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Buchempfehlungen und Rezensionen/Kritik
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kolja
der Typ im Maschinenraum
Betreiber



Anmeldungsdatum: 02.12.2004
Beiträge: 16631
Wohnort: NRW

Beitrag(#786850) Verfasst am: 09.08.2007, 10:23    Titel: Antworten mit Zitat

pyrrhon hat folgendes geschrieben:
[...] ein Buch zu lesen, das etwas tiefer in die Materie eintaucht, wie zum Beispiel "Das Wunder des Theismus. Argumente für und gegen die Existenz Gottes" von John L. Mackie? Das Buch ist inzwischen schon ein Klassiker und gehört meiner Meinung nach in jede Bibliothek eines Atheisten.

So ein Zufall, das Buch habe ich mir vor wenigen Tagen gekauft.

Leider ist "Und Mensch schuf Gott" von Pascal Boyer vergriffen. Das will nicht zufällig jemand hier loswerden?
_________________
Hard work often pays off after time, but laziness always pays off now.
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rotwang
Kreator des Homunculus



Anmeldungsdatum: 24.03.2006
Beiträge: 2887
Wohnort: Bochum

Beitrag(#794929) Verfasst am: 18.08.2007, 00:30    Titel: Antworten mit Zitat

Wer gerade eine Buch zum Thema "Körper" (ein weites Feld, i know) liest und dazu gerne mal eine Rezension schreiben möchte, der kann sich bei mir via PN melden. Eventuell erscheint die Rezension dann in der kommenden Ausgabe der Magalit.
_________________
Niveau sieht nur von unten aus wie Arroganz..
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Wanderer
Bestienbändiger



Anmeldungsdatum: 19.07.2003
Beiträge: 3496
Wohnort: Bielefeld

Beitrag(#831992) Verfasst am: 03.10.2007, 22:11    Titel: Antworten mit Zitat

Andreas Eschbach: "Quest"
Eine "Space-Opera" vom Autoren des Jesus Videos.
Ich hatte mir das Buch vor ~5 Jahren gekauft und das erste mal gelesen. Als ich es dann kürzlich wieder zur Hand nahm, wusste ich noch, dass mir das Ende damals nicht so recht gefallen hat. Den konkreten Grund wusste ich nicht mehr, aber da ich keine andere lesenswerte Sci-Fi-Literatur hier herumliegen hatte, habe ich es gelesen. Wer weiss? Ich habe mich in den letzten Jahren auch erheblich verändert, vielleicht sagt es mir jetzt ja eher zu.
Zur Story: Die galaktische Republik von menschenähnlichen Rassen brach vor einigen Jahrhunderten zusammen und wurde ersetzt durch ein rückständiges Standessystem, das dem "Pantap" - einer Art Kaiser oder König - verpflichtet ist. Dieser Background geht ein wenig in Richtung der Battletech-Geschichten, wo es auch Clans mit territorialen Ansprüchen gibt.
Das mehr oder minder (eher minder) friedliche Zusammenleben der Menschenrassen wird gestört, als auf einmal der Sternenkaiser aus einer anderen Galaxie auftaucht und alle anderen Menschen unterwerfen und/oder töten möchte.
Kommandant Eftalan Quest - der einzige überlebende eines Gefechtes gegen diesen Kaiser - bekommt vom Pantap den verzweifelten Auftrag, den Planeten des Ursprungs zu finden, auf dem alles Leben seinen Anfang gefunden haben soll. Es gibt Legenden von allen menschlichen Rassen bezüglich dieser Welt. Manche sagen, man fände dort Unsterblichkeit - andere Legenden besagen, dass man dort sogar Gott finden könnte.
So raubt Quest mit der seiner Besatzung das Pashkanarium - den Hort allen Wissens, wo Mönche seit Jahrtausenden Schriften sammeln - aus, um aus den Unterlagen etwas über diesen Planeten zu erfahren.
Alsbald beginnt eine Reise in die Weiten des Weltalls, der sich auch noch der Mysteriöse Smeeth anschliesst, der angeblich noch aus den Zeiten der Republik stammt, als es noch demokratische Verhältnisse gab. Die Jahrhunderte habe er im Kälteschlaf auf seinem haverierten Raumschiff überstanden, behauptet er.

Das Buch hat unzählige unerwartete Wendungen und ein ebenso unerwartetes Ende, von dem ich dieses mal sehr sehr begeistert war. Eschbach vermischt in diesem Buch die Aspekte einer traditionellen Space Opera mit einem Hauch Gesellschaftskritik sowie einigen interessanten Standpunkten zum Thema Gott und die Welt, die gerade für unsereins einen gewissen Reiz haben könnten zwinkern

Meine vollste Kaufempfehlung für dieses Buch! Daumen hoch!
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Keller
last neoliberal standing and car of the year 1983!



Anmeldungsdatum: 30.11.2006
Beiträge: 1411

Beitrag(#839573) Verfasst am: 14.10.2007, 21:54    Titel: Antworten mit Zitat

So mal was die letzte Zeit so anfiel:


H. Mynarek- Papst-Entzauberung: Beginnt ganz furchtbar schwach, nach dreißig Seiten war ich versucht, es dem Autor zurückzuschicken, steigert sich dann aber. Die Widerlegung von Ratzingers Thesen findet aus meiner Sicht zwar nicht statt, eher mäkelt Mynarek phantasielos an Einzelaspekten rum, aber wenn er Ratzinger chraktisiert und dessen rechtskonservative Gesinnung und Selbstsucht, ausrbeitet, macht das einen sehr überzeugenden Eindruck. Trotz immer wiederkehrender Hänger ist die zweite Hälfte sehr lesenswert und die Anschaffung zu empfehlen.


Richard Adams - Watership Down: Werden die meisten längst gelesen haben, ich erst kürzlich. Hat mir gut gefallen.

Franz Nuscheler - Entwicklungspolitik: Famose Übersicht über den gegenwärtigen Stand der Entwicklungswissenschaft und die Probleme und Chancen der aktuellen Entwicklungspolitik. Wer sich auch nur einen Deut für das Thema interessiert, sollte dieses Buch lesen. Gibt es für n Appel und halbes Ei bei der Bundeszentrale für politische Bildung zu bestellen.


Richard Dawkins - Der Gotteswahn: Phasenweise hervorragendes, letztendlich aber überbewertetes Buch. Gut, wo Dawkins wirklich als naturwissenschaftlich argumentiert, schwach wo er philisophische, exegetische oder geschichtswissenschaftliche Argumente gebraucht. Dazu viel Allerweltsreligionskritik, die zwar nicht falsch ist, aber auch keinen Hund mehr mehr hinter dem Ofen hervorlocken sollte.
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Voll Bart! Der Award der Deutschen Bartträger Vereinigung
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Argáiþ
dauerhaft gesperrt



Anmeldungsdatum: 27.01.2007
Beiträge: 12486

Beitrag(#839759) Verfasst am: 15.10.2007, 01:44    Titel: Antworten mit Zitat

@oben:
Was hat ihr denn alle? Ratzinger ist genau der Papst, den wir jetzt brauchen Lachen
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Algol
Katholik, saugverwirrte schleichende Scharia



Anmeldungsdatum: 22.06.2006
Beiträge: 4797
Wohnort: Berlin

Beitrag(#841916) Verfasst am: 18.10.2007, 21:56    Titel: Antworten mit Zitat

Habe eigentlich etwas anderes gesucht und es zufällig in die Finger bekommen:


Bruder Affe
(Menschenaffen und die Ursprünge menschlicher Gewalt)
von Richard Wrangham, Dale Peterson
Diederichs Verlag, Kreuzlingen - München 2001 (englisch 1996?)
ISBN 3720521869,
344 Seiten, leider nur noch antiquarisch zu bekommen (zZt 15 Eu).

Flüssig und unterhaltsam, dennoch wissenschaftlich und unideologisch geschrieben:
Die (möglichen) Wurzeln des Menschen sind eingebettet zwischen denen von Schimpansen, Bonobos, Gorillas und Orang Utans.

Die Autoren untersuchen das Verhalten von Menschenaffen, und entwickeln dadurch (oft auch implizit) eine plausible Perspektive zum Verständnis menschlicher (aggressiver, gruppendynamischer, sexueller, nahrungstechnischer und konfliktlösender) Verhaltensweisen unter Berücksichtigung von evolutionären Argumenten und archaischer menschlicher Lebensformen.


Empfehlenswert für jeden, der mehr über die Hintergründe bestimmter Verhaltensformen des heutigen Menschen und seiner Affenbrüder erfahren möchte.

(Und natürlich werden auch pachtriarchale und matriarchale Beispiele diskutiert)
_________________
Leben kann tödlich sein
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PsychPhil
registrierter User



Anmeldungsdatum: 06.11.2007
Beiträge: 107

Beitrag(#854618) Verfasst am: 07.11.2007, 01:36    Titel: Eugen Drewermann "Atem des Lebens" Antworten mit Zitat

"Atem des Lebens" - Die moderne Neurologie und die Frage nach Gott

1: Das Gehirn, 2006, 750 Seiten
2: Die Seele, 2007, 1000 Seiten

Seit einiger Zeit erlangt der Begriff der "Neurotheologie" immer größere Bedeutung. Mit seinem neuesten Werk hat Eugen Drewermann erneut eine außerordentlich dichte Zusammenstellung naturwissenschaftlicher Fakten vorgelegt, worin er den momentanen Erkenntnissstand der Neorologie zusammengefaßt und mit uralten Fragestellungen verknüpft. Erneut untermauert er die Notwendigkeit von Religion und ihre eigentliche Bestimmung: Die wahre Bedeutung der Religion beginnt da, wo alle Naturwissenschaft an ihre Grenzen stößt - Daseinsdeutung, Sinnstiftung und - jenseits aller Dogmatik - bestimmte Erfahrungsräume der Freiheit zu ermöglichen und Bilder der Hoffnung anzubieten. Die Naturwissenschaften sind vollkommen außerstande auf Fragen nach unserem individuellen Dasein und seiner jeweiligen Sinngebung, oder der Frage nach unserem Umgang mit der Vergänglichkeit von Allem zu antworten.
Zugespitzt auf die Gottesfrage ist Drewermann überzeugt, daß sich Gott nicht in den Erregungsmustern bestimmter Hirnregionen oder in der Ausschüttung bestimmter Neurotransmittermengen beobachten läßt. Wir können mit bestimmten Verfahren zwar durchaus abbilden, wie sich unser Gehirn verändert wenn wir z.B. meditieren oder beten, aber die individuelle Bedeutung der Meditation oder des Gebets läßt sich nicht darstellen oder messen.
Die drei Grundfragen des Immanuel Kant, 'Was ist der Mensch, was muß ich tun, was darf ich hoffen', lassen sich nicht an die Naturwissenschaft deligieren, sondern bedürfen letzlich religiöser Antworten, denn:"Die Welt wäre ein ewiger Sarg, wenn es die Bilder der Religion nicht gäbe"- diese Überzeugung trägt und durchzieht Drewermanns Gesamtwerk fast von der ersten geschriebenen Zeile an. In diesem Sinne plädiert er dafür, die modernen Erkenntisse der Naturwissenschaften in einer sinnvollen Synthese mit Religion und Theologie zusammenzuführen, um eine wirklich glaubhafte und sinnstiftende Form der Religiosität zu begründen, in welcher viele heute noch sehr verbreitete Erscheinungsformen des Aberglaubens endgültig keinen Platz mehr haben, indem sich der Anteil der Aufklärung im Bewußtsein der Menschen verstärkt.
Als konkretes Beispiel dient der Hinweis darauf, daß unter Papst Johannes Paul II über 30.000(!) Teufelsaustreibungen im Vatikan durchgeführt wurden - solche Formen des magischen Denkens, die Gott oder Teufel immer wieder mit innerweltlichen Erscheinungen in Verbindung bringen, konnte die Psychoanalyse alleine offenbar nicht aus der Welt schaffen - es bleibt also zu hoffen, daß die von Eugen Drewermann vorgelegte Synthese von Theologie und Religion, Psychoanalyse und Verhaltensforschung in Verbindung mit der Neurowissenschaft endlich als enorme geistige Integrationsleistung in einer größeren öffentlichen Diskussion wahrgenommen und gewürdigt wird. Fragen der Naturwissenschaft und der Religion sind zwar grundverschieden, gehören nach Drewermann aber als Verschiedene untrennbar zusammen.

Mit seinem neusten Werk hat Eugen Drewermann, von der katholischen Kirche geächtet und bis heute nicht rehabilitiert, seine Position als fortschrittlichster und redlichster Theologe der Gegenwart neu begründet. - V.B.
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Luise
registrierter User



Anmeldungsdatum: 19.09.2007
Beiträge: 3

Beitrag(#861336) Verfasst am: 15.11.2007, 20:44    Titel: Antworten mit Zitat

Keller hat folgendes geschrieben:
So mal was die letzte Zeit so anfiel:

Richard Adams - Watership Down: Werden die meisten längst gelesen haben, ich erst kürzlich. Hat mir gut gefallen.



In einer Reihe mit A. Piricis "Felidea"
(In Gedenken an, die mich als Kind zu verstörenden, Zeichentrickfilme)
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Kival
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Anmeldungsdatum: 14.11.2006
Beiträge: 24071

Beitrag(#869541) Verfasst am: 26.11.2007, 21:28    Titel: Antworten mit Zitat

Rezension: "Futbolistas" - Fußball und Lateinamerika: Hoffnungen, Helden, Politik und Kommerz (MAG)

Zitat:
Wer einmal einen anderen Blick auf den Fußball werfen will, der bekommt hier kritische bis ganz betont parteiische Antworten auf die Frage, was Fußball auf einem Kontinent bedeutet, der immer noch unter Armut und Unterdrückung leidet. Dort, wo er ganz anders als in Europa immer im Blick der Intellektuellen war und dennoch das Opium des Volks darstellt. Ein sportspezifischer Beitrag wie der Versuch einer Theorie des brasilianischen Fußballs ist hier eine Seltenheit. Fußball ist mehr als nur ein Sport und nicht nur eine – nicht immer säkulare – Ersatzreligion, sondern auch ein wirtschaftliches, politisches und mithin ein umfassend gesellschaftliches Phänomen.

(...)

Fußball ist eine Miniaturvariante unserer Welt als Ganzem, und das hier nur angedeutete Spektrum des Sammelbandes mag als Empfehlung für jeden verstanden sein, der sich Eduardo Galeano, einem der bekanntesten politischen Schriftsteller Lateinamerikas, Worten anschließen will: “Um die Welt zu verstehen, ist es sicherlich nicht schlecht, sich in die Fußballwelt zu vertiefen, um zu verstehen, wie die Welt funktioniert.”

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"A basic literacy in statistics will one day be as necessary for efficient citizenship as the ability to read and write." (angeblich H. G. Wells)
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Frank
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Anmeldungsdatum: 31.07.2003
Beiträge: 6643

Beitrag(#871129) Verfasst am: 28.11.2007, 19:43    Titel: Ich wollte, ihr wärt tot! Antworten mit Zitat

"Ohne ein Wort", von Linwood Barclay (Autor), übersetzt ins Deutsche von Nina Pallandt

»Ich wollte, ihr wärt tot!« Das wünscht die 14-jährige Cynthia ihren Eltern. Als sie am nächsten Tag aufwacht, sind ihr Vater und ihre Mutter verschwunden. Auch ihr Bruder ist weg. Spurlos. Ohne ein Wort. Kein Hinweis, keine Nachricht bleiben für Cynthia zurück. Erst 25 Jahre später ...
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Kival
Profeminist Ghost



Anmeldungsdatum: 14.11.2006
Beiträge: 24071

Beitrag(#873067) Verfasst am: 30.11.2007, 17:54    Titel: Antworten mit Zitat

Markus Kleine: Institutionalisierte Verfassungswidrigkeiten im Verhältnis von Staat und Kirchen unter dem Grundgesetz, Bd. 115 der Universitätsschriften "Recht" im Nomos-Verlag (Baden-Baden), 1993.

Rezension: http://www.kellmann-stiftung.de/index.html?/beitrag/schauer_rezension.htm

Zitat:
(...) Mit seinem Hinweis hat Hense auf eine Dissertation aufmerksam gemacht, die wegen ihrer methodischen Sauberkeit, ihres rechtswissenschaftlichen Gehalts und ihrer kirchenpolitischen Konsequenzen als besonders wertvoller Beitrag zur juristischen Grundlagenforschung im Bereich des Kirchenrechts gelten kann und die daher verdient, hier ausführlicher gewürdigt zu werden
(...)
Während Hense von Anfang bis Ende seiner Arbeit immer wieder auf verfassungsfremde Begriffe wie Gewohnheitsrecht, Volksfrömmigkeit, Traditionswahrung, kirchliches Selbstverständnis usw. rekurriert, bezieht sich Kleine in seinem streng methodischen Vorgehen primär auf den Text unserer Verfassung, wie ihn jeder lesen kann, der die deutsche Sprache beherrscht und wie er im Konsens der Verfassungsjuristen eindeutig auslegbar ist (und falls nicht, dann eben eindeutiger formuliert werden sollte). Kleine erläutert dieses methodische Vorgehen in einem eigenen Methodenkapitel (S. 125 – 147), in dem er die Rückbindung juristischer Methodik an das Rechtsstaatsgebot fordert und selbst demonstriert. Der Jurist habe die in den Entscheidungsvorgang einfließenden Elemente nach rechtsstaatlich kontrollierbaren methodischen Regeln zu gewinnen. Die Verfassungsgebundenheit der Gesetzgebung, die Rechts- und Verfassungsgebundenheit aller sonstigen Staatstätigkeit und allgemein die Rechtsbestimmtheit staatlichen Verhaltens erfordere, daß juristische Arbeitsweise von Methodenklarheit, Normklarheit, Tatsachenbestimmtheit, Übermaßverbot, Rechtssicherheit, Publizität und dem Prinzip der Unverbrüchlichkeit der Verfassung bestimmt werde (S. 225ff). Daß dies keine bloße Forderung bleiben muß, sondern weitgehend realisiert werden kann, dafür gibt die Arbeit von Kleine ein gutes Beispiel ab.

(...)

Kleine geht dabei konsequent vom Art. 137 Abs. 1 WRV ("Es besteht keine Staatskirche") aus, der nach allgemeiner Ansicht eine Absage an jede institutionelle Verbindung von Staat und Kirche bedeute und als Grundnorm verstanden werden müsse. Zugleich sei dieser Artikel aber auch Ausdruck des aus dem systematischen Zusammenspiel verschiedener Grundgesetznormen erschließbaren Gebots weltanschaulicher Neutralität, durch die die Religionsfreiheit des Einzelnen gewährleistet werde (S. 149). Wir können also diese beiden Aspekte, nämlich die Laizität des Staates und die Religionsfreiheit des Einzelnen in einem Satz in Zusammenhang bringen: weder darf der Staat auf die Religionsausübung der Individuen Einfluß nehmen, noch darf umgekehrt die Religionsgemeinschaft Vorrechte im Staat beanspruchen und so auf den Staat – und über den Staat auf seine Bürger – Einfluß nehmen.

(....)


Allerdings muss man zur Rezension entgegnen, dass Kleine den Laizismus ebenfalls kritisiert und - besonders - interessant, Erwin Fischers "Trennung von Staat und Kirche" einer methodischen Kritik unterwirft, bei der er u. a. Fischers vorgeschobenes laizistisches Verfassungsverständnis bemängelt und dieser so seinem eigenen Anspruch, entsprechend klassischer Auslegungsregeln zu interpretieren nicht genügt.


Das Buch ist - natürlich nur für einen bestimmten Kreis - deswegen sehr schön, weil es die Probleme und Realität der juristischen Methodik im Staatskirchenrecht nennt. Für unsereins ist es aber vor allem geeignet, politische von juristischen Forderungen zu unterscheiden. Nicht jede Verflechtung von Staat und Kirche ist verfassungswidrig, da sind politische Änderungen erforderlich (Religionsunterricht z. B.) - anders ist das - worauf Kleine genau eingeht - auf jeden Fall bei der Militärseelsorge. Außerdem ist der Körperschaftstatus der Kirchen wohl, obwohl es geschriebenes Verfassungsrecht ist, insofern fragwürdig, als es den anderen kirchenpolitischen Artikeln eigentlich entgegen steht (Details nenn ich hier nicht zwinkern). Gerade bei seiner Kritik an Fischer zeichnet sich ab, welche Forderungen Gesetzesänderungen erfordern. Kleines methodischer Ansatz ist dafür sehr sachdienlich.
_________________
"A basic literacy in statistics will one day be as necessary for efficient citizenship as the ability to read and write." (angeblich H. G. Wells)
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Effô Tisetti
Königsblau bis in den Tod



Anmeldungsdatum: 18.09.2003
Beiträge: 9920
Wohnort: 75

Beitrag(#873080) Verfasst am: 30.11.2007, 18:05    Titel: Antworten mit Zitat

Exklusiv vorab aus dem Fölljetong des neuen "SCHALKE UNSER" (Erstverkauf am Stadion vor dem morgigen Spiel gegen Bochum):

Zitat:
Hier spricht das SCHALKE UNSER

"Mit Gott auf Schalke"
58 Seiten, Hardcover
€ 2,50 (plus € 1,50 Versandkosten)
Zu bestellen unter www.mit-gott-auf-schalke.de

Wer sich ausgerechnet von einem Buch mit dem Namen „Mit Gott auf Schalke“ die Lösung des Theodizee-Problems versprochen hat, wird enttäuscht. Im Kern geht es bei der Theodizee ja bekanntlich um folgende Frage: Wie kann Gott allmächtig oder allgütig sein und gleichzeitig zulassen, dass ein pfälzer Zahnarzt in der vierten Nachspielminute einen Zweikampf zu einem Rückpass umdeutet?

Eine Lösung dieses Dilemmas, an dem sich die Theologen seit mehreren tausend Jahren die Zähne ausbeißen, darf man von einem Büchlein, das man auf der Zugfahrt von Düsseldorf Hauptbahnhof nach Gelsenkirchen bereits am Halt „Düsseldorf Flughafen“ durchgelesen hat, aber möglicherweise auch nicht erwarten. Blau-weiße Erbauungs- bzw. Missionsliteratur kennen wir ja bereits zur genüge. Neu an diesem Werk ist der Einsatz königsblauer Ikonografie zu explizit christlichen Missionszwecken. Und das geht so: Man schildere einige Weltprobleme, individuelle Konflikte, persönliche Anekdötchen sowie ein paar Allgemeinplätze und preise sodann „Gott“ als Lösung für alles und jeden an. Besonders überzeugen soll das alles vor allem dadurch, dass (jesus-)gläubige Schalker Spieler (schalke-)gläubige Fans direkt ansprechen – was zuweilen etwas aufdringlich rüberkommt. Sicher ist es nett, wenn man hier und da etwas über die persönlichen Befindlichkeiten und/oder intime Einsichten der Angehörigen des Schalker Gebetskreises um Marcelo Bordon erfährt. Letzerer hilft z.B. Straßenkindern in Brasilien. Das ist ohne Frage sehr lobenswert. Geht prinzipiell aber auch ohne Gott, denn viele Hilfsorganisationen und ehrenamtliche Initiativen kommen durchaus ohne Gebetskreis aus.

Manager Müller weiß in seinem Beitrag dagegen von einer ungewöhnlich harten Gewissensprobe zu berichten: In seiner Jugend musste er sich entscheiden, ob er an einem Fußballturnier oder lieber am Gottesdienst teilnimmt. Daraufhin betete er eine ganze Woche(!) für die Lösung des Problems. Dass starker Regen letztlich dafür gesorgt hat, dass das Turnier nicht stattfinden konnte, deutete Müller als Fingerzeig Gottes – wobei sich dem Rezensenten der tiefere Sinn dieser Geschichte allerdings nicht ganz erschlossen hat. Müller („Hier spricht der Boss“), Kuranyi („Hier spricht der Sturm“) und Rafinha erzählen davon, wie viel ihnen Gott bedeutet, wie sie Halt bei ihm finden und ähnliches mehr. Aus der Feder von Autor David Kadel stammen übrigens außerdem noch Werke wie „FußballGott“ oder „Fußball-Bibel“.

Letztlich ging die Initiative zu diesem Büchlein aber von Marcelo Bordon („Hier spricht der Kapitän“) aus. Und so lässt der Schalker Verteidiger auch echten Missionsdrang erkennen: Bevor er das ihm angetragene Kapitänsamt übernehmen wollte, machte er zur Bedingung, dass „sich hier aber auch einiges verändern“ müsse. Gott müsse auf Schalke präsenter werden. Denn: „Hier ist kaum einer auf Schalke, der Gott ins Spiel bringt, der Gott nach Siegen dankt, obwohl wir sogar eine Kapelle haben.“ Wie einer der besten Innenverteidiger, die Schalke je hatte, sich das vorstellt, verrät er ganz zum Schluss: „Denn für die Zukunft des Vereins, aber auch für uns Spieler und für jeden einzelnen Fan gilt unser Motto: Mit Gott auf Schalke!“ Huch, da könnte man ja fast Angst bekommen, dass man auf Schalke demnächst zwangsmissioniert wird. Zunächst hatten wir gedacht, dass so ein Werk nicht auf Schalke passt. Aber ein Blick auf die Schalker Geschichte belehrte uns eines Besseren: Nichts kann so kurios sein, dass es nicht genau deshalb auf Schalke passt.

Schließen wollen wir mit folgender Preisfrage: Wenn gläubige Spieler nach erzielten Toren in den Himmel zeigen oder entsprechende T-Shirts lüften, um Gott für seine Hilfe zu danken – wer zum Teufel half dann dem Gegner bei den Gegentoren?

_________________
"Die einfache Formel: Jesus ist stärker! hilft Menschen, sich aus der Fixierung völlig irrationaler Wertesysteme zu lösen."
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Kival
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Anmeldungsdatum: 14.11.2006
Beiträge: 24071

Beitrag(#887089) Verfasst am: 17.12.2007, 20:01    Titel: Antworten mit Zitat

"Gut sein ohne Gott" hat folgendes geschrieben:
"Gut sein ohne Gott"

(hpd) Kann es ein atheistisches Jugendbuch ohne Religionskritik geben? Wer daran bisher zweifeln mochte, wird mit dem vorliegenden Werk von Christian Lührs, Gut sein ohne Gott, eines Besseren belehrt.



Lührs, Ingenieur und Leiter eines Hamburger Softwareunternehmens, suchte nach einem Buch für seinen Sohn, dass atheistische Jugendliche bei der Ausbildung ethischer Maßstäbe unterstützt. Als er dieses Buch trotz langer Suche nicht fand, schrieb er selbst etwas, das kein Ratgeber, kein Lehrbuch, sondern ein „ethischer und weltanschaulicher Standpunkt" sein soll.

Dieser Versuch, Jugendlichen einen rationalen Weg zu ethischem Denken zu zeigen, der auf Glaubensgrundsätze nicht verzichten könne, gelingt dem Autor jedoch nur teilweise. Gut sein ohne Gott teilt sich in einzelne Kapitel zu den „großen Themen", die für sich lesbar sind. Eine Struktur der Abfolge der einzelnen Abschnitte ist dem Rezensenten aber nicht ersichtlich, er betrachtet es daher als Ansammlung kleiner Aufsätze.

(...)

Wer also nicht vor der Pathetik und dem Moralisieren des vorliegenden Werkes zurückschreckt und seinem Kind eine erste Einführung in nicht-religiöse Weltanschauungen geben möchte, kann das Buch gut verwenden.

Ein grundsätzliches Interesse und eine fortgeschrittene Lesekompetenz wird dem Jugendlichen dabei jedoch abverlangt. Damit wird man sich nicht der Diskussion mit dem eigenen Kind entziehen können, es wird sie - hoffentlich - vielmehr entfachen oder zumindest verstärken.

Gut sein ohne Gott sollte allerdings vor allem als Aufruf verstanden werden, für Kinder und Jugendliche mehr Angebote zu schaffen, sich über nicht-theistische Weltanschauungen informieren zu können. Hier mangelt es an Alternativen zu ideologisch festgefahrenen Indoktrinationsschriften.

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deirfloo
Globulisierungsgegner



Anmeldungsdatum: 26.06.2006
Beiträge: 1126

Beitrag(#888456) Verfasst am: 19.12.2007, 12:54    Titel: Antworten mit Zitat

Zu "Gut sein ohne Gott"


Rezension hat folgendes geschrieben:
In ethischen Belangen sei die Liebe von zentraler Bedeutung, die uns den Unterschied zwischen Gut und Böse lehre.


Vorweg: ich hab's nicht gelesen.
Was mich an Titel und offensichtlich auch Inhalt störte, wäre das Vorhanden-Sein von Gut und Böse.

Hast du's gelesen?

gibt es in dem Buch die Unterscheidung Gut-Böse wirklich in der vom Rezensenten dargestellten Form?
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Skeptical scrutiny is the means, in both science and religion, by which deep thoughts can be winnowed from deep nonsense.
Carl Sagan

was ich grade höre: http://www.cantosonor.eu
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Kival
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Anmeldungsdatum: 14.11.2006
Beiträge: 24071

Beitrag(#888855) Verfasst am: 19.12.2007, 18:34    Titel: Antworten mit Zitat

deirfloo hat folgendes geschrieben:
Hast du's gelesen?


Klar.

Zitat:
gibt es in dem Buch die Unterscheidung Gut-Böse wirklich in der vom Rezensenten dargestellten Form?


Den Rezensenten will ich lieber nicht beurteilen Cool, urteile doch selbst:

Lührs: Gut sein ohne Gott, Ethik und Weltanschauung für Kinder und andere aufgeklärte Menschen, August-von-Goethe-Literaturverlag, Frankfurt 2007, S. 15 ff. hat folgendes geschrieben:

Gut und Böse

Weißt du, was gut ist? Natürlich weißt du, was gut ist. Sieh in dien Herz und frage dein Gewissen und du weißt, was gut ist, weißer weißt du was gut ist? Nun, du bist von deiner Mutter und von mir geliebt worden und wirst von uns geliebt heute und solange es dich und uns gibt. Und du liebst uns. Und nicht nur uns, auch deine Geschwister und Omas und noch noch einige andere Leute. Und wer geliebt wird und liebt, der weiß, was gut ist. Die Liebe überträgt sich und zeigt einem, was gut ist. Das ist die eine Quelle.

Und dann haben dir viele Menschen gezeigt, was gut ist. Wir, deine Eltern, deine Geschwister, deine Verwandten, deine Freunde, (...). Manchmal haben wir dir auch Sachen vorgemacht, die nicht gut waren. Ich hoffe, das war nicht zu häufig.

Was gut und was schlecht ist, ist nicht in jedem Fall klar. Die Meinungen darüber haben sich im Lauf der Zeit verändert und verändern sich immer noch. Trotzdem gibt es einen Kern von Dingen, über die fast alle Menschen und Kulturen eine gemeinsame Meinung haben. Dazu gehört z.B., dass man Menschen nicht grundlos töten soll. Dieser Kern ist aber ziemlich klein und schon bei der Frage, ob es gut ist einen Menschen zu töten, der einen anderen umgebracht hat, gehen die Meinungen auseinander. Es gibt viele Staaten, die MEnschen hinrichten, auch solche, die sich demokratisch oder christlich nennen. So ist das, was gut ist, immer wieder neu definiert worden. Und auch du musst dir deine eigene Meinung darüber bilden, was gut ist. Darin bist du aber nicht völlig frei. Die Liebe zu deinen Nächsten und das Vorbild deiner Umgebung haben dir schon Maßstäbe für Gut und Böse eingepflanzt, die dich zu einem guten Menschen machen werden, wenn du sie nicht verleugnest.
(...)
Musst du wissen, was das Böse ist? Ich glaube nicht. Wenn du das Gute zu tun versuchst, vermeidest du das Böse von ganz allein. Vielleicht ist es nur gut zu wissen, dass es besser ist, Unrecht zu erleiden, als Unrecht zu tun.

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deirfloo
Globulisierungsgegner



Anmeldungsdatum: 26.06.2006
Beiträge: 1126

Beitrag(#888961) Verfasst am: 19.12.2007, 20:13    Titel: Antworten mit Zitat

Kival hat folgendes geschrieben:
deirfloo hat folgendes geschrieben:
Hast du's gelesen?


Klar.

Zitat:
gibt es in dem Buch die Unterscheidung Gut-Böse wirklich in der vom Rezensenten dargestellten Form?


Den Rezensenten will ich lieber nicht beurteilen Cool, urteile doch selbst:

Lührs: Gut sein ohne Gott, Ethik und Weltanschauung für Kinder und andere aufgeklärte Menschen, August-von-Goethe-Literaturverlag, Frankfurt 2007, S. 15 ff. hat folgendes geschrieben:

Gut und Böse

Weißt du, was gut ist? Natürlich weißt du, was gut ist. Sieh in dien Herz und frage dein Gewissen und du weißt, was gut ist, weißer weißt du was gut ist? Nun, du bist von deiner Mutter und von mir geliebt worden und wirst von uns geliebt heute und solange es dich und uns gibt. Und du liebst uns. Und nicht nur uns, auch deine Geschwister und Omas und noch noch einige andere Leute. Und wer geliebt wird und liebt, der weiß, was gut ist. Die Liebe überträgt sich und zeigt einem, was gut ist. Das ist die eine Quelle.

Und dann haben dir viele Menschen gezeigt, was gut ist. Wir, deine Eltern, deine Geschwister, deine Verwandten, deine Freunde, (...). Manchmal haben wir dir auch Sachen vorgemacht, die nicht gut waren. Ich hoffe, das war nicht zu häufig.

Was gut und was schlecht ist, ist nicht in jedem Fall klar. Die Meinungen darüber haben sich im Lauf der Zeit verändert und verändern sich immer noch. Trotzdem gibt es einen Kern von Dingen, über die fast alle Menschen und Kulturen eine gemeinsame Meinung haben. Dazu gehört z.B., dass man Menschen nicht grundlos töten soll. Dieser Kern ist aber ziemlich klein und schon bei der Frage, ob es gut ist einen Menschen zu töten, der einen anderen umgebracht hat, gehen die Meinungen auseinander. Es gibt viele Staaten, die MEnschen hinrichten, auch solche, die sich demokratisch oder christlich nennen. So ist das, was gut ist, immer wieder neu definiert worden. Und auch du musst dir deine eigene Meinung darüber bilden, was gut ist. Darin bist du aber nicht völlig frei. Die Liebe zu deinen Nächsten und das Vorbild deiner Umgebung haben dir schon Maßstäbe für Gut und Böse eingepflanzt, die dich zu einem guten Menschen machen werden, wenn du sie nicht verleugnest.
(...)
Musst du wissen, was das Böse ist? Ich glaube nicht. Wenn du das Gute zu tun versuchst, vermeidest du das Böse von ganz allein. Vielleicht ist es nur gut zu wissen, dass es besser ist, Unrecht zu erleiden, als Unrecht zu tun.


Danke für den Auszug aus dem Buch.
Aufgrund der Rezension, hatte ich das anders erwartet.
naja- reinlesen ist immer besser...
Danke nochmals für die Mühe
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Skeptical scrutiny is the means, in both science and religion, by which deep thoughts can be winnowed from deep nonsense.
Carl Sagan

was ich grade höre: http://www.cantosonor.eu
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Kival
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Beitrag(#888990) Verfasst am: 19.12.2007, 20:34    Titel: Antworten mit Zitat

deirfloo hat folgendes geschrieben:

Aufgrund der Rezension, hatte ich das anders erwartet.


Wieso?
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Telliamed
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Beitrag(#903988) Verfasst am: 08.01.2008, 17:24    Titel: Safranski: Romantik Antworten mit Zitat

Rüdiger Safranski: Romantik. Eine deutsche Affäre. Carl Hanser Verlag, München 2007, 415 S.

Des Honorars wegen hätte es Rüdiger Safranski nicht nötig gehabt, das Buch zu schreiben. Das "Philosophische Quartett", das der Philosoph und Lehrstuhlinhaber zu spätabendlicher Stunde mit zwischen Peter Sloterdijk und ihm verteilten Rollen sowie wechselnden Gästen im Fernsehen veranstaltet, dürfte ebenso einträglich sein wie das Honorar aus den Biographien E.T.A. Hoffmanns, Schopenhauers, Heideggers, Nietzsches und Schillers, die zuletzt auch noch als Taschenbuchausgabe herauskam.

In diesem neuen Buch, das es auf die Bestsellerliste brachte und das ich im Herbst gleichzeitig mit Dawkins gelesen hatte, wird eine beschwingte "Tour de literature" unternommen. Die Reise beginnt in Jena, mit Friedrich Schlegel, der die Theorie des "offenen" (vielerlei Deutungen zugänglichen) Kunstwerkes entwickelte und die Ironie als Prinzip einführte, in seiner "Lucinde" die deutschen Spießer erstmals mit der "freien Liebe" schockierte, mit Fichte, der das allmächtige "Ich" propagierte. Und so geht es weiter, alle scheinen sie kurz auf, Tieck, Novalis, der in seiner heute früh von mir erwähnten Schrift "Die Christenheit in Europa" (1799) den so richtig ins FGH passenden Satz hinwarf: "Wo keine Götter sind, walten Gespenster" (zit. nach S. 127). Der protestantische Theologe Schleiermacher las mit der jüdischen Salon-Leiterin Henriette Herz Spinoza, was dazu führte, dass er Religion als "Sinn und Geschmack für das Unendliche" aufzufassen begann und sich damit dem Pantheismus bedenklich näherte.
Ein "Unbehagen an der Normalität" einer Welt, die immer mehr entzaubert und rationalisiert wurde, wird Eichendorff bescheinigt. Die Große Epoche der Romantiker war um 1820 vorbei. Doch Safranski zieht weiter, mit Heinrich Heine über den Rhein, zu Richard Wagner, der "nicht wenige Leute verrückt" (S. 273) gemacht habe, zu Nietzsche und der deutschen Jugendbewegung des 20. Jahrhunderts, die merkwürdige Blüten trieb, wie die mit weißen Kleidchen und Hemden bekleideten Sänger, die nach dem Ersten Weltkrieg Thüringen wandernd durchzogen. Schließlich darf die Romantik der "Volksseele" in der Diktatur nicht fehlen, die die industrielle Vernichtungspolitik im Dritten Reich umschwebte.
Romantik äußerte sich in Literatur, Musik, bildender Kunst wie auch in Lebensgestaltungen.

Jedem Autor muss man zunächst das Recht zugestehen, das darzustellen, was er sich vorgenommen hat, und darüber hinaus nicht mehr.
Indes provoziert der Untertitel "eine deutsche Affäre" schon zu der Frage nach dem spezifisch "Deutschen". Den europäischen Blick kann man vielleicht erst gewinnen, wenn man die Romantik in vielen Ländern vergleichend in den Blick gezogen hat - Chateaubriand in Frankreich, Manzoni in Italien - das doch auch wie Deutschland am "Zu spät-gekommen-Sein" litt ! - Mickiewicz in Polen, Pushkin und Lermontov in Russland. Darüber wird man sich anderswo informieren müssen.

Den Stil Safranskis finde ich seinem Anliegen angemessen, schwungvoll und bildhaft, nicht so affektiert wie bei seinem Gegenüber Sloterdijk im "Philosophischen Quartett".
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Carmen256
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Beitrag(#904087) Verfasst am: 08.01.2008, 19:34    Titel: Antworten mit Zitat

Seit letztens hab ich angefangen "Für jede Lösung ein Problem" zu lesen. Bis jetzt kann ich sagen, es unterhaltsam und lustig zugleich. Smilie
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Telliamed
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Beitrag(#904759) Verfasst am: 09.01.2008, 16:32    Titel: Johannes Willms: Balzac Antworten mit Zitat

Johannes Willms: Balzac. Eine Biographie. Zürich 2007. 367 S.

Der Autor liebt seinen Helden nicht. Er grenzt sich ab von den Lesern, die ein "emphatisches Verhältnis zur Literatur" (S. 93) unterhalten. Für Balzac sei Genie eine "fromme Lüge" (S. 95) gewesen. Ihm sei es vor allem um Geld und Luxus gegangen. Die Meinung der Nachwelt sei dem Snob und Verschwender gleichgültig gewesen. Als er die reiche Gräfin Hanska schließlich heiratete, habe seine literarische Produktion schlagartig aufgehört. Das Buch hätte besser heißen sollen: "Die Geschäfte des Herrn Balzac". Willms widmet sein Buch seiner eigenen Mutter und lässt die Mutter Balzacs als geldgieriges Scheusal erscheinen.
So richtig das alles sein mag – es ist nicht der ganze Balzac. Damit wird nicht die Besessenheit des Schriftstellers vom Leben seiner 2000 Romanfiguren erfasst. Zu den "Letzten Worten", die hier zu lesen sind, könnte man auch Balzacs Ruf auf dem Sterbebett nach dem Arzt Horace Bianchon zuzählen, wenn man nicht noch erläuternd hinzufügen müsste, dass dieser Arzt nur als Romanfigur existierte.
Der Autor, Jahrgang 1948, war Korrespondent und Journalist in Paris. Zwei Jahre nach seiner "Napoleon"-Biographie unternahm Willms das Wagnis einer Lebensbeschreibung Honoré de Balzacs. Dabei steht er im deutschsprachigen Raum in der Tradition Stefan Zweigs, dessen letztes Buch, das von Richard Friedenthal nach dem Selbstmord Zweigs herausgegeben wurde, ein Roman über Balzac wurde. Der Franzose André Maurois "Das Leben des Prometheus" geht liebevoll auf die Örtlichkeiten in Paris und in der Provinz ein, die mit Balzacs Leben verbunden sind.
Ein Arbeitstier, trank Balzac an die 50.000 Tassen Kaffee und starb mit 51 Jahren. Ein Roman von mehr als 400 Seiten, der "César Birrotteau", wurde in 17 Tagen fertig. Um Mitternacht stand er auf, um in seiner weißen Mönchskutte bis zum Morgen durchzuarbeiten. Dann nahm Balzac ein Bad und machte sich an die Korrekturen, von denen es mitunter bis zu 9 Durchgänge gab. Gerade mal eine Stunde war er unterwegs. Ein Balzac-Biograph muss 79 Romane und 19 Erzählungen, eine Unmenge an Zeitungsartikeln sowie den Briefwechsel Balzacs studiert haben. Kein Wunder, dass "Wahn und Werk" eng beeinander lagen.



Für eine Balzac-Biographie habe ich immer eine spezielle Prüffrage: Wie geht der Autor mit Zulma Carraud um, der treuesten, langjährigen Freundin Balzacs und treffsichersten Kritikerin, die nach Stefan Zweigs Ansicht die Literaten seiner Zeit wie Victor Hugo und Saint-Beuve haushoch überragte? Bei Johannes Willms ist die "nach ihrer eigenen Beschreibung eher unattraktive Zulma Carraud" (S. 69) eher eine Randfigur, die kurz abgetan wird. Da muss man sich einmal ihr Porträt anschauen! Nicht nur ich bin ins Schwärmen geraten.
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astarte
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Beitrag(#918951) Verfasst am: 26.01.2008, 10:15    Titel: Antworten mit Zitat

astarte007 hat folgendes geschrieben:
"Lebenshilfen für fröhliche Atheisten" von Henk de Lamper


Das habe ich als Rezension auf amazon geschrieben:

Zitat:
Der Kurzbeschreibung kann ich zustimmen. Der Autor erzählt weder seine Lebensgeschichte, noch erläutert er, wie er zu seinen Ansichten kommt. Er fasst seine Schlussfolgerungen aus seinen Erfahrungen und Erkenntnissen zu verschiedenen Lebensbereichen auf jeweils ein bis zwei Seiten pro Thema zusammen. Das können wirklich nur Denkanstöße sein, genau das ist wahrscheinlich auch beabsichtigt.
Man könnte die Aussagen des Autors als Plädoyer für das selbstständige Denken verstehen. Oder als knappe (sehr knappe), aber deutliche Erwiderungen auf Behauptungen, wie sie von Kirchenvertretern so gerne ohne Begründung in den Raum geworfen werden: wie orientierungslos, egoistisch, ohne Werte und ohne Hoffnung ein Atheist doch sei. Nur der gläubige Mensch habe den wahren Respekt vor dem Leben. Wer solche Unterstellungen nicht einfach unbesehen glauben möchte, kann in diesem Buch sehen: Toleranz, Lebensfreude, Liebe zu seinen Mitmenschen und sich selbst, ist unabhängig von Gottesglauben.
Der Titel führt allerdings etwas in die Irre: der „Fröhliche Atheist“, den Henk de Lamper beschreibt, bedarf keiner besonderen Lebenshilfen. Deswegen und wegen der sehr kurzen Kapitel: drei Sterne. Ich werde das Buch aber bestimmt immer wieder herausholen und darin blättern.


Dauert etwas, bis es dort erscheint.
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vrolijke
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Beitrag(#919204) Verfasst am: 26.01.2008, 20:33    Titel: Antworten mit Zitat

astarte007 hat folgendes geschrieben:
astarte007 hat folgendes geschrieben:
"Lebenshilfen für fröhliche Atheisten" von Henk de Lamper


Das habe ich als Rezension auf amazon geschrieben:

Zitat:
Der Kurzbeschreibung kann ich zustimmen. Der Autor erzählt weder seine Lebensgeschichte, noch erläutert er, wie er zu seinen Ansichten kommt. Er fasst seine Schlussfolgerungen aus seinen Erfahrungen und Erkenntnissen zu verschiedenen Lebensbereichen auf jeweils ein bis zwei Seiten pro Thema zusammen. Das können wirklich nur Denkanstöße sein, genau das ist wahrscheinlich auch beabsichtigt.
Man könnte die Aussagen des Autors als Plädoyer für das selbstständige Denken verstehen. Oder als knappe (sehr knappe), aber deutliche Erwiderungen auf Behauptungen, wie sie von Kirchenvertretern so gerne ohne Begründung in den Raum geworfen werden: wie orientierungslos, egoistisch, ohne Werte und ohne Hoffnung ein Atheist doch sei. Nur der gläubige Mensch habe den wahren Respekt vor dem Leben. Wer solche Unterstellungen nicht einfach unbesehen glauben möchte, kann in diesem Buch sehen: Toleranz, Lebensfreude, Liebe zu seinen Mitmenschen und sich selbst, ist unabhängig von Gottesglauben.
Der Titel führt allerdings etwas in die Irre: der „Fröhliche Atheist“, den Henk de Lamper beschreibt, bedarf keiner besonderen Lebenshilfen. Deswegen und wegen der sehr kurzen Kapitel: drei Sterne. Ich werde das Buch aber bestimmt immer wieder herausholen und darin blättern.


Dauert etwas, bis es dort erscheint.


Es steht schon drinn.

Vielen Dank Anbetung des lila Einhorns rose rose rose rose rose rose rose rose rose rose rose rose



*heul* Sollte eigentlich "gerührt" darstellen. Aber ein Smilie das vor lauter Rührung eine Träne läßt, gabs nicht im angebot. Ganz super hast Du das geschrieben.
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astarte
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Beitrag(#919246) Verfasst am: 26.01.2008, 22:03    Titel: Antworten mit Zitat

vrolijke hat folgendes geschrieben:


Es steht schon drinn.

Vielen Dank Anbetung des lila Einhorns rose rose rose rose rose rose rose rose rose rose rose rose



*heul* Sollte eigentlich "gerührt" darstellen. Aber ein Smilie das vor lauter Rührung eine Träne läßt, gabs nicht im angebot. Ganz super hast Du das geschrieben.

Das ging ganz flott. Freut mich, dass es Dir zusagt. Sehr glücklich

Gerührte Smilies hab ich auch, wie wärs denn damit?

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Telliamed
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Beitrag(#920923) Verfasst am: 29.01.2008, 15:41    Titel: Antworten mit Zitat

Die bestellten "Lebenshilfen für fröhliche Atheisten" sind schon auf dem Weg zu mir. Danach wird das Buch auch mein in Thüringen allein lebender Vater (schon immer Atheist) zu lesen bekommen.

Wir haben es uns zur Gewohnheit werden lassen, uns in der an der Leine (Fluß) gelegenen Universitätsstadt zu treffen und auf Spaziergängen auch über Bücher zu sprechen.
Also bis auf bald! Smilie


Irgendwann folgt dann meine Besprechung zu:
Arnold Angenendt: Toleranz und Gewalt. Das Christentum zwischen Bibel und Schwert. Münster 2007.
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Kival
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Beitrag(#922890) Verfasst am: 01.02.2008, 01:46    Titel: Antworten mit Zitat

Literaturempfehlung: Neues Springer-Lehrbuch zum Religionsrecht erschienen hat folgendes geschrieben:


Heute eröffnen wir die Rubrik Literaturempfehlungen mit einer Rezension über das Springer-Lehrbuch zum Religions- und Weltanschauungsrecht von Gerhard Czermak und Eric Hilgendorf. Bald werden einige der Klassiker von Erwin Fischer und Carsten Frerk folgen, doch auch dann wird die Liste der Empfehlungen noch zu erweitern sein. Hinweise und Tipps zu Büchern, die wir hier empfehlen oder rezensieren sollten, nehmen wir gerne entgegen.




G. Czermak, E. Hilgendorf: Religions- und Weltanschauungsrecht. Eine Einführung, Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 2008, ISBN: 978-3-540-72048-5, Springer-Lehrbuch ISSN: 0937-7433, Taschenbuch, 327 S.

http://www.springer.com/law/book/978-3-540-72048-5



Immer komplizierter, aber auch immer wichtiger wird in den letzten Jahren das Verhältnis von Staat, Religionen und anderen Weltanschauungen. Angesichts der erstarkenden Diskussion um den Islam und andere nicht-christliche Weltanschauungsgemeinschaften gewinnt das Religionsrecht immer mehr an Aktualität und tritt aus der Abschottung heraus. Dennoch finden sich dort vor allem kirchennahe Juristen, die Standardwerke eines von Campenhausen sind kirchlich dominiert und Kritiker wie Ludwig Renck stehen immer noch weitgehend allein, wenn sie auch nicht mehr die extreme Außenseiterposition eines – dennoch damals sehr erfolgreichen - Erwin Fischers haben.


In Kooperation mit dem Würzburger Strafrechtsprofessor Eric Hilgendorf hat sich der ehemalige bayerische Verwaltungsrichter Gerhard Czermak deshalb daran gemacht, ein Lehrbuch über das immer verworrenere Religions(verfassungs)recht zu verfassen. Bereits der Titel ist eine Absage an die Tradition des Staatskirchenrechts. Czermak vertritt entgegen der herrschenden Meinung konsequent eine aus dem Geist und Text des Grundgesetzes abgeleitete religiös-weltanschauliche Neutralität. Hier wird der Leser ausgehend von den drei Grundsätzen Freiheit, Gleichheit, Trennung durch die Wirren des Rechts geführt... Weiter

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Zuletzt bearbeitet von Kival am 05.02.2008, 20:30, insgesamt einmal bearbeitet
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pewe
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Beitrag(#924827) Verfasst am: 03.02.2008, 16:34    Titel: Re: Eugen Drewermann "Atem des Lebens" Antworten mit Zitat

PsychPhil hat folgendes geschrieben:
"Atem des Lebens" - Die moderne Neurologie und die Frage nach Gott

1: Das Gehirn, 2006, 750 Seiten
2: Die Seele, 2007, 1000 Seiten

Seit einiger Zeit erlangt der Begriff der "Neurotheologie" immer größere Bedeutung.


Kann ich davon ausgehen, dass, wenn Herr Drewermann sich mit dem Freud Schüler Wilhelm Reich auseinandersetzt, er eine Orgasmustheologie oder im Sinne des späten Reich eine Analtheologie schaffen wird?
Im übrigen muss sich kein Mensch das Sinnsuchegeschwafel des Herrn Drewermann antun. Sinn ist ein nicht negierbarer Begriff; selbst Unsinn macht Sinn, wenn der Begriff Sinn nicht sinnlos werden soll. Eben deshalb und nur in diesem Sinn erzeugt der Schwachsinn der Theologie in einigen psychischen Systemen Sinn.

Trotzdem Danke für die Buchbesprechung; so weiss ich, dass die Lektüre des armen Larzarus von Paderborn nicht lohnt. komm her kleiner
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Beitrag(#925852) Verfasst am: 05.02.2008, 10:57    Titel: Antworten mit Zitat

Ettore Ghibellino: J. W. Goethe und Anna Amalia. Eine verbotene Liebe. A. J. Denkena Verlag. 2. stark erweiterte Auflage. Weimar 2004. 362 S.

Als ich zuerst von der These Ghibellinos hörte, in Wirklichkeit sei nicht Charlotte von Stein, sondern die Herzogin Anna Amalia die große Liebe Goethes ab 1775 gewesen, war ich sehr skeptisch, zumal marktschreierisch geworben wurde. Der entscheidende Einwand scheint mir auch nach wie vor nicht entkräftet zu sein: Wie hätte in Weimar, wo sich alles auf einem Quadratkilometer abspielte, angesichts des "Gehudels und Getratschs" ein solches Verhältnis jahrelang vor der Dienerschaft geheim gehalten werden können?

Eine ganz wichtige Quelle sind die Briefe der Gräfin Goertz an ihren Ehemann, den Erzieher Karl Augusts, Johann Eustach von Goertz (1737-1812), die sich heute in Privatbesitz befinden. Der einstige Weimarer Staatsminister, der anschließend in preußische Dienste trat, habe in Goethe seinen erbitterten Rivalen gesehen, der ihn aus der Gunst des Herzogs Karl August verdrängt habe. Ich hörte von Bestrebungen, diesen Briefwechsel jetzt herauszugeben. Es gibt außerdem ein Bekenntnis Goethes gegenüber Eckermann 1827, das überhaupt nicht auf Charlotte von Stein passt, sowie einen Hinweis der Gräfin von Egloffstein. Dann nahm ich das Buch in die Hand und war dann doch erstaunt.

Ghibellino (1969 geb.) ist ein deutsch-italienischer, in Weimar lebender Jurist und führt seine Beweisführung anders als Literaturwissenschaftler oder Historiker.
Die 1600 Liebesbriefe, die Goethe schrieb, hätten in Wirklichkeit nicht der kühlen und spröden Charlotte von Stein gegolten (die ebenso wie eine heutige Politikerin 7 Kinder hatte), sondern der 1739 geborenen und damit 10 Jahre älteren Herzoginwitwe Anna Amalia, die Stein habe nur die Fassade aufrecht erhalten.
Auch wenn Goethe 1782 auf Betreiben Anna Amalias vom Kaiser geadelt worden sei, hätte das Bekanntwerden einer Liaison mit einer Reichsfürstin das Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach gefährden können.
Als 1786 Friedrich der Große starb und sich der Herzog an den "Fürstenbund"-Bestrebungen jener Zeit beteiligte, drohten Goertz, der durch seine Frau als "Horchposten" in Weimar informiert war, sowie ein "Verräter", als der sich der im Hause Goethes wohnende Fritz von Stein, Charlottes Sohn, entpuppte, das Verhältnis auffliegen zu lassen.
Der erschrockene Goethe beichtete gegenüber Karl August seine Liebesbeziehung, der sich abermals als sehr menschlicher und kluger Regent erwies. Goethe floh nach Italien und beschloß auf Sizilien, Anna Amalia in Zukunft nur in Entsagung platonisch zu lieben. Zur Tarnung nahm er die völlig ungebildete und mittellose Christiane Vulpius in sein Haus.

Auf einmal wird vieles stimmig. Der "Tasso" bietet ja die Konstellation: die Fürstin wird geliebt, die Hofdame deckt das Verhältnis. Der Bielefelder Arno Schmidt-Kenner und Seume-Herausgeber Jürgen Drews hält den Ansatz Ghibellinos ebenfalls für fruchtbar, jedoch müsse er noch mehr durch die Quellen erhärtet werden.
_____

Heute abend will ich mich dann endlich hier zu den "Lebenshilfen für fröhliche Atheisten" äußern, weil das auch schon @astarte007 hier tat. Zu Arnold Angenendt mache ich aber einen eigenen Thread auf, eingedenk der Mahnung Heikes am Beginn dieses Threads, sich hier kürzer zu fassen, damit nicht alles zerfasert.
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Telliamed
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Beitrag(#925987) Verfasst am: 05.02.2008, 16:31    Titel: Antworten mit Zitat

Das Titelbild mit Adam und Eva, die beide Äpfel vom Baum der Erkenntnis pflücken, kam mir bekannt vor. Der Buchautor hatte sich im FGH im gleichen Monat wie ich angemeldet und schreibt hier munter zahlreiche Beiträge. Es gab jetzt eine freundliche Besprechung von @astarte.

Nun möchte ich auch einige Eindrücke loswerden zu:

Henk de Lamper: Lebenshilfen für fröhliche Atheisten. Verlag Hartmut Becker. Marburg 1998, 105 S.

"Lebenshilfen" brauchen keine Anleitungen zur Lebensgestaltung zu sein, schon gar nicht eine Krücke, heute "Gehhilfe" genannt.
Von Zeit zu Zeit braucht auch ein Nichtgläubiger derartige Denkanstöße, Muntermacher.

Eine Aphorismensammlung ist es sicher nicht. Das Streben nach Knappheit, das Astarte hier angesprochen hat, kann eine Selbstbeschränkung auf die annähernd 100 Seiten bedeuten, oder der Umfang kann mit dem Verlag abgesprochen sein. Henk will möglichst viele Facetten des heutigen Lebens einfangen, und das auf knappstem Raum.

Die Klassiker dieser Art von Literatur aus der Antike sprechen auch heute noch zu uns: Epiktet, Seneca, Marc Aurel … der Autor erwähnt die Nikomachische Ethik des Aristoteles.

Inzwischen haben sich die Lebensbedingungen so verändert, ob in einer hektischen Großstadt oder in einem katholischen Dorf, dass man von Zeit zu Zeit inne zu halten versucht und sich fragt:

Was muten tagtäglich andere mir zu, Werbefritzen, Geistliche, Parteipolitiker, ja die eigenen Familienmitglieder? Wie weit werde ich von anderen Menschen fremdbestimmt, ja manipuliert und das in einem solchen Maße, dass ich mitunter ganz vergesse, was ich selbst möchte?

Der „fröhliche Atheist“ strebt, wie die Freidenker früherer Zeiten, nach Gelassenheit. Glück und Zufriedenheit liegen in der Selbstbeschränkung. Man muss nicht alles aufgreifen, was Werbung und Mode vorgaukeln. Der "fröhliche Atheist" weiss, dass er nur hier auf Erden lebt, dass er zunächst für sich selbst existiert und sich nicht nur an andere anlehnt.

Es geht gar nicht einmal in erster Linie nur um Glaube und Religion. Die meisten Betrachtungen von Henk de Lamper betreffen das Alltagsleben, die zwischenmenschlichen Beziehungen.
Praktische Tips sind enthalten: so sollte man immer nach den Auftraggebern von Expertisen fragen (dies wäre manchen FGH-Usern ins Stammbuch zu schreiben).
Man ahnt schon, was an selbst Erlebtem eingeflossen ist; der Umschlagtext informiert über die Lebensumstände Henks, die sich recht turbulent gestaltet haben dürften. Man spürt die heitere, robuste Grundstimmung, die bei Henk überwiegt, "trotz alledem".

"Wermutstropfen"
Heiterkeit und Gelassenheit – man kommt nicht umhin, auch Wermutstropfen zu schmecken.
Seit dem Erscheinen des Buches sind zehn Jahre vergangen. In dieser Zeit wurde ein Teil der Bevölkerung in Deutschland derart durch eine unmenschliche Sozialgesetzgebung in die Ecke gedrängt, dass ihnen ein selbstbestimmtes Leben kaum noch möglich ist. Sie waren vielleicht einmal "fröhliche Menschen". Sie haben ihren Frohsinn verloren. Inzwischen sind sie erbittert, weil sie derart gedemütigt werden und von Regelsätzen leben müssen, die unwürdig für ein Land sind, das als zivilisiert gelten will.

Henk schreibt über Angst, die als den ganzen Menschen ergreifendes Lebensgefühl von der Furcht vor konkret festzumachenden Dingen (Flugzeug, Spinnen, Gedränge) zu unterscheiden ist. Die Verhältnisse bringen es allerdings mit sich, dass dieser Angst kaum noch mit einer heiteren Grundhaltung zu begegnen ist. Die Fremdbestimmung wird übermächtig.
Auch der 11. September 2001 wirkte sich auf das Lebensgefühl aus, ob man es sich eingestehen will oder nicht.

Ich bin mir sicher, dass Henk um diese Problematik weiß. Diesen Leuten muss so manches in dem Buch bitter aufstoßen. Das kann kein Vorwurf an den Autor sein, "um Himmels willen".
Aber das Buch dürfte sich an vorrangig an Leser richten, die in einigermaßen gesicherten Verhältnissen leben, so dass sie Spielräume haben, um ein selbstbestimmtes Leben führen zu können.

Wenn ich an die Jahrzehnte in der DDR zurückdenke, so kommen mir Bilder vor Augen, die zeigen dürften, wie schwer es ist, sich von äußeren Zwängen frei zu machen: Ohrenbetäubender Trommelwirbel von Dutzenden Spielmannszügen der zehntausenden Thälmannpioniere auf dem Erfurter Domplatz, alle in blauen Hosen und Röcken, in weißen Blusen, mit blauem oder rotem Halstuch. Gespenstische Fackelzüge der Freien Deutschen Jugend Unter den Linden in Berlin - eigentlich eine ungeheuere Instinktlosigkeit angesichts dessen, was nur wenige Jahrzehnte zuvor an gleicher Stelle inszeniert wurde, Meere von roten Fahnen … Wie konnte man sich davon frei machen?

Zum Schluss noch etwas zu der Stelle mit Papst Wojtyla, der während eines Amerikabesuches gefragt wurde, "was er davon halte, dass auf diesem Kontinent im Laufe der Jahrhunderte soviel Schindluder mit den Eingeborenen getrieben worden sei.
Seine Antwort darauf lautete: Er danke Gott auf beiden Knien, dass Amerika vor der großen Kirchenspaltung entdeckt worden sei."

Für diese kryptische Antwort bietet Henk mehrere Deutungen an, von denen Senilität des Papstes nur eine ist.
Zufällig hat @HiobHolbach auf die gleiche Stelle in dem Thread über die "Kuschel-Historiker" (Weltanschauungen und Religionen) als besonders übel verwiesen. Und ich werde bei meiner Vorstellung des neuen Buches von Arnold Angenendt "Toleranz und Gewalt" (2008) darauf eingehen.
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vrolijke
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Beitrag(#926209) Verfasst am: 05.02.2008, 21:45    Titel: Antworten mit Zitat

@ Telliamed:
als ich so Deine Kritik laß, kam mir der Gedanke: "oh, nettes Buch, könntest du auch mal wieder lesen".
Deine Kritik hat mich sehr geschmeichelt. Vielen vielen Dank. rose
Eine kleine Kritik möchte ich an Deine Kritik doch loswerden. Du schreibst, daß es geschrieben ist für Leute die keine direkte Existenzsorgen haben. Das ist nur teilweise wahr. Wo kommen dann die Existenzsorgen her? Die meiste kommen daher, daß man aus sein konventionelles Korsett nicht rausfindet.
Manchmal überkommt es mir, daß ich glaube, vom Leben verwöhnt worden zu sein. Andererseits, beobachte ich andere Leute (Kollegen, Nachbarn usw) die manchmal mit den gleichen Problemen konfrontiert werden, die ich aus meine Vergangenheit kenne. Und beobachte, daß diese andere nicht überzeugt sind vom Leben verwöhnt zu werden, weil sie mit ihre Probleme nicht zu Rande kommen.
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astarte
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Beitrag(#926234) Verfasst am: 05.02.2008, 22:20    Titel: Antworten mit Zitat

vrolijke hat folgendes geschrieben:
@ Telliamed:
als ich so Deine Kritik laß, kam mir der Gedanke: "oh, nettes Buch, könntest du auch mal wieder lesen".
Deine Kritik hat mich sehr geschmeichelt. Vielen vielen Dank. rose
Eine kleine Kritik möchte ich an Deine Kritik doch loswerden. Du schreibst, daß es geschrieben ist für Leute die keine direkte Existenzsorgen haben. Das ist nur teilweise wahr. Wo kommen dann die Existenzsorgen her? Die meiste kommen daher, daß man aus sein konventionelles Korsett nicht rausfindet.
Manchmal überkommt es mir, daß ich glaube, vom Leben verwöhnt worden zu sein. Andererseits, beobachte ich andere Leute (Kollegen, Nachbarn usw) die manchmal mit den gleichen Problemen konfrontiert werden, die ich aus meine Vergangenheit kenne. Und beobachte, daß diese andere nicht überzeugt sind vom Leben verwöhnt zu werden, weil sie mit ihre Probleme nicht zu Rande kommen.

Naja, naja, naja, beobachtest du auch zB Alleinerziehende, die mit HartzIV klar kommen müssen, und derartige Fälle? Das konventionelle Korsett sind dann zB die Kinder. Wie soll man da rausfinden? Das meinte ich mit etwas knapp, manches geht etwas unter.

Was Telliamed über Furcht und Lebensgefühl schreibt, kann ich auch nicht ganz unterschreiben, gerade diese Terrorängste seit 11.9.01 sollte man ganz genau beobachten, wer nutzt die aus, wer schürt da, wer behauptet zu schützen, was tut der wirklich? (also im Sinne Henks)
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