Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen |
Autor |
Nachricht |
Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44680
|
(#1786185) Verfasst am: 04.10.2012, 14:59 Titel: Re: Stillstellung |
|
|
fwo hat folgendes geschrieben: | Nicht unbedingt wünschenswert, aber gerechtfertigt und damit gut. |
Dass für eine bestimmte Handlung überhaupt eine Rechtfertigung nötig ist, ist aber eben auch signifikant. Nehmen wir zum Beispiel Gewalt als Strafmaßnahme: Selbst wenn der Bestrafende die Strafe als gerechtfertigt ansieht, fällt er damit immer auch das Urteil, dass es besser wäre, er müsste gar nicht erst strafen. Andernfalls haben wir es nicht mit einer Strafe zu tun, sondern mit willkürlicher Gewalt, und Willkür kann keine allgemeine Norm sein. Wer willkürlich Gewalt ausübt, folgt keiner anderen Moral, sondern vielmehr gar keiner.
fwo hat folgendes geschrieben: | Der Post von mir war zwar eine Antwort auf deinen, bezog sich aber nicht speziell auf deine Argumentation, sondern war eine mehr spielerische Vermischung der Betrachtungsebenen, um zu sehen/zeigen, was da alles möglich ist. |
Mit den Rationalisierungen von Nazi-Tätern habe ich mich auch selbst schon beschäftigt. Ich kenne diese Sachen durchaus.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
|
|
Nach oben |
|
 |
Kival Profeminist Ghost
Anmeldungsdatum: 14.11.2006 Beiträge: 24071
|
(#1786212) Verfasst am: 04.10.2012, 18:04 Titel: Re: Stillstellung |
|
|
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Wenn der Täter nicht gerade ein Psychopath ist, ist Gewalt nämlich auch für ihn vielleicht zu höheren Zwecken notwendig, aber nicht als solche wünschenswert. |
Sind die Krieger in Kriegerkulturen früherer Zeiten alle Psychopathen gewesen? Ich wäre mir nicht so sicher, dass die Ablehnung von Gewalt eine Konstante moralischer Vorstellungen ist...
_________________ "A basic literacy in statistics will one day be as necessary for efficient citizenship as the ability to read and write." (angeblich H. G. Wells)
|
|
Nach oben |
|
 |
step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
|
(#1786219) Verfasst am: 04.10.2012, 18:44 Titel: Re: Stillstellung |
|
|
Kival hat folgendes geschrieben: | Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Wenn der Täter nicht gerade ein Psychopath ist, ist Gewalt nämlich auch für ihn vielleicht zu höheren Zwecken notwendig, aber nicht als solche wünschenswert. | Sind die Krieger in Kriegerkulturen früherer Zeiten alle Psychopathen gewesen? Ich wäre mir nicht so sicher, dass die Ablehnung von Gewalt eine Konstante moralischer Vorstellungen ist... |
Ganz sicher nicht. Insbesondere Gewalt an Nichtmitgliedern der moralischen "Vertragsgemeinschaft" gilt in solchen Kulturen oft als ehrenhaft.
In der Moral sind Mittel mE nie "als solche wünschenswert", das ist trivial. Da Moral ja dazu da ist, die Interessen der Gemeinschaft im Individuum zu verankern, also den Einzelnen verläßlicher und gemeinnütziger zu machen, begründet sie nahezu gezwungenermaßen Mittel mit einem "höheren Zweck".
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
|
|
Nach oben |
|
 |
fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26509
Wohnort: im Speckgürtel
|
(#1786221) Verfasst am: 04.10.2012, 19:02 Titel: Re: Stillstellung |
|
|
Kival hat folgendes geschrieben: | Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Wenn der Täter nicht gerade ein Psychopath ist, ist Gewalt nämlich auch für ihn vielleicht zu höheren Zwecken notwendig, aber nicht als solche wünschenswert. |
Sind die Krieger in Kriegerkulturen früherer Zeiten alle Psychopathen gewesen? Ich wäre mir nicht so sicher, dass die Ablehnung von Gewalt eine Konstante moralischer Vorstellungen ist... |
Das Beispiel zeigt einen Teil der Problematik: Die Gewalt nach Außen war immer erlaubt. Und wenn Tarvoc Willkür so sieht, dass der ausübende keiner Moral folgt, dann ist das ein wertendes Urteil aus heutiger Sicht, dann benutzt er das Wort Moral wie Marcellinus auch nur für die Verhaltensstandards, die nach seiner Sicht gut sind. Für eine allgemeine Betrachtung sollte er das nicht tun.
Moral als Verhaltensstandard / Regelsystem innerhalb der Gruppe regelt nur das Verhalten innerhalb der Gruppe, die ihrer eigenen Abgrenzung folgt. Aber auch hierarchische Gesellschaften bis hin zur Gesellschaft mit Leibeigenschaft - der offiziellen Erlaubnis für Willkür - haben eine Moral, auch wenn die keine Gleichberechtigung vorsieht. Gewalt kann auch so sehr Bestandteil des normalen Lebens sein, dass es sogar vom Opfer als defizitär wahrgenommen wird, wenn sie fehlt. Ich erinnere mich gerade an einen Reisebericht kurz nach WKII, da fuhr jemand mit dem Fahrrad um die Welt und in einer Siedlung mit Volksdeutschen, ich glaube irgendwo auf dem Balkan, war eine Frau verzweifelt, weil sie ihre tägliche Tracht Prügel von ihrem Mann nicht bekam: Sie hatte Angst, dass er fremdging. Hier war Gewalt offenbar eine normale Form der Zuwendung.
Es gab oder gibt auch Männergesellschaften (sogar bei uns: Rocker) in denen Gewalt ein normales Mittel zur Herstellung und Bewahrung der Hierarchie ist.
Die Grundsätzliche Problematik einer Intergruppenmoral gehört da auch noch dazu : Ursprünglich gab es das gar nicht, da gab es nur zwei- oder mehrseitige Abkommen. Wir haben heute soetwas in Form eines allseitigen Abkommens im Völkerrecht, oder in Vorläufern wie der der Genfer Konvention oder der Haager Landkriegsordnung, die übrigens den Einsatz von Gewalt regeln.
fwo
_________________ Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.
The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.
Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
|
|
Nach oben |
|
 |
Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
|
(#1786231) Verfasst am: 04.10.2012, 21:17 Titel: Re: Stillstellung |
|
|
Kival hat folgendes geschrieben: | Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Wenn der Täter nicht gerade ein Psychopath ist, ist Gewalt nämlich auch für ihn vielleicht zu höheren Zwecken notwendig, aber nicht als solche wünschenswert. |
Sind die Krieger in Kriegerkulturen früherer Zeiten alle Psychopathen gewesen? Ich wäre mir nicht so sicher, dass die Ablehnung von Gewalt eine Konstante moralischer Vorstellungen ist... |
Gewalt kann moralisch sein, das ist wahr - übrigens auch unabhängig von irgendwelchen Vorstellungen.
Dies gilt insbesondere dann, wenn sich die Gewalt gegen die Existenz unmoralischer Gemeinschaften richtet, welche die objektiven Lebensbedürfnisse ihrer Mitglieder und/oder ihrer Nichtmitglieder nicht achten und/oder unterdrücken.
_________________ °
K.I.Z - Frieden
Das ist Postmoderne Ideologie! Psychologe und Philosoph analysieren RASSISMUS-Video
Informationsstelle Militarisierung e.V.
|
|
Nach oben |
|
 |
Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
|
(#1786243) Verfasst am: 04.10.2012, 21:43 Titel: Re: Stillstellung |
|
|
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Kival hat folgendes geschrieben: | Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Wenn der Täter nicht gerade ein Psychopath ist, ist Gewalt nämlich auch für ihn vielleicht zu höheren Zwecken notwendig, aber nicht als solche wünschenswert. |
Sind die Krieger in Kriegerkulturen früherer Zeiten alle Psychopathen gewesen? Ich wäre mir nicht so sicher, dass die Ablehnung von Gewalt eine Konstante moralischer Vorstellungen ist... |
Gewalt kann moralisch sein, das ist wahr - übrigens auch unabhängig von irgendwelchen Vorstellungen.
Dies gilt insbesondere dann, wenn sich die Gewalt gegen die Existenz unmoralischer Gemeinschaften richtet, welche die objektiven Lebensbedürfnisse ihrer Mitglieder und/oder ihrer Nichtmitglieder nicht achten und/oder unterdrücken. |
Und wer entscheidet das? Die Sieger?
_________________ "Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."
Friedrich Nietzsche
|
|
Nach oben |
|
 |
Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
|
(#1786248) Verfasst am: 04.10.2012, 21:47 Titel: Re: Stillstellung |
|
|
Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Kival hat folgendes geschrieben: | Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Wenn der Täter nicht gerade ein Psychopath ist, ist Gewalt nämlich auch für ihn vielleicht zu höheren Zwecken notwendig, aber nicht als solche wünschenswert. |
Sind die Krieger in Kriegerkulturen früherer Zeiten alle Psychopathen gewesen? Ich wäre mir nicht so sicher, dass die Ablehnung von Gewalt eine Konstante moralischer Vorstellungen ist... |
Gewalt kann moralisch sein, das ist wahr - übrigens auch unabhängig von irgendwelchen Vorstellungen.
Dies gilt insbesondere dann, wenn sich die Gewalt gegen die Existenz unmoralischer Gemeinschaften richtet, welche die objektiven Lebensbedürfnisse ihrer Mitglieder und/oder ihrer Nichtmitglieder nicht achten und/oder unterdrücken. |
Und wer entscheidet das? Die Sieger? |
Niemand entscheidet über Bedürfnisse. Es gibt sie objektiv.
_________________ °
K.I.Z - Frieden
Das ist Postmoderne Ideologie! Psychologe und Philosoph analysieren RASSISMUS-Video
Informationsstelle Militarisierung e.V.
|
|
Nach oben |
|
 |
Fake auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 11.11.2011 Beiträge: 3548
|
(#1786348) Verfasst am: 05.10.2012, 09:18 Titel: Re: Stillstellung |
|
|
Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Und wer entscheidet das? Die Sieger? |
Ja. Der Sieger. Der Überlebende. Die Mehrheit.
Wer denn sonst?
Gewalt ist ein gutes Beispiel. Held oder Verräter ist Ansichtssache. Genau wie gut und böse. Ein anderes Beispiel ist Sexualität. Im antiken Griechenland waren Homosexualität und Pädophilie normal. In den 60er Jahren war Homosexualität verboten und Pädophilie undenkbar. Heute ist Homosexualität hip und Pädophilie verboten. In 100 Jahren ist es vielleicht umgekehrt.
Moral ist nichts weiter als ein regionaler und temporärer Konsenz der jewiligen Entscheidungsträger.
|
|
Nach oben |
|
 |
Fake auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 11.11.2011 Beiträge: 3548
|
(#1786350) Verfasst am: 05.10.2012, 09:22 Titel: Re: Stillstellung |
|
|
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Niemand entscheidet über Bedürfnisse. Es gibt sie objektiv. |
Na und? Moral orientiert sich nicht an den Bedürfnissen aller, sondern an den Bedürfnissen der Sieger, der Überlebenden, der Mehrheit.
|
|
Nach oben |
|
 |
Rohrspatz grobsinnig und feinschlächtig
Anmeldungsdatum: 25.12.2007 Beiträge: 3877
Wohnort: NRW
|
(#1786353) Verfasst am: 05.10.2012, 09:37 Titel: Re: Stillstellung |
|
|
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Niemand entscheidet über Bedürfnisse. Es gibt sie objektiv. |
Was vielleicht auch der Grund ist, warum Unterdrückung so gern aufgrund einer vermeintlichen "Natur" der Unterdrückten gerechtfertigt wird und wurde -> Ist alles zum Wohl der armen Sklavenrasse/ der Sklavenklasse/ des Sklavengeschlechts.... Im Idealfall glauben das die Unterdrückten auch selbst.
Insofern sind Bedürfnisse zwar objektiv vorhanden, sie sind aber selbst nicht objektiv. Die Grundbedürfnisse mag jeder haben, aber was Chancen oder Macht betrifft, ist es doch erschreckend, wie bereitwillig und selbstverständlich der Mensch verzichtet, wenn er die Umstände als naturgegeben ansieht.
_________________ Dies ist keine Piep-Show.
|
|
Nach oben |
|
 |
Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
|
(#1786355) Verfasst am: 05.10.2012, 10:17 Titel: Re: Stillstellung |
|
|
Rohrspatz hat folgendes geschrieben: |
Insofern sind Bedürfnisse zwar objektiv vorhanden, sie sind aber selbst nicht objektiv. Die Grundbedürfnisse mag jeder haben, aber was Chancen oder Macht betrifft, ist es doch erschreckend, wie bereitwillig und selbstverständlich der Mensch verzichtet, wenn er die Umstände als naturgegeben ansieht. |
"wie bereitwillig und selbstverständlich der Mensch verzichtet". Eigentlich ein einfacher Satz und man denkt so: Ja, so ist er, der Mensch. Aber denk dir diesen Satz mal im Plural: "die Menschen", schon stellt sich die Frage: alle Menschen? Und die Antwort ist selbstverständlich Nein. Oder genauer gesagt, es gibt Menschen, die verzichten, die anderen tun es nicht. Die einen kriegst du leicht dazu, andere gar nicht.
_________________ "Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."
Friedrich Nietzsche
|
|
Nach oben |
|
 |
Rohrspatz grobsinnig und feinschlächtig
Anmeldungsdatum: 25.12.2007 Beiträge: 3877
Wohnort: NRW
|
(#1786361) Verfasst am: 05.10.2012, 10:39 Titel: Re: Stillstellung |
|
|
Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Rohrspatz hat folgendes geschrieben: |
Insofern sind Bedürfnisse zwar objektiv vorhanden, sie sind aber selbst nicht objektiv. Die Grundbedürfnisse mag jeder haben, aber was Chancen oder Macht betrifft, ist es doch erschreckend, wie bereitwillig und selbstverständlich der Mensch verzichtet, wenn er die Umstände als naturgegeben ansieht. |
"wie bereitwillig und selbstverständlich der Mensch verzichtet". Eigentlich ein einfacher Satz und man denkt so: Ja, so ist er, der Mensch. Aber denk dir diesen Satz mal im Plural: "die Menschen", schon stellt sich die Frage: alle Menschen? Und die Antwort ist selbstverständlich Nein. Oder genauer gesagt, es gibt Menschen, die verzichten, die anderen tun es nicht. Die einen kriegst du leicht dazu, andere gar nicht. |
Der Satz geht aber weiter: "wenn er die Umstände als naturgegeben ansieht". Das ist der Punkt.
Wenn ein unterdrückter Mensch glaubt, er müsse natürlicherweise beherrscht werden, dann wird er höchstens für bessere Bedingungen kämpfen, nicht aber dafür, selbst herrschen zu dürfen. Das ist eigentlich schon tautologisch, deswegen wäre mein Satz auch aussagekräftiger, hätte ich gesagt, es sei erschreckend, wie bereitwillig Menschen eine vermeintliche Naturgegebenheit von Unterschieden akzeptieren. Ein Beispiel wären die indischen Kasten - ein stabiles System, so lange an der Gesetzmäßigkeit der Kasten nicht gezweifelt wird.
Und natürlich gibt es immer mal wieder Einzelne, die zweifeln und hinterfragen und dadurch auch Chancen oder Macht anstreben.
_________________ Dies ist keine Piep-Show.
|
|
Nach oben |
|
 |
Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
|
(#1786371) Verfasst am: 05.10.2012, 10:53 Titel: Re: Stillstellung |
|
|
Kival hat folgendes geschrieben: | Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Wenn der Täter nicht gerade ein Psychopath ist, ist Gewalt nämlich auch für ihn vielleicht zu höheren Zwecken notwendig, aber nicht als solche wünschenswert. |
Sind die Krieger in Kriegerkulturen früherer Zeiten alle Psychopathen gewesen? Ich wäre mir nicht so sicher, dass die Ablehnung von Gewalt eine Konstante moralischer Vorstellungen ist... |
Gewaltanwendung ist einfach einer unserer Möglichkeiten, und in einer Gesellschaft, in der Gewaltanwendung normal ist und als notwendig betrachtet wird, hatte man auch sein Vergnügen daran. Die Ritter des europäischen Mittelalters sind ein gutes Beispiel dafür. Wer an Kriegen (kleinen wie großen) kein Vergnügen fand, mußte sich die Haare scheren und ins Kloster gehen. Um etwas von der damaligen Stimmungslage mitzubekommen, eine engl. Übersetzung eines franz. Kriegsliedes von Bertran de Born aus der Wende vom 23. zum 13. Jh. (Mein Französisch ist nicht gut genug, sonst hätte ich's ins Deutsche übersetzt):
"„...We shall see battle axes and swords, a-battering colored haumes and a-hacking through shields at entering melee; and many vassals smiting together, whence there run free the horses of the dead and wrecked. And when each man of prowess shall be come into the fray he thinks no more of (merely) breaking heads and arms, for a dead man is worth more than one taken alive.
I tell you that I find no such savor in eating butter and sleeping, as when I hear cried ‚On them!‘ and from both sides hear horses neighing through their head-guards, and hear shouted ‚To aid! To aid!‘ and see the dead with lance truncheons, the pennants still on them, piercing their sides.
Barons! put in pawn castles, and towns, and cities before anyone makes war on us.
Papiol, be glad to go speedily to ‚Yea and Nay‘, and tell him there's too much peace about.“
(http://de.wikipedia.org/wiki/Bertran_de_Born#Quellen)
_________________ "Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."
Friedrich Nietzsche
|
|
Nach oben |
|
 |
Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44680
|
(#1786497) Verfasst am: 05.10.2012, 18:27 Titel: |
|
|
fwo hat folgendes geschrieben: | [...] dann benutzt er das Wort Moral wie Marcellinus auch nur für die Verhaltensstandards, die nach seiner Sicht gut sind. Für eine allgemeine Betrachtung sollte er das nicht tun. |
Wieso eigentlich nicht? Ist das ein normativer Satz, und wo kommt diese Norm wiederum her? Ergibt sie sich aus der Sache selbst, oder ist sie selbst genauso ein kulturelles Produkt wie meine Herangehensweise oder die von Skeptiker?
Skeptiker macht sich nicht die Mühe, Neutralität oder normative Voraussetzungslosigkeit zu behaupten. Aber seine Betrachtung erlaubt es, den Blick zumindest zum Teil weg von den Subjekten einer bestimmten Moral (denen, die nach ihr handeln) und ihrem Willen oder ihren Überzeugungen und hin zu den Gegenständen bzw. Objekten dieses Handelns zu verschieben - was uns schön zum Threadthema zurückführen könnte. Z.B.: Gibt es eine Moral, die vom Objekt der Gewaltanwendung herleitbar ist?
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
|
|
Nach oben |
|
 |
fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26509
Wohnort: im Speckgürtel
|
(#1786514) Verfasst am: 05.10.2012, 19:12 Titel: |
|
|
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | fwo hat folgendes geschrieben: | Für eine allgemeine Betrachtung sollte er das nicht tun. |
Wieso eigentlich nicht? Ist das ein normativer Satz? Welche Garantie kannst du eigentlich geben, dass du mit deiner rein beschreibenden "allgemeinen Betrachtung" im Bereich Moral nicht schon von der Herangehensweise her völlig falsch liegst? Du gibst vor, eine perspektivenübergreifende Betrachtung liefern zu können, aber in Wirklichkeit ist dein Relativismus nur eine weitere auf bestimmten Normen gegründete Perspektive. Deine Art der Betrachtung ist genauso etwas Kulturspezifisches wie meine Art oder Skeptikers Art..... |
Das ist eine Frage des Ziels: Wenn Du für dich festlegst, was Du unter Moral verstehst, dann kannst Du natürlich auch fragen, was genau dazu führen könnte, dass diese Moral sich durchsetzt. Du wirst aber dabei nicht über das Hypothetische hinauskommen:
So war die Fragestellung auch nicht formuliert, als ich anfing in diesem Thread zu schreiben, da war die Fragestellung wie funktioniert Moral, ohne dass auf eine spezielle Tarvoc-Moral Bezug genommen wurde.
Und diese Fragestellung, wie nämlich Moral in ihrer Tradition und in ihrer Änderung funktioniert, das ist das, was ich mit allgemeiner Betrachtung meinte, wirst Du an realen Beispielen zwangsläufig nicht an der Tarvok-Moral untersuchen können, weil es für die keine aktuelle Implementierung gibt.
Und wenn Du so willst, kannst Du meinen Hinweis "Wenn Du etwas untersuchen willst, solltest Du das nehmen, was da ist." dann als normativ betrachten.
Es ist ein kleiner Unterschied, sich über die richtige Wertung zu streiten oder darüber wie etwas funktioniert. Für den Streit über die richtige Wertung muss ich selbst werten und meine Maßstäbe auch auf den Tisch legen. Wenn ich wissen will, wie Menschen werten, woher sie ihre Maßstäbe haben, wie sie sie weitergeben, wie sie ihre Maßstäbe verändern oder verteidigen, dann sollte ich meine solange außen vor halten. Dass ich für mich persönlich im hier und heute eine "synthetische Moral", die mit den Menschenrechten konform geht, anstrebe, ist etwas völlig anderes und hat damit nämlich nichts zu tun. Deshalb ist auch die Vokabel Relativismus hier Nonsens - diese Vokabel wäre richtig, wenn ich mich für die Bewertung der Gegenwart darauf zurückziehen würde, dass alles gleichrichtig sei, wenn man es nur aus seinen Ursprüngen verstünde. Es lässt sich aber z.b. am Beispiel Beschneidung sehr einfach zeigen, dass ich das nicht tue.
fwo
_________________ Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.
The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.
Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
|
|
Nach oben |
|
 |
Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44680
|
(#1786515) Verfasst am: 05.10.2012, 19:13 Titel: Re: Stillstellung |
|
|
Kival hat folgendes geschrieben: | Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Wenn der Täter nicht gerade ein Psychopath ist, ist Gewalt nämlich auch für ihn vielleicht zu höheren Zwecken notwendig, aber nicht als solche wünschenswert. |
Sind die Krieger in Kriegerkulturen früherer Zeiten alle Psychopathen gewesen? |
Ich ziehe diese Äußerung von mir zurück. Sie war ohnehin undurchdacht. Mir selbst fallen gerade noch ein paar Einwände dagegen ein.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
|
|
Nach oben |
|
 |
Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44680
|
(#1786516) Verfasst am: 05.10.2012, 19:15 Titel: |
|
|
fwo hat folgendes geschrieben: | So war die Fragestellung auch nicht formuliert, als ich anfing in diesem Thread zu schreiben, da war die Fragestellung wie funktioniert Moral. |
Okay, dann liegt unser Problem darin, dass wir einfach schon die ganze Zeit zwei unterschiedliche Fragen diskutieren. Ich versuche hier die ganze Zeit, die ursprüngliche Threadfrage zu diskutieren.
Klar, wenn man nur wissen will, wie sich kulturelle Verhaltensweisen etablieren, ist deine Herangehensweise natürlich die Richtige. Und wenn es nur darum geht, ziehe ich auch den Relativismusbegriff zurück.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
|
|
Nach oben |
|
 |
B.O.Bachter universal-laie
Anmeldungsdatum: 04.10.2012 Beiträge: 32
Wohnort: minga
|
(#1786523) Verfasst am: 05.10.2012, 19:57 Titel: Re: Stillstellung |
|
|
Fake hat folgendes geschrieben: | Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Und wer entscheidet das? Die Sieger? |
Ja. Der Sieger. Der Überlebende. Die Mehrheit.
Wer denn sonst?
Gewalt ist ein gutes Beispiel. Held oder Verräter ist Ansichtssache. Genau wie gut und böse. Ein anderes Beispiel ist Sexualität. Im antiken Griechenland waren Homosexualität und Pädophilie normal. In den 60er Jahren war Homosexualität verboten und Pädophilie undenkbar. Heute ist Homosexualität hip und Pädophilie verboten. In 100 Jahren ist es vielleicht umgekehrt.
Moral ist nichts weiter als ein regionaler und temporärer Konsenz der jewiligen Entscheidungsträger. |
Es gibt gute Gründe, Pädophilie zu verbieten, die mit Moral nichts zu tun haben. Dazu gehört u. a., dass es dem Staat und insbesondere dem beteiligten Kind nicht zugemutet werden kann zu untersuchen (bzw. eine Untersuchung über sich ergehen zu lassen), ob die sexuellen Handlungen einvernehmlich geschehen sind oder nicht.
_________________ Was heute nicht richtig ist, kann morgen schon falsch sein.
|
|
Nach oben |
|
 |
step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
|
(#1786538) Verfasst am: 05.10.2012, 21:06 Titel: |
|
|
Tarvoc an fwo hat folgendes geschrieben: | Klar, wenn man nur wissen will, wie sich kulturelle Verhaltensweisen etablieren, ist deine Herangehensweise natürlich die Richtige. Und wenn es nur darum geht, ziehe ich auch den Relativismusbegriff zurück. |
Und wenn man dagegen wissen will, wie man sich wirklich verhalten soll, dann gibt es keine richtige Herangehensweise. Höchstens auf eine gemeinsames Wollen könnte man sich einigen.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
|
|
Nach oben |
|
 |
step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
|
(#1786540) Verfasst am: 05.10.2012, 21:07 Titel: Re: Stillstellung |
|
|
B.O.Bachter hat folgendes geschrieben: | Es gibt gute Gründe, Pädophilie zu verbieten, die mit Moral nichts zu tun haben. Dazu gehört u. a., dass es dem Staat und insbesondere dem beteiligten Kind nicht zugemutet werden kann zu untersuchen (bzw. eine Untersuchung über sich ergehen zu lassen), ob die sexuellen Handlungen einvernehmlich geschehen sind oder nicht. |
Na, wenn das kein moralischer Grund ist ...
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
|
|
Nach oben |
|
 |
Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44680
|
(#1786549) Verfasst am: 05.10.2012, 21:20 Titel: |
|
|
step hat folgendes geschrieben: | Und wenn man dagegen wissen will, wie man sich wirklich verhalten soll, dann gibt es keine richtige Herangehensweise. |
Ich frag' mich gerade, wie du dir da so sicher sein kannst. Sagst du etwas anderes als dass dein Weltbild in seinem gegenwärtigen Zustand den Gedanken an richtige Herangehensweisen in dieser Frage nicht zulässt?
Du müsstest schon Kriterien haben, die dein Weltbild gegenüber einem, das in diesem Punkt richtige Herangehensweisen annimmt (z.B. Skeptikers), privilegieren. Was für Kriterien wären das denn?
step hat folgendes geschrieben: | Höchstens auf eine gemeinsames Wollen könnte man sich einigen. |
Dann ist also sich zu einigen die richtige Herangehensweise?
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
|
|
Nach oben |
|
 |
Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
|
(#1786553) Verfasst am: 05.10.2012, 21:39 Titel: Re: Stillstellung |
|
|
B.O.Bachter hat folgendes geschrieben: | Fake hat folgendes geschrieben: | Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Und wer entscheidet das? Die Sieger? |
Ja. Der Sieger. Der Überlebende. Die Mehrheit.
Wer denn sonst?
Gewalt ist ein gutes Beispiel. Held oder Verräter ist Ansichtssache. Genau wie gut und böse. Ein anderes Beispiel ist Sexualität. Im antiken Griechenland waren Homosexualität und Pädophilie normal. In den 60er Jahren war Homosexualität verboten und Pädophilie undenkbar. Heute ist Homosexualität hip und Pädophilie verboten. In 100 Jahren ist es vielleicht umgekehrt.
Moral ist nichts weiter als ein regionaler und temporärer Konsenz der jewiligen Entscheidungsträger. |
Es gibt gute Gründe, Pädophilie zu verbieten, die mit Moral nichts zu tun haben. Dazu gehört u. a., dass es dem Staat und insbesondere dem beteiligten Kind nicht zugemutet werden kann zu untersuchen (bzw. eine Untersuchung über sich ergehen zu lassen), ob die sexuellen Handlungen einvernehmlich geschehen sind oder nicht. |
Und wie ist es bei der Sodomie?
_________________ °
K.I.Z - Frieden
Das ist Postmoderne Ideologie! Psychologe und Philosoph analysieren RASSISMUS-Video
Informationsstelle Militarisierung e.V.
|
|
Nach oben |
|
 |
step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
|
(#1786554) Verfasst am: 05.10.2012, 21:46 Titel: |
|
|
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Und wenn man dagegen wissen will, wie man sich wirklich verhalten soll, dann gibt es keine richtige Herangehensweise. | Ich frag' mich gerade, wie du dir da so sicher sein kannst. Sagst du etwas anderes als dass dein Weltbild in seinem gegenwärtigen Zustand den Gedanken an richtige Herangehensweisen in dieser Frage nicht zulässt? |
Es ist nicht mein rein privatideologisches Weltbild, sondern das des kritischen Rationalismus. Ich versuche Kriterien zu finden, die sich empirisch als verläßlich erwiesen haben.
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Irgendwie musst du ja Kriterien haben, das dein Weltbild gegenüber einem, das in diesem Punkt richtige Herangehensweisen annimmt (z.B. Skeptikers), privilegiert. Was für Kriterien wären das denn? | Naja, ich mache natürlich Annahmen, wenn auch sehr allgemeine. Etwa die, daß ich als gute Theorie (in diesem Fall über das, was man tun soll) nur das akzeptiere, was gute Voraussagen erlaubt und intersubjektiv überprüfbar ist. Das schließt natürlich aus, daß ich einen Gott oder die Herrschaft der Arbeiterklasse als Ziel aller Geschichte einfach mal voraussetze.
Mir (und sicher auch Dir) ist natürlich klar, daß normative Ethik, das Grundgesetz, Fundamentaltheologie, Klassenkampf usw. diesen Kriterien nicht genügen KANN.
Trotzdem kann Euch natürlich niemand verbieten, daran zu glauben, daß eine spezifische Ethik irgendwo "fest aufgehängt" ist.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
|
|
Nach oben |
|
 |
step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
|
(#1786555) Verfasst am: 05.10.2012, 21:47 Titel: |
|
|
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Höchstens auf eine gemeinsames Wollen könnte man sich einigen. | Dann ist also sich zu einigen die richtige Herangehensweise? |
Ja, so könnte man sagen. Das "sich einigen" folgt irgendwo sehr generisch aus dem vorgegeben "Set", nämlich daß wir n Subjekte mit Interessen haben.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
|
|
Nach oben |
|
 |
Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44680
|
(#1786556) Verfasst am: 05.10.2012, 21:55 Titel: |
|
|
step hat folgendes geschrieben: | Etwa die, daß ich als gute Theorie (in diesem Fall über das, was man tun soll) nur das akzeptiere, was gute Voraussagen erlaubt und intersubjektiv überprüfbar ist. |
Es werden aber Diskussionen über Ethik mit intersubjektiv nachvollziehbaren Argumenten geführt. Dass es Menschen gibt, die aufgrund anderer Hintergründe diese Argumente nicht nachvollziehen können, ist dagegen letztlich kein Argument, weil es auch Menschen gibt, die aufgrund anderer Hintergründe den kritischen Rationalismus und das wissenschaftliche Weltbild (bzw. sämtliche von dir angelegten Kriterien) nicht nachvollziehen können, und deren Intersubjektivität wird ja dadurch auch nicht aufgehoben.
Wenn eine völlig andere Perspektive in den Diskurs eintritt, wird es vielleicht nötig, erst eine gemeinsame Sprache zu finden. Aber das ist in jedem Diskurs so und kein Beweis dafür, dass dieser spezifische Diskurs gar keine verstehbaren Kriterien hätte.
step hat folgendes geschrieben: | Mir (und sicher auch Dir) ist natürlich klar, daß normative Ethik, das Grundgesetz, Fundamentaltheologie, Klassenkampf usw. diesen Kriterien nicht genügen KANN. |
Die Frage ist aber eben, ob deine Kriterien den Anforderungen einer Diskussion über dieses Thema genügen. Anders gesagt: Du musst die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass das bisher von dir erlernte Vokabular einfach für diese Frage noch nicht ausreicht.
Aber möglicherweise gibt es doch bereits Anknüpfungspunkte. Konsistenz in der Argumentation wäre beispielsweise ein Kriterium, das in ethischen Debatten genauso gilt wie in wissenschaftlichen.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
|
|
Nach oben |
|
 |
Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
|
(#1786562) Verfasst am: 05.10.2012, 22:09 Titel: |
|
|
step hat folgendes geschrieben: | Tarvoc hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Und wenn man dagegen wissen will, wie man sich wirklich verhalten soll, dann gibt es keine richtige Herangehensweise. | Ich frag' mich gerade, wie du dir da so sicher sein kannst. Sagst du etwas anderes als dass dein Weltbild in seinem gegenwärtigen Zustand den Gedanken an richtige Herangehensweisen in dieser Frage nicht zulässt? |
Es ist nicht mein rein privatideologisches Weltbild, sondern das des kritischen Rationalismus. Ich versuche Kriterien zu finden, die sich empirisch als verläßlich erwiesen haben. |
Der extrem konservative Popper hat aber nicht die Kompetenz zu dieser Debatte irgend etwas beizusteuern. Nur mal so nebenbei.
step hat folgendes geschrieben: | Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Irgendwie musst du ja Kriterien haben, das dein Weltbild gegenüber einem, das in diesem Punkt richtige Herangehensweisen annimmt (z.B. Skeptikers), privilegiert. Was für Kriterien wären das denn? | Naja, ich mache natürlich Annahmen, wenn auch sehr allgemeine. Etwa die, daß ich als gute Theorie (in diesem Fall über das, was man tun soll) nur das akzeptiere, was gute Voraussagen erlaubt und intersubjektiv überprüfbar ist. |
Eine gute Theorie macht nicht einfach Voraussagen, sondern sie erklärt auch die Vergangenheit. Überhaupt erklärt eine gute Theorie Entwicklungsvorgänge. Unter anderem auch die Entwicklungsbedingungen für Moral.
Und "intersubjektiv" <> objektiv.
step hat folgendes geschrieben: | Das schließt natürlich aus, daß ich einen Gott oder die Herrschaft der Arbeiterklasse als Ziel aller Geschichte einfach mal voraussetze. |
Die Diktatur des Proletariats wäre ja auch nicht das Ziel der Geschichte, sondern höchstens ein Durchgangsstadium zu einer klassenlosen und herrschaftsfreien Zivilisation.
Das wesentliche ist dabei die (R)Evolution der bestehenden Gesellschaft, die für einen Popper Ewigkeitswert zu beanspruchen scheint.
step hat folgendes geschrieben: | Mir (und sicher auch Dir) ist natürlich klar, daß normative Ethik, das Grundgesetz, Fundamentaltheologie, Klassenkampf usw. diesen Kriterien nicht genügen KANN. |
Es sei denn, es gibt eine Einigung über ein gemeinsames Wollen des Grundgesetzes, der Fundamentaltheologie oder des Klassenkampfes, gelle?
Dies jedenfalls sagst du selber ohne auf den Inhalt der Einigung einzugehen. Und damit widersprichst du dir selbst:
step hat folgendes geschrieben: | Tarvoc an fwo hat folgendes geschrieben: | Klar, wenn man nur wissen will, wie sich kulturelle Verhaltensweisen etablieren, ist deine Herangehensweise natürlich die Richtige. Und wenn es nur darum geht, ziehe ich auch den Relativismusbegriff zurück. |
Und wenn man dagegen wissen will, wie man sich wirklich verhalten soll, dann gibt es keine richtige Herangehensweise. Höchstens auf eine gemeinsames Wollen könnte man sich einigen. |
Entweder du lehnst bestimmte Inhalte grundsätzlich ab, selbst dann, wenn alle sich auf sie einigen, oder du befürwortest als einzig mögliche Moral die Einigung über einen x-beliebigen Inhalt.
Beides zugleich geht nicht, werter step!
step hat folgendes geschrieben: | Trotzdem kann Euch natürlich niemand verbieten, daran zu glauben, daß eine spezifische Ethik irgendwo "fest aufgehängt" ist. |
Na, woran eine Ethik aufgehängt werden kann, das habe ich doch nun mehrfach dargelegt. Oder etwa nicht? Oder habe ich mir da etwas gebastelt, oder ausgedacht ...-?
_________________ °
K.I.Z - Frieden
Das ist Postmoderne Ideologie! Psychologe und Philosoph analysieren RASSISMUS-Video
Informationsstelle Militarisierung e.V.
|
|
Nach oben |
|
 |
Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44680
|
(#1786564) Verfasst am: 05.10.2012, 22:17 Titel: |
|
|
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Das wesentliche ist dabei die (R)Evolution der bestehenden Gesellschaft, die für einen Popper Ewigkeitswert zu beanspruchen scheint. |
Ich kann Popper auch nicht ab, aber das stimmt so einfach nicht. Popper plädiert sogar für ein politisches System, in dem Veränderungen so reibungslos wie möglich vonstatten gehen können.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
Zuletzt bearbeitet von Tarvoc am 05.10.2012, 22:33, insgesamt 2-mal bearbeitet |
|
Nach oben |
|
 |
Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
|
(#1786570) Verfasst am: 05.10.2012, 22:33 Titel: |
|
|
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Das wesentliche ist dabei die (R)Evolution der bestehenden Gesellschaft, die für einen Popper Ewigkeitswert zu beanspruchen scheint. |
Ich kann Popper auch nicht ab, aber das stimmt so einfach nicht. Popper plädiert sogar für ein politisches System, in dem Veränderungen so reibungslos wie möglich vonstatten gehen können. |
Popper war der Ansicht, dass man nur bestimmte Fehler im System korrigieren müsse, um die Gesellschaft weiter zu entwickeln. (Das Prinzip der Falsifikation, übertragen auf die Gesellschaft.)
Das läuft auf lupenreinen Konservatisms hinaus, weil letzten Endes die zentralen Bedingungsstrukturen jener Fehler nie in den Fokus genommen werden. Popper war ja nicht ohne Grund mit solchen Leuten wie Hayek oder Konrad Lorenz befreundet und teilte auch z.T. deren Ansichten.
_________________ °
K.I.Z - Frieden
Das ist Postmoderne Ideologie! Psychologe und Philosoph analysieren RASSISMUS-Video
Informationsstelle Militarisierung e.V.
|
|
Nach oben |
|
 |
Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44680
|
(#1786573) Verfasst am: 05.10.2012, 22:37 Titel: |
|
|
Das läuft nicht auf lupenreinen Konservatismus hinaus, weil die Beurteilungsinstanzen für die Korrektur von Fehlern für Popper anders als bei Konservativen nicht irgendwelche bestehenden Institutionen oder Gewalten sind (denn diese sind ja für ihn selbst Gegenstand der ständigen Überprüfung), sondern das Volk durch demokratische Wahl. Worauf das hinausläuft, ist lupenreiner bürgerlicher Liberalismus. Dass diese Konzeption eine ganze Reihe blinder Flecke und theoretischer Schwächen hat, weiss ich übrigens selbst.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
|
|
Nach oben |
|
 |
Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
|
(#1786578) Verfasst am: 05.10.2012, 22:50 Titel: |
|
|
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Das läuft nicht auf lupenreinen Konservatismus hinaus, weil die Beurteilungsinstanzen für die Korrektur von Fehlern für Popper anders als bei Konservativen nicht irgendwelche bestehenden Institutionen oder Gewalten sind (denn diese sind ja für ihn selbst Gegenstand der ständigen Überprüfung), sondern das Volk durch demokratische Wahl. Worauf das hinausläuft, ist lupenreiner bürgerlicher Liberalismus. Dass diese Konzeption eine ganze Reihe blinder Flecke und theoretischer Schwächen hat, weiss ich übrigens selbst. |
Da bin ich jetzt irritiert. Der kritische Rationalismus hatte schon immer den Ruf, das Bestehende durch seine "Fehlerbereinigung" lediglich zu perfektionieren und zu legitimieren. Somit konservieren auch Wahlen und die angeblich "kritischen Debatten" die bürgerlichen Machtverhältnisse und Institutionen.
Gleiches gilt ja auch für Hayeks Liberalismus und "Fortschrittsdenken".
_________________ °
K.I.Z - Frieden
Das ist Postmoderne Ideologie! Psychologe und Philosoph analysieren RASSISMUS-Video
Informationsstelle Militarisierung e.V.
|
|
Nach oben |
|
 |
|