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Warum diskutieren Freigeister religiöse Glaubensinhalte ?
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Skeptiker
"I can't breathe!"



Anmeldungsdatum: 14.01.2005
Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville

Beitrag(#2035452) Verfasst am: 14.12.2015, 09:09    Titel: Antworten mit Zitat

Arno Gebauer hat folgendes geschrieben:
Guten Tag,

und warum diskutieren Freigeister religiöse Glaubensinhalte?

Viele Grüße
Arno Gebauer


Nun, die Meinungen:

"Ich kritisiere nicht die Religion; es reicht, dass ich keine Religion ausübe."

"Ich kritisiere nicht das Kapital; es reicht, dass ich kein Kapitalist bin."

"Ich kritisiere nicht die Diskriminierung; es reicht, dass ich keine Diskriminierung ausübe."

sind alle Ausdruck eines Irrtums.

Denn da diese drei Dinge und noch vieles andere, in die Gesellschaft, in das Leben in extrem destruktiver Weise eingreifen, reicht es nicht, sich daran nicht zu beteiligen. Sondern es ist erforderlich, sie gemeinsam aktiv zu bekämpfen.

Das ist ein moralischer Anspruch moralischer Menschen, denke ich ...-!
_________________
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K.I.Z - Frieden

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Marcellinus
Outsider



Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#2035457) Verfasst am: 14.12.2015, 10:28    Titel: Antworten mit Zitat

Arno Gebauer hat folgendes geschrieben:

Laß mich doch in diesem Forum "Eulen nach Athen" tragen.

Ich laß dich ja; es ist nur sinnlos.


Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Nun, die Meinungen:

"Ich kritisiere nicht die Religion; es reicht, dass ich keine Religion ausübe." [...]

sind alle Ausdruck eines Irrtums.

Denn da diese drei Dinge und noch vieles andere, in die Gesellschaft, in das Leben in extrem destruktiver Weise eingreifen, reicht es nicht, sich daran nicht zu beteiligen. Sondern es ist erforderlich, sie gemeinsam aktiv zu bekämpfen.

Das ist ein moralischer Anspruch moralischer Menschen, denke ich ...-!

Eine Kritik, die die Kritisierten nicht erreicht, weil sie sich nur im Kreis von Nichtbetroffenen bewegt, ist geistige Onanie. Geh geh mit deiner Kritik dahin, wie die Frommen sind! Hier sollte es genug andere Themen geben. zwinkern
_________________
"Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."

Friedrich Nietzsche
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Defätist
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Anmeldungsdatum: 09.06.2010
Beiträge: 8557

Beitrag(#2035469) Verfasst am: 14.12.2015, 11:21    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Nun, die Meinungen:

"Ich kritisiere nicht die Religion; es reicht, dass ich keine Religion ausübe." [...]

sind alle Ausdruck eines Irrtums.

Denn da diese drei Dinge und noch vieles andere, in die Gesellschaft, in das Leben in extrem destruktiver Weise eingreifen, reicht es nicht, sich daran nicht zu beteiligen. Sondern es ist erforderlich, sie gemeinsam aktiv zu bekämpfen.

Das ist ein moralischer Anspruch moralischer Menschen, denke ich ...-!

Eine Kritik, die die Kritisierten nicht erreicht, weil sie sich nur im Kreis von Nichtbetroffenen bewegt, ist geistige Onanie. Geh geh mit deiner Kritik dahin, wie die Frommen sind! Hier sollte es genug andere Themen geben. zwinkern

Warum sollte er? Hier gibt es genug derer, welche Skeptiker in seinen Beispielen benennt. Solche Irrtümer treten sogar oft genug in allen möglichen Threads wiederholt zu Tage. Dahingehende Kritik ist deshalb (auch hier) durchaus angebracht.
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fwo
Caterpillar D9



Anmeldungsdatum: 05.02.2008
Beiträge: 26440
Wohnort: im Speckgürtel

Beitrag(#2035486) Verfasst am: 14.12.2015, 14:32    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Arno Gebauer hat folgendes geschrieben:

Laß mich doch in diesem Forum "Eulen nach Athen" tragen.

Ich laß dich ja; es ist nur sinnlos.


Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Nun, die Meinungen:

"Ich kritisiere nicht die Religion; es reicht, dass ich keine Religion ausübe." [...]

sind alle Ausdruck eines Irrtums.

Denn da diese drei Dinge und noch vieles andere, in die Gesellschaft, in das Leben in extrem destruktiver Weise eingreifen, reicht es nicht, sich daran nicht zu beteiligen. Sondern es ist erforderlich, sie gemeinsam aktiv zu bekämpfen.

Das ist ein moralischer Anspruch moralischer Menschen, denke ich ...-!

Eine Kritik, die die Kritisierten nicht erreicht, weil sie sich nur im Kreis von Nichtbetroffenen bewegt, ist geistige Onanie. Geh geh mit deiner Kritik dahin, wie die Frommen sind! Hier sollte es genug andere Themen geben. zwinkern

Mach mir die Onanie nicht so schlecht - die kann auch Spaß machen, völlig unabhängig davon, ob man sich noch Hoffnungen auf "Blondinen" machen kann oder nicht (korrekterweise sollte es übrigens Masturbation heißen: Was der Herr Onan da getrieben hat, war ein "Rückzieher", etwas, was mental eine ganz andere Bedeutung bekommt ..... zwinkern

Was ich an Skeptikers Aussage eher fragwürdig finde, ist die grundsätzliche Ablehnung von Religion, Kapital und Diskriminierung. Abgesehen davon, dass es schon lustig ist, Religion allgemein und Diskriminierung gleichzeitig bekämpfen zu wollen, habe ich nichts gegen

Religion, solange sie sich in ihren Ansprüchen auf die Gläubigen beschränkt,
Kapital, solange es nicht konzentriert auftritt
und Diskriminierung, solange sie die "Richtigen" trifft.

So kann ich z.B. in einer Gesellschaft, in der Rechtsbrecher diskriminiert werden, ganz gut leben.
_________________
Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.

The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.

Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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Marcellinus
Outsider



Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#2035498) Verfasst am: 14.12.2015, 15:42    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:

Was ich an Skeptikers Aussage eher fragwürdig finde, ist die grundsätzliche Ablehnung von Religion, Kapital und Diskriminierung. Abgesehen davon, dass es schon lustig ist, Religion allgemein und Diskriminierung gleichzeitig bekämpfen zu wollen, habe ich nichts gegen

Religion, solange sie sich in ihren Ansprüchen auf die Gläubigen beschränkt,
Kapital, solange es nicht konzentriert auftritt
und Diskriminierung, solange sie die "Richtigen" trifft.

So kann ich z.B. in einer Gesellschaft, in der Rechtsbrecher diskriminiert werden, ganz gut leben.

Ja Daumen hoch!

Aber selbst wenn man zugesteht, daß die beiden bei uns verbreitetsten Religionen, Christentum und Islam, sich hartnäckig weigern, ihre Ansprüche auf ihre Gläubigen zu beschränken, und Kritik daher sicherlich gerechtfertigt ist, wundert doch der Ort und die Häufigkeit, mit der es geschieht.

Der böse Spruch, daß Atheisten sich mehr mit Religion beschäftigen als Gläubige, findet zumindest hier seine Bestätigung.
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fwo
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Anmeldungsdatum: 05.02.2008
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Wohnort: im Speckgürtel

Beitrag(#2035500) Verfasst am: 14.12.2015, 16:03    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
....

Der böse Spruch, daß Atheisten sich mehr mit Religion beschäftigen als Gläubige, findet zumindest hier seine Bestätigung.

Der Spruch ist nicht böse, sondern trifft oft zu - und die Tatsache als solche ist dann meist verständlich:

Das sind dann normalerweise keine Atheisten, die als solche aufgewachsen sind, sondern Menschen, die sich oft unter Schmerzen aus ihrer familiären Sozialisation herausgelöst haben, die kirchlich bestimmt war. Ging mir auch so, auch wenn mich daran weniger die Religion interessiert hat, der meine Eltern verfallen waren, als die allgemein menschlichen (=psychischen) Voraussetzungen, die zu diesem Verfall führen.

Und das mit den Schmerzen kannst Du wörtlich nehmen - ich wurde in die Kirche geprügelt. Was mich allerdings sehr viel länger geschmerzt hat, war, dass ich meinem Vater Intelligenz nicht absprechen konnte. Aber wie gesagt: Die Bibel oder den Koran habe ich deshalb nicht gelesen und werde das auch nicht tun. Nur die politischen Statements aus diesen Richtungen höre ich mir normalerweise sehr genau an. Andere haben da einen anderen Zugang. Insofern ist das hier für einige auch weniger Selbstbefriedigung als Selbstbefriedung. Das FGH ist auch eine Selbsthilfegruppe.
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Naastika
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Beitrag(#2035502) Verfasst am: 14.12.2015, 16:21    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
Das FGH ist auch eine Selbsthilfegruppe.


Und ein Mittel der Selbstbestättigung der Einzelnen.

Und, im besten Falle, auch ein Forum der auch politischen Selbstorganisation von (punktuell) Gleichgesinnten (z.B. Anti-ProReli von `98 ).
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Marcellinus
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Beiträge: 7429

Beitrag(#2035510) Verfasst am: 14.12.2015, 18:09    Titel: Antworten mit Zitat

Naastika hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Das FGH ist auch eine Selbsthilfegruppe.


Und ein Mittel der Selbstbestättigung der Einzelnen.

Und, im besten Falle, auch ein Forum der auch politischen Selbstorganisation von (punktuell) Gleichgesinnten (z.B. Anti-ProReli von `98 ).

Das ist nun allerdings 17 Jahre her! zwinkern
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Naastika
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Anmeldungsdatum: 23.11.2003
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Wohnort: an der Fütterungsstelle der Eichhörnchen

Beitrag(#2035511) Verfasst am: 14.12.2015, 18:23    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Naastika hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Das FGH ist auch eine Selbsthilfegruppe.


Und ein Mittel der Selbstbestättigung der Einzelnen.

Und, im besten Falle, auch ein Forum der auch politischen Selbstorganisation von (punktuell) Gleichgesinnten (z.B. Anti-ProReli von `98 ).

Das ist nun allerdings 17 Jahre her! zwinkern



Oh Sch....ahh....! Nee, ich meinte natürlich: 2009... Mit den Augen rollen und Verlegen und Pfeifen
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Marcellinus
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Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#2035518) Verfasst am: 14.12.2015, 20:09    Titel: Antworten mit Zitat

Naastika hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Das FGH ist auch eine Selbsthilfegruppe.

Und ein Mittel der Selbstbestättigung der Einzelnen.

"Selbsthilfegruppe" legt für mich irgendwie nahe, bei der Glaubenslosigkeit handele es sich um eine Art von Hilfsbedürftigkeit, was ja für manche, die sich nur unter Mühen von frühkindlicher Indoktrination befreit habe, vielleicht auch so ist.

Für mich als jemand, der ohne Religion aufgewachsen ist (soweit das in den 50ern und 60ern des letzten Jahrhunderts in diesem Lande möglich war), ist das etwas schwer nachzuvollziehen. Selbstbestätigung habe ich eher in der Konfrontation mit entgegengesetzten Gedanken und Vorstellungen gefunden, nicht in der Gemeinschaft vermeintlich Gleichgesinnter. Sowas weckt eher meinen Widerspruchsgeist. zwinkern
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fwo
Caterpillar D9



Anmeldungsdatum: 05.02.2008
Beiträge: 26440
Wohnort: im Speckgürtel

Beitrag(#2035524) Verfasst am: 14.12.2015, 21:06    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Naastika hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Das FGH ist auch eine Selbsthilfegruppe.

Und ein Mittel der Selbstbestättigung der Einzelnen.

"Selbsthilfegruppe" legt für mich irgendwie nahe, bei der Glaubenslosigkeit handele es sich um eine Art von Hilfsbedürftigkeit, was ja für manche, die sich nur unter Mühen von frühkindlicher Indoktrination befreit habe, vielleicht auch so ist.

Für mich als jemand, der ohne Religion aufgewachsen ist (soweit das in den 50ern und 60ern des letzten Jahrhunderts in diesem Lande möglich war), ist das etwas schwer nachzuvollziehen. Selbstbestätigung habe ich eher in der Konfrontation mit entgegengesetzten Gedanken und Vorstellungen gefunden, nicht in der Gemeinschaft vermeintlich Gleichgesinnter. Sowas weckt eher meinen Widerspruchsgeist. zwinkern

@ Marcellinus:

Wer damals ohne Religion aufgewachsen ist, war entweder in der DDR oder hatte tolerante Eltern, die wahrscheinlich selbst mit der Kirche nichts am Hut hatten, aber zumindest auf ihr Außenbild pfiffen. Wenn Du das nicht hattest, aber schon als Kind nichts mit diesem Gott anfangen konntest, dann bist Du entweder gebrochen worden oder hast Dich einfach schon als Kind gefühlsmäßig von Deinen Eltern getrennt und warst halt, wie ich, mit dem Bewusstsein in der Kirche, dass Dein Vater Dir körperlich noch überlegen war. Bei mir hatte diese Trennung zwischen 8 und 10 stattgefunden. Inhaltlich ist mir das damals am Arsch vorbeigegangen, ich habe wie ein junger Hund auch in der Kirche meine Reviermarken gesetzt und das ansonsten ausgesessen und die zu erwartenden Geschenke gegengerechnet. (Diskussionen wären vergeblich gewesen, das habe ich als 50-jähriger nochmal gemerkt, als ich meinen Vater darauf noch mal angesprochen habe und nur gesehen habe, dass es einfach außerhalb seiner Vorstellung eines voll-/an-ständigen Menschen war, dass der nicht an einen Gott glaubte. O-Ton: "So einer bist Du also.")

Wenn man diese Trennung später nicht als pubertäres Aufbegehren, sondern als selbstgewählte Trennung von den Eltern vollzieht, zu denen noch gefühlsmäßige Bindungen einschließlich der Trennungsängste da sind, und wenn dann zusätzlich noch das Umfeld einer intakten Gemeinde drückt, kann das erheblich schwerer fallen, angstbesetzt sein, und tatsächlich zu einer Art Hilfsbedürftigkeit führen - das kommt hier auch regelmäßig zum Ausdruck - auch in der lebenslangen Beschäftigung mit diesem Gott, den man nicht haben will, der aber irgendwie mit den Eltern verbandelt ist.

Selbstverständlich und problemlos ist immer nur die Existenz in der gültigen gesellschaftlichen Norm, in der man sozialisiert wurde. Du hast Glück gehabt.

Ein bisschen was von dem Zwiespalt, in dem man da leben kann, kann ich auch an meinem Schwiegervater sehen: Intellektuell höchst potent (machte Seminare zur Persönlichkeitsentwicklung bei unserer Wirtschaftselite, d.h. auf der Direktorenebene großer Konzerne), völlig über Kreuz mit den Kirchen und ihrem Gottesbild, aber sehr unangenehm berührt, als er erfahren hat, ich ich meinen Kindern erzählt habe, dass Gott ein menschliches Konstrukt sei, und keine "Größe außerhalb unserer Erfahrungswelt, über die wir keine Aussagen machen können". Das sei eine Entscheidung, zu der man nur selbst kommen dürfe.
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Misterfritz
mini - mal



Anmeldungsdatum: 09.03.2006
Beiträge: 21867
Wohnort: badisch sibirien

Beitrag(#2035526) Verfasst am: 14.12.2015, 21:16    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Naastika hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Das FGH ist auch eine Selbsthilfegruppe.

Und ein Mittel der Selbstbestättigung der Einzelnen.

"Selbsthilfegruppe" legt für mich irgendwie nahe, bei der Glaubenslosigkeit handele es sich um eine Art von Hilfsbedürftigkeit, was ja für manche, die sich nur unter Mühen von frühkindlicher Indoktrination befreit habe, vielleicht auch so ist.

Für mich als jemand, der ohne Religion aufgewachsen ist (soweit das in den 50ern und 60ern des letzten Jahrhunderts in diesem Lande möglich war), ist das etwas schwer nachzuvollziehen. Selbstbestätigung habe ich eher in der Konfrontation mit entgegengesetzten Gedanken und Vorstellungen gefunden, nicht in der Gemeinschaft vermeintlich Gleichgesinnter. Sowas weckt eher meinen Widerspruchsgeist. zwinkern

@ Marcellinus:

Wer damals ohne Religion aufgewachsen ist, war entweder in der DDR oder hatte tolerante Eltern, die wahrscheinlich selbst mit der Kirche nichts am Hut hatten, aber zumindest auf ihr Außenbild pfiffen.
oder eben noch andere lebensumstände zwinkern
ich habe erst in der schule erfahren, dass es sowas wie eine taufe gibt, und das, obwohl meine mutter katholikin ist und meine ältere schwester auch kath. getauft wurde - meine schwester wurde in der DDR getauft Lachen
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Marcellinus
Outsider



Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#2035529) Verfasst am: 14.12.2015, 21:59    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:

Wer damals ohne Religion aufgewachsen ist, war entweder in der DDR oder hatte tolerante Eltern, die wahrscheinlich selbst mit der Kirche nichts am Hut hatten, aber zumindest auf ihr Außenbild pfiffen.


Nein, nicht DDR, sondern Niedersachsen. Und meine Eltern waren auch nicht tolerant, sondern nur nichtreligiös. Das gab es auch in Westdeutschland, und zwar länger, als manche meinen. Schon von meinem Großvater väterlicherseits ist der Spruch überliefert: Glauben heißt nicht wissen, und meine Großmutter mütterlicherseits mußte sich vom Pastor bei der Beerdigung ihres Mannes anhören, er sei kaum in der Kirche gesehen worden. Beide Familien, wie auch alle anderen, die mit uns verwandt sind, waren, soweit es sich zurückverfolgen läßt, ev. lutherisch.

Religion war nicht nur in meiner Familie, sondern auch bei allen meinen Freunden (und in einer kleinen Stadt wie unserer ist das dann mal schnell die ganze Alterskohorte) eine rein bürgerliche Konvention. Das bedeutete, man war Mitglied der Kirche, ging zu Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen in die Kirche, sonst aber nicht. Ausnahme waren die Konfirmanden. Die mußten zum Gottesdienst und nahmen ihn hin wie schlecht Wetter. Bezeichnend war der Spruch eines Pastors zu den Eltern meiner späteren Freundin: Die Kinder sind im Gottesdienst und die Eltern sulen sich in den Betten. Sie haben ihn rausgeworfen!

Religion und Glauben kam in unserem Familienleben nicht vor, und unsere Familie war keine Ausnahme. Es gab keine Gebete, keinen Gottesdienst außer den eben erwähnten Anlässen, auch nicht an Weihnachten, keine „heiligen“ Geschichten, keine Krippen usw. Statt dessen (natürlich kindgerechte) Bücher über Naturwissenschaft und Geschichte. Und ich hatte den Eindruck, daß auch mein Vater schon so aufgewachsen war.

Und in noch einem Punkt muß ich dich korrigieren. Nicht nur waren meine Eltern nicht besonders tolerant, auch auf ihr Außenbild pfiffen sie keineswegs. Als ich nämlich, immerhin war ich damals über zwanzig, auf die Idee kam, aus der Kirche auszutreten, bekam ich riesigen Ärger mit dem damals allgegenwärtigen Spruch: Was sollen denn die Leute denken?! Daß ich mit dem lutherischen Bekenntnis nichts anfangen konnte, war ihnen schnuppe. Aber aus der Kirche austreten, das tat man eben nicht!

Ich habe es natürlich doch getan, und die bürgerliche Welt meiner Eltern ist nicht eingestürzt. Danach war das kein Thema mehr, und ich habe nicht nur meine Glaubenslosigkeit, sondern auch meine Konfessionslosigkeit an meine Kinder weitergeben. Aber das ist ein anderes Thema. zwinkern
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smallie
resistent!?



Anmeldungsdatum: 02.04.2010
Beiträge: 3726

Beitrag(#2035545) Verfasst am: 14.12.2015, 23:50    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:

Ich finde den alten Weg besser. Sogar objektiv zwinkern besser.

Nein, nur subjektiv! Er gefällt dir besser. Das ist alles. Objektiv war er unter den geänderten Bedingungen nicht konkurrenzfähig.

Wie stehst du dann zu dieser Frage:

Gibt es einen objektiven Weg, um - Vorsicht: Klischeesammlung - um zwischen den westlichen Werten, der Sowjetunion Gorbatschows, russischem Authoritarismus, chinesischem Kollektivismus, südländischem Machismo oder arabischem Feudalismus bewertend zu unterscheiden?

Ja, ein solcher Weg ist möglich, wobei "objektiv" nicht im Sinne von "wahr" oder "endgültig" zu verstehen ist, sondern im Sinne von "sachgerechter", "besser durch Tatsachenbeobachtungen belegt". Man muß dazu die Entwicklungen dieser Gesellschaften betrachten, vor allem die der Machtbeziehungen, zwischen den verschiedenen Gruppen, Clans und Klassen, zwischen den Geschlechtern, innerhalb der Familien.

Bei der Betrachtung der Verteilung der Machtgewichte und ihrer Veränderungen bekommt man ziemlich schnell Maßstäbe für die Beurteilung einer solchen Gesellschaft, für Gewinner und Verlierer, für die Chancen und Risiken der Entwicklung bestimmter Gesellschaften.

Dann sind wir uns im Kern vermutlich einig.

"sachgerechter", "besser durch Tatsachenbeobachtungen belegt", "Gewinner und Verlierer" - das reicht mir, um von "objektiv" zu sprechen.



Oder, um die Kurve zurück zum Ausgangspunkt zu kriegen: wenn Schmidt-Salomon seine humanistische Basissetzung als Dogma bezeichnet, dann ist das "weltfremd" (deine Vokabel von weiter oben). Er beruft sich auf einen "evolutionären Humanismus", übersieht aber, daß sich seine Basissetzung daraus halbwegs undogmatisch ableiten läßt.




Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Allerdings sind das dann soziologische Maßstäbe, nicht solche, die sich aus heteronomen, aus bestimmten Weltanschauungen abgeleiteten Werten ergeben.

Idealerweise schaut man sich erst die Welt an, und entwickelt dann eine Weltanschauung daraus. zwinkern





PS: langer Exkurs zu soziologischen Maßstäben.

Soziobiologie steht bei dir nicht hoch im Kurs, soviel habe ich herausgelesen. Warum eigentlich?

Im Folgenden ein Beispiel aus der einschlägigen Literatur von vor dreißig Jahren. Muß man im Einzelnen nicht teilen - der Autor spricht ausdrücklich von einer Spekulation. Quantitativ gibt das nicht viel her, schon alleine weil "Eigennutz" und "Betrug" in der Darstellung fehlt. Als Skizze einer noch zu bauenden "Mechanik der Ethik" ist es ganz ordentlich.


Das Diagramm unterteilt "soziale Aufwendungen" in mehrere Kategorien:

    - direkte Gegenseitigkeit zwischen engen Nachbarn, die man immer wieder trifft
    - elterliche Aufwendungen
    - Nepotismus. Vettern- und Freunderlwirtschaft in der Sippe oder der Wahlgemeinschaft
    - indirekte Gegenseitigkeit zwischen Individuen, die man möglicherweise nur einmal im Leben trifft

Das Ganze ausgebreitet über drei typische, historische Gesellschaftsformen und einer utopischen.


Zitat:
A BIOLOGICAL INTERPRETATION OF MORAL SYSTEMS
Richard D. Alexander - 1985

Figure 6 describes hypothetical social stages through which the evolving human species might have passed (many times). These seem to lead toward a utilitarian or idealized model of morality in which all social investment becomes indiscriminate altruism (but, as argued here, have so far invariably fallen short).



http://qcpages.qc.edu/Biology/LahtiSites/RDAlexander/Pubs/Alexander85.pdf

An der Stelle kommen dann auch die Religionen wieder ins Spiel, denn die sind unzweifelhaft Teil der menschlichen Sozialsysteme.


Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Man mag dann immer noch sagen, da find ich's gut, und da möchte ich nicht tot über der Leine hängen, aber das ist dann eine andere Ebene. zwinkern

Dazu fällt mir zuviel ein, um es in einem Beitrag unterzubringen.
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fwo
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Beitrag(#2035557) Verfasst am: 15.12.2015, 07:25    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
....
An der Stelle kommen dann auch die Religionen wieder ins Spiel, denn die sind unzweifelhaft Teil der menschlichen Sozialsysteme. ....

Nicht wirklich - hier solltest Du präzise sein: Die Religion findet im Individuum statt - was im Sozialsystem stattfindet, ist die organisierte Religion, die Kirche. Und deren Aufgabe besteht nicht wirklich im Finden der Regeln, die sind älter als Religion und Kirche, ihre evolutionär wirksame Aufgabe ist die geordnete Tradition. Dass die Regeln dabei auch begründet werden, kann nur nachträglich sein.
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Beitrag(#2035559) Verfasst am: 15.12.2015, 09:59    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
....
Und in noch einem Punkt muß ich dich korrigieren. Nicht nur waren meine Eltern nicht besonders tolerant, auch auf ihr Außenbild pfiffen sie keineswegs. Als ich nämlich, immerhin war ich damals über zwanzig, auf die Idee kam, aus der Kirche auszutreten, bekam ich riesigen Ärger mit dem damals allgegenwärtigen Spruch: Was sollen denn die Leute denken?! Daß ich mit dem lutherischen Bekenntnis nichts anfangen konnte, war ihnen schnuppe. Aber aus der Kirche austreten, das tat man eben nicht! ....

Es ist sehr schwer abzuschätzen, was in denen / uns wirklich los ist. Wir lebten in Schleswig-Holstein im Hamburger Speckgürtel. Rein äußerlich hätte man unsere Familie auch als eher unreligiös beschrieben - es gab zwar die Weihnachtskrippe, von Vatern selbst gemacht, aber es wurde irgendwie vorausgesetzt, dass wir daran glauben, das war nie Thema. Ich habe auch als Kind nicht mitbekommen, dass mein Vater eine aktive Rolle in der Gemeinde hatte - Gottesdienste habe ich nur während der Konfirmandenzeit mitgemacht (und unter Androhung weiterer körperlicher Gewalt - beim ersten Mal wollte ich es wirklich wissen und bin erst nach einer Tracht gegangen, die ihn selbst hat zittern lassen).

Was ich aber zwischen sieben und neun nebenbei mitbekommen habe, war die tiefe Gläubigkeit meiner Mutter, deren Angst ich körperlich spüren konnte, wenn ich ihren Gott in Frage stellte. (ich konnte schon lesen, als ich mit fast sieben in die Schule kam und das erste Buch, was ich verschlungen habe, war das einbändige Konversationslexikon, das über alle die Fragen Auskunft gab, zu denen meine Mutter schwieg. Bei dem, was ich dann weiterfragte, kam ich dann zu diesen Erlebnissen) Das war auch etwas, was direkt nutzbar war, weil ich ihr damit regelmäßig "in den Arm fallen" konnte, bevor ich körperlich dazu in der Lage war - sie prügelte, wenn sie nicht mehr weiter wusste, und in den Zustand habe ich sie wohl regelmäßig gebracht.

Als Kind habe ich diese Gläubigkeit bei meinem Vater nie wahrgenommen, dazu war er viel zu intellektuell, auch wenn er das Wort nicht mochte. Ich habe das damals als reine Fassadenwahrung wahrgenommen, dass er mich zur Konfirmation gezwungen hat, das war aber eine Fehleinschätzung, die auf anderen Erlebnissen beruhten, die diese sehr frühe gefühlsmäßige Abtrennung von meinen Eltern zur Folge hatte.

Mit diesen Erfahrungen würde ich einfach zur Vorsicht raten, von den Äußerlichkeiten auf die Gläubigkeit zu schließen - die meisten stellen ihre Eltern wohl auch nicht so sehr und kontrolliert auf die Probe.
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Arno Gebauer
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Anmeldungsdatum: 30.01.2005
Beiträge: 698

Beitrag(#2035561) Verfasst am: 15.12.2015, 10:51    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
....
An der Stelle kommen dann auch die Religionen wieder ins Spiel, denn die sind unzweifelhaft Teil der menschlichen Sozialsysteme. ....

Nicht wirklich - hier solltest Du präzise sein: Die Religion findet im Individuum statt - was im Sozialsystem stattfindet, ist die organisierte Religion, die Kirche. Und deren Aufgabe besteht nicht wirklich im Finden der Regeln, die sind älter als Religion und Kirche, ihre evolutionär wirksame Aufgabe ist die geordnete Tradition. Dass die Regeln dabei auch begründet werden, kann nur nachträglich sein.



Guten Tag, fwo,

die Sozialsysteme sichern den Kirchen ihr Überleben in den Körperschaften des
öffentlichen Rechtes.
Die Religion wird in unserer Kirchenrepublik für die Menschen und die Kirchen
unwichtiger!

Die Einbindung der Kirchen in immer mehr Sozialsysteme verankert diese
Organisation im Staatsgefüge (Krankenhäuser, Kindergärten, Hospiz, Schulen usw) ,
wodurch unser Staat auch durch diese Organisation erpressbar ist.

Alle sozialen Erleichterungen der Neuzeit wurden nicht durch
die Kirche, sondern gegen sie geschaffen!

Über Sozialsysteme/-arbeit schleimen sich Missionare in andere Kulturen ein!

Viele Grüße
Arno Gebauer
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Trennung von Staat und Kirche !
Die geistigen Brandstifter des Holocausts waren die Kirchen! Sie haben viele Jahrhunderte lang gegen die Juden gehetzt!
Nie mehr Zeit und Geld für reiche Kirchen!!!!
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fwo
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Beitrag(#2035562) Verfasst am: 15.12.2015, 11:41    Titel: Antworten mit Zitat

Arno Gebauer hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
....
An der Stelle kommen dann auch die Religionen wieder ins Spiel, denn die sind unzweifelhaft Teil der menschlichen Sozialsysteme. ....

Nicht wirklich - hier solltest Du präzise sein: Die Religion findet im Individuum statt - was im Sozialsystem stattfindet, ist die organisierte Religion, die Kirche. Und deren Aufgabe besteht nicht wirklich im Finden der Regeln, die sind älter als Religion und Kirche, ihre evolutionär wirksame Aufgabe ist die geordnete Tradition. Dass die Regeln dabei auch begründet werden, kann nur nachträglich sein.



Guten Tag, fwo,

die Sozialsysteme sichern den Kirchen ihr Überleben in den Körperschaften des
öffentlichen Rechtes.
Die Religion wird in unserer Kirchenrepublik für die Menschen und die Kirchen
unwichtiger!

Die Einbindung der Kirchen in immer mehr Sozialsysteme verankert diese
Organisation im Staatsgefüge (Krankenhäuser, Kindergärten, Hospiz, Schulen usw) ,
wodurch unser Staat auch durch diese Organisation erpressbar ist.

Alle sozialen Erleichterungen der Neuzeit wurden nicht durch
die Kirche, sondern gegen sie geschaffen!

Über Sozialsysteme/-arbeit schleimen sich Missionare in andere Kulturen ein!

Viele Grüße
Arno Gebauer

Moin Arno.

Herzlich willkommen in diesem Forum - Du bist nach 10 Jahren anscheinend angekommen. Es dürfte hier einige geben, die inhaltlich schon ähnliches gepostet haben, meist gegenüber "Missionaren", und nur sehr wenige, die das nicht so sehen. Man könnte auch sagen, dass das mit zum Grundkonsens dieses Forums gehört.

Genauso gut kann man fragen: Wem erzählst Du das?
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Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.

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Marcellinus
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Beitrag(#2035567) Verfasst am: 15.12.2015, 13:13    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:

Mit diesen Erfahrungen würde ich einfach zur Vorsicht raten, von den Äußerlichkeiten auf die Gläubigkeit zu schließen - die meisten stellen ihre Eltern wohl auch nicht so sehr und kontrolliert auf die Probe.


Ja, wer kann schon jemand anderem in den Kopf gucken? Ich bin nie zum Konfirmandenunterricht gezwungen worden (von Prügeln gar nicht zu reden). Es muß auch meinen Eltern aufgefallen sein, daß ich manchen Sonntag zuhause blieb, weil ein Kumpel den Stempel, den man am Ende des Gottesdienstes als Bestätigung der Teilnahme bekam, für mich mitbrachte (wie ich in der anderen Woche für ihn. Der Pastor kannte uns bis zum Ende der Konfirmandenzeit nicht persönlich).

Über persönliche Dinge wie Religion haben wir zuhause nie gesprochen, so habe ich nur Anhaltspunkte: Das historische Interesse meines Vaters, daß er auf mich übertrug, und sein genüßlicher Hinweis auf Verfehlungen der Päpste (was natürlich auch seiner lutherischen Herkunft hätte geschuldet sein können), sowie das schon erwähnte Zitat seines Vaters: Glauben heißt nicht wissen, das ich aus seinem Munde öfter gehört habe.

Bei meiner Mutter war das nicht so deutlich. Da erinnere ich mich nur an die Bemerkung, daß sie manchmal religiöse Menschen um den Trost beneide, den sie im Jenseitsglauben fänden. Als sie dann selbst immer älter wurde (sie ist immerhin fast 90 geworden), habe ich das nicht mehr gehört, nur einem wachsenden Lebensüberdruss, der mit dem Alter kommt.

Das einzige Mal, an dem es direkt um Religion und Glauben hätte gehen können, mein Austritt aus der Kirche, ging es ausschließlich um bürgerliche Konvention. Wären meine Eltern nicht gläubig gewesen, hätte man genau das Verhalten erwarten dürfen, was ich beobachten konnte; wären sie es nicht gewesen, hätten sie es sehr gut versteckt.

Aber der entscheidende Punkt scheint mir ein anderer: Für mich war meine Familie, so wie sie war, der ideale Ort, um nichtreligiös aufzuwachsen. Religion war etwas fremdes, eine Gewohnheit der anderen, zB unserer Nachbarn, die katholisch waren, und deren so anderer Lebensstil sich von unserem, säkularen erheblich unterschied. Die gingen Sonntags in die Kirche, deren Kinder (von denen eines in meinem Alter war) gingen in eine katholische Schule, wo, wie mein Vater süffisant anmerkte, Adam und Eva unterrichtet wurde, wenn wir von den Neandertalern hörten.

Ich mochte an meinen Eltern ein Menge auszusetzen haben, immerhin standen sie meinen jugendlichen Wünschen nach Sex and Drugs and Rock’n’Roll erheblich im Wege, aber in religiös-weltanschaulicher Hinsicht gab es keine Reibungspunkte (in politisch-weltanschaulicher Hinsicht dagegen schon!). So habe ich mein Zeit in der Lutherischen Kirche auch nicht in schlechter Erinnerung (streng genommen außer der Konfirmandenzeit in gar keiner), habe nicht mit ihr und meinem nicht vorhandenen Glauben gerungen und sie auch nicht im Zorn verlassen, sondern weil, wie ich damals sagte, man ja auch nicht in einem Kaninchenzüchterverein ist, wenn man keine Kaninchen mag.

Meine Auseinandersetzung mit Religionen, mit den Religionen der anderen, wie ich hinzufügen möchte, kam später. Aber das ist eine andere Geschichte. zwinkern
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fwo
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Beitrag(#2035569) Verfasst am: 15.12.2015, 14:19    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
.... Der Pastor kannte uns bis zum Ende der Konfirmandenzeit nicht persönlich....


Sehr glücklich Da ist leicht Heide sein. Ich war in einem Dorf zu Hause, gleichzeitig Garnison. Und mein Vater war mit immer beiden Pastoren befreundet, die waren auch bei uns zu Hause .....

Aber die Gräber sind teilweise bereits eingefallen, völlig ohne dass ich draufgepinkelt habe. Lachen
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Marcellinus
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Beitrag(#2035748) Verfasst am: 16.12.2015, 14:17    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo smallie, ich schulde dir noch eine Antwort. zwinkern

smallie hat folgendes geschrieben:

Idealerweise schaut man sich erst die Welt an, und entwickelt dann eine Weltanschauung daraus. zwinkern


Diese Welt ist aber nicht „ideal“. Weltanschauungen sind wie alles Menschengemachte Ergebnisse von sozialen Prozessen. Die allermeisten von uns wachsen mit irgendeiner Weltanschauung auf, wachsen in sie hinein, setzen sich im günstigsten Fall damit auseinander und kommen dann (selten) zu eigenen Ergebnissen, oder (häufiger) schließen sich den Vorstellungen anderer an. Aber immer schaut man erst einmal, wie es so schön heißt, „aus seinem Kinderzimmer in die Welt“, will heißen: niemand tut das voraussetzungslos. Wir setzen alle nur fort, was andere uns hinterlassen haben.

smallie hat folgendes geschrieben:

Soziobiologie steht bei dir nicht hoch im Kurs, soviel habe ich herausgelesen. Warum eigentlich?


Darauf gibt es eine kurze und eine lange Antwort. Ich versuch’s erstmal mit der kurzen. Das, was wir heute Naturwissenschaften nennen, wesentlich die physikalischen und biologischen Wissenschaften, haben sich aus vorwissenschaftlichen Vorstellungen entwickelt und sind der organisierte Versuch von Menschen, sich nachprüfbares Wissen über diese Welt zu erarbeiten. Für diese wissenschaftliche Arbeit sind dabei vor allem zwei Operationen charakteristisch: Das Bilden von relativ autonomen Modellen und Theorien des Zusammenhangs beobachtbarer Einzeltatsachen und systematisch durchgeführte Beobachtungen zur Überprüfung dieser Theorien. Solche theoretisch-empirischen Wissenschaften (ich finden den Begriff treffender als „Natur“-Wissenschaften, weil man sie auch besser von zB rein theoretischen Wissenschaften wir Mathematik oder Logik unterscheiden kann) brauchen sowohl eine grundlegende Theorie als auch einen eigenständigen Gegenstandsbereich.

Beides gilt für Physik mit der Ebene dieses Universums, die von der unbelebten Materie gebildet wird, sowie die Theorien von Newton und Einstein, wie für die Biologie mit der belebten Materie und den Theorien von Darwin und Wallace. Für die Soziologie und die Menschenwissenschaften allgemein gilt das nicht. Zwar haben sie mit den Menschen und den Gesellschaften, die die miteinander bilden einen eigenen Gegenstandsbereich, doch fehlt es an einer umfassenden und allgemein akzeptierten Theorie. So gibt es zwar eine zunehmende Fülle von Tatsachenbeobachtungen, aber an den Modellen von Zusammenhängen zwischen diesen Tatsachen versucht sich jede Soziologengeneration auf’s Neue. Harald Lesch nannte dieses vorwissenschaftliche Stadium treffend das einer „Inventur-Wissenschaft“. zwinkern

An dieser Stelle kommt nun die Soziobiologie ins Spiel und ihr Versuch, Erklärungsmodelle, die im Bereich der Biologie erfolgreich waren und sind, auf die Sozialwissenschaften zu übertragen, namentlich die Evolutionstheorie. Damit bestreiten diese Biologen übrigens so ganz nebenbei, daß die Sozialwissenschaften einen eigenen Gegenstandsbereich haben. Mein Einwand dagegen ist kurz auf den Punkt gebracht: die Evolution biologischer Arten funktioniert grundsätzlich anders als die soziale Entwicklung von Gesellschaften. Weil die Zusammenhänge andere sind, braucht es auch andere Modelle und Theorien, um sie zu beschreiben.

smallie hat folgendes geschrieben:

An der Stelle kommen dann auch die Religionen wieder ins Spiel, denn die sind unzweifelhaft Teil der menschlichen Sozialsysteme.

„Die Religionen“? Ich kenne nicht einmal eine umfassende und allgemein akzeptierte Definition dessen, was Religionen eigentlich sein sollen. Meistens meint man die jeweils eigene, wenn man von Religion spricht, oder die, an der man sich am meisten reibt, je nach dem, ob es um Apologetik geht oder um Kritik. Die Funktion von Religionen innerhalb menschlicher Gesellschaften, soweit es überhaupt so etwas gab, war im Laufe der Jahrtausende durchaus unterschiedlich. Wenn man nur etwas in die Einzelheiten geht, ist da gar nichts mehr „unzweifelhaft“. Smilie
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smallie
resistent!?



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Beitrag(#2036357) Verfasst am: 20.12.2015, 19:56    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Hallo smallie, ich schulde dir noch eine Antwort. zwinkern

Deine Beiträge lese ich immer gern.

Damit wir nicht aneinander vorbei reden: bei Soziobiologie denke ich an alles, was im weitesten Sinn aus der Ecke kommt.


Marcellinus hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:

Idealerweise schaut man sich erst die Welt an, und entwickelt dann eine Weltanschauung daraus. zwinkern


Diese Welt ist aber nicht „ideal“. Weltanschauungen sind wie alles Menschengemachte Ergebnisse von sozialen Prozessen. Die allermeisten von uns wachsen mit irgendeiner Weltanschauung auf, wachsen in sie hinein, setzen sich im günstigsten Fall damit auseinander und kommen dann (selten) zu eigenen Ergebnissen, oder (häufiger) schließen sich den Vorstellungen anderer an. Aber immer schaut man erst einmal, wie es so schön heißt, „aus seinem Kinderzimmer in die Welt“, will heißen: niemand tut das voraussetzungslos. Wir setzen alle nur fort, was andere uns hinterlassen haben.

Einige Beispiele für "natürliche Weltanschauungen", die jeder von uns verworfen hat: Wer denkt als Kind nicht, daß Schweres schneller fällt als Leichtes? Wer hat sich als Kind nicht darüber gewundert, warum ein Körper, den man im Vakuum anschuppst, niemals zur Ruhe kommt?

Der Blick aus dem Kinderzimmer ist wandelbar.

Bemerkenswerterweise vergessen wir diese Brüche in unserer Weltanschauung, statt sie als Paradebeispiel für die Brüchigkeit von Weltanschauungen zu verinnerlichen.



Marcellinus hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:

Soziobiologie steht bei dir nicht hoch im Kurs, soviel habe ich herausgelesen. Warum eigentlich?


Darauf gibt es eine kurze und eine lange Antwort. Ich versuch’s erstmal mit der kurzen. Das, was wir heute Naturwissenschaften nennen, wesentlich die physikalischen und biologischen Wissenschaften, haben sich aus vorwissenschaftlichen Vorstellungen entwickelt und sind der organisierte Versuch von Menschen, sich nachprüfbares Wissen über diese Welt zu erarbeiten. Für diese wissenschaftliche Arbeit sind dabei vor allem zwei Operationen charakteristisch: Das Bilden von relativ autonomen Modellen und Theorien des Zusammenhangs beobachtbarer Einzeltatsachen und systematisch durchgeführte Beobachtungen zur Überprüfung dieser Theorien. Solche theoretisch-empirischen Wissenschaften (ich finden den Begriff treffender als „Natur“-Wissenschaften, weil man sie auch besser von zB rein theoretischen Wissenschaften wir Mathematik oder Logik unterscheiden kann) brauchen sowohl eine grundlegende Theorie als auch einen eigenständigen Gegenstandsbereich.

Beides gilt für Physik mit der Ebene dieses Universums, die von der unbelebten Materie gebildet wird, sowie die Theorien von Newton und Einstein, wie für die Biologie mit der belebten Materie und den Theorien von Darwin und Wallace. Für die Soziologie und die Menschenwissenschaften allgemein gilt das nicht.

Noch nicht. zwinkern

Die Physik befasst sich mit sehr grundlegenden Dingen. Ein Atom ist mit der Zahl seiner Protonen, Neutronen und Elektronen hinreichend beschrieben. Soziologie und Menschenwissenschaften hingegen sind noch am "inventarisieren". Ihre Elementarteilchen haben sie noch nicht entdeckt.


Allerdings hat bereits Darwin die Evolutionstheorie auf Soziologie und Menschenwissenschaften angewandt. "Soziobiologie" ist eigentlich eine Idee Darwins.


Zitat:
Die Abstammung des Menschen 1871

Es darf nicht übersehen werden, daß, wenn auch ein hoher Grad von Sittlichkeit jedem einzelnen Mann mit seinen Kindern nur ein geringes Übergewicht über die anderen Menschen desselben Stammes gibt, eine Vermehrung der Zahl gutbegabter Menschen und ein Fortschritt der Sittlichkeit doch dem ganzen Stamm eine ungeheure Überlegenheit über alle anderen Stämme verleiht. Wenn ein Stamm viele Mitglieder besitzt, die aus Patriotismus, Treue, Gehorsam, Mut und Sympathie stets bereitwillig anderen helfen und sich für das allgemeine Wohl opfern, so wird er über andere Völker den Sieg davontragen; dies würde natürliche Zuchtwahl sein. Zu allen Zeiten sind in der ganzen Welt Stämme von anderen zurückgedrängt worden; und da die Sittlichkeit ein wichtiges Mittel zu ihrem Erfolg ist, wird der Grad der Sittlichkeit und die Zahl gutbefähigter Menschen überall höher und größer werden.

http://www.zeit-wen.de/documents/Charles%20Darwin%20-%20Die%20Abstammung%20des%20Menschen.pdf


Darwins Verknüpfung von Sieg und Sittlichkeit erscheint mir etwas naiv.




Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Für die Soziologie und die Menschenwissenschaften allgemein gilt das nicht. Zwar haben sie mit den Menschen und den Gesellschaften, die die miteinander bilden einen eigenen Gegenstandsbereich, doch fehlt es an einer umfassenden und allgemein akzeptierten Theorie. So gibt es zwar eine zunehmende Fülle von Tatsachenbeobachtungen, aber an den Modellen von Zusammenhängen zwischen diesen Tatsachen versucht sich jede Soziologengeneration auf’s Neue. Harald Lesch nannte dieses vorwissenschaftliche Stadium treffend das einer „Inventur-Wissenschaft“. zwinkern

Der evolutionäre Ansatz könnte der Ausweg aus der Inventar-Wissenschaft sein.



Marcellinus hat folgendes geschrieben:
An dieser Stelle kommt nun die Soziobiologie ins Spiel und ihr Versuch, Erklärungsmodelle, die im Bereich der Biologie erfolgreich waren und sind, auf die Sozialwissenschaften zu übertragen, namentlich die Evolutionstheorie. Damit bestreiten diese Biologen übrigens so ganz nebenbei, daß die Sozialwissenschaften einen eigenen Gegenstandsbereich haben. Mein Einwand dagegen ist kurz auf den Punkt gebracht: die Evolution biologischer Arten funktioniert grundsätzlich anders als die soziale Entwicklung von Gesellschaften. Weil die Zusammenhänge andere sind, braucht es auch andere Modelle und Theorien, um sie zu beschreiben.

Ein praktisches und aktuelles Beispiel zu deinem Einwand.


GEBURTENRATE BEIM MODERNEN MENSCHEN

Biologische Fitness ist die Zahl der Nachkommen, die es ins fortpflanzungsfähige Alter schaffen. Mehr Nachkommen = höhere Fitness. Warum aber beobachten wir dann einen Rückgang der Geburtenzahlen?

Das scheint auf den ersten Blick der Darwinschen Theorie völlig zu widersprechen.

Zwar kennt auch die Biologie Mechanismen, um die Wurf- oder Gelegegröße zu begrenzen. Was nutzt es einem Vogelpärchen plötzlich doppelt so viele Eier zu legen, als die Tragkapazität des Habitats hergibt? Nichts - die Küken würden sich gegenseitig die Resourcen wegnehmen und am Ende weniger fit dastehen, als Küken anderer Pärchen. Das ist keine stabile Strategie.

Dieses biologische Argument nutzt aber nicht viel, denn die menschliche Geburtenrate sank innerhalb weniger Generationen - viel zu schnell, um eine genetische Anpassung an heutige Bevölkerungsdichten zu sein. Der Verdacht liegt nahe, daß der Geburtenrückgang ein kulturelles Phänomen ist.

Sofort stellt sich die nächste Frage: warum Geburtenrückgang? Die meistgenannte Antwort ist "gestiegener Wohlstand". Die Antwort beschreibt aber nur eine Korrelation, sie sagt nicht, wie gestiegener Wohlstand zu weniger Kindern führt. "Pillenknick" wäre eine bessere Erklärung - allerdings setzte der Geburtenrückgang soweit ich weiß schon vor der Pille ein.


Einen Fall biologisch gesteuerten Geburtenrückganges gibt es beim Menschen:


KULTUR UND DIE EVOLUTION DER OMA

Rudimentäre Kultur findet sich bei manchen Tieren. Schimpansen nutzen Steine, um Nüsse zu knacken; dieser Werkzeuggebrauch wird kulturell übertragen und muß Generation für Generation durch Nachahmen neu gelernt werden. Unsere Vorfahren etwickelten im Laufe der Jahrmillionen mehr und mehr Werkzeuge, mehr Kultur. Irgendwann war der Punkt erreicht, an dem Kultur zum Überlebensvorteil wurde. Kulturfähig zu sein war nun biologisch adaptiv. Der Rest ist bekannt. zwinkern

Weniger bekannt dürfte die Erfindung der Großmutter sein. Die Menopause tritt mit wenigen Ausnahme nur beim Menschen auf. Die Großmutter verzichtet zugunsten ihrer Nachkommen auf eigene Kinder. Diese Strategie dürfte umso wirkungsvoller sein, je mehr kulturelles Wissen vorhanden ist und bewahrt und weitergegeben werden muß. Falls das so hinkommt, wäre die Großmutter eine biologische Anpassung auf eine kulturelle Eigenart des Menschen, ein extremer Nesthocker zu sein.

Analog könnte der gegenwärtige Geburtenrückgang adaptiv sein, im Sinne von weniger Kinder = mehr Aufmerksamkeit und Ressourcen für die einzelnen Kinder.



Zusammengefasst:

der Mensch ist sowohl ein biologisches wie ein kulturelles Wesen. Der Besitz bestimmter Kulturtechniken ist adaptiv oder maladaptiv. Kultur fällt damit auch unter das Regime der Evolution. Also Soziobiologie im weitesten Sinne.
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fwo
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Beitrag(#2036371) Verfasst am: 20.12.2015, 20:52    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
.....
An dieser Stelle kommt nun die Soziobiologie ins Spiel und ihr Versuch, Erklärungsmodelle, die im Bereich der Biologie erfolgreich waren und sind, auf die Sozialwissenschaften zu übertragen, namentlich die Evolutionstheorie. Damit bestreiten diese Biologen übrigens so ganz nebenbei, daß die Sozialwissenschaften einen eigenen Gegenstandsbereich haben. Mein Einwand dagegen ist kurz auf den Punkt gebracht: die Evolution biologischer Arten funktioniert grundsätzlich anders als die soziale Entwicklung von Gesellschaften. Weil die Zusammenhänge andere sind, braucht es auch andere Modelle und Theorien, um sie zu beschreiben. ...

Was Du hier beschreibst, ist aber nicht das, was man in der Biologie unter Soziobiologie versteht. Durch "Sociobiologie: The new Synthethis" hat Wilson die Soziobiologie geschaffen und dabei auch gleich definiert. In Wikipedia ist das sehr gut zusammengefasst:
Die Soziobiologie
Zitat:
erforscht die biologischen Grundlagen der Formen des Sozialverhaltens bei allen Arten von sozialen Organismen einschließlich des Menschen. ....
Die Soziobiologie analysiert die biologischen Vorgänge, auf denen die Organisation in sozialen Verbänden beruht, zum Beispiel zwischen Eltern und ihren Nachkommen oder innerhalb von Termitenkolonien, Vogelscharen, Pavianhorden und Jäger- und Sammlerbanden. Das wirklich Neue an dieser Disziplin ist die Zusammenführung älterer Ansätze aus der Ethologie und der Psychologie mit neuen Resultaten aus Feldstudien und Laborversuchen sowie die Interpretation des Ganzen auf der Grundlage der modernen Genetik, der Ökologie und der Populationsbiologie.

Zum ersten Mal werden (auch* menschliche) Gesellschaften streng als Populationen erforscht. Dabei bedienen sich die Wissenschaftler jener Instrumente, die innerhalb der Biologie ausdrücklich für die Untersuchung dieser höheren Organisationseinheiten entwickelt wurden. Der bisherige Forschungsgegenstand der Ethologie – die umfassenden tierischen Verhaltensmuster unter besonderer Berücksichtigung der Anpassung der Tiere an ihre natürliche Umwelt – wurde zur Grundlegung der Soziobiologie herangezogen. Die Ethologie bleibt dabei eine eigenständige Disziplin, welche die Soziobiologie in ihrer Zielrichtung und ihrem Forschungsgegenstand ergänzt.
*von mir eingefügt

Der Anfang des 2. Absatz ist allerdings insofern unglücklich formuliert, als er nicht gleich klar macht, dass die Soziobiologie keine Humanbiologie ist, sondern ganz schlicht ein Teilbereich der Zoologie (Wilson hat hauptsächlich mit Ameisen gearbeitet.). Wie jeden Bereich der Zoologie kann man den natürlich auch auf die Art Mensch anwenden, muss dann aber der Tatsache Rechnung tragen, dass wir, um das Verhalten bzw. dessen Anpassungen bei der kulturtragenden Art Mensch zu erklären, nicht nur die Evolution der Gene, sondern eine zusätzliche Evolution der Kultur vor uns haben, deren Mechanismen wegen anderer Formen des Informationstransfers zwischen den "Generationen" etwas anders sind als die der genetischen Evolution.

Das ist nur insofern ein Bestreiten, dass die Soziologen einen eigenen Arbeitsbereich haben, als die Soziobiologen den nebenbei auch beackern, aber mit anderem Instrumentarium. Was spricht dagegen, dabei das selbe Objekt aus verschiedenen Richtungen zu betrachten? Als wesentlich sollte man bei der Kritik an der Soziobiologie aber im Kopf behalten, dass für die Soziobiologie der Mensch nur eine unter vielen Arten ist, wenn auch eine besondere.

Die Mediziner haben doch auch gelernt mit der Humanbiologie zu leben, sie sich sogar zunutze zu machen. Warum sollten die Soziologen es nicht schaffen, mit der Soziobiologie zu leben?
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Beiträge: 7429

Beitrag(#2036455) Verfasst am: 21.12.2015, 19:39    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:

Damit wir nicht aneinander vorbei reden: bei Soziobiologie denke ich an alles, was im weitesten Sinn aus der Ecke kommt.

Das macht eine Erwiderung nicht einfacher. zwinkern

smallie hat folgendes geschrieben:

Einige Beispiele für "natürliche Weltanschauungen", die jeder von uns verworfen hat: Wer denkt als Kind nicht, daß Schweres schneller fällt als Leichtes? Wer hat sich als Kind nicht darüber gewundert, warum ein Körper, den man im Vakuum anschuppst, niemals zur Ruhe kommt?

"Weltanschauung" wäre damit ein Synonym für "Modellvorstellung". Mir ist das etwas zu allgemein. "Weltanschauungen" sind für mich etwas mit einem "-ismus" hinten dran; mit einem bestimmten Anspruch an Vollständigkeit, kurz: ein Element aus der Menge der Illusionen.

smallie hat folgendes geschrieben:

Allerdings hat bereits Darwin die Evolutionstheorie auf Soziologie und Menschenwissenschaften angewandt. "Soziobiologie" ist eigentlich eine Idee Darwins. […] Der evolutionäre Ansatz könnte der Ausweg aus der Inventar-Wissenschaft sein.

Ich denke, der Mißgriff Darwins in Richtung auf Sozialdarwinismus (übrigens ein hübsch-häßliches Beispiel für eine "Weltanschauung") zeigt sehr schön die Gefahren eines solchen "evolutionären" Ansatzes. Gerade wenn man Beispiele der biologischen Evolution auf menschliche Gesellschaften überträgt, steht man in der Gefahr, wie sagen das Philosophen so schön: vom "Sein" auf das "Sollen" zu schließen.

smallie hat folgendes geschrieben:

Zusammengefasst:

der Mensch ist sowohl ein biologisches wie ein kulturelles Wesen. Der Besitz bestimmter Kulturtechniken ist adaptiv oder maladaptiv. Kultur fällt damit auch unter das Regime der Evolution. Also Soziobiologie im weitesten Sinne.

Der Fehler sitzt vermutlich noch ein Stückchen tiefer. Nicht "der Mensch", sondern "die Menschen"! Menschen kommen nur im Plural vor, genauer gesagt: in Gesellschaften. Und diese Gesellschaften befinden sich in Entwicklung, ebenso wie die einzelnen Menschen, die diese Gesellschaften bilden und die Gattung der Menschen; und alles drei, die Gesellschaften der Menschen, die einzelnen Menschen und ihre Art entwickeln sich auf unterschiedliche Arten und mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten, aber in Abhängigkeit von einander.

Diese Entwicklungen beruhen auf Biologie, bilden aber eine eigene Ebene unseres Universums. Dieser Prozeß der sozialen Entwicklung ist ungeplant, aber strukturiert, wie es der biologische Prozeß der Evolution ist, und die darunter liegende Ebene der Physik. Sie alle hängen zusammen, sind voneinander abhängig, entwickeln sich nach eigenen Regeln mit eigenen Geschwindigkeit. In der Wirklichkeit sind sie natürlich nicht voneinander getrennt. Aber man kann sie unterscheiden, um sie zumindest ansatzweise verstehen und in theoretische Modelle fassen zu können. In Physik und Biologie haben wir solche Modelle. In der Soziologie gab und gibt es unterschiedliche Versuche, aber bis heute keine Einigung. Schaun wir mal. zwinkern

P.S.: Ja, ich lese deine Beiträge auch gern, und wo ich kann (und gefragt bin), versuche ich eine Antwort.
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Beiträge: 7429

Beitrag(#2036459) Verfasst am: 21.12.2015, 20:06    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:

Was Du hier beschreibst, ist aber nicht das, was man in der Biologie unter Soziobiologie versteht. […]

Das mag so sein. Ich verstehe unter Soziobiologie das, was auch schon Darwin gemacht hat, die Übertragung von (vermeintlichen) Prinzipien der biologischen Evolution auf die Entwicklung menschlicher Gesellschaften, sei es, um sie zu "verstehen", oder schlimmer noch: zu sagen, wie sie sein sollten.

fwo hat folgendes geschrieben:

[…] muss dann aber der Tatsache Rechnung tragen, dass wir, um das Verhalten bzw. dessen Anpassungen bei der kulturtragenden Art Mensch zu erklären, nicht nur die Evolution der Gene, sondern eine zusätzliche Evolution der Kultur vor uns haben, deren Mechanismen wegen anderer Formen des Informationstransfers zwischen den "Generationen" etwas anders sind als die der genetischen Evolution.

Das ist der Punkt! Und was dieses "anders" ist, und wie es funktioniert, das ist genau die Frage, um die es geht. Es geht um die Entwicklung menschlicher Gesellschaften. Soviel dürfte klar sein. Leider fehlt den Biologen, die sich daran versuchen, die nötigen historischen Kenntnisse, und viele Soziologen bestreiten, daß Entwicklung überhaupt etwas damit zu tun hat, und untersuchen etwas, was sie "Systeme" nennen. Insofern ist der Übergriff der Biologen auf die Soziologie auch und vor allem einem Mangel der Soziologie selbst geschuldet.

Da dies aber ein weltanschauliches Forum ist, noch einem Bemerkung zum Schluß. Stichwort: "Evolutionärer Humanismus". Das ist nun allerdings aus meiner Sicht ein Monstrum, entstanden aus einer Übertragung einer biologischen Theorie, der Evolutionstheorie, nun nicht auf die Soziologie, sondern auf die Philosophie. Sich selbst versteht er als eine Art "gottlose Religion auf wissenschaftlicher Grundlage", und vereint damit so ziemlich alle Nachteile, die mir an einer Vermischung von Religion, Philosophie und Wissenschaft so einfallen, erfunden von Leuten, denen es offenbar schwer fällt, die Religionslosigkeit auch nur einen Augenblick länger zu ertragen. Fehlen nur die "Sunday assemblies", und die Religionskarikatur ist komplett. Lachen
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Beitrag(#2036464) Verfasst am: 21.12.2015, 21:19    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
....
Ich denke, der Mißgriff Darwins in Richtung auf Sozialdarwinismus (übrigens ein hübsch-häßliches Beispiel für eine "Weltanschauung") zeigt sehr schön die Gefahren eines solchen "evolutionären" Ansatzes. Gerade wenn man Beispiele der biologischen Evolution auf menschliche Gesellschaften überträgt, steht man in der Gefahr, wie sagen das Philosophen so schön: vom "Sein" auf das "Sollen" zu schließen.

Der Sozialdarwinismus wurde zwar nach Darwin benannt, nachdem der populär geworden war, geht aber eigentlich auf Spencer zurück und hat ein etwas krudes Verständnis vom Überlebenskampf und der Auslese der Starken. Das solltest Du nicht Darwin in die Schuhe schieben.
Marcellinus hat folgendes geschrieben:

smallie hat folgendes geschrieben:

Zusammengefasst:

der Mensch ist sowohl ein biologisches wie ein kulturelles Wesen. Der Besitz bestimmter Kulturtechniken ist adaptiv oder maladaptiv. Kultur fällt damit auch unter das Regime der Evolution. Also Soziobiologie im weitesten Sinne.

Der Fehler sitzt vermutlich noch ein Stückchen tiefer. Nicht "der Mensch", sondern "die Menschen"! Menschen kommen nur im Plural vor, genauer gesagt: in Gesellschaften. Und diese Gesellschaften befinden sich in Entwicklung, ebenso wie die einzelnen Menschen, die diese Gesellschaften bilden und die Gattung der Menschen; und alles drei, die Gesellschaften der Menschen, die einzelnen Menschen und ihre Art entwickeln sich auf unterschiedliche Arten und mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten, aber in Abhängigkeit von einander.
.....

Ich geh mal davon aus, dass smallie den Menschen hier nicht als Individuum sondern als Gesellschaft meint: Wenn man als Biologe vom Menschen als kulturelles Wesen redet, und das nicht völlig allgemein meint sondern auf eine Kultur bezieht (das tut smallie, wenn er/sie? vom Regime der Evolution über die Kultur schreibt), dann ist diese Kultur als ein zeitlich variabler Stand des Wissens von der Welt zu verstehen, das mit dem basalen Bestandteil Sprache und allem, was daran hängt - z.B. Moral - mit der Aussicht auf Erweiterung tradiert wird und nicht unabhängig von der Gesellschaft gesehen werden kann, die Träger dieser Kultur ist : Träger ist nie ein Einzelner. Da liegt doch der große Schwachsinn des Sozialdarwinismus, der nie verstanden hat, dass die genetische Auslese auf der Ebene des Einzelnen zwar beim Menschen auch noch (zwangsläufig) funktioniert, aber in dieser schlichten Form wie da gedacht nur bei individuell zu verarbeitenden Umwelteinflüssen wie z.B. Krankheiten. (Ich habe jetzt für Dich übersetzt: Ein Biologe würde hier normalerweise von Populationen reden und nicht von Gesellschaften aber das selbe meinen: Definierte Gemeinschaften mit Paarungsschranken zu anderen, die beim Menschen nicht nur genetisch oder geografisch sein müssen, sondern auch kulturell sein können.)

Es mag zwar auch Biologen geben, die das alles so schlicht denken, wie Du es hier am Beispiel des Sozialdarwinismus kritisierst, aber das sollte man diesen Biologen vorwerfen, nicht der Biologie. Die Biologie hat auch Leute wie Michael Tomasello.
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Beitrag(#2036465) Verfasst am: 21.12.2015, 21:19    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Was Du hier beschreibst, ist aber nicht das, was man in der Biologie unter Soziobiologie versteht. […]

Das mag so sein. Ich verstehe unter Soziobiologie das, was auch schon Darwin gemacht hat, die Übertragung von (vermeintlichen) Prinzipien der biologischen Evolution auf die Entwicklung menschlicher Gesellschaften, sei es, um sie zu "verstehen", oder schlimmer noch: zu sagen, wie sie sein sollten.

fwo hat folgendes geschrieben:
[…] muss dann aber der Tatsache Rechnung tragen, dass wir, um das Verhalten bzw. dessen Anpassungen bei der kulturtragenden Art Mensch zu erklären, nicht nur die Evolution der Gene, sondern eine zusätzliche Evolution der Kultur vor uns haben, deren Mechanismen wegen anderer Formen des Informationstransfers zwischen den "Generationen" etwas anders sind als die der genetischen Evolution.

Das ist der Punkt! Und was dieses "anders" ist, und wie es funktioniert, das ist genau die Frage, um die es geht. Es geht um die Entwicklung menschlicher Gesellschaften. Soviel dürfte klar sein. Leider fehlt den Biologen, die sich daran versuchen, die nötigen historischen Kenntnisse, und viele Soziologen bestreiten, daß Entwicklung überhaupt etwas damit zu tun hat, und untersuchen etwas, was sie "Systeme" nennen. Insofern ist der Übergriff der Biologen auf die Soziologie auch und vor allem einem Mangel der Soziologie selbst geschuldet.


Man könnte den Luhmann auch dialektisch lesen, um sein statisches Systemdilemma zu überwinden. Versuche dazu gab es.

In der folgenden Rezension wird das Buch von Barbara Kuchler vorgestellt, welches sich mit der Dialektik in der Soziologie beschäftigt:

BARBARA KUCHLER: Was ist in der Soziologie aus der Dialektik geworden? Westfälisches Dampfboot, Münster 2005 198 Seiten. Euro 24,90 ISBN 3-89691-606-8

Allein schon durch diese Buchbesprechung wird man klüger ...- Smilie
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Beitrag(#2036467) Verfasst am: 21.12.2015, 21:34    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
.....
Da dies aber ein weltanschauliches Forum ist, noch einem Bemerkung zum Schluß. Stichwort: "Evolutionärer Humanismus". Das ist nun allerdings aus meiner Sicht ein Monstrum, entstanden aus einer Übertragung einer biologischen Theorie, der Evolutionstheorie, nun nicht auf die Soziologie, sondern auf die Philosophie. Sich selbst versteht er als eine Art "gottlose Religion auf wissenschaftlicher Grundlage", und vereint damit so ziemlich alle Nachteile, die mir an einer Vermischung von Religion, Philosophie und Wissenschaft so einfallen, erfunden von Leuten, denen es offenbar schwer fällt, die Religionslosigkeit auch nur einen Augenblick länger zu ertragen. Fehlen nur die "Sunday assemblies", und die Religionskarikatur ist komplett. Lachen

Die Leute, die sich das ausgedacht haben, gehen davon aus, dass die Religion ein Versuch war, die Welt zu verstehen und dass der Mensch so etwas wie Religion braucht und versuchen deshalb ein Wissenschaftsderivat an seine Stelle zu setzen. Das sehe ich beides nicht. Ich gehe davon aus, dass Religion durch die Schulpflicht obsolet geworden ist und keines weiteren Ersatzes bedarf.
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Marcellinus
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Beitrag(#2036482) Verfasst am: 21.12.2015, 22:35    Titel: Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Man könnte den Luhmann auch dialektisch lesen, um sein statisches Systemdilemma zu überwinden. Versuche dazu gab es.

In der folgenden Rezension wird das Buch von Barbara Kuchler vorgestellt, welches sich mit der Dialektik in der Soziologie beschäftigt:

BARBARA KUCHLER: Was ist in der Soziologie aus der Dialektik geworden? Westfälisches Dampfboot, Münster 2005 198 Seiten. Euro 24,90 ISBN 3-89691-606-8

Allein schon durch diese Buchbesprechung wird man klüger ...- Smilie


Du erwartest nicht von mir, daß ich eine Rezension rezensiere, oder? zwinkern Darüber hinaus habe ich den Eindruck, daß es eher eine Diskussion innerhalb einer Weltanschauung darstellt, eine Diskussion, die mir nichts sagt, da ich diese Weltanschauung nicht teile. Ich habe den Marxismus kennengelernt, als er noch das offizielle Glaubensbekenntnis eines politischen Systems war. Das ist fast 40 Jahre her, und dieses politische System ist Vergangenheit.

Entschuldige, wenn ich hier etwas grundsätzlicher werde, aber die Gründe, die damals gegen den Marxismus sprachen, als soziale Theorie wie als politische Praxis (was nicht identisch ist, aber mit einander zu tun hat), sind immer noch die gleichen: es ist das philosophische Erbe des 19.Jh., die Geschichtsphilosophie, der Wahrheitsanspruch und das Absolutsetzen eines Teilaspekts der Klassenkonflikte Englands und mit Einschränkung einiger anderer europäischer Staaten des 19. Jhs. als behauptetes "Bewegungsprinzip" der Weltgeschichte in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft überhaupt.

Die noch vom "großen Meister" selbst ins Werk gesetzte Selbstimmunisierung gegen jede Form von Kritik hat die Entwicklung zur Sozialreligion beschleunigt, und statt Weiterentwicklung folgte Apologetik. Heute ist der Marxismus eine marginalisierte Bewegung zwischen Trivialisierung und Folklore, deren Reputation zerstört wurde von den Gulags einerseits und dem Turbostaatskapitalismus chinesischer Prägung andererseits. Heute kannst du mit Marxismus alles, und von allem das Gegenteil begründen.

Er dient nun vor allem als Propagandawerkzeug politischer Außenseiter, zur Legitimation von Usurpatoren und den korrupten Einzelinteressen ihrer jeweiligen Cliquen. Aus dem gefährlichen Diktum von der "Diktatur des Proletariats" ist die bloße Rechtfertigung von Gewalt gegen Andersdenkende geworden, und der Verfall ihrer jeweiligen Herrschaft ereignet sich in immer kürzeren Abständen und zurück bleiben zerstörte Sozial- und Wirtschaftsstrukturen und zerrüttete Staatsfinanzen. Um sich heute noch als Marxist zu bezeichnen, muß man schon über ein religiös zu nennendes Maß an Realitätsverleugnung verfügen.
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"Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."

Friedrich Nietzsche


Zuletzt bearbeitet von Marcellinus am 21.12.2015, 22:38, insgesamt einmal bearbeitet
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Marcellinus
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Beiträge: 7429

Beitrag(#2036484) Verfasst am: 21.12.2015, 22:37    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
.....
Da dies aber ein weltanschauliches Forum ist, noch einem Bemerkung zum Schluß. Stichwort: "Evolutionärer Humanismus". Das ist nun allerdings aus meiner Sicht ein Monstrum, entstanden aus einer Übertragung einer biologischen Theorie, der Evolutionstheorie, nun nicht auf die Soziologie, sondern auf die Philosophie. Sich selbst versteht er als eine Art "gottlose Religion auf wissenschaftlicher Grundlage", und vereint damit so ziemlich alle Nachteile, die mir an einer Vermischung von Religion, Philosophie und Wissenschaft so einfallen, erfunden von Leuten, denen es offenbar schwer fällt, die Religionslosigkeit auch nur einen Augenblick länger zu ertragen. Fehlen nur die "Sunday assemblies", und die Religionskarikatur ist komplett. Lachen

Die Leute, die sich das ausgedacht haben, gehen davon aus, dass die Religion ein Versuch war, die Welt zu verstehen und dass der Mensch so etwas wie Religion braucht und versuchen deshalb ein Wissenschaftsderivat an seine Stelle zu setzen. Das sehe ich beides nicht. Ich gehe davon aus, dass Religion durch die Schulpflicht obsolet geworden ist und keines weiteren Ersatzes bedarf.

Daumen hoch!
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