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43-Jährige lässt sich euthanasieren - die Christen sind empört
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Ist die aktive Sterbehilfe bei der 43-jährigen Carine moralisch gerechtfertigt?
Ja, vollkommen
92%
 92%  [ 53 ]
Nein, überhaupt nicht
1%
 1%  [ 1 ]
Nein, nur passive Sterbehilfe wäre in Ordnung
1%
 1%  [ 1 ]
Mir doch egal
3%
 3%  [ 2 ]
Stimmen insgesamt : 57

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Darwin Upheaval
Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator



Anmeldungsdatum: 23.01.2004
Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden

Beitrag(#1699976) Verfasst am: 29.10.2011, 00:13    Titel: Antworten mit Zitat

Telliamed hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit ereignete sich in Belgien eine Weltpremiere: Ärzte leisteten bei einer 43 Jahre alte Patientin auf deren Wunsch hin aktive Sterbehilfe. Sofort danach entnahmen andere Mediziner ihr die Nieren, die Leber und die Bauchspeicheldrüse/
Es folgt die Darlegung der Probleme, die sich bei der Herausnahme des Herzens zu diesem Zeitpunkt ergeben.

Es ist nicht nur die Art der Berichterstattung, die einen nachdenklich werden lässt.
Handelt es sich wirklich um eine "Weltpremiere"? Ärztliche Hilfe in solchen Fällen hat es schon vielfach gegeben, juristische Sanktionen folgten oder fehlten.

Ist es das von mir Gefettete, das @zelig bei dieser Meldung ebenfalls nachdenklich werden lässt? Die Schnelligkeit der Organentnahme - medizinisch ist sie sicher notwendig, aber denkt man nicht an kommerzielle Interessen im Hintergrund? (Warteschleifen)


Ich sehe hier kein unmittelbares ethisches Problem; zudem wird hier die Debatte auf ein Nebengleis verlagert: Die Betroffene und ihre Familie waren einverstanden mit der Organentnahme, und der Entnahmezeitpunkt ist medizinisch festgelegt. Das Ärzteteam, das den Sterbeprozess einleitete, war ein anderes als das, welches die Organe entnahm. Von kommerziellen Interessen kann überhaupt keine Rede sein, und von dem Tod der Frau konnten mehrere Menschenleben gerettet werden.

Telliamed hat folgendes geschrieben:
Sollte jedoch eine andere Person mit der Umsetzung des Sterbewunsches beauftragt werden, so wären viele Dinge abzuwägen, und in jedem Einzelfall müssen noch andere Momente berücksichtigt werden.
Da sind - wie schon erwähnt - Mißbrauch und der aufgebaute Druck. Ohnehin weiß man, daß mehr oder weniger verhüllt der Kostenfaktor ins Spiel gebracht wird.


Das sind immer die gleichen, abgedroschenen, keineswegs stichhaltigen Argumente der Sterbehilfegegner...

Das strenge Reglement, etwa das von Dignitas, lässt einer wie auch immer gearteten externen Beeinflussung der Sterbewilligen keinen Raum. Im Gegenteil, dem ärztlich begleiteten Suizid stehen hohe Hürden im Weg [Edit: Vgl. z.B. das Niederländische Euthanasiegesetz von 2002.] Demnach müssen zwei Ärzte unabhängig voneinander a.) ein hoffnungslose oder unheilbare Krankheit, unerträgliche Schmerzen oder eine unzumutbare Behinderung diagnostizieren, b.) sich sicher sein, dass sich der Sterbewillige im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte befindet, was impliziert, dass c.) keine psychischen Erkrankungen vorliegen dürfen. Schließlich muss der suizidale Patient über Alternativen aufgeklärt werden, und er hat auf Nachfrage mehrmals eindeutig seinen Sterbewunsch zu erklären. Gibt es auch nur leise Zweifel daran, dass dieser Wunsch nicht aus freien Stücken geäußert wird, gibt es keinen begleiteten Suizid. Es ist nicht davon auszugehen, dass sich dieser Regelung etwas ändern würde, wäre die aktive Sterbehilfe hierzulande legitim.

Telliamed hat folgendes geschrieben:
Sodann die Frage, inwieweit der Bewußtseinszustand überhaupt eine "freie Entscheidung" zulässt. Von Depressionen war bereits die Rede.


Wie gesagt, dieser Faktor wird explizit ausgeschlossen - zumindest in Ländern, wo Sterbehilfe heute gesetzlich toleriert wird. Da die Regierungen in Europa diesbezüglich sehr konservativ sind, sehe ich keine Gefahr eines Dammbruchs.

Telliamed hat folgendes geschrieben:
Der Zeitfaktor ist zu berücksichtigen - manche fühlen einen enormen Zeitdruck aufgebaut,


So ein Quatsch. Die suizidalen Patienten bauen in der Regel selbst diesen Druck auf. Es kommt leider noch immer noch viel zu häufig vor, dass Dignitas Patienten wegsterben, weil der Suizid nicht rechtzeitig genehmigt wird.

Telliamed hat folgendes geschrieben:
@esme hat es angesprochen: der große psychische Druck, der auf denen lastet, die den Wunsch umsetzen. Das ist ja nicht nur die Drohung mit der Justiz, bei manchen Todkrank-Geglaubten kam es überraschend wieder zu einer Besserung.


Die Ärzte haben doch genügend Sachverstand um zu erkennen, wenn eine Heilung so gut wie ausgeschlossen ist. Veterinärmediziner tun auch alles, was in ihrer Macht steht, um den geliebten Haustieren zu helfen, aber wenn die Bemühungen aussichtslos sind, gebietet es der Hypokratessche Eid, Leiden wo nötig zu verkürzen. Man kann natürlich immer auf ein Wunder hoffen, aber Ärzte sind keine Heilsversprecher. Wenn die Praxis der aktiven Sterbehilfe auf eine ähnlich sichere, rechtliche Grundlage gestellt würde, entfiele also in der Regel auch der psychische Druck - sofern dem nicht irgendwelche religiösen Ideologien vorgelagert sind.

Ich bleibe dabei: Die meisten Einwände gegen eine aktive oder passive Sterbehilfe basieren auf einer religiösen Ethik und nicht auf einer rational-humanistischen.
_________________
"Science is a candle in the dark." - Carl Sagan

www.ag-evolutionsbiologie.de
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wesen
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Anmeldungsdatum: 10.03.2011
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Beitrag(#1699991) Verfasst am: 29.10.2011, 01:04    Titel: Re: 43-Jährige lässt sich euthanasieren - die Christen sind empört Antworten mit Zitat

Ich denke, Carine hatte - wie es jeder Mensch haben sollte - das Recht, über ihren Tod zu bestimmen. Und da sie ihre Organe - aus eigenem Antrieb - spenden wollte, sehe ich auch kein Problem im Vorgehen der Ärzte.

Nachvollziehen kann ich ihren Wunsch - natürlich - nicht; ich bin nicht in ihrer Situation.

Der in Zeit-Artikel beschriebene Fall der nicht mehr selbstbestimmungsfähigen, an Alzheimer erkrankten alten Dame zeigt aber, dass zumindest in Belgien nicht ausgeschlossen werden kann, dass Angehörige ihre kranken Verwandten "entsorgen". Ich befürchte, diese Gefahr kann generell nicht ausgeschlossen werden.

Dieser Post eines ALS-Kranken, der am kommenden Montag sein Leben beenden (lassen) will, sagt unter anderem aus, dass einer seiner drei Beweggründe "Ich wollte nie, dass meine Frau ihr Leben aufgibt oder ihre Autonomie mir opfert, ich dachte immer an ihr Leben nach meinem unvermeidlichen Tod" ist. Und so legitim ich seinen Plan finde, so sehr fürchte ich, dass ich selbst, wäre ich in vergleichbarer Lage, durch sein Beispiel Druck spüren würde, mich meinen Angehörigen nicht länger zumuten zu dürfen.


Alchemist hat folgendes geschrieben:
Ich hätte jedenfalls keine Lust bei geistiger Gesundheit in einem völlig kaputten Körper zu...ja, vegetieren ist das richtige Wort.
Das wäre für mich nicht lebenswert....

Ich kann so eine Aussage für mich selbst nicht treffen und denke, dass ich erst zu einer klaren Meinung käme, wenn ich selbst in so einer Situation wäre. Das übersteigt schlicht mein Vorstellungsvermögen. Und momentan denke ich, dass ich einfach sehr am Leben hänge.
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Darwin Upheaval
Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator



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Beitrag(#1699995) Verfasst am: 29.10.2011, 01:25    Titel: Re: 43-Jährige lässt sich euthanasieren - die Christen sind empört Antworten mit Zitat

wesen hat folgendes geschrieben:
Der in Zeit-Artikel beschriebene Fall der nicht mehr selbstbestimmungsfähigen, an Alzheimer erkrankten alten Dame zeigt aber, dass zumindest in Belgien nicht ausgeschlossen werden kann, dass Angehörige ihre kranken Verwandten "entsorgen". Ich befürchte, diese Gefahr kann generell nicht ausgeschlossen werden.


Edit: Ein Missbrauch kann natürlich nie 100%ig ausgeschlossen werden, das ist schon klar. Absolute Sicherheit gibt es nirgendwo. Aber gerade der ZEIT-Artikel beschreibt doch sehr eindrucksvoll, wie extrem hoch die Hürden sind, die genommen werden müssen, bevor eine Euthanasie-Anfrage Erfolg haben kann. Und der Alzheimer-Fall, den Du beschreibst, wird hier auch anders (im positiven Sinn) geschildert:

Die Zeit hat folgendes geschrieben:
So starb 2008 der international angesehene Schriftsteller Hugo Claus durch eine tödliche Injektion, weil er das Fortschreiten seiner Alzheimer-Erkrankung nicht erleben wollte. Das Töten ist bei einem Patienten, der nicht im Sterben liegt, allerdings an besonders strenge formale Vorgaben gebunden. Er muss entscheidungsfähig sein, unerträglich leiden, ohne Aussicht auf Besserung, und seinen Sterbewunsch wiederholt äußern. Und all das muss von drei Ärzten geprüft werden – bei Sterbenskranken nur von zwei [...]

Cras, der Neurologe, zählte bei Carine nicht zu den Gutachtern. Doch als Vorsitzender der Antwerpener Ethikkommission und als Arzt, der die junge Frau tötete, kennt er ihren Fall. Im Gespräch mit der ZEIT betont er, dass bei Schlaganfallopfern wie Carine ausreichend Zeit zwischen dem Krankheitsereignis und der Euthanasieentscheidung liegen müsse. Nicht nur weil sich der Patient körperlich weiter erholen könne und seine Entscheidung dann womöglich revidiere. »Es geht auch um die psychologische Anpassung an diese neue Situation.« Nach Cras’ Überzeugung hatte Carine ausreichend Zeit, sich an ihre Lage zu gewöhnen. Mindestens drei oder vier Jahre Rehabilitation habe sie gehabt. »Wir würden niemals weitermachen mit einer Euthanasieanfrage, wenn jemand etwa einen Schlaganfall hatte und dann nach drei Monaten um Euthanasie nachfragte.« Aber nach einem Jahr vielleicht? »Auch nicht nach einem Jahr, da bin ich sehr sicher.«
[...]

Selbstverständlich komme es auch vor, dass er eine Euthanasieanfrage ablehne. Etwa im Fall jener dementen alten Frau, die von ihrer Familie zu ihm gebracht wurde, damit er sie töten solle, wie sie es eineinhalb Jahre zuvor in einer Patientenverfügung gewünscht hatte. De Deyn fragt die alte Frau, wie es ihr gehe. Gut, antwortet sie strahlend. Ob sie glücklich sei? Sehr glücklich! Viel mehr habe die Patientin auch nicht sagen können, meint De Deyn, sie sei nicht entscheidungsfähig gewesen. Von unerträglichem Leiden ebenfalls keine Spur. Der Neuropsychiater weist das Ansinnen der Familie zurück.



(Hervorhebung im Schriftbild von mir.)

Damit sind m.E. derzeit alle gewichtigen Bedenken gegen die Sterbehilfe aus dem Weg geräumt.
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wesen
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Beitrag(#1699997) Verfasst am: 29.10.2011, 01:38    Titel: Re: 43-Jährige lässt sich euthanasieren - die Christen sind empört Antworten mit Zitat

@ Darwin Upheaval: Warum zitierst du den folgenden Absatz nicht mit? Da steht

Die Zeit hat folgendes geschrieben:
Auszug aus Carines Krankenakte: »Die Patientin wird in unseren Dienst aufgenommen am 7.11.2003. Sie hat einen aktuellen Kopfschmerzanfall... Am 13.11.2003 entwickelte die Patientin plötzlich Sehstörungen, einhergehend mit einer Zunahme der Kopfschmerzen und einer Episode von erhöhtem Blutdruck.« Die Passage ist in einem detaillierten, mit Zeitangaben versehenen Protokoll über Carines Fall nachzulesen, das Hausarzt Wyffels der ZEIT zur Verfügung gestellt hat. Nach dem Blutdruckanstieg fällt Carine ins Koma und erwacht daraus mit schweren Hirnschäden. Zwischen dem Beginn ihrer Erkrankung im November 2003 und der Tötung auf ihren Wunsch im Januar 2005 liegen gut 14 Monate. Nicht drei oder vier Jahre, wie Cras behauptet.


Aber darum ging es mir oben nicht. Auch nicht um den Fall des Hugo Claus. Es geht mir um Folgendes: (Hervorhebungen sind, wie oben schon, von mir.)

Die Zeit hat folgendes geschrieben:
»Wir sind keine doctors of death, Ärzte des Todes, sondern wir versuchen, qualitätsvolles Leben zu erhalten«, sagt De Deyn. Selbstverständlich komme es auch vor, dass er eine Euthanasieanfrage ablehne. Etwa im Fall jener dementen alten Frau, die von ihrer Familie zu ihm gebracht wurde, damit er sie töten solle, wie sie es eineinhalb Jahre zuvor in einer Patientenverfügung gewünscht hatte. De Deyn fragt die alte Frau, wie es ihr gehe. Gut, antwortet sie strahlend. Ob sie glücklich sei? Sehr glücklich! Viel mehr habe die Patientin auch nicht sagen können, meint De Deyn, sie sei nicht entscheidungsfähig gewesen. Von unerträglichem Leiden ebenfalls keine Spur. Der Neuropsychiater weist das Ansinnen der Familie zurück. Die sucht daraufhin andere Ärzte auf und findet einen, der aus »menschlicher Perspektive« der Tötung zustimmt. Erneut kommt die Familie zu De Deyn, weil er der ausführende Arzt sein soll. Erneut lehnt er ab.

De Deyn erzählt solche Fälle, um zu zeigen, dass Belgien ein gutes Euthanasiegesetz habe. Die Entscheidung des Kollegen sei nicht korrekt gewesen, er habe ihn dies wissen lassen und mehrere Telefonate geführt, um die Tötung der alten Dame zu verhindern. Allerdings ist nicht völlig auszuschließen, dass die Angehörigen ihr Ziel durch Ärzte-Hopping am Ende doch noch erreichen.
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Telliamed
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Beitrag(#1700726) Verfasst am: 31.10.2011, 11:00    Titel: Antworten mit Zitat

I.R hat folgendes geschrieben:
Telliamed hat folgendes geschrieben:

Die Schnelligkeit der Organentnahme - medizinisch ist sie sicher notwendig, aber denkt man nicht an kommerzielle Interessen im Hintergrund? (Warteschleifen)
Ich stelle mir jetzt kranke Menschen vor, welchen mit einer Organspende das Leben gerettet werden kann. Du auch?

Vor kurzem las ich irgendwo einen Bericht, in welchem die Entscheidungsfindung zur Organspende einer Mutter geschildert wurde, deren Tochter (4 oder 5?) nach einem Unfall im Sterben lag. Sie sagte zum Schluss: Stünden wir jetzt auf der Empfängerseite am Bett unserer Tochter, wir würden die Organe nehmen.


Ja, ich stelle mir bei einer allgemeinen Erörterung dieses Themas auch kranke Menschen vor, die auf ein Organ warten.

Als ich den hier zur Diskussion gestellten konkreten Fall sah, war ich wahrscheinlich zu sehr durch die forsche Art der Berichterstattung befremdet.
Sehen wir allerdings von diesem konkreten Fall mit der Verbindung von Sterbehilfe und Organentnahme ab, der eine erste Reaktion so ausfallen läßt, kommen einem auch andere Meldungen von anderen Fällen und aus anderen Ländern in den Sinn, in denen von Organspenden und Organhandel die Rede ist.
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Telliamed
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Anmeldungsdatum: 05.03.2007
Beiträge: 5125
Wohnort: Wanderer zwischen den Welten

Beitrag(#1700732) Verfasst am: 31.10.2011, 11:19    Titel: Antworten mit Zitat

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
Telliamed hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit ereignete sich in Belgien eine Weltpremiere: Ärzte leisteten bei einer 43 Jahre alte Patientin auf deren Wunsch hin aktive Sterbehilfe. Sofort danach entnahmen andere Mediziner ihr die Nieren, die Leber und die Bauchspeicheldrüse/
Es folgt die Darlegung der Probleme, die sich bei der Herausnahme des Herzens zu diesem Zeitpunkt ergeben.

Es ist nicht nur die Art der Berichterstattung, die einen nachdenklich werden lässt.
Handelt es sich wirklich um eine "Weltpremiere"? Ärztliche Hilfe in solchen Fällen hat es schon vielfach gegeben, juristische Sanktionen folgten oder fehlten.

Ist es das von mir Gefettete, das @zelig bei dieser Meldung ebenfalls nachdenklich werden lässt? Die Schnelligkeit der Organentnahme - medizinisch ist sie sicher notwendig, aber denkt man nicht an kommerzielle Interessen im Hintergrund? (Warteschleifen)


Ich sehe hier kein unmittelbares ethisches Problem; zudem wird hier die Debatte auf ein Nebengleis verlagert: Die Betroffene und ihre Familie waren einverstanden mit der Organentnahme, und der Entnahmezeitpunkt ist medizinisch festgelegt. Das Ärzteteam, das den Sterbeprozess einleitete, war ein anderes als das, welches die Organe entnahm. Von kommerziellen Interessen kann überhaupt keine Rede sein, und von dem Tod der Frau konnten mehrere Menschenleben gerettet werden.

Telliamed hat folgendes geschrieben:
Sollte jedoch eine andere Person mit der Umsetzung des Sterbewunsches beauftragt werden, so wären viele Dinge abzuwägen, und in jedem Einzelfall müssen noch andere Momente berücksichtigt werden.
Da sind - wie schon erwähnt - Mißbrauch und der aufgebaute Druck. Ohnehin weiß man, daß mehr oder weniger verhüllt der Kostenfaktor ins Spiel gebracht wird.


Das sind immer die gleichen, abgedroschenen, keineswegs stichhaltigen Argumente der Sterbehilfegegner...

Das strenge Reglement, etwa das von Dignitas, lässt einer wie auch immer gearteten externen Beeinflussung der Sterbewilligen keinen Raum. Im Gegenteil, dem ärztlich begleiteten Suizid stehen hohe Hürden im Weg [Edit: Vgl. z.B. das Niederländische Euthanasiegesetz von 2002.] Demnach müssen zwei Ärzte unabhängig voneinander a.) ein hoffnungslose oder unheilbare Krankheit, unerträgliche Schmerzen oder eine unzumutbare Behinderung diagnostizieren, b.) sich sicher sein, dass sich der Sterbewillige im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte befindet, was impliziert, dass c.) keine psychischen Erkrankungen vorliegen dürfen. Schließlich muss der suizidale Patient über Alternativen aufgeklärt werden, und er hat auf Nachfrage mehrmals eindeutig seinen Sterbewunsch zu erklären. Gibt es auch nur leise Zweifel daran, dass dieser Wunsch nicht aus freien Stücken geäußert wird, gibt es keinen begleiteten Suizid. Es ist nicht davon auszugehen, dass sich dieser Regelung etwas ändern würde, wäre die aktive Sterbehilfe hierzulande legitim.

Telliamed hat folgendes geschrieben:
Sodann die Frage, inwieweit der Bewußtseinszustand überhaupt eine "freie Entscheidung" zulässt. Von Depressionen war bereits die Rede.


Wie gesagt, dieser Faktor wird explizit ausgeschlossen - zumindest in Ländern, wo Sterbehilfe heute gesetzlich toleriert wird. Da die Regierungen in Europa diesbezüglich sehr konservativ sind, sehe ich keine Gefahr eines Dammbruchs.

Telliamed hat folgendes geschrieben:
Der Zeitfaktor ist zu berücksichtigen - manche fühlen einen enormen Zeitdruck aufgebaut,


So ein Quatsch. Die suizidalen Patienten bauen in der Regel selbst diesen Druck auf. Es kommt leider noch immer noch viel zu häufig vor, dass Dignitas Patienten wegsterben, weil der Suizid nicht rechtzeitig genehmigt wird.

Telliamed hat folgendes geschrieben:
@esme hat es angesprochen: der große psychische Druck, der auf denen lastet, die den Wunsch umsetzen. Das ist ja nicht nur die Drohung mit der Justiz, bei manchen Todkrank-Geglaubten kam es überraschend wieder zu einer Besserung.


Die Ärzte haben doch genügend Sachverstand um zu erkennen, wenn eine Heilung so gut wie ausgeschlossen ist. Veterinärmediziner tun auch alles, was in ihrer Macht steht, um den geliebten Haustieren zu helfen, aber wenn die Bemühungen aussichtslos sind, gebietet es der Hypokratessche Eid, Leiden wo nötig zu verkürzen. Man kann natürlich immer auf ein Wunder hoffen, aber Ärzte sind keine Heilsversprecher. Wenn die Praxis der aktiven Sterbehilfe auf eine ähnlich sichere, rechtliche Grundlage gestellt würde, entfiele also in der Regel auch der psychische Druck - sofern dem nicht irgendwelche religiösen Ideologien vorgelagert sind.

Ich bleibe dabei: Die meisten Einwände gegen eine aktive oder passive Sterbehilfe basieren auf einer religiösen Ethik und nicht auf einer rational-humanistischen.


Das eine ist, sich hier über den konkreten Fall zu verständigen, über den in einer gewissen Form berichtet wurde. Dass ich prinzipiell für eine selbstbestimmte Lebensbeendigung bin, habe ich gesagt.
Dir geht es hier um Hindernisse und Gegenargumente, die aus einer christlichen Tradition heraus gerade in Deutschland kommen. Da stimmen wir ja auch überein. Die Debatte im Bundestag zu dem anderen großen Lebensproblem der pränatalen Diagnostik, die quer durch die Parteien ging, wurde als große Ausnahme der Diskussionskultur gefeiert - das könnte man anders herum auch als
Armutszeugnis des Parlamentarismus sehen. Bei der Frage der Sterbehilfe werden noch langwierige Auseinandersetzungen nötig sein.

Es bleiben allerdings bestimmte Bedenken, die aus Erfahrungen im Umfeld, im Bekanntenkreis kommen. Diese Bedenken brauchen nicht aus einer religiösen Ecke zu kommen.
Es gibt Leute, die erleichtert sind, wenn ihnen durch den vorzeitigen Lebensabbruch eines Menschen eine "Belastung" genommen wird, und es gibt wartende "Erben".
Du führst die strengen Regelungen bei Dignitas und in den Niederlanden an.
Bei Dignitas kann man einmal die Selbstdarstellung und Berichte "von außen" miteinander vergleichen

Selbstdarstellung: http://www.dignitas.ch/
wikipedia-Darstellung mit der Benennung von Kritikpunkten: http://de.wikipedia.org/wiki/Dignitas_(Verein)
Das heisst ja nicht, dass man sich die Kritikpunkte zu eigen macht, zumal man nicht in den Dingen drin steht.
Traurig genug, dass es nicht zu offenen Diskussionen auf noch mehr Ebenen kommen kann und eben nur die Schweiz bisher mehr Möglichkeiten bietet.
Allerdings wirkt auf mich auch abstoßend, wenn entsprechende Aktivitäten mit medialem Klamauk daherkommen.

Was die niederländische Gesetzgebung betrifft, so müssen hier die vielen strengen Bedingungen in der Praxis erfüllt werden. Inzwischen begehen Menschen Suizid, bevor all diese Bedingungen gegeben sein können.
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Darwin Upheaval
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Anmeldungsdatum: 23.01.2004
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Beitrag(#1701628) Verfasst am: 02.11.2011, 21:52    Titel: Antworten mit Zitat

Telliamed hat folgendes geschrieben:
Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
Telliamed hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit ereignete sich in Belgien eine Weltpremiere: Ärzte leisteten bei einer 43 Jahre alte Patientin auf deren Wunsch hin aktive Sterbehilfe. Sofort danach entnahmen andere Mediziner ihr die Nieren, die Leber und die Bauchspeicheldrüse/
Es folgt die Darlegung der Probleme, die sich bei der Herausnahme des Herzens zu diesem Zeitpunkt ergeben.

Es ist nicht nur die Art der Berichterstattung, die einen nachdenklich werden lässt.
Handelt es sich wirklich um eine "Weltpremiere"? Ärztliche Hilfe in solchen Fällen hat es schon vielfach gegeben, juristische Sanktionen folgten oder fehlten.

Ist es das von mir Gefettete, das @zelig bei dieser Meldung ebenfalls nachdenklich werden lässt? Die Schnelligkeit der Organentnahme - medizinisch ist sie sicher notwendig, aber denkt man nicht an kommerzielle Interessen im Hintergrund? (Warteschleifen)


Ich sehe hier kein unmittelbares ethisches Problem; zudem wird hier die Debatte auf ein Nebengleis verlagert: Die Betroffene und ihre Familie waren einverstanden mit der Organentnahme, und der Entnahmezeitpunkt ist medizinisch festgelegt. Das Ärzteteam, das den Sterbeprozess einleitete, war ein anderes als das, welches die Organe entnahm. Von kommerziellen Interessen kann überhaupt keine Rede sein, und von dem Tod der Frau konnten mehrere Menschenleben gerettet werden.

Telliamed hat folgendes geschrieben:
Sollte jedoch eine andere Person mit der Umsetzung des Sterbewunsches beauftragt werden, so wären viele Dinge abzuwägen, und in jedem Einzelfall müssen noch andere Momente berücksichtigt werden.
Da sind - wie schon erwähnt - Mißbrauch und der aufgebaute Druck. Ohnehin weiß man, daß mehr oder weniger verhüllt der Kostenfaktor ins Spiel gebracht wird.


Das sind immer die gleichen, abgedroschenen, keineswegs stichhaltigen Argumente der Sterbehilfegegner...

Das strenge Reglement, etwa das von Dignitas, lässt einer wie auch immer gearteten externen Beeinflussung der Sterbewilligen keinen Raum. Im Gegenteil, dem ärztlich begleiteten Suizid stehen hohe Hürden im Weg [Edit: Vgl. z.B. das Niederländische Euthanasiegesetz von 2002.] Demnach müssen zwei Ärzte unabhängig voneinander a.) ein hoffnungslose oder unheilbare Krankheit, unerträgliche Schmerzen oder eine unzumutbare Behinderung diagnostizieren, b.) sich sicher sein, dass sich der Sterbewillige im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte befindet, was impliziert, dass c.) keine psychischen Erkrankungen vorliegen dürfen. Schließlich muss der suizidale Patient über Alternativen aufgeklärt werden, und er hat auf Nachfrage mehrmals eindeutig seinen Sterbewunsch zu erklären. Gibt es auch nur leise Zweifel daran, dass dieser Wunsch nicht aus freien Stücken geäußert wird, gibt es keinen begleiteten Suizid. Es ist nicht davon auszugehen, dass sich dieser Regelung etwas ändern würde, wäre die aktive Sterbehilfe hierzulande legitim.

Telliamed hat folgendes geschrieben:
Sodann die Frage, inwieweit der Bewußtseinszustand überhaupt eine "freie Entscheidung" zulässt. Von Depressionen war bereits die Rede.


Wie gesagt, dieser Faktor wird explizit ausgeschlossen - zumindest in Ländern, wo Sterbehilfe heute gesetzlich toleriert wird. Da die Regierungen in Europa diesbezüglich sehr konservativ sind, sehe ich keine Gefahr eines Dammbruchs.

Telliamed hat folgendes geschrieben:
Der Zeitfaktor ist zu berücksichtigen - manche fühlen einen enormen Zeitdruck aufgebaut,


So ein Quatsch. Die suizidalen Patienten bauen in der Regel selbst diesen Druck auf. Es kommt leider noch immer noch viel zu häufig vor, dass Dignitas Patienten wegsterben, weil der Suizid nicht rechtzeitig genehmigt wird.

Telliamed hat folgendes geschrieben:
@esme hat es angesprochen: der große psychische Druck, der auf denen lastet, die den Wunsch umsetzen. Das ist ja nicht nur die Drohung mit der Justiz, bei manchen Todkrank-Geglaubten kam es überraschend wieder zu einer Besserung.


Die Ärzte haben doch genügend Sachverstand um zu erkennen, wenn eine Heilung so gut wie ausgeschlossen ist. Veterinärmediziner tun auch alles, was in ihrer Macht steht, um den geliebten Haustieren zu helfen, aber wenn die Bemühungen aussichtslos sind, gebietet es der Hypokratessche Eid, Leiden wo nötig zu verkürzen. Man kann natürlich immer auf ein Wunder hoffen, aber Ärzte sind keine Heilsversprecher. Wenn die Praxis der aktiven Sterbehilfe auf eine ähnlich sichere, rechtliche Grundlage gestellt würde, entfiele also in der Regel auch der psychische Druck - sofern dem nicht irgendwelche religiösen Ideologien vorgelagert sind.

Ich bleibe dabei: Die meisten Einwände gegen eine aktive oder passive Sterbehilfe basieren auf einer religiösen Ethik und nicht auf einer rational-humanistischen.


Das eine ist, sich hier über den konkreten Fall zu verständigen, über den in einer gewissen Form berichtet wurde. Dass ich prinzipiell für eine selbstbestimmte Lebensbeendigung bin, habe ich gesagt.
Dir geht es hier um Hindernisse und Gegenargumente, die aus einer christlichen Tradition heraus gerade in Deutschland kommen. Da stimmen wir ja auch überein. Die Debatte im Bundestag zu dem anderen großen Lebensproblem der pränatalen Diagnostik, die quer durch die Parteien ging, wurde als große Ausnahme der Diskussionskultur gefeiert - das könnte man anders herum auch als
Armutszeugnis des Parlamentarismus sehen. Bei der Frage der Sterbehilfe werden noch langwierige Auseinandersetzungen nötig sein.

Es bleiben allerdings bestimmte Bedenken, die aus Erfahrungen im Umfeld, im Bekanntenkreis kommen. Diese Bedenken brauchen nicht aus einer religiösen Ecke zu kommen.
Es gibt Leute, die erleichtert sind, wenn ihnen durch den vorzeitigen Lebensabbruch eines Menschen eine "Belastung" genommen wird, und es gibt wartende "Erben".
Du führst die strengen Regelungen bei Dignitas und in den Niederlanden an.
Bei Dignitas kann man einmal die Selbstdarstellung und Berichte "von außen" miteinander vergleichen

Selbstdarstellung: http://www.dignitas.ch/
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Das heisst ja nicht, dass man sich die Kritikpunkte zu eigen macht, zumal man nicht in den Dingen drin steht.
Traurig genug, dass es nicht zu offenen Diskussionen auf noch mehr Ebenen kommen kann und eben nur die Schweiz bisher mehr Möglichkeiten bietet.
Allerdings wirkt auf mich auch abstoßend, wenn entsprechende Aktivitäten mit medialem Klamauk daherkommen.

Was die niederländische Gesetzgebung betrifft, so müssen hier die vielen strengen Bedingungen in der Praxis erfüllt werden. Inzwischen begehen Menschen Suizid, bevor all diese Bedingungen gegeben sein können.


Ja, einverstanden. Wo Licht ist, riskiert man den Schatten, das gehört zum allgemeinen Lebensrisiko dazu. Würden wir über alles so lamentieren wie über die "Risiken" der Sterbehilfe, dürften wir in kein Auto mehr einsteigen, weil dadurch jährlich gleich so und so viele Tausend Menschen zutode kommen.
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Anmeldungsdatum: 12.11.2011
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Beitrag(#1705028) Verfasst am: 16.11.2011, 09:53    Titel: Antworten mit Zitat

Also, eine wackelige Angelegnheit und ein matur Atheist plädiert ungeduldig eher fürs Töten/Morden. Er will damit bloss Leid aus der Welt schaffen.

Ein atheistischer Traum wäre damit in Erfüllung gegangen: Welt ohne Leid!!! Lachen
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Beiträge: 47

Beitrag(#1705029) Verfasst am: 16.11.2011, 09:54    Titel: Antworten mit Zitat

Also, eine wackelige Angelegnheit und ein matur Atheist plädiert ungeduldig eher fürs Töten/Morden. Er will damit bloss Leid aus der Welt schaffen.

Ein atheistischer Traum wäre damit in Erfüllung gegangen: Welt ohne Leid!!! Lachen
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Anmeldungsdatum: 11.11.2011
Beiträge: 3548

Beitrag(#1705042) Verfasst am: 16.11.2011, 10:33    Titel: Antworten mit Zitat

Das eigentliche Thema dieser Diskussion sollte nicht "Pro und contra der aktiven Sterbehilfe" sondern "Grenzen der Selbstbestimmung" lauten. Wie kommen die selbsternannten Lebensschützer dazu, anderen Menschen vorzuschreiben ob und wie sie ihr Leben zu leben haben? Die Entscheidung ist ganz sicher keine leichte, aber wer sie zu treffen hat, ist meiner Meinung nach ziemlich eindeutig.
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Anmeldungsdatum: 22.12.2008
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Wohnort: Munich

Beitrag(#1706207) Verfasst am: 21.11.2011, 04:50    Titel: Antworten mit Zitat

beachbernie hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Xamanoth hat folgendes geschrieben:
Bezüglich der zulässigkeit aktiver Sterbehilfe gibt es eben nicht nur religiös geprägte Gegenargumente.
In der rechtwissenschaftlichen Diskussion tritt als Gegenargument stattdessen regelmäßig die erhebliche Missbrauchsgefahr und das potentielle Druckpotential auf die Deliquenten auf.


Ja nur, dass die Rechts"wissenschaften" keine Wissenschaften sind.

Ansonsten sollte man sich lieber auf die echten Wissenschaften verlassen, so wie Harris es empfiehlt.


...und moeglicher Druck auf Schwerkranke bei Freigabe von aktiver Sterbehilfe, z.B. um nicht "das Erbe der Familie zu vertherapieren", sind sehr ernstzunehmende Befuerchtungen, die man nicht einfach so vom Tisch wischen sollte.

.


Wobei das für mich nicht mal so ein Totschalgargument wäre.
Wenn ich meinen Kindern da ein bisschen was vererben könnte,
auf dass sie einen besseren Start ins Leben haben, und sich nicht (wie ich) erst mal ein paar Jahre
in menschenverachtenden Niedriglohnjobs versklaven müssen bis es mit der Karriere klappt,
würde ich vielleicht auch ganz im Sinne utilitaristischer Familienpolitik ein bisschen früher abtreten.

Ökonomische Aspekte sind also meiner Meinung nach, auch kein absolutes Nullargument gegenüber unerträglichen Schmerzen.

Das Missbrauchsargument zieht dagegen schon weitaus stärker.

Edit:
Überhaupt verstehe ich nicht was an diesem Leben jetzt so super heilig sein sollte.
Meine Menschenwürde und mein Selbstbestimmungsrecht wird den ganzen Tag mit Füssen getreten
in diesem abgefucktem Kapitalismus,
aber mich aus Kostengründen ein wenig früher abnippeln zu lassen,
das ist dann auf einmal wieder total tabu, darf man nicht mal aussprechen den Gedanken.
Aus meiner Sicht nicht kohärent.

Utilitaristisch ist das eigentlich ziemlich eindeutig:

2 Tage dahinsiechen für mich im Krankenbett = 1500 Euro
2 Monate coolster Urlaub in Portugal für meinen Enkel = auch 1500 Euro

Wenn man ein wenig buddhistischer angehaucht wäre,
und sich nicht als abgeschlossenes Element, für das jetzt alles vorbei ist, betrachten würde,
sondern als Teil eines grossen Ganzen, das jetzt seinen Zweck erfüllt hat,
steht das sozialverträgliche Frühableben
imho gar nicht so sehr im Widerspruch zur Menschenwürde.
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Ralf Rudolfy
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Beitrag(#1706230) Verfasst am: 21.11.2011, 10:54    Titel: Re: 43-Jährige lässt sich euthanasieren - die Christen sind empört Antworten mit Zitat

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
Meine Meinung ist, dass jeder nicht nur das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben hat, sondern auch auf selbstbestimmtes Sterben. Ich kann an diesem Fall nichts Skandalöses finden, sondern bin dafür, die Tür auch in Deutschland weiter in Richtung aktive Sterbehilfe aufzustoßen. Von einem Schwerstbehinderten zu verlangen, er solle womöglich noch jahrzehntelang vor sich hinvegetieren, ist m.E. zutiefst inhuman, genauso wenn man einem Todkranken das Recht auf einen raschen und schmerzfreien Sterbeprozess vorenthält. Mit jedem Tier empfinden wir mehr Mitleid und schläfern es friedlich ein - nur bei uns Menschen verbauen wir uns selbst den Weg zu einer humanen Ethik durch eine verquaste, religiöse Philosophie.

Wie denkt ihr darüber?

Was mich betrifft: Genauso.
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Dadurch, daß ein Volk nicht mehr die Kraft oder Willen hat, sich in der Sphäre des Politischen zu halten, verschwindet das Politische nicht aus der Welt. Es verschwindet nur ein schwaches Volk. (Carl Schmitt)
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Skeptiker
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Beitrag(#1706238) Verfasst am: 21.11.2011, 11:34    Titel: Antworten mit Zitat

Mahone hat folgendes geschrieben:
beachbernie hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Xamanoth hat folgendes geschrieben:
Bezüglich der zulässigkeit aktiver Sterbehilfe gibt es eben nicht nur religiös geprägte Gegenargumente.
In der rechtwissenschaftlichen Diskussion tritt als Gegenargument stattdessen regelmäßig die erhebliche Missbrauchsgefahr und das potentielle Druckpotential auf die Deliquenten auf.


Ja nur, dass die Rechts"wissenschaften" keine Wissenschaften sind.

Ansonsten sollte man sich lieber auf die echten Wissenschaften verlassen, so wie Harris es empfiehlt.


...und moeglicher Druck auf Schwerkranke bei Freigabe von aktiver Sterbehilfe, z.B. um nicht "das Erbe der Familie zu vertherapieren", sind sehr ernstzunehmende Befuerchtungen, die man nicht einfach so vom Tisch wischen sollte.

.


Wobei das für mich nicht mal so ein Totschalgargument wäre.
Wenn ich meinen Kindern da ein bisschen was vererben könnte,
auf dass sie einen besseren Start ins Leben haben, und sich nicht (wie ich) erst mal ein paar Jahre
in menschenverachtenden Niedriglohnjobs versklaven müssen bis es mit der Karriere klappt,
würde ich vielleicht auch ganz im Sinne utilitaristischer Familienpolitik ein bisschen früher abtreten.

Ökonomische Aspekte sind also meiner Meinung nach, auch kein absolutes Nullargument gegenüber unerträglichen Schmerzen.

Das Missbrauchsargument zieht dagegen schon weitaus stärker.

Edit:
Überhaupt verstehe ich nicht was an diesem Leben jetzt so super heilig sein sollte.
Meine Menschenwürde und mein Selbstbestimmungsrecht wird den ganzen Tag mit Füssen getreten
in diesem abgefucktem Kapitalismus,
aber mich aus Kostengründen ein wenig früher abnippeln zu lassen,
das ist dann auf einmal wieder total tabu, darf man nicht mal aussprechen den Gedanken.
Aus meiner Sicht nicht kohärent.

Utilitaristisch ist das eigentlich ziemlich eindeutig:

2 Tage dahinsiechen für mich im Krankenbett = 1500 Euro
2 Monate coolster Urlaub in Portugal für meinen Enkel = auch 1500 Euro

Wenn man ein wenig buddhistischer angehaucht wäre,
und sich nicht als abgeschlossenes Element, für das jetzt alles vorbei ist, betrachten würde,
sondern als Teil eines grossen Ganzen, das jetzt seinen Zweck erfüllt hat,
steht das sozialverträgliche Frühableben
imho gar nicht so sehr im Widerspruch zur Menschenwürde.


Das ist doch ein weiteres Argument dafür, das Erbrecht abzuschaffen.

Jeder Mensch muss finanziell unabhängig sein. Wenn das gewährleistet ist, dann ist das auch die Grundlage der Emanzipation (von jedweder finanziellen Abhängigkeit). Man ist dann weder abhängig von der Familie noch ist die Familie abhängig vom reichen Vererber.

Und so wäre das "rechtswissenschaftliche" Problem gelöst ...-!
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Argeleb
Misanthropischer Humanist



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Beitrag(#1706350) Verfasst am: 21.11.2011, 20:32    Titel: Re: 43-Jährige lässt sich euthanasieren - die Christen sind empört Antworten mit Zitat

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:

Wie denkt ihr darüber?

Ich denke exakt so wie du!
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Argeleb
Misanthropischer Humanist



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Beitrag(#1706354) Verfasst am: 21.11.2011, 20:47    Titel: Re: Euthanasie Antworten mit Zitat

satsche hat folgendes geschrieben:
alex6 hat folgendes geschrieben:
satsche hat folgendes geschrieben:
Ich finde, der im Zeit-Artikel geradezu inflationär verwendete, Begriff „Euthanasie“ hat in dieser Diskussion gar nichts zu suchen.


Was spricht denn gegen das Wort Euthanasie? OK, der Begriff wurde von den Nazis missbraucht, aber davon muss man ihn jetzt trennen. Man kann auch Sterbehilfe sagen, mir ist's gleich.


NEIN!! Euthanasie ist und bleibt, für mich jedenfalls, konnotiert als Tötung anderer gegen deren Willen.

Nein, Euthanasie bedeutet "Schöner Tod" und das wünsche ich jedem, vor allem mir.
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moritura
pan narrans



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Beitrag(#1706360) Verfasst am: 21.11.2011, 22:21    Titel: Antworten mit Zitat

Mahone hat folgendes geschrieben:

Utilitaristisch ist das eigentlich ziemlich eindeutig:

2 Tage dahinsiechen für mich im Krankenbett = 1500 Euro
2 Monate coolster Urlaub in Portugal für meinen Enkel = auch 1500 Euro


Das ist so eine Einstellung, die es mir schwer macht, einfach so für aktive Sterbehilfe zu sein. Das mag für dich stimmen. Ich möchte aber ungern dem Druck ausgesetzt werden:
liebreizender Angehöriger hat folgendes geschrieben:
Nu hab dich nicht so. Du verdirbst uns den Urlaub.

Das ist sicher etwas krass ausgedrückt. Aber der Fall der dementen Dame lässt den Verdacht aufkeimen, das der Wunsch der Angehörigen einen erheblichen Anteil an dem Entscheidungsprozess hat.
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Mahone
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Beitrag(#1706960) Verfasst am: 24.11.2011, 14:42    Titel: Antworten mit Zitat

Dem möchte ich nicht widersprechen.
Worum es mir hauptsächlich ging war halt das:

Zitat:
Überhaupt verstehe ich nicht was an diesem Leben jetzt so super heilig sein sollte.
Meine Menschenwürde und mein Selbstbestimmungsrecht wird den ganzen Tag mit Füssen getreten
in diesem abgefucktem Kapitalismus,
aber mich aus Kostengründen ein wenig früher abnippeln zu lassen,
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Aus meiner Sicht nicht kohärent.
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Netjoker
Joker



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Beiträge: 23

Beitrag(#1713870) Verfasst am: 22.12.2011, 16:52    Titel: Antworten mit Zitat

beefy hat folgendes geschrieben:
Daß Einzige was an Sterbehilfe skandalös ist,ist die Tatsache,daß es hier verboten ist und es sich deshalb nicht jeder Sterbewillige leisten kann.Schließlich übernimmt keiner die Kosten.


Na ja..., sicher würde es auch Vielen weiterhelfen, die "händeringend" darauf hoffen, endlich ihre Erbtante euthanasieren zu dürfen. Lachen

Der Schritt von der erbetenen, zur fremd-bestimmten Euthanasie ist nur sehr klein. Er kann allerdings nur dann stattfinden, wenn zuerst einmal die erbetene Sterbehilfe erlaubt ist.

Beinahe zwangsläufig wird der "humane Gedanke", nun auch den armen Kreaturen "helfen" zu wollen, die sich nicht einmal mehr entsprechend artikulieren können, früher, oder später folgen.
Im Prinzip ist das Ganze eine grundsätzliche Frage der generellen Gewichtung menschlichen Lebens.

Ist menschliches Leben grundsätzlich schützens- und erhaltenswert, oder sollte man differenzieren dürfen?
Wer legt die Kriterien fest, nach denen entschieden wird, ob es sich nun um schützens- oder erhaltenswertes, menschliches Leben handelt, oder eben nicht? Mit den Augen rollen

Gruß
Netjoker
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Wissenschaftler werden nur deshalb überproportional oft überfahren, weil es meist einfach zu viel Zeit in Anspruch nimmt, das herannahende Auto zu verifizieren. Lachen
(Netjoker 2011)
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pyrrhon
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Beiträge: 8770

Beitrag(#1713894) Verfasst am: 22.12.2011, 19:00    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Telliamed, satsche und esme sehen das eigentliche Thema des Vorfalls. Und es gab im Bericht Indizien dafür, die hier noch nicht genannt wurden, daß man der Story des Arztes, der den Ablauf steuerte, nicht so ohne weiteres trauen sollte.
Jedoch ist es mir gleichgültig ob das hier erkannt wird. Viel interessanter ist für mich der Umstand, daß DU wiederum eine Story gestrickt hat, die die Realität nicht hergibt, aber einerseits den Erwartungen der Community entspricht, die andererseits genau so reagiert (nicht alle), wie DU es kalkuliert hat.


Und mehr als dunkle Andeutungen sind von Dir nicht gekommen und werden aller Voraussicht nach nicht mehr kommen. Auch das ist kein ordentliches Diskussionsverhalten, besonders wo Du gerade das anderen vorhältst.
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zelig
Kultürlich



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Beiträge: 25405

Beitrag(#1713896) Verfasst am: 22.12.2011, 19:11    Titel: Antworten mit Zitat

pyrrhon hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Telliamed, satsche und esme sehen das eigentliche Thema des Vorfalls. Und es gab im Bericht Indizien dafür, die hier noch nicht genannt wurden, daß man der Story des Arztes, der den Ablauf steuerte, nicht so ohne weiteres trauen sollte.
Jedoch ist es mir gleichgültig ob das hier erkannt wird. Viel interessanter ist für mich der Umstand, daß DU wiederum eine Story gestrickt hat, die die Realität nicht hergibt, aber einerseits den Erwartungen der Community entspricht, die andererseits genau so reagiert (nicht alle), wie DU es kalkuliert hat.


Und mehr als dunkle Andeutungen sind von Dir nicht gekommen und werden aller Voraussicht nach nicht mehr kommen. Auch das ist kein ordentliches Diskussionsverhalten, besonders wo Du gerade das anderen vorhältst.


Hui, das kommt spät. Ich schreibe jetzt mal aus der Erinnerung. Der in der ZEIT geschilderte Vorfall machte den Eindruck, als hätte der Arzt, der den Vorgang administriert hat, nicht sauber zwischen der Organentnahme und dem Todeswunsch der Frau getrennt. Der Verdacht hat objektive Berechtigung, da der Arzt an einer Stelle eine falschen zeitlichen Verlauf darstellt. Ich glaube, er beharrte auf einen größeren zeitlichen Abstand zwischen den verschiedenen Entscheidungsprozeduren, als tatsächlich gegeben war. Man muss sich vorstellen, daß das Kind oder die Frau (ich kann mich nicht an das Alter erinnern), in einem Vorgang sowohl getötet als auch ihre Organe entnommen werden. Es wurde aber alles dafür getan, diese Vorgänge formal als voneinander getrennt erscheinen zu lassen. Ferner gab es wohl berechtigte Skepsis gegenüber der prognostizierten Dauerhaftigkeit der Depression (nach einem Schlaganfall).
Alles auf die Schnelle aus der Erinnerung geschrieben. Mann möge mich korrigieren. Jedenfalls gibt es nahc meiner Auffassung keine Grundlage dafür, diesen doch sehr komplexen Fall, dessen Problematik aus der verschmierung engegengesetzter Interessen (Leben vs Organentnahme) resultiert, auf die Revolvergeschichte zu reduzieren, wie sie hier geschildert wurde.
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Naastika
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Beitrag(#1713897) Verfasst am: 22.12.2011, 19:24    Titel: Antworten mit Zitat

Nochmal: Zeit-Artikel zu dem konkreten Fall Carina http://www.zeit.de/2011/43/DOS-Euthanasie/komplettansicht?print=true

Selbst wenn in diesem konkreten Fall bestimmte Unklarheiten bestehen, was ist prinzipiell gegen die Verbindung zwischen Tötung auf Verlangen und Organspande einzuwenden?

Oder, noch grundsätzlicher, was ist gegen Tötung auf Verlangen einzuwenden?

Also einen Fall, in dem der Mensch
1. geistig klar ist,
2. nicht bereits aus anderen Gründen im Sterbevorgang befindlich (so dass man "nur mal abwarten" müßte,
aber
3. völlig unfähig, seine Glieder zu bewegen, um den Giftbecher zum Munde zu führen (mal so plakativ...).

Und sagt mir nicht, dass solche Fälle, so selten sie sein mögen, nicht vorkommen.
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pyrrhon
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Beitrag(#1713899) Verfasst am: 22.12.2011, 19:31    Titel: Antworten mit Zitat

zelig, ich habe den Zeit-Artikel gerade vollständig gelesen und im Wesentlichen trügt Dich Deine Erinnerung nicht. Ich habe auch meine Zweifel und finde diesen Vorfall im Gegensatz zu anderen (edit: Mitgliedern des Forums) sehr problematisch. Ich zitiere:

Martina Keller (Zeit online) hat folgendes geschrieben:
Cras, der Neurologe, zählte bei Carine nicht zu den Gutachtern. Doch als Vorsitzender der Antwerpener Ethikkommission und als Arzt, der die junge Frau tötete, kennt er ihren Fall. Im Gespräch mit der ZEIT betont er, dass bei Schlaganfallopfern wie Carine ausreichend Zeit zwischen dem Krankheitsereignis und der Euthanasieentscheidung liegen müsse. Nicht nur weil sich der Patient körperlich weiter erholen könne und seine Entscheidung dann womöglich revidiere. »Es geht auch um die psychologische Anpassung an diese neue Situation.« Nach Cras’ Überzeugung hatte Carine ausreichend Zeit, sich an ihre Lage zu gewöhnen. Mindestens drei oder vier Jahre Rehabilitation habe sie gehabt. »Wir würden niemals weitermachen mit einer Euthanasieanfrage, wenn jemand etwa einen Schlaganfall hatte und dann nach drei Monaten um Euthanasie nachfragte.« Aber nach einem Jahr vielleicht? »Auch nicht nach einem Jahr, da bin ich sehr sicher.«

Auszug aus Carines Krankenakte: »Die Patientin wird in unseren Dienst aufgenommen am 7.11.2003. Sie hat einen aktuellen Kopfschmerzanfall... Am 13.11.2003 entwickelte die Patientin plötzlich Sehstörungen, einhergehend mit einer Zunahme der Kopfschmerzen und einer Episode von erhöhtem Blutdruck.« Die Passage ist in einem detaillierten, mit Zeitangaben versehenen Protokoll über Carines Fall nachzulesen, das Hausarzt Wyffels der ZEIT zur Verfügung gestellt hat. Nach dem Blutdruckanstieg fällt Carine ins Koma und erwacht daraus mit schweren Hirnschäden. Zwischen dem Beginn ihrer Erkrankung im November 2003 und der Tötung auf ihren Wunsch im Januar 2005 liegen gut 14 Monate. Nicht drei oder vier Jahre, wie Cras behauptet.

Hat er das vergessen? Haben die anderen Mediziner das übersehen? Cras bleibt dabei: Carine habe mindestens drei Jahre Rehabilitation gehabt.


Martina Keller (Zeit online) hat folgendes geschrieben:
Der Bayreuther Psychiater Manfred Wolfersdorf hat Carines Fall auf Wunsch der ZEIT hin geprüft. Er ist ein international renommierter Spezialist für Depression und Suizidvorbeugung, Autor vieler Bücher zu diesen Themen, Mitherausgeber und wissenschaftlicher Berater von Zeitschriften. Wolfersdorf kann die Entscheidung De Deyns und seiner Kollegen nicht nachvollziehen. »Wir wissen, dass viele Patienten nach einem Schlaganfall eine Depression bekommen«, sagt er. »Die ersten zwei Jahre nach dem Ereignis sind die schlimmsten. Danach orientieren sich die meisten Patienten neu.« Wolfersdorf hält bei Carine eine ausgeprägte Depression für wahrscheinlich. Außerdem seien die Möglichkeiten der Rehabilitation bei ihrem Krankheitsbild nicht ausgeschöpft. Nach sieben Monaten Therapie in der Klinik und weiteren sieben Monaten ambulanter Behandlung sei noch Besserung möglich. Sein Fazit: »Die Patientin hätte dringend eine längerfristige intensive Therapie und Begleitung gebraucht.«


Ich bin nicht grundsätzlich gegen Sterbehilfe, sehe aber gravierende ethische Probleme. Gerade dieser Fall ist einer, der meine Bedenken eher nährt. Ich habe daher in der Umfrage für die zweite Option (moralisch nicht gerechtfertigt) gestimmt.


Zuletzt bearbeitet von pyrrhon am 22.12.2011, 19:42, insgesamt einmal bearbeitet
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Beitrag(#1713920) Verfasst am: 22.12.2011, 20:56    Titel: Antworten mit Zitat

pyrrhon hat folgendes geschrieben:
Ich bin nicht grundsätzlich gegen Sterbehilfe

Ich übrigens auch nicht.
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Beitrag(#1714011) Verfasst am: 23.12.2011, 11:47    Titel: Antworten mit Zitat

pyrrhon hat folgendes geschrieben:
Gerade dieser Fall ist einer, der meine Bedenken eher nährt.



Daher ist es nicht gerechtfertigt, diesen konkreten Fall stellvertretend für die gesamt Problematik zu nehmen.

Es ist notwendig, für Fälle von aktiver Sterbehilfe eine eigene Verfahrensordnung gesetzlich zu schaffen.
Um das angesprochene Ärzte-Hopping zu vermeiden, wäre z.B. durch eine noch zu schaffende Behörde einmalig herauszugebene Bescheiniung dem mit der Sterebehilfe beauftragten Ärzt vorzulegen (so absolut auf die Schnelle gedacht).

Aber man muss darüber reden, und zwar mit und in der Gesellschaft (also z.B. auch hier).
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pyrrhon
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Beitrag(#1714061) Verfasst am: 23.12.2011, 17:31    Titel: Antworten mit Zitat

pyrrhon hat folgendes geschrieben:
Gerade dieser Fall ist einer, der meine Bedenken eher nährt.

Naastika hat folgendes geschrieben:
Daher ist es nicht gerechtfertigt, diesen konkreten Fall stellvertretend für die gesamt Problematik zu nehmen.


1. Die tatsächliche Praxis in Ländern, wo Sterbehilfe erlaubt ist, sollte nicht einfach ignoriert werden. Im Gegensatz zu theoretischen Diskussionen kann man dort den tatsächlichen Ablauf beobachten und sehen, was funktioniert und was nicht und was Missbrauch erleichtert und was ihn eher verhindert. Daraus kann man lernen.

2. Es macht meiner Meinung nach schon einen Unterschied aus, welcher konkrete Fall als Ausgangspunkt für eine Diskussion über die gesamte Problematik dient, noch dazu, wo dieser Fall als Argument für Sterbehilfe dienen soll. Die Hetze religiöser Fanatiker gegen jede Form der Sterbehilfe sollte nicht den eigenen kritischen Verstand trüben. Diese Hetze verleitet leicht zu vorschnellen Reaktionen, was ich ja verstehe, aber die Problematik ist dazu zu ernst.
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Beitrag(#1715095) Verfasst am: 30.12.2011, 16:23    Titel: Antworten mit Zitat

@pyrrhon: Ich stimme mit einer Aussage überein.

Natürlich muss die Praxis der Länder, die aktive Sterebehilfe zulassen, untersucht werden. Welche Sicherungsmechanismem bestehen dort? Welche Schachstellen des Verfahrens werden festgestellt?

Das Ganze ist ein wunderbares Thema für eine rechtsvergleichende Dissertation mit geschichtlichen Bezügen.... *träum*

Bloss: Welcher Lehrstuhl würde sich dieses Themas annehmen? Das ist doch so igittigitt und das in Deutschland... das darf man doch nicht... Geschockt
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