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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#2041958) Verfasst am: 30.01.2016, 18:57 Titel: |
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Wir werden immer Erklärungslücken haben! Diese Welt wurde nämlich leider ohne Bauplan geliefert! (Ich vermute sogar, dass sie gar keinen hat.)
_________________ "Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."
Friedrich Nietzsche
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26443
Wohnort: im Speckgürtel
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(#2041960) Verfasst am: 30.01.2016, 19:41 Titel: |
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Skeptiker hat folgendes geschrieben: | ....
Tradition mag Kultur sein, aber wenn hier nur die Überlieferung und Speicherung im Vordergrund steht und das plötzlich auch noch in der Sprache der Informatik, dann habe ich speziell bei dir den Verdacht, dass du damit deine letzten beiden Ausbildungen und Berufe ins Spiel bringst (erst Biologie, jetzt Informatiker).
Es ist sicher der falsche Weg die Welt immer nur aus der Sicht einer bestimmten Profession zu sehen, anstatt die Profession aus der Welt abzuleiten..... |
Es ist andersherum:
Biologie habe ich aus Neugier studiert und ich kann nicht sagen, dass sie meine Denkweise geändert hat. Es war eher anderherum: Ich wurde regelmäßig zu Projekten geholt, mit denen ich nichts zu tun hatte, weil man gemerkt hatte, dass meine Denkweise zwar nicht unbedingt in die Biologie passt, aber wissenschaftliche Arbeit effektiver macht. Mein Schwerpunkt innerhalb der Biologie lag in der Methoden- und Projektberatung.
Informatik habe ich nie "gelernt", sondern, ich habe, weil ich keine Lust hatte, den Stoff für die Nebenfachprüfung in Microbiologie zu lernen, eine Informatikernebenfachprüfung mit unbekanntem Thema gemacht. Die Informatik kommt mir einfach entgegen, wahrscheinlich, weil die, die sie erfunden haben, ähnliche Denkstrukturen gehabt haben müssen wie ich. Anders lässt sich meine wiederholte Erfahrung, nur kurz überlegen zu müssen, wo die meisten anderen lernen müssen, nicht erklären. Mein Wissen, das mich die Prüfung zum nebenfachuntypischen Thema Theorie und Struktur der Programmiersprachen aus dem Stegreif machen ließ, kam daher, dass ich mir, bevor ich die Auswertung meines ersten Projektes programmiert habe, kurz die Progrmmiersprachen Basic, Pascal, BCPL, C, Lisp, Fortran und Forth strukturell angesehen hatte, um mich für die für meine Zwecke geeignetste zu entscheiden. Programmieren selbst habe ich nie gelernt, sondern nach dem Lesen der Sprachdefinitionen immer nur einfach gekonnt. Das letzte schließe ich u.A. auch aus Aussagen von Informatikern an der Uni: Ich habe für meine Frau für zwei Seminare die Programmierarbeiten gemacht, und die fielen als "lehrbuchreif" auf.
Mit einem Satz: Was ich hier schreibe, schreibe ich aus meiner Sicht, nicht aus der einer Profession. Ich verdiene mein Geld mit dieser Arbeit, weil die mir besonders leichtfällt. (Für alles andere wäre ich viel zu faul, auch, weil ich nie gelernt habe, zu pauken.)
@skeptiker: Ich fände andersherum ganz schön, wenn ich einmal sehen könnte, dass Antworten von Dir mehr aus eigenem Denken getragen würden, als aus der Lektüre einiger Bücher.
_________________ Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.
The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.
Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#2041964) Verfasst am: 30.01.2016, 19:58 Titel: |
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Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Was hier im Prinzip völlig untergegangen ist, ist mein Hinweis darauf, dass bestimmte Kulturen plötzlich - ohne Vorgängerkultur - erscheinen, also nicht aus der Veränderung früherer Kulturen. Solche Vorgänge setzen immer dann ein, wenn plötzlich eine neue technisch-wissenschaftliche Revolution in neue Arten von Produktivkräften übersetzt wird, so dass sich im Anschluss daran die Produktions- und gesellschaftlichen Verhältnisse ändern. Daraufhin ändern sich dann auch die Kulturen, die Lebensweisen und - die Denkweisen.
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Hättest du da mal ein Beispiel, für eine "Kultur, die ohne Vorgängerkultur erscheint"?
_________________ "Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."
Friedrich Nietzsche
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zelig Kultürlich
Anmeldungsdatum: 31.03.2004 Beiträge: 25405
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(#2041968) Verfasst am: 30.01.2016, 21:14 Titel: |
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smallie hat folgendes geschrieben: | Wie kommt "Schneider, Schneider, meck, meck, meck" vom Papier über Auge oder Ohr in dein Gehirn und dann Jahre später wieder heraus? Die Frage kann im Detail auch niemand beantworten, wir haben eine Erklärungslücke. In diesem Fall bezweifelt zelig die Verortung im Gehirn. |
Nein. Das ist ein schreckliches Missverständnis. Ich verstehe nicht, wieso Du denkst, ich würde so denken. Vermutlich wegen des Kategorienfehlers. Oder? Lass uns also dabei bleiben.
Was ist ein Kategorienfehler? Beispiele aus dem Buch, das gerade neben mir liegt:
- Einen Kategorienfehler begeht, wer meint, dass man auf dem Fußballfeld ausser den Aktionen der Spieler auch noch den Mannschaftsgeist sehen könne.
- Ebenso wer die Verfassung eines Landes für ein schattenhaftes Wesen hält, das ebenso existiert, wie das Kabinett, das PArlament oder das Verfassungsgericht
- Ebenso wer den durchschnittlichen Steuerzahler für eine Person hält wie den Nachbarn von nebenan
(Nach Ryle)
Der Kategorienfehler, den ich meine, besteht darin, daß behauptet wird, der Gedanke oder Wissen oder sonst eine mentale Disposition habe einen definierbaren Ort im Gehirn, wie zum Beispiel eine Synapse einen definierten Ort im Gehirn hat. Man kann nicht davon sprechen, daß ein Gedanke , so wie ein Byte auf der Festplatte, einen Speicherort in einer Synapse oder wo auch immer hat. Es ist vernünftiger sich einen Gedanken wie einen Zustand vorzustellen, der sich über die Zeit verändert. Daß ich die Darstellung eines Mems als gespeicherte Einheit im Gehirn aus diesem Grund für falsch halte, hat erstmal nichts mit dem Streit darüber zu tun, daß keine Meme in der empirischen Welt existieren.
Darf ich noch was zum Giraffenhals sagen? Ich behauptete doch gar nicht, daß es in den empirischen Wissenschaften keine Erklärungslücken gibt. Auf den Giraffenhals bezogen müsste aber jemand -entgegen der Logik Deiner Argumentation- behaupten, daß er dessen Länge, die bisher nicht schlüssig aus der Beschaffenheit des Chromosoms erklärt werden kann, aufgrund einer neuen Entität -nennen wir sie "Flecki"- erklären kann. Fändest Du das nicht auch witzig?
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Klaus-Peter auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 10.01.2004 Beiträge: 1534
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(#2041969) Verfasst am: 30.01.2016, 21:20 Titel: |
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smallie hat folgendes geschrieben: |
Dabei sind beide Fälle doch deckungsgleich, oder? |
Genau. Danke für deine Ausführungen. Du übersetzt also den Zeligschen "Kategorienfehler" mit Erklärungslücke. Das könnte Sinn machen. Aber dann, da hast du recht, unterscheiden sich Gene und Meme nicht.
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26443
Wohnort: im Speckgürtel
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(#2041971) Verfasst am: 30.01.2016, 21:24 Titel: |
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zelig hat folgendes geschrieben: | ....
Der Kategorienfehler, den ich meine, besteht darin, daß behauptet wird, der Gedanke oder Wissen oder sonst eine mentale Disposition habe einen definierbaren Ort im Gehirn, wie zum Beispiel eine Synapse einen definierten Ort im Gehirn hat. Man kann nicht davon sprechen, daß ein Gedanke , so wie ein Byte auf der Festplatte, einen Speicherort in einer Synapse oder wo auch immer hat. Es ist vernünftiger sich einen Gedanken wie einen Zustand vorzustellen, der sich über die Zeit verändert. Daß ich die Darstellung eines Mems als gespeicherte Einheit im Gehirn aus diesem Grund für falsch halte, hat erstmal nichts mit dem Streit darüber zu tun, daß keine Meme in der empirischen Welt existieren..... |
Grün von mir.
Da sind wir völlig einer Meinung. Aber auch das findet im Gehirn statt. Du hast die Formulierung "im Gehirn", die örtlich gemeint war, nur als anatomisch überinterpretiert.
zelig hat folgendes geschrieben: | ....
Darf ich noch was zum Giraffenhals sagen? Ich behauptete doch gar nicht, daß es in den empirischen Wissenschaften keine Erklärungslücken gibt. Auf den Giraffenhals bezogen müsste aber jemand -entgegen der Logik Deiner Argumentation- behaupten, daß er dessen Länge, die bisher nicht schlüssig aus der Beschaffenheit des Chromosoms erklärt werden kann, aufgrund einer neuen Entität -nennen wir sie "Flecki"- erklären kann. Fändest Du das nicht auch witzig? |
Das Dumme ist nur, dass es dabei nicht nur um den Hals geht, den Smallie nur als Beispiel benutzt hat. Es geht um den Bauplan für die gesamte Anatomie. Und es geht um die gesamten Verhaltensanweisungen, die auch im Genom stecken. Wir können bisher nur einen kleinen Ausschnitt der Funktion des Genoms wirklich erklären, eben die Proteinsynthese.
_________________ Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.
The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.
Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
Zuletzt bearbeitet von fwo am 30.01.2016, 21:30, insgesamt einmal bearbeitet |
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zelig Kultürlich
Anmeldungsdatum: 31.03.2004 Beiträge: 25405
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(#2041974) Verfasst am: 30.01.2016, 21:29 Titel: |
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fwo hat folgendes geschrieben: | zelig hat folgendes geschrieben: | ....
Der Kategorienfehler, den ich meine, besteht darin, daß behauptet wird, der Gedanke oder Wissen oder sonst eine mentale Disposition habe einen definierbaren Ort im Gehirn, wie zum Beispiel eine Synapse einen definierten Ort im Gehirn hat. Man kann nicht davon sprechen, daß ein Gedanke , so wie ein Byte auf der Festplatte, einen Speicherort in einer Synapse oder wo auch immer hat. Es ist vernünftiger sich einen Gedanken wie einen Zustand vorzustellen, der sich über die Zeit verändert. Daß ich die Darstellung eines Mems als gespeicherte Einheit im Gehirn aus diesem Grund für falsch halte, hat erstmal nichts mit dem Streit darüber zu tun, daß keine Meme in der empirischen Welt existieren..... |
Grün von mir.
Da sind wir völlig einer Meinung. Aber auch das findet im Gehirn statt. Du hast die Formulierung "im Gehirn", die örtlich gemeint war, nur als anatomisch überinterpretiert. |
OK, das ist schon mal gut. Dann können wir den Nebenkriegsschauplatz abhaken.
Lass mich nur sagen, daß die Formulierung meines neuen Fans jedoch tatsächlich diesen Kategorienfehler enthielt. Nicht mehr, nicht weniger. ; )
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Klaus-Peter auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 10.01.2004 Beiträge: 1534
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(#2041975) Verfasst am: 30.01.2016, 21:32 Titel: |
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fwo hat folgendes geschrieben: | zelig hat folgendes geschrieben: | ....
Der Kategorienfehler, den ich meine, besteht darin, daß behauptet wird, der Gedanke oder Wissen oder sonst eine mentale Disposition habe einen definierbaren Ort im Gehirn, wie zum Beispiel eine Synapse einen definierten Ort im Gehirn hat. Man kann nicht davon sprechen, daß ein Gedanke , so wie ein Byte auf der Festplatte, einen Speicherort in einer Synapse oder wo auch immer hat. Es ist vernünftiger sich einen Gedanken wie einen Zustand vorzustellen, der sich über die Zeit verändert. Daß ich die Darstellung eines Mems als gespeicherte Einheit im Gehirn aus diesem Grund für falsch halte, hat erstmal nichts mit dem Streit darüber zu tun, daß keine Meme in der empirischen Welt existieren..... |
Grün von mir.
Da sind wir völlig einer Meinung. Aber auch das findet im Gehirn statt. Du hast die Formulierung "im Gehirn", die örtlich gemeint war, nur als anatomisch überinterpretiert. |
Diese anatomische Überinterpretation habe ich extra zu vermeiden gesucht, indem ich deutlich genug davon sprach, dass "im Gehirn andere, [...] abgespeicherte (oder selbständig assoziierte) Meme aktiviert werden". Eigentlich kann man das nicht missverstehen, daher scheint Er_Win mit seiner Strohmann-Hypothese richtig zu liegen.
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zelig Kultürlich
Anmeldungsdatum: 31.03.2004 Beiträge: 25405
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(#2041976) Verfasst am: 30.01.2016, 21:34 Titel: |
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fwo hat folgendes geschrieben: | zelig hat folgendes geschrieben: | ....
Darf ich noch was zum Giraffenhals sagen? Ich behauptete doch gar nicht, daß es in den empirischen Wissenschaften keine Erklärungslücken gibt. Auf den Giraffenhals bezogen müsste aber jemand -entgegen der Logik Deiner Argumentation- behaupten, daß er dessen Länge, die bisher nicht schlüssig aus der Beschaffenheit des Chromosoms erklärt werden kann, aufgrund einer neuen Entität -nennen wir sie "Flecki"- erklären kann. Fändest Du das nicht auch witzig? |
Das Dumme ist nur, dass es dabei nicht nur um den Hals geht, den Smallie nur als Beispiel benutzt hat. Es geht um den Bauplan für die gesamte Anatomie. Und es geht um die gesamten Verhaltensanweisungen, die auch im Genom stecken. Wir können bisher nur einen kleinen Ausschnitt der Funktion des Genoms wirklich erklären, eben die Proteinsynthese. |
Seh ich jetzt erst. Keine Frage! Wer ja auch blöd wenn es nichts mehr zu entdecken gäbe.
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26443
Wohnort: im Speckgürtel
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(#2041981) Verfasst am: 30.01.2016, 22:14 Titel: |
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zelig hat folgendes geschrieben: | fwo hat folgendes geschrieben: | zelig hat folgendes geschrieben: | ....
Der Kategorienfehler, den ich meine, besteht darin, daß behauptet wird, der Gedanke oder Wissen oder sonst eine mentale Disposition habe einen definierbaren Ort im Gehirn, wie zum Beispiel eine Synapse einen definierten Ort im Gehirn hat. Man kann nicht davon sprechen, daß ein Gedanke , so wie ein Byte auf der Festplatte, einen Speicherort in einer Synapse oder wo auch immer hat. Es ist vernünftiger sich einen Gedanken wie einen Zustand vorzustellen, der sich über die Zeit verändert. Daß ich die Darstellung eines Mems als gespeicherte Einheit im Gehirn aus diesem Grund für falsch halte, hat erstmal nichts mit dem Streit darüber zu tun, daß keine Meme in der empirischen Welt existieren..... |
Grün von mir.
Da sind wir völlig einer Meinung. Aber auch das findet im Gehirn statt. Du hast die Formulierung "im Gehirn", die örtlich gemeint war, nur als anatomisch überinterpretiert. |
OK, das ist schon mal gut. Dann können wir den Nebenkriegsschauplatz abhaken. .... |
Gut. Dann bitte ich Dich, Dir meine Posts nochmal unter der Prämisse anzusehen, dass ich diese spezielle Blödheit vermeide, damit Du die restlichen Blödheiten besser erkennen kannst.
Ich hatte da ein paar Fragen gestellt, die noch einer Beantwortung harren und die vielleicht geeignet sind, unsere Differenzen klarer auf den Punkt zu bringen. Ich gehe nicht unbedingt davon aus, dass ich Dich überzeugen kann, aber ich würde mich freuen, die Prämissen erkennen zu können, die Dich zu einem anderen Ergebnis kommen lassen.
_________________ Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.
The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.
Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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(#2041983) Verfasst am: 30.01.2016, 22:47 Titel: |
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Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Was hier im Prinzip völlig untergegangen ist, ist mein Hinweis darauf, dass bestimmte Kulturen plötzlich - ohne Vorgängerkultur - erscheinen, also nicht aus der Veränderung früherer Kulturen. Solche Vorgänge setzen immer dann ein, wenn plötzlich eine neue technisch-wissenschaftliche Revolution in neue Arten von Produktivkräften übersetzt wird, so dass sich im Anschluss daran die Produktions- und gesellschaftlichen Verhältnisse ändern. Daraufhin ändern sich dann auch die Kulturen, die Lebensweisen und - die Denkweisen.
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Hättest du da mal ein Beispiel, für eine "Kultur, die ohne Vorgängerkultur erscheint"? |
neolithische Revolution
Durch die innovativen bäuerlichen Produktionsmethoden und -techniken entstanden Lebenweisen und Denkweisen, die zuvor - in der Sammler- und Jäger-Epoche nicht möglich waren.
Völlig neue Arten der Arbeitsteilung, der Religionen, der Moral, der gemeinsamen Umgangsformen, Wohnformen, usw. als Teil einer neuen Gesamtkultur entstanden, ohne dass sie zuvor in Ansätzen existiert hätten. Sie hatten in dem Sinne keine Vorläufer.
Somit haben Kulturen keine eigene, *innere* Geschichte ...-
_________________ °
K.I.Z - Frieden
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Misterfritz mini - mal
Anmeldungsdatum: 09.03.2006 Beiträge: 21867
Wohnort: badisch sibirien
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(#2041984) Verfasst am: 30.01.2016, 22:58 Titel: |
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Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Was hier im Prinzip völlig untergegangen ist, ist mein Hinweis darauf, dass bestimmte Kulturen plötzlich - ohne Vorgängerkultur - erscheinen, also nicht aus der Veränderung früherer Kulturen. Solche Vorgänge setzen immer dann ein, wenn plötzlich eine neue technisch-wissenschaftliche Revolution in neue Arten von Produktivkräften übersetzt wird, so dass sich im Anschluss daran die Produktions- und gesellschaftlichen Verhältnisse ändern. Daraufhin ändern sich dann auch die Kulturen, die Lebensweisen und - die Denkweisen.
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Hättest du da mal ein Beispiel, für eine "Kultur, die ohne Vorgängerkultur erscheint"? |
[img]BILD[/img]
| ach, und die bäuerliche produktion kam einfach so aus dem nichts?
oder war es nicht eher so, dass die menschen entdeckt haben, dass einige pflanzen essbar sind und sich durch körner inne erde stecken vermehren? oder bekamen sie dieses wissen (=kultur) von einem frühzeit-marx? oder einem gott, oder wie?
quote gerichtet. vrolijke
_________________ I'm tapping in the dusternis
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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(#2041991) Verfasst am: 30.01.2016, 23:49 Titel: |
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Sicherlich. Das hat sehr lange gedauert und es existierten lange Zeit Mischformen zwischen Jäger & Sammler und Sesshaften & Bauern.
Der Punkt ist aber die Gesamtkultur, wie etwa Religion, Moral, Sozialverhalten. Die ist mit der neuen Produktionstechnik *wie aus dem Nichts* entstanden, also nicht aus *fehlerhaften Kopien*, nicht aus *Replikationen* früherer Kulturelemente, sondern einzig und allein gebunden an die neuen Verhältnisse.
Jetzt lasse man mal seine Fantasie etwas laufen und stelle sich vor, es hätte nicht nur eine neolithische und industrielle Revolution gegeben, sondern ganz andere Formen der Produktion von Nahrungsmitteln, Bekleidung, Behausung, usw. Hier kann man sich z.B. aus Science-Fiction-Literatur bedienen oder sich vorstellen, auf ganz anderen Planeten gab oder gibt es ganz andere geschichtliche Abfolgen verschiedener Produktionsformen.
Dann würde man immer wieder beobachten, dass die genannten Elemente Religion, Moral, Sozialverhalten sich nicht durch die Replikation und Selektion einer entsprechender Vorstufen bilden würden, sondern immer wieder *wie aus dem Nichts*, aber gebunden an die jeweilige Produktionsform.
Deswegen kann man hier nicht von einer Evolution von Kultur sprechen, sondern von ständigen Kulturbrüchen und kulturellen Neuschöpfungen.
Aber trotzdem wird so etwas versucht wie eine Geschichte der Moralentwicklung zu verfassen, was wie gesagt, nicht geht. Denn die Moral z.B. hat gar keine eigene Geschichte ihrer selbst - anders als biologische Lebensformen, die immer aus Vorformen, Vorfahren hervor gehen und bei denen die Prinzipien der Replikation, Selektion und Mutation gelten.
_________________ °
K.I.Z - Frieden
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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(#2041993) Verfasst am: 30.01.2016, 23:56 Titel: |
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Misterfritz hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Was hier im Prinzip völlig untergegangen ist, ist mein Hinweis darauf, dass bestimmte Kulturen plötzlich - ohne Vorgängerkultur - erscheinen, also nicht aus der Veränderung früherer Kulturen. Solche Vorgänge setzen immer dann ein, wenn plötzlich eine neue technisch-wissenschaftliche Revolution in neue Arten von Produktivkräften übersetzt wird, so dass sich im Anschluss daran die Produktions- und gesellschaftlichen Verhältnisse ändern. Daraufhin ändern sich dann auch die Kulturen, die Lebensweisen und - die Denkweisen.
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Hättest du da mal ein Beispiel, für eine "Kultur, die ohne Vorgängerkultur erscheint"? |
[img]BILD[/img]
| ach, und die bäuerliche produktion kam einfach so aus dem nichts?
oder war es nicht eher so, dass die menschen entdeckt haben, dass einige pflanzen essbar sind und sich durch körner inne erde stecken vermehren? oder bekamen sie dieses wissen (=kultur) von einem frühzeit-marx? oder einem gott, oder wie? |
Häh?
_________________ °
K.I.Z - Frieden
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26443
Wohnort: im Speckgürtel
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(#2042014) Verfasst am: 31.01.2016, 02:46 Titel: |
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Skeptiker hat folgendes geschrieben: | ....
Der Punkt ist aber die Gesamtkultur, wie etwa Religion, Moral, Sozialverhalten. Die ist mit der neuen Produktionstechnik *wie aus dem Nichts* entstanden, also nicht aus *fehlerhaften Kopien*, nicht aus *Replikationen* früherer Kulturelemente, sondern einzig und allein gebunden an die neuen Verhältnisse. |
Du bist gefragt worden, wo je so etwas beobachtet werden konnte. Und jetzt erzählst Du uns also die Wahrheit über die Neolithische schleichende Revolution. Woher weißt Du das?
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Jetzt lasse man mal seine Fantasie etwas laufen und stelle sich vor, es hätte nicht nur eine neolithische und industrielle Revolution gegeben, sondern ganz andere Formen der Produktion von Nahrungsmitteln, Bekleidung, Behausung, usw. Hier kann man sich z.B. aus Science-Fiction-Literatur bedienen oder sich vorstellen, auf ganz anderen Planeten gab oder gibt es ganz andere geschichtliche Abfolgen verschiedener Produktionsformen.
Dann würde man immer wieder beobachten, dass die genannten Elemente Religion, Moral, Sozialverhalten sich nicht durch die Replikation und Selektion einer entsprechender Vorstufen bilden würden, sondern immer wieder *wie aus dem Nichts*, aber gebunden an die jeweilige Produktionsform.
... |
Was heißt hier "Immer wieder beobachten"? Es ist noch nicht einmal beobachtet worden.
Wir können auch rückblickend in der Entwicklung des Tier- oder Pflanzenreiches keine Evolution beobachten, sondern nur eine Entwicklung feststellen. Was wir machen können, ist uns die Mechanismen dieser Entwicklung ansehen, um herauszufinden, wie die zu dem heuteigen Ergebnis führen. Evolution ist für Darwin nie eine Beoabchtung gewesen, sondern eine Schlussfolgerung aus dem was er sah und aus dem was er an Mechnismen erkannt hatte.
Und jetzt würde ich gerne von Dir wissen, welche Funde der Paleoanthropologie dich schließen lassen, dass es sich bei der Entwicklung der menschlichen Kultur zu einer Kultur der Ackerbauer nicht um eine evolutionäre Entwicklung handelte und welche Klasse die Buschmänner in der Kalahari oder die Abirgines in Australien gehindert hat, diese Entwicklung nachzuvollziehen. Denen müssen doch die vollen Töpfe der Bauern aufgefallen sein.
_________________ Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.
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Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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Kramer postvisuell
Anmeldungsdatum: 01.08.2003 Beiträge: 30878
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(#2042023) Verfasst am: 31.01.2016, 03:55 Titel: |
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Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Kramer hat folgendes geschrieben: | Es tut mir leid, dass ich versucht habe, in Deiner erlauchten Gegenwart eigene Überlegungen darüber geäussert zu haben, was denn den Unterschied zwischen einem Dingensbumens und einem Mem ausmachen könnte. |
Nun hattest du leider gemeint, der wichtigste Unterschied zwischen deinem Dingensbumens und einem Mem sei, dass dein Dingensbumens kein Mem sei. Und das ist leider falsch, was ich dir dargelegt habe. Das scheinst du nun als persönlichen Angriff auf deine selbergemachten Gedanken aufzufassen. Tut mir furchtbar leid, daran kann ich aber nichts ändern. |
Nö, ich sehe das nicht als Angriff an. Ich sehe das nur als den Punkt, an dem die Diskussion für mich uninteressatnt wird. Datum steige ich aus.
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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(#2042045) Verfasst am: 31.01.2016, 12:43 Titel: |
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Kramer hat folgendes geschrieben: | Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Kramer hat folgendes geschrieben: | Es tut mir leid, dass ich versucht habe, in Deiner erlauchten Gegenwart eigene Überlegungen darüber geäussert zu haben, was denn den Unterschied zwischen einem Dingensbumens und einem Mem ausmachen könnte. |
Nun hattest du leider gemeint, der wichtigste Unterschied zwischen deinem Dingensbumens und einem Mem sei, dass dein Dingensbumens kein Mem sei. Und das ist leider falsch, was ich dir dargelegt habe. Das scheinst du nun als persönlichen Angriff auf deine selbergemachten Gedanken aufzufassen. Tut mir furchtbar leid, daran kann ich aber nichts ändern. |
Nö, ich sehe das nicht als Angriff an. Ich sehe das nur als den Punkt, an dem die Diskussion für mich uninteressatnt wird. Datum steige ich aus. |
Das fände ich schade. Denn du hast auf einen wichtigen Punkt hingewiesen: Das sogenannte *Mem* namens "Bruttosozialprodukt" ist zwar eine Vorstellung, aber vor allem ist es ein "Dingensbumens", also eine objektive Sache, die unabhängig davon ist, ob man sich davon eine Vorstellung davon macht und wenn ja, welche.
Macht man sich jedoch eine falsche Vorstellung vom Bruttosozialprodukt und gibt das dann an die Kinder, Schüler und Studenten weiter, so verbreitet sich ein Bruttosozialprodukt-*Mem*, welches nicht der Realität vom Bruttosozialprodukt entspricht.
Das heisst: Die direkte Weitergabe eines *Mems* ist gar nicht so entscheidend für seinen Erfolg. Viel entscheidender ist die Beziehung zwischen einer intelligiblen Vorstellung einer Sache und der Sache selber ...-
_________________ °
K.I.Z - Frieden
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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(#2042050) Verfasst am: 31.01.2016, 13:03 Titel: |
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fwo hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: | ....
Der Punkt ist aber die Gesamtkultur, wie etwa Religion, Moral, Sozialverhalten. Die ist mit der neuen Produktionstechnik *wie aus dem Nichts* entstanden, also nicht aus *fehlerhaften Kopien*, nicht aus *Replikationen* früherer Kulturelemente, sondern einzig und allein gebunden an die neuen Verhältnisse. |
Du bist gefragt worden, wo je so etwas beobachtet werden konnte. Und jetzt erzählst Du uns also die Wahrheit über die Neolithische schleichende Revolution. Woher weißt Du das?
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Jetzt lasse man mal seine Fantasie etwas laufen und stelle sich vor, es hätte nicht nur eine neolithische und industrielle Revolution gegeben, sondern ganz andere Formen der Produktion von Nahrungsmitteln, Bekleidung, Behausung, usw. Hier kann man sich z.B. aus Science-Fiction-Literatur bedienen oder sich vorstellen, auf ganz anderen Planeten gab oder gibt es ganz andere geschichtliche Abfolgen verschiedener Produktionsformen.
Dann würde man immer wieder beobachten, dass die genannten Elemente Religion, Moral, Sozialverhalten sich nicht durch die Replikation und Selektion einer entsprechender Vorstufen bilden würden, sondern immer wieder *wie aus dem Nichts*, aber gebunden an die jeweilige Produktionsform.
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Was heißt hier "Immer wieder beobachten"? Es ist noch nicht einmal beobachtet worden.
Wir können auch rückblickend in der Entwicklung des Tier- oder Pflanzenreiches keine Evolution beobachten, sondern nur eine Entwicklung feststellen. Was wir machen können, ist uns die Mechanismen dieser Entwicklung ansehen, um herauszufinden, wie die zu dem heuteigen Ergebnis führen. Evolution ist für Darwin nie eine Beoabchtung gewesen, sondern eine Schlussfolgerung aus dem was er sah und aus dem was er an Mechnismen erkannt hatte.
Und jetzt würde ich gerne von Dir wissen, welche Funde der Paleoanthropologie dich schließen lassen, dass es sich bei der Entwicklung der menschlichen Kultur zu einer Kultur der Ackerbauer nicht um eine evolutionäre Entwicklung handelte und welche Klasse die Buschmänner in der Kalahari oder die Abirgines in Australien gehindert hat, diese Entwicklung nachzuvollziehen. Denen müssen doch die vollen Töpfe der Bauern aufgefallen sein. |
Eine bestimmte Produktionstechnik ist eine andere Art von Kultur als eine bestimmte Moral.
Es kann sich zwar eine bestimmte Moral von einer Produktionstechnik ableiten über 1000 indirekte Vermittlungswege aber wohl kaum eine Produktionstechnologie aus einer Moral, d.h. einer Idee.
Bereits an Arno Gebauer habe ich zu diesem Punkt Stellung genommen:
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Ich habe mich auf die Entstehung neuer/innovativer Ideen bezogen und schrieb, dass diese keine eigene/selbständige Geschichte haben. Das heisst nicht, dass es keine Voraussetzungen und Ursachen der Ideen gibt. Die gibt es sehr wohl. Aber sie liegen außerhalb der Ideenwelt selber, wie oben schon erläutert.
Zum Beispiel liegt eine Weitentwicklung der menschlichen Moral - vorausgesetzt dass es eine solche gibt - nicht darin, dass es verschiedene Stufen der Moral 1, Moral 2, Moral 3, usw. gibt, sondern dass es z.B. eine höhere Produktivität gibt, so dass auf dieser Grundlage mehr zu verteilen ist und so ein höherer Wohlstand entsteht, der dann die Grundlage für eine höhere Moral darstellt. |
Das heisst:
Anders als bei Genen, wo Abstammung eine Rolle spielt, kann man bei den *Memem* - nach Dawkins etwa die Gesamtheit der Ideen, Vorstellungen und Verhaltensweisen der Menschen - nicht von Abstammung eines Mems aus anderen Memen sprechen. Somit haben *Meme* im Vergleich zu Genen keine eigene/innere Geschichte.
Sondern Ideen, Vorstellungen und Verhaltensweisen wie etwa bestimmte Formen der Moral und der Religion (- das Thema dieses threads, holla! -) tauchen mit bestimmten Produktionstechnologien "plötzlich" auf ohne dass sie entsptrechende Vorläufer gehabt habe müssen. Somit kann man sagen: Solche Kulturelemente haben keine Abstammungs-Geschichte, während Darwin doch noch bei der biologischen Evolution von der "Abstammung der Arten" gesprochen hat.
Das ist der Unterschied und einer der Gründe, weshalb man von einer Evolution der menschlichen Kultur auf keinen Fall in einem analogen Sinne sprechen kann.
Was die Empirie betrifft: Ja, es gibt eine empirische Moralgeschichtsforschung, eine empirische Religionsforschung.
Ich finde, die sollten wir uns mal angucken im Hinblick auf die Herausbildung bestimmter *Meme*.
Man kann z.B. untersuchen: Gottesbilder, Jenseitsvorstellungen, Familienmoral, Herrschaftsideologien ... und den Wandel dieser *Meme* in Abhängigkeit von den gesellschaftlichen Produktionstechnologien.
Die Vorstellung dagegen, *Meme* würden unabhängig von den Produktionstechnologien *evolvieren*, durch Weitergabe bzw. Replikation ihrer selbst, ist reiner Idealismus. Denn es würde ja nicht erklären, warum gerade bestimmte *Meme* weitergegeben werden und wo der Selektionsmechanismus ansetzen würde.
Das können auch Dawkins und Dennett nicht erklären, wobei das ja auch kein Wunder ist, wenn sie jahrzehntelange Forschungen in den Sozialwissenschaften und Psychologie meinen, ignorieren zu können ...-
_________________ °
K.I.Z - Frieden
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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(#2042053) Verfasst am: 31.01.2016, 13:29 Titel: |
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Er_Win hat folgendes geschrieben: | Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Damit stünde die Memetik heute etwa da, wo die Genetik zwischen 1940 und 1960 stand. |
um das zu beurteilen könnten wir ja noch ca. 60 Jahre warten um zu sehen wohin die Erkenntnisse aus der Memetik "evolvieren"
Sollte sie ähnlich "evolvieren" wie die KI, dann wären die anfänglichen unrealistichen Erwartungen, die *imho ihre Ursachen in zu einfachen mechanistisch, reduktionistischen Modellvorstellungen hatten/haben, analog zu bewerten. |
Allerdings. Das mit der KI ist eine gute Parallele.
Er_Win hat folgendes geschrieben: | fwo hat folgendes geschrieben: | Das Gehirn ist die Maschine, auf der Dein Bewusstsein läuft. Zwangsläufig ist es dann so, dass all das, was Du weißt, in irgendeiner Art im Gehirn gespeichert sein muss. |
Der erste Satz legt *imho eine ziemlich unpassende Hirn/Computer-Analogie nahe. |
Ich sagte ja: Das ist ein völlig unbegründeter und unzulässiger Transfer der Informatik auf Gebiete der Biologie und eben auch der Gesellschaft und Kultur, deren Strukturen jeweils ganz andere sind.
Gute Hinweise. Sehr interessant ...-!
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K.I.Z - Frieden
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26443
Wohnort: im Speckgürtel
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(#2042086) Verfasst am: 31.01.2016, 16:11 Titel: |
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Skeptiker hat folgendes geschrieben: | ....
Er_Win hat folgendes geschrieben: | fwo hat folgendes geschrieben: | Das Gehirn ist die Maschine, auf der Dein Bewusstsein läuft. Zwangsläufig ist es dann so, dass all das, was Du weißt, in irgendeiner Art im Gehirn gespeichert sein muss. |
Der erste Satz legt *imho eine ziemlich unpassende Hirn/Computer-Analogie nahe. |
Ich sagte ja: Das ist ein völlig unbegründeter und unzulässiger Transfer der Informatik auf Gebiete der Biologie und eben auch der Gesellschaft und Kultur, deren Strukturen jeweils ganz andere sind. |
Toll, was Du alles sagtest. Sinnvoll innerhalb einer Diskussion mit Leuten abweichender Meinung ist soetwas allerdings nur, wenn man es begründet - ansonsten bleibt es eine Flatulenz.
Er-Win hat zwar mit seinem *imho etwas vorgebaut, aber im Prinzip sagt er damit mehr über seine eingeschränkte Vorstellung davon, was ein Computer ist, als zum Thema.
Er_Win hat folgendes geschrieben: | Ich würde formulieren:
das Gehirn ist eine komplexe, selbstorganisationsfähige Struktur, die wesentlich unser Bewußtsein ermöglicht.
.... |
Wunderschöner Schwamm, den Du tatsächlich mit Worten ausdrückst. Was ist Bewusstsein? Es geht dabei nicht darum, das erschöpfend zu erklären, es reicht ein Teilaspekt. was macht diese selbstorganisationsfähige Struktur? Ist sie mit dieser Selbstorganisation ausgelastet?
Ich hatte den Satz ja auch schon weiter erläutert, weil ich vermutete, zeligs Kritik sei die gleiche:
fwo hat folgendes geschrieben: | ....
zelig hat folgendes geschrieben: | .....
fwo hat folgendes geschrieben: | Das Gehirn ist die Maschine, auf der Dein Bewusstsein läuft. Zwangsläufig ist es dann so, dass all das, was Du weißt, in irgendeiner Art im Gehirn gespeichert sein muss. |
Ich verstehe was Du meinst. Aber das Bild - oder meinst Du die Aussage etwa wörtlich? - transportiert eine Menge Voraussetzungen und Assoziationen, mit denen ich nicht einverstanden bin. Das wird Dir klar sein. Das Problem an dieser Stelle ist aber nicht die sachliche Differenz zwischen uns, sondern daß das Bild eine Auseinandersetzung über das sogenannte Mem erst gar nicht zulässt. |
Das musst Du mir näher erklären:
Tiere nehmen Daten auf und prozessieren sie. Dadurch produzieren sie Handlungen, die zur Situation passen.
Tiere sind also datenverarbeitende Strukturen, d.h. sie sind eine Hardware, auf der ein Programm läuft. Wenn Du mit dieser funktionalen Beschreibung nicht einverstanden bist, erkläre, warum die Handlungen von Tieren so gut zur Situation passen, dass wir mit Tieren reproduzierbare Versuche anstellen können.
Menschen sind besondere Tiere, die in der Lage sind, Informationen auf einer Symbolebene zu prozessieren. Bei uns existiert also außer dem Standardprogramm aller Tiere noch ein Symbolprozessor, ein Interpreter für das Symbolsystem, das die menschliche Sprache darstellt.
Wenn Du mit dieser funktionalen Beschreibung nicht einverstanden bist, erkläre, warum Du versuchst, Dich mit mir zu unterhalten. |
@ Skeptiker: Du als Fachmann für unzulässige Transfers wirst diesen urprünglich an Zelig adressierten Post bestimmt gut übernehmen können.
btw: Zitat: | Ich definiere: Kapital ist das Produkt aus der Masse und der Zahl der Enden eines Hirschgeweihs. Wer also viel Kapital an der Wand hat, hat einfach viele Hirsche geschossen und Marx' gesammelte Werke sind deshalb einfach nur Unsinn. |
Was will Dir der Dichter damit sagen?
_________________ Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.
The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.
Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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smallie resistent!?
Anmeldungsdatum: 02.04.2010 Beiträge: 3726
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(#2042105) Verfasst am: 31.01.2016, 17:52 Titel: |
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Hab's bis Seite 60 überflogen.
Mir fehlt dabei das praktische, empirische Element. Einfach drauflos zu spekulieren, ohne konkrete Beispiele zu nennen, das kann fürchterlich schnell in die Hose gehen. Da borge ich mir gerne dein Popper-Zitat.
Eine Sache ist mir aufgefallen.
Marcellinus hat folgendes geschrieben: | „Die Anwendung des darwinistischen Paradigmas auf den sozialen Wandels steht vor einem Dilemma. Wenn auf der einen Seite versucht wird, in enger Analogieführung die darwinschen Mechanismen im Sozialen zu verorten, werden sich aufgrund der grundsätzlich anderen Beschaffenheit des sozialen Gegenstandes im Vergleich zum biologischen die Analogien nicht lange durchhalten lassen, und eine derartige Theorie sozialer Evolution wird scheitern. Wenn auf der anderen Seite versucht wird, diesen Besonderheiten des Sozialen gerecht zu werden, indem die darwinistischen Mechanismen entsprechend angepasst und erweitert werden, verschwindet der Darwinismus bei zunehmender Anpassung in seiner ursprünglichen zwingenden Klarheit und Plausibilität immer mehr bis hin zu dem Punkt, an dem nur noch eine Beschreibung sozialen Wandels übrig bleibt. Hat dabei dann der Begriff der Evolution dem der Entwicklung nichts mehr voraus, ist eine der artige Theorie sozialer Evolution ebenfalls gescheitert.“ (S. 11)
Oder in Kurzform: „Theorien sozialer Evolution mit engen Analogien scheitern am andersartigen Anwendungsgegenstand; Theorien, die sich ihm anpassen, gehen im Zuge dessen ihres evolutionstheoretischen Charakters verlustig.“ (S. 12) |
Da verstecken sich zwei Bedeutungen des Sozialen. Erstens "sozialer Wandel" (Leibeigenschaft -> Menschenrechte -> Frauenwahlrecht), der sich eigentlich nur beim Menschen findet. Zweitens soziale Evolution wie in "soziale Insekten" etc. Bevor du wieder sagst, dich interessierten Ameisen nicht, sage ich schnell, daß es dabei nicht um Biologie geht, sondern um "Spieltheorie".
Sollte es am Ende der Dawkinssche Begriff vom "egoistische Gen" sein, der den Blick auf die durchgängige Analogie von Sozial (II) verstellt?
Stephan S. W. Müller fasst Dawkins so zusammen, gefolgt von einem Dawkins-Zitat:
Theorien sozialer Evolution hat folgendes geschrieben: | Ferner ist [einem Gen] eine weitere, wichtige Eigenschaft zu eigen: Es ist egoistisch. Auf der Ebene der Gene bedeutet Egoismus zu versuchen, die eigene Überlebenswahrscheinlichkeit zu steigern; denn Überleben heißt für ein Gen, zum Nachteile seiner Allele den Platz auf den Chromosomen zukünftiger Generationen zu erhalten.
Zitat: | Jedes Gen, welches sich so verhält, daß es seine eigenen Überlebenschancen im Genpool auf Kosten seiner Allele vergrößert, wird definitionsgemäß dazu neigen zu überleben - das ist eine Tautologie. Das Gen ist die Grundeinheit des Eigennutzes. |
S. 32/33
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Das mag die gängige, populäre Darstellung sein. Trotzdem ist sie grob irreführend.
Beispiel Sichelzellenanämie. Soll man wirklich sagen, die auslösende Mutation wolle sich egoistisch gegen das unveränderte Allel durchsetzen? Im Allgemeinen herrscht bei der Meiose eine strikte 50/50-Verteilung zwischen den diploiden Allelen von Vater und Mutter. Sichelzellen-Gene betreiben keinen Genozid an ihren Komplementär-Genen. Es ist die Malaria, die den "Genozid" an den Trägern nicht mutierter Gene betreibt. Schon von daher hinkt Dawkins Metapher
Das besonders Dumme an der Sprechweise Dawkins ist, daß es tatsächlich ultra-egoistische Gene gibt, bei denen seine Metapher wörtlich verwirklicht ist. Stichwort intragenomischen Konflikt wie meiotic drive oder segregation distortion In beiden Fällen versucht ein Gen, sich auf Kosten anderer durchzusetzen.
Sehr gekürzt übersetzt:
Zitat: | Der Kampf der Geschlechter
1925 sammelte der russische Genetiker Sergey Gershenson 19 weibliche Fruchtfliegen. Im Labor paarte er sie mit männlichen Exemplaren. Nach zwei Generationen zeugten die sonst gesunden Männchen überwiegend weibliche Nachkommen.
Gershenson führte die Abweichung auf die Befruchtung des Eies zurück. Das Ei hat immer ein X-Chromosome. Wenn das Spermium auch ein X-Chromosom trägt, dann entsteht ein XX-Weibchen, wenn es ein Y-Chromosom trägt, entsteht ein XY-Männchen.
Gershensons Weibchen trugen ein Mutation auf ihrem X-Chromosom, das Y-tragende Spermien in den Keimzellen der Männchen angreift. Übrig bleibt eine Mehrheit X-tragender Spermien. Die daraus entstehenden Töchter geben die Mutation an die weniger werdenden Männchen weiter.
Original:
Battle of the Sexes
In the summer of 1925, Russian geneticist Sergey Gershenson collected 19 female fruit flies of the species Drosophila obscura from a forest near Moscow. He brought the captured flies back to his laboratory and mated them with normal males to study their offspring. By the second generation of matings, Gershenson noticed a puzzling trend: some of the male flies were producing almost all female progeny. He repeated the matings to confirm that this was not just an extraordinary coincidence, but the result remained the same. These otherwise healthy males exhibited a shocking propensity to sire daughters.
Gershenson resolved that this abnormality was related to the fertilization of the egg. During mating, a male fly fertilizes the egg with a sperm cell that contains either an X chromosome or its homologue, the Y chromosome. The egg always has an X chromosome, and the content of the sperm determines the gender of the offspring. If the sperm has an X chromosome then the fertilized egg will develop into an XX female, and if it has a Y chromosome it will become an XY male.
[...]
The meiotic driving X chromosome mutation, known as Xd, was attacking and destroying Y-bearing sperm, leaving a vast majority of X-bearing sperm to fertilize the egg. As a result, nearly all of the fertilized eggs received an X chromosome and developed into XdX females. The mutation then lurked in the genome of the daughters, who would mate with healthy males and pass the defective X chromosome to their offspring. As the generations progressed, the number of fathers with the ability to sire sons plummeted, nearly eliminating males from the population entirely .
http://dujs.dartmouth.edu/2008/05/battle-of-the-sexes/#.UNU4mGK4So4 |
Üblicherweise gehen solche Kapriolen einzelner, ultra-egoistischer Gene mit einem Fitnessverlust des ganzen Individuums einher. Deshalb setzen sie sich langfristig nicht durch.
Um die Kurve zurück zum Sozialen zu kriegen. Aus der Warte des einzelnen Gens, ist ein Individuum eine soziale Veranstaltung. Unterschiedliche Gene müssen "kooperieren", um den Fortpflanzungserfolg des Trägers zu garantieren.
Dabei organisieren sich die Träger in immer komplexeren Systemen. Gene in Einzellern. Einzeller zu Vielzeller. Vielzeller in Kolonien, Herden oder Stämmen - so weit die Individuen "sozial" leben. Auf jeder Ebene gilt die Gleichung von Price. Auf jeder Ebene besteht die Gefahr, daß eigennützige Elemente den Altruismus des Gesamtverbandes zu ihrem Vorteil unterlaufen. Auf der Gen-Ebene der erwähnte intragenomische Konflikt, auf Körperebene Krebs, usw.
Das moderne Credo der Evolutionsbiologie - zumindest des Teils, der sich nicht vom Dawkinsschen Irrtum hat anstecken lassen - :
Egoismus schlägt Altruismus innerhalb einer Gruppe.
Altruistische Gruppen schlagen egoistische zwischen Gruppen.
Dawkins selbst schreibt im Vorwort zu einer Neuauflage von "Das egoistische Gen", das Buch hätte genau so gut "Das altruistische Gen" heißen können. Auf die öffentliche Debatte scheint das recht wirkungslos geblieben zu sein.
Bei Müller folgen nach obigem Zitat diese Zeilen:
Theorien sozialer Evolution hat folgendes geschrieben: | Gene können sich aber auch mit anderen Genen zu Gruppen zusammenschließen und eine gemeinsame (phänotypische) Wirkung entfalten. In diesem Fall kann man die ganze Gruppe als ein Gen betrachten. |
Das lasse ich wegen drohender Überlänge unkommentiert.
Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Als Antwort auf dieses Problem versteht sich offenbar das Buch von Peter Mersch: Systemische Evolutionstheorie: Eine systemtheoretische Verallgemeinerung der Darwinschen Evolutionstheorie. |
Der Kerl. (Jetzt wäre mir fast Spinner rausgerutscht. )
Er meint unter anderem, man solle Frauen mit einem großzügigen Familiengeld ausstatten für jedes Kind, das sie großziehen. Wohlgemerkt nicht alle Frauen, sondern nur solche auf hohem Intelligenz-, Bildungs- oder Fähigkeitsniveau. Durch sexuelle Selektion würden diese Frauen dann die fähigsten Männchen als Väter für ihre Kinder auswählen, was die Gesamtfitness in der Gesellschaft erhöhen würde.
_________________ "There are two hard things in computer science: cache invalidation, naming things, and off-by-one errors."
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#2042228) Verfasst am: 31.01.2016, 22:43 Titel: |
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smallie hat folgendes geschrieben: |
Da verstecken sich zwei Bedeutungen des Sozialen. Erstens "sozialer Wandel" (Leibeigenschaft -> Menschenrechte -> Frauenwahlrecht), der sich eigentlich nur beim Menschen findet. Zweitens soziale Evolution wie in "soziale Insekten" etc. Bevor du wieder sagst, dich interessierten Ameisen nicht, sage ich schnell, daß es dabei nicht um Biologie geht, sondern um "Spieltheorie". |
Ich finde Ameisen auch interessant, aber Menschen und die Gesellschaften, die sie miteinander bilden, interessieren mich eben mehr, oder wie du es nennst, Soziales (I). Ich kann jetzt nicht auf jede einzelne Bemerkung von dir eingehen, auch wenn ich sie mit Interesse gelesen habe, aber zwei möchte ich doch herausgreifen, zum einen:
Egoismus schlägt Altruismus innerhalb einer Gruppe.
Altruistische Gruppen schlagen egoistische zwischen Gruppen.
Darüber muß ich noch einmal nachdenken. Ich bin nicht ganz sicher, ob das in Menschengruppen immer gilt, auch wenn mir spontan ein paar bestätigende Beispiele einfallen.
Zum anderen, und aus meiner Sicht wichtiger:
smallie hat folgendes geschrieben: |
Um die Kurve zurück zum Sozialen zu kriegen. Aus der Warte des einzelnen Gens, ist ein Individuum eine soziale Veranstaltung. Unterschiedliche Gene müssen "kooperieren", um den Fortpflanzungserfolg des Trägers zu garantieren.
Dabei organisieren sich die Träger in immer komplexeren Systemen. Gene in Einzellern. Einzeller zu Vielzeller. Vielzeller in Kolonien, Herden oder Stämmen - so weit die Individuen "sozial" leben. |
Worum es mir hier geht, ist die Tatsache, daß auf jeder dieser, ich nenne es mal Integrationsebenen die Bestandteile, die ein neues, komplexeres System bilden, weitgehend ihre ehemals vorhandene Selbständigkeit verlieren, und dafür Eigenschaften entwickeln, die sich nicht auf die Eigenschaften ihre ehemals selbständigen Bestandteile reduzieren lassen.
So bilden auch Menschen miteinander komplexe Systeme, die Eigenschaften haben, die man nicht verstehen kann, wenn man sich nur einzelne Menschen ansieht. Das ist zwar bei den Ameisen so ähnlich, nur daß Ameisen immer wieder die gleichen Ameisengesellschaften bilden, weshalb es reicht, wenn man sich eine Königin und ein paar Arbeiterinnen nimmt, um einen neuen Staat zu gründen, der nach einiger Zeit weitgehend genauso funktioniert, wie der, aus dem sie genommen wurden.
Wenn wir uns dagegen aus einem beliebigen Menschenstaat ein paar Individuen herausgreifen und auf einer einsamen Insel aussetzen, wird eine ganz andere Gesellschaftsform entstehen als die, aus der sie kamen, und das umso mehr, je komplexer ihre Ursprungsgesellschaft war. Menschengesellschaften bestehen zwar ausschließlich aus Menschen, aber eben in einer bestimmten Anordnung, in einer bestimmten Figuration, mit materiellen wie gedanklichen Werkzeugen, die ab einer gewissen Entwicklungsstufe von keinem einzelnen Menschen allein mehr beherrscht werden kann.
Diese Figurationen verändern, entwickeln sich, schon allein dadurch, daß neue Menschen durch Geburt oder Zuwanderung hinzukommen, und alte sie durch Abwanderung oder Tod verlassen, und es verändern sich auch die sie bildenden Menschen, indem sie in diese Gesellschaft hineinwachsen, oder sich gegenseitig beeinflussen und älter werden. Diese beiden Veränderungsströme, die der Figurationen und der einzelnen Menschen, sind abhängig von einander, aber verlaufen nicht mit der gleichen Geschwindigkeit. Im Normalfall verändern sich die Figurationen weit langsamer als die sie bildenden Menschen.
Aber es gibt auch Fälle, in denen es umgekehrt ist, in denen sich die Figurationen schneller verändern als die Menschen. Meistens sind das Katastrophen, menschengemachte oder auch nicht, oder werden zumindest von vielen so empfunden. Kriege und Revolutionen fallen darunter, wenn die Beziehungsmuster, die Menschen miteinander bilden, gewaltsam zerschlagen werden, und meistens nicht so schnell in eine neue Form finden, in der die Menschen weitgehend reibungslos miteinander leben können. Selbst wenn die Veränderung sich auf Dauer als nützlich erweisen, dauert es oft zwei bis drei Generationen, bis sich die individuellen Handlungsmuster der einzelnen Menschen und die Beziehungsmuster zwischen ihnen aufeinander eingespielt haben.
Wir nennen das dann oft verharmlosend „sozialen Wandel“ und du verwendest den Begriff ja auch, als wenn Gesellschaften normalerweise starre, stabile Systeme sind, die nur gelegentlich durch eine Phase „sozialen Wandels“ gehen, um dann einen neuen, stabilen Zustand zu erreichen. Die Systemtheorie Parsons’ und Lehmanns lebt von solchen Vorstellungen, wohl im Kontrast zur Marx’schen Revolutionstheorie. Dabei sind Gesellschaften, wie menschliche Figurationen allgemein, niemals stabil, können es gar nicht sein, schon allein, weil die Menschen, die sie bilden, sich ständig verändern und wechseln. (Es wäre interessant zu untersuchen, wie Eingeborenengesellschaften, die es ja heute noch vereinzelt gibt, mit solchen Veränderungstendenzen umgehen.)
Nur, um die Kurve zurück zur Biologie zu bekommen, die „komplexen Systeme“ der Menschenwelt, das, was ich Figurationen genannt habe, um auf keinen der vorgeprägten Begriffe wie Staat oder Gesellschaft zurückgreifen zu müssen, haben eben andere Eigenschaften als die komplexen System der nichtmenschlichen Natur. Und weil sie andere Eigenschaften haben, braucht es auch andere Begriffe und Modelle, um ihre Entwicklung zu beschreiben. Aber neben diesen Unterschieden gibt es sicher auch Gemeinsamkeiten. Menschen sind eben auch Teil der biologischen Natur, und teilen daher mit ihr Eigenschaften.
Aber das Problem (wenn es denn eines ist) hat die Biologie ja auch gegenüber der Physik. Auf jeder der Integrationsebenen unseres Universums sind mit zunehmend komplexeren Systemen neue Eigenschaften entstanden, die sich nicht aus den Eigenschaften ihrer Bestandteile erklären lassen und es notwendig machen, sie in unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen mit unterschiedlichen Methoden, Modelle und Theorien zu beschreiben. Unterschiedlich, aber nicht absolut getrennt, denn auch die Welt, die wir miteinander bilden, ist es nicht.
_________________ "Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."
Friedrich Nietzsche
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Er_Win dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 31.01.2008 Beiträge: 4482
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(#2042235) Verfasst am: 31.01.2016, 23:34 Titel: |
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fwo hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: | ....
Er_Win hat folgendes geschrieben: | fwo hat folgendes geschrieben: | Das Gehirn ist die Maschine, auf der Dein Bewusstsein läuft. Zwangsläufig ist es dann so, dass all das, was Du weißt, in irgendeiner Art im Gehirn gespeichert sein muss. |
Der erste Satz legt *imho eine ziemlich unpassende Hirn/Computer-Analogie nahe. |
Ich sagte ja: Das ist ein völlig unbegründeter und unzulässiger Transfer der Informatik auf Gebiete der Biologie und eben auch der Gesellschaft und Kultur, deren Strukturen jeweils ganz andere sind. |
Toll, was Du alles sagtest. Sinnvoll innerhalb einer Diskussion mit Leuten abweichender Meinung ist soetwas allerdings nur, wenn man es begründet - ansonsten bleibt es eine Flatulenz.
Er-Win hat zwar mit seinem *imho etwas vorgebaut, aber im Prinzip sagt er damit mehr über seine eingeschränkte Vorstellung davon, was ein Computer ist, als zum Thema.
Er_Win hat folgendes geschrieben: | Ich würde formulieren:
das Gehirn ist eine komplexe, selbstorganisationsfähige Struktur, die wesentlich unser Bewußtsein ermöglicht.
.... |
Wunderschöner Schwamm, den Du tatsächlich mit Worten ausdrückst. Was ist Bewusstsein? Es geht dabei nicht darum, das erschöpfend zu erklären, es reicht ein Teilaspekt. was macht diese selbstorganisationsfähige Struktur? Ist sie mit dieser Selbstorganisation ausgelastet?
|
Naja, dann gerne drastischer: der von dir formulierte Teilaspekt es sei eine Maschine, auf der (das Programm?) Bewußtsein läuft ist schlicht falsch bzw. stimmt in keiner Weise mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Art der Selbstorganisation im Hirn überein.
Und da du mich schon bisweilen als Physiker tituliert hast - dem ist nicht so: ich bin vom Studium her theoretisch/technischer Mathematiker und Informatiker.
Warum wohl meinst du, versucht man beim HBP eine Struktur nachzubauen, um deren Selbstorganisationsverhalten zu untersuchen, statt eine Bot-Heuristik zu programmieren, die den Turing-Test besteht ?
So wird das letzte Jahrzehnt des zweiten Jahrtausends zur Dekade des Gehirns erklärt, in dem unserem Denkorgan mit vereinten wissenschaftlichen Kräften seine letzten Geheimnisse entlockt werden sollen. Nach dem darauffolgenden Jahrzehnt der Ernüchterung in den Neurowissenschaften würde heute niemand mehr diese vollmundige Prognose unterschreiben.
[...]
Nüchtern betrachtet, besteht die Geschichte der Hirnforschung letztlich in der Abfolge verschiedener Metaphern mit begrenztem Erklärungspotenzial. Das Hirn funktioniert wie ein Römischer Brunnen, wie eine Orgel, wie eine Maschine, wie ein Telefgraf, wie ein Computer und wie das Internet.
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26443
Wohnort: im Speckgürtel
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(#2042263) Verfasst am: 01.02.2016, 00:45 Titel: |
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Er_Win hat folgendes geschrieben: | fwo hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: | ....
Er_Win hat folgendes geschrieben: | fwo hat folgendes geschrieben: | Das Gehirn ist die Maschine, auf der Dein Bewusstsein läuft. Zwangsläufig ist es dann so, dass all das, was Du weißt, in irgendeiner Art im Gehirn gespeichert sein muss. |
Der erste Satz legt *imho eine ziemlich unpassende Hirn/Computer-Analogie nahe. |
Ich sagte ja: Das ist ein völlig unbegründeter und unzulässiger Transfer der Informatik auf Gebiete der Biologie und eben auch der Gesellschaft und Kultur, deren Strukturen jeweils ganz andere sind. |
Toll, was Du alles sagtest. Sinnvoll innerhalb einer Diskussion mit Leuten abweichender Meinung ist soetwas allerdings nur, wenn man es begründet - ansonsten bleibt es eine Flatulenz.
Er-Win hat zwar mit seinem *imho etwas vorgebaut, aber im Prinzip sagt er damit mehr über seine eingeschränkte Vorstellung davon, was ein Computer ist, als zum Thema.
Er_Win hat folgendes geschrieben: | Ich würde formulieren:
das Gehirn ist eine komplexe, selbstorganisationsfähige Struktur, die wesentlich unser Bewußtsein ermöglicht.
.... |
Wunderschöner Schwamm, den Du tatsächlich mit Worten ausdrückst. Was ist Bewusstsein? Es geht dabei nicht darum, das erschöpfend zu erklären, es reicht ein Teilaspekt. was macht diese selbstorganisationsfähige Struktur? Ist sie mit dieser Selbstorganisation ausgelastet?
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Naja, dann gerne drastischer: der von dir formulierte Teilaspekt es sei eine Maschine, auf der (das Programm?) Bewußtsein läuft ist schlicht falsch bzw. stimmt in keiner Weise mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Art der Selbstorganisation im Hirn überein.
Und da du mich schon bisweilen als Physiker tituliert hast - dem ist nicht so: ich bin vom Studium her theoretisch/technischer Mathematiker und Informatiker.
Warum wohl meinst du, versucht man beim HBP eine Struktur nachzubauen, um deren Selbstorganisationsverhalten zu untersuchen, statt eine Bot-Heuristik zu programmieren, der den Turing-Test besteht ?
So wird das letzte Jahrzehnt des zweiten Jahrtausends zur Dekade des Gehirns erklärt, in dem unserem Denkorgan mit vereinten wissenschaftlichen Kräften seine letzten Geheimnisse entlockt werden sollen. Nach dem darauffolgenden Jahrzehnt der Ernüchterung in den Neurowissenschaften würde heute niemand mehr diese vollmundige Prognose unterschreiben.
[...]
Nüchtern betrachtet, besteht die Geschichte der Hirnforschung letztlich in der Abfolge verschiedener Metaphern mit begrenztem Erklärungspotenzial. Das Hirn funktioniert wie ein Römischer Brunnen, wie eine Orgel, wie eine Maschine, wie ein Telefgraf, wie ein Computer und wie das Internet. | grün von mir
Das ist aber immer noch kein Widerspruch zu dem was ich formuliert habe, ich habe da ganz explizit keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. Und Maschine meint hier einfach Hardware, aber als biologische Hardware natürlich nichts Starres. Lies mal meinen nächsten Post, nach dem, den Du beantwortet hast, da wird das noch deutlicher. Worauf es mir ankommt, sind bestimmte Funktionen. Dass das Teil noch erheblich komplexer ist, darüber bin ich mir im Klaren.
Ich bin nur der Meinung, dass man nicht aus Ehrfurcht vor dem Nichtdurchschauten die bereits erkannten Eigenschaften unerwähnt lassen sollte. Und wenn ich eine Metapher für die Eigenschaft nehme, um die es mir gerade geht, ist das so lange richtig, solange ich nicht beanspruche, das Hirn in seiner Gesamtheit damit zu beschreiben. Das können wir auch bei den anderen Tieren ohne den "aufgesetzten Sprachinterpreter" noch nicht, der ja auch noch viel mehr ist: Schon indem wir beschließen, über etwas nachzudenken, "programmieren" wir uns selbst. Zumindest ich weiß bisher nichts von einem programmtechnischen Äquivalent.
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Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#2042320) Verfasst am: 01.02.2016, 12:50 Titel: |
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fwo hat folgendes geschrieben: |
Was man sich dabei auch ins Gedächtnis rufen sollte, ist, dass die ersten Menschen, die individuell erworbene Handlungsmuster in die nächste Generation tradiert haben, keine reflektierenden Menschen waren: Wenn wir uns vostellen wollen, wie die das gemacht haben, sollten wir nicht uns an Ihre Stelle versetzen, sondern uns da eher einen greingfügig modifizierten Schimpansen vorstellen. Die Versuche aus der Psychologie zu diesem Thema sind insofern einfach irrelevant, weil die zwangsläufig nur mit normal sozialisierten Menschen arbeiten können, die - genauso zwangsläufig - völlig anders funktionieren: Wir erleben die Welt über ein Bewusstsein, das mit einem sprachgesteuerten Intellekt arbeitet.
Und da taucht dann meine Frage auf: Nachdem der Mensch angefangen hatte, individuell erworbene Handlungsmuster in die nächste Generation zu tradieren, also Kultur zu akkumulieren, hatte er nich nicht den Bewertungsapparat für diese Handlungen, den wir heute haben. Er hatte zwar die Sensorik, einen direkten Erfolg oder Misserfolg zu bemerken, aber nicht die Möglichkeit, über geringere Vor- oder Nachteil zu sinnieren. Was sich sehr früh herausgebildet haben muss, war eine hohe Kopiersicherheit in dieser Tradition, sonst hätte kein Vorteil vor dem individuellen Erwerb bestanden. (Man kann diese hohe Sicherheit erahnen, wenn man sieht, welche Schwierigkeiten ein Mensch vom Kaliber zeligs hat, den kindlich erworbenen Gegenstand Gott über Bord zu werfen, obwohl er dessen Unzulänglichkeiten mit Sicheheit besser kennt als die meisten bekennenden Atheisten hier, mich eingeschlossen)
Meine 1. Frage an Euch ist nun, wie Ihr Euch die Entwicklung dieses Bündels an Handlungsmustern, das da tradiert wurde, und das begann, evolutionär "festverdrahtete" Handlungsmuster zu ersetzen, vorstellt, wenn nicht evolutionär? |
Ich denke, da ist ein Gedankenfehler enthalten. Natürlich hatten die Frühmenschen nicht unseren heutigen „Bewertungsapparat“. Aber das heißt nicht, daß sie nicht bewertet hätten. Sie hatten zwar nicht unsere heutigen Möglichkeiten, über Vor- und Nachteile nachzudenken, aber das heißt nicht, daß sie es gar nicht konnten. Schließlich sprichst du zwar von den Vorteilen der „Kopiersicherheit“, aber sagst nicht, worin er bestehen sollte, und vor allem, woher die Frühmenschen eigentlich die Vorstellungen hatten, die sie dann „kopiert“ haben.
In meinen Worten stellt sich das Problem so dar: Menschen sind darauf angewiesen, Vorstellungen und Handlungsweisen zu erlernen, um mit ihren Mitmenschen zurechtzukommen, sich in dieser Welt zu orientieren und in ihr zu überleben. Im Prinzip gilt das für alle Lebewesen, die nicht absolute Nestflüchter sind, nur daß bei Menschen die Erkenntnisfähigkeit wie -notwendigkeit besonders ausgeprägt ist.
Diese Fähigkeiten haben Menschen entwickelt, weil sie ihnen einen Überlebensvorteil sicherten. Das bedeutet, daß diese Fähigkeiten realistische Gehalte enthalten haben müssen, Gehalte, die man nicht durch bloßes Hinsehen erhalten haben kann, denn dann hätten sie auch Tiere gehabt, und die geistigen Fähigkeiten der Menschen wären überflüssig gewesen, und auch nicht bloßer Zufall. Diese Frühmenschen waren auch keineswegs primitiv. Wer auch nur einmal versucht hat sich vorzustellen, was es alles braucht, um ein einer fremden, lebensfeindlichen Umwelt zu überleben, dem ist klar, daß sie zwar vieles nicht wußten, was wir heute wissen, aber dafür eine Fülle von Wissen hatten, die uns heute vollkommen abgeht.
Was ist Wissen? Kurz gefaßt: Wissen sind Modelle von Zusammenhängen zwischen beobachtbaren Tatsachen. Und diese Zusammenhänge konstruiert unser Gehirn am laufenden Band, zwischen einem Schnaufen und einem möglichen Raubtier, zwischen dem Mond und unserem Verhalten, zwischen allem, was zeitlich oder räumlich nah beieinander liegt. Kurzum: Wir konstruierten mögliche Zusammenhänge mit Hilfe unserer Fantasie. Und diese Fantasievorstellungen müssen sich an der Wirklichkeit bewähren. Je mehr wir wissen, umso mehr enthalten unsere Vorstellungen eine Mischung aus realistischen und fantastischen Gehalten. Aber verschwinden tun diese Fantasiegehalte vermutlich nie. Sie werden höchstens kleiner. Aber wie groß oder wie klein unsere Irrtümer sind, erfahren wir eigentlich erst, wenn wir uns den Kopf daran stoßen.
Das ist der Grund, warum Menschen die Fähigkeit besitzen, Wissen weiterzugeben, und von unserer Elterngeneration zu lernen. Weil dieses Wissen notwendig war zum Überleben (nicht notwendigerweise zur Erkenntnis). Bei dieser Weitergabe von Wissen, die eben etwas anderes ist als bloßes Kopieren, sondern ein wechselseitiger Prozeß der Verständigung zwischen Menschen, hatten und haben wir erst einmal keine Möglichkeit, zwischen realistischen und fantastischen Gehalten zu unterscheiden. Solange der Medizinmann seinen Regentanz macht, und nach einer gewissen Zeit auch Regen kommt, ist dieses „Wissen“ aus seiner Sicht genauso realistisch wie das Wissen darum, wie man Feuer macht.
Die allermeisten Vorstellungen dieser Menschen waren aber realistisches, lebensnotwendiges Wissen, wie man ein Tier jagt, regendichte Kleidung anfertigt, wie und wo man eine Behausung baut, oder eine Knochenbruch behandelt. Das zu lernen, war kein bloßes, verständnisloses Kopieren. Wie ein Faustkeil gemacht wird, das konnte und mußte man bei seinem Vater oder Onkel sehen, nachmachen, lernen, und wenn man es falsch machte, sah man seinen Misserfolg. Alle diese Tätigkeiten setzten nicht nur genaue Beobachtung, sondern viel Übung und Voraussicht voraus, von dem Wissen um mögliche Fundstellen des Feuersteins, über die Auswahl des geeigneten Materials bis hin zur richtigen Schlagtechnik. Nichts davon könnte einer von uns heute, ohne es sich mühsam selbst beigebracht zu haben, und wir wissen um das Ergebnis. Die Frühmenschen haben sich das über Generationen mühsam erarbeitet, per Versuch und Irrtum. (Meines Wissens hat es übrigens noch keinen erfolgreichen Versuch von Neuzeitmenschen geben, mit den Mitteln zB der Jungsteinzeit über längere Zeit zu überleben, ohne sich von außen helfen zu lassen. Soviel dazu, daß die Steinzeitmenschen über kein realistisches Wissen verfügten)
Das ist übrigens auch der Weg, wie wir dazulernen, in dem unsere Wirklichkeit mit unseren tradierten Vorstellungen kollidiert. Wer einmal Kinder beim Lernen beobachtet hat, stellt ziemlich schnell fest, daß das ein durchaus aktiver und kreativer Prozeß ist, der mit bloßem Kopieren nicht viel zu tun hat, und bei dem die Überzeugung des Lehrenden, die richtigen Vorstellungen zu haben, keineswegs ausreicht, wenn die entsprechende Überzeugung des Lernenden nicht dazukommt. Was also den Fall zeligs betrifft, der ja auch von dir wohl nur stellvertretend für andere Gläubige gemeint ist, so vermute ich, daß für ihn zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt die „Unzulänglichkeiten“ seiner religiösen Vorstellungen deren Vorteile, deren „Glaubwürdigkeit“ nicht aufwiegen, oder ihn die angebotenen Alternativen einfach nicht überzeugen.
Das ist ein Bewertungsprozeß, und dabei hat natürlich eine besondere Bedeutung, was wir in unserer Kindheit und Jugend gelernt haben, und was uns seitdem wichtig erscheint. Daran besteht kein Zweifel. Aber eben auch, welche Erfahrungen wir machen, was wir daraus für Schlüsse ziehen, und welche Vorstellungen sich unserer Ansicht nach bewährt haben, und welche nicht. Es ist eben kein bloßer Kopiervorgang, sonst wäre nicht zu erklären, warum sich von Generation zu Generation Vorstellungen verändern, abschwächen oder zunehmen.
_________________ "Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."
Friedrich Nietzsche
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26443
Wohnort: im Speckgürtel
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(#2042338) Verfasst am: 01.02.2016, 15:10 Titel: |
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Marcellinus hat folgendes geschrieben: | fwo hat folgendes geschrieben: |
Was man sich dabei auch ins Gedächtnis rufen sollte, ist, dass die ersten Menschen, die individuell erworbene Handlungsmuster in die nächste Generation tradiert haben, keine reflektierenden Menschen waren: Wenn wir uns vostellen wollen, wie die das gemacht haben, sollten wir nicht uns an Ihre Stelle versetzen, sondern uns da eher einen greingfügig modifizierten Schimpansen vorstellen. Die Versuche aus der Psychologie zu diesem Thema sind insofern einfach irrelevant, weil die zwangsläufig nur mit normal sozialisierten Menschen arbeiten können, die - genauso zwangsläufig - völlig anders funktionieren: Wir erleben die Welt über ein Bewusstsein, das mit einem sprachgesteuerten Intellekt arbeitet.
Und da taucht dann meine Frage auf: Nachdem der Mensch angefangen hatte, individuell erworbene Handlungsmuster in die nächste Generation zu tradieren, also Kultur zu akkumulieren, hatte er nich nicht den Bewertungsapparat für diese Handlungen, den wir heute haben. Er hatte zwar die Sensorik, einen direkten Erfolg oder Misserfolg zu bemerken, aber nicht die Möglichkeit, über geringere Vor- oder Nachteil zu sinnieren. Was sich sehr früh herausgebildet haben muss, war eine hohe Kopiersicherheit in dieser Tradition, sonst hätte kein Vorteil vor dem individuellen Erwerb bestanden. (Man kann diese hohe Sicherheit erahnen, wenn man sieht, welche Schwierigkeiten ein Mensch vom Kaliber zeligs hat, den kindlich erworbenen Gegenstand Gott über Bord zu werfen, obwohl er dessen Unzulänglichkeiten mit Sicheheit besser kennt als die meisten bekennenden Atheisten hier, mich eingeschlossen)
Meine 1. Frage an Euch ist nun, wie Ihr Euch die Entwicklung dieses Bündels an Handlungsmustern, das da tradiert wurde, und das begann, evolutionär "festverdrahtete" Handlungsmuster zu ersetzen, vorstellt, wenn nicht evolutionär? |
Ich denke, da ist ein Gedankenfehler enthalten. Natürlich hatten die Frühmenschen nicht unseren heutigen „Bewertungsapparat“. Aber das heißt nicht, daß sie nicht bewertet hätten. Sie hatten zwar nicht unsere heutigen Möglichkeiten, über Vor- und Nachteile nachzudenken, aber das heißt nicht, daß sie es gar nicht konnten. Schließlich sprichst du zwar von den Vorteilen der „Kopiersicherheit“, aber sagst nicht, worin er bestehen sollte, und vor allem, woher die Frühmenschen eigentlich die Vorstellungen hatten, die sie dann „kopiert“ haben. |
Das ist, was ich meine, wenn ich sage, wir sollten nicht uns an ihre Stelle versetzen. Das, was Du unter Vorstellung verstehst, ist sprachlich prozessiert. Die erste feststellbare nachhaltige Tradition in unserer Ahnenreihe ist das Steineschlagen. Zur Einordnung: Oldowan, ca 2.5 Mio vor unserer Zeit. Wir befinden uns am Übergang vom Austalopithecinen zum Homo.
Marcellinus hat folgendes geschrieben: | In meinen Worten stellt sich das Problem so dar: Menschen sind darauf angewiesen, Vorstellungen und Handlungsweisen zu erlernen, um mit ihren Mitmenschen zurechtzukommen, sich in dieser Welt zu orientieren und in ihr zu überleben. Im Prinzip gilt das für alle Lebewesen, die nicht absolute Nestflüchter sind, nur daß bei Menschen die Erkenntnisfähigkeit wie -notwendigkeit besonders ausgeprägt ist. |
Da tauchen schon wieder die Vorstellungen auf. Die sind aber eine ziemlich neue Errungenschaft. Im Verhalten einer Katze, ich nehme jetzt ein als relativ schlau bekanntes Raubtier, kann ich "Vorstellungen" zur räumlichen Umgebung nachweisen. Aber zu mehr? Da reichen im Großen und Ganzen Auslösermechanismen, das Verhalten zu erklären. Die können bei einer Katze schon sehr komplex sein, aber das ist auch alles. Und es ist schon relativ "modern", wenn diese Auslösermechanismen in der Individualentwicklung über Konditionierung entwickelt werden und nicht angeboren sind.
Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Diese Fähigkeiten haben Menschen entwickelt, weil sie ihnen einen Überlebensvorteil sicherten. Das bedeutet, daß diese Fähigkeiten realistische Gehalte enthalten haben müssen, Gehalte, die man nicht durch bloßes Hinsehen erhalten haben kann, denn dann hätten sie auch Tiere gehabt, und die geistigen Fähigkeiten der Menschen wären überflüssig gewesen, und auch nicht bloßer Zufall. Diese Frühmenschen waren auch keineswegs primitiv. Wer auch nur einmal versucht hat sich vorzustellen, was es alles braucht, um ein einer fremden, lebensfeindlichen Umwelt zu überleben, dem ist klar, daß sie zwar vieles nicht wußten, was wir heute wissen, aber dafür eine Fülle von Wissen hatten, die uns heute vollkommen abgeht. |
Wir finden tatsächlich ein erstaunliches "Wissen" auch bei Orangs. Dieses Wissen betrifft sowohl die Auswahl der Pflanzen, die sie essen, wie auch Ort und Zeit, in denen sie zur Verfügung stehen. Ich habe dieses Wissen mit Absicht in Anführungszeichen gesetzt, weil wir nicht wissen, woher sie es haben. Es ist durchaus möglich, dass das kein Wissen in unserem Sinn ist, sondern, dass sie genetisch einfach auf bestimmte Stoffe eingestellt sind, an denen sie das für sie bekömmliche "erkennen". Auch wir besitzen noch derartiges genetisches Wissen von der Welt: Schwefelwasserstoff löst bei uns Entfernungs- oder Fluchtreaktionen aus. Ohne, dass wir uns vorstellen warum. In unserem Sinne wissen tun wir es erst seit kurzer Zeit, dass dieses Gas, das wir fast auf der Molekülebene bereits wahrnehmen, sehr giftig ist. Die Scherze, die wir uns als Schüler mit der Herstellung dieses Stoffes (Stinkbombe) gemacht haben, haben wir nur deshalb überlebt, weil diese Reaktion alles andere als quantitativ verläuft. Das Wesentliche, was der Orang für diese Fähigkeiten braucht, ist wahrscheinlich eine zur Katze noch erweiterte räumliche Repräsentation. Und sie haben mit Sicherheit einen gegenüber der Katze noch stark erhöhten Anteil an individuell erworbenen Konditionierungen. Aber diese Konditionierungen erfordern (auch bei uns) nicht unser Bewusstsein und unsere Vorstellungen. Es handelt sich um positive Erfahrungen (schmeckt gut bzw. der Geschmack löst ein zerebrales Belohnungssystem aus); das Reizmuster, d.h. die Situation wird direkt mit der Belohnung verknüpft. Diese Situation wird wieder aufgesucht. Oder um schlechte Erfahrungen (Schmerz, schlechtem Geschmack usw. - der Geschmack bitter ist angeborenes Wissen um schädliche Stoffe), die Situation wird dann damit verknüpft und wir erhalten einen Auslöser für Flucht oder Entfernunsreaktionen.
Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Was ist Wissen? Kurz gefaßt: Wissen sind Modelle von Zusammenhängen zwischen beobachtbaren Tatsachen. Und diese Zusammenhänge konstruiert unser Gehirn am laufenden Band, zwischen einem Schnaufen und einem möglichen Raubtier, zwischen dem Mond und unserem Verhalten, zwischen allem, was zeitlich oder räumlich nah beieinander liegt. Kurzum: Wir konstruierten mögliche Zusammenhänge mit Hilfe unserer Fantasie. Und diese Fantasievorstellungen müssen sich an der Wirklichkeit bewähren. Je mehr wir wissen, umso mehr enthalten unsere Vorstellungen eine Mischung aus realistischen und fantastischen Gehalten. Aber verschwinden tun diese Fantasiegehalte vermutlich nie. Sie werden höchstens kleiner. Aber wie groß oder wie klein unsere Irrtümer sind, erfahren wir eigentlich erst, wenn wir uns den Kopf daran stoßen. |
Wir heute : Ja. Dass das nicht so sein muss, habe ich weiter oben klargemacht. Diese Konditionierungen sind übrigens nicht ganz so plump, wie ich sie oben zusammengefasst habe, sondern arbeiten statistisch. Derartige im Unbewussten gesammelte statistische Beobachtungen bilden wahrscheinlich auch den Hintergrund für das, was wir so gerne Bauchgefühl nennen.
Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Das ist der Grund, warum Menschen die Fähigkeit besitzen, Wissen weiterzugeben, und von unserer Elterngeneration zu lernen. Weil dieses Wissen notwendig war zum Überleben (nicht notwendigerweise zur Erkenntnis). Bei dieser Weitergabe von Wissen, die eben etwas anderes ist als bloßes Kopieren, sondern ein wechselseitiger Prozeß der Verständigung zwischen Menschen, hatten und haben wir erst einmal keine Möglichkeit, zwischen realistischen und fantastischen Gehalten zu unterscheiden. Solange der Medizinmann seinen Regentanz macht, und nach einer gewissen Zeit auch Regen kommt, ist dieses „Wissen“ aus seiner Sicht genauso realistisch wie das Wissen darum, wie man Feuer macht. |
Nein. Was am Anfang überhaupt nur tradiert werden konnte, waren Tätigkeiten, kein Wissen in unserem Sinn. Wissen in unserem heutigen Sinn benötigt zwingend Sprache, sowohl für die Weitergabe als auch für die Prozessierung und Speicherung. Sprache in unserem heutigen Sinn gibt es einigermaßen sicher erst seit ca 100.000 Jahren. Die umfasste aber immer noch nur einen Bruchteil unserer heutigen Möglichkeiten. Woher wir das wissen? Sprache fossilisiert nicht, aber ihre Folgen führen zu einem archäologischen Befund: Sobald Sprache nämlich "richtig abgeht", führt sie zu einer für evolutionäre Verhältnisse irrwitzigen Explosion des Wissens der Art, weil individuell gemachte Erfahrungen weitergegeben werden können. Es kommt zu einer gewaltigen Beschleunigung der Akkumulation des Wissens, die sich relativ schnell in archäologisch erkennbaren Fakten niederschlägt. Wir erkennen die Lagerstellen nicht mehr nur an den Steinwerkzeugen und Abfallbergen, sondern die Lager selbst erhalten eine erkennbare Struktur.
Bis zu dieser Funktionalität der Sprache steckt das "Wissen" in der Tätigkeit selbst, die tradiert wurde. Und für alle die Tätigkeiten, die keinen direkt fühlbaren Erfolg gegenüber anderen Tätigkeiten hatten, gilt nicht, dass sie (mit Absicht) tradiert wurden, weil sie gut waren, sondern es gilt: Übrig blieben die Verhaltensweisen, die einen nachhaltigen Vorteil für die Träger hatten, auch, wenn der nicht direkt fühlbar war. Wer etwas schlechteres gelernt hatte, hatte weniger Nachkommen.
Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Die allermeisten Vorstellungen dieser Menschen waren aber realistisches, lebensnotwendiges Wissen, wie man ein Tier jagt, regendichte Kleidung anfertigt, wie und wo man eine Behausung baut, oder eine Knochenbruch behandelt. Das zu lernen, war kein bloßes, verständnisloses Kopieren. Wie ein Faustkeil gemacht wird, das konnte und mußte man bei seinem Vater oder Onkel sehen, nachmachen, lernen, und wenn man es falsch machte, sah man seinen Misserfolg. Alle diese Tätigkeiten setzten nicht nur genaue Beobachtung, sondern viel Übung und Voraussicht voraus, von dem Wissen um mögliche Fundstellen des Feuersteins, über die Auswahl des geeigneten Materials bis hin zur richtigen Schlagtechnik. Nichts davon könnte einer von uns heute, ohne es sich mühsam selbst beigebracht zu haben, und wir wissen um das Ergebnis. Die Frühmenschen haben sich das über Generationen mühsam erarbeitet, per Versuch und Irrtum. (Meines Wissens hat es übrigens noch keinen erfolgreichen Versuch von Neuzeitmenschen geben, mit den Mitteln zB der Jungsteinzeit über längere Zeit zu überleben, ohne sich von außen helfen zu lassen. Soviel dazu, daß die Steinzeitmenschen über kein realistisches Wissen verfügten) |
Wer solche Versuche überhaupt macht, vertut sich auch gewaltig in den Fähigkeiten, die man braucht. Bei denen geht es nicht nur um Wissen, viel davon wird bereits in Kindesalter durch Konditionierung erworben, da geht es auch um Wahrnehmung und körperliche Koordination, die schon im Kindesalter geübt werden müssen. In Südamerika, wo es noch Steinzeitkulturen gibt, gibt es die Regel, dass wohl aus einem Indio ein Caboclo werden kann, aber nie aus einem Caboclo ein Indio.
Dass wir uns unsere heutigen Steinzeitkulturen - übrigens alle als Sprachbesitzer mit uns direkt auf einer Stufe stehend - nicht als primitiv vorstellen sollten, ist eine Selbstverständlichkeit, weil sie als Sprachbesitzer auch genauso ticken wie wir. Aber der biologische Mensch beginnt lange vor dem Sprachbesitz. Die Fertigung etwa der Faustkeile des Acheuléen ist natürlich eine Kulturtechnik, aber eben immer noch lange vor der Entwicklung der Sprache.
Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Das ist übrigens auch der Weg, wie wir dazulernen, in dem unsere Wirklichkeit mit unseren tradierten Vorstellungen kollidiert. Wer einmal Kinder beim Lernen beobachtet hat, stellt ziemlich schnell fest, daß das ein durchaus aktiver und kreativer Prozeß ist, der mit bloßem Kopieren nicht viel zu tun hat, und bei dem die Überzeugung des Lehrenden, die richtigen Vorstellungen zu haben, keineswegs ausreicht, wenn die entsprechende Überzeugung des Lernenden nicht dazukommt. Was also den Fall zeligs betrifft, der ja auch von dir wohl nur stellvertretend für andere Gläubige gemeint ist, so vermute ich, daß für ihn zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt die „Unzulänglichkeiten“ seiner religiösen Vorstellungen deren Vorteile, deren „Glaubwürdigkeit“ nicht aufwiegen, oder ihn die angebotenen Alternativen einfach nicht überzeugen.
Das ist ein Bewertungsprozeß, und dabei hat natürlich eine besondere Bedeutung, was wir in unserer Kindheit und Jugend gelernt haben, und was uns seitdem wichtig erscheint. Daran besteht kein Zweifel. Aber eben auch, welche Erfahrungen wir machen, was wir daraus für Schlüsse ziehen, und welche Vorstellungen sich unserer Ansicht nach bewährt haben, und welche nicht. Es ist eben kein bloßer Kopiervorgang, sonst wäre nicht zu erklären, warum sich von Generation zu Generation Vorstellungen verändern, abschwächen oder zunehmen. |
Aber wen beobachtst Du da? Kleine Menschen in der Sozialisation als Sprachbesitzer. Aber auch bei Sprachbesitzern gilt: Sieh Dir Kulturen an, die eine geografisch oder klimatisch schwer zugängliche Nische besetzen: Eskimos, Feuerländer, Buschmänner, Aborigines, Indios im Amazonasgebiet, die Tasadays in Indonesien ...... Da hast Du z.T über Tausende von Jahren praktisch keine Veränderungen der Kultur. Auch, wenn wir den individuellen Erwerb der Kultur nicht als einfache Kopie bescheiben können, kommen wir nicht umhin, in der Zusammenschau festzustellen, dass die Kopiersicherheit von einer Generation in die andere gewaltig ist.
_________________ Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.
The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.
Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#2042347) Verfasst am: 01.02.2016, 16:28 Titel: |
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Ja, ich denke, wir haben uns mißverstanden, und daher aneinander vorbeigeredet. Du sprichst von Hominiden, ich von Menschen, du von der Weitergabe von Fertigkeiten, ich von Wissen. Letzteres aber, und da sind wir uns einig, setzt Sprache voraus. Und ja, du hast recht, ich beschäftige mich nur mit Menschen, die sprechen konnten und können.
Dieser Irrtum meinerseits ist vor allem deshalb unverzeihlich, weil du ausdrücklich von "geringfügig modifizierten Schimpansen" gesprochen hast. Sorry, ich war neben der Spur. Das einzige, was ich als Entschuldigung vorbringen kann, ist die Tatsache, daß ich solche Wesen nie Menschen nennen würde, und es auch allgemein wohl nicht üblich ist, und dein Hinweis auf zelig diesen meinen Irrtum noch verfestigt hat. Trotzdem war ich eindeutig daneben.
_________________ "Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
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Friedrich Nietzsche
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26443
Wohnort: im Speckgürtel
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(#2042355) Verfasst am: 01.02.2016, 17:07 Titel: |
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Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Ja, ich denke, wir haben uns mißverstanden, und daher aneinander vorbeigeredet. Du sprichst von Hominiden, ich von Menschen, du von der Weitergabe von Fertigkeiten, ich von Wissen. Letzteres aber, und da sind wir uns einig, setzt Sprache voraus. Und ja, du hast recht, ich beschäftige mich nur mit Menschen, die sprechen konnten und können.
Dieser Irrtum meinerseits ist vor allem deshalb unverzeihlich, weil du ausdrücklich von "geringfügig modifizierten Schimpansen" gesprochen hast. Sorry, ich war neben der Spur. Das einzige, was ich als Entschuldigung vorbringen kann, ist die Tatsache, daß ich solche Wesen nie Menschen nennen würde, und es auch allgemein wohl nicht üblich ist, und dein Hinweis auf zelig diesen meinen Irrtum noch verfestigt hat. Trotzdem war ich eindeutig daneben. |
Kein nötig. Solange der Widerspruch in dieser Weise kommt, ist er ein Grund und bietet auch die Möglichkeit, genauer nachzudenken und zu formulieren. Denn offensichtlich war das vorher nicht wirklich zwingend.
zelig war ja auch kein Beispiel für den Affen von früher, sondern eines dafür, wie schwer es selbst heute und in kulturellen Brüchen, wie dem, in dem wir stecken, ist, die Tradition einfach über Bord zu werfen. Dieses Festhalten am Alten war aber die Voraussetzung dafür, dass die akkumulative Kultur überhaupt eine Chance hatte, bevor die Sprache da war, bevor der Sinn der eigenen Handlung wirklich reflektiert werden konnte. Das heißt, das ist ein uraltes Erbe vom Beginn der Menschheit, auch wenn wir es bei diesem besonderen Stück Kultur auch noch an bekannten psychischen Gegebenheiten (nicht zeligs, sondern allgemein menschlichen) festmachen können, warum diese Beharrlichkeit so stark ist. Und andererseits war die ursprüngliche Form der Kultur, die Weitergabe von Verhalten, die unerlässliche Vorraussetzung dafür, dass wir überhaupt eine Sprache entwickelt haben. Diese Kultur, die Tradition des Steineklopfens, beinhaltet als Voraussetzung bereits die wahrscheinlich wichtigste Fähigkeit unserer Art überhaupt: Das geteilte Interesse zweier Individuen. Das haben auch Schimpansen nicht. Bei uns ist diese Fähigkeit angeboren.
Wenn wir hier gerade über Kultur reden, dann kann ich x-mal auf die einzige Definition hinweisen, die bei der grundsätzlichen Diskussion des Zusammenhanges zwischen Kultur und Evolution sinnvoll ist, aber verstanden wird das erst, wenn ich es bei einem ausgearbeiteten Widerspruch wie Deinem klarmachen kann: Kultur ist erst seit kurzen etwas, was wir über Operationen in der Sprache neu schaffen oder erweitern. Über ganz lange Zeiträume der Menschwerdung lief aber die Sprache bzw. ihre Vorstufen und damit das Denken hinter der Kultur her und nicht umgekehrt.
Aber auch, nachdem die Sprache da ist, gibt es einen Teil der Kultur, der nur geringfügig durch den individuellen Intellekt beeinflusst wird: die Sprache selbst, die dann über den weiteren Zeitraum der Geistesgeschichte eigentlich die gesamte Kultur umfasst.
_________________ Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.
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Zuletzt bearbeitet von fwo am 02.02.2016, 10:08, insgesamt einmal bearbeitet |
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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(#2042492) Verfasst am: 02.02.2016, 10:03 Titel: |
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fwo hat folgendes geschrieben: | zelig war ja auch kein Beispiel für den Affen von früher, sondern eines dafür, wie schwer es selbst heute und in kulturellen Brüchen, wie dem, in dem wir stecken, ist, die Tradition einfach über Bord zu werfen. Dieses Festhalten am Alten war aber die Voraussetzung dafür, dass die akkumulative Kultur überhaupt eine Chance hatte, bevor die Sprache da war, bevor der Sinn der eigenen Handlung wirklich reflektiert werden konnte. Das heißt, das ist ein uraltes Erbe vom Beginn der Menschheit, auch wenn wir es bei diesem besonderen Stück Kultur auch noch an bekannten psychischen Gegebenheiten (nicht zeligs, sondern allgemein menschlichen) festmachen können, warum diese Beharrlichkeit so stark ist. Und andererseits war die ursprüngliche Form der Kultur, die Weitergabe von Verhalten, die unerlässliche Vorraussetzung dafür, dass wir überhaupt eine Sprache entwickelt haben. |
Ja nun, eine Sprache haben ja nun alle Kulturen. Das erklärt aber doch nicht deren Unterschiede und deren Wandel. Sprache übrigens schafft keine Kulturbrüche - etwa durch die Einführung neuer Begriffe - sondern vollzieht diese Brüche und Umwälzungen in den realen Verhältnissen und allem, was sich daraus dann an kulturellen Veränderungen ergibt, lediglich nach. Daraus ergeben sich dann neue Begriffe und alte verschwinden, aber die Sprache an sich bleibt ungefähr in ihrer Struktur gleich.
Sie dient im Grunde damit der Vermittlung des immer wieder neuen und weniger der Tradierung des alten.
fwo hat folgendes geschrieben: | Wenn wir hier gerade über Kultur reden, dann kann ich x-mal auf die einzige Definition hinweisen, die bei der grundsätzlichen Diskussion des Zusammenhanges zwischen Kultur und Evolution sinnvoll ist, aber verstanden wird das erst, wenn ich es bei einem ausgearbeiteten Widerspruch wie Deinem klarmachen kann: Kultur ist erst seit kurzen etwas, was wir über Operationen in der Sprache neu schaffen oder erweitern. Über ganz lange Zeiträume der Menschwerdung lief aber die Sprache bzw. ihre Vorstufen und damit das Denken hinter der Kultur her und nicht umgekehrt. |
Das ist immer noch so und wird sich nie ändern.
Die Frage war im übrigen nicht, was *die Kultur* - die ja aus einer primären Kultur (Produktiontechnologie, etc.) und einer sekundären Kultur (Denk- und Verhaltensweisen) besteht - mit biologischer Evolution zu tun hat. Sie hat ohne Zweifel damit etwas zu tun. Sondern die Diskussion war ja die, ob die kulturelle (Höher-)Entwicklung selber eine Evolution ist und wenn ja inwiefern genau unter Berücksichtigung der spezifischen Vielheiten der menschlichen Gesellschaft ...-.
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K.I.Z - Frieden
Das ist Postmoderne Ideologie! Psychologe und Philosoph analysieren RASSISMUS-Video
Informationsstelle Militarisierung e.V.
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