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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44680
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(#1786582) Verfasst am: 05.10.2012, 22:56 Titel: |
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Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Der kritische Rationalismus hatte schon immer den Ruf, das Bestehende durch seine "Fehlerbereinigung" lediglich zu perfektionieren und zu legitimieren. |
Aber welches Bestehende? Gegenüber einer absoluten Monarchie oder gar einer Diktatur hätte auch Popper für die Veränderung der politischen Ordnung plädiert. Er hätte nur hinzugefügt: Bitte mit so wenig Gewalt wie möglich. Für die bürgerliche Demokratie nach westlichem Vorbild spricht Popper sich aus, weil sie seiner Ansicht nach unter den Regierungsformen seiner Zeit das größte Reformpotential hat. Wenn man sich (z.B.) die damalige Realität des Ostblocks ansieht, war das damals ja auch nicht ganz abwegig.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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(#1786585) Verfasst am: 05.10.2012, 23:14 Titel: bürgerliche Gesellschaft als Debattierclub |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Der kritische Rationalismus hatte schon immer den Ruf, das Bestehende durch seine "Fehlerbereinigung" lediglich zu perfektionieren und zu legitimieren. |
Aber welches Bestehende? Gegenüber einer absoluten Monarchie oder gar einer Diktatur hätte auch Popper für die Veränderung der politischen Ordnung plädiert. Er hätte nur hinzugefügt: Bitte mit so wenig Gewalt wie möglich. Für die bürgerliche Demokratie nach westlichem Vorbild spricht Popper sich aus, weil sie seiner Ansicht nach unter den Regierungsformen seiner Zeit das größte Reformpotential hat. Wenn man sich (z.B.) die damalige Realität des Ostblocks ansieht, war das damals ja auch nicht ganz abwegig. |
Popper wird u.a. gerne genutzt, um die Krisen des Kapitalismus in oberflächliche Debatten zu überführen und als Gefahr für die "offene Gesellschaft" darzustellen, welche ja - trotz der bürgerlichen Machtverhältnisse - keine Diktatur sein soll. Vielmehr scheint die bürgerliche Gesellschaft - welche er als eine "offene" bezeichnet - für Popper ohne antagonistische Widersprüche zu sein und quasi als eine Art von Debattierclub zu verstehen.
Es ist ja eine Sache, für einen parlamentarischen Überbau zu streiten. Aber die harten ökonomischen Machtverhältnisse werden von den Jüngern Hayeks und Poppers immer sehr sorgfältig ausgespart.
Deswegen sind Neoliberalismus und Konservatismus gegenseitig anschlussfähig.
_________________ °
K.I.Z - Frieden
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Informationsstelle Militarisierung e.V.
Zuletzt bearbeitet von Skeptiker am 05.10.2012, 23:20, insgesamt einmal bearbeitet |
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44680
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(#1786587) Verfasst am: 05.10.2012, 23:19 Titel: |
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Wie gesagt, über die theoretischen Schwächen von Poppers Ansatz weiss ich selbst recht gut bescheid. Wobei man das heute, wo "Toleranz" Herrensignifikant numero uno in ethischen Debatten ist, natürlich kaum häufig genug sagen kann.
Popper und Hayek würde ich übrigens trotz ihrer Nähe zueinander nicht einfach in eine Kiste packen, schon weil Hayeks Ansatz in der Wirtschaftswissenschaft mit Poppers Wissenschaftstheorie inkompatibel ist.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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(#1786590) Verfasst am: 05.10.2012, 23:28 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Wie gesagt, über die theoretischen Schwächen von Poppers Ansatz weiss ich selbst recht gut bescheid. Wobei man das heute, wo "Toleranz" Herrensignifikant numero uno in ethischen Debatten ist, natürlich kaum häufig genug sagen kann. |
"Herrensignifikant numero uno"? Ist das ein neues Deo?
Kennst Du eigentlich seinen treuen Folgling, Hans Albers ... bzw. Hans Albert? Dieser hat ja den Österreicher Popper sozusagen auf Deutschland portiert.
Nach dem Zusammenbruch des "Ostblocks" war der öfter mal im Radio und in der Zeitung.
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Popper und Hayek würde ich übrigens trotz ihrer Nähe zueinander nicht einfach in eine Kiste packen, schon weil Hayeks Ansatz in der Wirtschaftswissenschaft mit Poppers Wissenschaftstheorie inkompatibel ist. |
Nun, aber die persönliche Freundschaft beruhte doch sicher auch auf einer großen Schnittmenge ihrer jeweiligen Gedanken nehme ich an. Popper war ja auch mit Konrad Lorenz nicht immer einer Meinung. Aber eine gewisse Grundgemeinsamkeit war wohl auch hier gegeben.
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K.I.Z - Frieden
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44680
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(#1786592) Verfasst am: 05.10.2012, 23:31 Titel: |
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Skeptiker hat folgendes geschrieben: | "Herrensignifikant numero uno"? Ist das ein neues Deo? |
Hehe. Da du ja auch ideologiekritisch unterwegs ist, dachte ich, du hättest diesen Ausdruck vielleicht schon mal gehört. Ich weiss nicht, inwieweit du z.B. Zizek rezipierst. Das ist hier etwas Off-Topic, aber wenn's dich interessiert, kann ich gerne per PN was dazu sagen.
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Kennst Du eigentlich seinen treuen Folgling, Hans Albers ... bzw. Hans Albert? |
Hans Albert sagt mir natürlich was, hab' aber noch nichts von ihm gelesen.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1786628) Verfasst am: 06.10.2012, 10:04 Titel: |
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Den Popper-Strohmann kannste Dir sparen, Skeptiker. Nur weil ich "kritischer Rationalismus" gesagt habe, heißt das nicht, daß ich die Ansichten Poppers teile und Du gleich wieder Deinen Klassenkampf auspacken mußt.
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | step an Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Mir (und sicher auch Dir) ist natürlich klar, daß normative Ethik, das Grundgesetz, Fundamentaltheologie, Klassenkampf usw. diesen Kriterien nicht genügen KANN. | Es sei denn, es gibt eine Einigung über ein gemeinsames Wollen des Grundgesetzes, der Fundamentaltheologie oder des Klassenkampfes, gelle? |
Nein, auch dann nicht. Die Einigung verhilft zwar zu einer Ethik und darüber auch zu einer Moral, aber sie ist damit explizit relativistisch.
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Dies jedenfalls sagst du selber ohne auf den Inhalt der Einigung einzugehen. Und damit widersprichst du dir selbst:
step hat folgendes geschrieben: | Und wenn man dagegen wissen will, wie man sich wirklich verhalten soll, dann gibt es keine richtige Herangehensweise. Höchstens auf eine gemeinsames Wollen könnte man sich einigen. | Entweder du lehnst bestimmte Inhalte grundsätzlich ab, selbst dann, wenn alle sich auf sie einigen, oder du befürwortest als einzig mögliche Moral die Einigung über einen x-beliebigen Inhalt. |
Letzteres: Ich sehe als einzig mögliche Ethik intelligenter Wesen eine, die sich aus der Einigung auf gemeinsame Ziele ableitet. Und die damit relativ ist und nicht irgendwo fest aufgehängt. Und daher widerspreche ich mir auch nicht, jedenfalls sehe ich keinen Widerspruch.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Kival Profeminist Ghost
Anmeldungsdatum: 14.11.2006 Beiträge: 24071
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(#1786632) Verfasst am: 06.10.2012, 10:43 Titel: |
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Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Kennst Du eigentlich seinen treuen Folgling, Hans Albers ... bzw. Hans Albert? Dieser hat ja den Österreicher Popper sozusagen auf Deutschland portiert. |
Dir ist schon klar, dass der "treue Folgling" zwar sicherlich Popper nahesteht, aber z. B. nicht jede von Poppers Ansichten teilt? Albert teilt z. B. nicht Poppers 3-Welten-Theorie. Auch nicht Poppers Scheu for der Selbstanwendbarkeit des KR. Achja, was auch immer...
_________________ "A basic literacy in statistics will one day be as necessary for efficient citizenship as the ability to read and write." (angeblich H. G. Wells)
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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(#1786643) Verfasst am: 06.10.2012, 11:26 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: | step an Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Mir (und sicher auch Dir) ist natürlich klar, daß normative Ethik, das Grundgesetz, Fundamentaltheologie, Klassenkampf usw. diesen Kriterien nicht genügen KANN. | Es sei denn, es gibt eine Einigung über ein gemeinsames Wollen des Grundgesetzes, der Fundamentaltheologie oder des Klassenkampfes, gelle? |
Nein, auch dann nicht. Die Einigung verhilft zwar zu einer Ethik und darüber auch zu einer Moral, aber sie ist damit explizit relativistisch.
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Dies jedenfalls sagst du selber ohne auf den Inhalt der Einigung einzugehen. Und damit widersprichst du dir selbst:
step hat folgendes geschrieben: | Und wenn man dagegen wissen will, wie man sich wirklich verhalten soll, dann gibt es keine richtige Herangehensweise. Höchstens auf eine gemeinsames Wollen könnte man sich einigen. | Entweder du lehnst bestimmte Inhalte grundsätzlich ab, selbst dann, wenn alle sich auf sie einigen, oder du befürwortest als einzig mögliche Moral die Einigung über einen x-beliebigen Inhalt. |
Letzteres: Ich sehe als einzig mögliche Ethik intelligenter Wesen eine, die sich aus der Einigung auf gemeinsame Ziele ableitet. Und die damit relativ ist und nicht irgendwo fest aufgehängt. Und daher widerspreche ich mir auch nicht, jedenfalls sehe ich keinen Widerspruch. |
Wenn du zum einen sagst, Moral sei das Ergebnis einer Einigung auf gemeinsame Ziele und andererseits meinst, dass z.B. die Bibel keine Grundlage für Moral sein kann, dann hast du ein Problem. Denn wenn sich alle einigen, der Bibel zu folgen, und darauf ihre gemeinsame Moral gründen zu wollen, dann hast du zum einen
a) ein Moralkriterium, welches du ablehnst und zum zweiten
b) ein Moralkriterium, welches du akzeptierst.
Außerdem habe ich auf die Möglichkeit hingewiesen, objektive Kriterien des menschlichen Wohlergehens (- welche man ja erforschen kann, im Rahmen der Gesundheitsforschung usw.! -) zur Leitlinie einer objektiven Moral zu machen. Und nicht nur das: Wenn nämlich eine Gemeinschaft/Gesellschaft sich anschließend - gemäß den besten und neuesten Forschungsergebnissen - auf eine (lebensfördernde) Moral (bezüglich Verhalten und Verhältnisse) einigt, dann hat man auch hier wieder sowohl
a) ein äußeres Moralkriterium und
b) Die gemeinsame Einigung auf dessen Anwendung.
Daraus kann man m.E. sehen, dass es nicht egal ist, welche Art von objektivem Kriterium man als Grundlage einer gemeinsamen Aufklärung nimmt. Konkret ist es eben nicht egal, ob man hierfür ein Dogma oder eine wissenschaftliche Erkenntnis verwendet.
Wenn du aber allein die Einigung über einen x-beleibigen Inhalt als hinreichend für eine Moral ansiehst, dann frage ich mal zurück, was denn dann überhaupt der Moralbegriff noch soll, wenn man statt dessen einfach den Begriff "gemeinsamer Konsens" setzen könnte.
Das thread-Thema "gibt es eine objektive Moral" stellt ja gerade die Frage, ob man unter Moral noch mehr verstehen könnte/müsste als nur die gesellschaftliche, gemeinsame Sitte. also ob man für Moral Kriterien angeben kann, mit denen ein Moralbegriff überhaupt erst Sinn macht, weil er mehr bezeichnet als nur das Reproduzieren von Tradition oder das Befolgen von gemeinschaftlchen Beschlüssen (egal, wie diese aussehen.)
Ich meine, es ist keineswegs egal, wie gemeinschaftliche Beschlüsse aussehen. Es muss vielmehr Kriterien geben, wie man Moral von Unmoral unterscheidet und zwar nicht nur in Form der Relativierung von Moral a aus der Sicht einer Moral b.
Was also ist Unmoral? Darüber könnte man einen neuen Zugang zur Frage bekommen: Was ist Moral?
Was ist eine moralische Wissenschaft, eine moralische Medizin, ein moralisches Bildungssystem? Ist all das nur eine Frage des beliebigen gemeinschaftlichen Konsens?
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K.I.Z - Frieden
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Zuletzt bearbeitet von Skeptiker am 06.10.2012, 11:47, insgesamt einmal bearbeitet |
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#1786646) Verfasst am: 06.10.2012, 11:40 Titel: |
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Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Wenn du aber allein die Einigung über einen x-beleibigen Inhalt als hinreichend für eine Moral ansiehst, dann frage ich mal zurück, was denn dann überhaupt der Moralbegriff noch soll, wenn man statt dessen einfach den Begriff "gemeinsamer Konsens" setzen könnte.
Das thread-Thema "gibt es eine objektive Moral" stellt ja gerade die Frage, ob man unter Moral noch mehr verstehen könnte/müsste als nur die gesellschaftliche, gemeinsame Sitte. also ob man für Moral Kriterien angeben kann, mit denen ein Moralbegriff überhaupt erst Sinn macht, weil er mehr bezeichnet als nur das Reproduzieren von Tradition oder das Befolgen von gemeinschaftlchen Beschlüssen (egal, wie diese aussehen.) |
Ihr kommt so nicht weiter. Ihr geht davon aus, daß Leute sich ohne Moral zusammensetzen und dann überlegen, auf welche Moral sie sich wohl einigen könnten. Nur ist das eine Fiktion. Es gibt diese Stunde 0 nicht. Es gibt keine Menschen ohne Beziehungen zwischeneinander und es gibt keine solchen Beziehungen ohne Handlungsnormen, in die jeder von uns hineinwächst.
Aber diese Handlungsnormen verbreiten sich nicht nur durch Sozialisation, sondern es gibt sie nur, weil sie sich in jedem von uns gewissermaßen individualisieren. Moral ist also, wenn du so willst, ein kollektiver Lernprozeß, dessen Ergebnis wir zwar beobachten, dessen Mechanismen wir aber bis heute nicht ganz verstehen, weder einfach nur beliebige Tradition noch gemeinschaftlicher Beschluß. Deshalb ist bisher auch jeder Versuch gescheitert, Moral aus einer Ethik heraus zu konstruieren.
Diese Handlungsnormen wirken über das Unterbewußtsein, und funktionieren daher auch nicht nach einem wie auch immer gearteten Schema, sondern sind fallorientiert. Die dabei anfallende Menge von Daten ist für unser Unterbewußtsein im Gegensatz zu unserem Bewußtsein kein Problem. Daher auch die inhaltliche Dürre normativer Ethik gegenüber praktischer Moral.
_________________ "Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."
Friedrich Nietzsche
Zuletzt bearbeitet von Marcellinus am 06.10.2012, 11:42, insgesamt einmal bearbeitet |
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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(#1786647) Verfasst am: 06.10.2012, 11:41 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: | "Herrensignifikant numero uno"? Ist das ein neues Deo? |
Hehe. Da du ja auch ideologiekritisch unterwegs ist, dachte ich, du hättest diesen Ausdruck vielleicht schon mal gehört. Ich weiss nicht, inwieweit du z.B. Zizek rezipierst. Das ist hier etwas Off-Topic, aber wenn's dich interessiert, kann ich gerne per PN was dazu sagen. |
Ja, weil das hier OT wird, kannst du mir gerne mal per PN erläutern, was mit dem "Herrensignifikant numero uno" gemeint ist.
Ich habe mal ein paar Texte von Zizek gelesen und kein Wort verstanden. Ich hatte den Eindruck, er muss verrückt sein. Aber vielleicht waren es auch die falschen Texte ...-
_________________ °
K.I.Z - Frieden
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44680
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(#1786654) Verfasst am: 06.10.2012, 12:28 Titel: |
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@ Skeptiker: PN ist raus.
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- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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(#1786655) Verfasst am: 06.10.2012, 12:34 Titel: |
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Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Wenn du aber allein die Einigung über einen x-beleibigen Inhalt als hinreichend für eine Moral ansiehst, dann frage ich mal zurück, was denn dann überhaupt der Moralbegriff noch soll, wenn man statt dessen einfach den Begriff "gemeinsamer Konsens" setzen könnte.
Das thread-Thema "gibt es eine objektive Moral" stellt ja gerade die Frage, ob man unter Moral noch mehr verstehen könnte/müsste als nur die gesellschaftliche, gemeinsame Sitte. also ob man für Moral Kriterien angeben kann, mit denen ein Moralbegriff überhaupt erst Sinn macht, weil er mehr bezeichnet als nur das Reproduzieren von Tradition oder das Befolgen von gemeinschaftlchen Beschlüssen (egal, wie diese aussehen.) |
Ihr kommt so nicht weiter. Ihr geht davon aus, daß Leute sich ohne Moral zusammensetzen und dann überlegen, auf welche Moral sie sich wohl einigen könnten. Nur ist das eine Fiktion. Es gibt diese Stunde 0 nicht. Es gibt keine Menschen ohne Beziehungen zwischeneinander und es gibt keine solchen Beziehungen ohne Handlungsnormen, in die jeder von uns hineinwächst.
Aber diese Handlungsnormen verbreiten sich nicht nur durch Sozialisation, sondern es gibt sie nur, weil sie sich in jedem von uns gewissermaßen individualisieren. Moral ist also, wenn du so willst, ein kollektiver Lernprozeß, dessen Ergebnis wir zwar beobachten, dessen Mechanismen wir aber bis heute nicht ganz verstehen, weder einfach nur beliebige Tradition noch gemeinschaftlicher Beschluß. Deshalb ist bisher auch jeder Versuch gescheitert, Moral aus einer Ethik heraus zu konstruieren.
Diese Handlungsnormen wirken über das Unterbewußtsein, und funktionieren daher auch nicht nach einem wie auch immer gearteten Schema, sondern sind fallorientiert. Die dabei anfallende Menge von Daten ist für unser Unterbewußtsein im Gegensatz zu unserem Bewußtsein kein Problem. Daher auch die inhaltliche Dürre normativer Ethik gegenüber praktischer Moral. |
Also, wenn du z.B. ein Fußball-Team siehst, dann ist zunächst mal klar, "grau ist alle Theorie" des Träners und "wichtig is auf'm Platz", will sagen: Das operative Verhalten der Spieler in bltzschnell sich ändernden Spielsituationen kann taktische Erwägungen sehr schnell über den Haufen werfen.
Guckt man sich aber mal die Rahmenbedingungen an, unter denen der heutige Profifussball stattfindet, so kann man diese sehr wohl mit Hilfe moralischer Maßstäbe und Kriterien beurteilen.
Es geht ja im Fußball nicht um Leben und Tod - anders als bei Gladiatoren-Kämpfen im alten Rom, und auch nicht um die nackte materielle Existenz der Spieler und Funktionäre, sondern nur um Wettbewerbsvorteile und Geld.
Das ist doch schon mal ein moralischer Fortschritt, und zwar unter Berücksichtigung des Kriteriums des leiblichen Wohlergehens, also eines durchaus objektiven Messkriteriums. Die meisten Fußballspieler und -innen überleben nämlich das Fußballspiel.
Ich schrieb vor ein Tagen, dass die Vormenschen-Moral eine Vormoral sei. Und man sieht durchaus in der menschlichen Geschichte, dass sich nicht nur die Produktivkräfte (- @Tarvoc: zu denen auch die Sprache gehört! -) ständig weiter entwickeln, sondern damit auch die Grundlagen von Moral und also auch eine Weiterentwicklung moralischer Maßstäbe und der Moral selbst stattgefunden hat.
Wir haben nun so etwas wie die "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" und wir sprechen von "Demokratie", von "wissenschaftlicher Wahrheit", von "ärztlicher Moral" usw. usf.
Solche Ideen waren zu früheren Zeiten nahezu undenkbar und primitive Moralen etwa in so mancher Religion waren ziemlich willkürliche Setzungen angesichts der mageren Möglichkeiten früherer Epochen.
Die Entwicklung von Moral ist durchaus ein objektiver Prozess, da beisst die Mauss keinen Faden ab. Es ist deshalb heute auch nicht mehr damit getan, krampfhaft an einem Kultur- oder Moral-Relativismus festzuhalten, so wie das Großmütterchen am Treppengeländer, um nicht herab zu stürzen.
Denn der Boden relativer und sich aus sich selbst rechtfertigender Moral und Kulturen ist dünner geworden. Wer heute eine Kultur oder Moral einzig und allein mit dessen Historie oder ihrer Nun-mal-Existenz rechtfertigen möchte, bewegt sich auf einem zunehmend dünnen Eis und das angesichts der voran schreitenden Klimaerwärmung.
Heute zeichnen sich am Horizont zunehmend nicht-relative plus wissenschaftliche Maßstäbe für eine fortschrittliche menschliche Moral in bezug auf die menschliche Gesellschaft und ihre Organisation ab. Das Verhalten als Teil der menschlichen Moral hat damit auch eine ganz andere neue Grundlage. Moralisches Verhalten ist eigentlich heute erst möglich, unter bestimmten Voraussetzungen und zwar deshalb weil der Gegensatz zwischen Egoismus und Altruismus aufgelöst werden kann.
Das stelle ich mal so in den Raum ...-
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1786656) Verfasst am: 06.10.2012, 12:37 Titel: |
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Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Wenn du zum einen sagst, Moral sei das Ergebnis einer Einigung auf gemeinsame Ziele und andererseits meinst, dass z.B. die Bibel keine Grundlage für Moral sein kann, dann hast du ein Problem. Denn wenn sich alle einigen, der Bibel zu folgen, und darauf ihre gemeinsame Moral gründen zu wollen, dann hast du zum einen
a) ein Moralkriterium, welches du ablehnst und zum zweiten
b) ein Moralkriterium, welches du akzeptierst. |
Das ist ein Kategorienfehler - in dem von Dir skizzierten Fall bestünde das Kriterium ja gerade nicht in der Bibel, sondern einzig in der Einigung. Das ist so ähnlich wie in der Demokratie: Frau Merkel hat auch nicht das Sagen (wenn sie es denn hat), weil sie Frau Merkel ist, sondern weil sie gewählt wurde.
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Außerdem habe ich auf die Möglichkeit hingewiesen, objektive Kriterien des menschlichen Wohlergehens (- welche man ja erforschen kann, im Rahmen der Gesundheitsforschung usw.! -) zur Leitlinie einer objektiven Moral zu machen. |
Das hatten wir ja bereits - es funktioniert nur bei ganz basalen Bedürfnissen, und selbst da hat es sich als schwierig herausgestellt, eine eindeutige Nutzenfunktion anzugeben. Mal etwas platt ausgedrückt: Der eine will lieber möglichst viele Kinder, der andere will lieber, daß seine Kinder niemals hungern müssen und krankenversichert sind.
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Und nicht nur das: Wenn nämlich eine Gemeinschaft/Gesellschaft sich anschließend - gemäß den besten und neuesten Forschungsergebnissen - auf eine (lebensfördernde) Moral (bezüglich Verhalten und Verhältnisse) einigt, dann hat man auch hier wieder sowohl
a) ein äußeres Moralkriterium und
b) Die gemeinsame Einigung auf dessen Anwendung. |
Ja, das sehe ich ebenso. Aber wo ist das Problem. Ein "äußeres" Kriterium in Form von Zielen ist ja nicht absolut. Eine gewisse Absolutheit - darauf habe ich ja in meinem allerersten Beirag bereits hingewiesen - liegt natürlich im Determinismus der Verhältnisse.
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Daraus kann man m.E. sehen, dass es nicht egal ist, welche Art von objektivem Kriterium man als Grundlage einer gemeinsamen Aufklärung nimmt. Konkret ist es eben nicht egal, ob man hierfür ein Dogma oder eine wissenschaftliche Erkenntnis verwendet. |
Wer hat denn behauptet, daß das egal ist? Natürlich ist es nicht egal, ein Dogma kann aufgeklärte Menschen schon per se nicht befriedigen. Wissenschaftliche Erkenntnis allein reicht allerdings auch nicht, außer wir könnten den nichtlinearen Zusammenhang berechnen, was die Menschen wollen und tun würden, wenn wir die Verhältnisse so ändern würden, daß sie das wollen würden, usw. - ich denke, das wird schwierig.
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Wenn du aber allein die Einigung über einen x-beleibigen Inhalt als hinreichend für eine Moral ansiehst, dann frage ich mal zurück, was denn dann überhaupt der Moralbegriff noch soll, wenn man statt dessen einfach den Begriff "gemeinsamer Konsens" setzen könnte. |
Nochmal: eine Einigung wäre mE zentrales Element einer aufgeklärte Ethik. Moral dagegen ist etwas rudimentäres, nicht unbedinkt aufgeklärtes: das verinnerlichte Gefühl eines Auftrags, zum Beispiel in Form des Gewissens. Moral benötigt keine Einigung, und der Mechanismus ist relativ unabhängig vom Inhalt des Auftrags. Und nein, ich finde deshalb nicht jede Moral gleich gut, eben weil ich auch Ethik betreibe, und weil ich Interessen und Präferenzen habe.
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Das thread-Thema "gibt es eine objektive Moral" stellt ja gerade die Frage, ob man unter Moral noch mehr verstehen könnte/müsste als nur die gesellschaftliche, gemeinsame Sitte. also ob man für Moral Kriterien angeben kann, mit denen ein Moralbegriff überhaupt erst Sinn macht, weil er mehr bezeichnet als nur das Reproduzieren von Tradition oder das Befolgen von gemeinschaftlchen Beschlüssen (egal, wie diese aussehen.) |
Richtig, und um diese Frage zu beantworten, muß man Ethik betreiben. Und um sie positiv zu beantworten, müßte man ein objektives, rational nachvollziehbares ethisches Kriterium angeben. Und - anders als z.B. Tarvoc - meine ich, daß man dies (erwiesenermaßen nach bestem heutigen Wissen) nicht kann.
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Was ist eine moralische Wissenschaft, eine moralische Medizin, ein moralisches Bildungssystem? Ist all das nur eine Frage des beliebigen gemeinschaftlichen Konsens? |
Eine moralische Wissenschaft ist wohl ein Widerspruch in sich, da die Moral sich damit befaßt, wie man konform ("gut") handelt, und die Wissenschaft mit Erklärungen dafür, was der Fall ist. Eine moralische Medizin wäre aus meiner Sicht eine Medizin, die einen Gemeinschaftsauftrag verinnerlicht hat, der sie zu entsprechend konformem Verhalten führt.
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#1786658) Verfasst am: 06.10.2012, 12:45 Titel: |
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Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Ich schrieb vor ein Tagen, dass die Vormenschen-Moral eine Vormoral sei. Und man sieht durchaus in der menschlichen Geschichte, dass sich nicht nur die Produktivkräfte (- @Tarvoc: zu denen auch die Sprache gehört! -) ständig weiter entwickeln, sondern damit auch die Grundlagen von Moral und also auch eine Weiterentwicklung moralischer Maßstäbe und der Moral selbst stattgefunden hat.
Wir haben nun so etwas wie die "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" und wir sprechen von "Demokratie", von "wissenschaftlicher Wahrheit", von "ärztlicher Moral" usw. usf.
Solche Ideen waren zu früheren Zeiten nahezu undenkbar und primitive Moralen etwa in so mancher Religion waren ziemlich willkürliche Setzungen angesichts der mageren Möglichkeiten früherer Epochen.
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Ja, und wir hatten so etwas wie die zwei Weltkriege, mit Giftgas und Atombomben gegen Menschen, auch Zivilisten. Wir hatten die faschistischen und kommunistischen Diktaturen und in Korea haben wir sie heute noch. Wir haben Selbstmordattentäter auf Märkten und Plätzen, Rauschgiftkartelle, die ganze Länder ruinieren, usw. Moralischer Fortschritt sieht meiner Ansicht nach anders aus.
Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Die Entwicklung von Moral ist durchaus ein objektiver Prozess, da beisst die Mauss keinen Faden ab. Es ist deshalb heute auch nicht mehr damit getan, krampfhaft an einem Kultur- oder Moral-Relativismus festzuhalten, so wie das Großmütterchen am Treppengeländer, um nicht herab zu stürzen.
Denn der Boden relativer und sich aus sich selbst rechtfertigender Moral und Kulturen ist dünner geworden. Wer heute eine Kultur oder Moral einzig und allein mit dessen Historie oder ihrer Nun-mal-Existenz rechtfertigen möchte, bewegt sich auf einem zunehmend dünnen Eis und das angesichts der voran schreitenden Klimaerwärmung. |
Der Boden für deinen Fortschrittsoptimismus scheint mir nicht weniger dünn. Der Unterschied ist nur, daß du offenbar deine Vorstellung von Moral für objektiv hältst, aber das ging den Menschen vergangener Zeiten auch nicht anders.
Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Heute zeichnen sich am Horizont zunehmend nicht-relative plus wissenschaftliche Maßstäbe für eine fortschrittliche menschliche Moral in bezug auf die menschliche Gesellschaft und ihre Organisation ab. Das Verhalten als Teil der menschlichen Moral hat damit auch eine ganz andere neue Grundlage. Moralisches Verhalten ist eigentlich heute erst möglich, unter bestimmten Voraussetzungen und zwar deshalb weil der Gegensatz zwischen Egoismus und Altruismus aufgelöst werden kann.
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Wo siehst du das? Wo ist sind diese "wissenschaftlichen Maßstäbe"? Dafür bräuchte es eine Sozialwissenschaft, die mindestens so präzise Aussagen machen könnte, wie Physik und Biologie heute. Das ist wohl nur Stand der Träume. (Nicht, daß ich nicht eine Vorstellung hätte, wie das aussehen könnte, aber das ist eine andere Geschichte).
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es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."
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Skeptiker "I can't breathe!"
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Wohnort: 129 Goosebumpsville
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(#1786749) Verfasst am: 06.10.2012, 21:48 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Wenn du zum einen sagst, Moral sei das Ergebnis einer Einigung auf gemeinsame Ziele und andererseits meinst, dass z.B. die Bibel keine Grundlage für Moral sein kann, dann hast du ein Problem. Denn wenn sich alle einigen, der Bibel zu folgen, und darauf ihre gemeinsame Moral gründen zu wollen, dann hast du zum einen
a) ein Moralkriterium, welches du ablehnst und zum zweiten
b) ein Moralkriterium, welches du akzeptierst. |
Das ist ein Kategorienfehler - in dem von Dir skizzierten Fall bestünde das Kriterium ja gerade nicht in der Bibel, sondern einzig in der Einigung. Das ist so ähnlich wie in der Demokratie: Frau Merkel hat auch nicht das Sagen (wenn sie es denn hat), weil sie Frau Merkel ist, sondern weil sie gewählt wurde. |
(Welche "Demokratie", bitte schön?)
Wenn eine Gruppe sich darauf einigt, einen gemeinsamen Vormund zu bekommen, dann haben die Gruppenmitglieder fortan nichts mehr zu sagen. Es war dann ihre letzte Einigung und gemeinsame Entscheidung. Und in der Tat: so läuft diese "Demokratie" hier ab. Was aber daran moralisch sein soll, nur weil irgendwann mal im Bierzelt eine Einigung über des Kaisers Bart erfolgt ist, erschließt sich mir nicht so richtig.
Dein Fehler ist der, dass du hier hin- und her larvierst und zum einen bestimmte moralische Inhalte ablehnst als aus deiner Sicht inakzeptabel, und zum anderen der Ansicht sein willst, dass egal, was eine Gruppe entscheidet, die Entscheidung der Gruppe eine moralische ist, auch wenn sie nur darin besteht, die eigene Entscheidungsmacht an höhere Mächte abzugeben.
Und das ist schon mal ein Widerspruch in sich, weil ja deiner Meinung nach gerade die Befugnis, selber über die eigenen Gruppenanglegenheit zu entscheiden, für dich Moral erst ermöglicht. (Dieser Ansicht bin ich allerdings nicht, wenn ich an bestimmte Gruppen denke.)
step hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Daraus kann man m.E. sehen, dass es nicht egal ist, welche Art von objektivem Kriterium man als Grundlage einer gemeinsamen Aufklärung nimmt. Konkret ist es eben nicht egal, ob man hierfür ein Dogma oder eine wissenschaftliche Erkenntnis verwendet. |
Wer hat denn behauptet, daß das egal ist? |
Du hast das behauptet. Du hast geschrieben, Hauptsache eine Gruppe einigt sich auf ein x-beliebiges gemeinsames Wollen. Ob das ein Dogma ist oder eine wissenschaftliche Erkenntnis ist demzufolge egal für das Moralische daran, so hast du selber es geschrieben.
step hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Wenn du aber allein die Einigung über einen x-beleibigen Inhalt als hinreichend für eine Moral ansiehst, dann frage ich mal zurück, was denn dann überhaupt der Moralbegriff noch soll, wenn man statt dessen einfach den Begriff "gemeinsamer Konsens" setzen könnte. |
Nochmal: eine Einigung wäre mE zentrales Element einer aufgeklärte Ethik. Moral dagegen ist etwas rudimentäres, nicht unbedinkt aufgeklärtes: das verinnerlichte Gefühl eines Auftrags, zum Beispiel in Form des Gewissens. Moral benötigt keine Einigung, und der Mechanismus ist relativ unabhängig vom Inhalt des Auftrags. Und nein, ich finde deshalb nicht jede Moral gleich gut, eben weil ich auch Ethik betreibe, und weil ich Interessen und Präferenzen habe. |
Moral und Ethik verwende ich hier synonym. Das ist eigentlich auch so üblich.
Und auch die "aufgeklärte Ethik" zeichnet sich für dich in erster Linie durch ihren Einigungscharakter aus, wie zuvor noch die Moral (siehe oben).
Wenn die Einigung für dich also jetzt ein zentrales Element der Ethik ist, ohne dass der Inhalt dessen, worauf man sich einigt, irgend etwas zählt, empfinde ich es weiterhin als völlig absurd, weil hier das Element der Aufgeklärtheit plötzlich wieder unter den Tisch fällt.
Was für ein Herum-Geeiere betreibst du da eigentlich?
Es gibt nun mal Ziele, die deshalb unmoralisch/unethisch sind, weil sie es als Ziele sind und zwar ganz unabhängig davon, wie viele Verbrecherbanden sich auf "einen Auftrag" einigen.
step hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Das thread-Thema "gibt es eine objektive Moral" stellt ja gerade die Frage, ob man unter Moral noch mehr verstehen könnte/müsste als nur die gesellschaftliche, gemeinsame Sitte. also ob man für Moral Kriterien angeben kann, mit denen ein Moralbegriff überhaupt erst Sinn macht, weil er mehr bezeichnet als nur das Reproduzieren von Tradition oder das Befolgen von gemeinschaftlchen Beschlüssen (egal, wie diese aussehen.) |
Richtig, und um diese Frage zu beantworten, muß man Ethik betreiben. Und um sie positiv zu beantworten, müßte man ein objektives, rational nachvollziehbares ethisches Kriterium angeben. Und - anders als z.B. Tarvoc - meine ich, daß man dies (erwiesenermaßen nach bestem heutigen Wissen) nicht kann. |
Man kann es und man muss es. Denn sonst kommt man zu jenem unhaltbaren Relativismus von lauter Ethiken a, b, c, ..., n, die sich zwar gegenseitig "bewerten", aber deren gegenseitige Bewertung nicht, rein gar nichts über den jeweiligen moralischen Wert des jeweils Bewerteten aussagt.
Wenn nämlich irgend eine Steinzeitmoral der Maßstab einer anderen Steinzeitmoral ist, dann kann da ja wohl kaum ein sinnvolles, moralisch/ethisch zu nennendes Urteil heraus kommen.
step hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Was ist eine moralische Wissenschaft, eine moralische Medizin, ein moralisches Bildungssystem? Ist all das nur eine Frage des beliebigen gemeinschaftlichen Konsens? |
Eine moralische Wissenschaft ist wohl ein Widerspruch in sich, da die Moral sich damit befaßt, wie man konform ("gut") handelt, und die Wissenschaft mit Erklärungen dafür, was der Fall ist. Eine moralische Medizin wäre aus meiner Sicht eine Medizin, die einen Gemeinschaftsauftrag verinnerlicht hat, der sie zu entsprechend konformem Verhalten führt. |
Ich dachte, wir wären schon vom Konformismus abgekommen und hätten uns darauf geeinigt, dass konformes Verhalten an sich noch lange nicht moralisch ist.
Ich denke, dass eine moralische Wissenschaft moralische Ziele haben muss, etwa nützliche Erkenntnisse für die Menschheit zu sammeln und nicht nützliche Erkenntnisse für irgend welche Mafiosi z.B. Außerdem sollten wissenschaftliche Erkenntnisse allen zugänglich sein und nicht nur bestimmten Kreisen.
Und wenn eine Medizin einen Gemeinschaftsauftrag ausführt, so sollte dieser sicherlich auch inhaltlich so beschaffen sein, dass Medizin allen Menschen nützt und sich dabei der modernsten Erkenntnisse und Methoden bedient. Lauter Dr. Mengeles wären auch dann keine moralischen Mediziner, wenn sie "einen Gemeinschaftsauftrag verinnerlicht" haben - sozusagen als gute Diener einer "Volksgemeinschaft" oder so ...-
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K.I.Z - Frieden
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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(#1786760) Verfasst am: 06.10.2012, 22:10 Titel: |
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Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Ich schrieb vor ein Tagen, dass die Vormenschen-Moral eine Vormoral sei. Und man sieht durchaus in der menschlichen Geschichte, dass sich nicht nur die Produktivkräfte (- @Tarvoc: zu denen auch die Sprache gehört! -) ständig weiter entwickeln, sondern damit auch die Grundlagen von Moral und also auch eine Weiterentwicklung moralischer Maßstäbe und der Moral selbst stattgefunden hat.
Wir haben nun so etwas wie die "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" und wir sprechen von "Demokratie", von "wissenschaftlicher Wahrheit", von "ärztlicher Moral" usw. usf.
Solche Ideen waren zu früheren Zeiten nahezu undenkbar und primitive Moralen etwa in so mancher Religion waren ziemlich willkürliche Setzungen angesichts der mageren Möglichkeiten früherer Epochen.
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Ja, und wir hatten so etwas wie die zwei Weltkriege, mit Giftgas und Atombomben gegen Menschen, auch Zivilisten. Wir hatten die faschistischen und kommunistischen Diktaturen und in Korea haben wir sie heute noch. Wir haben Selbstmordattentäter auf Märkten und Plätzen, Rauschgiftkartelle, die ganze Länder ruinieren, usw. Moralischer Fortschritt sieht meiner Ansicht nach anders aus.
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Die Entwicklung von Moral ist durchaus ein objektiver Prozess, da beisst die Mauss keinen Faden ab. Es ist deshalb heute auch nicht mehr damit getan, krampfhaft an einem Kultur- oder Moral-Relativismus festzuhalten, so wie das Großmütterchen am Treppengeländer, um nicht herab zu stürzen.
Denn der Boden relativer und sich aus sich selbst rechtfertigender Moral und Kulturen ist dünner geworden. Wer heute eine Kultur oder Moral einzig und allein mit dessen Historie oder ihrer Nun-mal-Existenz rechtfertigen möchte, bewegt sich auf einem zunehmend dünnen Eis und das angesichts der voran schreitenden Klimaerwärmung. |
Der Boden für deinen Fortschrittsoptimismus scheint mir nicht weniger dünn. Der Unterschied ist nur, daß du offenbar deine Vorstellung von Moral für objektiv hältst, aber das ging den Menschen vergangener Zeiten auch nicht anders.
Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Heute zeichnen sich am Horizont zunehmend nicht-relative plus wissenschaftliche Maßstäbe für eine fortschrittliche menschliche Moral in bezug auf die menschliche Gesellschaft und ihre Organisation ab. Das Verhalten als Teil der menschlichen Moral hat damit auch eine ganz andere neue Grundlage. Moralisches Verhalten ist eigentlich heute erst möglich, unter bestimmten Voraussetzungen und zwar deshalb weil der Gegensatz zwischen Egoismus und Altruismus aufgelöst werden kann.
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Wo siehst du das? Wo ist sind diese "wissenschaftlichen Maßstäbe"? Dafür bräuchte es eine Sozialwissenschaft, die mindestens so präzise Aussagen machen könnte, wie Physik und Biologie heute. Das ist wohl nur Stand der Träume. (Nicht, daß ich nicht eine Vorstellung hätte, wie das aussehen könnte, aber das ist eine andere Geschichte). |
Das ist ganz einfach. Früher hat man sich um ein paar Krümel geschlagen, weil nicht genug zu essen da war. Heute kann man die ganze Menschheit locker ernähren. Außerdem kann jeder Mensch auch alles andere bekommen, was ein Mensch benötigt, also etwa gute Wohnung, Bildung, Mobilität, Kleidung, Kommunikation und Mitmenschlichkeit, Entspannung, Entfaltung seiner Talente, usw.
Die Entwicklung der Produktivkräfte ist die objektive Grundlage für die Entstehung der moralischen Forderungen nach Demokratie, Menschenrechten und sonstigen Werten.
Natürlich weiß ich, dass die gesesellschaftlichen Verhältnisse es verhindern, dass es einen Platz für jeden Menschen gibt. Aber wenn es möglich ist, jeden Menschen zu ernähren, wenn heute also die Verteilungskämpfe überflüssig geworden sind, dann ist es unmoralisch, nicht jeden Menschen zu ernähren.
Und ich hatte ja vorgeschlagen, dass man sich heute der Moral am besten nähern kann, wenn man sagt, was Unmoral bedeutet ...-!
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K.I.Z - Frieden
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44680
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(#1786766) Verfasst am: 06.10.2012, 22:20 Titel: |
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Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Moral und Ethik verwende ich hier synonym. Das ist eigentlich auch so üblich. |
Deine Sprechweise ist die kantische. Sie ist tatsächlich nicht unüblich. Ich kann aber die Unterscheidung nachvollziehen, die Step hier trifft, jedenfalls bis zu einem gewissen Grad.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1786784) Verfasst am: 06.10.2012, 22:50 Titel: |
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Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Wenn eine Gruppe sich darauf einigt, einen gemeinsamen Vormund zu bekommen, dann haben die Gruppenmitglieder fortan nichts mehr zu sagen. Es war dann ihre letzte Einigung und gemeinsame Entscheidung. |
Ja, solche Einigungen sollte man vermeiden.
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Du hast geschrieben, Hauptsache eine Gruppe einigt sich auf ein x-beliebiges gemeinsames Wollen. Ob das ein Dogma ist oder eine wissenschaftliche Erkenntnis ist demzufolge egal für das Moralische daran, so hast du selber es geschrieben. |
Genau, es ist eine Moral. Es ist aber nicht egal dafür, wie gut diese Moral für mich, für uns ist.
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Es gibt nun mal Ziele, die deshalb unmoralisch/unethisch sind, weil sie es als Ziele sind und zwar ganz unabhängig davon, wie viele Verbrecherbanden sich auf "einen Auftrag" einigen. |
"Verbrecherbande" ist selbst ein sehr relativisticher Begriff. Meinst Du damit Gemeinschaften, die sich gegen das geltende Recht stellen?
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Ich dachte, wir wären schon vom Konformismus abgekommen und hätten uns darauf geeinigt, dass konformes Verhalten an sich noch lange nicht moralisch ist. |
Nein, wir haben uns darauf geeinigt, dass konformistisches Verhalten nicht immer konform (= moralisch gut) ist. Die geltende Moral kann zum Beispiel beinhalten, daß man unter bestimmten Dilemma-Umtänden gegen die Gesetze verstoßen soll.
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Ich denke, dass eine moralische Wissenschaft moralische Ziele haben muss, etwa nützliche Erkenntnisse für die Menschheit zu sammeln ... |
Nein, dieses Ziel hat Wissenschaft nicht. Sonst müßte Wissenschaft Erkenntnisse verschweigen, wenn sie von irgendwelchen Leuten für "nicht nützlich" gehalten wird.
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Und wenn eine Medizin einen Gemeinschaftsauftrag ausführt, so sollte dieser sicherlich auch inhaltlich so beschaffen sein, dass Medizin allen Menschen nützt und sich dabei der modernsten Erkenntnisse und Methoden bedient. |
Ja, das wäre auch mein ethisches Ziel.
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Lauter Dr. Mengeles wären auch dann keine moralischen Mediziner, wenn sie "einen Gemeinschaftsauftrag verinnerlicht" haben - sozusagen als gute Diener einer "Volksgemeinschaft" oder so ...- |
Doch, das wären sie möglicherweise - allerding aus der Sicht unserer heutign Moral, und auch aus meiner persönlichen ethischen Sicht, würden solche Mediziner eine falsche, nicht wünschenswerte Moral vertreten.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#1786869) Verfasst am: 07.10.2012, 11:41 Titel: |
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Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Das ist ganz einfach. Früher hat man sich um ein paar Krümel geschlagen, weil nicht genug zu essen da war. Heute kann man die ganze Menschheit locker ernähren. Außerdem kann jeder Mensch auch alles andere bekommen, was ein Mensch benötigt, also etwa gute Wohnung, Bildung, Mobilität, Kleidung, Kommunikation und Mitmenschlichkeit, Entspannung, Entfaltung seiner Talente, usw.
| Du weißt, daß das nicht stimmt, oder besser gesagt: du könntest es wissen, denn genau diese "gesellschaftlichen Verhältnisse", das ist die "Menschheit". Und diese Menschheit ist nichts statisches, sondern es befindet sich in Bewegung, zum Beispiel in Bewegung zu immer mehr Menschen. Und damit zu immer weniger außermenschlicher Natur. Um nur ein paar Beispiele zu nennen. Von "locker" kann also in keiner Hinsicht gesprochen werden, außer vielleicht in der Fantasie.
_________________ "Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."
Friedrich Nietzsche
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44680
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(#1786874) Verfasst am: 07.10.2012, 12:15 Titel: |
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Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Du weißt, daß das nicht stimmt, oder besser gesagt: du könntest es wissen, denn genau diese "gesellschaftlichen Verhältnisse", das ist die "Menschheit". |
Du übersiehst den Unterschied zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen. Wenn man nur die Produktivkräfte betrachtet, und was mit ihnen möglich wäre, hat Skeptiker durchaus Recht.
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- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#1786881) Verfasst am: 07.10.2012, 13:01 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Du weißt, daß das nicht stimmt, oder besser gesagt: du könntest es wissen, denn genau diese "gesellschaftlichen Verhältnisse", das ist die "Menschheit". |
Du übersiehst den Unterschied zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen. Wenn man nur die Produktivkräfte betrachtet, und was mit ihnen möglich wäre, hat Skeptiker durchaus Recht. |
Marxismus ist eine Philosophie, keine Wissenschaft.
_________________ "Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
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Friedrich Nietzsche
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44680
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(#1786885) Verfasst am: 07.10.2012, 13:08 Titel: |
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Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Marxismus ist eine Philosophie, keine Wissenschaft. |
Was denn? Willst du sagen, dass es eine Objekteigenschaft der Maschinen und der Arbeitskräfte ist, dass man mit ihnen nur kapitalistisch produzieren kann? Das wäre nämlich noch nicht mal Philosophie, sondern einfach nur obskurer Hokuspokus.
Man kann feststellen, dass der Hunger in der Welt nicht einem Mangel an Produktivkraft geschuldet ist, sondern strukturelle Gründe hat, auch ohne Marxist zu sein. Es gibt auch Liberale, die das feststellen.
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#1786900) Verfasst am: 07.10.2012, 13:51 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: |
Man kann feststellen, dass der Hunger in der Welt nicht einem Mangel an Produktivkraft geschuldet ist, sondern strukturelle Gründe hat, auch ohne Marxist zu sein. Es gibt auch Liberale, die das feststellen. |
Das ist aber sehr abstrakt, findest du nicht? Ist "Produktivkraft" etwas, was unabhängig von den Menschen existiert? Willst du die eine Hälfte der Menschheit zu Produzenten machen, und die andere Hälfte zu Almosenempfängern? Oder willst du die "Produktivkraft" umverteilen, unsere Äcker nach Somalia, oder die Leute von da nach hier? Fest steht, es gibt Länder, die können ihre Einwohner nicht ernähren, und das sind zufällig auch die mit der höchsten Vermehrungsrate, was natürlich nichts damit zu tun hat. Und es gibt heute schon zu viele Menschen auf diesem Planeten. Was natürlich auch reiner Zufall ist. Und für eine "schöne" Lösung ist es sicherlich nicht nur 5 Min. sondern schon mehrere Jahrzehnte nach 12.
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44680
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(#1786904) Verfasst am: 07.10.2012, 14:23 Titel: |
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Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Fest steht, es gibt Länder, die können ihre Einwohner nicht ernähren. |
Na wenn das fest steht, dann lässt sich eben nichts daran ändern. Und z.B. Staatsschulden haben natürlich auch gar nichts damit zu tun.
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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(#1786917) Verfasst am: 07.10.2012, 15:02 Titel: |
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Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Tarvoc hat folgendes geschrieben: |
Man kann feststellen, dass der Hunger in der Welt nicht einem Mangel an Produktivkraft geschuldet ist, sondern strukturelle Gründe hat, auch ohne Marxist zu sein. Es gibt auch Liberale, die das feststellen. |
Das ist aber sehr abstrakt, findest du nicht? Ist "Produktivkraft" etwas, was unabhängig von den Menschen existiert? Willst du die eine Hälfte der Menschheit zu Produzenten machen, und die andere Hälfte zu Almosenempfängern? Oder willst du die "Produktivkraft" umverteilen, unsere Äcker nach Somalia, oder die Leute von da nach hier? Fest steht, es gibt Länder, die können ihre Einwohner nicht ernähren, und das sind zufällig auch die mit der höchsten Vermehrungsrate, was natürlich nichts damit zu tun hat. Und es gibt heute schon zu viele Menschen auf diesem Planeten. Was natürlich auch reiner Zufall ist. Und für eine "schöne" Lösung ist es sicherlich nicht nur 5 Min. sondern schon mehrere Jahrzehnte nach 12. |
Na ja, man will heutzutage alles "der Menschheit" oder "dem Menschen" in die Schuhe schieben, damit die fatale bürgerliche und internationale Arbeitsteilung bloß nicht in den Fokus der Aufmerksamkeit gerät.
Dass der Mensch nur ein Konsumvieh sei und nicht ein Produktivfaktor, das hat ja schon der dusselige Malthus so gesehen. Aber es gibt sehr wohl das Potenzial, 80 Milliarden auf der Erde locker ernähren zu können. Bzw. diese ernähren sich selbstverständlich selbst und produzieren ihr eigenes Leben. Menschen sind doch keine Pflanzen, die man gießen muss.
Dazu mal ein etwas besserer Artikel:
Zitat: | Dass es heute noch Hunger gibt, liegt nicht daran, dass wir an vermeintlich natürliche Grenzen stießen. Es liegt ausschließlich an Armut, die wiederum durch wirtschaftliche Unterentwicklung bedingt ist. In Hinblick auf die Welternährung haben wir kein Angebotsproblem, wir haben ein Kaufkraftproblem. 800 Millionen Menschen sind zu arm, um sich genug zu essen zu kaufen. Die Hungernden sind kein Beweis für knappe Ressourcen, sie sind die Folge mangelnder Entwicklung. Der britische Umweltjournalist Fred Pearce bringt es auf den Punkt: „Afrikas Problem ist schlechte Landwirtschaft, nicht zu viele Menschen.“ Die Propagandisten rückständiger Landwirtschaftsmethoden setzen sich dafür ein, dass das so bleibt. Und glauben dabei allen Ernstes, den Planeten vor der Ausplünderung durch den Menschen zu schützen.
Erschreckenderweise sind die meisten der Hungernden der Welt Kleinbauern, die aufgrund von Armut so ineffizient wirtschaften, dass sie noch nicht einmal sich selbst ausreichend ernähren können. Um ihnen die Chance zu geben, aus der Armut herauszukommen, muss man zumindest damit anfangen, ihnen die technischen Hilfsmittel zu geben, die es etwa in den USA erlauben, dass nur 0,32% der arbeitenden Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig sind, diese aber so viel produzieren, dass das Land der weltweit größte Nettoexporteur ist. Was die Landwirtschaft überall auf der Welt braucht, sind neue Pflanzensorten, die z.B. Salz und Trockenheit vertragen, effiziente Bewässerungssysteme, bedarfsgerechte Düngung, Pflanzenschutz, taugliche Anlagen für Lagerung, Verpackung und Transport, und so weiter. Der Begriff „industrielle Landwirtschaft“ wird heute von vielen als Schimpfwort gebraucht. Das ist fatal. Wir müssen Landwirtschaft als Industrie betrachten und global als solche entwickeln. Die so genannte „bäuerliche Landwirtschaft“ ist ebenso unzeitgemäß wie eine Kugelschreibermanufaktur. Keine Industrie außer der Landwirtschaft kann von sich behaupten, dass sie so viele Kunden hat, wie Menschen auf der Erde leben. Keiner Industrie stellt sich die Herausforderung der effizienten Massenproduktion klarer als der Landwirtschaft.
http://www.novo-argumente.com/magazin.php/novo_notizen/artikel/000828
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44680
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(#1786921) Verfasst am: 07.10.2012, 15:06 Titel: |
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Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Aber es gibt sehr wohl das Potenzial, 80 Milliarden auf der Erde locker ernähren zu können. |
Du meinst sicher 8 Milliarden. Bei 80 Milliarden hätte ich dann doch meine Zweifel, aber davon sind wir zum Glück noch etwas entfernt.
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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(#1786923) Verfasst am: 07.10.2012, 15:11 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Aber es gibt sehr wohl das Potenzial, 80 Milliarden auf der Erde locker ernähren zu können. |
Du meinst sicher 8 Milliarden. Bei 80 Milliarden hätte ich dann doch meine Zweifel, aber davon sind wir zum Glück noch etwas entfernt. |
Nein, ich habe mal eine Rechnung gesehen, dass die Erde 80 Milliarden Menschen ernähren kann.
Aber wie dem auch sei, es geht auf jeden Fall darum, weltweit eine moderne Infrastruktur hinzustellen und eine rationale globale Arbeitsteilung zu schaffen, in Form einer allgemeinen Wirtschafts- und Produktionsdemokratie. Dann werden solche Rechnungen ohnehin Makulatur und die Geburtenraten sich automatisch regulieren.
edit: Hier eine Berechnung mit 12 Milliarden als Ergebnis:
http://www.jochenolbrich.homepage.t-online.de/ErnaehrungskapazitaetErde.htm
edit 2: "Die Welternährungsorganisation FAO erklärte, dass die Weltlandwirtschaft problemlos 12 Milliarden Menschen ernähren kann."
http://www.guidosreiseberichte.info/fast_jedes_zweite_kind_auf_der_w.htm
Hier also auch das gleiche Ergebnis.
edit 3: Und hier ist die Quelle für die Rechnung mit den 80 Milliarden:
Zitat: | Wenn man von heute an ausschliesslich die uebliche, dominierende industrielle Landwirtschaft global einsetzen wuerde, koennte man bis ins Jahr 2800 rund 80 Milliarden Menschen mit dieser heutigen Form der Landwirtschaft ernaehren [2]. Diese 80 Milliarden Menschen wuerden dann 33% der Landflaeche der Erde besiedeln (etwa 10% der Flaeche der Erde). |
Allerdings schriebt der Autor auch:
Mit einer ökologischen Produktion hält der Autor 40 Milliarden für realistisch.
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#1786975) Verfasst am: 07.10.2012, 17:14 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Fest steht, es gibt Länder, die können ihre Einwohner nicht ernähren. |
Na wenn das fest steht, dann lässt sich eben nichts daran ändern. Und z.B. Staatsschulden haben natürlich auch gar nichts damit zu tun. |
Sorry, das war schlampig formuliert. Sie können sie heute nicht ernähren, und sie können es schon ziemlich lange nicht, und man sieht auch nicht, wie sie es jemals können sollten, wenn die Vermehrungsrate oberhalb jeder Effektivitätssteigerung der Landwirtschaft liegt, im Gegenteil, die Landwirtschaft in diesen Ländern sogar zum Teil verfällt, was mit unserer Entwicklungshilfe natürlich gar nichts zu tun hat. Ist das so besser? Es ist auch nicht auffällig, daß die Länder wirtschaftlich heute unsere größten Konkurrenten sind, die von uns kaum Entwicklungshilfe bekommen haben. Vermutlich sind asiatische Kindern nicht so niedlich wie "Negerkinder".
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#1786977) Verfasst am: 07.10.2012, 17:15 Titel: |
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Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Mit einer ökologischen Produktion hält der Autor 40 Milliarden für realistisch. |
Lebt dann auf der Erde noch etwas außer Menschen, Ratten und Kakerlaken? Entschuldige, ich bin einfach zu alt für solche Illusionen.
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44680
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(#1786979) Verfasst am: 07.10.2012, 17:19 Titel: |
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Marcellinus hat folgendes geschrieben: | was mit unserer Entwicklungshilfe natürlich gar nichts zu tun hat. |
Jetzt machst du schon wieder 'ne andere Kiste auf. Hab' ich mich hier für Entwicklungshilfe in ihrer gegenwärtigen Form ausgesprochen?
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