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Katatonia ...the quiet cold of late november
Anmeldungsdatum: 05.04.2005 Beiträge: 826
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(#1685098) Verfasst am: 09.09.2011, 12:43 Titel: |
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Yogosh hat folgendes geschrieben: | Katatonia hat folgendes geschrieben: | Na ja, Determinismus ist ja weder mit Schicksalsglauben oder der Leugnung der kausalen Rolle von Individuen im Weltgeschehen gleichzusetzen. Und auch nicht mit Vorhersehbarkeit. |
In welchem Sinne ist denn irgendwas determiniert, wenn der Ausgang nicht schon vorher feststeht? Ich meine nicht für uns, sondern überhaupt; ontologisch, nicht epistemologisch. |
Wenn ein Determinist von einer solchen ontologischen Bestimmtheit ausgeht, heißt dies ja nicht, dass er gemäß dieser Ansicht zur Aufassung gelangen müsse, abzuwarten und zuzusehen, für was er sich entscheidet. Es sei denn, er ist Dualist und hält das physikalische Geschehen für determiniert, wobei er zugleich zusätzlich von einer geistigen Ebene ausgeht, die jedoch wirkungslos ist - dann macht die Rede davon Sinn, dass er sich selbst interessiert dabei zuschaut, was für ein Getränk er wählen wird.
zelig hat folgendes geschrieben: | Katatonia hat folgendes geschrieben: |
Und was wäre demnach mit dem Indeterministen? Wartet der interessiert in der Kneipe ab, ob der Zufall ihn dahin führt, Bier oder Wein zu bestellen? |
Nein. Er imaginiert den Geschmack des Weines, wägt die Vorstellung gegen die Vorstellung des durstlöschenden Bieres ab, berücksichtigt, welches der beiden Getränke ihm die stärkeren Kopfschmerzen bereiten wird. Vielleicht entscheidet er sich mit Hinsicht auf die attraktive Dame neben ihm auch für ein nichtalkoholisches Getränk. Und zwar in freier Wahl. ; ) |
Ich glaube, der Determinist macht es ebenso.
_________________ Faulheit: der Hang zur Ruhe ohne vorhergehende Arbeit. (Kant)
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#1685155) Verfasst am: 09.09.2011, 16:34 Titel: |
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Mahone hat folgendes geschrieben: | Anderseits ist klar dass der Begriff "Freier Wille" im philosophischen Kontext stark vorbelastet ist,
und von daher macht es schon Sinn ihn zu vermeiden. |
Schöner Beitrag, nur diesen Punkt verstehe ich nicht. Du redest über Willensfreiheit und willst den Begriff aber vermeiden? Ich finde nicht, dass das Sinn ergibt.
Mal ein paar Begriffsklärungen von Philosophen (meine Übersetzungen):
Philosophie verständlich hat folgendes geschrieben: | In der Willensfreiheitsdebatte geht es um zwei Fragen:
* Um die begriffliche Frage, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit eine Entscheidung als frei angesehen werden kann, und
* um die faktische Frage, ob diese Bedingungen in unserer Welt tatsächlich erfüllt sind. |
Wikipedia - Free Will hat folgendes geschrieben: | Free will is the apparent ability of agents to make choices free from certain kinds of constraints.
Freier Wille ist die anscheinende Fähigkeit von Akteuren, Entscheidungen frei von bestimmten Einschränkungen treffen zu können |
Stanford Encyclopedia of Philosophy - Free Will hat folgendes geschrieben: | “Free Will” is a philosophical term of art for a particular sort of capacity of rational agents to choose a course of action from among various alternatives. Which sort is the free will sort is what all the fuss is about.
"Freier Wille" ist ein philosophischer Terminus technicus für eine bestimmte Art von Fähigkeit rationaler Akteure, einen Handlungsverlauf zwischen verschiedenen Alternativen auswählen zu können. Welcher Art diese Art ist, ist der strittige Punkt. |
Internet Encyclopedia of Philosophy - Free Will hat folgendes geschrieben: | Let us then understand free will as the capacity unique to persons that allows them to control their actions.
Lasst uns dann 'freien Willen' verstehen als die Personen eigentümliche Fähigkeit, die ihnen erlaubt, ihre Handlungen zu kontrollieren. |
Routledge Encyclopedia of Philosophy - Free Will hat folgendes geschrieben: | 'Free will' is the conventional name of a topic that is best discussed without reference to the will. Its central questions are 'What is it to act (or choose) freely?', and 'What is it to be morally responsible for one's actions (or choices)?'
'Freier Wille' ist der gebräuchliche Begriff für ein Thema, das am besten ohne Bezug auf den Willen diskutiert wird. Seine zentralen Fragen sind: "Was bedeutet es, frei zu handeln (oder zu entscheiden)?" und "Was bedeutet es, moralisch verantwortlich für seine Handlungen (oder Entscheidungen) zu sein?" |
Peter van Inwagen - How to Think about the Problem of Free Will hat folgendes geschrieben: | The free-will thesis is the thesis that we are sometimes in the following position with respect to a contemplated future act: we simultaneously have both the following abilities: the ability to perform that act and the ability to refrain from performing that act.
Die 'freier-Wille-These' ist die These, dass wir manchmal in folgender Situation sind, wenn wir eine zukünftige Handlung betrachten: wir haben gleichzeitig die folgenden Fähigkeiten: die Fähigkeit, eine Handlung auszuführen und die Fähigkeit, von der Ausführung der Handlung abzusehen. |
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Steffen Rehm registrierter User
Anmeldungsdatum: 10.07.2011 Beiträge: 160
Wohnort: bei Berlin
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(#1685285) Verfasst am: 09.09.2011, 20:46 Titel: |
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Ganz unterschiedliche Meinungen in den schlauen Büchern, da sieht man, wie schwer der Begriff zu fassen ist, diese Eigenschaft, die zu unserer Natur gehört, zum homo sapiens.
Deshalb empfehle ich: Hört doch mal die Sinfonien von L.V. Beethoven an, am Besten natürlich im Konzertsaal, eine gute Anlage geht auch. Zum Thema Freiheit: da kann man sie hören, unter anderem sind besonders die 3. und 5. voll mit strahlenden Fanfaren der Freiheit. Da spürt man die Lust an der Freiheit, die Ludwig van B. genoss und seinem Publikum mitteilte. Das war Beethovens Revolution der Musik, so was hatte es vorher noch nicht gegeben, so viel Freiheit in der Musik.
Dazu ein Satz von Beethoven: "Musik ist höhere Erkenntnis als alle Philosophie"
_________________ Die Erkenntnis der Grenze ist die Grenze der Erkenntnis
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1685297) Verfasst am: 09.09.2011, 21:09 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Mal ein paar Begriffsklärungen von Philosophen (meine Übersetzungen): |
Philosophie verständlich hat folgendes geschrieben: | In der Willensfreiheitsdebatte geht es um zwei Fragen:
* Um die begriffliche Frage, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit eine Entscheidung als frei angesehen werden kann, und
* um die faktische Frage, ob diese Bedingungen in unserer Welt tatsächlich erfüllt sind. |
Das finde ich recht systematisch, auch wenn Entscheidung und Wille hier ungefragt identifiziert wird, wo ich eher Präferenz und Wille identifizieren würde. Aber seis drum.
Wikipedia - Free Will hat folgendes geschrieben: | Free will is the apparent ability of agents to make choices free from certain kinds of constraints.
Freier Wille ist die anscheinende Fähigkeit von Akteuren, Entscheidungen frei von bestimmten Einschränkungen treffen zu können |
Hier wird angedeutet, daß man von irgendwas frei zu sein scheinen muß. Wäre also diese Irgendwas zum Beispiel Dummheit, dann hätten alle von Dummheit freien Leute anscheinend Willensfreiheit. Ähnlich mit psychischen Zwängen, Moral, Gefühlen? Man sieht schon, daß es wesentlich ist festzulegen, wovon genau man frei sein soll.
Stanford Encyclopedia of Philosophy - Free Will hat folgendes geschrieben: | “Free Will” is a philosophical term of art for a particular sort of capacity of rational agents to choose a course of action from among various alternatives. Which sort is the free will sort is what all the fuss is about.
"Freier Wille" ist ein philosophischer Terminus technicus für eine bestimmte Art von Fähigkeit rationaler Akteure, einen Handlungsverlauf zwischen verschiedenen Alternativen auswählen zu können. Welcher Art diese Art ist, ist der strittige Punkt. |
Ja, wenn diese Art die ist, nach Präferenz auszuwählen, wäre es Handlungsfreiheit, oder? Wichtig scheint mir hier auch, darauf hinzuweisen, daß "Alternativen" immer nur vorgestellte Alternativen sind: Die Bewertungsfunktion im Gehirn kennt ihr eigenes Ergebnis nicht im Voraus, obwohl es determiniert ist.
Internet Encyclopedia of Philosophy - Free Will hat folgendes geschrieben: | Let us then understand free will as the capacity unique to persons that allows them to control their actions.
Lasst uns dann 'freien Willen' verstehen als die Personen eigentümliche Fähigkeit, die ihnen erlaubt, ihre Handlungen zu kontrollieren. |
Diese Definition finde ich sehr unpräzise, es ist u.a. nicht klar, was "kontrollieren" bedeutet (Harndrang?), und ob wirklich eine Person A eine Handlung B kontrolliert, oder nicht vielmehr eine Person A darin besteht, Handlung a zu präferieren und dann auszuführen. Ist "Kontrolle" schon gegeben durch die Tatsache, daß Präferenzen abgewogen werden?
Routledge Encyclopedia of Philosophy - Free Will hat folgendes geschrieben: | 'Free will' is the conventional name of a topic that is best discussed without reference to the will. Its central questions are 'What is it to act (or choose) freely?', and 'What is it to be morally responsible for one's actions (or choices)?'
'Freier Wille' ist der gebräuchliche Begriff für ein Thema, das am besten ohne Bezug auf den Willen diskutiert wird. Seine zentralen Fragen sind: "Was bedeutet es, frei zu handeln (oder zu entscheiden)?" und "Was bedeutet es, moralisch verantwortlich für seine Handlungen (oder Entscheidungen) zu sein?" |
Das sagt zwar nicht viel aus, aber scheint mir korrekt.
Peter van Inwagen - How to Think about the Problem of Free Will hat folgendes geschrieben: | The free-will thesis is the thesis that we are sometimes in the following position with respect to a contemplated future act: we simultaneously have both the following abilities: the ability to perform that act and the ability to refrain from performing that act.
Die 'freier-Wille-These' ist die These, dass wir manchmal in folgender Situation sind, wenn wir eine zukünftige Handlung betrachten: wir haben gleichzeitig die folgenden Fähigkeiten: die Fähigkeit, eine Handlung auszuführen und die Fähigkeit, von der Ausführung der Handlung abzusehen. |
Das gefällt mir ebenfalls, es ist recht präzise formuliert und es ist klar, das es eine solche WF nicht gibt.
Ich finde AP's Liste wirklich einen guten Ansatz, und die Vertreter einer WF sollten sich auf eine davon einigen. Damit man mal weiterdiskutieren kann.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1685298) Verfasst am: 09.09.2011, 21:10 Titel: |
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Fällt mir gerade ein:
- Kann ein starker Wille frei sein?
- Ist nicht Willkür ein Zeichen von Willensfreiheit?
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Tom der Dino registrierter User
Anmeldungsdatum: 20.07.2011 Beiträge: 3949
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(#1685304) Verfasst am: 09.09.2011, 21:24 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Mal ein paar Begriffsklärungen von Philosophen (meine Übersetzungen): |
Philosophie verständlich hat folgendes geschrieben: | In der Willensfreiheitsdebatte geht es um zwei Fragen:
* Um die begriffliche Frage, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit eine Entscheidung als frei angesehen werden kann, und
* um die faktische Frage, ob diese Bedingungen in unserer Welt tatsächlich erfüllt sind. |
Das ist die Definition, die das ausdrückt, was ich mir darunter vorstelle.
Zu deiner zweiten Frage: Kann ein starker Wille frei sein? Mich deucht, "starker Wille" ist hier anders gemeint. Eher im Sinne von "starker Gewichtung einer Präferenz".
Ist nicht Willkür ein Zeichen von Willensfreiheit? Ja, es wäre ein Zeichen von Willensfreiheit.
_________________ Am Anfang war ......das Experiment.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#1685311) Verfasst am: 09.09.2011, 21:39 Titel: |
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@step:
das sind nicht unbedingt Definitionen, es sind eher Begriffsklärungen oder auch nur Versuche von Begriffsklärungen. Wobei das natürlich alles nur Ausschnitte aus längeren Artikeln sind.
Was aber mE all diesen Versuchen einer Begriffsklärung gemeinsam ist: sie verzichten alle auf den Begriff 'Wille'. Und das erscheint mir auch sinnvoll, denn 'Wille' ist ein sehr schwer fassbarer Begriff, über dessen Bedeutung es kaum Einigung gibt. Es geht bei allen Autoren oben darum, ob Überlegungen und Entscheidungen frei sind oder nicht, (und was das bedeutet, welche notwendigen und hinreichenden Bedingungen es dafür gibt / geben muss).
Ich finde aber nicht (@Steffen Rehm), dass das unterschiedliche Ansätze sind, es ist mE immer derselbe Ansatz, dasselbe Problem, nur anders ausgedrückt.
Und dann würde ich, falls sich jemand näher dafür interessiert, was hier überhaupt die Fragestellung ist, (und englisch kann), den verlinkten Aufsatz von van Inwagen empfehlen. Ich stimme mit seiner Darstellung des Themas überein und van Inwagen ist mE ein sehr respektabler Philosoph, der eine klare Sprache spricht.
Wiewohl ich eine andere Position habe als er und sein Konsequenz-Argument für falsch halte.
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1685326) Verfasst am: 09.09.2011, 22:14 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | @step: das sind nicht unbedingt Definitionen, es sind eher Begriffsklärungen oder auch nur Versuche von Begriffsklärungen. Wobei das natürlich alles nur Ausschnitte aus längeren Artikeln sind.
Was aber mE all diesen Versuchen einer Begriffsklärung gemeinsam ist: sie verzichten alle auf den Begriff 'Wille'. Und das erscheint mir auch sinnvoll, denn 'Wille' ist ein sehr schwer fassbarer Begriff, über dessen Bedeutung es kaum Einigung gibt. Es geht bei allen Autoren oben darum, ob Überlegungen und Entscheidungen frei sind oder nicht, (und was das bedeutet, welche notwendigen und hinreichenden Bedingungen es dafür gibt / geben muss). |
OK, das sehe ich ähnlich.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1685327) Verfasst am: 09.09.2011, 22:16 Titel: |
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Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Kann ein starker Wille frei sein? Mich deucht, "starker Wille" ist hier anders gemeint. Eher im Sinne von "starker Gewichtung einer Präferenz". |
Ja, genau. Hindert eine starke Präferenz an der "freien" Abwägung oder ist sie eher Zeichen einer individuell ausgebildeten, "freien" Präferenz?
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Tom der Dino registrierter User
Anmeldungsdatum: 20.07.2011 Beiträge: 3949
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(#1685336) Verfasst am: 09.09.2011, 22:37 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Kann ein starker Wille frei sein? Mich deucht, "starker Wille" ist hier anders gemeint. Eher im Sinne von "starker Gewichtung einer Präferenz". |
Ja, genau. Hindert eine starke Präferenz an der "freien" Abwägung oder ist sie eher Zeichen einer individuell ausgebildeten, "freien" Präferenz? |
Gute Frage. Eher zweiteres. Ich denke im Laufe unseres Lebens, gerade während der Kindheit, bilden wir unsere Präferenzen heraus. Immer wenn wir Grenzen austesten und neue Dinge ausprobieren, machen wir das, um zu testen, ob wir daraus Präferenzen entwickeln können.
Erziehung führt während dieser Zeit dazu, dass Präferenzen von außen gewichtet werden.
_________________ Am Anfang war ......das Experiment.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1685454) Verfasst am: 10.09.2011, 15:22 Titel: |
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Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Hindert eine starke Präferenz an der "freien" Abwägung oder ist sie eher Zeichen einer individuell ausgebildeten, "freien" Präferenz? | Gute Frage. Eher zweiteres. Ich denke im Laufe unseres Lebens, gerade während der Kindheit, bilden wir unsere Präferenzen heraus. Immer wenn wir Grenzen austesten und neue Dinge ausprobieren, machen wir das, um zu testen, ob wir daraus Präferenzen entwickeln können. Erziehung führt während dieser Zeit dazu, dass Präferenzen von außen gewichtet werden. |
Hmm ... Nun sind ja, rein empirisch betrachtet, unsere Präferenzen erstaunlich ähnlich, wenn man einmal rein geschmackliche Präferenzen vernachlässigt, etwa die Lieblingsfarbe. Hat jemand wirklich wesentlich abweichende Präferenzen, so ist die Wahrscheinlichkeit groß, daß wir dies pathologisieren und ihn als "irgendwie pervers" ansehen, vor allem wenn es um moralische Überzeugungen geht oder um den Umgang mit anderen Menschen. Und wenn jemand eine sehr starke Präferenz hat, neigen wir dazu, ihn für getrieben / einen Fanatiker zu halten, außer es handelt sich um eine moralische Präferenz, bei der allgemein etwas Fanatikertum fast schon erwartet wird.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Mahone registrierter User
Anmeldungsdatum: 22.12.2008 Beiträge: 842
Wohnort: Munich
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(#1685456) Verfasst am: 10.09.2011, 15:34 Titel: |
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Hmmm, ja
das ist sehr interessant.
Ich bin ja viel in so einer Künstler-Szene unterwegs,
und da trifft man schon sehr viele, harte Individualisten
(Und damit meine ich wirkliche Indivdualisten, und nicht irgendwelche Subkultur-Scenesters,
mit Gauloises und Wollschal, wie es oben schon mal angeprangert wurde)
Frei wirken sehr viele von denen nicht wirklich, eher gehetzt und getrieben.
Müsste ich nochmal drüber nachdenken.
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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Tom der Dino registrierter User
Anmeldungsdatum: 20.07.2011 Beiträge: 3949
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(#1685472) Verfasst am: 10.09.2011, 17:03 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Hindert eine starke Präferenz an der "freien" Abwägung oder ist sie eher Zeichen einer individuell ausgebildeten, "freien" Präferenz? | Gute Frage. Eher zweiteres. Ich denke im Laufe unseres Lebens, gerade während der Kindheit, bilden wir unsere Präferenzen heraus. Immer wenn wir Grenzen austesten und neue Dinge ausprobieren, machen wir das, um zu testen, ob wir daraus Präferenzen entwickeln können. Erziehung führt während dieser Zeit dazu, dass Präferenzen von außen gewichtet werden. |
Hmm ... Nun sind ja, rein empirisch betrachtet, unsere Präferenzen erstaunlich ähnlich, wenn man einmal rein geschmackliche Präferenzen vernachlässigt, etwa die Lieblingsfarbe. Hat jemand wirklich wesentlich abweichende Präferenzen, so ist die Wahrscheinlichkeit groß, daß wir dies pathologisieren und ihn als "irgendwie pervers" ansehen, vor allem wenn es um moralische Überzeugungen geht oder um den Umgang mit anderen Menschen. Und wenn jemand eine sehr starke Präferenz hat, neigen wir dazu, ihn für getrieben / einen Fanatiker zu halten, außer es handelt sich um eine moralische Präferenz, bei der allgemein etwas Fanatikertum fast schon erwartet wird. |
Ja, durchaus. Nur ist die Abweichung einer Präferenz von der "Präferenz-Norm" ja kein Ausdruck freien Willens, und auch die Getriebenheit eher, wie Mahone schon richtig andeutet, ein Ausdruck von Unfreiheit. Die Ähnlichkeit unserer Präferenzen bedingt sich sicher auch zu einem gewissen Teil durch die Vorteile, die diese Präferenzen mit sich bringen. Allerdings können sich Präferenzen interkulturell durchaus stark unterscheiden, während eine große Ähnlichkeit intrakulturell zu beobachten ist.
Mehlwürmer sucht man fast vergebens auf europäischen Speisekarten, während Rind seltener auf indischen zu finden ist.
_________________ Am Anfang war ......das Experiment.
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VanHanegem Weltmeister
Anmeldungsdatum: 24.04.2006 Beiträge: 3180
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(#1685482) Verfasst am: 10.09.2011, 17:25 Titel: |
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Yogosh hat folgendes geschrieben: | Das betrifft wahrscheinlich eher das klassische Mechanik Modell mit Waage und so. Anscheinend kann man Determinismus mittels Fraktalen oder Mehrweltentheorie oder was weiss ich so in seine Ontologie einbauen, dass zwar alles determiniert ist, aber der Ausgang trotzdem nicht vorher feststeht. Das ist irgendwie nett, riecht aber nach metaphysischem Sumpf. There aint no difference that makes no difference. |
in den metaphysichen Sumpf zieht man sich nur mit dem Postulat eines "freien Willens" und dem ganzen religiösen Ballast der daran hängt.
Die Psychologie tut nichts anderes als Beiträge die am einen oder anderen Ende der Waage ziehen zu identifizieren und zu bewerten.
Daß diese Modelle, bzw. unser momentaner Wissensstand nicht ausreichen um den Ausgang eines Entsdcheidungsprozesses zielsicher zu modellieren ist übrigens nicht nur in der Psychologie, sondern auch in der Mechanik eine Standarssituation. Derartige Probleme handelt man mit klassischer Statistik, dagegen exoterischer Quatsch wie mehrwelttheorie bringt uns bei praktischen Problemen genausowenig weiter wie in der Quantenmechanik.
Die Existenz eines freien Willens ist zwar unser subjektives Erlebnis, aber, inwiefern diese Hypothese benötigt wird um Entscheidungsprozesse zu bechreiben, hat hier noch keiner überzeugend dargelegt.
_________________ Hup Holland Hup, Oranje winnt de cup (2022)
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Tom der Dino registrierter User
Anmeldungsdatum: 20.07.2011 Beiträge: 3949
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(#1685484) Verfasst am: 10.09.2011, 17:29 Titel: |
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VanHanegem hat folgendes geschrieben: | Yogosh hat folgendes geschrieben: | Das betrifft wahrscheinlich eher das klassische Mechanik Modell mit Waage und so. Anscheinend kann man Determinismus mittels Fraktalen oder Mehrweltentheorie oder was weiss ich so in seine Ontologie einbauen, dass zwar alles determiniert ist, aber der Ausgang trotzdem nicht vorher feststeht. Das ist irgendwie nett, riecht aber nach metaphysischem Sumpf. There aint no difference that makes no difference. |
in den metaphysichen Sumpf zieht man sich nur mit dem Postulat eines "freien Willens" und dem ganzen religiösen Ballast der daran hängt.
Die Psychologie tut nichts anderes als Beiträge die am einen oder anderen Ende der Waage ziehen zu identifizieren und zu bewerten.
Daß diese Modelle, bzw. unser momentaner Wissensstand nicht ausreichen um den Ausgang eines Entsdcheidungsprozesses zielsicher zu modellieren ist übrigens nicht nur in der Psychologie, sondern auch in der Mechanik eine Standarssituation. Derartige Probleme handelt man mit klassischer Statistik, dagegen exoterischer Quatsch wie mehrwelttheorie bringt uns bei praktischen Problemen genausowenig weiter wie in der Quantenmechanik.
Die Existenz eines freien Willens ist zwar unser subjektives Erlebnis, aber, inwiefern diese Hypothese benötigt wird um Entscheidungsprozesse zu bechreiben, hat hier noch keiner überzeugend dargelegt. |
Hier geht es ja auch gar nicht darum, zu zeigen, dass WF benötigt wird. Hier geht es ja erstmal darum zu zeigen, dass WF möglich ist, oder das Gegenteil zu zeigen oder zu zeigen dass man nichts der beiden Dinge zeigen kann. Oder hab ich da etwas falsch verstanden?
_________________ Am Anfang war ......das Experiment.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1685557) Verfasst am: 10.09.2011, 22:26 Titel: |
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Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Nur ist die Abweichung einer Präferenz von der "Präferenz-Norm" ja kein Ausdruck freien Willens, ... |
Wieso nicht? Man könnte doch argumentieren, daß gerade die von der Präferenz-Norm unabhängige Abwägung eine besonders freie Präferenzbildung darstellt. Jemand zum Beispiel, der sich vom Kindchenschema freimacht, von intuitiven Mitleidsregungen, von Manipulierbarkeit durch sexuelle Reize usw. - wäre der nicht nach einigen der von AP zitierten Kriterien der Freiere?
Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | ... Die Ähnlichkeit unserer Präferenzen bedingt sich sicher auch zu einem gewissen Teil durch die Vorteile, die diese Präferenzen mit sich bringen. |
Ja, sicher. Wenn jemand, der hinreichend intelligent ist, diese Präferenzen prüft und aufgrund der Vorteile nahezu gezwungen ist, sie zu behalten, so ist da aber kein Freiheitsgrad.
Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Allerdings können sich Präferenzen interkulturell durchaus stark unterscheiden, während eine große Ähnlichkeit intrakulturell zu beobachten ist. Mehlwürmer sucht man fast vergebens auf europäischen Speisekarten, während Rind seltener auf indischen zu finden ist. |
Ja, eben. Haben jetzt die klugen Inder und die klugen Europäer jeweils eine zufällige, kontingente oder freie Wahl getroffen bezüglich ihrer Präferenzen?
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Tom der Dino registrierter User
Anmeldungsdatum: 20.07.2011 Beiträge: 3949
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(#1685586) Verfasst am: 10.09.2011, 23:11 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Nur ist die Abweichung einer Präferenz von der "Präferenz-Norm" ja kein Ausdruck freien Willens, ... |
Wieso nicht? Man könnte doch argumentieren, daß gerade die von der Präferenz-Norm unabhängige Abwägung eine besonders freie Präferenzbildung darstellt. Jemand zum Beispiel, der sich vom Kindchenschema freimacht, von intuitiven Mitleidsregungen, von Manipulierbarkeit durch sexuelle Reize usw. - wäre der nicht nach einigen der von AP zitierten Kriterien der Freiere? |
So meinte ich das nicht. Wenn jemand von der "Präferenz-Norm" abweicht, heisst das nicht, dass er sich frei dafür entschieden hat. Er könnte genausogut durch biochemische Prozesse, oder durch eine abweichende Erziehung oder andere Einflüsse dazu gebracht werden, die Norm-verletzende Präferenz zu wählen. Ein Individuum kann, wenn es sich denn frei entscheidet sowohl für als auch gegen die Präferenz-Norm entscheiden. Insofern sollte der Anteil an frei entschiedenen in der abweichenden Präferenz höher sein. Die Entscheidung für eine Norm-abweichende Präferenz stellt für sich gesehen jedoch noch kein Kriterium für eine freie Entscheidung dar.
Nach welchen Kriterien genau, meinst du, wäre er freier?
step hat folgendes geschrieben: | Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | ... Die Ähnlichkeit unserer Präferenzen bedingt sich sicher auch zu einem gewissen Teil durch die Vorteile, die diese Präferenzen mit sich bringen. |
Ja, sicher. Wenn jemand, der hinreichend intelligent ist, diese Präferenzen prüft und aufgrund der Vorteile nahezu gezwungen ist, sie zu behalten, so ist da aber kein Freiheitsgrad. | Genau. Es wäre nur einer da, wenn sich keine Präferenz, auch nach genauer Prüfung, als besser im Vergleich zur anderen herausstellt.
step hat folgendes geschrieben: | Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Allerdings können sich Präferenzen interkulturell durchaus stark unterscheiden, während eine große Ähnlichkeit intrakulturell zu beobachten ist. Mehlwürmer sucht man fast vergebens auf europäischen Speisekarten, während Rind seltener auf indischen zu finden ist. |
Ja, eben. Haben jetzt die klugen Inder und die klugen Europäer jeweils eine zufällige, kontingente oder freie Wahl getroffen bezüglich ihrer Präferenzen? |
Na beide. Wenn mehr Rind in Europa vorhanden war und mehr Mehlwürmer (oder andere Insekten) in Asien (das nehme ich jetzt mal als hypothetischen Grund an), dann sind die Präferenzen kontingent gewählt worden. Sie ergaben regional gesehen am meisten Sinn (auch das ist nur eine Vermutung, aber sie sollte einleuchten). Zufällig war diese Entscheidung höchstwahrscheinlich nicht.
Ich wollte mit diesem Beispiel darauf hinaus, dass selbst die Präferenz-Norm sich unterscheiden kann.
_________________ Am Anfang war ......das Experiment.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#1685672) Verfasst am: 11.09.2011, 02:24 Titel: |
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Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Wenn jemand von der "Präferenz-Norm" abweicht, heisst das nicht, dass er sich frei dafür entschieden hat. Er könnte genausogut durch biochemische Prozesse, [...] |
Was meinst Du hier mit 'frei'? Und wieso stehen biochemische Prozesse in einem Gegensatz zur Freiheit einer Person?
Bist Du Substanz-Dualist?
Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Ja, sicher. Wenn jemand, der hinreichend intelligent ist, diese Präferenzen prüft und aufgrund der Vorteile nahezu gezwungen ist, sie zu behalten, so ist da aber kein Freiheitsgrad. |
Genau. Es wäre nur einer da, wenn sich keine Präferenz, auch nach genauer Prüfung, als besser im Vergleich zur anderen herausstellt. |
Wieso stellen gute Gründe und die Fähigkeit, sich nach diesen guten Gründen entscheiden zu können, einen Zwang dar? Unter 'Zwang' wird doch wohl gemeinhin etwas verstanden, mit dem man nicht übereinstimmt.
Eigentlich ist es doch genau umgekehrt: wenn sich jemand nach Abwägung aller Gründe für X entscheiden will, aber sich dennoch für Y entscheidet, dann wird das als zwanghaft und nicht als frei angesehen. Beispiel: jemand will keine Drogen mehr nehmen, aber er schafft es nicht, von den Drogen loszukommen.
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VanHanegem Weltmeister
Anmeldungsdatum: 24.04.2006 Beiträge: 3180
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(#1685674) Verfasst am: 11.09.2011, 03:58 Titel: |
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Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Hier geht es ja auch gar nicht darum, zu zeigen, dass WF benötigt wird. Hier geht es ja erstmal darum zu zeigen, dass WF möglich ist, oder das Gegenteil zu zeigen oder zu zeigen dass man nichts der beiden Dinge zeigen kann. Oder hab ich da etwas falsch verstanden? |
Im Zusammenhang mit einem naturwisschschaftlichen Modell, ist das einzige, was wir halbwegs objektiv entscheiden können die Frage, ob dieses Modell zur Gewinnung geldwerter Vorhersagen benötigt wird.
Die ontologische Fragestellung mag jeder im Sinne seiner Privatreligion für sich selbst beantworten.
step hat folgendes geschrieben: | Wieso nicht? Man könnte doch argumentieren, daß gerade die von der Präferenz-Norm unabhängige Abwägung eine besonders freie Präferenzbildung darstellt. Jemand zum Beispiel, der sich vom Kindchenschema freimacht, von intuitiven Mitleidsregungen, von Manipulierbarkeit durch sexuelle Reize usw. - wäre der nicht nach einigen der von AP zitierten Kriterien der Freiere? |
Deine Beispiele zeigen doch gerade die Unbrauchbarkeit des freie-Willen-Modells. Der forschende Mensch wird dadurch von ernsthafter Ursachenforschung abgelenkt. Deine Beispiele wurden übrigens in der Literaturn z.T. behandelt:
Das Parabebeispiel ist das Freimachen von Manipulierbarkeit durch sexuelle Reize, bei uns seit Paulus ein Reizthema, davor aber schon in Stoa und auch asiatischen Religionen vorhanden. Die Anhänger dieser oder ähnlicher Maschen fahren natürlich auf einer ganz klaren Prädispositionsschiene, sowohl kulturell als auch genetisch. Ein Phänomen "freier wille" ist zur Modellierung derartiger Phenomene nicht nur nicht hilfreich, sondern kontraproduktiv.
Das Freimachen vom Kindchenschema, Mitleidsregungen etc. wird von marodierenden Truppen in Bürgerkriegen immer wieder demonstriert. Daß Menschen in einem Krieg psychisch kaputtgehen ist ein höchst deterministischer Vorgang, auch hier hilft das f-W-Modell nicht weiter.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Wieso stellen gute Gründe und die Fähigkeit, sich nach diesen guten Gründen entscheiden zu können, einen Zwang dar? Unter 'Zwang' wird doch wohl gemeinhin etwas verstanden, mit dem man nicht übereinstimmt.
Eigentlich ist es doch genau umgekehrt: wenn sich jemand nach Abwägung aller Gründe für X entscheiden will, aber sich dennoch für Y entscheidet, dann wird das als zwanghaft und nicht als frei angesehen. Beispiel: jemand will keine Drogen mehr nehmen, aber er schafft es nicht, von den Drogen loszukommen. |
Welcher Zwang ist schon größer als der durch Androhung von gesundheitlichen Schäden bis hin zu einem qualvollen Tod. Und trotzdem entscheidet sich eine Mehrheit für das gute Gefühl und das Genießen des Augenblickes. Ist das nicht geradezu eine Sternstunde des freien Willens?
Gleichwohl ist auch hier dieses Modell völlig überflüssig. Die Frage ist eine rein mechanische: in welche Richtung kippt die Waage?
_________________ Hup Holland Hup, Oranje winnt de cup (2022)
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VanHanegem Weltmeister
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(#1685675) Verfasst am: 11.09.2011, 04:00 Titel: |
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Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Hier geht es ja auch gar nicht darum, zu zeigen, dass WF benötigt wird. Hier geht es ja erstmal darum zu zeigen, dass WF möglich ist, oder das Gegenteil zu zeigen oder zu zeigen dass man nichts der beiden Dinge zeigen kann. Oder hab ich da etwas falsch verstanden? |
Im Zusammenhang mit einem naturwisschschaftlichen Modell, ist das einzige, was wir halbwegs objektiv entscheiden können die Frage, ob dieses Modell zur Gewinnung geldwerter Vorhersagen benötigt wird.
Die ontologische Fragestellung mag jeder im Sinne seiner Privatreligion für sich selbst beantworten.
step hat folgendes geschrieben: | Wieso nicht? Man könnte doch argumentieren, daß gerade die von der Präferenz-Norm unabhängige Abwägung eine besonders freie Präferenzbildung darstellt. Jemand zum Beispiel, der sich vom Kindchenschema freimacht, von intuitiven Mitleidsregungen, von Manipulierbarkeit durch sexuelle Reize usw. - wäre der nicht nach einigen der von AP zitierten Kriterien der Freiere? |
Deine Beispiele zeigen doch gerade die Unbrauchbarkeit des freie-Willen-Modells. Der forschende Mensch wird dadurch von ernsthafter Ursachenforschung abgelenkt. Deine Beispiele wurden übrigens in der Literaturn z.T. behandelt:
Das Parabebeispiel ist das Freimachen von Manipulierbarkeit durch sexuelle Reize, bei uns seit Paulus ein Reizthema, davor aber schon in Stoa und auch asiatischen Religionen vorhanden. Die Anhänger dieser oder ähnlicher Maschen fahren natürlich auf einer ganz klaren Prädispositionsschiene, sowohl kulturell als auch genetisch. Ein Phänomen "freier wille" ist zur Modellierung derartiger Phenomene nicht nur nicht hilfreich, sondern kontraproduktiv.
Das Freimachen vom Kindchenschema, Mitleidsregungen etc. wird von marodierenden Truppen in Bürgerkriegen immer wieder demonstriert. Daß Menschen in einem Krieg psychisch kaputtgehen ist ein höchst deterministischer Vorgang, auch hier hilft das f-W-Modell nicht weiter. Auch wenn eine Person im med. Bereich bewußt in diesem Sinne an sich arbeitet um nicht selbst kaputtzugehen ist das f-w-Modell zur Beschreibung des Vorganges überflüssig.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Wieso stellen gute Gründe und die Fähigkeit, sich nach diesen guten Gründen entscheiden zu können, einen Zwang dar? Unter 'Zwang' wird doch wohl gemeinhin etwas verstanden, mit dem man nicht übereinstimmt.
Eigentlich ist es doch genau umgekehrt: wenn sich jemand nach Abwägung aller Gründe für X entscheiden will, aber sich dennoch für Y entscheidet, dann wird das als zwanghaft und nicht als frei angesehen. Beispiel: jemand will keine Drogen mehr nehmen, aber er schafft es nicht, von den Drogen loszukommen. |
Welcher Zwang ist schon größer als der durch Androhung von gesundheitlichen Schäden bis hin zu einem qualvollen Tod. Und trotzdem entscheidet sich eine Mehrheit für das gute Gefühl und das Genießen des Augenblickes. Ist das nicht geradezu eine Sternstunde des freien Willens?
Gleichwohl ist auch hier dieses Modell völlig überflüssig. Die Frage ist eine rein mechanische: in welche Richtung kippt die Waage?
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step registriert
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(#1685694) Verfasst am: 11.09.2011, 10:29 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Es wäre nur ein [Freiheitsgrad] da, wenn sich keine Präferenz, auch nach genauer Prüfung, als besser im Vergleich zur anderen herausstellt. | Wieso stellen gute Gründe und die Fähigkeit, sich nach diesen guten Gründen entscheiden zu können, einen Zwang dar? Unter 'Zwang' wird doch wohl gemeinhin etwas verstanden, mit dem man nicht übereinstimmt. |
Du selbst hast nach meiner Erinnerung jedoch schon einmal eine weitere Definition von Zwang gegeben, die u.U. auch dann zutrifft, wenn man sich keiner gegenteiligen Präferenz bewußt ist. Aber falls nicht, kann ich immer noch argumentieren, daß ein Zwang in dem von Dir genannten Fall eben nur auf den darunterliegenden Ebenen (Determinismus) herrscht, aber nicht bewußt / empfunden wird. Und schließlich bedeutet die empfundene Abwesenheit eines Zwangs noch nicht die Anwesenheit eines Freiheitsgrades, den es ja hier zu zeigen gälte.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | wenn sich jemand nach Abwägung aller Gründe für X entscheiden will, aber sich dennoch für Y entscheidet, dann wird das als zwanghaft und nicht als frei angesehen. Beispiel: jemand will keine Drogen mehr nehmen, aber er schafft es nicht, von den Drogen loszukommen. |
Schon richtig, aber das ist nach meinem Verständnis ein Fall fehlender Handlungsfreiheit: Jemand kann nicht tun (aufgrund eines Zwangs), was er präferiert ("will").
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step registriert
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(#1685695) Verfasst am: 11.09.2011, 10:31 Titel: |
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VanHanegem hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Man könnte doch argumentieren, daß gerade die von der Präferenz-Norm unabhängige Abwägung eine besonders freie Präferenzbildung darstellt. Jemand zum Beispiel, der sich vom Kindchenschema freimacht, von intuitiven Mitleidsregungen, von Manipulierbarkeit durch sexuelle Reize usw. - wäre der nicht nach einigen der von AP zitierten Kriterien der Freiere? | Deine Beispiele zeigen doch gerade die Unbrauchbarkeit des freie-Willen-Modells. |
- das ist fein beobachtet!
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step registriert
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(#1685697) Verfasst am: 11.09.2011, 10:43 Titel: |
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Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Wenn jemand von der "Präferenz-Norm" abweicht, heisst das nicht, dass er sich frei dafür entschieden hat. Er könnte genausogut durch biochemische Prozesse, oder durch eine abweichende Erziehung oder andere Einflüsse dazu gebracht werden, die Norm-verletzende Präferenz zu wählen. |
Yep.
Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Ein Individuum kann, wenn es sich denn frei entscheidet sowohl für als auch gegen die Präferenz-Norm entscheiden. |
"sowohl als auch" ist idZ eine verunglückte Formulierung ... ich würde eher sagen: Da er sich keines Normdrucks bewußt ist, meint er, der deterministische Berechnungs/Entscheidungsvorgang sei eine freie Entscheidung. Oder er ist sich der Determiniertheit bewußt, möchte die Abwesenheit eines akuten sozialen Zwangs aber gern "Freiheit" nennen.
Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Insofern sollte der Anteil an frei entschiedenen in der abweichenden Präferenz höher sein. Die Entscheidung für eine Norm-abweichende Präferenz stellt für sich gesehen jedoch noch kein Kriterium für eine freie Entscheidung dar. |
Natürlich nicht! Es diente mir als Beispiel für die Absurdität des Freierwille-Konzeptes auf moralischem Gebiet.
Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Nach welchen Kriterien genau, meinst du, wäre er freier? |
Naja, z.B.
Wikipedia - Free Will - APs Übersetzung hat folgendes geschrieben: | Freier Wille ist die anscheinende Fähigkeit von Akteuren, Entscheidungen frei von bestimmten Einschränkungen treffen zu können |
Eine moralische Erziehung könnte ja solch eine Einschränkung sein.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
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(#1685780) Verfasst am: 11.09.2011, 14:58 Titel: |
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VanHanegem hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Eigentlich ist es doch genau umgekehrt: wenn sich jemand nach Abwägung aller Gründe für X entscheiden will, aber sich dennoch für Y entscheidet, dann wird das als zwanghaft und nicht als frei angesehen. Beispiel: jemand will keine Drogen mehr nehmen, aber er schafft es nicht, von den Drogen loszukommen. |
Welcher Zwang ist schon größer als der durch Androhung von gesundheitlichen Schäden bis hin zu einem qualvollen Tod. Und trotzdem entscheidet sich eine Mehrheit für das gute Gefühl und das Genießen des Augenblickes. Ist das nicht geradezu eine Sternstunde des freien Willens? |
Wenn man drogensüchtig ist, dann erfordert es wegen der Sucht eine große Anstrengung, von den Drogen loszukommen. Und wenn man das eigentlich gerne möchte, aber nicht schafft, wieso sollte das eine Sternstunde des freien Willens sein? Ist genau im Gegenteil ein Beispiel für eine unfreie Entscheidung.
VanHanegem hat folgendes geschrieben: | Gleichwohl ist auch hier dieses Modell völlig überflüssig. Die Frage ist eine rein mechanische: in welche Richtung kippt die Waage? |
Was meinst Du eigentlich immer mit 'freier-Wille-Modell'?
Wenn Du es mechanistisch betrachten willst, dann ist die Frage nach dem freien Willen die, warum die Waage bei einer Entscheidung in eine bestimmte Richtung kippt.
step hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Wieso stellen gute Gründe und die Fähigkeit, sich nach diesen guten Gründen entscheiden zu können, einen Zwang dar? Unter 'Zwang' wird doch wohl gemeinhin etwas verstanden, mit dem man nicht übereinstimmt. |
Du selbst hast nach meiner Erinnerung jedoch schon einmal eine weitere Definition von Zwang gegeben, die u.U. auch dann zutrifft, wenn man sich keiner gegenteiligen Präferenz bewußt ist. |
Stimmt, meine Definition hier ist zu eng. Zum Beispiel Manipulation, die nicht erkannt wird, würde ich auch als Zwang einstufen. Weil dann wesentliche Informationen fehlen, und, hätte man die gehabt, man vielleicht eine andere Entscheidung getroffen hätte.
Aber dass ich z.B. Ansichten, Meinungen, die Fähigkeit zur Abwägung und Reflexion habe, stellt nicht per se Zwang dar, das ist vielmehr eine notwendige Voraussetzung für meine Existenz. Und so stellen gute Gründe auch keinen Zwang an sich dar.
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zelig Kultürlich
Anmeldungsdatum: 31.03.2004 Beiträge: 25405
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(#1685785) Verfasst am: 11.09.2011, 15:08 Titel: |
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Hm, ich würde Manipulation nicht als Zwang bezeichnen. Es ist eine andere Art von Vorgang. Die Vorgänge ähneln sich zwar darin, daß ein Aussenstehender die Entscheidung des unter Zwang gesetzten oder einer Manipulation ausgesetzten als eine bewertet, die der Entscheider eigentlich nicht treffen würde. Die Manipulation lässt dem Entscheider aber die Wahl, wenn auch unter falschen Voraussetzungen. Wenn ihr das nicht auseinander haltet, dann kommt ihr in den Wald, nach meinem Gefühl.
_________________ Es gibt kein richtiges Leben im falschen.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#1685806) Verfasst am: 11.09.2011, 16:31 Titel: |
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Na gut, ich bestehe nicht darauf, dass Manipulation als Zwang zu bezeichnen sei.
Dann vielleicht so: Manipulation ist Fremdbestimmung. Und Fremdbestimmung sehe ich als gegensätzlich zu Freiheit an.
Bedingtheit halte ich aber für keinen Gegensatz zu Freiheit. Wenn eine Entscheidung durch gute Gründe bedingt ist, dann würde ich die nicht deswegen als unfrei ansehen, (und das, wie gesagt, auch nicht als Zwang).
Und auf der anderen Seite würde ich jemanden, der nicht nach guten Gründen entscheiden kann, sondern immer völlig unbedingt, d.h. rein zufällig, nicht als frei im hier wesentlichen Sinne (= die Freiheit, die für die Zweisung von moralischer Verantwortung benötigt wird) ansehen.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1685813) Verfasst am: 11.09.2011, 16:53 Titel: |
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zelig hat folgendes geschrieben: | Hm, ich würde Manipulation nicht als Zwang bezeichnen. Es ist eine andere Art von Vorgang. Die Vorgänge ähneln sich zwar darin, daß ein Aussenstehender die Entscheidung des unter Zwang gesetzten oder einer Manipulation ausgesetzten als eine bewertet, die der Entscheider eigentlich nicht treffen würde. Die Manipulation lässt dem Entscheider aber die Wahl, wenn auch unter falschen Voraussetzungen. |
Ich finde die Unterscheidung künstlich und irreführend. Manipulation läßt einem keineswegs die Wahl, sondern nur die Handlungsfreiheit bzw. das Gefühl, gemäß seiner Präferenz zu handeln. Der einzige Unterschied ist mE, daß eine Manipulation ein spezieller Zwang ist, nämlich ein dem Entscheider unbewußter.
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VanHanegem Weltmeister
Anmeldungsdatum: 24.04.2006 Beiträge: 3180
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(#1685821) Verfasst am: 11.09.2011, 17:49 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Wenn man drogensüchtig ist, dann erfordert es wegen der Sucht eine große Anstrengung, von den Drogen loszukommen. Und wenn man das eigentlich gerne möchte, aber nicht schafft, wieso sollte das eine Sternstunde des freien Willens sein? Ist genau im Gegenteil ein Beispiel für eine unfreie Entscheidung. |
Was der Süchtige eigentlich gerne möchte ist das gute Gefühl. Genaugenommen möchte das eingentlich nicht nur der Süchtige, sondern jeder. Weshalb jeder (so er mitdenkt) für die freie Entscheidung des Süchtigen Verständnis haben sollte. Dem gegenüber steht das Interesse der Versichtertengemeinschaft auf Kostenminimierung. Und ein relativ abstraktes, aufgesetztes, künstlich hochgejubeltes Interesse des Süchtigen in rüstigem Zustand 80 Jahre alt zu werden.
Die Fähigkeit sich trotz massiven Drucks seitens Staat, Krankenversicherung, Arbeitgeber etc. für die Philosophie des carpe diem zu entscheiden nenne ich "Sternstunde des freien Willens". Genauer gesagt: ich würde es so nennen, wenn ich das freie-Willen-Modell (abgekürzt FWM) für ein sinnvolles Tool halten würde.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Wenn Du es mechanistisch betrachten willst, dann ist die Frage nach dem freien Willen die, warum die Waage bei einer Entscheidung in eine bestimmte Richtung kippt. |
mmmnnööööö??? Das ist doch wohl eher die rein mechanische Frage, nämlich ob der Druck der Versichertengemeinschaft oder die eigennützige Philosophie des carpe diem schwerer wiegt.
Leute, wozu taugt denn das FWM überhaupt. Nur um zu erklären in welche Richtung die Waage bei Gewichtsgleichstand kippt? Entweder wir haben da ein kleines Männchen das Würfelt und der Waage dann den letzten Tuck gibt, dann kriegen wir eine stochastische Komponente (ehrlich gesagt: das wäre das letzte was ich mir unter freiem Willen vorstelle), oder für den letzten Tuck gibt es doch wieder irgendwelche Gründe, dann sind wir wieder auf der deterministischen Schiene.
So oder so, das FWM ist überflüssig.
_________________ Hup Holland Hup, Oranje winnt de cup (2022)
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