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L.E.N. im falschen Film
Anmeldungsdatum: 25.05.2004 Beiträge: 27745
Wohnort: Hamburg
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(#1651324) Verfasst am: 20.06.2011, 08:58 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | L.E.N. hat folgendes geschrieben: | es bedeutet, ohne juristische erwägungen einem wesen nicht willkürlich das licht auszuknipsen wie zb. ner lästigen fliege oder auch nem überschüssigem katzenbaby - ohne danach ein schlechtes gewissen zu haben. |
Aber wo ist da das Recht? Recht ist etwas, worauf man sich berufen kann. |
man bezieht sich auf etwas, was man auch als "gewohnheitsrecht" oder "ungeschriebenes gesetz" bezeichnen könnte.
_________________ Ich will Gott lästern dürfen! Weg mit §166 StGB!
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L.E.N. im falschen Film
Anmeldungsdatum: 25.05.2004 Beiträge: 27745
Wohnort: Hamburg
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(#1651325) Verfasst am: 20.06.2011, 09:12 Titel: |
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Kival hat folgendes geschrieben: | Potentialität überhaupt irgendwie ist aber natürlich etwas anderes als das Potentialitätsargument.
L.E.N. hat folgendes geschrieben: | Tarvoc hat folgendes geschrieben: | L.E.N. hat folgendes geschrieben: | es bedeutet, ohne juristische erwägungen einem wesen nicht willkürlich das licht auszuknipsen wie zb. ner lästigen fliege oder auch nem überschüssigem katzenbaby - ohne danach ein schlechtes gewissen zu haben. |
Aber wo ist da das Recht? Recht ist etwas, worauf man sich berufen kann. |
du versuchst dich allein auf explizites recht auf leben zu beziehen ohne das implizite per existenz anzuerkennen. und wenn das wieder eins deiner semantischen spielchen werden soll werde ich das gleich abbrechen, okay? |
Das sind keine Spielchen und vor allem hier ist es eine berechtigte Frage, was Recht im ethischen Sinne überhaupt bedeuten soll. Ich bin mir nicht sicher, ob ich eine solche (strikte) Trennung von Ethik und Recht für sinnvoll halte, wie Tarvoc sie vertritt (?), aber wenn man schon explizit von Recht im ethischen Sinne spricht, sollte man auch klar machen, was das überhaupt sein soll. |
es ist doch nicht so, dass es recht erst gibt seitdem es formuliert oder aufgeschrieben werden kann.
ich würde sagen "Recht im ethischen Sinne" umfasst alle einigungen, von denen man in einer gesellschaft unausgesprochen ausgehen kann. hier kam schon öfter zur sprache, dass recht auf leben zugewiesen werden muss damit ein wesen vor der (willkürlichen) tötung geschützt ist. das halte ich für nicht ganz korrekt, denn sogar kinder (und auch schimpansen) handeln bereits altruistisch, ohne das man ihnen gesagt hätte was das im einzelnen bedeutet. das juristische recht ist also nur eine festschreibung eines teils des ungeschriebenen rechts was nicht heisst, dass es ausschliesslich gilt.
_________________ Ich will Gott lästern dürfen! Weg mit §166 StGB!
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1651352) Verfasst am: 20.06.2011, 11:26 Titel: |
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Femina hat folgendes geschrieben: | Ich halte die Prämisse "Lebensinteresse" für außerordentlich sinnvoll, kann mir aber vorstellen, auch andere Prämissen daneben zuzulassen. Ich glaube, diese Frage ist so vielschichtig, dass z.B. durchaus auch Marcellinus Gruppenprämisse und noch ein paar andere mit hineinspielen dürfen. Welche Prämissen haltet ihr denn für sinnvoller als das Lebensinteresse? |
Ich halte keine für sinnvoller. Alle weiteren, indirekten Kriterien sind mE Ableitungen daraus.
Und es erscheint mir auch paradox, wenn einerseits sehr sensible indirekte Befürchtungen angeführt werden (z.B. daß die Leute vielleicht zu doof wären, zwischen Töten und Quälen zu unterscheiden), gleichzeitig aber die Quälerei von Tieren, die Diskriminierung und sogar Tötung (etwa im Krieg) von Menschen mit realen Interessen als legitim emfunden wird.
Wenn etwa die Eltern das Kind aufziehen wollen, dürften sie das ja tun. Es wäre also eher ein (nachvollziehbares) Argument gegen eine Tötungspflicht. Obwohl - kommt darauf an, wer mit "Andere" gemeint ist. Auch heute kommt es ja vor, daß z.B. fremde Abtreibungsgegner einen "Verlust" zu empfinden behaupten, wenn sie von einer Abtreibung mitbekommen.
AgentProvocateur, Birnbacher/Ullrich zitierend, hat folgendes geschrieben: | - die Angst und Unsicherheit, die eine Tötung bei Dritten bewirkt
- jede Ausnahme vom Tötungsverbot, die sich - für sich betrachtet - utilitaristisch rechtfertigen lässt, beinhaltet ein Risiko, als Freibrief für weitere, unberechtigte Ausnamen missverstanden zu werden
- die Auswirkungen von Tötungshandlungen auf das Selbstverständnis indirekt betroffener Individuen
· Es ist keineswegs sicher, dass die Gesellschaft zwischen einem Tötungsverbot und einem »Leidensverbot« exakt zu unterscheiden weiß. Der Umgang mit dem Tier deutet eher auf das Gegenteil hin. Somit wären auch die direkten Interessen des Säuglings nach Wohlbefinden, Wärme und Nahrung gefährdet.
· Ebenfalls sehr bedenklich ist bei der Freistellung des Infantizids die Einstellung zum erwachsenen behinderten Menschen. Ohne eine sichtbare Setzung des Lebensrechts, wie es die Geburt aufzeigt, fehlt der Gesellschaft eine solche Orientierung. Der Respekt vor dem behinderten Menschen könnte so noch mehr in Gefahr geraten.
· Umgekehrt wirkt die Aufhebung der Geburtslinie für den behinderten Menschen ebenfalls erheblich stärker. Die Reaktionen während der »Singer-Debatte« zeigen diese als real empfundene Bedrohung deutlich auf.
· Mit der Aufhebung des Tötungsverbots könnte ein Damm gebrochen werden. Die Kindstötung wäre nicht mehr ein schlimmes Verbrechen, sondern unter Umständen gerechtfertigt. Dies könnte letztlich dazu führen, dass auch Kleinkinder gefährdet würden, welche schon über ein Lebensinteresse verfügen.
· Das Adoptionsargument Singers könnte ebenfalls dieser neuen Einstellung zum Opfer fallen. |
All diese Ideen basieren nmV letztlich auf demselben paternalistischen Grundmotiv, das ich hier mal so formuliere:
"Die meisten Menschen wären nicht in der Lage, verantwortungsvoll mit dieser Möglichkeit umzugehen. Denn sie sind entweder zu dumm oder zu bösartig."
Ich will diese Ansätze damit nicht völlig von der Hand weisen, finde sie jedoch irgendwie einer offenen Gesellschaft nicht wirklich angemessen. Ein Argument der Art etwa (s.o.), man dürfe Säuglingstötungen nicht zulassen, weil man ja sehe, wie gegen jemand, der sie vorschlägt, gehetzt wird, ein solches Argument würde ich von seiner Logik her eher im Mittelalter oder von einem totalitären Regime erwarten.
AgentProvocateur, Birnbacher/Ullrich zitierend, hat folgendes geschrieben: | · Die Einstellung der Eltern könnte sich auf eine Weise verändern, welche das Streben nach einem Wunschkind forciert. Im Extremfall würden nur noch perfekte Wunschkinder überleben. |
Dieses Argument leuchtet mir schon eher ein, allerdings sehe ich es eher in der PID-Diskussion. Es richtet sich eigentlich nicht gegen Säuglingstötung, sondern gegen die Instrumentalisierung und Perfektionierung des Menschen.
Den Satz habe ich noch nie verstanden. Aus meiner Sicht ist das ein Non Sequitur, wenn nicht Schlimmeres. Etwa so wie: "Wenn aber 130 km/h nicht allgemein erlaubt ist, muss allen Strassen eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 80 km/h zugesprochen werden."
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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caballito zänkisches Monsterpony
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 12112
Wohnort: Pet Sematary
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(#1651377) Verfasst am: 20.06.2011, 12:47 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | caballito hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Ich hätte auch als Säugling schwerbehindert sein können. | Nein, hättest Du nicht. Hätten Deine Eltern ein schwerstbehindertes Kind zur Welt gebracht, wäre daraus keinesfalls Du geworden, und hätte auch nicht werden können. | Wieso denn nicht? weil Tarvoc dann anders wäre als er tatsächlich ist? |
Naja, Tarvoc (also das was Tarvoc "ich" nennt) ist doch durch ganz spezielle, individuelle Eigenschaften, Geschichte, Erinnerungen, Selbstbild, Präferenzen usw. definiert. Willst Du ernsthaft behaupten, diese Person hätte aus einem schwerstbehinderten Neugeborenen werden können? |
Tarvoc ist zunächst mal das seinerzeit geborene Kind, ud dieses Kind hätte ganz anders sein können. Dann wäre auch Tarvoc heute ganz anders (und möglciherwiese gäbe es die Rolle Tarvoc im FGH nicht). Gleichwohl wäre da ein Tarvoc. Und selbstverständlch kann sich der reale Tarvoc mit diesem ebenfalls möglich gewesenen identifizieren.
Wie hätte wohl mein Leben ausgesehen, hätte mein Vater eine andere Frau geheiratet? Jetzt kannsz du natürlich insistieren, dass es mich dann nicht gäbe, aber nicht jeder ist Spock.
_________________ Die Gedanken sind frei.
Aber nicht alle Gedanken wissen das.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1651381) Verfasst am: 20.06.2011, 13:08 Titel: |
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caballito hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | caballito hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Ich hätte auch als Säugling schwerbehindert sein können. | Nein, hättest Du nicht. Hätten Deine Eltern ein schwerstbehindertes Kind zur Welt gebracht, wäre daraus keinesfalls Du geworden, und hätte auch nicht werden können. | Wieso denn nicht? weil Tarvoc dann anders wäre als er tatsächlich ist? | Naja, Tarvoc (also das was Tarvoc "ich" nennt) ist doch durch ganz spezielle, individuelle Eigenschaften, Geschichte, Erinnerungen, Selbstbild, Präferenzen usw. definiert. Willst Du ernsthaft behaupten, diese Person hätte aus einem schwerstbehinderten Neugeborenen werden können? | Tarvoc ist zunächst mal das seinerzeit geborene Kind, ... |
Korrekt, jedenfalls nach unserer intuitiven Kontinuitätstheorie der Person.
caballito hat folgendes geschrieben: | ... und dieses Kind hätte ganz anders sein können. |
Nein, das ist für mich ein Widerspruch in sich. Man könnte höchstens sagen, aus demselben (!) Neugeborenen hätte sich eine andere Person entwickelt, wenn die Umstände anders gewesen wären.
caballito hat folgendes geschrieben: | Und selbstverständlch kann sich der reale Tarvoc mit diesem ebenfalls möglich gewesenen identifizieren. |
Sorry, aber das erscheint hochgradig unlogisch. Nach Deiner Logik könnte sich der reale Tarvoc wirklich mit allem identifizieren, auch mit Kaiser Nero, denn wenn Tarvoc's Eltern nur zu einer anderen Zeit gelebt hätten und andere Gene gehabt hätten, hätten sie vielleicht den kleinen Nero produziert.
caballito hat folgendes geschrieben: | Wie hätte wohl mein Leben ausgesehen, hätte mein Vater eine andere Frau geheiratet? Jetzt kannsz du natürlich insistieren, dass es mich dann nicht gäbe, ... |
Ja genau. Es gäbe dann jemand anderen, auch wenn der vielleicht ebenfalls Ähnlichkeit mit Deinem Vater hätte.
caballito hat folgendes geschrieben: | ... aber nicht jeder ist Spock. |
Wie meinst Du das? Ist man jetzt gefühlsunfähig, wenn man auf logische Fehler hinweist?
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26478
Wohnort: im Speckgürtel
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(#1651382) Verfasst am: 20.06.2011, 13:10 Titel: |
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caballito hat folgendes geschrieben: | ....
Tarvoc ist zunächst mal das seinerzeit geborene Kind, ud dieses Kind hätte ganz anders sein können. Dann wäre auch Tarvoc heute ganz anders (und möglciherwiese gäbe es die Rolle Tarvoc im FGH nicht). Gleichwohl wäre da ein Tarvoc. Und selbstverständlch kann sich der reale Tarvoc mit diesem ebenfalls möglich gewesenen identifizieren. |
Identifizieren? Er kann versuchen, sin in den hineinzuversetzen - als empathische Übung.
caballito hat folgendes geschrieben: |
Wie hätte wohl mein Leben ausgesehen, hätte mein Vater eine andere Frau geheiratet? Jetzt kannsz du natürlich insistieren, dass es mich dann nicht gäbe, aber nicht jeder ist Spock. |
Es gäbe dich dann nicht, es gäbe jemand anders. Das hat mit Spock nichts zu tun, allenfalls damit ob man die Wörter ich, Person usw. einigermaßen konsistent benutzt.
fwo
_________________ Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.
The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.
Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#1651383) Verfasst am: 20.06.2011, 13:11 Titel: |
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Femina hat folgendes geschrieben: |
Deine Aussage über Tiere ist für ich nicht konsistent, Marcellinus. Auch Kinder leben doch erstmal in unserer Obhut. Und mancher Tierfreund lässt sogar seinen Hund mit in seinem Bett schlafen. Wenn das keine Gemeinschaft ist? Letztlich haben auch viele Tierarten einen Gemeinschaftscharakter. |
Nein, das ist etwas anderes. Wenn ich eine Beziehung zu meinem Kater habe, dann ist das eine einseitige Sache. Seine Beziehung zu mir ist etwas grundsätzlich anderes, und wenn ich eine moralische Beziehung zu ihm haben sollte, er zu mir jedenfalls nicht (da machen sich viele Tierbesitzer etwas vor).
Die Beziehungen, die ich meine, sind aber nicht einseitige Beziehungen, sondern wechselseitige und die gibt es nur zwischen Menschen. Moral beschreibt Regeln für die wechselseitigen Beziehungen zwischen Menschen. Es sind die Beziehungen zwischen prinzipiell gleichberechtigten Subjekten. Wir haben doch nicht eine Moral für Säuglinge, eine für Behinderte und eine für Nichtbehinderte, sondern wir haben eine Moral für unsere Beziehungen untereinander.
Femina hat folgendes geschrieben: |
Singer sagt auch nicht, dass nicht empfindungsfähige Menschen oder Tiere keine Rechte besäßen. Gibt es nicht empfindungsfähige Menschen oder Tiere? Singer spricht von Menschen und Tieren mit und ohne Selbstbewusstsein. Rechte (z.B. das Recht, nicht gequält zu werden) haben alle, nur eben ein Lebensrecht sollten nach Singers Ansicht nur die Wesen mit Lebensinteresse haben. Und das Lebensinteresse folgt aus dem Selbstbewusstsein.
Ignoriert Singer den Gesellschaftscharakter der Menschen? Er bemüht sich doch um das Begründen von Regeln für die Gesellschaft der Menschen. Ohne Gesellschaftscharakter bräuchten wir keine Regeln. |
Was Singer beschreibt, so habe ich ihn jedenfalls verstanden, ist, wie das Handeln eines Menschen im Bezug auf ein anderes Lebewesen sein soll, und das muß sich seiner Ansicht nach wesentlich nach dessen Eigenschaften zu einem gegebenen Zeitpunkt richten, nicht nach seiner Beziehung zu uns, oder was es früher war oder später sein wird. Und da liegt meiner Ansicht nach der Fehler.
Der Fehler liegt im Singulären und im Ahistorischen. Es wird nur ein einzelner Mensch betrachtet, und der auch nur zu einem bestimmten Augenblick. Menschen gibt es aber nur im Plural und Menschen entwickeln sich, wie die Gesellschaften, die sie miteinander bilden. Wir alle wurden geboren, sind herangewachsen und sterben irgendwann, aber die ganze Zeit sind es wir.
Ein Tier ist ein empfindungsfähiges Wesen, und daher sollten wir es, soweit es sich in unserer Obhut befindet, ohne Grund weder quälen noch töten. Aber natürlich töten wir Tiere, wie auch Tiere Tiere töten.
Menschen dagegen sollten wir prinzipiell nicht töten, es sei denn aus einem Grund, der aber ernst überlegt sein will, und meistens mit dem Recht auf Selbstverteidigung zu tun hat. Die beiden Grenzfälle unseres Lebens sind Geburt und Tod. Das Leben beginnt mit einer Eizelle, die eindeutig noch kein Mensch ist, aber den Beginn eines Prozesses markiert, der zu einem Menschen führt. Manche setzen diese Markierung bei der Befruchtung, andere erst bei der Geburt, die meisten irgendwo dazwischen.
Beim Tod ist es mittlerweile aufgrund des medizinischen Fortschritts genauso, und so nehmen viele den Gehirntod als vernünftigen Punkt an, ab dem jemand nicht mehr ein lebender Mensch ist, aber viele Rechte gelten auch über diesen Punkt hinaus, sind sogar einklagbar, wenn auch nicht mehr für ihn persönlich.
Ich denke, es ist vernünftig zu unterscheiden zwischen einer zwischenmenschlichen Moral auf der einen, und anderen Wertentscheidungen, gegenüber anderen Lebewesen wie unserer Umwelt insgesamt, auf der anderen Seite. Nicht ohne Grund spricht man von Humanismus.
_________________ "Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."
Friedrich Nietzsche
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zelig Kultürlich
Anmeldungsdatum: 31.03.2004 Beiträge: 25405
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(#1651399) Verfasst am: 20.06.2011, 14:55 Titel: |
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Meiner Auffassung nach erhöht es die Plausibilität des Tötungsverbots gerade dann wenn man die Einzigkartigkeit des individuellen Lebens anerkennt. Mein Zwillingsbruder gleicht mir und doch ist die Differenz zwischen seiner und meiner Welt größer als die zwischen Pferdekopf- und Schmetterlingsnebel (sofern wir dort keine Wesen mit Bewußtsein vermuten).
Es gibt keine alternative Lebenslinie, es ist immer die meines Bruders und daher prinzipiell unberührbar.
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Babyface Altmeister
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 11519
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(#1651403) Verfasst am: 20.06.2011, 15:04 Titel: |
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Femina hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Femina hat folgendes geschrieben: | In den wissenslogs: http://www.wissenslogs.de/wblogs/blog/libertarian/allgemein/2011-06-09/peter-singer-immer-noch-persona-non-grata beantwortet der Singer-Schüler Edgar Dahl, der Autor des von dir oben zitierten: "Was gibt uns ein Recht auf Leben" deine Frage. Er schreibt in seinem Kommentar vom 14.6.11:
"Ja, Sie haben recht. Statt vom Recht auf Leben sollte man besser vom Interesse am Leben sprechen.
Nach Singer zieht ja das bloße Interesse am Leben ein Recht auf Leben nach sich. Dies ist mein Problem mit Singer. Er meint, Rechte aus Interessen "ableiten" zu können, während Rechte doch eindeutig zugesprochen werden." |
Danke für den Link.
So wie ich das verstehe, ist aber eben das die zentrale Prämisse von Singers Ethik, auf der seine Ethik aufbaut, auf der sie gegründet ist. Wenn diese Prämisse nicht akzeptiert wird, dann bricht Singers Argumentation meiner Ansicht nach völlig in sich zusammen. |
Das wird wohl bei jeder Argumentation so sein, dass die zusammenbricht, wenn die Prämisse nicht akzeptiert wird.
Fragt sich nur, welche Prämisse sinnvoller ist. Ich halte die Prämisse "Lebensinteresse" für außerordentlich sinnvoll, kann mir aber vorstellen, auch andere Prämissen daneben zuzulassen. Ich glaube, diese Frage ist so vielschichtig, dass z.B. durchaus auch Marcellinus Gruppenprämisse und noch ein paar andere mit hineinspielen dürfen.
Welche Prämissen haltet ihr denn für sinnvoller als das Lebensinteresse? |
Dass ein Recht auf Leben aus einem existierenden Lebeninteresse folgt, ist so wie ich es verstehe allerdings keine Prämisse, sondern Singers Conclusio aus den Prämissen seiner oben verlinkten Korrepondenztheorie. Man kann sie als Conclusio also nicht einfach akzeptieren oder ablehnen, sondern sollte begründen, warum man sie für richtig bzw. falsch hält.
_________________ posted by Babyface
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44655
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(#1651409) Verfasst am: 20.06.2011, 15:22 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Nach Deiner Logik könnte sich der reale Tarvoc wirklich mit allem identifizieren, auch mit Kaiser Nero |
Wie ich schon sagte, du aber geflissentlich ignoriertest, könnte ich mich nach deiner Argumentation mit überhaupt niemandem (bzw. niemand anderem als mir selbst) identifizieren. Aber so verwenden wir den Ausdruck "sich mit jemandem identifizieren" nicht. Es ist sehr wohl möglich, zu sagen, dass man sich mit jemandem identifiziert, mit dem man nicht identisch ist - aber es ist sehr fraglich, ob man sagen kann, dass man sich mit sich selbst identifiziert. "Ich identifiziere mich mit Hamlet" ist beispielsweise ein sinnvoller Satz mit einer Bedeutung und unterschiedlichen Fällen seiner Verwendung. "Ich identifiziere mich mit mir selbst" ist hingegen einfach Unsinn.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1651418) Verfasst am: 20.06.2011, 15:54 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Es ist sehr wohl möglich, zu sagen, dass man sich mit jemandem identifiziert, mit dem man nicht identisch ist - aber es ist sehr fraglich, ob man sagen kann, dass man sich mit sich selbst identifiziert. "Ich identifiziere mich mit Hamlet" ist beispielsweise ein sinnvoller Satz mit einer Bedeutung und unterschiedlichen Fällen seiner Verwendung. "Ich identifiziere mich mit mir selbst" ist hingegen einfach Unsinn. |
Wieso kam ich wohl zu einer solchen Deutung Deines Ausdrucks "sich indentifizieren mit"? Du hast es erklärt mit "hätte auch ich sein können"!
Wenn Du unter "sich identifizieren mit" nur so etwas verstehst wie "sich irgendwie einfühlen in", dann habe ich damit kein Problem, allerdings hat das dann überhaupt nichts mehr mit Deinem "hätte auch ich sein können" zu tun, und damit auch nicht mit dem Tötungsverbot für schwerstbehinderte Säuglinge, die eben nicht Du (und nichtmal jemand Ähnliches) hätten werden können.
Also, inwiefern "identifizierst" Du Dich etwa mit einem anenzephalischen oder sonstwie schwerstbehinderten Säugling?
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#1651422) Verfasst am: 20.06.2011, 16:00 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: |
Wenn etwa die Eltern das Kind aufziehen wollen, dürften sie das ja tun. Es wäre also eher ein (nachvollziehbares) Argument gegen eine Tötungspflicht. |
Nein, falls es Dritten verboten sein soll, einen Säugling zu töten: dann Tötungsverbot.
step hat folgendes geschrieben: | All diese Ideen basieren nmV letztlich auf demselben paternalistischen Grundmotiv, das ich hier mal so formuliere:
"Die meisten Menschen wären nicht in der Lage, verantwortungsvoll mit dieser Möglichkeit umzugehen. Denn sie sind entweder zu dumm oder zu bösartig."
Ich will diese Ansätze damit nicht völlig von der Hand weisen, finde sie jedoch irgendwie einer offenen Gesellschaft nicht wirklich angemessen. |
Das Argument könnte man eben so gut auf das Tötungsverbot insgesamt anwenden und fordern, in einer offenen Gesellschaft müsse es jedem selber überlassen werden, ob er tötet oder nicht, sonst sei das paternalistisch.
step hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur, Birnbacher/Ullrich zitierend, hat folgendes geschrieben: | · Die Einstellung der Eltern könnte sich auf eine Weise verändern, welche das Streben nach einem Wunschkind forciert. Im Extremfall würden nur noch perfekte Wunschkinder überleben. |
Dieses Argument leuchtet mir schon eher ein, allerdings sehe ich es eher in der PID-Diskussion. Es richtet sich eigentlich nicht gegen Säuglingstötung, sondern gegen die Instrumentalisierung und Perfektionierung des Menschen. |
Doch, das richtet sich auch gegen Säuglingstötung. Wenn es den Eltern (in einem gewissen Zeitraum) einfach freigestellt wäre, ob sie ihren Säugling töten lassen oder nicht, dann würde das sicher auch in Anspruch genommen.
step hat folgendes geschrieben: |
Den Satz habe ich noch nie verstanden. Aus meiner Sicht ist das ein Non Sequitur, wenn nicht Schlimmeres. Etwa so wie: "Wenn aber 130 km/h nicht allgemein erlaubt ist, muss allen Strassen eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 80 km/h zugesprochen werden." |
Wenn Infantizid nicht allgemein, aber in bestimmten Fällen erlaubt sein soll, dann müssten Kriterien für die dann notwendige Abgrenzung entwickelt werden. Wenn diese Kriterien sich auf bestimmte Behinderungen beziehen, dann wäre das diskriminierend.
Diskriminierend wäre es übrigens meiner Ansicht nach auch dann, wenn Abtreibung nur bis zu einem bestimmten Alter generell erlaubt wäre, aber bei bestimmten Behinderungen auch noch nach diesem Zeitpunkt.
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44655
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(#1651423) Verfasst am: 20.06.2011, 16:07 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Wieso kam ich wohl zu einer solchen Deutung Deines Ausdrucks "sich indentifizieren mit"? Du hast es erklärt mit "hätte auch ich sein können"! |
Du kommst offenbar mit der Semantik des Konjunktivs nicht klar. Ich sage auch nicht von mir selbst, dass "ich das hätte sein können".
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1651430) Verfasst am: 20.06.2011, 16:19 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Wieso kam ich wohl zu einer solchen Deutung Deines Ausdrucks "sich indentifizieren mit"? Du hast es erklärt mit "hätte auch ich sein können"! |
Du kommst offenbar mit der Semantik des Konjunktivs nicht klar. Ich sage auch nicht von mir selbst, dass "ich das hätte sein können". |
Die Tatsache, daß sich aus einem schwerstbehinderten Neugeborenen nicht Du hätte entwicklen können, kannst Du auch nicht durch die Verwendung semantisch schlechtdefinierter Möglichkeitsformen verschleiern.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1651434) Verfasst am: 20.06.2011, 16:23 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Wenn Infantizid nicht allgemein, aber in bestimmten Fällen erlaubt sein soll, dann müssten Kriterien für die dann notwendige Abgrenzung entwickelt werden. |
Richtig.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Wenn diese Kriterien sich auf bestimmte Behinderungen beziehen, dann wäre das diskriminierend. |
Also wörtlich verstanden wäre es natürlich diskriminierend (=unterscheidend). Aber eine Diskriminierung im Sinne einer Entwürdigung kann doch nur Personen treffen, z.B. Ausländer, Frauen, Schwule oder eben behinderte Personen.
Zu dem anderen evtl. später.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44655
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(#1651445) Verfasst am: 20.06.2011, 16:28 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Die Tatsache, daß sich aus einem schwerstbehinderten Neugeborenen nicht Du hätte entwicklen können, kannst Du auch nicht durch die Verwendung semantisch schlechtdefinierter Möglichkeitsformen verschleiern. |
Ich habe auch nicht gesagt, dass ich mich daraus hätte entwickeln können. Du scheinst irgendwie nicht zu begreifen, dass es darum gar nicht geht. Aber ich glaube, das wird auch nichts mehr. EoD.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26478
Wohnort: im Speckgürtel
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(#1651488) Verfasst am: 20.06.2011, 17:09 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | ....
Ich habe auch nicht gesagt, dass ich mich daraus hätte entwickeln können. Du scheinst irgendwie nicht zu begreifen, dass es darum gar nicht geht. Aber ich glaube, das wird auch nichts mehr. EoD. |
Ich habe versucht, den Sinn zu finden - war es diese Stelle?
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | .....
step hat folgendes geschrieben: | Eine interessebegabte Person kann nicht als Säugling schwerstbehindert (z.B. anenzephalisch) gewesen sein. |
Das läuft einfach nur darauf hinaus, dass meine Stimme für dich keine Rolle spielen könnte, wenn du mich schon als Säugling getötet hättest. Zu klären ist aber, ob diese Elimination meiner Stimme im Voraus als solche ethisch wäre. Du argumentierst ungefähr so: Die Tötung eines schwerbehinderten Säuglings ist ethisch vertretbar, weil er ohnehin nie eine Möglichkeit hat, dagegen Einspruch zu erheben. Aber das ist eben genau keine ethische, sondern eine juristische Argumentation. Du argumentierst eben doch wieder mit Lebensrecht und damit, dass manche Leute ein solches Recht niemals einklagen können. Für die Frage, ob mein Handeln ethisch ist oder nicht, ist es völlig belanglos, ob tatsächlich jemand in der Lage ist, dagegen Einspruch zu erheben, oder nicht. |
Klingt so völlig logisch. Aber wir hatten von einem schwerstgeschädigten Kind gesprochen, Beispiel war ein anenzephaler Säugling, wobei mich in dem Fall nicht mal interessiert, ob der überhaupt saugt. Die Frage ist, wie sinnvoll es ist, den in der verallgemeinernden Formulierung als jemanden zu bezeichnen, eine Bezeichnung, die wir normalerweise benutzen, wenn der Bezeichnete sowohl moralisches Objekt als auch Subjekt sein kann. Ich halte das für ähnlich sinnvoll wie bei einer Morula. Ein Anenzephalon wird nie ein "Leut" werden, noch ist er eins.
Wenn das die Stelle ist, bei der Du meinst, nicht verstanden worden zu sein, glaube ich auch nicht, dass man dich da verstehen kann - es sei denn, Du bist auch ein absoluter Abtreibungsgegner. Ansonsten bist Du hier einfach ein Opfer deiner eigenen Formulierung.
fwo
_________________ Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.
The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.
Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44655
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(#1651495) Verfasst am: 20.06.2011, 17:18 Titel: |
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fwo hat folgendes geschrieben: | Wenn das die Stelle ist, bei der Du meinst, nicht verstanden worden zu sein, glaube ich auch nicht, dass man dich da verstehen kann - es sei denn, Du bist auch ein absoluter Abtreibungsgegner. |
Ich sowieso nicht. Es ging an der Stelle ja um die Anwendbarkeit der goldenen Regel, und ich habe bereits gesagt, dass meine Ethik nicht auf der goldenen Regel basiert.
Aber man kann sich in der Tat im Sinne der goldenen Regel auch mit einem Embryo im Mutterbauch identifizieren. Das habe ich auch hier schon mal gesagt.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#1651550) Verfasst am: 20.06.2011, 19:20 Titel: |
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Babyface hat folgendes geschrieben: | Dass ein Recht auf Leben aus einem existierenden Lebeninteresse folgt, ist so wie ich es verstehe allerdings keine Prämisse, sondern Singers Conclusio aus den Prämissen seiner oben verlinkten Korrepondenztheorie. Man kann sie als Conclusio also nicht einfach akzeptieren oder ablehnen, sondern sollte begründen, warum man sie für richtig bzw. falsch hält. |
Singers Korrespondenztheorie bedeutet, wenn ich das richtig verstehe, dass jedes Recht R eines Wesens W mit aktuellen Interessen von W korrespondieren muss. Aus 'kein momentanes Interesse von W an R' folgt dann: 'R darf W nicht zugewiesen werden'.
Falls das so richtig ist: dann erscheint mir diese Theorie auf den ersten Blick wenig plausibel. Wie wird sie begründet / hergeleitet / plausibel gemacht?
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1651552) Verfasst am: 20.06.2011, 19:26 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Wenn etwa die Eltern das Kind aufziehen wollen, dürften sie das ja tun. Es wäre also eher ein (nachvollziehbares) Argument gegen eine Tötungspflicht. | Nein, falls es Dritten verboten sein soll, einen Säugling zu töten: dann Tötungsverbot. |
Ich hatte obigen Einwand so verstanden, daß man sich über die Interessen von Menschen nicht einfach hinwegsetzen dürfe, die dem Neugeborenen nahestehen, von ihm abhängen u.ä., was ich nachvollziehen kann - um das zu gewährleisten, müßte man dem Neugeborenen aber nicht ein absolutes Lebensrecht zusprechen, sondern die Berücksichtigungen der Interessen Dritter (falls vorhanden) wäre ausreichend. Klar kann man dazu auch "konditionales Tötungsverbot" sagen.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | ... Das Argument könnte man eben so gut auf das Tötungsverbot insgesamt anwenden und fordern, in einer offenen Gesellschaft müsse es jedem selber überlassen werden, ob er tötet oder nicht, sonst sei das paternalistisch. |
Im Prinzip ja. Umgekehrt kann man es auch auf die Verbotsregelung bis ins kleinste Alltagsdetail anwenden, denn offensichtlich handeln die Leute auch da zuweilen unmoralisch. Zusammengenommen zeigt das, daß ein solches "pädagogisches" indirektes Argument nicht viel wert ist, es müßte begleitet werden durch eine Abwägung. In diesem konkreten Fall zum Beipiel:
Wodurch wird eine bessere und für Personen angenehmere Gesellschaft wahrscheinlich?
- durch tolerantere Gesetze und den Versuch, Dammbrüche durch Förderung der Einsicht zu vermeiden?
- oder durch Austragungs- und generelle Aufzuchtspflicht und entsprechende Verbote?
Ich finde das zumindest nicht eindeutig, und die Dammbruchargumentation hat sich in der Vergangenheit meist als falsch erwiesen (Prohibition, Abschaffung der Todesstrafe, frühere Aufklärung von Kindern, Toleranz von Schwulsein, ...).
Dazu kommt noch, daß die Argumente für ein Tötungsvebot von Personen direkter Natur sind.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Wenn es den Eltern (in einem gewissen Zeitraum) einfach freigestellt wäre, ob sie ihren Säugling töten lassen oder nicht, dann würde das sicher auch in Anspruch genommen. |
Bei diesem speziellen Einwand ging es aber doch nmV darum zu verhindern, daß sich die Einstellung der Eltern in Richtung Wunschkind ändert, weil das für die gesamte Gesellschaft schlecht wäre.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Femina registrierter User
Anmeldungsdatum: 24.07.2005 Beiträge: 1038
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(#1651709) Verfasst am: 21.06.2011, 00:59 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: |
Aus utilitaristischer Sicht gibt es u.a. folgende indirekte Gründe für das Tötungsverbot, (auch an Säuglingen), d.h. Gründe für die allgemeine Zuweisung eines Rechtes auf Leben:
Utilitaristische Ethik und Tötungsverbot hat folgendes geschrieben: | - der Verlust, den Nahestehende, Abhängige und andere durch den Tod erleiden können
- die Angst und Unsicherheit, die eine Tötung bei Dritten bewirkt
- jede Ausnahme vom Tötungsverbot, die sich - für sich betrachtet - utilitaristisch rechtfertigen lässt, beinhaltet ein Risiko, als Freibrief für weitere, unberechtigte Ausnamen missverstanden zu werden
- die Auswirkungen von Tötungshandlungen auf das Selbstverständnis indirekt betroffener Individuen |
"Aufwertung der Tiere = Abwertung behinderter Menschen"
Stimmt diese Gleichung? hat folgendes geschrieben: | Dem Säugling allgemein kein Lebensrecht zuzusprechen, könnte extreme Auswirkungen auf die Eltern und die Gesellschaft nach sich ziehen:
· Die Einstellung der Eltern könnte sich auf eine Weise verändern, welche das Streben nach einem Wunschkind forciert. Im Extremfall würden nur noch perfekte Wunschkinder überleben.
· Das Adoptionsargument Singers könnte ebenfalls dieser neuen Einstellung zum Opfer fallen.
· Mit der Aufhebung des Tötungsverbots könnte ein Damm gebrochen werden. Die Kindstötung wäre nicht mehr ein schlimmes Verbrechen, sondern unter Umständen gerechtfertigt. Dies könnte letztlich dazu führen, dass auch Kleinkinder gefährdet würden, welche schon über ein Lebensinteresse verfügen.
· Es ist keineswegs sicher, dass die Gesellschaft zwischen einem Tötungsverbot und einem »Leidensverbot« exakt zu unterscheiden weiß. Der Umgang mit dem Tier deutet eher auf das Gegenteil hin. Somit wären auch die direkten Interessen des Säuglings nach Wohlbefinden, Wärme und Nahrung gefährdet.
· Ebenfalls sehr bedenklich ist bei der Freistellung des Infantizids die Einstellung zum erwachsenen behinderten Menschen. Ohne eine sichtbare Setzung des Lebensrechts, wie es die Geburt aufzeigt, fehlt der Gesellschaft eine solche Orientierung. Der Respekt vor dem behinderten Menschen könnte so noch mehr in Gefahr geraten.
· Umgekehrt wirkt die Aufhebung der Geburtslinie für den behinderten Menschen ebenfalls erheblich stärker. Die Reaktionen während der »Singer-Debatte« zeigen diese als real empfundene Bedrohung deutlich auf.
Es gibt also starke indirekte Gründe gegen den allgemeinen Infantizid. Wenn aber der Infantizid nicht allgemein erlaubt ist, muss allen Säuglingen ein Lebensrecht zugesprochen werden. | |
Darauf gäbe es wieder viel zu antworten. Die Antwort von step passte zu dem, was ich darauf gern sagen möchte. Darüber hinaus:
Ich habe Birnbachers Argumentation für einen Lebensschutz ab dem Zeitpunkt der Geburt gelesen und ich kann mich mit Birnbacher da auch besser identifizieren. Allerdings erinnern mich viele hier genannte "Gründe" stark an die PID-Diskussion und daher habe ich schon eine deutlich entwickelte Abneigung gegen einige dieser Aussagen.
- "der Verlust, den Nahestehende, Abhängige und andere durch den Tod erleiden können" - entfällt, da Singer diwe Eltern entscheiden lässt.
- "die Angst und Unsicherheit, die eine Tötung bei Dritten bewirkt" - jeder Mensch, der schon ein Ich-Bewusstsein hat, kann nie wieder in die Situation eines Menschen kommen, der noch nie ein ICH-Bewusstsein hatte. Entfällt also auch.
- "jede Ausnahme vom Tötungsverbot, die sich - für sich betrachtet - utilitaristisch rechtfertigen lässt, beinhaltet ein Risiko, als Freibrief für weitere, unberechtigte Ausnamen missverstanden zu werden" - Das ist slippery-slope Argumentation. Ich würde es nicht legitimieren, einem Kind, das ohne Aussicht auf Verhinderung desselbigen am Ersticken ist, weiterhin abwartend beim Todeskampf zuzuschauen anstatt seinen Tod zu beschleunigen, damit nicht etwa emand auf die Idee kommt, ein Kind auf der Straße einzusammeln und zu töten. Ich meine, Ausnehmen lassen sich im Allgemeinen gut abgrenzen. Wo das nicht möglich ist, braucht man eine Kommission zur Beurteilung des Falles.
- "die Auswirkungen von Tötungshandlungen auf das Selbstverständnis indirekt betroffener Individuen" - Wer ist ein indirekt betroffenes Individuum? Wenn man eine Tötung nur in Fällen legitimiert, wo man dem Betreffenden so zu sagen einen Gefallen tut, dann kann doch nicht irgend wer anderes herkommen und sagen, "das geht aber nicht, ich bin davon indirekt betroffen und nicht einverstanden damit". Wenn jemand z.B. wegen einer Querschnittslähmung bewusst aus dem Leben treten will (so einen Fall gab es doch mal), dann haben andere Querschnittsgelähmte nicht das Recht, die Sterbehilfe zu verhindern, nur weil sie sich indirekt betroffen sehen.
- "Die Einstellung der Eltern könnte sich auf eine Weise verändern, welche das Streben nach einem Wunschkind forciert. Im Extremfall würden nur noch perfekte Wunschkinder überleben." - Diese Auffassung ist schon in der PID Debatte unangenehm aufgefallen. Glaubt hier einer wirklich, eine Mutter würde ihr blauäigiges Baby umbringen, weil sie lieber ein blauäugiges hätte??? Solche "Argumente" sind an den Haaren herbei gezogen. Da wird Leiden mit solchem Blödsinn legitimiert.
- "Mit der Aufhebung des Tötungsverbots könnte ein Damm gebrochen werden. ..." - Slippery slope.
- "Es ist keineswegs sicher, dass die Gesellschaft zwischen einem Tötungsverbot und einem »Leidensverbot« exakt zu unterscheiden weiß. Der Umgang mit dem Tier deutet eher auf das Gegenteil hin. Somit wären auch die direkten Interessen des Säuglings nach Wohlbefinden, Wärme und Nahrung gefährdet." - Die Gesellschaft soll auch nicht unterscheiden können müssen, sondern Ärzte! Wer sagt denn, dass man einem armen schwerstkranken Neugeborenen vor der Sterbehilfe Wärme und Nahrung wegnehmen soll.
- "Ebenfalls sehr bedenklich ist bei der Freistellung des Infantizids die Einstellung zum erwachsenen behinderten Menschen. Ohne eine sichtbare Setzung des Lebensrechts, wie es die Geburt aufzeigt, fehlt der Gesellschaft eine solche Orientierung. Der Respekt vor dem behinderten Menschen könnte so noch mehr in Gefahr geraten." - Auch das hängt mir schon aus der PID-Debatte zum Hals raus. Schleift mir einer bitte den Menschen her, der wegen einer PID Zulassung oder auch wegen Singer den Respekt vor behinderten Menschen verliert.
- "Umgekehrt wirkt die Aufhebung der Geburtslinie für den behinderten Menschen ebenfalls erheblich stärker. Die Reaktionen während der »Singer-Debatte« zeigen diese als real empfundene Bedrohung deutlich auf." - Die Behindertenorganisationen wettern gegen die Präimplantationsdianostik in gleicher Weise. Da ist nichts mit Geburtslinie. ...
(Sorry, dass es so lang geworden ist.)
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Femina registrierter User
Anmeldungsdatum: 24.07.2005 Beiträge: 1038
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(#1651710) Verfasst am: 21.06.2011, 01:04 Titel: |
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Sorry, Marcellinus, mir ist es jetzt zu spät geworden. Morgen ....
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#1651713) Verfasst am: 21.06.2011, 02:04 Titel: |
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Zur Erinnerung: wir reden gerade darüber, ob es (und wenn ja welche) Gründe es für ein Tötungsverbot an Säuglingen gibt / geben kann / darf.
Femina hat folgendes geschrieben: | - "der Verlust, den Nahestehende, Abhängige und andere durch den Tod erleiden können" - entfällt, da Singer diwe Eltern entscheiden lässt. |
Nach Singers Argumentation ist eine Tötung von Säuglingen ethisch unbedenklich, weil diese noch kein Zukunftsbewusstsein haben. Das bedeutet: wenn ich einen beliebigen Säugling töte, dann ist das ethisch unbedenklich. Klar, die Eltern mag das stören, die haben ja Zeit und Geld investiert, dann muss ich in dem Falle halt Schadensersatz leisten. Genauso, wie wenn ich jemandem das Auto kaputt mache. Und nicht anders, es ist ja kein größeres ethisches Problem als das Auto-Kaputtmachen nach Singer. Und die betroffenen Eltern müssten sich dann damit abfinden, dass nichts ethisch Bedenkliches geschehen ist, ihr Problem, wenn sie da emotional tiefer engagiert sind; ist ja auch das Problem des Oldtimer-Liebhabers, wenn ich dessen mühsam aufgebauten Oldtimer zerstöre und er das emotional nicht verkraftet. Schadensersatz und fertig, kein ethisches Problem.
Femina hat folgendes geschrieben: | - "die Angst und Unsicherheit, die eine Tötung bei Dritten bewirkt" - jeder Mensch, der schon ein Ich-Bewusstsein hat, kann nie wieder in die Situation eines Menschen kommen, der noch nie ein ICH-Bewusstsein hatte. Entfällt also auch. |
Wenn Säuglinge einfach so getötet werden dürften, wenn ihnen kein Lebensrecht zugewiesen werden dürfte, weil sie noch kein Zukunftsbewusstsein haben, dann betrifft das logischerweise auch meinen Säugling, (und die meiner Freunde, Verwandten und Bekannten). Das erzeugte Angst in mir und Unsicherheit. Eine ziemlich große.
Femina hat folgendes geschrieben: | - "jede Ausnahme vom Tötungsverbot, die sich - für sich betrachtet - utilitaristisch rechtfertigen lässt, beinhaltet ein Risiko, als Freibrief für weitere, unberechtigte Ausnamen missverstanden zu werden" - Das ist slippery-slope Argumentation. |
Ja, klar ist das slippery slope. Nur meine ich nicht, dass Dammbruchargumente per se ungültig seien.
Femina hat folgendes geschrieben: | - "die Auswirkungen von Tötungshandlungen auf das Selbstverständnis indirekt betroffener Individuen" - Wer ist ein indirekt betroffenes Individuum? |
Ein indirekt betroffenes Individuum wäre ein Behinderter mit der Behinderung X, wenn man die Order erließe, dass man Säuglinge mit der Behinderung X töten dürfe, weil man deren Lebenswert per se als zu niedrig einschätzen würde.
Femina hat folgendes geschrieben: | - "Die Einstellung der Eltern könnte sich auf eine Weise verändern, welche das Streben nach einem Wunschkind forciert. Im Extremfall würden nur noch perfekte Wunschkinder überleben." - Diese Auffassung ist schon in der PID Debatte unangenehm aufgefallen. Glaubt hier einer wirklich, eine Mutter würde ihr blauäigiges Baby umbringen, weil sie lieber ein blauäugiges hätte??? Solche "Argumente" sind an den Haaren herbei gezogen. Da wird Leiden mit solchem Blödsinn legitimiert. |
Was für Leiden?
Und dieses Argument ist meiner Ansicht nach nicht an den Haaren herbeigezogen, so würde es ablaufen, wenn man postulierte, dass Säuglinge kein Lebensrecht haben dürften und sich diese Ansicht durchsetzte.
Femina hat folgendes geschrieben: | - "Mit der Aufhebung des Tötungsverbots könnte ein Damm gebrochen werden. ..." - Slippery slope. |
s.o.
Femina hat folgendes geschrieben: | - "Es ist keineswegs sicher, dass die Gesellschaft zwischen einem Tötungsverbot und einem »Leidensverbot« exakt zu unterscheiden weiß. Der Umgang mit dem Tier deutet eher auf das Gegenteil hin. Somit wären auch die direkten Interessen des Säuglings nach Wohlbefinden, Wärme und Nahrung gefährdet." - Die Gesellschaft soll auch nicht unterscheiden können müssen, sondern Ärzte! Wer sagt denn, dass man einem armen schwerstkranken Neugeborenen vor der Sterbehilfe Wärme und Nahrung wegnehmen soll. |
Wieso auf einmal Ärzte? Wenn die Tötung von Säuglingen per se als moralisch unbedenklich eingestuft würde, (weil: kein aktuelles Zukunftsbewusstsein), dann kann natürlich jeder diese Tötung vornehmen, sie wird dann ja nicht moralisch unbedenklicher dadurch, dass Ärzte sie durchführen, sie ist dann ja schon per se moralisch unbedenklich. Und überhaupt geht es immer noch nicht um schwerstkranke Säuglinge, es geht um alle Säuglinge, darum, ob es Gründe dafür gibt, diesen ein Lebensrecht zuzusprechen oder nicht. Nach Singer ist das nicht der Fall, denn nach seiner Prämisse muss ein Lebensrecht mit einem aktuellen bewussten Interesse am Überleben, einem bewussten Interesse daran, die Zukunft zu erleben, korrespondieren. Und wenn dem so ist, wenn man diesem Argument folgt, dann gilt das daraus erfolgende Verbot, einem Säugling ein Lebensrecht zuzusprechen, ausnahmslos für alle Säuglinge, (bzw. bis zu einem gewissen Alter, dem festgelegten Grenzwertalter).
Wenn es nur um schwerstkranke leidende Säuglinge ginge, die nicht mehr lange leben werden, dann bräuchte man gar nicht über Säuglinge speziell zu diskutieren, dann könnte man die so behandeln, wie man selber in dem Falle behandelt werden wollen würde.
Aber darum geht es eben nicht, auch wenn das immer wieder vorgeschoben wird. Es geht darum, dass Säuglingen nach Singers Prämissen kein Lebensrecht zugesprochen werden darf.
Femina hat folgendes geschrieben: | - "Ebenfalls sehr bedenklich ist bei der Freistellung des Infantizids die Einstellung zum erwachsenen behinderten Menschen. Ohne eine sichtbare Setzung des Lebensrechts, wie es die Geburt aufzeigt, fehlt der Gesellschaft eine solche Orientierung. Der Respekt vor dem behinderten Menschen könnte so noch mehr in Gefahr geraten." - Auch das hängt mir schon aus der PID-Debatte zum Hals raus. Schleift mir einer bitte den Menschen her, der wegen einer PID Zulassung oder auch wegen Singer den Respekt vor behinderten Menschen verliert. |
Wie gesagt: wenn festgelegt wird, dass Behinderung X eines Säuglings ein nicht-lebenswertes Leben impliziert und deswegen eine Tötung erlaubt sei / empfohlen werde, dann ist das zugleich ein Unwerturteil über diejenigen Behinderten, die Behinderung X haben. Und es ist auch ein Unwerturteil über diejenigen Eltern, die entgegen dieser Beurteilung ein Kind mit der Behinderung X aufziehen.
Femina hat folgendes geschrieben: | - "Umgekehrt wirkt die Aufhebung der Geburtslinie für den behinderten Menschen ebenfalls erheblich stärker. Die Reaktionen während der »Singer-Debatte« zeigen diese als real empfundene Bedrohung deutlich auf." - Die Behindertenorganisationen wettern gegen die Präimplantationsdianostik in gleicher Weise. Da ist nichts mit Geburtslinie. ... |
Über die Argumentation der Behindertenorganisationen weiß ich zu wenig, kann ich nichts drüber sagen. PID ist aber mE etwas ganz anderes als Infantizid, ich finde es merkwürdig, dass das hier immer wieder gleich gesetzt wird.
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L.E.N. im falschen Film
Anmeldungsdatum: 25.05.2004 Beiträge: 27745
Wohnort: Hamburg
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(#1651722) Verfasst am: 21.06.2011, 07:50 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Babyface hat folgendes geschrieben: | Dass ein Recht auf Leben aus einem existierenden Lebeninteresse folgt, ist so wie ich es verstehe allerdings keine Prämisse, sondern Singers Conclusio aus den Prämissen seiner oben verlinkten Korrepondenztheorie. Man kann sie als Conclusio also nicht einfach akzeptieren oder ablehnen, sondern sollte begründen, warum man sie für richtig bzw. falsch hält. |
Singers Korrespondenztheorie bedeutet, wenn ich das richtig verstehe, dass jedes Recht R eines Wesens W mit aktuellen Interessen von W korrespondieren muss. Aus 'kein momentanes Interesse von W an R' folgt dann: 'R darf W nicht zugewiesen werden'.
Falls das so richtig ist: dann erscheint mir diese Theorie auf den ersten Blick wenig plausibel. Wie wird sie begründet / hergeleitet / plausibel gemacht? |
zumindest als ausschliessliche grundlage für die anerkennung von recht auf leben ist diese ethik mE untauglich.
_________________ Ich will Gott lästern dürfen! Weg mit §166 StGB!
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caballito zänkisches Monsterpony
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 12112
Wohnort: Pet Sematary
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(#1651779) Verfasst am: 21.06.2011, 11:04 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: |
caballito hat folgendes geschrieben: | ... und dieses Kind hätte ganz anders sein können. |
Nein, das ist für mich ein Widerspruch in sich. Man könnte höchstens sagen, aus demselben (!) Neugeborenen hätte sich eine andere Person entwickelt, wenn die Umstände anders gewesen wären. |
Wenn es aber dasselbe Neugeborene ist, dann kann es keine andere Person sein, sondern die Person wäre nur anders. Wir sind wieder da, wo wir schon öfter waren: Du konstruierst einen Dualismus von Wesen und Person, wo keiner ist. Das Neugeborene ist die Person, die sich natürlich entwickelt und verändert, und dadurch anders, aber eben eben nicht jemand anderes wird.
step hat folgendes geschrieben: | caballito hat folgendes geschrieben: | Und selbstverständlch kann sich der reale Tarvoc mit diesem ebenfalls möglich gewesenen identifizieren. |
Sorry, aber das erscheint hochgradig unlogisch. |
Empathie ist nunmal unlogisch, da man nie der jeweils andere ist. Trotzdem ist Empathie die Grundlage der menschlichen Gesellschaft. Du machst hier im Grunde etwas, was man von den Kirchen kennt: Du negierst das vorhandene, um es dann durch ein wildes Konstrukt zu ersetzen. Denn wenn du eine Ethik mit den Interessen zu begründen suchst, dann musst du erst mal begründen, warum man auf anderer Leute Interessen Rücksicht nehmen sollte. Letztlich musst du dazu auf irgendein Gegenseitigkeitskonstrukt zurückgreifen, somit genau das mühsam wieder zurechtzubasteln, was du vorher verworfen hast.
step hat folgendes geschrieben: | Nach Deiner Logik könnte sich der reale Tarvoc wirklich mit allem identifizieren, auch mit Kaiser Nero, denn wenn Tarvoc's Eltern nur zu einer anderen Zeit gelebt hätten und andere Gene gehabt hätten, hätten sie vielleicht den kleinen Nero produziert. |
Wie gesagt, diese Fähigkeit nennt sich Empathie ...
step hat folgendes geschrieben: | caballito hat folgendes geschrieben: | ... aber nicht jeder ist Spock. |
Wie meinst Du das? Ist man jetzt gefühlsunfähig, wenn man auf logische Fehler hinweist? |
Nein, aber wenn man Emotionen rationalisiert.
_________________ Die Gedanken sind frei.
Aber nicht alle Gedanken wissen das.
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caballito zänkisches Monsterpony
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 12112
Wohnort: Pet Sematary
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(#1651784) Verfasst am: 21.06.2011, 11:18 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | fwo hat folgendes geschrieben: | Wenn das die Stelle ist, bei der Du meinst, nicht verstanden worden zu sein, glaube ich auch nicht, dass man dich da verstehen kann - es sei denn, Du bist auch ein absoluter Abtreibungsgegner. |
Ich sowieso nicht. Es ging an der Stelle ja um die Anwendbarkeit der goldenen Regel, und ich habe bereits gesagt, dass meine Ethik nicht auf der goldenen Regel basiert.
Aber man kann sich in der Tat im Sinne der goldenen Regel auch mit einem Embryo im Mutterbauch identifizieren. Das habe ich auch hier schon mal gesagt. |
Wobei das Problem mir der goldenen Regel ihre Interpretierbarkeit ist. Man muss keineswegs zu den Schlussfolgerungen kommen, die du in den verlinkten Postings ziehst. Im übrigen würde ich gern mal sehen, wie du mit der goldenen Regel gegen Verhütung argumentierst
Ansonsten möchte ich mir denn doch aufs Schärfste verbitten, als Vertreter einer Ethik, die durchaus auf einer Variante der goldenen Regel basiert, hier in die Nähe der Katholika gerückt zu werden. Selbst in der Abtreibungsfrage bin ich unterm Strich wahrscheinlich näher an step als an Ratzi ...
_________________ Die Gedanken sind frei.
Aber nicht alle Gedanken wissen das.
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44655
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(#1651795) Verfasst am: 21.06.2011, 11:44 Titel: |
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caballito hat folgendes geschrieben: | Ansonsten möchte ich mir denn doch aufs Schärfste verbitten, als Vertreter einer Ethik, die durchaus auf einer Variante der goldenen Regel basiert, hier in die Nähe der Katholika gerückt zu werden. |
Das betraf ja auch nicht die goldene Regel im Allgemeinen, sondern eine bestimmte Art der Argumentation auf der Basis der goldenen Regel.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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caballito zänkisches Monsterpony
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 12112
Wohnort: Pet Sematary
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(#1651799) Verfasst am: 21.06.2011, 11:52 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | caballito hat folgendes geschrieben: | Ansonsten möchte ich mir denn doch aufs Schärfste verbitten, als Vertreter einer Ethik, die durchaus auf einer Variante der goldenen Regel basiert, hier in die Nähe der Katholika gerückt zu werden. |
Das betraf ja auch nicht die goldene Regel im Allgemeinen, sondern eine bestimmte Art der Argumentation auf der Basis der goldenen Regel. |
Das betraf schon die goldene Regel insgesamt. Es ging ja um den Satz (sinngemäß) "Wir gestehen uns gegenseitig Rechte zu, weil wir selber diese Rechte für uns wollen". Und der könnte von mir sein
Trotzdem bin ich weit weg von der Katholika ...
_________________ Die Gedanken sind frei.
Aber nicht alle Gedanken wissen das.
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44655
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(#1651839) Verfasst am: 21.06.2011, 13:24 Titel: |
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caballito hat folgendes geschrieben: | Es ging ja um den Satz (sinngemäß) "Wir gestehen uns gegenseitig Rechte zu, weil wir selber diese Rechte für uns wollen". |
Es ging vor allem um das rückwirkende Recht, z.B. nicht als Baby getötet worden oder nicht abgetrieben worden zu sein. Und da hatte ich gesagt, wenn man das so weit fasst, kann darunter u.U. auch das Recht fallen, nicht "verhütet" worden zu sein.
Natürlich nehme ich nicht an, dass du in der Nähe der katholischen Kirche stehst. Ich nehme aber auch nicht an, dass du das in der Weise vertrittst.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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caballito zänkisches Monsterpony
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 12112
Wohnort: Pet Sematary
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(#1651872) Verfasst am: 21.06.2011, 13:57 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | caballito hat folgendes geschrieben: | Es ging ja um den Satz (sinngemäß) "Wir gestehen uns gegenseitig Rechte zu, weil wir selber diese Rechte für uns wollen". |
Es ging vor allem um das rückwirkende Recht, z.B. nicht als Baby getötet worden oder nicht abgetrieben worden zu sein. Und da hatte ich gesagt, wenn man das so weit fasst, kann darunter u.U. auch das Recht fallen, nicht "verhütet" worden zu sein. |
Es geht ja nicht um rückwirkendes Recht, sondern um "Was würde ich wollen, wäre ich an jener Stelle?" Und dazu braucht es immer noch ein Wesen, mit dem man sich identifizieren kann. Was im Falle der Verhütung ... nun ja, irgendwie schwer zu finden sein dürfte ...
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Natürlich nehme ich nicht an, dass du in der Nähe der katholischen Kirche stehst. Ich nehme aber auch nicht an, dass du das in der Weise vertrittst. |
Naja, dass ich gegen Abtreibung bin, dürfte bekannt sein Allerdings bin ich weder gegen Verhütung (gegen die man, wie gesagt, mE mit der goldenen Regel eben nicht argumentieren kann), noch gestehe ich dem Embryo ein Recht zu, eine Gebärmutter zu finden ...
Und außerdem halte ich alle, die bei der Frage nur einen Beteiligten berücksichtigten, für gleich bekloppt, ganz egal, ob dieser eine die Frau oder der Embryo ist.
_________________ Die Gedanken sind frei.
Aber nicht alle Gedanken wissen das.
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