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Ist die Philosophie tot?
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Effô Tisetti
Königsblau bis in den Tod



Anmeldungsdatum: 18.09.2003
Beiträge: 9920
Wohnort: 75

Beitrag(#2055151) Verfasst am: 11.05.2016, 11:31    Titel: Antworten mit Zitat

Waldwuffel hat folgendes geschrieben:
Ein gutes Beispiel sind etwa psychische "Gegenstände". Neben dem Alltagsverständnis beschäftigen sich damit die verschiedsten Wissenschaften wie die Psychologie und die Neurowissenschaften. Die haben aber grundlegend verschiedene Perspektiven auf diese Gegenstände und eben grundlegend verschiedene Sprachen. Man kann aber durchaus sinnvoll sagen, dass sie sich mit denselben Gegenständen beschäftigen. Wenn man das sagen kann, dann muss es da "etwas geben", auf das sich beide Wissenschaften beziehen können. Nur was ist das? Von den einzelnen Wissenschaften wird man jeweils eine Antwort in ihrer Sprache bekommen, sie werden also andere Aspekte oder Bedeutungsdimensionen auslassen. Um eine grundlegendere und allgemeinere Vorstellung davon zu bekommen, was diese Gegenstände sind, was für Eigenschaften sie haben usw., muss man also die verschiedenen Sprachen analysieren und eine Bedeutung konstruieren, die das Wesentliche aller fachspezifischen Verwendungsweisen der entsprechenden Ausdrücke enthält und sie sinnvoll zueinander ins Verhältnis setzt. Ich finde, man kann dabei schon davon sprechen, dass man, wenn das gelingt, am Ende ein besseres Verständnis davon bekommt, was diese Gegenstände "wirklich sind".


Ja, wäre wünschenswert, aber das kriegen die "Sprachforscher" ja selbst schon nicht hin: So reden die linguistische Pragmatik und die Sprach- und Kommunikationspsychologie ebenfalls in weiten Teilen über dieselben Phänomene/Gegenstände. Allerdings tatsächlich mit völlig unterschiedlichen Begrifflichkeiten. Das bekommt allerdings nur mit, wer sich gleichzeitig mit beiden beschäftigt. Es fehlt, so scheint mir, eine koordinierende Instanz. Aber die müsste nicht nur firm in beiden Teildisziplinen sein, sondern auch (von wem?) mit entsprechender "Macht" ausgestattet sein, um entsprechende Kaffeekränzchen zu einem Ergebnis zu führen...
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"Die einfache Formel: Jesus ist stärker! hilft Menschen, sich aus der Fixierung völlig irrationaler Wertesysteme zu lösen."
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fwo
Caterpillar D9



Anmeldungsdatum: 05.02.2008
Beiträge: 25959
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Beitrag(#2055152) Verfasst am: 11.05.2016, 11:36    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
.... Dem Begriff "Meise" kann ich sprachlich noch entnehmen, daß es sich vermutlich um einen kleinen Vogel handelt.....

Außerdem sollte man wissen, dass es sich um Höhlenbrüter handelt, sonst wird die Redewendung von der "Meise unter dem Pony" nicht in der Bedeutung Hohlkopf verstanden, wobei das Wort hohl hier anders zu verstehen ist als bei einer Flasche (es sei denn, es ist wieder eine Person gemeint).

Das wesentlich an Sprache ist, dass es sich bei den Bedeutungen letzlich um Vereinbarungen handelt. Diese zu erforschen, dient der Sicherheit in der Kommunikation, aber nicht der Anhäufung von Wissen über die Welt - obwohl die benutzte Sprache, die in dem Moment der Benutzung ja die vereinbarte Bedeutung enthält, sehr viel von dem enthält, was wir im Moment über die Welt wissen.
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Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.

The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.

Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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Marcellinus
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Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#2055154) Verfasst am: 11.05.2016, 11:41    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:

Das wesentlich an Sprache ist, dass es sich bei den Bedeutungen letzlich um Vereinbarungen handelt. Diese zu erforschen, dient der Sicherheit in der Kommunikation, aber nicht der Anhäufung von Wissen über die Welt ...

So isses!

fwo hat folgendes geschrieben:

... obwohl die benutzte Sprache, die in dem Moment der Benutzung ja die vereinbarte Bedeutung enthält, sehr viel von dem enthält, was wir im Moment über die Welt wissen.

oder zu wissen meinen. zwinkern
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Friedrich Nietzsche
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Marcellinus
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Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#2055155) Verfasst am: 11.05.2016, 11:42    Titel: Antworten mit Zitat

Effô Tisetti hat folgendes geschrieben:

Ja, wäre wünschenswert, aber das kriegen die "Sprachforscher" ja selbst schon nicht hin: So reden die linguistische Pragmatik und die Sprach- und Kommunikationspsychologie ebenfalls in weiten Teilen über dieselben Phänomene/Gegenstände. Allerdings tatsächlich mit völlig unterschiedlichen Begrifflichkeiten. Das bekommt allerdings nur mit, wer sich gleichzeitig mit beiden beschäftigt. Es fehlt, so scheint mir, eine koordinierende Instanz. Aber die müsste nicht nur firm in beiden Teildisziplinen sein, sondern auch (von wem?) mit entsprechender "Macht" ausgestattet sein, um entsprechende Kaffeekränzchen zu einem Ergebnis zu führen...


Ist das nicht Teil des Wirrwarrs in den Menschenwissenschaften überhaupt?
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Effô Tisetti
Königsblau bis in den Tod



Anmeldungsdatum: 18.09.2003
Beiträge: 9920
Wohnort: 75

Beitrag(#2055156) Verfasst am: 11.05.2016, 11:43    Titel: Antworten mit Zitat

Effô Tisetti hat folgendes geschrieben:
Aber die müsste nicht nur firm in beiden Teildisziplinen sein, sondern auch (von wem?) mit entsprechender "Macht" ausgestattet sein, um entsprechende Kaffeekränzchen zu einem Ergebnis zu führen...


Kleine Ergänzung: also keine Philosophen. zwinkern
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Marcellinus
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Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#2055157) Verfasst am: 11.05.2016, 11:45    Titel: Antworten mit Zitat

Effô Tisetti hat folgendes geschrieben:
Effô Tisetti hat folgendes geschrieben:
Aber die müsste nicht nur firm in beiden Teildisziplinen sein, sondern auch (von wem?) mit entsprechender "Macht" ausgestattet sein, um entsprechende Kaffeekränzchen zu einem Ergebnis zu führen...


Kleine Ergänzung: also keine Philosophen. zwinkern

Sehr glücklich
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Effô Tisetti
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Anmeldungsdatum: 18.09.2003
Beiträge: 9920
Wohnort: 75

Beitrag(#2055158) Verfasst am: 11.05.2016, 11:48    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Effô Tisetti hat folgendes geschrieben:

Ja, wäre wünschenswert, aber das kriegen die "Sprachforscher" ja selbst schon nicht hin: So reden die linguistische Pragmatik und die Sprach- und Kommunikationspsychologie ebenfalls in weiten Teilen über dieselben Phänomene/Gegenstände. Allerdings tatsächlich mit völlig unterschiedlichen Begrifflichkeiten. Das bekommt allerdings nur mit, wer sich gleichzeitig mit beiden beschäftigt. Es fehlt, so scheint mir, eine koordinierende Instanz. Aber die müsste nicht nur firm in beiden Teildisziplinen sein, sondern auch (von wem?) mit entsprechender "Macht" ausgestattet sein, um entsprechende Kaffeekränzchen zu einem Ergebnis zu führen...


Ist das nicht Teil des Wirrwarrs in den Menschenwissenschaften überhaupt?


Vielleicht. Mich würde allerdings schwer wundern, wenn es das in den "technischen" oder Naturwissenschaften nicht gäbe. Die Linguistik hat übrigens auch Teilbereiche, in denen sie - obwohl "Geisteswissenschaft" - mit "harten Fakten" arbeitet; anders als z.B. die Literaturwissenschaft (deren Vertreter mich wahrscheinlich gleich digital dafür steinigen...).
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fwo
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Beiträge: 25959
Wohnort: im Speckgürtel

Beitrag(#2055162) Verfasst am: 11.05.2016, 12:15    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
....
fwo hat folgendes geschrieben:

... obwohl die benutzte Sprache, die in dem Moment der Benutzung ja die vereinbarte Bedeutung enthält, sehr viel von dem enthält, was wir im Moment über die Welt wissen.

oder zu wissen meinen. zwinkern

Ich hatte vor dem Abschicken des Posts einen Moment gezögert, ob ich nicht genau diese Korrektur, die Du nachgeliefert hast, einfügen sollte.

Da ich aber (wie Du eigentlich auch) nicht von einer absoluten Wahrheit ausgehe, ist das identisch. Wissen ist dann nichts anderes, als die gedanklichen Voraussetzungen, die ich mache, um die Welt zu bewerten, d.h. es gilt für den Moment, in dem es benutzt wird - und kann sich im Nachhinein auch als falsch herausstellen.
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unquest
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Beiträge: 3326

Beitrag(#2055202) Verfasst am: 11.05.2016, 20:10    Titel: Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
...
Im Gegensatz zur Sprachphilosophie und zum Neopositivismus geht es Hegel aber nicht um zusammenhanglose Begriffe und Dinge, sondern um deren Verbindung und dialektische Einheit oder Negation oder negative Einheit.

Nach dieser Formulierung würde Hegel heute einen esoterischen Blog betreiben.

Du scheinst Dialektik auch für einen Begriff der Logik zu halten.
Aber gibt es wirklich noch Bücher über Logik, in denen der Begriff Dialektik als in der Logik brauchbarer Begriff überhaupt noch akzeptiert wird?

Behauptung:
Ich ersetze den Begriff "Dialektik" in Texten durch "Yin und Yang" und weder Sinngehalt noch Erklärungswert des Textes wird verändert.
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Skeptiker
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Beiträge: 16834
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Beitrag(#2055215) Verfasst am: 11.05.2016, 22:51    Titel: Antworten mit Zitat

unquest hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
...
Im Gegensatz zur Sprachphilosophie und zum Neopositivismus geht es Hegel aber nicht um zusammenhanglose Begriffe und Dinge, sondern um deren Verbindung und dialektische Einheit oder Negation oder negative Einheit.

Nach dieser Formulierung würde Hegel heute einen esoterischen Blog betreiben.

Du scheinst Dialektik auch für einen Begriff der Logik zu halten.
Aber gibt es wirklich noch Bücher über Logik, in denen der Begriff Dialektik als in der Logik brauchbarer Begriff überhaupt noch akzeptiert wird?

Behauptung:
Ich ersetze den Begriff "Dialektik" in Texten durch "Yin und Yang" und weder Sinngehalt noch Erklärungswert des Textes wird verändert.


Du kannst es nicht lassen, was? zwinkern

Es ist spät und deshalb nur eine knappe Antwort.

Zitat:
Dialektik ist ein uneinheitlich gebrauchter Ausdruck der westlichen Philosophie.

In der Antike und im Mittelalter bezeichnete er eine Methode der Gesprächsführung oder Argumentation sowie den Bereich, der heute mit Logik bezeichnet wird. (...)

Bei Hegel ist die Dialektik die der Metaphysik entgegengesetzte Methode der Erkenntnis, zugleich die innere Gesetzmäßigkeit der Selbstbewegung des Denkens und der Selbstbewegung der Wirklichkeit.


https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Dialektik&oldid=154053447


Während *Yin und Yang* heute für reaktionäre Konzepte der esoterischen *Ganzheitlichkeit* oder des soziologischen Organizismus herhalten müssen, hat Dialektik mit solchen Gleichgewichtslehren von *hell und dunkel* - welche ja Platzhalter für dies und das sind - nichts zu tun.

In der dialektischen Logik gilt im Gegensatz zur klassischen Logik nicht einfach der Satz des *tertium non datur*, sondern das in der klassischen Logik ausgeschlossene Dritte wird z.B. als Synthese und Weiterentwicklung zweier widersprüchlicher Positionen vorgestellt.

Auch in der Literatur spielt dialektische Logik eine Rolle, etwa in:

Dialektische Logik: Hegels Wissenschaft der Logik und ihre realphilosophischen Wirklichkeitsweisen Taschenbuch – 16. März 2005, von Max Gottschlich (Herausgeber), Michael Wladika



Hegel, immer wieder Hegel

Übrigens zahlen einige Krankenkassen nicht nur Homöopathie, sondern auch chinesische Medizin nach Yin & Yang. Aber Hegel zahlt keine Krankenkasse, so weit ich weiß ...- Cool
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unquest
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Beitrag(#2055218) Verfasst am: 11.05.2016, 23:13    Titel: Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:

In der dialektischen Logik gilt im Gegensatz zur klassischen Logik nicht einfach der Satz des *tertium non datur*, sondern das in der klassischen Logik ausgeschlossene Dritte wird z.B. als Synthese und Weiterentwicklung zweier widersprüchlicher Positionen vorgestellt.

Antagonistisches, was immer das auch sei, erzeugt irgendwie einen unendlichen Regress, der etwas hervorbringt. Toll. Und das hat mit Logik jetzt was zu tun?

Zitat:
Übrigens zahlen einige Krankenkassen nicht nur Homöopathie, sondern auch chinesische Medizin nach Yin & Yang. Aber Hegel zahlt keine Krankenkasse, so weit ich weiß ...- Cool


Wie es scheint, wird "Dialektik" an mit von Steuergeldern finanzierten Universitäten gelehrt und Menschen halten sich für gebildet, wenn sie den Begriff gebrauchen. Gehts schlimmer? Lachen
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44208

Beitrag(#2055219) Verfasst am: 11.05.2016, 23:33    Titel: Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Während *Yin und Yang* heute für reaktionäre Konzepte der esoterischen *Ganzheitlichkeit* oder des soziologischen Organizismus herhalten müssen, hat Dialektik mit solchen Gleichgewichtslehren von *hell und dunkel* - welche ja Platzhalter für dies und das sind - nichts zu tun.

Ich kann zwar kein Chinesisch und kenne daher nur Übersetzungen des Tao-Te King, aber so wie ich das sehe, hat Lao-Tzes Denken mit den heute daraus abgeleiteten esoterischen kosmologisch-metaphysischen Gleichgewichtslehren nur bedingt zu tun. Es scheint sich mir vielmehr um eine Klugheitslehre zu handeln, die eine ganze Reihe an Gemeinsamkeiten mit den Philosophien Heraklits und Epikurs aufweist, die im westlichen Denken bekanntlich durchaus einflussreiche Vorläufer der modernen Dialektik und des modernen Materialismus darstellten. Bertold Brecht war ja nicht ohne Grund faszinitert vom Tao-Te King, und hat u.A. ein Gedicht über seine Entstehung geschrieben. Das heißt nicht, dass das Tao-Te King nicht unwissenschaftliche Metaphysiken enthält. Nur ist das eben bei allen Philosophen dieser Zeit der Fall. Selbst Epikur glaubte an die Existenz von Göttern und hielt sie für die ultimative Verkörperung von ἀταραξία.

Es kommt eben darauf an, worauf man bei der Lektüre des Tao-Te King den Akzent setzt. Wenn man den Akzent auf die Metaphysik des Tao setzt, kommt man zu diversen esoterischen kosmologischen Gleichgewichtslehren. Wenn man den Akzent hingegen auf die praktische Philosophie Lao-Tzes setzt und seine Metaphysik aus ihr heraus versteht, findet man eine Klugheitslehre, die gut ein Vorläufer materialistischer Positionen sein könnte, und die den entsprechenden antiken europäischen Klugheitslehren nicht allzu unähnlich ist.
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44208

Beitrag(#2055222) Verfasst am: 11.05.2016, 23:46    Titel: Antworten mit Zitat

unquest hat folgendes geschrieben:
Ich ersetze den Begriff "Dialektik" in Texten durch "Yin und Yang" und weder Sinngehalt noch Erklärungswert des Textes wird verändert.

Du ersetzt ein Konzept, das du nicht kapierst, durch ein anderes, das du auch nicht wirklich kapierst, und endest damit, dass du immer noch nichts kapierst. Was für eine Überraschung... noc
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Waldwuffel
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Anmeldungsdatum: 04.05.2016
Beiträge: 79

Beitrag(#2055233) Verfasst am: 12.05.2016, 08:39    Titel: Antworten mit Zitat

Ich kenne einige, deren Kompetenz ich sehr schätze, und die wiederum Hegel sehr schätzen, von daher will ich nicht sagen, dass er wohl nur Unsinn verzapft hat, aber ich bin doch sehr skeptisch.
Mein Eindruck ist, dass die Texte von Hegel nicht nur so schwer verständlich sind, weil die Inhalte so kompliziert sind, sondern dass Hegel auch bewusst dunkel geschrieben hat. Vieles ist rein metaphorisch oder allegorisch beschrieben, nicht als zusätzliche Verdeutlichung, sondern von vornherein und ausschließlich, und entsprechend wird der Inhalt nicht eindeutig übermittelt. Etwa das berühmte Kapitel über "Herrschaft und Knechtschaft". Da kenne ich Interpretationen, die darin soziale Verhältnisse sehen, ebenso wie solche, die annehmen, dass darin Verhältnisse innerhalb des Bewusstseins beschrieben werden. Vielleicht ist auch beides gleichzeitig der Fall und es bestehen verschiedenste Beziehungen zwischen beiden Ebenen.
Wenn so unterschiedliche Interpretationen eines Textes möglich sind und auch nach zweihundert Jahren noch nicht klar ist, was nun damit gemeint ist, dann bedeutet das auf jeden Fall, dass der Text unklar ist. Darüber hinaus habe ich bei Hegel, etwa im Gegensatz zu Kant, bei dem es natürlich auch unklare Stellen gibt, wie gesagt, den Eindruck, dass diese Uneindeutigkeit gewollt ist, da er permanent so schreibt und nicht nur an besonders komplizierten Stellen oder solchen, die ihm offenbar selbst noch Verständnisschwierigkeiten bereitet haben. Von daher kann ich mit Hegel nichts anfangen bzw. deshalb habe ich kein großes Interesse an ihm. Da beschäftige ich mich lieber mit Autoren, die auch verstanden werden wollten.
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44208

Beitrag(#2055245) Verfasst am: 12.05.2016, 10:06    Titel: Antworten mit Zitat

Waldwuffel hat folgendes geschrieben:
Etwa das berühmte Kapitel über "Herrschaft und Knechtschaft". Da kenne ich Interpretationen, die darin soziale Verhältnisse sehen, ebenso wie solche, die annehmen, dass darin Verhältnisse innerhalb des Bewusstseins beschrieben werden.

Dieser Widerspruch lässt sich leicht auflösen. Für Hegel sind die sozialen Verhältnisse Ausdrücke von "Verhältnissen innerhalb des Bewusstseins" (Begriffen).

Trotz dieser idealistischen Verdrehung finde ich Hegels Analyse von Herrschaft und Knechtschaft immer noch sehr aufschlussreich hinsichtlich der Bewusstseinsbildung unter vor-kapitalistischen Verhältnissen. Hegel unterschätzt in seiner Beschreibung aber m.E. die Relevanz nicht-lethaler Körperstrafen in solchen Verhältnissen. In seiner Analyse kommt das ja gar nicht vor, sondern er gründet das Verhältnis ausschließlich auf die Entscheidung des Knechts zwischen Knechtschaft und Tod. Das ist mir schon beim ersten Lesen merkwürdig vorgekommen.
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unquest
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Anmeldungsdatum: 10.10.2010
Beiträge: 3326

Beitrag(#2055249) Verfasst am: 12.05.2016, 10:57    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
unquest hat folgendes geschrieben:
Ich ersetze den Begriff "Dialektik" in Texten durch "Yin und Yang" und weder Sinngehalt noch Erklärungswert des Textes wird verändert.

Du ersetzt ein Konzept, das du nicht kapierst, durch ein anderes, das du auch nicht wirklich kapierst, und endest damit, dass du immer noch nichts kapierst. Was für eine Überraschung... noc

Da mit dem Begriff der Dialektik weniger Prozesse des Verstehens als viel mehr Gaben der Erleuchtung verbunden sind, ist dein Ad hominem hinfällig.

Aber vielleicht ist ja ein Physiker im Forum anwesend, der uns mit Hilfe der Dialektik den Aufbau von Atomen erklärt oder ein Historiker, der uns z.B. den Zusammenbruch der Maya Gesellschaft mit Hilfe des Klassenmodells erläutert.
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Marcellinus
Outsider



Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#2055250) Verfasst am: 12.05.2016, 11:06    Titel: Antworten mit Zitat

unquest hat folgendes geschrieben:

Aber vielleicht ist ja ein Physiker im Forum anwesend, der uns mit Hilfe der Dialektik den Aufbau von Atomen erklärt oder ein Historiker, der uns z.B. den Zusammenbruch der Maya Gesellschaft mit Hilfe des Klassenmodells erläutert.


Letzteren findest du wohl leichter, besser wird es dadurch allerdings auch nicht. SCNR
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unquest
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Anmeldungsdatum: 10.10.2010
Beiträge: 3326

Beitrag(#2055260) Verfasst am: 12.05.2016, 11:40    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
unquest hat folgendes geschrieben:

Aber vielleicht ist ja ein Physiker im Forum anwesend, der uns mit Hilfe der Dialektik den Aufbau von Atomen erklärt oder ein Historiker, der uns z.B. den Zusammenbruch der Maya Gesellschaft mit Hilfe des Klassenmodells erläutert.


Letzteren findest du wohl leichter, besser wird es dadurch allerdings auch nicht. SCNR

Könntest du Recht haben. Je weniger Tatsachen von einem Gegenstand bekannt sind, desto präziser arbeitet die "dialektische Logik".
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Waldwuffel
registrierter User



Anmeldungsdatum: 04.05.2016
Beiträge: 79

Beitrag(#2055301) Verfasst am: 12.05.2016, 15:06    Titel: Antworten mit Zitat

@Tarvoc: okay, dazu kann ich jetzt leider nichts Qualifiziertes sagen, da ich mich ja mit Hegel nicht besonders intensiv beschäftigt habe.
Aber was sagst du denn zu meinem grundsätzlichen Vorwurf, dass Hegel durchgängig eine uneindeutige Sprache verwendet hat? Den Eindruck bekomme ich zumindest jedes mal, wenn ich mal in einen seiner Texte schaue. Und die Vielzahl der verschiedenen Interpretationen scheint mir das auch zu bestätigen.

Ach so, zur Logik: die Dialektik spielt in der modernen Logik natürlich wirklich keine Rolle. Allerdings hat man, wenn ich mich richtig erinnere, durchaus mal versucht, sie zu formalisieren.
Ich kann damit aber insgesamt auch nichts anfangen. Die Sperrigkeit dieser Texte schreckt mich einfach gleich wieder ab. Und da ich finde, dass man mit anderen Herangehensweisen an philosophische Probleme durchaus zu nachvollziehbaren Ergebnissen kommt und da auch sowas wie ein Fortschritt erkennbar, ein Dialog zwischen Philosophen mit den verschiedensten Positionen in einer mehr oder weniger gleichen Sprache möglich ist, usw., hält sich mein Interesse, mich mit dem hegelschen Ansatz, oder überhaupt mit irgendeiner dieser "Autorenphilosophien", näher zu beschäftigen, in sehr engen Grenzen.
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Myron
Metaphysischer Materialist



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3537

Beitrag(#2055307) Verfasst am: 12.05.2016, 15:44    Titel: Antworten mit Zitat

Fußnote: Metaphysik ist nicht Linguistik, und Ontologie ist nicht Lexikologie!
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Myron
Metaphysischer Materialist



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3537

Beitrag(#2055310) Verfasst am: 12.05.2016, 15:48    Titel: Antworten mit Zitat

"Panlogismus (pan, logos): All-Vernunft-Lehre. der metaphysische Standpunkt, welchem gemäß als die absolute Wirklichkeit des Alls der Logos (s. d.), das Logische, Vernünftige, die Vernunft, Idee (s. d.) betrachtet wird. Der Panlogismus ist die metaphysische Form des Intellektualismus (s. d.). Er verlangt als Ergänzung den Voluntarismus (s. d.), da die Idee, das Vernünftige nur durch den Willen realisiert werden kann, ohne diesen nur Abstraktion ist.

Ansätze zum Panlogismus finden sich schon bei HERAKLIT (s. Logos), PLATO (s. Idee), ARISTOTELES (s. Gott als noêsis noêseôs), PLOTIN (s. Geist, Logos), in der Gnostik (s. d.), bei TERTULLIAN (»Sicut naturalia, ita rationalia in Deo omnia,« Adv. Marc. I, 23. vgl. De poenit. 1), AVERROËS (s. Intellekt), SPINOZA (s. Intellekt), BARDILI, nach welchem im All überall ein Denken besteht (Gr. d. erst. Log.), J. G. FICHTE (s. Dialektik). Als System wird der Panlogismus von HEGEL begründet. Nach ihm ist alles Wirkliche vernünftig (Rechtsphilos. S. 17), das Absolute ist Idee (s. d.), objektive Vernunft, Geist, sich dialektisch (s. d.) entfaltende Idee (s. d.), Logos, Begriff (s. d.), alles Endliche ist Moment (s. d.) des logischen Prozesses des Alls. »Die Hegelsche Weisheit kurz ausgedrückt ist, daß die Welt ein kristallisierter Syllogismus sei,« sagt SCHOPENHAUER (Neue Paralipom. § 75), ein heftiger Gegner des Panlogismus."


http://www.textlog.de/4802.html
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Waldwuffel
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Anmeldungsdatum: 04.05.2016
Beiträge: 79

Beitrag(#2055312) Verfasst am: 12.05.2016, 15:58    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
Fußnote: Metaphysik ist nicht Linguistik, und Ontologie ist nicht Lexikologie!


Warum dieser Einwand gegen die analytische Methodik in der Philosophie nicht wirklich greift, habe ich oben schon mal angesprochen. Analytische Philosophie ist nicht gleichbedeutend mit Sprachphilosophie (also der philosophischen Beschäftigung mit Sprache) und sie ist natürlich ebensowenig gleichzusetzen mit der Linguistik. Es wird bloß die Sprache, als das Medium unserer Erkenntnis, als "Material" der philosophischen Analyse verwendet (im Gegensatz etwa zu "Vorstellungen" oder "idealen Gegenständen"). Hintergrund ist, dass dieses "Material", anders als die übrigen Kandidaten, intersubjektiv zugänglich ist. Und ich finde, dass sich sämtliche relevanten philosophischen Probleme tatsächlich so umformulieren lassen, ohne dass etwas Wesentliches verloren ginge.
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44208

Beitrag(#2055394) Verfasst am: 12.05.2016, 19:45    Titel: Antworten mit Zitat

Waldwuffel hat folgendes geschrieben:
Aber was sagst du denn zu meinem grundsätzlichen Vorwurf, dass Hegel durchgängig eine uneindeutige Sprache verwendet hat?

Das ist kein "Vorwurf", sondern entspricht explizit Hegels Selbstverständnis. Ein Aspekt der Hegelschen Philosophie besteht gerade darin, dass er aufzeigt, wie ein und der selbe Sachverhalt unter verschiedenen philosophischen Perspektiven unterschiedliche Bedeutung erhalten kann. Die Vieldeutigkeit seiner Aussagen ist gerade ein notwendiges Resultat dieser Methode, verschiedene Perspektiven unmittelbar einander gegenüberzustellen.
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44208

Beitrag(#2055397) Verfasst am: 12.05.2016, 19:54    Titel: Antworten mit Zitat

unquest hat folgendes geschrieben:
Könntest du Recht haben. Je weniger Tatsachen von einem Gegenstand bekannt sind, desto präziser arbeitet die "dialektische Logik".

Dafür braucht man keine Dialektik. Dass du dich jedenfalls auch ganz ohne Dialektik wunderbar über Sachen auslassen, von denen du keine Ahnung hast, wissen wir ja inzwischen.
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Myron
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Anmeldungsdatum: 01.07.2007
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Beitrag(#2055404) Verfasst am: 12.05.2016, 20:13    Titel: Antworten mit Zitat

Waldwuffel hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:
Fußnote: Metaphysik ist nicht Linguistik, und Ontologie ist nicht Lexikologie!


Warum dieser Einwand gegen die analytische Methodik in der Philosophie nicht wirklich greift, habe ich oben schon mal angesprochen. Analytische Philosophie ist nicht gleichbedeutend mit Sprachphilosophie (also der philosophischen Beschäftigung mit Sprache) und sie ist natürlich ebensowenig gleichzusetzen mit der Linguistik. Es wird bloß die Sprache, als das Medium unserer Erkenntnis, als "Material" der philosophischen Analyse verwendet (im Gegensatz etwa zu "Vorstellungen" oder "idealen Gegenständen"). Hintergrund ist, dass dieses "Material", anders als die übrigen Kandidaten, intersubjektiv zugänglich ist. Und ich finde, dass sich sämtliche relevanten philosophischen Probleme tatsächlich so umformulieren lassen, ohne dass etwas Wesentliches verloren ginge.


Ich habe nichts gegen die analytische Methodik, sondern ich wollte nur unterstreichen, dass der eigentliche Gegenstand der Metaphysik die (außersprachliche) Wirklichkeit ("selbst", "an sich") ist (was Kantianer und andere metaphysische Antirealisten freilich bestreiten).
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Skeptiker
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Beitrag(#2055410) Verfasst am: 12.05.2016, 20:23    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
unquest hat folgendes geschrieben:
Ich ersetze den Begriff "Dialektik" in Texten durch "Yin und Yang" und weder Sinngehalt noch Erklärungswert des Textes wird verändert.

Du ersetzt ein Konzept, das du nicht kapierst, durch ein anderes, das du auch nicht wirklich kapierst, und endest damit, dass du immer noch nichts kapierst. Was für eine Überraschung... noc


Gut gesagt, Tarvoc! Daumen hoch!

Waldwuffel hat folgendes geschrieben:
... die Dialektik spielt in der modernen Logik natürlich wirklich keine Rolle.


Den oben genannten Literaturhinweis zur modernen dialektischen Logik solltest du erst einmal zur Kenntnis nehmen. Das Buch ist jedenfalls nicht von 1906. zwinkern

Ich würde gerne mal von dir gezeigt bekommen, wie und wo bitte schön die *moderne Logik* ähnliche Leistungen für das strukturelle und dynamische Verständnis verschiedener Systeme vollbringt wie eine vom Kopf auf die Füße gestellte, rationale dialektische Logik. Da bin ich gespannt!

unquest hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
In der dialektischen Logik gilt im Gegensatz zur klassischen Logik nicht einfach der Satz des *tertium non datur*, sondern das in der klassischen Logik ausgeschlossene Dritte wird z.B. als Synthese und Weiterentwicklung zweier widersprüchlicher Positionen vorgestellt.

Antagonistisches, was immer das auch sei, erzeugt irgendwie einen unendlichen Regress, der etwas hervorbringt. Toll. Und das hat mit Logik jetzt was zu tun?


Die Frage ist nicht allein, was die Dialektik mit der Logik zu tun hat; das wird in den von mir gebrachten Hinweisen durchaus erklärt. Aber die willst du ja nicht zur Kenntnis nehmen.

Die Frage ist vor allem auch, was eine Logik mit der Welt zu tun hat und inwieweit es also eine der Welt angemessene Logik ist.

Schau'n wir mal, wie es da mit der dialektischen Logik heute aussieht:

1. Ökonomie

Da sieht es so aus, dass Marx eine Dialektik der Wertform entdeckt hat, die in der Lage ist, zu erklären, warum aus den Widersprüchen des Tauschwertes nicht irgendeine Synthese entsteht, sondern ganz bestimmte Formen des Wertes. (Backhaus hat einige Fehler und Unklarheiten drin, aber davon nicht irritieren lassen, ruhig mal drin herum blättern und lesen!)

2. Biologie

In einer Rezension des Buches "Das ist Biologie" von Ernst Mayr schreibt der Rezensent Udo Gansloßer:

Zitat:
Dieses Buch kann man getrost als eine Synthese der Biologie des 20. Jahrhunderts bezeichnen. Ernst Mayr, der in drei Vierteln des 20. Jahrhunderts bedeutende biologische Arbeiten und Bücher veröffentlicht hat, zeigt hier mit überzeugenden Argumenten auf, dass – und wie – die Biologie eine eigenständige Wissenschaft ist. (...)

In den nächsten drei Kapiteln geht es um die spezifisch biologischen Denkansätze und die Geschichte der Biologie. So wie Mayr sie darstellt, ist sie ein Triumph der Dialektik in dem Sinne, dass fast immer keines von zwei konkurrierenden Konzepten, sondern eine Synthese als beste Erklärung der Tatsachen letztendlich die Oberhand gewinnt. Die noch aktuelle Diskussion, ob Verhalten angeboren oder erworben sei, liefert dafür ein gutes Beispiel. Nach dieser Grundlegung schildert Mayr beispielhaft an vier Teilgebieten der Biologie – Systematik und Beherrschung der Vielfalt, Entwicklungsbiologie, Ökologie und Evolutionsbiologie – historische Entwicklung, frühere und derzeitige Erklärungsansätze, wichtige Begriffe und Teildisziplinen.


http://www.spektrum.de/rezension/das-ist-biologie/570681


Das Buch von Mayr geht natürlich auch besonders auf das Thema der Emergenz ein. Auch hier ist eine dialektische Logik meiner Ansicht nach recht ergiebig, wie auch schon anderen Wissenschaftlern aufgefallen ist.

3. Physik

Die neueren physikalischen Forschungen sind mit sehr widersprüchlichen Phänomen konfrontiert, etwa bei der Doppelnatur der Materie sowohl als Welle als auch Teilchen und im Zusammenhang damit der Unschärferelation.

Auch hier scheint sich nicht die Dialektik der Welt und der Natur anzunähern, sondern umgekehrt und dem entsprechend hat Heisenberg einmal geäußert:

Zitat:
„Die Natur offenbart uns immer mehr ihren dialektischen Charakter, gerade im Bereich der Elementarteilchen. Aber die meisten Menschen können die Dialektik nicht vertragen – auch die Regierenden können das nicht. Dialektik schafft Unruhe und Unordnung. Die Menschen wollen eindeutige und konfektionierte Ansichten zur Verfügung haben.“

http://www.linksnet.de/de/artikel/24102

Quellenbezug: Robert Havemann Bibliographie: Mit unveröffentlichten Texten aus dem Nachlass
von Werner Theuer, Bernd Florath, S. 288 f.



All dies ist ja wohl kaum zu ignorieren und sollte demzufolge im weiteren Diskussionsverlauf berücksichtigt werden anstatt immer die selben dümmlichen Klischees wieder zu käuen ...-
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Myron
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Beitrag(#2055411) Verfasst am: 12.05.2016, 20:26    Titel: Antworten mit Zitat

Waldwuffel hat folgendes geschrieben:
Ich kann da keinen wesentlichen Unterschied zwischen zwei Bereichen der Metaphysik erkennnen.


Ich habe nicht von einem "wesentlichen" Unterschied gesprochen. Wenn man der klassischen Wolff'schen Unterteilung folgend die (analytische) Ontologie der generellen Metaphysik zuordnet und die (spekulative, philosophische) Kosmologie der speziellen Metaphysik, dann kann man sagen, dass sich Letztere mit konkreteren, weniger abstrakten und weniger generellen Themen befasst. Aus naturalistischer Sicht ist sie nichts weiter als die Metaphysik der Natur, wohingegen sie aus supernaturalistischer Sicht sowohl die Metaphysik der Natur als auch die Metaphysik der Übernatur (d.h. spiritueller Substanzen wie Gott oder abstrakter Objekte) ist.
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Myron
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Beitrag(#2055413) Verfasst am: 12.05.2016, 20:35    Titel: Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:

3. Physik
Die neueren physikalischen Forschungen sind mit sehr widersprüchlichen Phänomen konfrontiert, etwa bei der Doppelnatur der Materie sowohl als Welle als auch Teilchen und im Zusammenhang damit der Unschärferelation.


Der Begriff einer widersprüchlichen Wirklichkeit ist widersprüchlich, da Widersprüchlichkeit die Wirklichkeit ausschließt.

"Die Tautologie lässt der Wirklichkeit den ganzen – unendlichen – logischen Raum; die Kontradiktion erfüllt den ganzen logischen Raum und lässt der Wirklichkeit keinen Punkt. Keine von beiden kann daher die Wirklichkeit irgendwie bestimmen"
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Beitrag(#2055418) Verfasst am: 12.05.2016, 20:58    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
3. Physik
Die neueren physikalischen Forschungen sind mit sehr widersprüchlichen Phänomen konfrontiert, etwa bei der Doppelnatur der Materie sowohl als Welle als auch Teilchen und im Zusammenhang damit der Unschärferelation.
Der Begriff einer widersprüchlichen Wirklichkeit ist widersprüchlich, da Widersprüchlichkeit die Wirklichkeit ausschließt.

"Die Tautologie lässt der Wirklichkeit den ganzen – unendlichen – logischen Raum; die Kontradiktion erfüllt den ganzen logischen Raum und lässt der Wirklichkeit keinen Punkt. Keine von beiden kann daher die Wirklichkeit irgendwie bestimmen"
—L. Wittgenstein (Tractatus 4.463)

Hmm ... außer die Wirklichkeit läge gar nicht im logischen Raum zwinkern
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Beitrag(#2055422) Verfasst am: 12.05.2016, 21:22    Titel: Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
3. Physik
Die neueren physikalischen Forschungen sind mit sehr widersprüchlichen Phänomen konfrontiert, etwa bei der Doppelnatur der Materie sowohl als Welle als auch Teilchen und im Zusammenhang damit der Unschärferelation.

In der Physik haben sich scheinbar widersprüchliche Phänomene bisher immer als Folge zu einfacher Modelle erwiesen und sind durch gute Theorien aufgelöst worden, so auch die von genannten.

Bei der Unschärferelation ist mir zudem unklar, worin überhaupt da These, Antithese und Synthese bestehen soll ... es ist eher eine typische Kommutatorrelation - es erinnert also eindeutig mehr an ein bestimmtes Muster aus der Algebra als an den Kampf der Arbeiterklasse. Nun sind Hegel und Marx bei Philosophen viel bekannter als Algebra, daher stülpt man eben den Klassenkampf über die Unschärferelation ...
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