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zelig Kultürlich
Anmeldungsdatum: 31.03.2004 Beiträge: 25405
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(#595570) Verfasst am: 02.11.2006, 18:53 Titel: Re: Darf man böse Menschen bewundern? |
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Xamanoth hat folgendes geschrieben: | Ein ganzes Land mit einer solch irrationalen Ideologie zu infizieren - ein solcher Sieg von Rhetorik und Psychologie - das finde ich hoch respektabel. und wenn man die Tagebücher liest - da steckt ein großer Geist hinter. |
Oh, ich fürchte, ich muss mein Urteil überdenken.
edit: eine frage noch, xama. wieviele tagebücher, welche ausgabe, hast du wirklich gelesen?
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AustinPowers registrierter User
Anmeldungsdatum: 13.03.2006 Beiträge: 214
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(#595574) Verfasst am: 02.11.2006, 18:59 Titel: Re: Darf man böse Menschen bewundern? |
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Xamanoth hat folgendes geschrieben: | Ein ganzes Land mit einer solch irrationalen Ideologie zu infizieren - ein solcher Sieg von Rhetorik und Psychologie - das finde ich hoch respektabel. und wenn man die Tagebücher liest - da steckt ein großer Geist hinter. |
Nicht der Geist war gross, sondern das Volk blöd.
Bya
Austin
_________________ "Until man duplicates a blade of grass, nature can laugh at his so called scientific knowledge." T.A. Edison
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Xamanoth auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 07.04.2006 Beiträge: 7962
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(#595587) Verfasst am: 02.11.2006, 19:09 Titel: Re: Darf man böse Menschen bewundern? |
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zelig hat folgendes geschrieben: | Xamanoth hat folgendes geschrieben: | Ein ganzes Land mit einer solch irrationalen Ideologie zu infizieren - ein solcher Sieg von Rhetorik und Psychologie - das finde ich hoch respektabel. und wenn man die Tagebücher liest - da steckt ein großer Geist hinter. |
Oh, ich fürchte, ich muss mein Urteil überdenken.
Ich verharmlose Goebbels überhaupt nicht. Auch dämonisiere ich Schröder nicht. Ich halte eigentlich überhaupt nichts von moralischen Werturteilen. Es war auch keine Provokation erwünscht (jedenfalls nicht als Hauptabsicht).
Was ich mich frage - braucht es die Kategorien wie "gut" und "böse" überhaupt? Ist Wut und entrüstung nicht letztlich in jeder Hinsicht kontraproduktiv und schädlich? Kann man Personen und epochen nicht kühl und nüchtern analysieren? Und einen Goebbels oder einen Stalin dann nicht mit der gleichen Nüchternheit betrachten wie heute einen Schröder? Darum ging es.
edit: eine frage noch, xama. wieviele tagebücher, welche ausgabe, hast du wirklich gelesen? |
Nur Auszüge aus Geschichtsbüchern. Bezugnehmend auf die späteren dreißiger Jahre. Aber ich wollte das schon lange im ganzen angehen.
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Effô Tisetti Königsblau bis in den Tod
Anmeldungsdatum: 18.09.2003 Beiträge: 9920
Wohnort: 75
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(#595589) Verfasst am: 02.11.2006, 19:10 Titel: Re: Darf man böse Menschen bewundern? |
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zelig hat folgendes geschrieben: | Du würdest, wenn ich Dich aufgrund Deiner bisherigen Beiträge richtig einschätze, nicht der Versuchung erliegen, Goebbels zu verharmlosen um Schröder zu dämonisieren.
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Ich habe es zunächst so verstanden, dass Xamanoths Frage darauf abzielte, ob man - und das bleibt bei ihm nebulös - die charakterliche, intellektuelle oder moralische "Ambivalenz" von tatsächlich oder vermeintlich "bösen" (was auch immer das sein mag) Menschen anerkennen könne. Das muss man m.E. sogar, wenn man historisch-wissenschaftliche Maßstäbe anlegen möchte.
Dass er allein durch die Aufzählung höchst unterschiedlicher historischer Gestalten deren Gesinnung oder Taten indirekt "vergleicht", war von ihm - so die xamanoth-freundliche Lesart - nicht intendiert. Schröder - aber auch andere - in einen Verbrecherkanon aufzunehmen, der u.a. auch Stalin und Goebbels enthält, ist natürlich ein ziemlich starkes Stück. Das mag entweder an Schlamperei, mangelndem Differenzierungsvermögen und/oder historischem Verständnis oder an der christdemokratischen Sozialisation liegen.
_________________ "Die einfache Formel: Jesus ist stärker! hilft Menschen, sich aus der Fixierung völlig irrationaler Wertesysteme zu lösen."
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Xamanoth auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 07.04.2006 Beiträge: 7962
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(#595602) Verfasst am: 02.11.2006, 19:22 Titel: Re: Darf man böse Menschen bewundern? |
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Schalker hat folgendes geschrieben: |
Dass er allein durch die Aufzählung höchst unterschiedlicher historischer Gestalten deren Gesinnung oder Taten indirekt "vergleicht", war von ihm - so die xamanoth-freundliche Lesart - nicht intendiert. Schröder - aber auch andere - in einen Verbrecherkanon aufzunehmen, der u.a. auch Stalin und Goebbels enthält, ist natürlich ein ziemlich starkes Stück. Das mag entweder an Schlamperei, mangelndem Differenzierungsvermögen und/oder historischem Verständnis oder an der christdemokratischen Sozialisation liegen. |
Och nö. Natürlich sind diese nicht vergleichbar. Das sollten nur ein paar Beispiele sein, die mir spontan eingefallen sind. Hey, ich hatte das gestern um halb eins geschrieben.
Andererseits ist der Wutreflex auf diesen Vergleich einer der Effekte, die ich kritisieren werde - denn der Protest gegen die aneinanderreihung entspringt moralischer Entrüstung und Urteilung.
Man mag sagen, solch ein Urteil sei unvermeidbar zur historischen Betrachtung.
Ist das so? Wieso? Differenziert und zeigt und hilft das irgendwie?
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Effô Tisetti Königsblau bis in den Tod
Anmeldungsdatum: 18.09.2003 Beiträge: 9920
Wohnort: 75
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(#595614) Verfasst am: 02.11.2006, 19:30 Titel: Re: Darf man böse Menschen bewundern? |
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Xamanoth hat folgendes geschrieben: |
Andererseits ist der Wutreflex auf diesen Vergleich einer der Effekte, die ich kritisieren werde - denn der Protest gegen die aneinanderreihung entspringt moralischer Entrüstung und Urteilung.
Man mag sagen, solch ein Urteil sei unvermeidbar zur historischen Betrachtung. |
Jetzt dreh das nicht um. Um die "Ambivalenz" solcher Leute zu sehen, muss man moralische Gesamturteile außer acht lassen. Da brauchst du jetzt nix zu konstruieren. Da reden wir von einer Einzelbetrachtung. Das, was du gemacht hast, kann man aber als Vergleich deuten - und mithin als Dämonisierung des Einen oder Verharmlosung des Anderen. Denn selbst wenn man die "Ambivalenz" anerkennt, heißt das noch lange nicht, dass damit - als Ergebnis historischer Betrachtung - moralische Urteile vollkommen obsolet wären. Und die fallen bei Pol Pot ganz anders aus als bei Schröder.
_________________ "Die einfache Formel: Jesus ist stärker! hilft Menschen, sich aus der Fixierung völlig irrationaler Wertesysteme zu lösen."
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Kent registrierter User
Anmeldungsdatum: 16.10.2006 Beiträge: 71
Wohnort: Darmstadt
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(#595621) Verfasst am: 02.11.2006, 19:41 Titel: |
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Arno Grün beschreibt mal einen Fall von einem Jungen in den USA, er war 15 Jahre alt, als er seine Eltern mit einer Axt erschlägt, sich anschließend an einen Turm hängt mit einer Hand, mit der anderen das Handgelenk durchschneidet, stürzt und stirbt.
Er war Musterschüler und hochintelligent. Von seinen strengen Eltern angetrieben zu besseren Leistungen, gaben ihm seine Eltern eher das Gefühl ein Versager zu sein. In seinem Abschiedsbrief schreibt er, es tut ihm Leid, er ist nicht böse auf seine Eltern, aber er konnte es nicht mehr aushalten. Seine Schwester schreibt in einem Brief an die Polizei, ihr Bruder habe seine Eltern aus Liebe zu ihnen getötet, da er ihnen das Leid über den Selbstmord ersparen wollte.
Vielleicht ist er böse, weil er seine Eltern erschlagen hat. Es ist wahrscheinlich aber eher ein Beleg dafür, wie zerstört man in einer scheinbar heilen Welt sein kann. In seinem Zimmer fand man viele Hitlerzitate und viele Texte über Hitler, über den der Junge sagte: "Hitler war ein Genie, leider war er wahnsinnig".
Ich bewundere den Jungen, ich hab mir die Stelle im Buch schon oft durchgelesen...
Aus dem Buch "Der Wahnsinn der Normalität - Realismus als Krankheit: eine Theorie über die menschliche Destruktivität", im Internet hab ich zu dem Fall leider nichts gefunden (war auch schon 1975).
_________________ "Einen neuen Stolz lehrte mich mein Ich, den lehre ich die Menschen: nicht mehr den Kopf in den Sand der himmlischen Dinge zu stecken, sondern frei ihn zu tragen, einen Erden-Kopf, der der Erde Sinn schafft!"
F. Nietzsche in "Also Sprach Zarathustra"
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Algol Katholik, saugverwirrte schleichende Scharia
Anmeldungsdatum: 22.06.2006 Beiträge: 4797
Wohnort: Berlin
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(#595900) Verfasst am: 03.11.2006, 02:41 Titel: |
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Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Algol hat folgendes geschrieben: | Was ist an Schröder bewunderungswürdig? |
Er hat auch aus dem Irakkrieg herausgehalten, obwohl es politisch gesehen für ihn einfacher gewesen wäre mitzumachen. |
Wenn es für ihn politisch einfacher gewesen wäre, mitzumachen, dann hätte er das getan.
Die Merkel-Bemerk(el)ung während des Wahlkampfes, den Schröder gewann, die Kernenergie weiter ausbauen und am Irakangriff mittun zu wollen, war genau überlegt, um Stoiber abzusägen.
Es lagen längst diesbezügliche Umfragen vor.
Allerdings begrüße ich den Umstand, daß deutsche Truppen nicht im Irak stehen.
Merkel könnte das jetzt locker nachholen, wenn ihr wirklich daran gelegen gewesen wäre (es soll ja "politisch" auch einfacher sein ...).
_________________ Leben kann tödlich sein
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beachbernie male Person of Age and without Color
Anmeldungsdatum: 16.04.2006 Beiträge: 45792
Wohnort: Haida Gwaii
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(#595942) Verfasst am: 03.11.2006, 11:34 Titel: Re: Darf man böse Menschen bewundern? |
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Hallo Xamanoth,
Xamanoth hat folgendes geschrieben: | Ist es eigentlich legitim, Menschen die in der Geschichte (meist zu Recht) als Verbrecher angesehen werden, für ihre Leistungen zu bewundern und zu respektieren?
Ich dachte da grad so an Agammemnon, Cäsar, Augustus, Heinrich VIII, Iwan den Schrecklichen, Dschingis Kahn, Cäsare Borgia, Papst Alexander VI, Mohammed, Konstantin, Robbespierre, Napoleon, Goebbels, Roosevelt, Stalin, Lenin, Ackermann, Gerhard Schröder?
So die, die mir Spontan einfielen.
Nur mal so als Frage.
Trotz ihrer moralischen Verwerflichkeit komme ich nämlich nicht umhin, die Leistungen dieser Leute zu achten.
Manchmal respektiere ich einen Politiker sogar nicht obwohl, sondern weil er korrupt und verlogen ist - und damit erfolg hat.
Der Gedanke zu dieser Frage kam mir bei der letzten Diskussion über Schröder. Ich kann mich grad aus zeitgründen nur sporadisch an Diskussionen beteiligen, aber eure Meinung würde mich interessiern. |
Das kommt ganz darauf an, ob die Leute im Einzelfall, neben dem Boesen, was sie verbrochen haben, auch irgendwelche positiven Beitraege geleistet haben. Z.B Napoleon, der neben seinen Eroberungszuegen auch den sogenannten "Code Napoleon" geschaffen hat, die Grundlage vieler Rechtssysteme im kontinentalen Europa oder besagter Gerhard Schroeder, dessen Druckresistenz wir es zumindest verdanken koennen, dass nicht taeglich Heldensaerge aus Bagdad eingeflogen werden. Daneben gibt es natuerlich auch Knilche, deren Wirken ich absolut nix Positives abgewinnen kann, z.B den Goebbels, bei dem ich Bewundernswertes nicht zu erkennen vermag, man kann naemlich die von ihm ergruendeten psychogischen Mittel nicht vom Zweck getrennt sehen, zu dem er sie benutzte. (Wenn man das unbedingt anders sehen will, dann muss man auch die Organisatoren des Holocaust bewundern, fuer die Effizienz, mit der sie ihre Todesfabriken betrieben. Na, traust Du Dich das? )
Auch solche Loser wie Saddam Hussein, Helmut Kohl oder Osama bin Laden haben eigentlich nie irgendwas Vernuenftiges geleistet, weswegen sich eine wie auch immer geartete Bewunderung eigentlich verbietet...
Gruss, Bernie
_________________ Defund the gender police!!
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Doc Extropy dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 07.03.2006 Beiträge: 6149
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(#595955) Verfasst am: 03.11.2006, 12:25 Titel: Re: Darf man böse Menschen bewundern? |
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beachbernie hat folgendes geschrieben: | Hallo Xamanoth,
Xamanoth hat folgendes geschrieben: | Ist es eigentlich legitim, Menschen die in der Geschichte (meist zu Recht) als Verbrecher angesehen werden, für ihre Leistungen zu bewundern und zu respektieren?
Ich dachte da grad so an Agammemnon, Cäsar, Augustus, Heinrich VIII, Iwan den Schrecklichen, Dschingis Kahn, Cäsare Borgia, Papst Alexander VI, Mohammed, Konstantin, Robbespierre, Napoleon, Goebbels, Roosevelt, Stalin, Lenin, Ackermann, Gerhard Schröder?
So die, die mir Spontan einfielen.
Nur mal so als Frage.
Trotz ihrer moralischen Verwerflichkeit komme ich nämlich nicht umhin, die Leistungen dieser Leute zu achten.
Manchmal respektiere ich einen Politiker sogar nicht obwohl, sondern weil er korrupt und verlogen ist - und damit erfolg hat.
Der Gedanke zu dieser Frage kam mir bei der letzten Diskussion über Schröder. Ich kann mich grad aus zeitgründen nur sporadisch an Diskussionen beteiligen, aber eure Meinung würde mich interessiern. |
Das kommt ganz darauf an, ob die Leute im Einzelfall, neben dem Boesen, was sie verbrochen haben, auch irgendwelche positiven Beitraege geleistet haben. Z.B Napoleon, der neben seinen Eroberungszuegen auch den sogenannten "Code Napoleon" geschaffen hat, die Grundlage vieler Rechtssysteme im kontinentalen Europa oder besagter Gerhard Schroeder, dessen Druckresistenz wir es zumindest verdanken koennen, dass nicht taeglich Heldensaerge aus Bagdad eingeflogen werden. Daneben gibt es natuerlich auch Knilche, deren Wirken ich absolut nix Positives abgewinnen kann, z.B den Goebbels, bei dem ich Bewundernswertes nicht zu erkennen vermag, man kann naemlich die von ihm ergruendeten psychogischen Mittel nicht vom Zweck getrennt sehen, zu dem er sie benutzte. (Wenn man das unbedingt anders sehen will, dann muss man auch die Organisatoren des Holocaust bewundern, fuer die Effizienz, mit der sie ihre Todesfabriken betrieben. Na, traust Du Dich das? )
Auch solche Loser wie Saddam Hussein, Helmut Kohl oder Osama bin Laden haben eigentlich nie irgendwas Vernuenftiges geleistet, weswegen sich eine wie auch immer geartete Bewunderung eigentlich verbietet...
Gruss, Bernie |
Bravo.
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Shadaik evolviert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 26377
Wohnort: MG
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(#596255) Verfasst am: 03.11.2006, 21:07 Titel: Re: Darf man böse Menschen bewundern? |
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Xamanoth hat folgendes geschrieben: | Ist es eigentlich legitim, Menschen für ihre Leistungen zu bewundern und zu respektieren? |
Selten, sehr selten.
_________________ Fische schwimmen nur in zwei Situationen mit dem Strom: Auf der Flucht und im Tode
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