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Vobro Privatnachdenker
Anmeldungsdatum: 10.11.2011 Beiträge: 1024
Wohnort: Wuppertal
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(#1710419) Verfasst am: 07.12.2011, 17:29 Titel: |
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Hallo zusammen
Erstmal danke an alle, die sich hier mit ihrer Meinung beteiligt haben, aber ich möchte das Thema "Glaube - Aberglaube" gerne noch etwas ausweiten, bzw. vertiefen.
Warum eigentlich stellt das Argument der Irrationalität ein so gerne und häufig verwendetes Argument gegen Religiosität oder Religion dar?
Wenn man mal den ganz normalen Alltag überdenkt, wird man ganz leicht feststellen, daß unser Leben in sehr vielen Bereichen aus letztlich rational nicht sehr einfach schlüssig zu begründenden, oder nur sehr unzureichend reflektierten Entscheidungen und Handlungen besteht.
Der Verkehr auf unseren Straßen z.B. funktioniert nur deshalb, weil jeder mit einem letzlich objekiv nicht, oder nur sehr schwer zu begründendem Vertrauensvorschuß daran teilnimmt. Bedenkt man z.B. die Unfallstatistik, so sieht man, daß es im Jahresdurchschnitt der letzten zehn Jahre über 8000 Verkehrstote in Deutschland gab, hinzu kommen die viel häufigeren Schwerverletzten und ein enormer, kaum zu überschauender Sachschaden. Dennoch wird fast jeder, der sich morgens in sein Auto setzt und zur Arbeit fährt, vollkommen sorglos in den Verkehr begeben, und daß das so möglich ist, hat etwas mit Glauben, bzw. mit einem letzlich nicht ohne weiteres zu begründendem Vertrauen zu tun. Denn daß ich schon aufgrund der Unfallstatistik vollkommen ungefährdet durch den Verkehr komme, ist längst nicht sicher, und daß sich andere Verkehrsteilnehmer so benehmen, daß ich dadurch nicht gefährdet werde, auch darauf kann ich letztlich nur hoffen. Jeder Fußgänger, der über eine grüne Ampel geht, muß selbst bei noch so genauer eigener Sorgfalt darauf hoffen, daß er nicht von einem unachtsamen Autofahrer angefahren wird, aber eine Sicherheit gibt es natürlich nicht, also wäre es aus rein rationalen Erwägungen heraus, in Anbetracht der Unfallzahlen, sehr naheliegend, so selten wie irgend möglich am Verkehr teilzunehmen, und auch dann nur unter der Voraussetzung ständiger höchster Wachsamkeit und größtmöglicher Absicherung - wer aber käme auf eine solche Idee? Wie also, umgekehrt gefragt, begründet man es rational, sich dennoch einigermaßen unbekümmert in den Verkehr zu begeben, im Vertrauen darauf, daß man durch andere nicht gefährdet wird?
Ganz kurz ein zweites Beispiel: Die Statistik besagt, daß seit einigen Jahren in Deutschland jede dritte Ehe wieder geschieden wird, die Tendenz geht deutlich in Richtung der 50%-Marke, und da sind Ehen, die nur auf dem papier bestehen, also z.B reine Zweckehen sind, gar nicht eingerechnet.
Dennoch führt dieses einfache Faktum nicht dazu, daß die Zahl der Eheschließungen deutlich abnimmt, bzw. dazu, daß Menschen, die sich zu einer Heirat entschließen, dest einkalkulieren, daß ihre Ehe rein aufgrund der statistischen Wahrscheinlichkeit keine sehr gute Chance hat, sehr lange Bestand zu haben. Wie ist das möglich, außer, man setzt in die eigene Beziehung einen letztlich wieder rein rational kaum zu begründenden Vertrauensvorschuß.
Das sind nur zwei simple Beispiele, die andeuten, daß eigentlich unser gesamtes soziales Zusammenleben kaum möglich wäre, außer daß wir ständig auf Dinge vertrauen, die bei nüchterner Betrachtung nur sehr schwer zu begründen sind.
Um an dieser Stelle zurück zur Ausgangsfrage zurück zu kehren, wenn man als Argument gegen einen wie auch immer gearteten religiösen Glauben den Faktor der Irrationlität vorbringt, müßte man doch konsquenterweise das gesamte Leben ständig daraufhin untersuchen, wo man sich letztlich ebenso irrational verhalten, und alles aufgeben, was sich nicht absolut schlüssig rational begründen läßt?
Stellt sich nicht also vieles, woran wir im ganz normalen Alltag mehr oder weniger blind glauben, letztlich als Aberglaube heraus?
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#1710422) Verfasst am: 07.12.2011, 17:43 Titel: |
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Vobro hat folgendes geschrieben: |
Stellt sich nicht also vieles, woran wir im ganz normalen Alltag mehr oder weniger blind glauben, letztlich als Aberglaube heraus? |
Und, sollte das nicht ein Argument dafür zu sein, die Zahl seiner möglichen Irrtümer zu verringern, statt den unvermeidbaren noch vermeidbare hinzuzufügen?
_________________ "Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."
Friedrich Nietzsche
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Vobro Privatnachdenker
Anmeldungsdatum: 10.11.2011 Beiträge: 1024
Wohnort: Wuppertal
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(#1710423) Verfasst am: 07.12.2011, 17:51 Titel: |
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Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Vobro hat folgendes geschrieben: |
Stellt sich nicht also vieles, woran wir im ganz normalen Alltag mehr oder weniger blind glauben, letztlich als Aberglaube heraus? |
Und, sollte das nicht ein Argument dafür zu sein, die Zahl seiner möglichen Irrtümer zu verringern, statt den unvermeidbaren noch vermeidbare hinzuzufügen? |
Hört sich zunächst prima an, aber was ist denn ein vermeidbarer Irrtum, eine Ehe einzugehen? An die Treue meiner Partnerin zu glauben, obwohl es nicht beweisbar ist, daß sie nie untreu war?
Gibt es objektive Kategorien dafür, was unvermeidbare und vermeidbare Irrtümer sind, oder ob überhaupt, anders gefragt?
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Effô Tisetti Königsblau bis in den Tod
Anmeldungsdatum: 18.09.2003 Beiträge: 9920
Wohnort: 75
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(#1710430) Verfasst am: 07.12.2011, 18:27 Titel: |
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Vobro hat folgendes geschrieben: | Das sind nur zwei simple Beispiele, die andeuten, daß eigentlich unser gesamtes soziales Zusammenleben kaum möglich wäre, außer daß wir ständig auf Dinge vertrauen, die bei nüchterner Betrachtung nur sehr schwer zu begründen sind. |
Deine Beispiele sind schief. Wenn es für die Existenz von Engeln eine 50%ige Wahrscheinlichkeit gäbe, könnte die Annahme ihrer Existenz durchaus rational begründbar sein. Allein: Zeig mir mal die Rechnung dazu.
_________________ "Die einfache Formel: Jesus ist stärker! hilft Menschen, sich aus der Fixierung völlig irrationaler Wertesysteme zu lösen."
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1710442) Verfasst am: 07.12.2011, 19:11 Titel: |
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zelig hat folgendes geschrieben: | Noch ein Zitat aus den Grundsätzen der Bundeärztekammer zur Sterbebegleitung über die Mündigkeit jugendlicher Todgeweihter
Zitat: | Schwerstkranke und sterbende Kinder oder Jugendliche sind wahrheits- und altersgemäß zu informieren. ... |
http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/Sterbebegleitung_17022011.pdf
Eine 13jährige in dieser Situation kann durchaus bereits Einsicht und Reife erlangt haben, die unbeleckte Erwachsene nie ereichen werden. |
Dem stimme ich zu, und auch dem, was Naastika schrieb - also auch für geringeres Alter.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1710443) Verfasst am: 07.12.2011, 19:16 Titel: |
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Vobro hat folgendes geschrieben: | Um an dieser Stelle zurück zur Ausgangsfrage zurück zu kehren, wenn man als Argument gegen einen wie auch immer gearteten religiösen Glauben den Faktor der Irrationlität vorbringt, müßte man doch konsquenterweise das gesamte Leben ständig daraufhin untersuchen, wo man sich letztlich ebenso irrational verhalten, und alles aufgeben, was sich nicht absolut schlüssig rational begründen läßt? |
Im Prinzip ja, und das versucht die Wissenschaft. Es gibt aber zuweilen eine rationale Begründung dafür, sich irrational zu verhalten, z.B.
- wenn man mangels Wissen aus dem Bauch heraus entscheiden muß
- weil es manchmal Spaß macht
- weil man damit sein Gegenüber angenehm überraschen oder auch täuschen kann
- weil man die Wahrheit nicht erträgt (Verdrängung kann eine Therapie sein)
Im Bereich der seriösen Weltmodellierung jedoch ist heute mE nur noch die naturwissenschaftliche Methode akzeptabel.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Vobro Privatnachdenker
Anmeldungsdatum: 10.11.2011 Beiträge: 1024
Wohnort: Wuppertal
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(#1710454) Verfasst am: 07.12.2011, 19:35 Titel: |
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Effô Tisetti hat folgendes geschrieben: | Vobro hat folgendes geschrieben: | Das sind nur zwei simple Beispiele, die andeuten, daß eigentlich unser gesamtes soziales Zusammenleben kaum möglich wäre, außer daß wir ständig auf Dinge vertrauen, die bei nüchterner Betrachtung nur sehr schwer zu begründen sind. |
Deine Beispiele sind schief. Wenn es für die Existenz von Engeln eine 50%ige Wahrscheinlichkeit gäbe, könnte die Annahme ihrer Existenz durchaus rational begründbar sein. Allein: Zeig mir mal die Rechnung dazu. |
Zeig Du mir die Gegenrechnung, also den Gegenbeweis.
Aber ich habe ja jetzt von Engeln und der Geschichte des Mädchens nicht mehr geschrieben, sondern generell von Religiosität oder Religion.
Mich interessieren Argumente, oder Begründungen, die für oder gegen etwas sprechen, und die können wissenschaftlicher oder sehr persönlicher Art sein.
Das mit der Religion, also mit dem Glauben an Gott speziell, ist insofern interessant, als man immer wieder darüber nachdenken muß, wie sich innere Erlebniswirklichkeit mit der äußeren Wirklichkeit decken oder auch nicht, wobei zu berücksichtigen ist, daß wir alle, religiös oder nicht, aufgrund der subjektiven Wahrnehmung und dementsprechender Interpretation der Wirklichkeit niemals vollständige Objektivität zur Verfügung haben, aber das sollte in diesem Froum eigentlich jeder wissen.
Aber wenn es vernünftige Gründe gegen Religiosität gibt, oder den Glauben an Gott (egal in welcher Form) und gesagt wird, es genügt der Hinweis darauf, daß der religiöse Glaube irrational ist, dann müßte man dieses Argument auch auf alle anderen Lebensbereiche anwenden, alles andere wäre inkonsequent.
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Defätist auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 09.06.2010 Beiträge: 8557
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(#1710483) Verfasst am: 07.12.2011, 21:04 Titel: |
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Vobro hat folgendes geschrieben: | ....
Aber ich habe ja jetzt von Engeln und der Geschichte des Mädchens nicht mehr geschrieben, sondern generell von Religiosität oder Religion.
Mich interessieren Argumente, oder Begründungen, die für oder gegen etwas sprechen, und die können wissenschaftlicher oder sehr persönlicher Art sein.... |
Der Threadtitel ist ja aber weiterhin Glaube vs. Aberglaube, deshalb möchte ich, wie schon Alchemist u.a., für mich anmerken, dass ich die Begriffe nicht so klar gegeneinander abgrenzen kann, wie das religiöse Menschen evtl. vllt. gern sehen würden. Ganz klar zählt für mich aber auch jedwede andere Ideologie zum Glauben, auch wenn diese (und jetzt kommt der Querverweis zu deiner vorhergehenden Anmerkung) angeblich auf rationalen Begründungen basieren.
Ich halte jedweden Glauben an irgend etwas für irrational, da Glaube, Ideologie, Aberglaube sich nur durch Unvernunft abgrenzen. Was aber ist Vernunft?
Geht man von der Wiki-Definition aus, ist Vernunft:
Wikipedia hat folgendes geschrieben: | philosophischem Fachbegriff der die Fähigkeit des menschlichen Geistes bezeichnet, von einzelnen Beobachtungen und Erfahrungen auf universelle Zusammenhänge in der Welt zu schließen, deren Bedeutung zu erkennen und danach zu handeln – insbesondere auch im Hinblick auf die eigene Lebenssituation (vgl. Nous). Die Vernunft ist das oberste Erkenntnisvermögen, das den Verstand kontrolliert und diesem Grenzen setzt bzw. dessen Beschränkungen erkennt. Sie ist damit das wichtigste Mittel der geistigen Reflexion und das wichtigste Werkzeug der Philosophie. Dieses als Diskussionsgrundlage immer noch maßgebliche Verständnis von Vernunft steht in der Tradition der Philosophie Immanuel Kants.
Neben dieser menschlichen, subjektiven Vernunft (theoretische oder epistemologische Vernunft) nahmen einige Philosophen die Existenz einer objektiven Vernunft an; ein die Welt durchwaltendes und ordnendes Prinzip (metaphysische oder kosmologische Vernunft – Weltvernunft, Weltgeist, logos, Gott). Zu diesen Philosophen gehören z. B. Heraklit, Plotin und Hegel. Die Debatten um die Existenz oder Nichtexistenz einer solchen Weltvernunft und ihre eventuelle Beschaffenheit sind ein bedeutender Teil der Philosophiegeschichte.
Der Begriff „Verstand“ wird heute in Abgrenzung zur Vernunft dann verwendet, wenn ein Phänomen gesondert, abgetrennt von einem größeren Zusammenhang, betrachtet wird. | http://de.wikipedia.org/wiki/Vernunft
Nun sehe ich aber keinen großen Unterschied des Gehaltes dieser Definition zu einer anders gelagerten philosophischen Weltsicht mit Glaubensinhalten.
Es kommt doch immer auf den jeweiligen Betrachter an, wie er seine Umwelt und deren Zusammenhänge und Wechselwirkungen mit sich selbst wahrnimmt. Ist Vernunft also tatsächlich immer rational ( http://de.wikipedia.org/wiki/Rationalit%C3%A4t#Psychologie )?
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Vobro Privatnachdenker
Anmeldungsdatum: 10.11.2011 Beiträge: 1024
Wohnort: Wuppertal
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(#1710490) Verfasst am: 07.12.2011, 21:11 Titel: |
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Defätist hat folgendes geschrieben: | Vobro hat folgendes geschrieben: | ....
Aber ich habe ja jetzt von Engeln und der Geschichte des Mädchens nicht mehr geschrieben, sondern generell von Religiosität oder Religion.
Mich interessieren Argumente, oder Begründungen, die für oder gegen etwas sprechen, und die können wissenschaftlicher oder sehr persönlicher Art sein.... |
Der Threadtitel ist ja aber weiterhin Glaube vs. Aberglaube, deshalb möchte ich, wie schon Alchemist u.a., für mich anmerken, dass ich die Begriffe nicht so klar gegeneinander abgrenzen kann, wie das religiöse Menschen evtl. vllt. gern sehen würden. Ganz klar zählt für mich aber auch jedwede andere Ideologie zum Glauben, auch wenn diese (und jetzt kommt der Querverweis zu deiner vorhergehenden Anmerkung) angeblich auf rationalen Begründungen basieren.
Ich halte jedweden Glauben an irgend etwas für irrational, da Glaube, Ideologie, Aberglaube sich nur durch Unvernunft abgrenzen. Was aber ist Vernunft?
Geht man von der Wiki-Definition aus, ist Vernunft:
Wikipedia hat folgendes geschrieben: | philosophischem Fachbegriff der die Fähigkeit des menschlichen Geistes bezeichnet, von einzelnen Beobachtungen und Erfahrungen auf universelle Zusammenhänge in der Welt zu schließen, deren Bedeutung zu erkennen und danach zu handeln – insbesondere auch im Hinblick auf die eigene Lebenssituation (vgl. Nous). Die Vernunft ist das oberste Erkenntnisvermögen, das den Verstand kontrolliert und diesem Grenzen setzt bzw. dessen Beschränkungen erkennt. Sie ist damit das wichtigste Mittel der geistigen Reflexion und das wichtigste Werkzeug der Philosophie. Dieses als Diskussionsgrundlage immer noch maßgebliche Verständnis von Vernunft steht in der Tradition der Philosophie Immanuel Kants.
Neben dieser menschlichen, subjektiven Vernunft (theoretische oder epistemologische Vernunft) nahmen einige Philosophen die Existenz einer objektiven Vernunft an; ein die Welt durchwaltendes und ordnendes Prinzip (metaphysische oder kosmologische Vernunft – Weltvernunft, Weltgeist, logos, Gott). Zu diesen Philosophen gehören z. B. Heraklit, Plotin und Hegel. Die Debatten um die Existenz oder Nichtexistenz einer solchen Weltvernunft und ihre eventuelle Beschaffenheit sind ein bedeutender Teil der Philosophiegeschichte.
Der Begriff „Verstand“ wird heute in Abgrenzung zur Vernunft dann verwendet, wenn ein Phänomen gesondert, abgetrennt von einem größeren Zusammenhang, betrachtet wird. | http://de.wikipedia.org/wiki/Vernunft
Nun sehe ich aber keinen großen Unterschied des Gehaltes dieser Definition zu einer anders gelagerten philosophischen Weltsicht mit Glaubensinhalten.
Es kommt doch immer auf den jeweiligen Betrachter an, wie er seine Umwelt und deren Zusammenhänge und Wechselwirkungen mit sich selbst wahrnimmt. Ist Vernunft also tatsächlich immer rational ( http://de.wikipedia.org/wiki/Rationalit%C3%A4t#Psychologie )? |
Was hältst Du von der Aussage von Detlef Linke, Vernunft sei die Fähigkeit, "Einheit im Verstand zu stiften"? (Detlef Linke - Die Freiheit und das Gehirn - Eine neurophilosophische Ethik)
Zuletzt bearbeitet von Vobro am 08.12.2011, 02:48, insgesamt einmal bearbeitet |
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Tom der Dino registrierter User
Anmeldungsdatum: 20.07.2011 Beiträge: 3949
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(#1710491) Verfasst am: 07.12.2011, 21:17 Titel: |
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Vobro hat folgendes geschrieben: |
Aber wenn es vernünftige Gründe gegen Religiosität gibt, oder den Glauben an Gott (egal in welcher Form) und gesagt wird, es genügt der Hinweis darauf, daß der religiöse Glaube irrational ist, dann müßte man dieses Argument auch auf alle anderen Lebensbereiche anwenden, alles andere wäre inkonsequent. |
Genau. Deine Beispiele hinken ein klein wenig. Es ist nicht irrational am Straßenverkehr teilzunehmen. Genau genommen spricht eine Risikoabwägung für den täglichen Weg zur Arbeit. Auch eine Ehe ist vorteilhaft, nur sehr leicht wieder zu lösen.
Irrationalität bringt die Gefahr mit sich, übers Ohr gehauen zu werden. Man kann Menschen das Blaue vom Himmel lügen, wenn sie alles glauben. Rationale Schlüsse verringern dieses Risiko. Deswegen ist Irrationalität ein sehr gutes vernünftiges Argument.
_________________ Am Anfang war ......das Experiment.
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Defätist auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 09.06.2010 Beiträge: 8557
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(#1710497) Verfasst am: 07.12.2011, 21:21 Titel: |
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Vobro hat folgendes geschrieben: | ...
Was hältst Du von der Aussage von Detlef Linke, Vernunft sei die Fähigkeit, "Einheit im Verstand zu stiften"? (Detlef Linke - Die Freiheit und das Gehirn - Eine neurophilosophsische Ethik) |
Wenn ich den Text (das Buch?) lesen muss, um die Aussage in Kontext zu setzen ... nix.
Naja, ich meine, dass philosophische Betrachtungen nicht immer die notwendige begriffliche Klarheit hervor bringen, um Definitionen bilden zu können, die diese Begriffe ggü. anderen ebenso auf philosophischen Betrachtungen basierenden Begriffen abgrenzen können. Und genau das trifft mMn bei Rationalität und auch Vernunft zu. Wenn man diese philosophischen Betrachtungen erst in Buchform konsumieren muss, um zu der Erkenntnis zu gelangen, dass man das trotzdem noch sowohl als auch sehen kann, bringt das immer noch nix.
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26509
Wohnort: im Speckgürtel
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(#1710501) Verfasst am: 07.12.2011, 21:42 Titel: |
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Vobro hat folgendes geschrieben: | ....
Mich interessieren Argumente, oder Begründungen, die für oder gegen etwas sprechen, und die können wissenschaftlicher oder sehr persönlicher Art sein..... |
Ganz persönlich? Ich konnte als Kind schon nichts damit anfangen, weil ich es als Kleinkinderkram empfand. Uninteressant - die einzige diesbezügliche Neugier war immer, was das für Leute sind, die sowas glauben. Damit Du keine falschen Schlüsse ziehst: Meine Eltern waren beide religiös.
fwo
_________________ Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.
The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.
Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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Vobro Privatnachdenker
Anmeldungsdatum: 10.11.2011 Beiträge: 1024
Wohnort: Wuppertal
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(#1710559) Verfasst am: 08.12.2011, 02:18 Titel: |
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fwo hat folgendes geschrieben: | Vobro hat folgendes geschrieben: | ....
Mich interessieren Argumente, oder Begründungen, die für oder gegen etwas sprechen, und die können wissenschaftlicher oder sehr persönlicher Art sein..... |
Ganz persönlich? Ich konnte als Kind schon nichts damit anfangen, weil ich es als Kleinkinderkram empfand. Uninteressant - die einzige diesbezügliche Neugier war immer, was das für Leute sind, die sowas glauben. Damit Du keine falschen Schlüsse ziehst: Meine Eltern waren beide religiös.
fwo |
So ging es mir auch, ich bezeichne mich als religiös ungläubig von grundauf, habe schon sehr früh in der Grundschule, eigentlich bereits im Kindergarten, staunened mitbekommen, was bestimmte Leute, Religionslehrer, Pfarrer, etc., so alles als glaubhaft angesehen haben, ich habe lange gebraucht, um zu begreifen, daß Religion eben doch sehr viel mehr sein kann, als eine reine Märchenstunde.
Deshalb ist für mich nicht entscheidend, was jemand glaubt oder nicht glaubt, sondern welche Bedeutung es jeweils hat. Wenn jemand sagt, er glaubt in einer bestimmten Weise an Gott, sagt das ja nichts über Gott aus, sehr wohl aber etwas über den Menschen, ebenso wenn jemand an nichts dergleichen glaubt.
Äußerlich gleich klingende Glaubensaussagen können natürlich sehr unterschiedliche Hintergründe haben, und nur die sind für mich interessant.
Ich werde morgen noch etwas schreiben zum Thema Glauben, aus einem ganz anderen Zusammenhang heraus, heute ist es zu spät.
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26509
Wohnort: im Speckgürtel
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(#1710586) Verfasst am: 08.12.2011, 09:58 Titel: |
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Vobro hat folgendes geschrieben: | ....
So ging es mir auch, ich bezeichne mich als religiös ungläubig von grundauf, habe schon sehr früh in der Grundschule, eigentlich bereits im Kindergarten, staunened mitbekommen, was bestimmte Leute, Religionslehrer, Pfarrer, etc., so alles als glaubhaft angesehen haben, ich habe lange gebraucht, um zu begreifen, daß Religion eben doch sehr viel mehr sein kann, als eine reine Märchenstunde. .... |
Mach dir nichts draus, nicht alle diese Fälle sind therapieresistent - im Prinzip bist Du hier schon richtig.
fwo
_________________ Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.
The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.
Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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Naastika RL rulez<->auf Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 23.11.2003 Beiträge: 6100
Wohnort: an der Fütterungsstelle der Eichhörnchen
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(#1710614) Verfasst am: 08.12.2011, 12:13 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | zelig hat folgendes geschrieben: | Noch ein Zitat aus den Grundsätzen der Bundeärztekammer zur Sterbebegleitung über die Mündigkeit jugendlicher Todgeweihter
Zitat: | Schwerstkranke und sterbende Kinder oder Jugendliche sind wahrheits- und altersgemäß zu informieren. ... |
http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/Sterbebegleitung_17022011.pdf
Eine 13jährige in dieser Situation kann durchaus bereits Einsicht und Reife erlangt haben, die unbeleckte Erwachsene nie ereichen werden. |
Dem stimme ich zu, und auch dem, was Naastika schrieb - also auch für geringeres Alter. |
Ähhh... Dann habe ich mich unklar ausgedrückt.
Ich wollte eigentlich zum Ausdruck bringen, dass im Falle einer 13-Jährigen alleine die Eltern entscheiden dürfen, das Kind hat kein juristisch relevantes Mitentscheidungsrecht.
Ich habe ferner geschrieben, dass mMn eine Pflicht der Eltern besteht, sich für eine ärzliche Behandlung zu entscheiden. Fall sie es nicht tun, würde uU ihr Sorgerecht teilwesei entzogen und an ihrer statt entsprechende Willenserklärung (Einwillugung in die ärzliche Behandlung) durch einen gerichtlich eingesertzten Betreuer abgegeben werden.
Die Richtlichen der Ärztekammer deuten in die selbe Richtung, da sie das entscheidungsrelevante Alter bei 16 ansetzen.
Im ehrlich zu sein: Ich halte diese ganze rührselige Geschichte für ein Internet-Märchen.....
Ich wüßte wirklich gerne, in welchem Land eine 13-Jährige über das Ob und Wie der ärtzlichen Behandlung alleine entscheiden kann....
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1710625) Verfasst am: 08.12.2011, 13:44 Titel: |
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Naastika hat folgendes geschrieben: | Ich wollte eigentlich zum Ausdruck bringen, dass im Falle einer 13-Jährigen alleine die Eltern entscheiden dürfen, das Kind hat kein juristisch relevantes Mitentscheidungsrecht.
Ich habe ferner geschrieben, dass mMn eine Pflicht der Eltern besteht, sich für eine ärzliche Behandlung zu entscheiden. Fall sie es nicht tun, würde uU ihr Sorgerecht teilwesei entzogen und an ihrer statt entsprechende Willenserklärung (Einwillugung in die ärzliche Behandlung) durch einen gerichtlich eingesertzten Betreuer abgegeben werden.
Die Richtlichen der Ärztekammer deuten in die selbe Richtung, da sie das entscheidungsrelevante Alter bei 16 ansetzen. |
Ach so. Ja, dann entspricht die Rechtssprechung hier nicht meinem Empfinden.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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zelig Kultürlich
Anmeldungsdatum: 31.03.2004 Beiträge: 25405
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(#1710626) Verfasst am: 08.12.2011, 13:56 Titel: |
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Naastika hat folgendes geschrieben: |
Die Richtlichen der Ärztekammer deuten in die selbe Richtung, da sie das entscheidungsrelevante Alter bei 16 ansetzen. |
Nein. Um es genau festzuhalten, bei 16jährigen setzt man die Entscheidungsfähigkeit im Regelfall voraus, bei jüngeren soll die Entscheidungsfähigkeit geprüft werden.
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Höhlenbär saisonaler Einzelgänger
Anmeldungsdatum: 04.03.2007 Beiträge: 147
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(#1710629) Verfasst am: 08.12.2011, 15:12 Titel: |
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Naastika hat folgendes geschrieben: |
Im ehrlich zu sein: Ich halte diese ganze rührselige Geschichte für ein Internet-Märchen..... |
Wieso Internet? Ich halte diese Geschichte für eines der ältesten Märchen überhaupt. Es würde mich nicht wundern, wenn bereits die Urchristen Roms noch vor Niederschrift des NTs mit ihm ihre heidnischen Nachbarn milde gestimmt hätten. Nur die Namen des Mädchens, des paradiesischen Nachlebens und der Krankheit werden aktualisiert...
_________________ Macht ist geil. Humor ist Pflicht. Skepsis ist eine Tugend.
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Heizölrückstoßabdämpfung Hedonist

Anmeldungsdatum: 26.07.2007 Beiträge: 17543
Wohnort: Stralsund
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(#1710687) Verfasst am: 08.12.2011, 20:25 Titel: |
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zelig hat folgendes geschrieben: | Ich denke in der geschilderten Situation, gleichgültig ob sie real ist oder nicht, geht es auch um das schmerzhafte Abschiednehmen, die Durchtrennung einer Bindung, die man mit keinen diesseitigen Mitteln verhindern kann. Und es hat sich in einer konkreten Situation niemand ein Urteil darüber zu bilden, ob die Hoffnung auf den jenseitigen Fortbestand berechtigt ist oder nicht. |
Selbstverständlich bilde ich mir ein Urteil in einer derartigen Situation, nur würde ich nicht darüber sprechen. Ich finde eh, dass es in solchen Fällen nicht viel zu sagen gibt. Sowas geht immer mit extremen Gefühlslagen einher, sodass es mMn nur hinterher möglich ist, rational darüber zu diskutieren.
Zitat: | Hat jemand von euch schon schon einmal das Leiden verwaister Eltern erlebt? |
Ja.
_________________ „Wer in einem gewissen Alter nicht merkt, daß er hauptsächlich von Idioten umgeben ist, merkt es aus einem gewissen Grunde nicht.“ Curt Goetz
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Naastika RL rulez<->auf Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 23.11.2003 Beiträge: 6100
Wohnort: an der Fütterungsstelle der Eichhörnchen
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(#1710773) Verfasst am: 09.12.2011, 10:47 Titel: |
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zelig hat folgendes geschrieben: | Naastika hat folgendes geschrieben: |
Die Richtlichen der Ärztekammer deuten in die selbe Richtung, da sie das entscheidungsrelevante Alter bei 16 ansetzen. |
Nein. Um es genau festzuhalten, bei 16jährigen setzt man die Entscheidungsfähigkeit im Regelfall voraus, bei jüngeren soll die Entscheidungsfähigkeit geprüft werden. |
Und diese Prüfung würden schon die Ärzte selbst veranlassen, um keine strafrechtliche Probleme wegen Unterlassen einer gebotener Behandlung zu riskieren, und zwar bereits wenn die Eltern eine solche ablehen.
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Vobro Privatnachdenker
Anmeldungsdatum: 10.11.2011 Beiträge: 1024
Wohnort: Wuppertal
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(#1710789) Verfasst am: 09.12.2011, 12:38 Titel: |
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Naastika hat folgendes geschrieben: | zelig hat folgendes geschrieben: | Naastika hat folgendes geschrieben: |
Die Richtlichen der Ärztekammer deuten in die selbe Richtung, da sie das entscheidungsrelevante Alter bei 16 ansetzen. |
Nein. Um es genau festzuhalten, bei 16jährigen setzt man die Entscheidungsfähigkeit im Regelfall voraus, bei jüngeren soll die Entscheidungsfähigkeit geprüft werden. |
Und diese Prüfung würden schon die Ärzte selbst veranlassen, um keine strafrechtliche Probleme wegen Unterlassen einer gebotener Behandlung zu riskieren, und zwar bereits wenn die Eltern eine solche ablehen. |
Es sollte ja hier eher im Glauben oder Abrglauben gehen, inwiewit es sinnvoll sein kann, bestimmte Dinge für glaubhaft zu halten, oder auch nicht.
Zu der Doku kann ich nur sagen, ich weiß nicht, wann sie gedreht wurde, ich war auch nicht dabei, aber es war eine Produktion eines dritten Programms, keine dieser Trash-Dokus, die als sogenannte RealityDoku allesamt mehr oder weniger frei erfunden sind.
Natürlich hatte die Familie viel Beratung und Betreuung, sowohl von den betreuenden Ärzten, dem örtlichen Sozialdienst und auch einer Betreuerin aus einem Kinder- und Jugendhospiz.
Es ist doch gut, daß es bei einer solchen Diagnose und Prognose nicht um jeden Preis darum geht, gegen den Willen eines Patienten vielleicht noch ein paar Monate Lebenszeit herbei zu therapieren, vor allem da wohl auch nicht jeder sich klar machen kann, was das u.U. bedeuten kann. Soll man jetzt ein 13- oder 14- jähriges Mädchen in Handschellen in den OP transportieren, um einen Hirntumor zu operieren, der so gelegen ist, daß die OP voraussichtlich noch mehr Schaden anrichten würde? Oder man fesselt ein solches Mädchen alle paar Tage ans Bett und verabreicht ihr eine Zwangs-Chemotherapie, mit all den Nebenwirkungen, und hat am Ende vielleicht ein halbes Jahr gewonnen - das kann ja wohl keiner ernsthaft verlangen. Es gibt nun einmal Diagnosen, die erst im sehr fortgeschrittenen Stadium gestellt werden können, und dann muß man sehr sorgfältig abwägen, wie groß die Chancen einer Therapie überhaupt sind, aber auch die Risiken und Nebenwirkungen berücksichtigen. Für unrealistische Tagträumerei ist da wenig Raum. Wer das nicht glaubt, kann sich ja mal in der sogenannten Palliativmedizin umschauen, oder mal ein Kinderhospiz besuchen.
Ich war selber mal Krebspatient vor jetzt inzwischen acht Jahren, hatte meine Diagnose im September 2003, ich weiß durchaus wovon ich rede.
Mir selber bieten religiöse Hofnungen keinerlei Trost, da ich eben in keinster Weise religiös gläubig bin, das hat sich auch während der Krankheit nicht geändert, was aber nicht heißt, daß ich auf alles verächtlich schaue, was ich selber nicht empfinde oder empfinden kann, oder mich darüber lustig machen würde. Wie tragfähig religiöse Empfindungen wirklich sind, zeigt sich für religiöse Menschen ja erst in wirklich tragischen Lebenssituationen, und ich habe durchaus mitbekommen, daß so mancher in einer solchen Situation seinen Glauben auch verloren hat, andere, die mit Glauben und Religion nichts zu tun hatten, fanden plötzlich dennoch Trost im Gebet und in religiösen Hoffnungen, und es ist sehr vermessen, das von Außen zu bewerten oder gar abzuwerten, nur weil man es selber nicht verstehen oder nachvollziehen kann.
Wie auch immer man das betrachtet, klar ist, daß eine sehr rigide Totalablehnung von Religiosität nicht weniger borniert ist, wie der "Kampf gegen den Atheismus "seitens der Religionsvertreter.
Wogegen ich mich jedenfalls wehre, ist die reine Oberflächenbetrachtung, da es für jede Form des Glaubens ganz indivuduelle Beweggründe gibt, die können sehr sinnnvoll und tragfähig sein, indem sie die Individualität und Personwerdung stützen, sie können natürlich auch schädlich sein, indem sie auf falschen Identifikationen beruhen.
Neulich habe ich eine Frau kennengelernt, die sich mit Quantenheilung beschäftigt und ernsthaft glaubt, daß es irgendwo in Rußland und Asien Menschen gibt, die "geistig so weit entwickelt sind", daß sie in der Lage sind, in kurzer Zeit Organe und sogar Zähne nachwachsen zu lassen... - Noch gestern in der S-Bahn hörte ich, wie sich zwei Frauen darüber unterhielten, daß man nur wirklich gesund sein oder werden kann, wenn man der immer wieder neu sich inkarnierenden Seele nachspürt, um Verletzungen aus früheren Leben aufzudecken und im jetzigen Dasein zu heilen...
Das sind Formen des Aberglaubens, die ich natürlich auch lächerlich bis fast schon peinlich finde, ist doch ganz klar, aber was hilft es, sich darüber lustig zu machen. Und würde man versuchen, solchen Menschen diesen Unfug auf der Basis von Vernunftargumenten auszureden, erreicht man womöglich eher das Gegenteil.
Dennoch ist für mich nicht jeder religiöse Glaube Aberglaube, denn es geht um die innere Erlebniswirklichkeit. Eine Gotteserfahrung, die sehr tiefgreifend sein kann, egal worauf sie nun beruht und wie sie sich äußert, ist etwas vollkommen anderes, als der Glaube daran, daß irgendwo Leute kraft ihres Geistes Zähne nachwachsen lassen können oder es Formen von Seelenwanderung gibt.
Es gibt ein schönes Beispiel aus der Ornithologie, um zu verdeutlichen, worum es ursprünglich geht. Vor vielen Jahren hat man im Zeiss-Planetarium bei Versuchen mit Mönchsgrasmücken herausgefunden, daß die in Gefangenschaft gezüchteten Jungvögel im Abstand von ca. zwei Wochen zu frei lebenden Artgenossen in Flugunruhe gerieten und ohne je den Sternenhimmel gesehen, oder irgendeine Belehrung darüber erfahren zu haben, sich bei ihrem Flug nach Süden instinktiv an bestimmten Sternbildern orientierten. Nun könnte man sich vorstellen, daß unter den Mönchsgrasmücken ein Skeptiker wäre, der den anderen erklären würde, daß es in Wahrheit gar keine Sternbilder gibt, sondern lediglich Lichtsignale von längst untergegangen Sternen die in einer relativen Konstanz und Konfiguration vor dem Wirbeltierauge bestimmte Muster erzeugen, die als Sternbilder interpretiert werden - ein durchaus vernünftiges Argument. Wenn die Mönchsgrasmücken aber wirklich vernünftig wären, würden sie dem Skeptiker sagen, es ist uns vollkommen gleichgültig, ob es diese Sternbilder tatsächlich gibt oder nicht, aber was wir da wahrnehmen, brauchen wir dringend, um nach Süden zu gelangen.
Es ist hier wohlgemerkt nicht von verfaßten Religionen die Rede, von dümmlicher Bibelfrömmigkeit oder Formen von Religiosität, die auf bestimmten Überidentifikationen beruhen, die psychologisch äußerst fragwürdig sind. Der ursprüngliche Sinn von Religion liegt darin, daß es bestimmte Bilder gibt, die tief verankert sind im Limbischen System und subjektiv äußerst wahr und nützlich sein können, auch wenn sie sich rein rational objektiv scheinbar nicht begründen lassen.
Was ich allerdings auch oft nicht verstehe, ist die offenbar enorme Instrumentalisierbarkeit von Religion, und ihre Neigung, sich sozusagen missionarisch fort zu zeugen, aber das ist kein Spezifikum der Religionen, das gibt es überall dort, wo Menschen zu Fanatismus und Überidentifikation neigen. Bestimmte sehr schädliche sozialpsychologische Motive sind auch außerhalb der Religion wirksam, insofern ist die These, ob die Welt ohne Religion wirklich besser wäre, nicht ohne weiteres zu begründen.
Missionarischen Eifer, Aberglaube und viele Formen von Geistesschlichtheit gibt es auch ohne Religion, oder will das irgendwer ernsthaft bezweifeln?
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Kramer postvisuell
Anmeldungsdatum: 01.08.2003 Beiträge: 30878
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(#1710794) Verfasst am: 09.12.2011, 13:13 Titel: |
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Vobro hat folgendes geschrieben: | Wie auch immer man das betrachtet, klar ist, daß eine sehr rigide Totalablehnung von Religiosität nicht weniger borniert ist, wie der "Kampf gegen den Atheismus "seitens der Religionsvertreter. |
Vielleicht ist das Dir nicht aufgefallen, aber Dein Urteil über die Rigidität anderer kommt schon sprachlich nicht weniger rigide daher, als die Ansichten, die Du kritisierst. "Wie auch immer man das betrachtet, klar ist..." - was heisst das anderes als: "So wie ich es sehe, muss man es sehen, andere Standpunkte sind da gar nicht möglich, das ist doch klar"? Blitzt da hinter Deinem Aufruf zur Toleranz vielleicht ein Fünkchen Intoleranz hervor?
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Fake auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 11.11.2011 Beiträge: 3548
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(#1710815) Verfasst am: 09.12.2011, 15:06 Titel: |
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Vobro hat folgendes geschrieben: | Missionarischen Eifer, Aberglaube und viele Formen von Geistesschlichtheit gibt es auch ohne Religion, oder will das irgendwer ernsthaft bezweifeln? |
Stimmt, auf ein Übel mehr oder weniger in der Welt kommt es wirklich nicht an.
Warum sollte man Krebs heilen wollen? Es gibt doch noch so viele andere Krankheiten an denen man sterben kann...
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vrolijke Bekennender Pantheist

Anmeldungsdatum: 15.03.2007 Beiträge: 46732
Wohnort: Stuttgart
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(#1710818) Verfasst am: 09.12.2011, 15:14 Titel: |
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Bei den Atheisten verhällt es sich wie bei den Nichtraucher.
Die schlimmsten sind die, die früher selber <s>geglaubt</s> gequalmt haben wie die Verrückten.
Das nennt man <s>glaubens</s> Suchtverlagerung.
_________________ Glück ist kein Geschenk der Götter; es ist die Frucht der inneren Einstellung.
Erich Fromm
Sich stets als unschuldiges Opfer äußerer Umstände oder anderer Menschen anzusehen ist die perfekte Strategie für lebenslanges Unglücklichsein.
Grenzen geben einem die Illusion, das Böse kommt von draußen
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astarte Foren-Admin

Anmeldungsdatum: 13.11.2006 Beiträge: 46545
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(#1710852) Verfasst am: 09.12.2011, 17:03 Titel: |
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vrolijke hat folgendes geschrieben: | Bei den Atheisten verhällt es sich wie bei den Nichtraucher.
Die schlimmsten sind die, die früher selber <s>geglaubt</s> gequalmt haben wie die Verrückten.
Das nennt man <s>glaubens</s> Suchtverlagerung. |
Aha, bei denen (allen) ist das so?
<s>grausige</s> grobe Verallgemeinerungen sind immer falsch.
_________________ Tja
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vrolijke Bekennender Pantheist

Anmeldungsdatum: 15.03.2007 Beiträge: 46732
Wohnort: Stuttgart
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(#1710877) Verfasst am: 09.12.2011, 19:37 Titel: |
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astarte hat folgendes geschrieben: | vrolijke hat folgendes geschrieben: | Bei den Atheisten verhällt es sich wie bei den Nichtraucher.
Die schlimmsten sind die, die früher selber <s>geglaubt</s> gequalmt haben wie die Verrückten.
Das nennt man <s>glaubens</s> Suchtverlagerung. |
Aha, bei denen (allen) ist das so?
<s>grausige</s> grobe Verallgemeinerungen sind immer falsch. |
Ich korigiere mich:
Es kommt sehr häufig vor daß es sich: vrolijke hat folgendes geschrieben: | Bei den Atheisten verhällt (es sich) wie bei (den) vielen Nichtraucher. |
In vielen Fällen sind vrolijke hat folgendes geschrieben: | Die schlimmsten (sind) die, die früher selber <s>geglaubt</s> gequalmt haben wie die Verrückten.
Das nennt man <s>glaubens</s> Suchtverlagerung. |
So kann mans stehen lassen.
_________________ Glück ist kein Geschenk der Götter; es ist die Frucht der inneren Einstellung.
Erich Fromm
Sich stets als unschuldiges Opfer äußerer Umstände oder anderer Menschen anzusehen ist die perfekte Strategie für lebenslanges Unglücklichsein.
Grenzen geben einem die Illusion, das Böse kommt von draußen
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Vobro Privatnachdenker
Anmeldungsdatum: 10.11.2011 Beiträge: 1024
Wohnort: Wuppertal
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(#1711000) Verfasst am: 10.12.2011, 12:56 Titel: |
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Fake hat folgendes geschrieben: | Vobro hat folgendes geschrieben: | Missionarischen Eifer, Aberglaube und viele Formen von Geistesschlichtheit gibt es auch ohne Religion, oder will das irgendwer ernsthaft bezweifeln? |
Stimmt, auf ein Übel mehr oder weniger in der Welt kommt es wirklich nicht an.
Warum sollte man Krebs heilen wollen? Es gibt doch noch so viele andere Krankheiten an denen man sterben kann... |
Also ist Religion, bzw., auf der Ebene des Einzelnen, Religiosität prinzipiell als ein Übel zu berachten?
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Vobro Privatnachdenker
Anmeldungsdatum: 10.11.2011 Beiträge: 1024
Wohnort: Wuppertal
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(#1711001) Verfasst am: 10.12.2011, 13:01 Titel: |
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Kramer hat folgendes geschrieben: | Vobro hat folgendes geschrieben: | Wie auch immer man das betrachtet, klar ist, daß eine sehr rigide Totalablehnung von Religiosität nicht weniger borniert ist, wie der "Kampf gegen den Atheismus "seitens der Religionsvertreter. |
Vielleicht ist das Dir nicht aufgefallen, aber Dein Urteil über die Rigidität anderer kommt schon sprachlich nicht weniger rigide daher, als die Ansichten, die Du kritisierst. "Wie auch immer man das betrachtet, klar ist..." - was heisst das anderes als: "So wie ich es sehe, muss man es sehen, andere Standpunkte sind da gar nicht möglich, das ist doch klar"? Blitzt da hinter Deinem Aufruf zur Toleranz vielleicht ein Fünkchen Intoleranz hervor? |
Natürlich fällt mir das auf, und ich denke auch über meine Einstellungen zu den Dingen immer wieder gründlich nach.
Solche Aussagen sind eh in sich widersprüchlich, denn wenn ich rigide Haltungen rigide ablehne, müßte ich meine eigene rigide Haltung auch ablehnen...
Du kennst sicher den Satz, daß die Toleranz nie soweit gehen darf, daß Intoleranz toleriert wird, das aber impliziert eine intolerante Haltung gegenüber Intoleranz...
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Rohrspatz grobsinnig und feinschlächtig
Anmeldungsdatum: 25.12.2007 Beiträge: 3877
Wohnort: NRW
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(#1711028) Verfasst am: 10.12.2011, 17:04 Titel: |
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Vobro hat folgendes geschrieben: | Der ursprüngliche Sinn von Religion liegt darin, daß es bestimmte Bilder gibt, die tief verankert sind im Limbischen System und subjektiv äußerst wahr und nützlich sein können, auch wenn sie sich rein rational objektiv scheinbar nicht begründen lassen. |
(von mir gefettet)
Woher hast du das? Was genau meinst du damit?
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1711029) Verfasst am: 10.12.2011, 17:08 Titel: |
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In der Tat können bestimmte Erfahrungen entstehen, z.B. Entgrenzungsillusionen, wenn bestimmte Integrationsleistungen des Gehirns temporär ausgesetzt werden, etwa durch kultische oder meditative Praktiken, Tanz oder Drogen.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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