wäre mir neu, dass man einen Grund dafür braucht, existieren zu wollen.

step hat folgendes geschrieben:
Die Goldene Regel kann aber p.d. nur jemandem gegenüber gelten, der mit mir vergleichbar ist in seinem Personenstatus.

Kann man so sehen. Deshalb taugt sie ja auch nicht als Grundprinzip der Ethik.
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step
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Beitrag(#1650580) Verfasst am: 18.06.2011, 14:02    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Und warum genau wollen wir nicht, daß wir als Säuglinge getötet worden wären?
Wie meinen? Wäre mir neu, dass man einen Grund dafür braucht, existieren zu wollen.

Eben, dafür braucht man keinen extra Grund, da es ein Interesse ist (siehe Singer). Man braucht dafür jedoch bestimmte Eigenschaften. Wir fänden es im Nachhinein schlecht, wenn wir nicht aufgezogen worden wären, weil aus jenem Säugling eine Person wurde, die ihr Leben (bewußt) genießt.

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Die Goldene Regel kann aber p.d. nur jemandem gegenüber gelten, der mit mir vergleichbar ist in seinem Personenstatus.

Kann man so sehen. Deshalb taugt sie ja auch nicht als Grundprinzip der Ethik.

OK, dann sind wir uns in dem Punkt einig.
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Tarvoc
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Beitrag(#1650584) Verfasst am: 18.06.2011, 14:11    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Eben, dafür braucht man keinen extra Grund, da es ein Interesse ist (siehe Singer).

Ich habe auch ein Interesse an einem neuen PC. Um den zu bekommen, brauche ich aber sehr wohl Gründe (in diesem Falle in Form von Geld auf meinem Bankkonto).
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caballito
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Beitrag(#1650588) Verfasst am: 18.06.2011, 14:15    Titel: Antworten mit Zitat

Kival hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Femina hat folgendes geschrieben:
Ein Recht auf Leben, das heißt doch nur so viel, dass wir Menschen uns gegenseitig dieses Recht auf Leben zusprechen, weil wir jeder für uns selbst einen Anspruch auf so ein Recht haben wollen.

Das klingt ganz gut. Auf das Threadproblem übertragen: Wir gestehen schwerbehinderten Säuglingen ein Recht auf Leben zu, weil wir auch nicht wollen, dass wir selbst als Säuglinge getötet worden wären. (Dass das kontrafaktisch ist, spielt keine Rolle.)


Dem kann ich nicht zustimmen. Und wenn man nur so argumentiert, kann man auch genauso Abtreibung ablehnen.

Kann man, ja. Und sich dann anhören, man würde hier metaphysischen Unsinn mit der Potentialität verzapfen.

Kival hat folgendes geschrieben:
Du siehst da aber vermute ich schon noch einen Unterschied?

Dass vor der Geburt gewisse Interessen der Frau eine nicht unerhebliche Rolle peilen könnten, bestreitet keiner.

Außer vielleicht der RKK.

Kival hat folgendes geschrieben:
Und dein Argument kann so auch nur funktionieren für jemanden, der selbst schwerbehindert ist.

Richtig. Ebenso ist aber auch die Argumentation denkbar in der Richtung "Wäre ich derart schwerbehindert, hätte ich lieber ethanasiert werden wollen"
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Beitrag(#1650594) Verfasst am: 18.06.2011, 14:20    Titel: Antworten mit Zitat

Babyface hat folgendes geschrieben:
Kival hat folgendes geschrieben:
Aus Singers Ansatz, Rechte von Interessen abzuleiten. Und man kann argumentieren, dass man dies tun sollte, weil eben nur solche Personen überhaupt ethische Subjekte sind. Und ja, das ist letztendlich eine Setzung und nicht mehr begründbar.

Ist es eigentlich auch eine Setzung, wenn man argumentiert: "Wenn wir unversehrt durch den Strassenverkehr kommen wollen, sollten wir diese und jene Verkehrsregeln aufstellen"? Für mich ist das keine unbegründbare Setzung, sondern eine empirisch überprüfbare Hypothese.

Wie du selber schreibst, das ist kein Setzung zwinkern

Oder genauer:

"Wenn wir unversehrt durch den Strassenverkehr kommen wollen, sollten alle auf der selber seite fahren" ist eine Feststellung. Wenn dann ein entsprechendes Gesetz gemacht wird, ist das wohlbegründet. Ob man aber in dieses Gesetz nun "rechts" oder "links" einsetzt, ist eine Setzung.
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