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Tapuak registrierter User
Anmeldungsdatum: 23.02.2006 Beiträge: 1264
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(#488092) Verfasst am: 02.06.2006, 21:47 Titel: Religion als Zivilisierungsinstrument? |
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Die meisten Mitglieder in diesem Forum dürften mir darin zustimmen, dass die Form, in der Religionen Moralnormen aufstellen, einer kritsch-rationalen Prüfung keineswegs standhält. Die Normen werden vom angeblichen Willen einer angeblich existenten mystischen Wesenheit deduziert und gelten dogmatisch. Letztlich heißt das: Die religiös gewonnen Normen sind willkürlich.
Diese Kritik bezieht sich jedoch nur auf die Art und Weise, wie die Normen gewonnen werden. Es ist also mehr oder weniger eine akademisch-spitzfindige Kritik. Letztendlich ist ja viel wichtiger, welche Konsequenzen die Normen hervorbringen, während die Art der Herleitung ist sekundär ist.
In letzter Zeit kam mir diesbezüglich immer wieder der Gedanke, ob Religion in Bezug auf das Verhalten der Menschen nicht auch eine positive Wirkung entfalten kann. Wenn eine religiöse Norm dafür sorgt, dass etwas naive und wenig reflektiert handelnde Menschen sich so verhalten, wie es auch aus einer rationalen Perspektive wüschenswert wäre: Kann man dann nicht über die beliebig-dogmatische (und teilweise lächerliche) Art der Normherleitung hinwegsehen?
Wenn in der Bibel steht: "Du sollst nicht stehlen", so interessiert mich das als Nichtchrist herzlich wenig. Ich kann mich aber darüber freuen, wenn deswegen tatsächlich einige Leute nicht stehlen, die das ohne diese religiöse Norm vielleicht getan hätten. Vielleicht brauchen manche Leute einfach solche primitiven Vorschriften, weil sie durch eigenes Nachdenken zu keinem Ergebnis kommen würden.
Müssen wir der Religion also für ihre mitunter zivilisierende Wirkung dankbar sein?
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Zwergpirat Gast
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(#488110) Verfasst am: 02.06.2006, 22:13 Titel: Re: Religion als Zivilisierungsinstrument? |
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Tapuak hat folgendes geschrieben: | Müssen wir der Religion also für ihre mitunter zivilisierende Wirkung dankbar sein? |
Hmm, ich denke nicht das Gesetze und Normen die aus Religionen resultieren Menschen davon abhalten etwas zu stehlen.
Ob du stiehlst hängt meistens von der Situation ab in der du dich befindest. Meistens stellen sich auch solche Fragen nur in Ländern die "reich" sind. Wenn es in Afrika ums nackte Überleben geht oder auch bei uns nach dem 2. Weltkrieg, dann können sich nur noch sehr wenige Menschen an Nächstenliebe und Normen erinnern.
Menschen die auch noch unter solchen extremen Bedingungen selbstlos sind, würden sich auf Grund ihrer prinzipiellen Einstellung zum Leben und der Welt auch ohne diese Normen so verhalten. Selbstlosigkeit und die Einstellung anderen Menschen keinen Schaden zuzufügen, resultieren nicht aus den Religionen, sondern wurden nur von der Abteilung Marketing erfolgreich integriert.
Dies ist es was mich an den Religionen am meisten nervt, diese Inanspruchnahme von Werten ohne Angaben über die Quelle.
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CoS Antitheist
Anmeldungsdatum: 10.07.2005 Beiträge: 2734
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(#488141) Verfasst am: 02.06.2006, 23:12 Titel: |
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Die "Normen" sind den meisten Christen egal. Jeder hat schonmal Mist gebaut und davon sind auch Christen nicht ausgenommen. Nur mit dem Unterschied, dass der Christ "beichten" kann und dann glaubt seine Weste wäre wieder rein.
Kleines Beispiel ist Keuschheit - Man sollte glauben, dass katholische Mütter weniger uneheliche Kinder zur Welt bringen - Das Gegenteil ist aber der Fall. Katholische Mütter bringen mehr uneheliche Kinder zur Welt, als andere!
Von daher ist auf diese Norm geschissen und die Beichte (für den Pfaffen eine Statistik um den Erfolg der Indoktrinierung zu messen) wird von vielen Christen sogar als eine Art "Freifahrschein" angesehen.
Desweiteren bin ich strikt atheistisch erzogen und hab auch nie gestohlen! Ich brauche keine "christlichen" Erklärungsversuche über höhere Instanzen um zu verstehen, dass Stehlen für eine funktionierende Gesellschaft nicht nützlich ist.
Bei den Christen muss man die Vorgehensweise sehen - Erst wird dem Menschen jeder Funken Verstand aus dem Kopf gesogen und später wird dem geislosen Indiviuum über "göttliche Instanzen" eine beliebige Moral implantiert...
Das ist wesentlich verachtenswerter als Aufklärung...
_________________ "Wenn Sie mich suchen, ich halte mich in der Nähe des Wahnsinns auf, genauer gesagt auf der schmalen Linie zwischen Wahnsinn und Panik, gleich um die Ecke von Todesangst, nicht weit weg von Irrwitz und Idiotie!"
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magnusfe MASTERMISSIONATOR OF THEOLOGIK
Anmeldungsdatum: 03.08.2004 Beiträge: 3944
Wohnort: dunkler Ort :
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(#488143) Verfasst am: 02.06.2006, 23:15 Titel: |
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aber Robin Hood hat doch auch gestohlen und das war sehr gut weil er den armen dann helfen konnte
_________________ http://www.magnusfe.npage.de
Wer meine Worte klaut wird schlau
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Tapuak registrierter User
Anmeldungsdatum: 23.02.2006 Beiträge: 1264
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(#488163) Verfasst am: 03.06.2006, 00:19 Titel: Re: Religion als Zivilisierungsinstrument? |
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Zwergpirat hat folgendes geschrieben: | Ob du stiehlst hängt meistens von der Situation ab in der du dich befindest. Meistens stellen sich auch solche Fragen nur in Ländern die "reich" sind. Wenn es in Afrika ums nackte Überleben geht oder auch bei uns nach dem 2. Weltkrieg, dann können sich nur noch sehr wenige Menschen an Nächstenliebe und Normen erinnern. |
Wahrscheinlich gibt es Extremsituationen, in denen selbst sehr gut internalisierte Normen keinerlei Wirkung mehr haben. Aber im Alltag, der nicht von unmittelbar existenzbedrohenden Situationen geprägt ist, würde ich Normen doch durchaus als wirksam betrachten (egal ob religiöse oder andere). Manche Normen verinnerlicht man so stark, dass man z.B. ein "schlechtes Gewissen" empfindet, wenn man gegen sie verstößt. Das zeigt, dass sie psychisch wirksam sind - was sich wiederum auf das konkrete Verhalten auswirkt. Ein Mensch ist nun mal kein reiner "Homo Oeconomicus", der immer stiehlt und betrügt, wenn er ungestört die Gelegenheit dazu hat. Da spielen Normen schon eine Rolle.
Zitat: | Dies ist es was mich an den Religionen am meisten nervt, diese Inanspruchnahme von Werten ohne Angaben über die Quelle.  |
Das nervt mich auch gewaltig, glaub mir. Diese Borniertheit der Religionen ist eine Plage. Aber ich frage mich ja gerade, ob das Fehlen der Quelle nicht völlig unwichtig ist, solange die Normen gute Konsequenzen hervorbringen. Ist es nicht möglich, die Religion aus reinem Pragmatismus zu akzeptieren? Den Schwindel hinzunehmen ob seiner Wirkung?
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nocquae diskriminiert nazis
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 18183
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(#488174) Verfasst am: 03.06.2006, 00:53 Titel: Re: Religion als Zivilisierungsinstrument? |
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Tapuak hat folgendes geschrieben: | Diese Kritik bezieht sich jedoch nur auf die Art und Weise, wie die Normen gewonnen werden. Es ist also mehr oder weniger eine akademisch-spitzfindige Kritik. Letztendlich ist ja viel wichtiger, welche Konsequenzen die Normen hervorbringen, während die Art der Herleitung ist sekundär ist.
Müssen wir der Religion also für ihre mitunter zivilisierende Wirkung dankbar sein? | Die Herleitung ist an sich tatsächlich erstmal egal.
Das Problem: Die Herleitung "fehlt" ja nicht. Die Herleitung ist "was Gott befiehlt ist gut". Bun spricht Gott aber selbst nicht, sondern unzählige Religiöse wollen uns erzählen, was genau Gottes Wille sei.
Und die Realität zeigt, dass nichts schwammiger ist, als religiöse Schriften und Theorien; damit läßt sich alles begründen.
Wer jemanden umbringen möchte, der wird das aus jeder x-beliebigen religiösen Schrift begründen können - Christen z. B. taten das schon immer und tun es noch. Nichts ist also beliebiger, als der Wille eines Gottes, der der Interpretation bedarf.
Die Tendenz des "Gott befiehl, wir folgen", gewöhnt Menschen also viel eher daran, Anweisungen unhintterfragt zu übernehmen. Wenn Jemand die Interpreationsautorität innehat, der zufällig sozial eingestellt ist, dann wird etwas Soziales bei religiösen Normen herauskommen, wenn sie jemand innehat, der asozial eingestellt ist, dann ...
Wenn man nun noch dazunimmt, dass Religion außerordentlich häufig fanatische Auswüchse hervorbringt, dann ist das eine äußerst ungute Mischung.
Mal ehrlich: wann und wo haben (konkret!) religiöse Normen zu einem Verhalten (auf breiter Basis) geführt, wie eine moderne Gesellschaft es für wünschenswert erachten würde?
_________________ In Deutschland gilt derjenige, der auf den Schmutz hinweist, als viel gefährlicher, als derjenige, der den Schmutz macht.
-- Kurt Tucholsky
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Verytas Gast
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(#488181) Verfasst am: 03.06.2006, 01:15 Titel: Re: Religion als Zivilisierungsinstrument? |
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Tapuak hat folgendes geschrieben: | Müssen wir der Religion also für ihre mitunter zivilisierende Wirkung dankbar sein? |
Natürlich.
Selbst falls die Religionen mittlerweile über das Ziel hinausgeschossen haben mögen ...
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moritura pan narrans
Anmeldungsdatum: 01.12.2003 Beiträge: 1358
Wohnort: Berlin
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(#488220) Verfasst am: 03.06.2006, 08:30 Titel: |
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Ich denke, das problematische daran, das Religionen behaupten Normen aufzustellen, bzw. für ihre Einhaltung zu sorgen, ist eher, das damit, nicht nur implizit, gesagt wird, wer bei uns nicht mitmacht ist amoralisch.
D.h. die Inanspruchnahme allgemeingültiger Normen, die auch ganz andere Gesellschaften mit anderen Religionen (und durchaus sehr wenig reflektierten Verhaltensweisen) haben, dient zur Ausgrenzung Andersgläubiger.
Das das gut auch bei Atheisten funktioniert zeigt CoS in seinem Beitrag. Er behauptet alle Christen würden sich hinter der Beichte verstecken, und wären daher weniger moralisch (wahlweise ethisch) Zur Info: Beichte gibt es vorallem bei den Katholischen, bei den anderen eher nicht.
Ich bin der Meinung, das bestimmte Verhaltenweise erforderlich sind, damit eine Gesellschaft halbwegs funktioniert, müssen die wenigsten Menschen reflektieren, das ist ihnen instinktiv bewußt. Egal, welche Vorstellung des Ursprungs dieser Normen ihnen mitgeteilt wird.
Da aber allen Menschen auch klar ist, das ein Nichteinhalten dieser Normen problematisch ist, eignen sie sich gut dazu, fremde Gruppen auszugrenzen, mit der Behauptung, diese würden sich an diese Normen nicht halten.
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Sermon panta rhei
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 18430
Wohnort: Sine Nomine
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(#488227) Verfasst am: 03.06.2006, 09:35 Titel: |
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moritura hat folgendes geschrieben: | Ich bin der Meinung, das bestimmte Verhaltenweise erforderlich sind, damit eine Gesellschaft halbwegs funktioniert, müssen die wenigsten Menschen reflektieren, das ist ihnen instinktiv bewußt. Egal, welche Vorstellung des Ursprungs dieser Normen ihnen mitgeteilt wird. |
Ich hadere mit Deiner unterscheidungslosen Verwendung des Begriffes "Norm".
Es ist doch ein Unterschied, ob ein demokratischer Rechtsstaat in einem Gesetzbuch den Mord - also unzweifelhaft schaedliches Verhalten - unter Strafe stellt, oder, ob eine Kirche behauptet, vorehelicher oder nichthetero Sex sei - im Sinne eines, von einem imaginaeren Alphamaennchen geoffenbarten, heiligen Maerchenbuches - Suende und dann versucht, diesen aberwitzigen Anspruch anderen moeglichst auch per staatlicher Gesetzgebung zur Pflicht zu machen.
_________________ "Der Typ hat halt so seine Marotten" (Sermon über Sermon)
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moritura pan narrans
Anmeldungsdatum: 01.12.2003 Beiträge: 1358
Wohnort: Berlin
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(#488232) Verfasst am: 03.06.2006, 09:50 Titel: |
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Sermon hat folgendes geschrieben: | moritura hat folgendes geschrieben: | Ich bin der Meinung, das bestimmte Verhaltenweise erforderlich sind, damit eine Gesellschaft halbwegs funktioniert, müssen die wenigsten Menschen reflektieren, das ist ihnen instinktiv bewußt. Egal, welche Vorstellung des Ursprungs dieser Normen ihnen mitgeteilt wird. |
Ich hadere mit Deiner unterscheidungslosen Verwendung des Begriffes "Norm".
Es ist doch ein Unterschied, ob ein demokratischer Rechtsstaat in einem Gesetzbuch den Mord - also unzweifelhaft schaedliches Verhalten - unter Strafe stellt, oder, ob eine Kirche behauptet, vorehelicher oder nichthetero Sex sei - im Sinne eines, von einem imaginaeren Alphamaennchen geoffenbarten, heiligen Maerchenbuches - Suende und dann versucht, diesen aberwitzigen Anspruch anderen moeglichst auch per staatlicher Gesetzgebung zur Pflicht zu machen. |
Eine Norm ist zunächst eine gesellschaftlich vorgegebene Wertung. Wie sinnvoll, gerecht oder anderes sie ist, war nicht mein Thema.
Thema des Diskussionsfadens war m.E. "Ist die Propagierung von Normen" (welchen auch immer) "durch die Religionen nützlich? Bindet sie möglicherweise Menschen an diese Normen, die anders nicht erreichbar wären?"
Darum ging es mir. Der Zweck der Normen in den Religion ist m.E. nicht, Außenstehende in diese (die Normen) einzubinden, wie dies Tapuak in seiner Einleitung andeutete, sondern sich gegen Außenstehende abzugrenzen. Und dies ist eben Gesamtgesellschaftlich eher negativ zu werten.
Lustig fand ich eben, das man die gleichen Mechanismen auch bei manchen Atheisten findet. Auch hier behaupten einige, das Religiöse per se gesellschaftliche Normen nicht um ihrer selbst willen einhalten, sondern nur wg. ihrer Religion, und daher als unsichere Kandidaten moralisch zumindest zweifelhaft sind.
Über den Inhalt dieser Normen wollte ich nicht diskutieren, das ist ein anderes Thema, und dort liegen unsere Meinungen vermutlich sehr nahe beieinander.
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Verytas Gast
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(#488303) Verfasst am: 03.06.2006, 11:49 Titel: |
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moritura hat folgendes geschrieben: | Ich denke, das problematische daran, das Religionen behaupten Normen aufzustellen, bzw. für ihre Einhaltung zu sorgen, ist eher, das damit, nicht nur implizit, gesagt wird, wer bei uns nicht mitmacht ist amoralisch. |
Wer mordet, lügt, stiehlt und betrügt, der IST amoralisch.
Zitat: | Das das gut auch bei Atheisten funktioniert zeigt CoS in seinem Beitrag. Er behauptet alle Christen würden sich hinter der Beichte verstecken, und wären daher weniger moralisch (wahlweise ethisch) Zur Info: Beichte gibt es vorallem bei den Katholischen, bei den anderen eher nicht. |
Nix vorallem, und nix eher, sondern gar nicht.
Aber hier können sowieso nur die wenigsten zwischen Christ und Katholik unterscheiden.
Sooo komplizierte Gedankengänge sind ja auch nicht für jeden ...
Zitat: | Ich bin der Meinung, das bestimmte Verhaltenweise erforderlich sind, damit eine Gesellschaft halbwegs funktioniert, müssen die wenigsten Menschen reflektieren, das ist ihnen instinktiv bewußt. Egal, welche Vorstellung des Ursprungs dieser Normen ihnen mitgeteilt wird.
Da aber allen Menschen auch klar ist, das ein Nichteinhalten dieser Normen problematisch ist, eignen sie sich gut dazu, fremde Gruppen auszugrenzen, mit der Behauptung, diese würden sich an diese Normen nicht halten. |
Du widersprichst dir selbst, und du merkst es nicht einmal ...
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Johnnyboy Stück Scheiße
Anmeldungsdatum: 26.06.2005 Beiträge: 2562
Wohnort: Babylon
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(#488305) Verfasst am: 03.06.2006, 11:51 Titel: |
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@Verytas: Woran glaubst du eigentlich konkret?
_________________ "Das Leben des Starken erfüllt seinen Sinn, das des Schwachen seinen Zweck".
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Verytas Gast
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(#488307) Verfasst am: 03.06.2006, 11:59 Titel: |
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Johnnyboy hat folgendes geschrieben: | @Verytas: Woran glaubst du eigentlich konkret? |
Dass das Universum und das Leben nicht zufällig entstanden sind, sondern von einer intelligenten Entität, die uns Menschen in jeder Hinsicht weit überlegen ist, erschaffen wurden.
Also eine Art ID-Light. Viel mehr ist es zur Zeit nicht ...
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VanHanegem Weltmeister
Anmeldungsdatum: 24.04.2006 Beiträge: 3180
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(#488414) Verfasst am: 03.06.2006, 14:01 Titel: Re: Religion als Zivilisierungsinstrument? |
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Tapuak hat folgendes geschrieben: | Die meisten Mitglieder in diesem Forum dürften mir darin zustimmen, dass die Form, in der Religionen Moralnormen aufstellen, einer kritsch-rationalen Prüfung keineswegs standhält. Die Normen werden vom angeblichen Willen einer angeblich existenten mystischen Wesenheit deduziert und gelten dogmatisch. Letztlich heißt das: Die religiös gewonnen Normen sind willkürlich.
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Zu diesen "meisten" Mitgliedern gehöre ich dann offensichtlich nicht. Fragen:
vom angeblichen Willen welcher "angeblich existenten mystischen Wesenheit " sollen z.B. Buddha oder Konfutse ihre Verhaltensnormen deduziert haben?
Wenn diese Normen willkürlich sind, wie erklärt der Schreiber des Eingangsbeitrages, daß die grundlegenden Prinzipien (z.B. das Prinzip der Reziprozität) fast weltweit dieselben sind?
_________________ Hup Holland Hup, Oranje winnt de cup (2022)
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moritura pan narrans
Anmeldungsdatum: 01.12.2003 Beiträge: 1358
Wohnort: Berlin
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(#488463) Verfasst am: 03.06.2006, 15:16 Titel: |
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Verytas hat folgendes geschrieben: | moritura hat folgendes geschrieben: | Ich denke, das problematische daran, das Religionen behaupten Normen aufzustellen, bzw. für ihre Einhaltung zu sorgen, ist eher, das damit, nicht nur implizit, gesagt wird, wer bei uns nicht mitmacht ist amoralisch. |
Wer mordet, lügt, stiehlt und betrügt, der IST amoralisch.
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Richtig. Das wird aber in allen Gesellschaften so gesehen und ist nichts spezifisch christliches.
Verytas hat folgendes geschrieben: |
Zitat: | Ich bin der Meinung, das bestimmte Verhaltenweise erforderlich sind, damit eine Gesellschaft halbwegs funktioniert, müssen die wenigsten Menschen reflektieren, das ist ihnen instinktiv bewußt. Egal, welche Vorstellung des Ursprungs dieser Normen ihnen mitgeteilt wird.
Da aber allen Menschen auch klar ist, das ein Nichteinhalten dieser Normen problematisch ist, eignen sie sich gut dazu, fremde Gruppen auszugrenzen, mit der Behauptung, diese würden sich an diese Normen nicht halten. |
Du widersprichst dir selbst, und du merkst es nicht einmal ...  |
Ich habe mich offensichtlich immer noch nicht klar genug ausgedrückt. Normen sind in einer Gesellschaft immer vorhanden. Sobald aber eine Gruppe innerhalb der Gesellschaft behauptet, diese Normen seinen ausschließlich die ihren, und andere, die nicht zu ihrer Gruppe gehören, würde diese Normen ablehnen, führt nicht dazu, das Personen, die diese Normen tatsächlich ablehnen sich der Gruppe anschließen, sondern nur dazu, das die Gruppe den Rest der Gesellschaft diskreditiert.
OK, ich habs heut nicht so mit dem klar ausdrücken, aber vielleicht verstehen ja trotzdem ein paar was ich damit sagen will.
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Sermon panta rhei
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 18430
Wohnort: Sine Nomine
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(#488512) Verfasst am: 03.06.2006, 17:06 Titel: |
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moritura hat folgendes geschrieben: | Verytas hat folgendes geschrieben: | moritura hat folgendes geschrieben: | Ich denke, das problematische daran, das Religionen behaupten Normen aufzustellen, bzw. für ihre Einhaltung zu sorgen, ist eher, das damit, nicht nur implizit, gesagt wird, wer bei uns nicht mitmacht ist amoralisch. |
Wer mordet, lügt, stiehlt und betrügt, der IST amoralisch.
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Richtig. Das wird aber in allen Gesellschaften so gesehen und ist nichts spezifisch christliches. |
Es ist doch noch komplexer:
Ein allgemeines Mordverbot steht ja der Ordensverleihung an uniformierte Toetungsspezialisten bzw. der Waffensegnung durch Pfaffen nicht im Wege. Dagegen gibt es aber auch einen christlich motivierten Pazifismus. Man kann fuer und wider die Todesstrafe mit der Religion argumentieren. Offenbar ist Religion fuer alles verwendbar, liefert aber fuer eine serioese Eroerterung ethischer Fragen keine Argumente von intersubjektiver Substanz.
_________________ "Der Typ hat halt so seine Marotten" (Sermon über Sermon)
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Masaru ......
Anmeldungsdatum: 19.02.2005 Beiträge: 361
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(#488524) Verfasst am: 03.06.2006, 17:41 Titel: |
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Verytas hat folgendes geschrieben: | moritura hat folgendes geschrieben: | Ich denke, das problematische daran, das Religionen behaupten Normen aufzustellen, bzw. für ihre Einhaltung zu sorgen, ist eher, das damit, nicht nur implizit, gesagt wird, wer bei uns nicht mitmacht ist amoralisch. |
Wer mordet, lügt, stiehlt und betrügt, der IST amoralisch.
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Wer aus Notwehr mordet, stiehlt weil er nichts zu essen hat,
lügt und betrügt um Schaden von sich oder seinen Mitmenschen abzuwenden,
der ist m.E. keinesfalls amoralisch.
Diese pauschalen Verurteilungen sind schwarzweiß-Malerei
und haben mit Menschlichkeit nichts zu tun.
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VanHanegem Weltmeister
Anmeldungsdatum: 24.04.2006 Beiträge: 3180
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(#488705) Verfasst am: 03.06.2006, 21:18 Titel: |
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moritura hat folgendes geschrieben: | Ich habe mich offensichtlich immer noch nicht klar genug ausgedrückt. Normen sind in einer Gesellschaft immer vorhanden |
... und nicht nur das - es sind weltweit großenteils auch noch dieselben, was die Behauptung im Eingangsbeitrag widerlegt daß diese Normen willkürlich seien.
Kugel_schrei_baer hat folgendes geschrieben: | Wer aus Notwehr mordet, ...der ist m.E. keinesfalls amoralisch. |
den Unterschied zwischen morden und töten kannten schon die Juden zur Zeit Mose. Der wird nur neuerdings durch christlichen Fundamentalismus verwischt.
_________________ Hup Holland Hup, Oranje winnt de cup (2022)
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kolja der Typ im Maschinenraum

Anmeldungsdatum: 02.12.2004 Beiträge: 16631
Wohnort: NRW
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(#489110) Verfasst am: 04.06.2006, 16:45 Titel: |
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Einerseits mag es sein, dass religiös begründete Normen manchen Menschen verbindlicher erscheinen als vernunftbegründete Normen. Aber was passiert, wenn ein Mensch seinen Glauben verliert und diese Verbindlichkeit wegfällt? Es gelingt vielleicht nicht jedem, zu erkennen, dass es vernünftig wäre, einige der Normen dennoch beizubehalten. Ich fühle mich wohler unter Menschen, bei denen ich das nicht befürchten muss.
_________________ Hard work often pays off after time, but laziness always pays off now.
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Chinasky dirty ol' man
Anmeldungsdatum: 27.03.2006 Beiträge: 1264
Wohnort: Hoher Norden
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(#489163) Verfasst am: 04.06.2006, 17:33 Titel: |
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Wie VanHanegem richtig sagt, sind die Normen weltweit relativ ähnlich. Ginge es nur darum, Normen aufzustellen, deren Befolgung für ein gedeihliches Miteinander zwingend notwendig ist, bräuchte es keine Religionen - die reine, praktische Vernunft der allermeisten reichte wohl aus.
Aber: das Kerngeschäft der Religion ist nicht die Ethik, und die Normen, welche den einen Religionskonzern vom anderen unterscheiden, sind eben nicht jene Normen, die weltweit gleich sind.
Nützlich sind meiner Meinung nach jene religiösen Normen, welche zu einer verstärkten Solidarität innerhalb einer Gruppe in einer Welt konkurrierender Gruppen führen. Die Historie ist geprägt von Konflikten zwischen Gruppen - und das Wohl und Wehe der Einzelnen hing davon ab, wie gut die jeweils eigene Gruppe abschnitt bei der "Beilegung" dieser Konflikte. Daher wäre ein Nützlichkeitsmerkmal religiöser Normen jenes, daß sie insbesondere im Konfliktfall mit anderen Gruppen der eigenen Gruppe einen Wettbewerbsvorteil verschaffen.
Oder, um es mal krasser zu formulieren: Diejenige religiöse Norm ist die beste, welche die Anhänger der Religion besonders dazu bereit macht, für die eigene (religiöse) Gruppe sich zu opfern. Religion als Motivationspotential. So war z.B. die calvinistisch-reformatorische Arbeitsmoral in den Niederlanden des 17. Jahrhunderts eventuell ein Wettbewerbsvorteil gegenüber den spanisch-katholischen Normen. Die Vorstellung der Individuen, sich durch harte Arbeit und deren Ergebnisse eine Art Vorteil bei der Vergabe um die Himmelsplätze erwirtschaften zu können, kam letztlich der ganzen Gruppe zugute.
Ähnlich könnte es in der momentanen Konfrontation mit dem Islamismus gehen: Vielleicht wird der Islam mit seinem Auftrag des Dschihadh dafür sorgen, daß die Muslime über die weniger zur Selbstaufopferung bereiten Westler obsiegen (zumindest eine denkbare Möglichkeit).
Inwieweit eine religiöse Begründung innergesellschaftlich wirkender Normen hilft, diese Normen zu internalisieren, ließe sich wohl nur empirisch in Doppelblindstudien be- oder widerlegen. Ob jemand z.B. aus Angst vor der ewigen Verdammnis nicht mordet, der es sonst getan hätte, dies wäre zu untersuchen und gegen die Fälle, wo jemand gerade aufgrund seiner religiösen Überzeugungen mordet, aufzurechnen.
_________________ Still confused - but on a higher level.
Mein Zeugs auf deviantart
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