Freigeisterhaus Foren-Übersicht
 FAQFAQ   SuchenSuchen   MitgliederlisteMitgliederliste   NutzungsbedingungenNutzungsbedingungen   BenutzergruppenBenutzergruppen   LinksLinks   RegistrierenRegistrieren 
 ProfilProfil   Einloggen, um private Nachrichten zu lesenEinloggen, um private Nachrichten zu lesen   LoginLogin 

Reichstagswahl 1933
Gehe zu Seite Zurück  1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9  Weiter
 
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen   Drucker freundliche Ansicht    Freigeisterhaus Foren-Übersicht -> Politik und Geschichte
Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen  

Reichstagswahl 1933
Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP)
8%
 8%  [ 6 ]
Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)
47%
 47%  [ 32 ]
Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)
31%
 31%  [ 21 ]
Deutsche Zentrumspartei (ZENTRUM)
1%
 1%  [ 1 ]
Kampffront Schwarz-Weiß-Rot (Koalition aus DNVP/Stahlhelm/Landbund)
0%
 0%  [ 0 ]
Bayerische Volkspartei (BVP)
2%
 2%  [ 2 ]
Deutsche Volkspartei (DVP)
2%
 2%  [ 2 ]
Christlich-Sozialer Volksdienst (CSVD)
0%
 0%  [ 0 ]
Deutsche Staatspartei (DStP)
1%
 1%  [ 1 ]
Deutsche Bauernpartei
1%
 1%  [ 1 ]
Landbund
0%
 0%  [ 0 ]
Andere
1%
 1%  [ 1 ]
Stimmen insgesamt : 67

Autor Nachricht
Murphy
auf eigenen Wunsch deaktiviert



Anmeldungsdatum: 29.04.2011
Beiträge: 5000

Beitrag(#1813791) Verfasst am: 03.02.2013, 12:42    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
pera hat folgendes geschrieben:
Murphy hat folgendes geschrieben:
... Es gab auch noch andere Verbrechen in der Geschichte und - ob euch das gefällt oder nicht - der Holocaust ist nur eines unter Vielen.
...
Drauf geschissen.-


Nein mein guter Murphy, es gab und gibt noch andere Verbrecher, das stimmt, aber dieser Holocaust ist einmalig in seiner Dimension und Ausführung. Das hat noch keiner, kein Volk geschafft, nur wir.

Drauf geschissen wird nicht.
Klar, auch ich könnte mich auf den Standpunkt stellen:"Was gehts mich an, ich war ja noch nicht mal geboren." Tue ich aber nicht, weil ich finde, dass ein solcher Vorgang immer im Bewusstsein der Menschheit bleiben sollte, um sich daran zu erinnern wozu wir (Menschen, nicht nur Deutsche) fähig sind. Ich habe einmal, vor Jahren, einen Bericht gesehen, wo ein Minister aus Frankreich in einem deutschen Gymnasium von den Schülern befragt werden konnte. Und eine Frage war:" Wie können wir mit einer solchen Schuld (die unserer Vorfahren) leben?" Und die Antwort war:"Lebt, lasst es euch gutgehen und lebt, aber vergesst es nicht."
Das finde ich gut. Dein Geseiere nicht.



Coole Sache, das...

Ihr traut euch auch bloß, wenn ich nicht da bin, wa? Auf den Arm nehmen

Ich will das bloß nochmal klarstellen, weil hier so sinnentstellend zitiert wurde: 'Drauf geschissen' ist auf das kindische was-wäre-wenn-Spiel, nicht auf die Shoa. Grade wenns so ein herausragendes Verbrechen gewesen sein soll ist es um so unwürdiger.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Telliamed
registrierter User



Anmeldungsdatum: 05.03.2007
Beiträge: 5125
Wohnort: Wanderer zwischen den Welten

Beitrag(#1813794) Verfasst am: 03.02.2013, 13:03    Titel: Antworten mit Zitat

Auch bei einer möglichen Wahl der KPD 1933 bleibe ich irgendwie stecken, weil ich weiß, dass sie von 1946 bis 1989 in Gestalt der SED ihre Nachfolgeorganisation hatte, mit der ich 35 Jahre unmittelbar im Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis, in der Schule und späteren Bildungseinrichtungen und Institutionen täglich zu tun hatte. Davon kann ich nicht abstrahieren.

Jetzt versuche ich mir vorzustellen, dass mir möglicherweise 1933 die Positionen der SPD eher sympathisch gewesen wären, weil mir seit den 1980er Jahren in einer Gesellschaft mit Zensur der offiziellen Medien und eingeschränkten Informationsmöglichkeiten immer mehr die Dimensionen der stalinistischen Verbrechen vor Augen geführt wurden. Die SPD-Führung ging auf Distanz zur Sowjetunion, obwohl es auch hier unter den Mitgliedern Sympathien gab.
Die KPD, die in der DDR kritiklos verherrlicht wurde, hatte sowohl einen hohen Blutzoll unter Hitler als auch (die Moskauer Emigranten) unter Stalin zu entrichten. Etliche Führungskräfte wiederum waren in die Morde verwickelt, wie offenbar Herbert Wehner, der mehrere Funktionäre ans Messer lieferte. Und der KPD-Funktionär Ernst Reuter, den die Westberliner als Regierenden Bürgermeister einer Freien Stadt anhimmelten und nach dem sie einen (ziemlich öden) Platz benannten, war in seiner Jugendzeit der persönliche Beauftragte Lenins für die deutschen Wolgakolonien, deren Bewohner wiederum 1941 nach Sibirien und Kasachstan deportiert wurden.
Ich kam 1989 entsetzt von einem längeren Aufenthalt in der Sowjetunion zurück, wo die Perestrojka während des I. frei gewählten Volkskongresses gerade ihren Höhepunkt erlebt hatte und der Niedergang einsetzte,da lag immer noch eine bleierne Schwere über dem Land, der "Sputnik" war wegen einiger, vergleichsweise noch zahmer Enthüllungsartikel verboten, und an den Schulen war jahrzehntelang nicht über Stalin gesprochen worden.
Vom Westfernsehen, das jedem zugänglich war, wusste man freilich auch, dass dort die Infomrationen gefiltert wurden. In einer Sendung über den Roten Oktober 1977 spreizte sich der Experte für russische Geschichte Dietrich Geyer, ein DDR-Flüchtling aus dem thüringischen Greiz, der vehement gegen die Machthaber in seinem ehemaligen Umfeld wetterte, vor einem eingeblendeten, sich drehenden Globus, aus dem rote Fahnen herausschauten wie Würmer aus einem Apfel.
Wie soll ich von dem Wissen um diese Entwicklungen absehen können?

Nehme ich mir aber die SPD vor, so komme ich nicht umhin, ihre Entwicklung nach 1945 zu betrachten. In der DDR wurde ständig hervorgehoben, dass sich Mitglieder der SPD und der KPD erst in Zuchthäusern und Konzentrationslagern der Nazis darüber unterhielten, wie töricht es vor 1933 gewesen war, sich teilweise erbittert zu bekämpfen; an der Basis hatte es sicher auch schon gemeinsame Abwehraktionen gegen die SA-Schläger gegeben. Rudolf Breitscheid, Politiker der SPD in Braunschweig, kam im KZ Buchenwald um.
Dann aber nach 1945: Ostbüro der SPD und Kurt Schumacher, später Godesberger Programm, Willy Brandts Kniefall 1970, NATO-Doppelbeschluss und "Schmidt-Schnauze" bis hin zur heutigen SPD, die ein widersprüchliches Bild abgibt und die ich aus verschiedenen Gründen nicht wählen kann.

Ausgestattet mit diesem Wissen über die spätere Entwicklung der SPD, kann ich mich ebenfalls nicht in die Wahlentscheidung von 1933 hineinversetzen oder ich bin das in einem so hohen Grade nicht mehr ich selbst, dass die Teilnahme an dieser Umfrage völlig sinnlos erscheint. Da hätte irgendein anderer zu entscheiden gehabt, aber nicht ich selbst.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
fwo
Caterpillar D9



Anmeldungsdatum: 05.02.2008
Beiträge: 26588
Wohnort: im Speckgürtel

Beitrag(#1813804) Verfasst am: 03.02.2013, 13:34    Titel: Antworten mit Zitat

Telliamed hat folgendes geschrieben:
....
Ausgestattet mit diesem Wissen über die spätere Entwicklung der SPD, kann ich mich ebenfalls nicht in die Wahlentscheidung von 1933 hineinversetzen oder ich bin das in einem so hohen Grade nicht mehr ich selbst, dass die Teilnahme an dieser Umfrage völlig sinnlos erscheint. Da hätte irgendein anderer zu entscheiden gehabt, aber nicht ich selbst.

Das ist genau das, was ich am Anfang meinte: Wenn man seine eigene Biographie mit dem, was man gelernt hat, ausblendet, hat man eine Person ohne Eigenschaften, deren Verhalten man nur noch mit den Wahrscheinlichkeiten beschreiben kann, die sich aus dem wirklichen Verhalten der damaligen Personen ergeben. Man hat keine Basis mehr für eine wirkliche Entscheidung.

Das war auch das, was ich aus Sermons Post verstanden habe.

fwo
_________________
Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.

The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.

Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Skeptiker
"I can't breathe!"



Anmeldungsdatum: 14.01.2005
Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville

Beitrag(#1813831) Verfasst am: 03.02.2013, 14:51    Titel: Antworten mit Zitat

Telliamed hat folgendes geschrieben:
Ich dürfte mit @Skeptiker darin übereinstimmen, dass wir den Faschismus als eine offene Diktatur reaktionärer Kräfte in Ländern ansehen, in denen privatkapitalistische Eigentumsformen den Charakter der Gesellschaftsordnung prägen. Jetzt kam aber erst einmal das Christentum und dann eine wie immer gemeinte "Bürgerlichkeit", und da wollte ich meinen Senf dazugeben.


Ohne das Christentum ist der Faschismus nicht zu erklären, was nicht heisst, dass dies hinreichend ist. Der christliche "Hexenhammer" und "Mein Kampf" sind meiner Auffassung vom selben Stamm. Die christliche Vision von der Vernichtung allen "Un-Artigen" findet sich als Vernichtungsideologie nicht nur in den christlichen Kreuzzügen und im europäischen Kolonialismus, sondern im darauf folgenden Faschismus aller Façon wieder.

Siehe auch:
http://www.humanist.de/kriminalmuseum/ns-index.htm

Die Unterstützung der extremen Rechten durch das Bürgertum und Kleinbürgertum ist durch die Forschung hinreichend erwiesen. Bei den Nürnberger Prozessen dominierten beispielsweise folgende Berufsgruppen:

Zitat:
Angeklagt waren:
39 Ärzte und Juristen
56 Mitglieder von SS und Polizei
42 Industrielle und Bankiers
26 militärische Führer
22 Minister und hohe Regierungsvertreter

Beispielsweise war die Liste der Angeklagten im Bereich Wirtschaft nur exemplarisch: es fehlten viele von mindestens gleichwertig belasteten Unternehmen. So z. B. die Deutsche Bank, deren Mittäterschaft spätestens seit der Auswertung der OMGUS-Akten (also noch vor der Urteilsverkündung) nachgewiesen wurde.


http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=N%C3%BCrnberger_Prozesse&oldid=112630546


Der Klassen(kampf)charakter des Faschismus ist evident. Es ging darum, die Arbeiterbewegung zu vernichten, von Klassenwidersprüchen durch "Rassenwidersprüche" abzulenken und eine mittelalterlich-korporative Denkweise zu etablieren, wie Arbeit & Kapital scheinbar ihren Frieden machen konnten, so wie in der romantisch verklärten mittelalterlichen Ständegemeinschaft und wohlwollender Herrschaft des von "Gott" gesandten "Führers". Siehe dazu auch einen früheren Beitrag von mir dazu:

http://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=824095#824095

Faschismus wird im übrigen gekennzeichnet durch folgende Punkte:

- Sozialdarwinismus
- Antisozialismus
- Prokapitalismus
- Revision der Errungenschaften der französischen Revolution (bürgerliche Ideale, Freiheit-Gleichheit-Solidarität, Menschenrechte, Aufklärung)
- charakteristische "Sozial"- und Arbeits-Politik ("Sozial ist, was Arbeit schafft", Zwangsarbeit, Überausbeutung, Sozialpaternalismus)
- Populistische Formen der Diskriminierung (Juden, Moslems, bestimmte Ethnien, "Arbeitsscheues Gesindel", "genetisch minderwertiges Gesindel", "nicht (in den 'Volkskörper') integrierbare", Kranke, Behinderte, usw.). (Diskriminierungsobjekte relativ austauschbar, Diskriminierungsstrukturen nach immer gleichen Mustern.)

Wie Dimitroff richtig schrieb, ist Faschismus immer die offene Diktatur des Monopolkapitals, aber hinzu kommt natürlich stets auch das populistische Element, d.h. der Massenanhang von kleinbürgerlichen und lumpenproletarischen Schichten der Bevölkerung - im Unterschied etwa zu einer Militärdiktatur.

Telliamed hat folgendes geschrieben:
Da wollte ich darauf hinweisen, dass in Gesellschaften Europas (Deutschland, Italien, Spanien, Portugal, Griechenland) und Lateinamerikas, in denen der Faschismus im 20. Jahrhundert an die Macht kam, auch noch starke Relikte vorkapitalistischer Strukturen anzutreffen waren - Großagrarier, monarchische Traditionen und ähnliches.


Natürlich. Die antimoderne Stoßrichtung des Faschismus passt zu solchen Strukturen - und sei es auch wenigstens als Rückerinnerung rückständiger Schichten der Bevölkerung hervorragend. Während der Sozialismus tatsächlich vorwärts gerichtet ist und die Reste des Mittelalters - z.B. der ständischen Kleinproduktionswirtschaft - zu überwinden trachtet, um die großen Produktionsmittel auf rationale Weise zusammen zu fassen und allgemein verfügbar zu machen, ist der Faschismus rückwärts gewandt und nutzt die moderne Technik für rückständige Ziele, etwa in Form der industriellen Vernichtung von Menschen oder der "modernen" Kriegstechnik. Daran sieht man, dass die Technik allein alles andere als hinreichend ist, um eine Politik als modern und fortschrittlich zu kennzeichnen.

Telliamed hat folgendes geschrieben:
Schließlich am Schluss: Man kann den "Faschismus an der Macht" vor allem als eine Erscheinung des 20. Jahrhunderts ansehen. Es gibt heute autoritär geführte Staaten, aber wohl kaum noch Faschismus an der Macht. Die wohl übelsten Diktaturen der Gegenwart, die mit Hungersnöten und allgegenwärtigen Verboten für die Bevölkerung begleitet sind, wie in Nordkorea oder Simbabwe, dürften nicht auf privatkapitalistischen Grundlagen beruhen, sondern die dort herrschenden Clans plündern das Staatseigentum.


Nordkorea soll als warnendes Beispiel gelten und ist wohl aus diesem Grunde noch nicht eingeäschert worden. Es gab mal eine Zeit, da hat der Westen befürchtet, der Sozialismus könnte seine humanen Ziele kurzfristig, real umsetzen. In dieser Phase - in den dreißiger Jahren - schrieb z.B. Aldous Huxley seinen anti-utopischen Roman "brave new world", wo also das Ziel des Glücklichseins in eine horrormäßige Dystopie verwandelt wurde:

http://books.google.de/books/about/Die_politische_Dimension_in_Aldous_Huxle.html?id=84Lw7Ff_Wq4C&redir_esc=y

Später, als sich die Sowjetunion endgültig in eine antihumane Richtung entwickelte, entgegen ihren ursprünglichen Intentionen, wurde umgesteuert und nun wurden die Schrecken des Stalinismus in den Vordergrund gestellt. Von einer "Glücksdikatatur" war nicht mehr die Rede.

Hätte aber die sozialistische Entwicklung einen erfolgreicheren Verlauf genommen, dann hätten sich die kapitalitischen Klassen vor panischer Angst wieder in die Hosen gemacht. Vor dem schrecklichen Stalin und vor dem schrecklichen Nordkorea hat man keine Angst. Angst haben die Kapitalklassen allein davor, dass ein humaner und überzeugender Sozialismus etabliert wird.

An einer humanen Zivilisatotion hat das Kapital kein Interesse, wie man auch an Ländern wie Simbabwe sieht, die mit ihrer Armut und Unterentwicklung einfach allein gelassen werden.

Telliamed hat folgendes geschrieben:
Und dann kommt die Unterschiede in den Ansichten mit @Skeptiker: Ich sehe nicht die Gefahr, dass in den wichtigsten europäischen und amerikanischen Ländern der Gegenwart jederzeit auf den Faschismus zurückgegriffen werden könnte, und ich erlaube mir auch, diese Länder als "Demokratien" zu bezeichnen, wenngleich mir natürlich bewusst ist, wie viele Hindernisse der Teilhabe der Volksmehrheit an politischen Regierungsentscheidungen auf Landesebene existieren, die sich oft auf Wahlen beschränkt. Aber immerhin. Wenn man hinzufügen würde: "bürgerliche Demokratie" - kann man ja machen - müsste man dann sagen, welche Demokratieformen es sonst noch so gäbe auf dem Globus. Und da würde mir außer Ansätzen in Lateinamerika nicht viel einfallen.


Aber du hast gesehen, dass die Weimarer Republik quasi nahtlos in die totale Barbarei überging, dass auch Chile von heute auf morgen den faschistischen Schergen anheim fiel und dass dies stets von "Marktliberalen", vom Monopolkapital voran getrieben wurde. Solange diese die Gesellschaft dermaßen kontrollieren, kann man von einer Demokratie nicht sprechen. Das verbietet sich aus wissenschaftlicher Sicht einfach. Denn Demokratie bedeutet Mitbestimmung und Mitgestaltung Aller an allem. Demokratie bedeutet nicht die parlamentarisch kaschierte Diktatur einer Klasse.

Ich halte diesen Zustand für sehr gefährlich, auch wenn auf der Basis der wirtschaftlichen Prosperität der vergangenen Jahrzehnte noch die Grundlagen für die Erhaltung einer relativ breiten Mittelschicht vorhanden sind. Sobald dies nicht mehr so gegeben ist, kann die bürgerliche Klasse wieder dazu übergehen, eine mehr und mehr offene Gewaltherrschaft zu etablieren.

Hier wird die bürgerliche Klasse nicht zögern, die "demokratischen" potemkin'schen Dörfer einzureissen. Schon heute gebärdet sich der deutsche Imperialismus wieder wie die Wildsau in fremden Ländern.

Zitat:
Die tiefe Heuchelei der bürgerlichen Zivilisation und die von ihr nicht zu trennende Barbarei liegen unverschleiert vor unseren Augen, sobald wir den Blick von ihrer Heimat, in der sie unter respektablen Formen auftreten, nach den Kolonien wenden, wo sie sich in ihrer ganzen Nacktheit zeigen.

Karl Marx: "Die künftigen Ergebnisse der britischen Herrschaft in Indien", veröffentlicht in:
New-York Daily Tribune" Nr. 3840 vom 8. August 1853
MEW 9, S.225


Aber auch nach innen drohen wieder die alten Gefahren, wenn ich an den geplante Einsatz der Bundeswehr im inneren denke oder an die totale Kontrolle der Bürger durch Datenschnüffeleien *modernster* Art, was man getrost als Stasi 2.0 bezeichnen kann. Du siehst, du kommst also vom Regen in die Traufe. zwinkern

Telliamed hat folgendes geschrieben:
Unsere Unterschiede würde ich vor allem in einem unterschiedlichen Zeithorizont sehen. Ich habe 35 Jahre Realsozialismus an der Macht erlebt und dann mehr als zwanzig Jahre reale Bundesrepublik. Zu meinem Lebzeiten werden sich wahrscheinlich keine großartigen Bewußtseinsänderungen in der hiesigen Bevölkerung mehr abspielen, ich werde sie in der mir noch verbleibenden Lebenszeit nicht mehr erleben. Es geht darum, Gegenkonzepte gegenüber der scheinbar alles beherrschenden Lehre von den heilenden Selbstreinigungskräften des Marktes zu entwerfen. Das geht nur schleppend voran, das sehe ich gerade einmal bei der nach wie vor wirkenden überparteilichen, verhältnismäßig kleinen Denkfabrik des "Instituts Solidarische Moderne" (1400 Mitglieder), aber ich sehe keine große treibende Kraft in Gestalt einer Partei oder sozialen Bewegung, die auf absehbare Zeit eine Alternative zu den gegenwärtig herrschenden Zuständen mit der gewaltigen Herrschaft der Finanzinstitute zur Realität werden ließe.


Die Gegenkonzepte sind längst formuliert. Sie lassen sich unter dem Stichwort "Wirtschafts- bzw. Produktionsdemokratie", also einer Demokratisierung des Produktionsverhältnisses weltweit zusammen fassen. Dazu sehe ich keine Alternative.

Das "Institut Solidarische Moderne" verschleiert den Klassencharakter dieser Gesellschaft. Oder soll man etwa mit den Kapitalklassen solidarisch sein ...-?
_________________
°
K.I.Z - Frieden

Das ist Postmoderne Ideologie! Psychologe und Philosoph analysieren RASSISMUS-Video

Informationsstelle Militarisierung e.V.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
beachbernie
male Person of Age and without Color



Anmeldungsdatum: 16.04.2006
Beiträge: 45792
Wohnort: Haida Gwaii

Beitrag(#1813914) Verfasst am: 03.02.2013, 19:39    Titel: Antworten mit Zitat

narziss hat folgendes geschrieben:
Kival hat folgendes geschrieben:
narziss hat folgendes geschrieben:
Kival hat folgendes geschrieben:
narziss hat folgendes geschrieben:
Man weiß aber immer erst hinterher, wer es durchzieht und wer nicht. Beispielsweise hat Avigdor Liebermann darüber spekuliert eine Atombombe auf den Gazastreifen zu werfen. Ich halte das für blöden Populismus und zumindest bislang hab ich mit dieser Einschätzung ja noch recht behalten.


Ist aber ja wohl Grund genug, ihn nicht zu wählen? Und wenn er es dann tatsächlich tut, wäre es ganz schön schwierig sich darauf zurückzuziehen, man hätte ja niemals ahnen können, dass er so etwas vorhat...
Das meinte ich garnicht. Ich wollte zum Ausdruck bringen, dass das Argument, Stalin hätte Polen angegriffen um einen Puffer gegen Deutschland zu haben, völlig außer Acht lässt, dass eben auch Stalin einen Expansionsdrang hatte, der zu verurteilen ist.


Und schon wieder... Expansonsdrang beim Einen, Vernichtungsfantasien beim anderen... siehst Du da wirklich keine zentralen Unterschiede?
Ich sehe da zentrale Unterschiede in der Ideologie.

Ich frage mich aber wo du die zentralen Unterschiede im Leiden ihrer Opfer siehst.



Zumindest einen praktischen Unterschied aus Sicht der Opfer kannst auch Du schlecht leugnen. Opfer des Stalinismus zu werden konnte man vermeiden, dadurch dass man sich angepasst, seine Schnauze gehalten und sich unauffaellig verhalten hat. Im Nazismus reichte es die falschen Vorfahren zu haben und man landete buchstaeblich auf der Todesliste, ohne dass man selbst eine Einflussmoeglichkeit gehabt haette.
_________________
Defund the gender police!! Let's Rock
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
wesen
ist mal wieder da



Anmeldungsdatum: 10.03.2011
Beiträge: 398
Wohnort: Essen

Beitrag(#1813916) Verfasst am: 03.02.2013, 19:50    Titel: Antworten mit Zitat

beachbernie hat folgendes geschrieben:
Zumindest einen praktischen Unterschied aus Sicht der Opfer kannst auch Du schlecht leugnen. Opfer des Stalinismus zu werden konnte man vermeiden, dadurch dass man sich angepasst, seine Schnauze gehalten und sich unauffaellig verhalten hat. Im Nazismus reichte es die falschen Vorfahren zu haben und man landete buchstaeblich auf der Todesliste, ohne dass man selbst eine Einflussmoeglichkeit gehabt haette.


Beim Holodomor? Das bezweile ich. Leider.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Telliamed
registrierter User



Anmeldungsdatum: 05.03.2007
Beiträge: 5125
Wohnort: Wanderer zwischen den Welten

Beitrag(#1813933) Verfasst am: 03.02.2013, 21:07    Titel: Antworten mit Zitat

wesen hat folgendes geschrieben:
beachbernie hat folgendes geschrieben:
Zumindest einen praktischen Unterschied aus Sicht der Opfer kannst auch Du schlecht leugnen. Opfer des Stalinismus zu werden konnte man vermeiden, dadurch dass man sich angepasst, seine Schnauze gehalten und sich unauffaellig verhalten hat. Im Nazismus reichte es die falschen Vorfahren zu haben und man landete buchstaeblich auf der Todesliste, ohne dass man selbst eine Einflussmoeglichkeit gehabt haette.


Beim Holodomor? Das bezweile ich. Leider.


Opfer des Stalinismus zu werden, konnte man auch und gerade, wenn man selbst aufrechter Kommunist war, nicht vermeiden. Irgendwelche Partei- und Tscheka- (Chrezvychajnaja kommissija - außerordentliche Kommission) Funktionäre hatten Listen mit vermeintlichen "Konterrevolutionären", "Trotzkisten" usw. zusammenzustellen und einen Plan an überführten Tätern zu erfüllen. Da landeten völlig unbescholtene Bürger und ihre Familienangehörigen auf diesen Listen, da wurden persönliche Rechnungen beglichen und Leute auf die Listen gesetzt - um die Pläne für die Verhaftung zu erfüllen und überzuerfüllen. Hunderte solcher Listen fanden sich später in den Archivunterlagen, mit Federstrich von Stalin unter diese Zusammenstellungen wurden Zehntausende von Menschen der Vernichtung preisgegeben.

Im Juni 1989 war der Saal des Theaters in Leningrad bis auf den letzten Platz gefüllt. Der Referent, Antonov-Ovseenko, ins Lager verbrachter Sohn des ersten Leninschen Volkskommissars für Verteidigung,
http://en.wikipedia.org/wiki/Vladimir_Antonov-Ovseyenko

sprach vier Stunden frei ohne Manuskript über die Verbrechen - eine endlose Litanei des Grauens, der Saal war still, man hörte nur Schluchzen.
Er zeigte mir als wohl einzigem zufällig anwesendem Ausländer hinter der Bühne Fotografien:
eine endlose Schlange von Männern in Gefängniskleidung. Jeder hält sich mit beiden Händen auf den Schultern des Vordermanns, warum: Alle sind in dem Lager blind geworden.
In dem modernen Medium Internet habe ich solche Bilder nicht gefunden.

Ich habe Buchenwald, Sachsenhausen, Ravensbrück, Konzentrationslager in Polen gesehen, aber das hier war noch einmal etwas Besonderes. Davon hatten wir keine Ahnung gehabt. Mir reichte es restlos.
http://www.marcus-schuetz.de/Solovki.pdf

Das was Schaufelberger für 1929 beschreibt, war erst der Anfang.

Der polnische Autor Mariusz Wilk:
Schwarzes Eis. Mein Russland. 2003.

http://www.dtv.de/buecher/schwarzes_eis_13537.html

Am Straßenrand auf den Soloveckij-Inseln blutige Überreste menschlicher Körper, Gefangener auf der Insel, von Fahrzeugen überrollt.

Ukaz vom 15. Mai 2009 des Präsidenten der Russischen Föderation, Medwedjew, über Gegenmaßnahmen gegen die Verfälschung der Geschichte, d.h. Anweisung, wie künftig Geschichte geschrieben werden soll (Zuwiderhandlungen werden verfolgt):

http://www.rg.ru/2009/05/20/komissia-dok.html

Man solle mich bitte nicht in die falsche Ecke stellen: In besonderem Maße fühle ich mich dem russischen Volk, den Völkern der ehemaligen Sowjetunion verbunden. Die haben solche Führer einfach nicht verdient.
Wegen der Sinnlosigkeit dieser ganzen Vernichtung von Menschenleben im 20. Jahrhundert.

Die Verbrechen des Stalinismus können jedoch nicht in geringster Weise zum Anlaß dienen, die von deutschem Boden ausgehende, planmäßig und organisiert betriebene Vernichtung von Millionen jüdischer Menschenleben zu relativieren.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
narziss
auf Wunsch deaktiviert



Anmeldungsdatum: 16.07.2003
Beiträge: 21939

Beitrag(#1813953) Verfasst am: 03.02.2013, 22:33    Titel: Antworten mit Zitat

Was ich beim Stalinismus so aberwitzig finde und noch immer nicht ganz begreife ist, dass die Wahrscheinlichkeit, unter Stalin zu sterben, umso höher war, je treuer man ihm diente. Schätzungen über die Opferzahlen Stalins sind schwierig, aber der einzelne Sowjetbürger hatte ca. eine Chance von 5% unter der Herrschaft Stalins zu sterben. In den obersten Führungsgremien aber ca. zu 50%.

Einfach nur Füße stillhalten, wie Beachbernie vorschlägt, war also auch nicht der richtige Weg.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Kival
Profeminist Ghost



Anmeldungsdatum: 14.11.2006
Beiträge: 24071

Beitrag(#1813957) Verfasst am: 03.02.2013, 22:47    Titel: Antworten mit Zitat

narziss hat folgendes geschrieben:
Was ich beim Stalinismus so aberwitzig finde und noch immer nicht ganz begreife ist, dass die Wahrscheinlichkeit, unter Stalin zu sterben, umso höher war, je treuer man ihm diente. Schätzungen über die Opferzahlen Stalins sind schwierig, aber der einzelne Sowjetbürger hatte ca. eine Chance von 5% unter der Herrschaft Stalins zu sterben. In den obersten Führungsgremien aber ca. zu 50%.


Was soll daran ungewöhnlich sein? Das scheint mir unter den Umständen normal zu sein.
_________________
"A basic literacy in statistics will one day be as necessary for efficient citizenship as the ability to read and write." (angeblich H. G. Wells)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
narziss
auf Wunsch deaktiviert



Anmeldungsdatum: 16.07.2003
Beiträge: 21939

Beitrag(#1813958) Verfasst am: 03.02.2013, 22:50    Titel: Antworten mit Zitat

Kival hat folgendes geschrieben:
narziss hat folgendes geschrieben:
Was ich beim Stalinismus so aberwitzig finde und noch immer nicht ganz begreife ist, dass die Wahrscheinlichkeit, unter Stalin zu sterben, umso höher war, je treuer man ihm diente. Schätzungen über die Opferzahlen Stalins sind schwierig, aber der einzelne Sowjetbürger hatte ca. eine Chance von 5% unter der Herrschaft Stalins zu sterben. In den obersten Führungsgremien aber ca. zu 50%.


Was soll daran ungewöhnlich sein? Das scheint mir unter den Umständen normal zu sein.
Unter welchen Umständen meinst du jetzt?
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Kival
Profeminist Ghost



Anmeldungsdatum: 14.11.2006
Beiträge: 24071

Beitrag(#1813965) Verfasst am: 03.02.2013, 23:03    Titel: Antworten mit Zitat

narziss hat folgendes geschrieben:
Kival hat folgendes geschrieben:
narziss hat folgendes geschrieben:
Was ich beim Stalinismus so aberwitzig finde und noch immer nicht ganz begreife ist, dass die Wahrscheinlichkeit, unter Stalin zu sterben, umso höher war, je treuer man ihm diente. Schätzungen über die Opferzahlen Stalins sind schwierig, aber der einzelne Sowjetbürger hatte ca. eine Chance von 5% unter der Herrschaft Stalins zu sterben. In den obersten Führungsgremien aber ca. zu 50%.


Was soll daran ungewöhnlich sein? Das scheint mir unter den Umständen normal zu sein.
Unter welchen Umständen meinst du jetzt?


Autoritären, gewaltsamen Strukturen?
_________________
"A basic literacy in statistics will one day be as necessary for efficient citizenship as the ability to read and write." (angeblich H. G. Wells)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
narziss
auf Wunsch deaktiviert



Anmeldungsdatum: 16.07.2003
Beiträge: 21939

Beitrag(#1813981) Verfasst am: 03.02.2013, 23:26    Titel: Antworten mit Zitat

Kival hat folgendes geschrieben:
narziss hat folgendes geschrieben:
Kival hat folgendes geschrieben:
narziss hat folgendes geschrieben:
Was ich beim Stalinismus so aberwitzig finde und noch immer nicht ganz begreife ist, dass die Wahrscheinlichkeit, unter Stalin zu sterben, umso höher war, je treuer man ihm diente. Schätzungen über die Opferzahlen Stalins sind schwierig, aber der einzelne Sowjetbürger hatte ca. eine Chance von 5% unter der Herrschaft Stalins zu sterben. In den obersten Führungsgremien aber ca. zu 50%.


Was soll daran ungewöhnlich sein? Das scheint mir unter den Umständen normal zu sein.
Unter welchen Umständen meinst du jetzt?


Autoritären, gewaltsamen Strukturen?
Aber da ist Hitler anders verfahren. Hitlers Politik innerhalb des eigenen Führungskreises war rationaler und ruhiger als die Stalins.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Kival
Profeminist Ghost



Anmeldungsdatum: 14.11.2006
Beiträge: 24071

Beitrag(#1813982) Verfasst am: 03.02.2013, 23:28    Titel: Antworten mit Zitat

Das ist wofür genau relevant?
_________________
"A basic literacy in statistics will one day be as necessary for efficient citizenship as the ability to read and write." (angeblich H. G. Wells)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
narziss
auf Wunsch deaktiviert



Anmeldungsdatum: 16.07.2003
Beiträge: 21939

Beitrag(#1813994) Verfasst am: 04.02.2013, 00:01    Titel: Antworten mit Zitat

Kival hat folgendes geschrieben:
Das ist wofür genau relevant?
Für beachbernies Behauptung, im Sowjetstaat hätte man durch Anpassung überleben können.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Skeptiker
"I can't breathe!"



Anmeldungsdatum: 14.01.2005
Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville

Beitrag(#1814005) Verfasst am: 04.02.2013, 00:26    Titel: Antworten mit Zitat

narziss hat folgendes geschrieben:
Kival hat folgendes geschrieben:
Das ist wofür genau relevant?
Für beachbernies Behauptung, im Sowjetstaat hätte man durch Anpassung überleben können.


Na ja, wenn du in Mozambique verhungerst, dann nützt dir deine Anpassung ja auch nichts. So wie es Stalin wahrscheinlich egal war, dass es Millionen Hungertote bei seiner Zwangskollektivierung und seinen unrealistischen 5-Jahres-Plänen gab, so ist es auch heute den Herrschenden im Westen egal, ob und wieviel Millionen in Afrika und Asien verhungern.

Zitat:
So herrscht im Süden Afrikas zur Zeit eine Hungersnot, bei der mit 20 Millionen Hungertoten gerechnet wird. Hungersnöte sind heutzutage nicht mehr primär Naturkatastrophen, sondern politische Ereignisse. In der Zeit ökonomischer wie ökologischer Globalisierung können sie sowohl verursacht wie verhindert werden.

http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/Namibia/kristen.html


(Der Artikel ist von 2004, aber im Grundsatz hat sich heute wenig geändert.)

Das heisst: Der Westen könnte helfen, wenn er wollte; er will aber nicht und riegelt die westlichen Länder zunehmend vor Flüchtlingen ab.

Insofern hat Stalin in diesem Punkt bezüglich seiner *bloß* Gleichgültigkeit gegenüber den Opfern seiner Politik wesentlich mehr Ähnlichkeit mit den heutigen westlichen Herrschenden als mit Hitler.

Die Genozid-Politik der Hitler-Faschisten ist davon deutlich zu unterscheiden:

Zitat:
Seit dem Ende der 1990er-Jahre haben mehrere internationale Entwicklungen ganz neue Debatten um die Definition von Genozid ausgelöst. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde in einigen der neu entstandenen Staaten Geschichte zu einer Art von Rohmaterial, dem zur Bildung neuer kollektiver Identitäten nicht nur bei Historiker/innen, sondern auch bei den neuen nationalen Eliten eine erhebliche Bedeutung zukam. Geschichte wurde zu einem zentralen Bestandteil für die Selbstidentifizierung der neuen Nationalstaaten, mit dem auch dem (vermeintlichen) russischen Imperialismus eine Absage erteilt werden sollte. Häufig spielte hierbei das kollektive Leiden in der Vergangenheit eine zentrale Rolle. Besonders in der Ukraine übt der Holodomor (Hungerkatastrophe) diese Funktion aus. Die meisten ukrainischen Historiker/innen gehen davon aus, dass die große Hungerkatastrophe von 1932/33, die mindestens drei Millionen, wahrscheinlich aber viel mehr Tote gefordert hat, als Genozid zu klassifizieren ist. Kein westlicher Historiker bestreitet ernsthaft diese große Zahl von Opfern, allerdings wird hervorgehoben, dass bis heute kein Dokument gefunden worden sei, das die These einer genozidalen Intention der sowjetischen Führung belegt.

Stalin hatte seit 1929 einen Krieg sowohl gegen die Dörfer begonnen, die kaum von Parteiorganisationen kontrolliert werden konnten, als auch das starke ukrainische Nationalbewusstsein bekämpft, das sich sogar in der ukrainischen Parteispitze wiederfand. Ferner wurde die Kollektivierung auf dem Lande von dem Versuch begleitet, eine eigenständige Schwerindustrie um buchstäblich jeden Preis so schnell wie möglich aufzubauen. Stalin war die Zahl der Opfer gleichgültig, die die utopischen Vorgaben des ersten Fünfjahresplanes forderten, der übereilt zur Modernisierung des Landes in Kraft gesetzt worden war. Gegen die Genozidthese spricht auch, dass die Aspekte von Ethnie und „Rasse” während der Hungerjahre vollständig fehlten. Nicht nur die Ukraine, sondern auch mehrere asiatische Republiken der Sowjetunion wurden durch den Hunger schwer getroffen. Der Terror gegen die ukrainischen Bauern ging von Moskau aus, aber ukrainische Truppen riegelten das Land ab, um die Bauern an der Flucht zu hindern und Aufstände mit extremer Brutalität niederzuschlagen, und ukrainische Parteikader organisierten die lokalen und regionalen Maßnahmen. Der Holodomor war eines der schlimmsten stalinistischen Verbrechen, aber es ist zweifelhaft, ob die Genozid-Terminologie wirklich angemessen ist, um die Vorgänge zu erklären.

Seit dem Ende der 1990er-Jahre entstand nicht nur bei Historiker/innen, sondern auch in vielen weiteren Disziplinen aus den genannten Gründen eine wachsende Unzufriedenheit mit der Genozidkonvention der Vereinten Nationen. Offensichtlich war nicht jedes grauenhafte Massaker Teil eines Genozids, und die politischen Verbrechen im stalinistischen Russland oder in Maos China wurden durch das Konzept nicht erfasst. Für einige Autor/innen ist die Genozid-Terminologie zu eng, um brutale Formen von Gewalt und Massenmord zu erfassen, für andere geht sie viel zu weit. Als Resultat dieser definitorischen Auseinandersetzungen ist eine Inflation weiterer Begrifflichkeiten entstanden. Neben dem Begriff Genozid finden sich Termini wie „genozidales Massaker”, „Ethnozid”, „Politizid”, „Demozid”, „Feminizid”, „Ökozid”, „Ökonomizid”, „Linguizid” und weitere mehr. Diese neuen Begriffe – ob sie nun sinnvoll sind oder nicht – sind ein sicherer Indikator dafür, dass – linguistisch gesprochen – die Extension eines älteren Begriffes nicht mehr funktioniert. Ferner ist der Begriff Genozid in der Öffentlichkeit häufig für eine große Zahl unterschiedlicher Fälle verwendet worden, die kaum noch etwas mit extremen Fällen von Massenmord zu tun haben, manchmal nicht einmal mehr mit Massengewalt. Um nur einige wenige Beispiele zu geben: Genozidverdacht ist geäußert worden bei Drogenmissbrauch, Methadonprogrammen, Geburtenkontrolle, medizinischer Behandlung fundamentalistischer Katholiken, der Schließung von Synagogen in der Sowjetunion oder bei der Abtreibung von Kindern in den USA. In den Worten von Helen Fein: „If this is awful it must be genocide.”


http://docupedia.de/zg/Genozid_und_Genozidforschung


Dabei ist es - wie ich oben selber geschrieben habe - durchaus rational, größere Produktionseinheiten zusammen zu fassen, Landwirtschaftsbetriebe zu kollektivieren. Aber die vulgäre Art und Weise in der dies unter Stalin versucht wurde, konterkarierte und unterminierte den rationalen Kern der Kollektivierung, auch wenn der Druck auf die Sowjetunion durch die Bedrohungen durch den Faschismus und andere westliche Länder sicherlich wahnsinnig hoch gewesen ist.
_________________
°
K.I.Z - Frieden

Das ist Postmoderne Ideologie! Psychologe und Philosoph analysieren RASSISMUS-Video

Informationsstelle Militarisierung e.V.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
beachbernie
male Person of Age and without Color



Anmeldungsdatum: 16.04.2006
Beiträge: 45792
Wohnort: Haida Gwaii

Beitrag(#1814019) Verfasst am: 04.02.2013, 03:38    Titel: Antworten mit Zitat

narziss hat folgendes geschrieben:
Was ich beim Stalinismus so aberwitzig finde und noch immer nicht ganz begreife ist, dass die Wahrscheinlichkeit, unter Stalin zu sterben, umso höher war, je treuer man ihm diente. Schätzungen über die Opferzahlen Stalins sind schwierig, aber der einzelne Sowjetbürger hatte ca. eine Chance von 5% unter der Herrschaft Stalins zu sterben. In den obersten Führungsgremien aber ca. zu 50%.

Einfach nur Füße stillhalten, wie Beachbernie vorschlägt, war also auch nicht der richtige Weg.



Auch fuer Anhaenger Stalins galt perverserweise ganz besonders, dass man sich bis zur Selbstverleugnung an Stalins Parteilinie anpassen musste und nicht auffallen durfte, weil man sonst leicht Ziel der Paranoia Stalins wurde. Dies war auch ein Grund dafuer, dass der Kommunismus a la Stalin schon recht frueh auf die Verliererstrasse geriet. Wo systematisch die kreativsten Geister entfernt werden, muessen sich zwangslaufig die profillosen Anpasser anreichern und mit denen laesst sich auf Dauer nicht viel Staat machen.
_________________
Defund the gender police!! Let's Rock
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Tarvoc
Holy shit, 4 decades already.



Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44755

Beitrag(#1814026) Verfasst am: 04.02.2013, 08:28    Titel: Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Die Gegenkonzepte sind längst formuliert. Sie lassen sich unter dem Stichwort "Wirtschafts- bzw. Produktionsdemokratie", also einer Demokratisierung des Produktionsverhältnisses weltweit zusammen fassen.

Ich finde ja, dass man dafür den Begriff Sozialismus konsequent wieder aneignen sollte. Produktionsdemokratie stimmt an und für sich schon, aber abgesehen von den verschiedenen Schwierigkeiten des Demokratiebegriffs, auf die u.A. Alain Badiou hinweist, besteht das Problem auch darin, dass der Ruf nach Demokratie im ideologischen Feld unserer Zeit praktisch sofort in einen Ruf nach mehr desselben rückübersetzt wird. Ein Beispiel wäre Occupy, das am Ende auf eine Bewegung zur Wiederwahl Obamas reduziert war.
_________________
"Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustand, in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Tarvoc
Holy shit, 4 decades already.



Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44755

Beitrag(#1814028) Verfasst am: 04.02.2013, 08:37    Titel: Antworten mit Zitat

beachbernie hat folgendes geschrieben:
Auch fuer Anhaenger Stalins galt perverserweise ganz besonders, dass man sich bis zur Selbstverleugnung an Stalins Parteilinie anpassen musste und nicht auffallen durfte, weil man sonst leicht Ziel der Paranoia Stalins wurde.

Nein, Paranoia ist ein Wahngebilde, das gar keinen Bezug mehr zu den Tatsachen hat. Zu den Zeiten des politischen Terrors unter Stalin konnt einem dementsprechend gerade daraus ein Strick gedreht werden, dass man möglichst nicht aufzufallen versuchte.
_________________
"Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustand, in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
narziss
auf Wunsch deaktiviert



Anmeldungsdatum: 16.07.2003
Beiträge: 21939

Beitrag(#1814053) Verfasst am: 04.02.2013, 10:57    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
beachbernie hat folgendes geschrieben:
Auch fuer Anhaenger Stalins galt perverserweise ganz besonders, dass man sich bis zur Selbstverleugnung an Stalins Parteilinie anpassen musste und nicht auffallen durfte, weil man sonst leicht Ziel der Paranoia Stalins wurde.

Nein, Paranoia ist ein Wahngebilde, das gar keinen Bezug mehr zu den Tatsachen hat. Zu den Zeiten des politischen Terrors unter Stalin konnt einem dementsprechend gerade daraus ein Strick gedreht werden, dass man möglichst nicht aufzufallen versuchte.
Beria, Stalins Himmler, hat sich ja bewusst in seiner Wohnung gegen Stalin geäußert, obwohl diese verwanzt war, weil er damit halt unter Beweis stellen musste, dass er nicht außerhalb seiner Wohnung gegen Stalin intrigiert. So jedenfalls die Logik. noc
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Telliamed
registrierter User



Anmeldungsdatum: 05.03.2007
Beiträge: 5125
Wohnort: Wanderer zwischen den Welten

Beitrag(#1814060) Verfasst am: 04.02.2013, 11:39    Titel: Antworten mit Zitat

narziss hat folgendes geschrieben:
Kival hat folgendes geschrieben:
narziss hat folgendes geschrieben:
Kival hat folgendes geschrieben:
narziss hat folgendes geschrieben:
Was ich beim Stalinismus so aberwitzig finde und noch immer nicht ganz begreife ist, dass die Wahrscheinlichkeit, unter Stalin zu sterben, umso höher war, je treuer man ihm diente. Schätzungen über die Opferzahlen Stalins sind schwierig, aber der einzelne Sowjetbürger hatte ca. eine Chance von 5% unter der Herrschaft Stalins zu sterben. In den obersten Führungsgremien aber ca. zu 50%.


Was soll daran ungewöhnlich sein? Das scheint mir unter den Umständen normal zu sein.
Unter welchen Umständen meinst du jetzt?


Autoritären, gewaltsamen Strukturen?
Aber da ist Hitler anders verfahren. Hitlers Politik innerhalb des eigenen Führungskreises war rationaler und ruhiger als die Stalins.


Tja, 1934 Röhm-Affäre; Amtsvorgänger Schleicher und Ehefrau werden gleich mit erledigt; 1938 Fritsch-Affäre; 1944 will Hitler den Film sehen, der zeigt, wie seine Gegner, darunter ein Feldmarschall, an Fleischerhaken erhängt werden;
schließlich werden die engsten Gefolgsleute, Himmler und Göring, am Schluss zum Abschuss freigegeben und zum Tod verurteilt,
da ist wohl die Entscheidung, Dönitz zu ernennen, noch "rational", weil man ahnte, dass ihn die Alliierten nicht verurteilen würden ... auch hier eine Wahnsinnsspirale
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
narziss
auf Wunsch deaktiviert



Anmeldungsdatum: 16.07.2003
Beiträge: 21939

Beitrag(#1814062) Verfasst am: 04.02.2013, 11:51    Titel: Antworten mit Zitat

Telliamed hat folgendes geschrieben:
narziss hat folgendes geschrieben:
Kival hat folgendes geschrieben:
narziss hat folgendes geschrieben:
Kival hat folgendes geschrieben:
narziss hat folgendes geschrieben:
Was ich beim Stalinismus so aberwitzig finde und noch immer nicht ganz begreife ist, dass die Wahrscheinlichkeit, unter Stalin zu sterben, umso höher war, je treuer man ihm diente. Schätzungen über die Opferzahlen Stalins sind schwierig, aber der einzelne Sowjetbürger hatte ca. eine Chance von 5% unter der Herrschaft Stalins zu sterben. In den obersten Führungsgremien aber ca. zu 50%.


Was soll daran ungewöhnlich sein? Das scheint mir unter den Umständen normal zu sein.
Unter welchen Umständen meinst du jetzt?


Autoritären, gewaltsamen Strukturen?
Aber da ist Hitler anders verfahren. Hitlers Politik innerhalb des eigenen Führungskreises war rationaler und ruhiger als die Stalins.


Tja, 1934 Röhm-Affäre; Amtsvorgänger Schleicher und Ehefrau werden gleich mit erledigt; 1938 Fritsch-Affäre; 1944 will Hitler den Film sehen, der zeigt, wie seine Gegner, darunter ein Feldmarschall, an Fleischerhaken erhängt werden;
schließlich werden die engsten Gefolgsleute, Himmler und Göring, am Schluss zum Abschuss freigegeben und zum Tod verurteilt,
da ist wohl die Entscheidung, Dönitz zu ernennen, noch "rational", weil man ahnte, dass ihn die Alliierten nicht verurteilen würden ... auch hier eine Wahnsinnsspirale


Röhm ist das einzige Beispiel das zählt.

Schleicher war ein Gegner Hitlers.
Fritsch wurde zwar entlassen, aber er bekam eine dicke Pension.
Die Attentäter des 20. Juli waren ebenso Gegner Hitlers.
Und wie er gegen Himmler und Göring verfahren ist, ist nicht für seine Amtszeit repräsentativ, da sich das alles in den letzten Tagen ereignet hat.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Kival
Profeminist Ghost



Anmeldungsdatum: 14.11.2006
Beiträge: 24071

Beitrag(#1814063) Verfasst am: 04.02.2013, 11:55    Titel: Antworten mit Zitat

Deine Verteidigungsversuche Hitlers sind ein wenig merkwürdig. Schon besorgniserregend.
_________________
"A basic literacy in statistics will one day be as necessary for efficient citizenship as the ability to read and write." (angeblich H. G. Wells)


Zuletzt bearbeitet von Kival am 04.02.2013, 12:04, insgesamt einmal bearbeitet
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
narziss
auf Wunsch deaktiviert



Anmeldungsdatum: 16.07.2003
Beiträge: 21939

Beitrag(#1814065) Verfasst am: 04.02.2013, 12:01    Titel: Antworten mit Zitat

Kival hat folgendes geschrieben:
Deine Verteidigungsversuche Hitlers sind ein wenig merkwürdig.
Wie kommst du darauf, ich würde Hitler verteidigen?
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Telliamed
registrierter User



Anmeldungsdatum: 05.03.2007
Beiträge: 5125
Wohnort: Wanderer zwischen den Welten

Beitrag(#1814067) Verfasst am: 04.02.2013, 12:08    Titel: Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
narziss hat folgendes geschrieben:
Kival hat folgendes geschrieben:
Das ist wofür genau relevant?
Für beachbernies Behauptung, im Sowjetstaat hätte man durch Anpassung überleben können.



Die Genozid-Politik der Hitler-Faschisten ist davon deutlich zu unterscheiden:

Zitat:
[b]

http://docupedia.de/zg/Genozid_und_Genozidforschung




Ein ganz wesentlicher Aspekt ist jedoch neben den periodisch erzeugten Hungerkrisen noch zu berücksichtigen, bei dem tatsächlich ganze Ethnien betroffen waren:
die Deportation ganzer Völker durch Stalin.
Auch hier gibt es findige Leute, die den Beginn von Deportationen schon im Nordischen Krieg (1700-1721) unter Peter dem Großen finden wollen, der 1708 die Bewohner der 1704 von den Russen eroberten ehemals schwedischen Stadt Dorpat (heute Tartu) ins Landesinnere deportierte. Auch im 19. Jahrhundert gab es immer wieder Deportationen ganzer Dörfer.

Hierzulande ist bekannt, dass bei der Deportation der Russlanddeutschen etwa ein Drittel der Menschen umkamen.
Dann wurden nach 1941 die Krimtataren, Kalmyken, Tschetschenen deportiert.

Es finden sich immer wieder Rechtfertigungen von Stalins Deportationspolitik: Ja, man musste doch, sagen diese Leute, im Krieg 1941 damit rechnen, dass sich Angehörige dieser Völker mit den Deutschen verbünden würden und im Hinterland sabotierten.

Erstens: Die Maßnahmen wurden "vorsorglich" getroffen, als die Wehrmacht noch nicht herangerückt war, und sie betrafen Männer, Frauen und Kinder. Hätten nicht auch etliche Angehörige dieser Völker trotzdem die Waffe ergriffen und ihre Heimat gegen die Deutschen verteidigt, wie das die Angehörigen anderer Völker auch taten?

Zweitens: Musste es überhaupt so weit kommen, dass die Deutschen schließlich 1942/43 bis in den Kaukasus eindringen und die Hakenkreuzfahne auf dem Elbrus hissen konnten? Die Führungskräfte der Roten Armee waren bis 1941 zu einem hohen Teil durch Stalinsche Repressionen vernichtet worden, 1942 kamen neue katastrophale Fehleinschätzungen Stalins über die Stoßrichtung weiterer Angriffe Hitlers hinzu. Als die Wehrmacht kurzzeitig bis auf die Gipfel des Kaukasus vorstieß, da waren aber diese Völker schon geschlossen Richtung Sibirien deportiert worden.

Wundert man sich angesichts dieser Vorgeschichte, dass es 1994-1996 bzw. 1999-2000 wieder zum Krieg in Tschetschenien kam? Dass angesichts des Umgang Stalins mit den Osseten wieder Krieg zwischen Russland und Georgien, wie 2008, aufflammen kann?

Die Stalinschen Deportationen führten sehr wohl zur einkalkulierten Vernichtung eines bedeutenden Teils ganzer Ethnien.
Also: Man kann sicher über die Reichweite des Begriffs "Genozid" streiten. Es fragt sich immer, welchem Zweck solche Debatten dienen sollen.
Angesichts der durch die Stalinsche Agrarpolitik oder die durch Maos "Großen Sprung" verursachten Hungerkatastrophen wurden Millionen Menschenleben ausgelöscht. Nimmt man die mindestens 1 Million Tote in Kambodscha/Kampuchea der Pol Pot-Zeit 1975-1979 hinzu, dann kommen solche interessengeleiteten Leute wie Conquest (zumeist ehemalige Westlinke, die eine schroffe Kehrtwende vollzogen haben) mit ihrem "Schwarzbuch des Kommunismus" daher und addieren alle diese Toten unter "Opfer des Kommunismus".
Das machen sie, weil ihnen der Sozialismus, dem sie zumeist in ihrer Jugendzeit gefrönt hatten, jetzt bewusst verhasst wurde.

http://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Conquest
Was für eine Biographie! Geschockt Wobei ich daran festhalte: jeder kann sich im Leben einmal gründlich geirrt haben ...

Andere wieder rechnen jetzt diese dutzende Millionen Toter in der Sowjetunion, in China, Kampuchea und noch anderer "kommunistischer Diktaturen" gegen die Opfer der Massentötung der Juden durch Hitler auf.

Was ist deren Ziel, ist jetzt zu fragen, wenn nicht eine Relativierung der von Deutschland ausgehenden Verbrechen? Der bloße Hinweis --> die anderen haben aber auch ...?
Ich will jedenfalls als Deutscher nicht gleich mit dem Finger auf die anderen zeigen, halte an der These von der Singularität des vom Nationalsozialismus ausgelösten, organisierten und teilweise fabrikmäßig betriebenen Massenmordes an den Juden fest, auch wenn es in anderen Weltteilen zur massenhaften Vernichtung von Menschenleben gekommen ist und heute noch kommt.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
narziss
auf Wunsch deaktiviert



Anmeldungsdatum: 16.07.2003
Beiträge: 21939

Beitrag(#1814071) Verfasst am: 04.02.2013, 12:42    Titel: Antworten mit Zitat

Telliamed hat folgendes geschrieben:
Also: Man kann sicher über die Reichweite des Begriffs "Genozid" streiten. Es fragt sich immer, welchem Zweck solche Debatten dienen sollen.
Angesichts der durch die Stalinsche Agrarpolitik oder die durch Maos "Großen Sprung" verursachten Hungerkatastrophen wurden Millionen Menschenleben ausgelöscht. Nimmt man die mindestens 1 Million Tote in Kambodscha/Kampuchea der Pol Pot-Zeit 1975-1979 hinzu, dann kommen solche interessengeleiteten Leute wie Conquest (zumeist ehemalige Westlinke, die eine schroffe Kehrtwende vollzogen haben) mit ihrem "Schwarzbuch des Kommunismus" daher und addieren alle diese Toten unter "Opfer des Kommunismus".
Das machen sie, weil ihnen der Sozialismus, dem sie zumeist in ihrer Jugendzeit gefrönt hatten, jetzt bewusst verhasst wurde.
Andere wieder rechnen jetzt diese dutzende Millionen Toter in der Sowjetunion, in China, Kampuchea und noch anderer "kommunistischer Diktaturen" gegen die Opfer der Massentötung der Juden durch Hitler auf.

Was ist deren Ziel, ist jetzt zu fragen, wenn nicht eine Relativierung der von Deutschland ausgehenden Verbrechen? Der bloße Hinweis --> die anderen haben aber auch ...?
Ich will jedenfalls als Deutscher nicht gleich mit dem Finger auf die anderen zeigen, halte an der These von der Singularität des vom Nationalsozialismus ausgelösten, organisierten und teilweise fabrikmäßig betriebenen Massenmordes an den Juden fest, auch wenn es in anderen Weltteilen zur massenhaften Vernichtung von Menschenleben gekommen ist und heute noch kommt.
Es ist unfair, jemandem allein aus einer Aussage heraus eine Intention zu unterstellen. Es gibt klare Fälle: Wer den Holocaust leugnet, der will selbstverständlich verharmlosen. Wer aber Kommunismus und Nationalsozialismus als gleichsam verbrecherisch ablehnt, muss dies nicht zwangsläufig tun. Solche Fälle gibt es und ich sehe Nolte als Beispiel dafür. Aber eben nicht wegen seiner Äußerungen im Historikerstreit, sondern wegen ganz anderer Aussagen, die er auch lange danach getätigt hat.

Solange man diese Absicht nicht nachweisen kann, sollte man auch voreilig mit Schlussfolgerungen sein. Auf ein "Deine Analogie soll Hitler verharmlosen." sollte man verzichten und eher sagen: "Deine Analogie kann Hitler verharmlosen."
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Sermon
panta rhei



Anmeldungsdatum: 16.07.2003
Beiträge: 18430
Wohnort: Sine Nomine

Beitrag(#1814078) Verfasst am: 04.02.2013, 13:56    Titel: Antworten mit Zitat

Beim Thema "Reichstagswahl 1933" nicht ueber das politische Versagen erheblicher Teile des Buergertums hinsichtlich der Nazis zu sprechen, sondern eine Stalinismusdebatte zu fuehren, als ob 1933 eine Machtergreifung der KPD auch nur irgendwie wahrscheinlich gewesen waere, ist natuerlich interessegeleiter Aberwitz!
_________________
"Der Typ hat halt so seine Marotten" (Sermon über Sermon) Der Typ hat so seine Macken
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
narziss
auf Wunsch deaktiviert



Anmeldungsdatum: 16.07.2003
Beiträge: 21939

Beitrag(#1814087) Verfasst am: 04.02.2013, 14:50    Titel: Antworten mit Zitat

Sermon hat folgendes geschrieben:
Beim Thema "Reichstagswahl 1933" nicht ueber das politische Versagen erheblicher Teile des Buergertums hinsichtlich der Nazis zu sprechen, sondern eine Stalinismusdebatte zu fuehren, als ob 1933 eine Machtergreifung der KPD auch nur irgendwie wahrscheinlich gewesen waere, ist natuerlich interessegeleiter Aberwitz!
Beweise?
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
fwo
Caterpillar D9



Anmeldungsdatum: 05.02.2008
Beiträge: 26588
Wohnort: im Speckgürtel

Beitrag(#1814088) Verfasst am: 04.02.2013, 14:56    Titel: Antworten mit Zitat

narziss hat folgendes geschrieben:
Sermon hat folgendes geschrieben:
Beim Thema "Reichstagswahl 1933" nicht ueber das politische Versagen erheblicher Teile des Buergertums hinsichtlich der Nazis zu sprechen, sondern eine Stalinismusdebatte zu fuehren, als ob 1933 eine Machtergreifung der KPD auch nur irgendwie wahrscheinlich gewesen waere, ist natuerlich interessegeleiter Aberwitz!
Beweise?

Gegenfrage: Wo ist der Beleg, von Beweis will ich in dem Zusammenhang gar nicht reden, dass eine Entscheidung 1933 für die Kommunisten eine Entscheidung für den Stalinismus gewesen wäre?

Nur so als Hinweis: Wenn Du jetzt etwas bringst, was nach 33 geschehen ist, ist das nicht nur etwas, was der Wähler damals nicht zur Verfügung hatte, es ist vielmehr etwas, bei dem Du nicht einfach davon ausgehen kannst, dass es ohne die "Machtergreifung" und die dadurch entstehende existenzielle Gefährdung aller Andersdenkender so stattgefunden hätte.

fwo
_________________
Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.

The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.

Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Kival
Profeminist Ghost



Anmeldungsdatum: 14.11.2006
Beiträge: 24071

Beitrag(#1814093) Verfasst am: 04.02.2013, 15:07    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
narziss hat folgendes geschrieben:
Sermon hat folgendes geschrieben:
Beim Thema "Reichstagswahl 1933" nicht ueber das politische Versagen erheblicher Teile des Buergertums hinsichtlich der Nazis zu sprechen, sondern eine Stalinismusdebatte zu fuehren, als ob 1933 eine Machtergreifung der KPD auch nur irgendwie wahrscheinlich gewesen waere, ist natuerlich interessegeleiter Aberwitz!
Beweise?

Gegenfrage: Wo ist der Beleg, von Beweis will ich in dem Zusammenhang gar nicht reden, dass eine Entscheidung 1933 für die Kommunisten eine Entscheidung für den Stalinismus gewesen wäre?


Naja, dass die KPD 33 stalinisiert war, wird eigentlich von niemandem ernsthaft bezweifelt.
_________________
"A basic literacy in statistics will one day be as necessary for efficient citizenship as the ability to read and write." (angeblich H. G. Wells)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
fwo
Caterpillar D9



Anmeldungsdatum: 05.02.2008
Beiträge: 26588
Wohnort: im Speckgürtel

Beitrag(#1814100) Verfasst am: 04.02.2013, 15:53    Titel: Antworten mit Zitat

Kival hat folgendes geschrieben:
...
Naja, dass die KPD 33 stalinisiert war, wird eigentlich von niemandem ernsthaft bezweifelt.

Es gab durchaus Spannungen zwischen Moskau, der Komintern und der KPD, die sich im Fall eines Wahlerfolges der KPD eher verstärkt als verringert hätten.
Wikipedia dazu :
Zitat:
....Diese Sichtweise überschätzt jedoch einerseits die Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten der sowjetischen Führung auf die Politik der Komintern und unterschätzt andererseits die Konflikte, die zwischen deutschen und sowjetischen Kommunisten selbst in den Jahren zwischen 1928 und 1933 bestanden.
Die sowjetischen Kommunisten waren von dieser Einstellung immer wieder schockiert. Sie bestärkte sie in ihrer Überzeugung, dass das Leben in einer pluralistischen Demokratie zu einer „Verweichlichung der Funktionäre“ und zur Unterwanderung der Parteien durch Agenten und „Saboteure“ führe. Stalin und seine Gefolgsleute, die durch gewalttätige politische Konflikte im Zarenreich und während des Russischen Bürgerkriegs geprägt worden waren, hielten die deutschen Kommunisten für „Kaffeehaussozialisten“ und „Schwätzer“, die weder die Mühen des Untergrundkampfes durchlitten noch das Feuer einer richtigen Revolution durchschritten hatten. Für sie stand daher fest, dass den deutschen Kommunisten der Verhaltenskodex der Bolschewiki eingebleut werden musste, sollte es nicht wieder zu so einer politischen Niederlage wie während der Wittorf-Affäre 1928 kommen: Damals hatte das ZK der KPD den Vorsitzenden Thälmann zeitweilig abgesetzt, nachdem dessen Verwicklung in eine Unterschlagungsäffare bekannt geworden war, weil es den Druck der deutschen Öffentlichkeit fürchtete. Diese Denkweise war dem sowjetischen Diktator und den von ihm protegierten Führungsfunktionären der Komintern schon deshalb völlig fremd, weil eine unabhängige Presse in ihrer Vorstellungswelt keine Rolle spielte.

Diese Spannung zwischen den ideologischen Erwartungen und politischen Erfahrungen der sowjetischen Führung einerseits und der Praxis der deutschen Kommunisten im politischen Alltag der Weimarer Republik andererseits bestand fort bis zur Machtübertragung an Hitler im Januar 1933.....

Der deutschen Kommunismus dieser Zeit leitet sich zu erheblichen Teilen von der SPD ab und ist damit viel demokratischer als es den Russen lieb war. Insofern bin ich mir nicht so sicher, dass eine Wahl der KPD 1933 wirklich eine Wahl für den Stalinismus gewesen wäre.

Das Verhalten nach 33 im Zustand der Verfolgung kann redlicherweise kaum als Anhalt dafür benutzt werden, was sie bei einem Wahlerfolg gemacht hätten.

fwo
_________________
Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.

The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.

Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).


Zuletzt bearbeitet von fwo am 05.02.2013, 11:45, insgesamt einmal bearbeitet
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:   
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen   Drucker freundliche Ansicht    Freigeisterhaus Foren-Übersicht -> Politik und Geschichte Alle Zeiten sind GMT + 1 Stunde
Gehe zu Seite Zurück  1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9  Weiter
Seite 8 von 9

 
Gehe zu:  
Du kannst keine Beiträge in dieses Forum schreiben.
Du kannst auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten.
Du kannst deine Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten.
Du kannst deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Du kannst an Umfragen in diesem Forum nicht mitmachen.



Impressum & Datenschutz


Powered by phpBB © 2001, 2005 phpBB Group