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Kommentare zu negativen Bibelstellen
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Mandingo
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Anmeldungsdatum: 03.01.2005
Beiträge: 456
Wohnort: Köln-Nähe

Beitrag(#262053) Verfasst am: 14.02.2005, 17:03    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
...Semiotik ist auch nicht gerade ein "leichtes" Gebiet. Es geht dabei ja um Symboliken, und solche sind nur schwer - wenn überhaupt - zu falsifizieren. Ob man die Semiotik diesbezüglich überhaupt als "Wissenschaft" sehen kann, sei 'mal dahingestellt. Jedenfalls sieht das Umberto Eco so...

Deinen Gedanken, Tarvoc,
kann ich in deinem Beitrag voll zustimmen.

Auch die Semiotik Ecos kann Wichtiges zur Klärung einer "symbolischen Deutung" beitragen,
zumal Eco in seiner Theorie ja schon eine Stufe vorher anfängt,
nämlich bei "Zeichen".
Zum "Wahrheitsgehalt" macht er in seinem alten Klassiker "La struttura assente" eine auch für die Bibel-Interpretation brauchbare Feststellung.

Sinngemäß:
Es lohnt sich bei einer Botschaft nicht nachzuweisen, dass ein Zeichen, ein Wort, ein Name o.ä. mit dem Element der Realität,
auf das es sich bezieht, korrespondiert oder sonstwie "wahr" ist.
Diese Korrespondenz ist wirklich "schwer zu falsifizieren."
Wichtig ist die Stellung des Zeichens und des Bezeichneten im kulturellen System.
Zeichen und Symbole sind für Eco "kulturelle Einheiten".
Nur wenn man deren Stellenwert in ihrer Kultur richtig einschätzt,
kann man die Botschaft verstehen.

Das dürfte auch für die Botschaft Jesu und die Botschaften der übrigen biblischen Bücher gelten und weiterführen als Realitätsnachweise oder deren Versuche.


_________________
"Wer sagt, hier herrscht Freiheit, lügt, denn Freiheit herrscht nicht." (Erich Fried)


Zuletzt bearbeitet von Mandingo am 14.02.2005, 17:15, insgesamt einmal bearbeitet
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Mandingo
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Anmeldungsdatum: 03.01.2005
Beiträge: 456
Wohnort: Köln-Nähe

Beitrag(#262057) Verfasst am: 14.02.2005, 17:07    Titel: Antworten mit Zitat

Leony hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Die Evangelisten wollten aber - ebensowenig wie sie ein historisches Dokument verfassen wollten - einen wissenschaftlichen Krankenbericht verfassen, sondern eine symbolanalytische bzw. theologische Arbeit über ein Symbolsystem und ihre "Bekennung" zu diesem System.

Woraus schließt du das?

Das ist aus dem "Sitz im Leben" solcher Geschichten und Legenden zu schließen.
Die Evangelien der Bibel sind doch nicht die einzigen ihrer Art.
Es wimmelt doch in den sog. apokryphen Evangelien und Heiligenlegenden,
d.h. in religiösen Schriften der damaligen Zeit von solchen Heilungs-Legenden, auch zu Konkurrenten von Jesus,
die allesamt theologisch und nicht medizinisch gemeint sind.


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Leony
gottlos



Anmeldungsdatum: 16.07.2003
Beiträge: 3674
Wohnort: Aufklärung und Kritischer Rationalismus

Beitrag(#262176) Verfasst am: 14.02.2005, 20:10    Titel: Antworten mit Zitat

Mandingo hat folgendes geschrieben:
Leony hat folgendes geschrieben:
...Um mehr in dieser Hinsicht zu erreichen als ein Krankenpfleger mit seiner Krankenpflege,
müsste er schon mehr zu bieten haben
als ein gewisser Herr Jesus.

Irrtum,

Man kann "Irrtum" schreiben oder auch "Widerspruch",
wenn man anderer Meinung ist.
Mit der Wortwahl outet man seine Einstellung gegenüber Andersdenkenden.

Mandingo hat folgendes geschrieben:
Jesus hat mehr Menschen dazu gebracht, selbstlos und liebevoll Kranke zu pflegen als jeder andere Krankenpfleger dieser Welt.
Warum?
Weil seine Botschaft und sein Vorbild für viele, die mit beiden Augen sehen,
"eine wirkungsvolle Quelle für Soziale Gerechtigkeit und Nächstenliebe"
geworden ist.

Seine Botschaft? Sein Vorbild?

Leony hat folgendes geschrieben:
Aber was "wird von Jesus praktiziert"?
Familien auseinanderreißen, Beziehungen zu Angehörigen missachten (wie das auch in anderen Sekten üblich ist),
maßlose Strafphantasien hegen und predigen, religiösen Fanatismus schüren,
medizinische Scharlatanerie praktizieren und predigen,
und, last not least, den Leuten absurde Naherwartungs-Phantasien in den Kopf setzen ...

Welch ein Vorbild Argh
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Gruß, Leony (Gott losgeworden vor vielen Jahren Sehr glücklich)
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Leony
gottlos



Anmeldungsdatum: 16.07.2003
Beiträge: 3674
Wohnort: Aufklärung und Kritischer Rationalismus

Beitrag(#262212) Verfasst am: 14.02.2005, 21:29    Titel: Antworten mit Zitat

Mandingo hat folgendes geschrieben:
Leony hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Die Evangelisten wollten aber - ebensowenig wie sie ein historisches Dokument verfassen wollten - einen wissenschaftlichen Krankenbericht verfassen, sondern eine symbolanalytische bzw. theologische Arbeit über ein Symbolsystem und ihre "Bekennung" zu diesem System.

Woraus schließt du das?

Das ist aus dem "Sitz im Leben" solcher Geschichten und Legenden zu schließen.
Die Evangelien der Bibel sind doch nicht die einzigen ihrer Art.
Es wimmelt doch in den sog. apokryphen Evangelien und Heiligenlegenden,
d.h. in religiösen Schriften der damaligen Zeit von solchen Heilungs-Legenden, auch zu Konkurrenten von Jesus,
die allesamt theologisch und nicht medizinisch gemeint sind.

Dass dergleichen Geschichten in den Evangelien
aus Interesse an ihrer theologischen Bedeutung erzählt wurden
und weniger aus Interesse an historischen und medizinischen Fakten,
das ist mir nicht neu, und das sehe ich auch so.

Das schließt aber nicht aus, dass die Evangelisten der Meinung gewesen sein könnten,
dass das, was sie erzählen, konkrete Fakten seien.
Fakten mit einer theologischen Bedeutung eben.

Meine Frage galt eher dem Wort "symbolanalytisch".
Ich bezweifle, dass die Evangelisten glücklich darüber gewesen wären,
wenn man von ihnen gesagt hätte, sie hätten sich zu einem "Symbolsystem" bekannt;
ich gehe davon aus, das vieles, was einige Theologen heute gern symbolisch interpretieren,
von den Evangelisten durchaus als konkretes Faktum aufgefasst wurde.
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Gruß, Leony (Gott losgeworden vor vielen Jahren Sehr glücklich)
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Mandingo
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Anmeldungsdatum: 03.01.2005
Beiträge: 456
Wohnort: Köln-Nähe

Beitrag(#262425) Verfasst am: 15.02.2005, 11:47    Titel: Antworten mit Zitat

Leony hat folgendes geschrieben:
...Man kann "Irrtum" schreiben oder auch "Widerspruch",
wenn man anderer Meinung ist.
Mit der Wortwahl outet man seine Einstellung gegenüber Andersdenkenden.

Wieder mal ein Orden fällig
für Weisheit und tiefe Einsicht!



Leony hat folgendes geschrieben:
...Seine Botschaft? Sein Vorbild?

Das muss man schon denen überlassen,
denen er Vorbild war!
Deine Sicht ist da total irrelevant.

Leony hat folgendes geschrieben:
...Welch ein Vorbild Argh

Welch eine Hybris,
alle die für Idioten zu halten, denen Jesus Vorbild war! zwinkern
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Zuletzt bearbeitet von Mandingo am 15.02.2005, 11:54, insgesamt einmal bearbeitet
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Mandingo
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Anmeldungsdatum: 03.01.2005
Beiträge: 456
Wohnort: Köln-Nähe

Beitrag(#262426) Verfasst am: 15.02.2005, 11:49    Titel: Antworten mit Zitat

Leony hat folgendes geschrieben:
....Ich bezweifle, dass die Evangelisten glücklich darüber gewesen wären,
wenn man von ihnen gesagt hätte, sie hätten sich zu einem "Symbolsystem" bekannt;
ich gehe davon aus, das vieles, was einige Theologen heute gern symbolisch interpretieren,
von den Evangelisten durchaus als konkretes Faktum aufgefasst wurde.

Das mag alles sein,
spielt aber für unser Verständnis heute nicht die geringste Rolle.
Siehe Umberto Eco: Die Bedeutung eines Zeichens ist die Stellung einer kulturellen Einheit im System.
Die gilt es zu übersetzen.
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Tarvoc
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Beiträge: 44650

Beitrag(#262431) Verfasst am: 15.02.2005, 12:09    Titel: Antworten mit Zitat

Leony hat folgendes geschrieben:
Wenn die Passage konkret gemeint war [...]


Ich mache keine ontischen Aussagen über Dinge, die ich nicht wissen kann.
Und da ich sie nicht mache, werde ich die Bibel bestimmt nicht auslegen, wie ich glaube, dass es vielleicht "richtig" sein könnte, sondern so, wie sie für mich die effizienteste Heuristik darstellt, d.h. den größten "Nutzen" bringt. Etwas Anderes kann ich schlichtweg nicht tun. Es wäre erstens nicht sinnvoll und zweitens die Anmaßung eines Wissens, das ich nicht haben kann.

Der Fehler der Fundamentalisten ist es ja gerade, zu versuchen, "die Wahrheit" über die Intention des Schreibers herauszufinden - bzw. dem Schreiber ihre eigene Interpretation zu unterstellen. Das ist aber intellektuell unredlich, weil es die Anmaßung eines Wissens ist, das sie nicht mehr haben.

Da man bei der Interpretation eines Werkes relativ frei ist, kann man Folgendes tun:
1. Man versucht, den damaligen Symbolkontext zu ergründen und einzuordnen, wie der Autor es gemeint haben könnte. Dann weiss man etwas über die Intention des Autors und den Nutzen, den diese Textstelle damals für die Leute gehabt haben könnte.
Das sollte man auf jeden Fall zuerst tun, damit man einen Überblick über den geistigen Zustand des Autors hatte. Allerdings sollte man sich nicht an dieser Interpretation festhalten, da heute ein anderer Symbolkontext herrscht und die Stelle deshalb heute vielleicht einen neuen ganz ungeahnten Nutzen haben könnte.
2. Man interpretiert die Stelle innerhalb seines eigenen Symbolkontextes, um den Nutzen für sich selbst und sein eigenes heutiges Leben zu finden. Wenn heute kein Nutzen mehr vorliegt, verwirft man die Stelle.

Leony hat folgendes geschrieben:
[...] dann wäre es völlig angemessen,
sie entweder zu verwerfen oder zu akzeptieren [...]


Da der Leser nach

Leony hat folgendes geschrieben:
Da bin ich anderer Meinung.
Ich denke, dass wir durchaus in der Lage sind, den Begriff "Wahrheit" in sinnvoller Weise zu benutzen [...]


In den Naturwissenschaften mag diese Ansicht eine gewisse Berechtigung haben.
In den Geisteswissenschaften - und gerade in den Symbolwissenschaften! - jedoch nicht, da "Bedeutung" kein "Ding" ist, also keine Entsprechung in der phänomenalen Welt hat. Sie ist nur Geistkonstrukt und damit weder "wahr" noch "falsch", sondern allenfalls "nützlich" oder "nicht nützlich" (bzw. "schädlich").
Die Naturwissenschaften gehen ja ähnlich mit ihren "Modellen" um. Das Problem bei Semiotik und Philosophie ist dann, dass sie überhaupt nichts anderes haben als NUR die Modelle!

Leony hat folgendes geschrieben:
So wie ich in der Lage bin, mit einem Dartpfeil die Scheibe zu treffen, obwohl ich Schwierigkeiten hätte, genau anzugeben, wie ich das eigentlich mache.


Du schlägst also vor, die Wahrheit durch einen Geschicklichkeitswettbewerb zu entscheiden? Mr. Green
Aber dann bist du ja genau auf meiner "Linie"! Denn wer die nützlichste Wurftechnik hat, wird am genauesten treffen. zwinkern

Leony hat folgendes geschrieben:
Ich halte nichts davon, das Streben nach Wahrheit dem Streben nach Zweckmäßigkeit zu opfern.


Das hat die Wissenschaft doch im Grunde bereits mit Karl R. Poppers Falsifizierbarkeitsforderung getan! Auch Ockhams Razor zielt im Grunde in diese Richtung.
Willst du diese beiden Prinzipien wieder aufheben? zynisches Grinsen

Leony hat folgendes geschrieben:
Damit läuft man Gefahr, über kurz oder lang beides zu verlieren.


Da niemand je die Wahrheit hatte, kann man sie auch nicht "verlieren".

Leony hat folgendes geschrieben:
Woraus schließt du das?


Aus der Art ihrer Schreibweise.
Flavius Josephus, der "Wissenschaftler", hat z.B. ganz anders geschrieben...

Leony hat folgendes geschrieben:
Meine Frage galt eher dem Wort "symbolanalytisch".
Ich bezweifle, dass die Evangelisten glücklich darüber gewesen wären,
wenn man von ihnen gesagt hätte, sie hätten sich zu einem "Symbolsystem" bekannt;
ich gehe davon aus, das vieles, was einige Theologen heute gern symbolisch interpretieren,
von den Evangelisten durchaus als konkretes Faktum aufgefasst wurde.


Ein konkreter Fakt wird auch zum Symbol, wenn man ihn niederschreibt (oder überhaupt irgendwie "interpretiert"). zwinkern
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"Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Beiträge: 3674
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Beitrag(#262588) Verfasst am: 15.02.2005, 18:39    Titel: Antworten mit Zitat

Mandingo hat folgendes geschrieben:
Leony hat folgendes geschrieben:
...Welch ein Vorbild Argh

Welch eine Hybris,
alle die für Idioten zu halten, denen Jesus Vorbild war! zwinkern

Mandingo, du musst nicht von dir auf andere schließen! zwinkern

Ich weiß doch aus eigener Erfahrung,
wie leicht ein Mensch durch eine christliche Erziehung dazu gebracht werden kann, sich für Jesus zu begeistern.
Bin ja selbst auf ihn hereingefallen, bis kurz vor dem Abitur -
und ich sehe das junge Mädchen, das ich damals war, nicht als Idiotin an.

Auch später habe ich eine Reihe von Christen bzw. Christinnen
viel zu gut kennen gelernt, um sie für Idioten zu halten.
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Gruß, Leony (Gott losgeworden vor vielen Jahren Sehr glücklich)
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Mandingo
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Anmeldungsdatum: 03.01.2005
Beiträge: 456
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Beitrag(#262752) Verfasst am: 15.02.2005, 23:42    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
...Ein konkreter Fakt wird auch zum Symbol, wenn man ihn niederschreibt (oder überhaupt irgendwie "interpretiert"). zwinkern

So ist es, Tarvoc,
besonders, wenn sich eine Gemeinschaft in der Interpretation einig ist und sie tradiert.
Vorher beim einzelnen Interpreten war es nach den meisten Semiotikern
wohl eher ein "Zeichen."
Du hast einen wichtigen Nagel durch den ihm von Leony aufgesetzten Hut
auf den Kopf getroffen.
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Mandingo
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Beiträge: 456
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Beitrag(#262755) Verfasst am: 15.02.2005, 23:46    Titel: Antworten mit Zitat

Leony hat folgendes geschrieben:
...Auch später habe ich eine Reihe von Christen bzw. Christinnen viel zu gut kennen gelernt, um sie für Idioten zu halten.

Na siehste!
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Beiträge: 3674
Wohnort: Aufklärung und Kritischer Rationalismus

Beitrag(#263743) Verfasst am: 17.02.2005, 22:13    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Leony hat folgendes geschrieben:
Wenn die Passage konkret gemeint war [...]


Ich mache keine ontischen Aussagen über Dinge, die ich nicht wissen kann.
Und da ich sie nicht mache, werde ich die Bibel bestimmt nicht auslegen, wie ich glaube, dass es vielleicht "richtig" sein könnte,

Ich verstehe nicht ganz, wieso du meinst, dass du "nicht wissen könntest",
was die Urheber der Evangelien zum Ausdruck bringen wollten.
Sicher, das ist bei Urhebern aus einer fernen Zeit und Kultur schwieriger
als bei Menschen der eigenen Zeit und Kultur.
Sicher, man kann nicht alles darüber wissen,
an manchen Stellen hat man nur begründete Vermutungen, und an manchen Stellen weiß man es wirklich überhaupt nicht.
Das ist kein Grund, nicht zu versuchen, so viel wie möglich darüber herauszufinden.

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
sondern so, wie sie für mich die effizienteste Heuristik darstellt, d.h. den größten "Nutzen" bringt.

Ich bestreite überhaupt nicht, dass es nützlich sein könnte,
sich von der Bibel zu allerlei Assoziationen inspirieren zu lassen.
Ich bestreite auch nicht, dass etwas Nützliches dabei herauskommen könnte,
wenn man mit einer Anleitung zu Symboldeutungen, z. B. den Archetypen von Jung, an Bibeltexte herangeht
und sieht, was sich ergibt;
es könnte sogar dann, wenn die Anleitung zu Symboldeutungen falsch ist, etwas Nützliches dabei herauskommen.

Wir könnten einen großen Teil der Unterschiede in unseren Meinungen ausräumen,
wenn wir uns darauf einigen könnten,
dass wir solche Aktivitäten - deren Nutzen ich nicht bestreite - nicht als "Auslegung" oder "Interpretation" bezeichnen,
sondern eine andere Bezeichnung wählen;
und wenn wir uns außerdem darauf einigen könnten,
dass die mögliche Nützlichkeit solcher Aktivitäten nicht ausschließt,
dass auch andersartige Herangehensweisen an die Bibel nützlich sein könnten,
z. B. Versuche, herauszufinden, was die Urheber gemeint haben.

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Der Fehler der Fundamentalisten ist es ja gerade, zu versuchen, "die Wahrheit" über die Intention des Schreibers herauszufinden - bzw. dem Schreiber ihre eigene Interpretation zu unterstellen. Das ist aber intellektuell unredlich, weil es die Anmaßung eines Wissens ist, das sie nicht mehr haben.

Es ist intellektuell unredlich, dem Schreiber die eigene Interpretation zu unterstellen.
Diesen Fehler sehe ich freilich weniger bei Fundamentalisten
als vielmehr bei einigen Theologen von heute, die als progressiv gelten.

Mandingo hat folgendes geschrieben:
Natürlich, liebe Leony,
bin mir darüber im Klaren,

dass Fundamentalisten von heute besonders die Dinge der Bibel "originalgetreu auslegen",
die Fundamentalisten von damals geschrieben haben.

Ich halte es für eine wohlbegründete Vermutung,
dass viele Autoren der Bibel
Geistesverwandte unserer heutigen Fundamentalisten gewesen sein dürften.
Das würde erklären,
dass heutige Fundamentalisten wenig Schwierigkeiten haben,
die Auffassungen biblischer Autoren in fundamentalistischer Weise zu übernehmen,
während "progressive" Theologen viel stärker motiviert sind,
gegen die Intentionen der Autoren an den Texten herumzudeuteln.

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Da man bei der Interpretation eines Werkes relativ frei ist, kann man Folgendes tun:
1. Man versucht, den damaligen Symbolkontext zu ergründen und einzuordnen, wie der Autor es gemeint haben könnte. Dann weiss man etwas über die Intention des Autors

Das würde ich "Interpretation" nennen.
Dabei ist man aber m. E. nicht "frei", sondern der Aufgabe verpflichtet, etwas über die Intention des Autors herauszufinden;
und zwar etwas Zutreffendes oder zumindest etwas wahrscheinlich Zutreffendes, nicht irgendetwas "Nützliches".

Da du hier selbst schreibst: "Dann weiss man etwas über die Intention des Autors",
verstehe ich um so weniger,
wieso du am Anfang geschrieben hast: "Ich mache keine ontischen Aussagen über Dinge, die ich nicht wissen kann."

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
... und den Nutzen, den diese Textstelle damals für die Leute gehabt haben könnte.

Okay, auch das halte ich für nützlich.

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Das sollte man auf jeden Fall zuerst tun,

Einverstanden.

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Allerdings sollte man sich nicht an dieser Interpretation festhalten, da heute ein anderer Symbolkontext herrscht und die Stelle deshalb heute vielleicht einen neuen ganz ungeahnten Nutzen haben könnte.
2. Man interpretiert die Stelle innerhalb seines eigenen Symbolkontextes, um den Nutzen für sich selbst und sein eigenes heutiges Leben zu finden. Wenn heute kein Nutzen mehr vorliegt, verwirft man die Stelle.

Wie ich schon schrieb:
Ich habe nichts gegen Aktivitäten dieser Art.
Ich habe aber etwas dagegen, so etwas "interpretieren" zu nennen.

Denn damit würde man den Anspruch erheben,
es wären die Intentionen der Bibel, die man zum Ausdruck bringt -
und das wäre irreführend.
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Anmeldungsdatum: 16.07.2003
Beiträge: 3674
Wohnort: Aufklärung und Kritischer Rationalismus

Beitrag(#263985) Verfasst am: 18.02.2005, 00:39    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Leony hat folgendes geschrieben:
Da bin ich anderer Meinung.
Ich denke, dass wir durchaus in der Lage sind, den Begriff "Wahrheit" in sinnvoller Weise zu benutzen [...]


In den Naturwissenschaften mag diese Ansicht eine gewisse Berechtigung haben.
In den Geisteswissenschaften - und gerade in den Symbolwissenschaften! - jedoch nicht, da "Bedeutung" kein "Ding" ist, also keine Entsprechung in der phänomenalen Welt hat. Sie ist nur Geistkonstrukt und damit weder "wahr" noch "falsch", sondern allenfalls "nützlich" oder "nicht nützlich" (bzw. "schädlich").

Auch die Gegenstände der Mathematik sind - nach moderner Auffassung - lediglich Geistkonstrukte,
deren Bedeutung durch Axiomensysteme definiert ist
und nicht durch irgendetwas in der phänomenalen Welt.
Trotzdem ist es sinnvoll, die Aussage "2 + 2 = 4" als wahr zu bezeichnen und die Aussage "2 + 2 = 5" als unwahr.

Bei Bedeutungen ist der Bezug zur phänomenalen Welt eher noch enger.
In unserem Bäckerladen (ich nenne ihn mal so, obwohl er eigentlich nur eine Verkaufsfiliale ist)
weiß die Verkäuferin genau, was es bedeutet, wenn ich sage:
"Ich hätte gern zwei Mehrkornbrötchen und vier normale."
Sie gibt mir dann zwei Mehrkornbrötchen und vier von den faden, innen weißen Weizenbrötchen.
Also ist es sinnvoll,
die Aussage "In Leonys Bäckerladen bedeutet 'normales Brötchen' Weizenbrötchen" als wahr zu bezeichnen
und die Aussage "In Leonys Bäckerladen bedeutet 'normales Brötchen' Roggenbrötchen" als falsch.
Ebenso ist es sinnvoll,
die folgende Aussage als wahr zu bezeichnen:
"Wenn Leonys Mann sich morgens von ihr mit den Worten verabschiedet, er gehe jetzt 'seine Brötchen verdienen',
dann bedeutet 'Brötchen' in diesem Fall 'Lebensunterhalt'" -
und es ist sinnvoll,
die folgende Aussage als falsch zu bezeichnen:
"Wenn Frau Bauer in Leonys Bäckerladen zwei Brötchen verlangt,
dann bedeutet 'Brötchen' Lebensunterhalt".

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Leony hat folgendes geschrieben:
So wie ich in der Lage bin, mit einem Dartpfeil die Scheibe zu treffen, obwohl ich Schwierigkeiten hätte, genau anzugeben, wie ich das eigentlich mache.


Du schlägst also vor, die Wahrheit durch einen Geschicklichkeitswettbewerb zu entscheiden? Mr. Green
Aber dann bist du ja genau auf meiner "Linie"! Denn wer die nützlichste Wurftechnik hat, wird am genauesten treffen. zwinkern

Beim Umgang mit Texten ist das ein wenig komplizierter zwinkern:
Wer großes Geschick einsetzt, um etwas Nützliches zu finden, hat gute Chancen, etwas Nützliches zu finden.
Wer großes Geschick einsetzt, um etwas Wahres zu findet, hat gute Chancen, etwas Wahres zu finden.
Aber was wahr ist und was nützlich ist, das ist zweierlei.
So wäre es sehr nützlich, wenn Jesus in der Bibel die Achtung der Menschenrechte gefordert hätte,
einschließlich der Achtung der Religionsfreiheit -
aber es ist leider nicht wahr.

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Leony hat folgendes geschrieben:
Ich halte nichts davon, das Streben nach Wahrheit dem Streben nach Zweckmäßigkeit zu opfern.


Das hat die Wissenschaft doch im Grunde bereits mit Karl R. Poppers Falsifizierbarkeitsforderung getan! Auch Ockhams Razor zielt im Grunde in diese Richtung.
Willst du diese beiden Prinzipien wieder aufheben? zynisches Grinsen

Am Kopf kratzen Da muss ich erst mal überlegen, wie du darauf kommen magst.
Mir ist bekannt, dass Popper wenig davon hielt,
das Streben nach Wahrheit bzw. hoher Wahrscheinlichkeit damit zu erkaufen,
dass man den logischen Gehalt einer Aussage verringerte.
Sooo habe ich das "Streben nach Wahrheit" natürlich nicht gemeint.
Natürlich brauchen wir keine Wahrheiten der Art:
"Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, dann ändert sich das Wetter, oder es bleibt, wie es ist."

Andererseits: Was ist die Forderung nach strengen Prüfungen,
die geeignet sind, eine Theorie, sofern sie falsch ist, mit hoher Wahrscheinlichkeit tatsächlich zu falsifizieren,
denn anderes als die Forderung, zu versuchen,
eine Aussage der Art "Die Theorie XY ist falsch", sofern sie falsch ist, als wahr zu erweisen?

Sorry, wenn meine Antworten vielleicht an dem vorbeigehen, worauf du hinauswolltest;
denn worauf du hinauswolltest, das habe ich leider nicht recht verstanden.

Ockhams Razor ist mir ebenfalls ein Begriff,
aber da habe ich erst recht nicht verstanden, worauf du damit hinauswolltest.

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Leony hat folgendes geschrieben:
Damit läuft man Gefahr, über kurz oder lang beides zu verlieren.


Da niemand je die Wahrheit hatte, kann man sie auch nicht "verlieren".

Unter "die Wahrheit haben" würde ich nichts anderes verstehen als
"über bestimmte Aussagen wissen, ob sie wahr oder falsch sind".

Wenn man sich angewöhnt, mit unbequemen Wahrheiten so umzugehen,
dass man sie sich so zurechtbiegt, wie sie einem nützlicher erscheinen,
dann weiß man irgendwann nicht mehr, was denn nun wirklich wahr ist und was nicht.
Und dann fehlen einem wichtige Grundlagen,
wenn man sich treffsicher für das Nützlichste entscheiden will.
Das meinte ich, als ich schrieb:
Leony hat folgendes geschrieben:
Ich halte nichts davon, das Streben nach Wahrheit dem Streben nach Zweckmäßigkeit zu opfern.
Damit läuft man Gefahr, über kurz oder lang beides zu verlieren.


Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Leony hat folgendes geschrieben:
Woraus schließt du das?


Aus der Art ihrer Schreibweise.
Flavius Josephus, der "Wissenschaftler", hat z.B. ganz anders geschrieben...

Gut, daraus kann man schließen, dass die Evangelisten sich mehr für die theologische Bedeutung interessierten
als für medizinische oder sonstige historische Fakten.
Das schließt nicht aus, dass sie das, was sie als Fakten darstellten, auch für Fakten hielten.

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Leony hat folgendes geschrieben:
Meine Frage galt eher dem Wort "symbolanalytisch".
Ich bezweifle, dass die Evangelisten glücklich darüber gewesen wären,
wenn man von ihnen gesagt hätte, sie hätten sich zu einem "Symbolsystem" bekannt;
ich gehe davon aus, das vieles, was einige Theologen heute gern symbolisch interpretieren,
von den Evangelisten durchaus als konkretes Faktum aufgefasst wurde.


Ein konkreter Fakt wird auch zum Symbol, wenn man ihn niederschreibt (oder überhaupt irgendwie "interpretiert"). zwinkern

Das ändert nichts daran, dass bestimmte Weisen des Umgangs mit den Evangelien den Intentionen der Urheber entsprechen
und andere weniger oder gar nicht.
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44650

Beitrag(#264121) Verfasst am: 18.02.2005, 09:37    Titel: Antworten mit Zitat

Leony hat folgendes geschrieben:
Ich verstehe nicht ganz, wieso du meinst, dass du "nicht wissen könntest", was die Urheber der Evangelien zum Ausdruck bringen wollten.


Da ich nicht an Totenbeschwörung glaube, kann ich das in der Tat nicht wissen.

Leony hat folgendes geschrieben:
Sicher, das ist bei Urhebern aus einer fernen Zeit und Kultur schwieriger als bei Menschen der eigenen Zeit und Kultur.


Lach!
Jeder Mensch hat einen geringfügig anderen Symbolkontext. Deshalb gibt es ja überhaupt die Wissenschaft der Semiotik und deshalb streitet man sich in der Philosophie ja manchmal stundenlang über Wortdefinitionen. Und deshalb gibt es im Bereich der Symbolik auch nicht "die Wahrheit" (TM).
Bei Menschen, die heute noch leben, habe ich in der Regel den Vorteil, sie fragen zu können. Schon bei Personen wie Nietzsche, die schon eine ganze Weile tot sind, wird die Interpretation schwierig. Und je symbolischer eine Person schreibt, desto schwieriger wird es allzumal! Deshalb muss man bei der Interpretation von Nietzsches Werken zwei Dinge tun. Erstens: Sich über den damaligen Symbolkontext in Nietzsches Umgebung informieren. Zweitens: Die Werke aus dem heutigen Verständnis heraus interpretieren, um eine nützliche Heuristik zu entwickeln. Das ist schlichtweg überhaupt nicht anders möglich.
Genauso ist es auch mit der Bibel.

Leony hat folgendes geschrieben:
Sicher, man kann nicht alles darüber wissen [...]


Na, wenn du an "gesichertes" Wissen glaubst...

Leony hat folgendes geschrieben:
[...] an manchen Stellen hat man nur begründete Vermutungen [...]


Man hat nie mehr als begründbare Vermutungen.

Leony hat folgendes geschrieben:
Das ist kein Grund, nicht zu versuchen, so viel wie möglich darüber herauszufinden.


Wo habe ich denn behauptet, dass es ein Grund dafür wäre?

Leony hat folgendes geschrieben:
Ich bestreite überhaupt nicht, dass es nützlich sein könnte, sich von der Bibel zu allerlei Assoziationen inspirieren zu lassen.
Ich bestreite auch nicht, dass etwas Nützliches dabei herauskommen könnte, wenn man mit einer Anleitung zu Symboldeutungen, z. B. den Archetypen von Jung, an Bibeltexte herangeht und sieht, was sich ergibt, es könnte sogar dann, wenn die Anleitung zu Symboldeutungen falsch ist, etwas Nützliches dabei herauskommen.


Na also. Sehr glücklich

Leony hat folgendes geschrieben:
Wir könnten einen großen Teil der Unterschiede in unseren Meinungen ausräumen, wenn wir uns darauf einigen könnten, dass wir solche Aktivitäten - deren Nutzen ich nicht bestreite - nicht als "Auslegung" oder "Interpretation" bezeichnen, sondern eine andere Bezeichnung wählen [...]


Nein, darauf können wir uns nicht einigen. Semiotische oder tiefenpsychologische Interpretationsmethoden sind immer noch Interpretation. Neben der historisch-kritischen Methode (auf die du vermutlich anspielst) sogar die Einzigen, die mir bekannt sind.
Aber darf ich fragen, was für eine Heuristik du vorschlägst?

Leony hat folgendes geschrieben:
[...] und wenn wir uns außerdem darauf einigen könnten, dass die mögliche Nützlichkeit solcher Aktivitäten nicht ausschließt, dass auch andersartige Herangehensweisen an die Bibel nützlich sein könnten, z. B. Versuche, herauszufinden, was die Urheber gemeint haben.


Darauf können wir uns in der Tat einigen, aber das habe ich ja auch schon viel früher gesagt.
Es kommt eben darauf an, was man haben bzw. tun will.

Da es aber gerade auf dem Gebiet der Bibelexegese sehr schwierig ist, herauszufinden, was "die Urheber" (welche von denen? zwinkern ) eigentlich wollten - und zwar aus ganz verschiedenen Gründen, da wäre die oben angesprochene "natürliche" Symboldifferenz zwischen den Menschen, die kulturellen und zeitlichen Unterschiede, die Tatsache, dass die Autoren z.T. völlig unbekannt sind, etc. - muss man auch hier aufpassen, dass man nicht plötzlich in Bereiche gerät, in denen man Urteile über Dinge fällt, die man nicht wissen kann.

Leony hat folgendes geschrieben:
Es ist intellektuell unredlich, dem Schreiber die eigene Interpretation zu unterstellen.


Ich unterstelle niemandem irgend etwas. Ich habe nie behauptet, zu wissen, was der Schreiber wollte. Ich rede nicht über Dinge, die ich nicht wissen kann.

Was ich behaupte, ist, dass die wörtliche Auslegung - und wenn sie noch so sehr gemeint war vom Autor - heute schlichtweg keine brauchbare Heuristik liefert.

Leony hat folgendes geschrieben:
Das würde ich "Interpretation" nennen.


Ich nenne das "historisch-kritische Methode". Und es ist weniger eine Interpretation, als mehr ein Vergleich. Und noch dazu einer, der auf sehr wackeligen Beinen steht, aufgrund praktisch nicht vorhandenen Informationen.

Leony hat folgendes geschrieben:
Dabei ist man aber m. E. nicht "frei" [...]


Bei einem historischen Vergleich ist man in der Tat nicht "frei". Man muss dazu sein eigenes Wissen über historische Kontexte anwenden.

Bei einer semiotischen Interpretation ist man jedoch auch nicht "frei". Man muss dazu sein eigenes Wissen über Semiotik anwenden.

Wo ist jetzt der Unterschied?
Der Unterschied liegt darin, dass sich die historisch-kritische Methode anmaßt, gesichert etwas aussagen zu können über etwas, das nicht erfahrbar ist - nämlich über die Intention eines Autoren, der seit 1800 Jahren tot ist, während die semiotische Auslegung immer im Blick hat, dass sie das Ganze vom heutigen Standpunkt aus betrachtet.

Leony hat folgendes geschrieben:
[...] und zwar etwas Zutreffendes oder zumindest etwas wahrscheinlich Zutreffendes, nicht irgendetwas "Nützliches".


Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, ändert sich das Wetter oder es bleibt wie es ist ist übrigends auch "zutreffend" und nicht irgendwie "nützlich".

Siehst du das Problem? zwinkern

Leony hat folgendes geschrieben:
Da du hier selbst schreibst: "Dann weiss man etwas über die Intention des Autors" [...]


War vielleicht schlecht formuliert. Natürlich weiss man dann nichts über die Intention des Autors - wer kann schon in die Köpfe anderer Leute hineinsehen? Was man aber dann weiss, ist die Situation, in der er es geschrieben hat. Dass das für die Interpretation nützlich sein kann, bestreitet keiner. Ich bin nur der Meinung, dass du diese Methodik überbewertest - und dadurch tatsächlich zu Aussagen über Dinge kommst, die du nicht wissen kannst.

Leony hat folgendes geschrieben:
Okay, auch das halte ich für nützlich.


Und ich halte das für nicht mehr nützlich. zwinkern

Leony hat folgendes geschrieben:
Wie ich schon schrieb:
Ich habe nichts gegen Aktivitäten dieser Art.
Ich habe aber etwas dagegen, so etwas "interpretieren" zu nennen.


Das Einordnen in einen Symbolkontext nenne ich "Interpretation".

Etwas Anderes tut die historisch-kritische Methode eigentlich auch nicht.

Leony hat folgendes geschrieben:
Denn damit würde man den Anspruch erheben, es wären die Intentionen der Bibel, die man zum Ausdruck bringt


Wenn du eine Deutschklausur über Kafka schreibst, schreibst du dann: "Der Autor meinte damit auf jeden Fall das und das" oder schreibst du: "Dieses Symbol könnte (bei meinem momentanen begrenzten Wissen über Symbolik) das und das bedeuten".

Wenn man auf staatlichen Schulen ersteres lernt, bin ich irgendwie froh, auf einem katholischen Gymnasium zu sein...

Leony hat folgendes geschrieben:
Auch die Gegenstände der Mathematik sind - nach moderner Auffassung - lediglich Geistkonstrukte, deren Bedeutung durch Axiomensysteme definiert ist und nicht durch irgendetwas in der phänomenalen Welt.


In der Tat. Buckminster Fuller hat ja z.B. schon recht erfolgreich mit einem geometrischen Axiomensystem gearbeitet, das vollkommen auf Pi verzichtet und in der Architektur trotzdem genauso gute (bzw. teilweise bessere) Dienste leistet - auch für runde Teile des Gebäudes - wie die herkömmliche Geometrie. Er nannte das "synergetische Geometrie".

Leony hat folgendes geschrieben:
Trotzdem ist es sinnvoll, die Aussage "2 + 2 = 4" als wahr zu bezeichnen und die Aussage "2 + 2 = 5" als unwahr.


In der Tat ist das sinnvoll. Und warum? Weil es die bessere Heuristik bietet.
Damit bestätigst du doch nur, was ich sage.

Leony hat folgendes geschrieben:
Wer großes Geschick einsetzt, um etwas Wahres zu findet, hat gute Chancen, etwas Wahres zu finden.


Bei dieser Aussage hast du das Problem, zu definieren, wann etwas, das du gefunden hast, als "wahr" bezeichnet werden kann.

Vielleicht sucht der, der etwas Nützliches sucht, ja auch nach etwas Wahrem - sogar nach etwas Wahrerem als der Wahrheit selbst Eine Wahrheit, die nicht nützlich ist, ist ohnehin recht langweilig.
Hier sei nochmal das Beispiel erwähnt: "Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, ändert sich das Wetter oder es bleibt, wie es ist."

Leony hat folgendes geschrieben:
Aber was wahr ist und was nützlich ist, das ist zweierlei.


Bist du sicher? Was fängst du denn mit einer "Wahrheit" an, die nicht nützlich ist?

Wieso verzichtet die Naturwissenschaft eigentlich schon mindestens seit Popper auf Aussagen, die keinen Nutzen bringen? Hast du dir das 'mal überlegt?

Leony hat folgendes geschrieben:
Was ist die Forderung nach strengen Prüfungen, die geeignet sind, eine Theorie, sofern sie falsch ist, mit hoher Wahrscheinlichkeit tatsächlich zu falsifizieren, denn anderes als die Forderung, zu versuchen, eine Aussage der Art "Die Theorie XY ist falsch", sofern sie falsch ist, als wahr zu erweisen?


Leider ist die Aussage "Die Theorie XY ist falsch" gar keine wissenschaftliche Aussage, weil sie nämlich ihrerseits nicht falsifizierbar ist. zwinkern

Nein, die ganze Falsifizierbarkeitsforderung zielt darauf ab, diejenigen Theorien, die keine widerlegbaren Vorraussagen zulassen (aus denen also keine Heuristik erwächst) als nicht wissenschaftlich zu marken.

Leony hat folgendes geschrieben:
Ockhams Razor ist mir ebenfalls ein Begriff, aber da habe ich erst recht nicht verstanden, worauf du damit hinauswolltest.


Ockhams Razor ist ja die Heuristik, bei Theorien mit gleichem Erkenntnisumfang diejenige vorzuziehen, die mit weniger metaphysischen Grundvorraussetzungen auskommt als die andere.
Und das ist tatsächlich eine Forderung nach höherer "Nützlichkeit".

Ich möchte das an Umberto Ecos Roman "Der Name der Rose" verdeutlichen:
Auf einer Abtei geschehen geheimnisvolle Morde, die an die Johannesapokalypse angelehnt sind.

Es gibt nun zwei Theorien:
1. Ein Mensch ist der Täter.
2. Der Satan geht um.

Die zweite Theorie ist offensichtlich die, die hier Ockhams Rasiermesser zum Opfer fällt. Und sie ist auch die, die weniger nützlich ist, weil sie kein Ergründen der Hintergründe und keine Nachforschung an dem Fall erlaubt.

Leony hat folgendes geschrieben:
Unter "die Wahrheit haben" würde ich nichts anderes verstehen als
"über bestimmte Aussagen wissen, ob sie wahr oder falsch sind".


Du glaubst also an "gesichertes" Wissen?
Dir ist schon im Klaren, dass du damit die ganze Philosophie seit Kant "verrätst"?

Leony hat folgendes geschrieben:
Wenn man sich angewöhnt, mit unbequemen Wahrheiten so umzugehen, dass man sie sich so zurechtbiegt, wie sie einem nützlicher erscheinen [...]


Ojojojojojojojojojoj...

Leony hat folgendes geschrieben:
[...] dann weiß man irgendwann nicht mehr, was denn nun wirklich wahr ist und was nicht.


Was ist denn "wirklich wahr" (TM)?

Leony hat folgendes geschrieben:
Das ändert nichts daran, dass bestimmte Weisen des Umgangs mit den Evangelien den Intentionen der Urheber entsprechen und andere weniger oder gar nicht.


Na, wenn du weisst, was "wahr" ist. zwinkern
Ist aber schön, dass du Gedanken lesen kannst - noch dazu von Leuten, die seit fast 2000 Jahren tot sind...
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Beitrag(#264141) Verfasst am: 18.02.2005, 11:24    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:

Was ich behaupte, ist, dass die wörtliche Auslegung - und wenn sie noch so sehr gemeint war vom Autor - heute schlichtweg keine brauchbare Heuristik liefert.

Liefert die wörtliche Interpretation von "Mein Kampf" eine brauchbare Heuristik?

Tarvoc hat folgendes geschrieben:

Ich nenne das "historisch-kritische Methode". Und es ist weniger eine Interpretation, als mehr ein Vergleich. Und noch dazu einer, der auf sehr wackeligen Beinen steht, aufgrund praktisch nicht vorhandenen Informationen.

Praktisch nicht vorhandenen Informationen? Informationen worüber konkret?

Der Satz "Wer nicht mit mir ist, ist gegen mich" besteht aus einfachen Strukturwörtern, die jede Sprache braucht und die in jeder Sprache auch das gleiche bedeuten.

Tarvoc hat folgendes geschrieben:

War vielleicht schlecht formuliert. Natürlich weiss man dann nichts über die Intention des Autors - wer kann schon in die Köpfe anderer Leute hineinsehen?

Wir alle, denn diese Köpfe produzieren nun mal Sprache mit Hilfe derer sie Informationen über ihr inneres preisgeben.

Tarvoc hat folgendes geschrieben:

Leony hat folgendes geschrieben:
Trotzdem ist es sinnvoll, die Aussage "2 + 2 = 4" als wahr zu bezeichnen und die Aussage "2 + 2 = 5" als unwahr.


In der Tat ist das sinnvoll. Und warum? Weil es die bessere Heuristik bietet.
Damit bestätigst du doch nur, was ich sage.

Nein, Moment. Leonys Beispiel ist eine Interpretation. Du jonglierst nach Belieben mit den Begriffen "Interpretation", "Heuristik" und "Nützlichkeit". Ich dachte du brauchst eine Heuristik um eine Interpretation zu bekommen, die nützlich ist.

Und warum siehst du, der ja sonst so vorsichtig ist, diese Interpretation als sinnvoll an?

Tarvoc hat folgendes geschrieben:

Leony hat folgendes geschrieben:
Aber was wahr ist und was nützlich ist, das ist zweierlei.


Bist du sicher? Was fängst du denn mit einer "Wahrheit" an, die nicht nützlich ist?

Wieso verzichtet die Naturwissenschaft eigentlich schon mindestens seit Popper auf Aussagen, die keinen Nutzen bringen? Hast du dir das 'mal überlegt?

Wo hast du denn das her? Der Nutzen im kritischen Rationalismus ist die Aussagekräftigkeit über die Realität.

Daher haben extreme Interpretationsspielereien auch keinen Nutzen in diesem Sinne. Sie sagen jedenfalls nichts über die Bedeutung der Bibel aus, so wie wir die Bedeutung von Texten verstehen.
Sie konstruieren lediglich eine neue, von der Bibel losgelöste Botschaft. Es ist wesentlich sinnvoller Botschaften und effizienter offen und ehrlich zu vertreten. Es gibt sogar Studien zu dem Thema.
Wenn du eine sinnvolle Botschaft für die heutige Zeit hast, dann sage sie einfach, anstatt x-beliebige Texte zu verdrehen.

Tarvoc hat folgendes geschrieben:

Leider ist die Aussage "Die Theorie XY ist falsch" gar keine wissenschaftliche Aussage, weil sie nämlich ihrerseits nicht falsifizierbar ist. zwinkern

Innerhalb Leonys Begriffskontext ist der kritische Rationalismus eine Vorraussetzung für Aussagen über Theorien? Mit diesem Wissen interpretiert, ist die obige Aussage sehr wohl wissenschaftlich. Wissenschaftler erklären Theorien unentwegt als falsch.

Aber es ist klar, dass du Probleme damit hattest das zu verstehen, schließlich ist dir ja egal, was Leony, oder irgendjemand anderer meint. zwinkern

Tarvoc hat folgendes geschrieben:

Leony hat folgendes geschrieben:
Ockhams Razor ist mir ebenfalls ein Begriff, aber da habe ich erst recht nicht verstanden, worauf du damit hinauswolltest.


Ockhams Razor ist ja die Heuristik, bei Theorien mit gleichem Erkenntnisumfang diejenige vorzuziehen, die mit weniger metaphysischen Grundvorraussetzungen auskommt als die andere.
Und das ist tatsächlich eine Forderung nach höherer "Nützlichkeit".

Das stimmt nicht. Die einfachste Theorie soll ausgewählt sein, nicht diejenige mit weniger Voraussetzungen. Die Vorraussetzungen, also der Kontext für eine Theorie, sind gegeben.

Tarvoc hat folgendes geschrieben:

Ich möchte das an Umberto Ecos Roman "Der Name der Rose" verdeutlichen:
Auf einer Abtei geschehen geheimnisvolle Morde, die an die Johannesapokalypse angelehnt sind.

Es gibt nun zwei Theorien:
1. Ein Mensch ist der Täter.
2. Der Satan geht um.

Die zweite Theorie ist offensichtlich die, die hier Ockhams Rasiermesser zum Opfer fällt. Und sie ist auch die, die weniger nützlich ist, weil sie kein Ergründen der Hintergründe und keine Nachforschung an dem Fall erlaubt.

Nicht so vorschnell. Ist, bevor die Theorie angewendet wird, die Existenz Satans gesichert, oder betrachtest du die Frage nach der Existenz als Teilfrage der Gültigkeit von 2.

Wenn die Existenz Satans angenommen wird und dieser notorisch für solche Taten ist, dann sind beide Theorien gleich plausibel.

Tarvoc hat folgendes geschrieben:

Leony hat folgendes geschrieben:
Unter "die Wahrheit haben" würde ich nichts anderes verstehen als
"über bestimmte Aussagen wissen, ob sie wahr oder falsch sind".


Du glaubst also an "gesichertes" Wissen?
Dir ist schon im Klaren, dass du damit die ganze Philosophie seit Kant "verrätst"?

Es ist nicht nützlich das Wort "Wissen" aus unserem Wortschatz zu streichen. man kann es drehen oder wenden, wie man will. Letztendlich nimmt immer ein Wort, oder eine Wortkonstruktion die Bedeutung des Wortes Wissen ein. Auch bei dir.

Jetzt habe ich wahrscheinlich ein paar sinnlose Minuten daran verschwendet eine Antwort auf dein Posting zu schreiben. Um ehrlich zu sein halte ich die Veränderung deines Schreibstils hin zu dem von Schmerzlos für eine Phase, die für einen gewissen Anteil jugendlicher in deinem Alter nicht unüblich ist. Irgendwann wird's mal fad.
Wie üblich ziehst du auch hier eine Diskussion nur in einen luftleeren Raum, auf eine Metaebene.

Eine Frage hätte ich. Wie nützlich ist der biblische Text für die semiotische Interpretation, die du hier propagierst? Warum nicht das Telefonbuch? Warum nicht Aesops Fabeln?
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Beitrag(#264153) Verfasst am: 18.02.2005, 11:48    Titel: Antworten mit Zitat

Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Liefert die wörtliche Interpretation von "Mein Kampf" eine brauchbare Heuristik?


Für Manche sicher... zynisches Grinsen

Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Praktisch nicht vorhandenen Informationen? Informationen worüber konkret?


Darüber, wie die Apostel gedacht haben.

Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Der Satz "Wer nicht mit mir ist, ist gegen mich" besteht aus einfachen Strukturwörtern, die jede Sprache braucht und die in jeder Sprache auch das gleiche bedeuten.


Habe ich das abgestritten?

Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Wir alle, denn diese Köpfe produzieren nun mal Sprache mit Hilfe derer sie Informationen über ihr Inneres preisgeben.


Symbolsysteme sind nicht "ewig".

Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Nein, Moment. Leonys Beispiel ist eine Interpretation. Du jonglierst nach Belieben mit den Begriffen "Interpretation", "Heuristik" und "Nützlichkeit". Ich dachte du brauchst eine Heuristik um eine Interpretation zu bekommen, die nützlich ist.


Ja, sicher.

Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Und warum siehst du, der ja sonst so vorsichtig ist, diese Interpretation als sinnvoll an?


Welche?

Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Wo hast du denn das her? Der Nutzen im kritischen Rationalismus ist die Aussagekräftigkeit über die Realität.


Ja, eben.

Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Daher haben extreme Interpretationsspielereien auch keinen Nutzen in diesem Sinne.


Vorsicht! Die Semiotik ist keine Naturwissenschaft, sondern eine Geisteswissenschaft.

Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Sie sagen jedenfalls nichts über die Bedeutung der Bibel aus [...]


Was ist denn "die Bedeutung der Bibel" (TM)?

Sokrateer hat folgendes geschrieben:
[...] so wie wir die Bedeutung von Texten verstehen.


Also alle Menschen verstehen die Bedeutung von Texten genau gleich?

Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Sie konstruieren lediglich eine neue [...] Botschaft.


Sicher!

Dieser Moment ist nicht der nächste Moment. zwinkern

Sokrateer hat folgendes geschrieben:
[...] von der Bibel losgelöste [...]


Ist Nietzsches Philosophie von Schopenhauers Philosophie losgelöst?

Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Es ist wesentlich sinnvoller Botschaften und effizienter offen und ehrlich zu vertreten.


Was ist denn das für eine Satzstruktur?

Im Übrigen vertrete ich meine Ansicht "offen und ehrlich". zwinkern

Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Wenn du eine sinnvolle Botschaft für die heutige Zeit hast, dann sage sie einfach [...]


Ich schreibe gerade an einem Buch.

Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Mit diesem Wissen interpretiert, ist die obige Aussage sehr wohl wissenschaftlich. Wissenschaftler erklären Theorien unentwegt als falsch.


Ja, nämlich dann, wenn sie für ein bestimmtes Phänomen unbrauchbar werden.

Sokrateer hat folgendes geschrieben:
schließlich ist dir ja egal, was Leony, oder irgendjemand anderer meint.


Schön, dass du Dinge über mich weisst, die mir selbst neu sind.

Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Das stimmt nicht. Die einfachste Theorie soll ausgewählt sein, nicht diejenige mit weniger Voraussetzungen.


Wann ist denn eine Theorie "einfacher" als eine Andere?

Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Die Vorraussetzungen, also der Kontext für eine Theorie, sind gegeben.


Wenn du noch einmal liest, stellst du fest, dass ich von metaphysischen Vorraussetzungen gesprochen habe.

Ockhams Rasiermesser

Wikipedia hat folgendes geschrieben:
Das Ockhamsche Sparsamkeitsprinzip fordert, dass man in Hypothesen nicht mehr Annahmen einführt, als tatsächlich benötigt werden [...]


Wikipedia hat folgendes geschrieben:
Es geht weniger um die einfache Nachvollziehbarkeit des Erklärungsmodells, als um die Art und Qualität der erforderlichen unüberprüfbaren Annahmen.


Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Nicht so vorschnell. Ist, bevor die Theorie angewendet wird, die Existenz Satans gesichert [...]


Der Roman spielt in unserer Welt. Also: nein, durch empirische Beobachtung konnte die Theorie der Existenz Satans bislang nicht gestützt werden.

Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Es ist nicht nützlich das Wort "Wissen" aus unserem Wortschatz zu streichen.


Habe ich auch nicht behauptet. Aber so, wie es hier von Leony verwendet wird, macht es den Anschein gesicherten und ontischen Wissens.

Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Im ehrlich zu sein halte ich die Veränderung deines Schreibstils hin zu dem von Schmerzlos für eine Phase, die für einen gewissen Anteil jugendlicher in deinem Alter nicht unüblich ist.


Schmerzlos? Ich schreibe nicht wie Schmerzlos! Böse

Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Wie üblich ziehst du auch hier eine Diskussion nur in einen luftleeren Raum, auf eine Metaebene.


Es geht hier im Moment darum, was wir wissen können. Wenn du den Thread zurückverfolgst, wirst du bemerken, dass nicht ich es war, der mit dieser Meta-Diskussion angefangen hat!

Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Eine Frage hätte ich. Wie nützlich ist der biblische Text für die semiotische Interpretation, die du hier propagierst? Warum nicht das Telefonbuch? Warum nicht Aesops Fabeln?


Ja, warum nicht? Das Telefonbuch enthält im Wesentlichen ein Verzeichnis von Menschen, nicht von Aussagen. Aesops Fabeln werde ich gerne demnächst lesen - ich habe sie hiermit auf meine Liste gesetzt.

Du glaubst doch wohl nicht, dass ich auf die Bibel "fixiert" bin?
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Beitrag(#265153) Verfasst am: 20.02.2005, 02:24    Titel: Antworten mit Zitat

Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
...

Sokrateer,
herzlichen Dank für deine Antwort auf Tarvocs Beitrag!
Damit hast du mir eine Menge Arbeit abgenommen Sehr glücklich

Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:

Leony hat folgendes geschrieben:
Aber was wahr ist und was nützlich ist, das ist zweierlei.


Bist du sicher? Was fängst du denn mit einer "Wahrheit" an, die nicht nützlich ist?

Wieso verzichtet die Naturwissenschaft eigentlich schon mindestens seit Popper auf Aussagen, die keinen Nutzen bringen? Hast du dir das 'mal überlegt?

Wo hast du denn das her? Der Nutzen im kritischen Rationalismus ist die Aussagekräftigkeit über die Realität.

Über diese Behauptung von Tarvoc habe ich mich auch schon gewundert.

Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Daher haben extreme Interpretationsspielereien auch keinen Nutzen in diesem Sinne. Sie sagen jedenfalls nichts über die Bedeutung der Bibel aus, so wie wir die Bedeutung von Texten verstehen.
Sie konstruieren lediglich eine neue, von der Bibel losgelöste Botschaft. Es ist wesentlich sinnvoller Botschaften und effizienter offen und ehrlich zu vertreten. Es gibt sogar Studien zu dem Thema.
Wenn du eine sinnvolle Botschaft für die heutige Zeit hast, dann sage sie einfach, anstatt x-beliebige Texte zu verdrehen.

Ganz meine Meinung.

Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:

Leony hat folgendes geschrieben:
Unter "die Wahrheit haben" würde ich nichts anderes verstehen als
"über bestimmte Aussagen wissen, ob sie wahr oder falsch sind".


Du glaubst also an "gesichertes" Wissen?
Dir ist schon im Klaren, dass du damit die ganze Philosophie seit Kant "verrätst"?

Es ist nicht nützlich das Wort "Wissen" aus unserem Wortschatz zu streichen. man kann es drehen oder wenden, wie man will. Letztendlich nimmt immer ein Wort, oder eine Wortkonstruktion die Bedeutung des Wortes Wissen ein. Auch bei dir.

Tarvoc,
es ist mir ein Rätsel, wie du darauf kommst,
ausgerechnet ich könnte unter "Wissen" etwas so Albernes verstehen wie ein absolut "gesichertes Wissen".
Dass bei mir unter "Wohnort" steht "Aufklärung und Kritischer Rationalismus",
dahinter steckt ein klein wenig mehr
als eine Vorliebe für wohlklingende Wörter wie "kritisch" und "rational".

Sokrateer,
ich stimme zu, dass es nützlich ist, ein Wort wie "Wissen" zu behalten.
Man muss es nur eben nicht als "absolut gesichertes Wissen" interpretieren.

Ich will mal eine Definition versuchen,
die zum einen der Bedeutung des Wortes im alltäglichen Gebrauch möglichst nahe kommt,
andererseits den Grundgedanken von Kritischem Rationalismus und konsequentem Fallibilismus Rechnung tragen:
    Definition:
    Der Satz
      "Die Person P weiß, dass die Aussage A wahr ist"
    ist folgendermaßen zu verstehen:
      "Die Person P verfügt über Informationen,
      die es rechtfertigen,
      dass P sich - vorläufig natürlich - darauf verlässt, dass A wahr sei,
      d. h.,
      dass P - vorläufig - nicht
      in irgendeiner für ihr Leben und lebenspraktisches Denken relevanten Weise damit rechnet,
      dass A falsch sein könnte,
      solange P keine neuen Informationen erhält, die Anlass zu begründeten Zweifeln an der Wahrheit von A geben."

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Beitrag(#265222) Verfasst am: 20.02.2005, 11:47    Titel: Antworten mit Zitat

Leony hat folgendes geschrieben:
    Definition:
    Der Satz
      "Die Person P weiß, dass die Aussage A wahr ist"
    ist folgendermaßen zu verstehen:
      "Die Person P verfügt über Informationen,
      die es rechtfertigen,
      dass P sich - vorläufig natürlich - darauf verlässt, dass A wahr sei,
      d. h.,
      dass P - vorläufig - nicht
      in irgendeiner für ihr Leben und lebenspraktisches Denken relevanten Weise damit rechnet,
      dass A falsch sein könnte,
      solange P keine neuen Informationen erhält, die Anlass zu begründeten Zweifeln an der Wahrheit von A geben."


In dem Falle kann ich wohl hier sagen, dass ich "weiss".

Wieviele Informationen hast du denn 1. über Semiotik und 2. über den historischen Kontext?
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Beitrag(#265246) Verfasst am: 20.02.2005, 12:30    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Wieviele Informationen hast du denn 1. über Semiotik und 2. über den historischen Kontext?

Über Semiotik habe ich keine umfassenden Informationen.
Ich habe die Informationen, die man als Mensch unserer Kultur zu haben pflegt,
und darüber hinaus etwas von dem, was man mitkriegen kann, wenn man Texte von Eugen Drewermann liest.
Das genügt, um eine begründete Skepsis zu entwickeln
gegenüber dem, was einige Leute "symbolische Interpretation" nennen.

Eugen Drewermann sagt es selbst:
Eugen Drewermann, ''Worum es eigentlich geht'', S. 101 hat folgendes geschrieben:
... das Problem existiert wirklich, dass wir einen Autor sogar weit über den Verstehenshorizont, den er selber haben konnte, also auch inklusive der Intentionen seiner Aussagen, interpretieren müssen. Wofür hätten wir 2000 Jahre Kirchengeschichte - ich muss jetzt fast lästerlich sprechen - im Besitz des Geistes Gottes, wenn wir einfach nur rezitieren könnten, was die Evangelien damals gemeint haben; auch das sage ich ja eben: Weil sie Symbole verwenden, sagen sie objektiv unendlich viel mehr, als sie reflex wissen können, ...

Die Behauptung, "sie" würden "objektiv mehr sagen", als sie wissen,
halte ich für irreführend und unseriös.

Über den historischen Kontext habe ich immerhin die Information,
dass unter den ersten Christen
die meisten keine Intellektuellen waren.
Diese Information habe ich aus der Bibel.

Das erlaubt IMHO die begründete Vermutung,
dass die meisten der frühen Christen
die Geschichten in den Evangelien als Berichte über Tatsachen aufgefasst haben dürften -
Tatsachen mit theologischer Bedeutung, das ja,
und erzählt wegen ihrer theologischen Bedeutung, das auch,
aber doch Tatsachen
und nicht nur symbolische Bilder für theologische Aussagen.
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Beitrag(#265254) Verfasst am: 20.02.2005, 12:43    Titel: Antworten mit Zitat

Leony hat folgendes geschrieben:
Sokrateer, ich stimme zu, dass es nützlich ist, ein Wort wie "Wissen" zu behalten. Man muss es nur eben nicht als "absolut gesichertes Wissen" interpretieren.

Man darf es sogar nicht einmal. Wissen bedeutet, eine funktionierende Theorie zu haben.

Leony hat folgendes geschrieben:
Ich will mal eine Definition versuchen, die zum einen der Bedeutung des Wortes im alltäglichen Gebrauch möglichst nahe kommt,
andererseits den Grundgedanken von Kritischem Rationalismus und konsequentem Fallibilismus Rechnung tragen:
    Definition:
    Der Satz
      "Die Person P weiß, dass die Aussage A wahr ist"
    ist folgendermaßen zu verstehen:
      "Die Person P verfügt über Informationen,
      die es rechtfertigen,
      dass P sich - vorläufig natürlich - darauf verlässt, dass A wahr sei,
      d. h.,
      dass P - vorläufig - nicht
      in irgendeiner für ihr Leben und lebenspraktisches Denken relevanten Weise damit rechnet,
      dass A falsch sein könnte,
      solange P keine neuen Informationen erhält, die Anlass zu begründeten Zweifeln an der Wahrheit von A geben."

Es ist vielleicht etwas irritierend, daß Du in Deiner Definition gleich zwei Problemkreise streifst, nämlich was es bedeutet, daß "die Person P weiß", und was es bedeutet, daß "die Aussage A wahr ist".
Letzteres kommt - nach meinem Geschmack - etwas zu kurz. Es ist nämlich ein Unterschied, ob es eine Aussage in einem formalen System oder eine Aussage über die sich uns darbietende Welt ist.

gruß/step
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Beitrag(#265293) Verfasst am: 20.02.2005, 14:40    Titel: Antworten mit Zitat

Leony hat folgendes geschrieben:
Das genügt, um eine begründete Skepsis zu entwickeln gegenüber dem, was einige Leute "symbolische Interpretation" nennen.


Hat jemals jemand etwas gegen Skepsis gesagt?

Leony hat folgendes geschrieben:
Die Behauptung, "sie" würden "objektiv mehr sagen", als sie wissen, halte ich für irreführend und unseriös.


Wann ist denn etwas "objektiv"?

Leony hat folgendes geschrieben:
Über den historischen Kontext habe ich immerhin die Information, dass unter den ersten Christen die meisten keine Intellektuellen waren.


Die Meisten wohl nicht.
Die, die schreiben konnten, werden es wohl irgendwie doch gewesen sein - sonst hätten sie nicht schreiben gekonnt. zwinkern

Jede "Bewegung" braucht immer einen intellektuellen "Kern" von Vordenkern.

Leony hat folgendes geschrieben:
Das erlaubt IMHO die begründete Vermutung, dass die meisten der frühen Christen
die Geschichten in den Evangelien als Berichte über Tatsachen aufgefasst haben dürften


Kannst du mir eine Stelle zeigen, wo ich das abgestritten habe?
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Zuletzt bearbeitet von Tarvoc am 20.02.2005, 14:42, insgesamt einmal bearbeitet
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Beitrag(#265294) Verfasst am: 20.02.2005, 14:42    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Es ist nämlich ein Unterschied, ob es eine Aussage in einem formalen System oder eine Aussage über die sich uns darbietende Welt ist.


Ich glaube, da liegt der sprichwörtliche "Hund" "begraben"...
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Beitrag(#265370) Verfasst am: 20.02.2005, 18:04    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Leony hat folgendes geschrieben:
Die Behauptung, "sie" würden "objektiv mehr sagen", als sie wissen, halte ich für irreführend und unseriös.


Wann ist denn etwas "objektiv"?

Frag Drewermann zwinkern

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Leony hat folgendes geschrieben:
Über den historischen Kontext habe ich immerhin die Information, dass unter den ersten Christen die meisten keine Intellektuellen waren.


Die Meisten wohl nicht.
Die, die schreiben konnten, werden es wohl irgendwie doch gewesen sein - sonst hätten sie nicht schreiben gekonnt. zwinkern

Wer schreiben kann, ist ein "Intellektueller"? Überrascht
Das Wort verstehe ich eher wie hier:
DUDEN Fremdwörterbuch hat folgendes geschrieben:
Intellektuelle der u. die; -n, -n: jmd. mit akademischer Ausbildung,
der in geistig schöpferischer, kritischer Weise Themen problematisiert u. sich mit ihnen auseinandersetzt.

Zwar dürften in der Antike die, die schreiben konnten, eher etwas Besonderes gewesen sein als heute.
Aber auch damals dürfte es unter denen, die schreiben und lesen konnten, viele gegeben haben,
die diese Fähigkeiten hauptsächlich zu praktischen Zwecken einsetzten,
die sich mehr für ihre Geschäftsbücher interessierten als für philosophische Überlegungen etc.

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Jede "Bewegung" braucht immer einen intellektuellen "Kern" von Vordenkern.

Aber damit die Vordenker sich geistig so weit von ihrem "Fußvolk" entfernen können,
wie das einige Theologen heutzutage tun,
muss die Bewegung erst einmal fest etabliert und bis zu einem gewissen Grade institutionalisiert sein.
Das dürfte bei den Christen im ersten Jahrhundert, als die Evangelien entstanden, noch nicht der Fall gewesen sein.

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Leony hat folgendes geschrieben:
Das erlaubt IMHO die begründete Vermutung, dass die meisten der frühen Christen
die Geschichten in den Evangelien als Berichte über Tatsachen aufgefasst haben dürften


Kannst du mir eine Stelle zeigen, wo ich das abgestritten habe?

Abgestritten wohl nicht.
Ich hatte allerdings den Eindruck, dass du es für unwichtig erklären wolltest.

Außerdem ging es ja um die Frage, was wir darüber wissen können, was die Urheber der Evangelien sagen wollten.
Die Behauptung, dass sie sagen wollten, bestimmte Geschehnisse seien tatsächlich passiert,
ist ja eine Aussage darüber, was sie sagen wollten.
Und offenbar können wir begründete Vermutungen darüber anstellen,
obwohl diese Leute längst tot sind.
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Gruß, Leony (Gott losgeworden vor vielen Jahren Sehr glücklich)
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Mandingo
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Beitrag(#265425) Verfasst am: 20.02.2005, 19:57    Titel: Antworten mit Zitat

Leony hat folgendes geschrieben:
...
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Leony hat folgendes geschrieben:
Das erlaubt IMHO die begründete Vermutung, dass die meisten der frühen Christen
die Geschichten in den Evangelien als Berichte über Tatsachen aufgefasst haben dürften

Kannst du mir eine Stelle zeigen, wo ich das abgestritten habe?

Abgestritten wohl nicht.
Ich hatte allerdings den Eindruck, dass du es für unwichtig erklären wolltest.

Es ist ja für uns heute auch völlig unwichtig.
Wir glauben ja nicht an die berichteten und so angenommenen Tatsachen,
sondern an die Botschaft Jesu, seine Ethik, seinen Weg der Menschen zu sich selbst als Kinder der einen Familie Gottes.

Tatsachen sind einmalig und vorbei.
Die Botschaft und ihr Glaube, die Symbole, Legenden und Mythen
lassen sich übersetzen in die Sprache unserer Zeit.
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Evilbert
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Beitrag(#265431) Verfasst am: 20.02.2005, 20:03    Titel: Antworten mit Zitat

Mandingo hat folgendes geschrieben:

Wir glauben ja nicht an die berichteten und so angenommenen Tatsachen,
sondern an die Botschaft Jesu, seine Ethik, seinen Weg der Menschen zu sich selbst als Kinder der einen Familie Gottes.


Du glaubst an das, was Dir gefällt an der Schrift. Wie jeder andere Christ auch. Und was Dir nicht ins Konzept passt, lässt Du unterm Tisch fallen oder deutest es um.
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step
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Beitrag(#265459) Verfasst am: 20.02.2005, 21:16    Titel: Antworten mit Zitat

Mandingo hat folgendes geschrieben:
.. Wir glauben ja nicht an die berichteten und so angenommenen Tatsachen ... Tatsachen sind einmalig und vorbei. Die Botschaft und ihr Glaube, die Symbole, Legenden und Mythen lassen sich übersetzen in die Sprache unserer Zeit.

Sollten also die Kirchen und Theologen und auch die modernen Christen nicht endlich auf ihre Glaubensbrüder zugehen und in Predigten, Heftchen und Religionsunterricht erklären, daß Jesus gar nicht auferstanden und auch nicht der Sohn Gottes ist, sondern das nur von seinen Groupies geglaubt wurde? Oder kann man das den gläubigen Menschen nicht zumuten, weil sie ja immer noch frühneuzeitlich denken?

gruß/step
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Schmerzlos
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Beitrag(#265467) Verfasst am: 20.02.2005, 21:29    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Mandingo hat folgendes geschrieben:
.. Wir glauben ja nicht an die berichteten und so angenommenen Tatsachen ... Tatsachen sind einmalig und vorbei. Die Botschaft und ihr Glaube, die Symbole, Legenden und Mythen lassen sich übersetzen in die Sprache unserer Zeit.

Sollten also die Kirchen und Theologen und auch die modernen Christen nicht endlich auf ihre Glaubensbrüder zugehen und in Predigten, Heftchen und Religionsunterricht erklären, daß Jesus gar nicht auferstanden und auch nicht der Sohn Gottes ist, sondern das nur von seinen Groupies geglaubt wurde? Oder kann man das den gläubigen Menschen nicht zumuten, weil sie ja immer noch frühneuzeitlich denken?

gruß/step


Zitat:
Der Vorwurf der Gotteslästerung
31Da ahoben die Juden abermals Steine auf, um ihn zu steinigen. 32Jesus sprach zu ihnen: Viele gute Werke habe ich euch erzeigt vom Vater; um welches dieser Werke willen wollt ihr mich steinigen? 33Die Juden antworteten ihm und sprachen: Um eines guten Werkes willen steinigen wir dich nicht, sondern bum der Gotteslästerung willen, cdenn du bist ein Mensch und machst dich selbst zu Gott. 34Jesus antwortete ihnen: Steht nicht geschrieben in eurem Gesetz (Psalm 82,6): «Ich habe gesagt: Ihr seid Götter»? 35Wenn er die Götter nennt, zu denen das Wort Gottes geschah - und die Schrift kann doch nicht dgebrochen werden -, 36wie sagt ihr dann zu dem, den der Vater geheiligt und in die Welt gesandt hat: Du lästerst Gott -, weil ich sage: Ich bin Gottes Sohn? e 37Tue ich nicht die Werke meines Vaters, so glaubt mir nicht; 38tue ich sie aber, so glaubt doch den Werken, wenn ihr mir nicht glauben wollt, damit ihr erkennt und wißt, daß der Vater in mir ist und ich in ihm. 39Da fsuchten sie abermals, ihn zu ergreifen. Aber ger entging ihren Händen.
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Tarvoc
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Beiträge: 44650

Beitrag(#265469) Verfasst am: 20.02.2005, 21:31    Titel: Antworten mit Zitat

Leony hat folgendes geschrieben:
Wer schreiben kann, ist ein "Intellektueller"? Überrascht


Zu der damaligen Zeit oftmals ja.

DUDEN Fremdwörterbuch hat folgendes geschrieben:
Intellektuelle der u. die; -n, -n: jmd. mit akademischer Ausbildung


Wie bequem - dann gab es also damals eigentlich kaum Intellektuelle, weil es noch keine Universitäten gab? zwinkern

Das Problem ist, dass du solche Definitionen - die auf die heutige Zeit abgestimmt sind - nicht unbedingt auf die damalige Zeit anwenden kannst.

DUDEN Fremdwörterbuch hat folgendes geschrieben:
der in geistig schöpferischer, kritischer Weise Themen problematisiert u. sich mit ihnen auseinandersetzt.


Sind die Evangelien keine geistig schöpferische (wenn auch vielleicht nicht "kritische") Weise der Auseinandersetzung mit einem Thema? Mit den Augen rollen

Leony hat folgendes geschrieben:
Zwar dürften in der Antike die, die schreiben konnten, eher etwas Besonderes gewesen sein als heute.
Aber auch damals dürfte es unter denen, die schreiben und lesen konnten, viele gegeben haben,
die diese Fähigkeiten hauptsächlich zu praktischen Zwecken einsetzten, die sich mehr für ihre Geschäftsbücher interessierten als für philosophische Überlegungen etc.


Die werden dann aber wohl kaum Evangelien schreiben - dafür dürften ihre Schreibkenntnisse dann doch nicht ausgereicht haben...

Leony hat folgendes geschrieben:
Aber damit die Vordenker sich geistig so weit von ihrem "Fußvolk" entfernen können, wie das einige Theologen heutzutage tun


Und taten sie es damals auch schon?
Warst du dabei? zwinkern

Mit Aussagen wie "das ist heute so, also war das damals auch schon so" wäre ich extremst vorsichtig...

Leony hat folgendes geschrieben:
Abgestritten wohl nicht.
Ich hatte allerdings den Eindruck, dass du es für unwichtig erklären wolltest.


Ich schrieb: Es kommt darauf an, wichtig für was. zwinkern
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- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Wohnort: Germering

Beitrag(#265504) Verfasst am: 20.02.2005, 22:59    Titel: Antworten mit Zitat

Schmerzlos hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Mandingo hat folgendes geschrieben:
.. Wir glauben ja nicht an die berichteten und so angenommenen Tatsachen ... Tatsachen sind einmalig und vorbei. Die Botschaft und ihr Glaube, die Symbole, Legenden und Mythen lassen sich übersetzen in die Sprache unserer Zeit.

Sollten also die Kirchen und Theologen und auch die modernen Christen nicht endlich auf ihre Glaubensbrüder zugehen und in Predigten, Heftchen und Religionsunterricht erklären, daß Jesus gar nicht auferstanden und auch nicht der Sohn Gottes ist, sondern das nur von seinen Groupies geglaubt wurde? Oder kann man das den gläubigen Menschen nicht zumuten, weil sie ja immer noch frühneuzeitlich denken?

gruß/step


Zitat:
Der Vorwurf der Gotteslästerung
31Da ahoben die Juden abermals Steine auf, um ihn zu steinigen. 32Jesus sprach zu ihnen: Viele gute Werke habe ich euch erzeigt vom Vater; um welches dieser Werke willen wollt ihr mich steinigen? 33Die Juden antworteten ihm und sprachen: Um eines guten Werkes willen steinigen wir dich nicht, sondern bum der Gotteslästerung willen, cdenn du bist ein Mensch und machst dich selbst zu Gott. 34Jesus antwortete ihnen: Steht nicht geschrieben in eurem Gesetz (Psalm 82,6): «Ich habe gesagt: Ihr seid Götter»? 35Wenn er die Götter nennt, zu denen das Wort Gottes geschah - und die Schrift kann doch nicht dgebrochen werden -, 36wie sagt ihr dann zu dem, den der Vater geheiligt und in die Welt gesandt hat: Du lästerst Gott -, weil ich sage: Ich bin Gottes Sohn? e 37Tue ich nicht die Werke meines Vaters, so glaubt mir nicht; 38tue ich sie aber, so glaubt doch den Werken, wenn ihr mir nicht glauben wollt, damit ihr erkennt und wißt, daß der Vater in mir ist und ich in ihm. 39Da fsuchten sie abermals, ihn zu ergreifen. Aber ger entging ihren Händen.


Jesus war eben selbst auch nur ein Mythos seiner Zeit, und verstand sich selbst ganz gefangen darin.

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Beitrag(#265509) Verfasst am: 20.02.2005, 23:02    Titel: Antworten mit Zitat

Noseman hat folgendes geschrieben:
Du glaubst an das, was Dir gefällt an der Schrift. Wie jeder andere Christ auch. Und was Dir nicht ins Konzept passt, lässt Du unterm Tisch fallen oder deutest es um.

Jeder glaubt an das, was ihn überzeugt, Noseman!
Glaubst du an etwas anderes?
Und bei der Übersetzung in unsere Sprache
haben wir gar keine Wahl als die der Interpretation.
Oder lebst du nach Regeln von vor 2000 Jahren?

Ich will Lebensregeln und -prinzipien erfahren,
nicht wer wann in der Wüste einen Altar errichtet
oder ob Jesus aus Wasser Wein gemacht hat.
Wichtig ist, dass man "Umdeutungen" begründen,
nicht wie man sich um sie herumdrücken kann.
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Beitrag(#265549) Verfasst am: 20.02.2005, 23:54    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Jesus war eben selbst auch nur ein Mythos seiner Zeit, und verstand sich selbst ganz gefangen darin.


- Jesus ist "so und so" aufgrund von Vorstellungen...
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