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Forscher widerlegen Willensfreiheit
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AgentProvocateur
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Anmeldungsdatum: 09.01.2005
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Beitrag(#989709) Verfasst am: 28.04.2008, 12:30    Titel: Antworten mit Zitat

Ach, ich möchte aber doch gar nicht über Strafrecht und Legitimationen hier diskutieren.

Ich möchte nur die Argumentationskette der harten Inkompatibilisten ergründen. Das scheint sehr schwierig zu sein. Da bisher keine Argumente dafür kamen, habe ich ein paar vorgeschlagen. Dann bekam ich den "Strohmann"-Vorwurf. Nun gut.

Dann will ich auch keine mehr vorschlagen und frage einfach erneut: warum ist der Meinung harter Inkompatibilisten nach das Konzept der Verantwortung falsch? Warum muss man wie sie davon ausgehen, dass niemand für seine (Nicht-)Handlung verantwortlich sein könne, ihm also diese (Nicht-)Handlung nicht zugerechnet werden könne, sie ihm nicht vorwerfbar sein könne?

Da muss es doch irgend ein Argument für geben.

Wieso also sollten "echte Möglichkeiten" für Vorwerfbarkeit unabdingbar sein?

Was hatten wir bisher:

- Schopenhauer sieht das so -> kein Argument
- viele (die meisten) Leute sehen das so -> kein Argument
- viele Strafrechtsprofessoren sehen das so -> kein Argument
- Kompatibilisten sind verkappte Neo-Theologen -> kein Argument
- "echte Möglichkeiten" sind einfach so Voraussetzung -> kein Argument

Und, nein, ich möchte hier nicht darüber diskutieren, ob eine Vorwerfbarkeit etwas moralisch Verwerfliches ist oder nicht. Ich möchte einfach nur erfahren, was die Argumentation für die Ansicht der harten Inkompatibilisten ist, moralische Verantwortung sei falsch.
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Er_Win
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Anmeldungsdatum: 31.01.2008
Beiträge: 4482

Beitrag(#989710) Verfasst am: 28.04.2008, 12:31    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Sein Handeln war "schlecht". Aufgabe der Gesellschaft ist es nun, den Täter - seinen Willen - wieder auf den Weg in Richtung der Norm zu führen.

wo ist in diesem "Verantwortungsmodell" Platz für Einsicht und Reue, oder sind diese Begriffe auch obsolet, da gesellschaftliche "Normgerechtheit" als det. Zielfunktion ausreicht ?

Erwin
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Mario Hahna
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Anmeldungsdatum: 04.04.2005
Beiträge: 9607
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Beitrag(#989715) Verfasst am: 28.04.2008, 12:49    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Dann will ich auch keine mehr vorschlagen und frage einfach erneut: warum ist der Meinung harter Inkompatibilisten nach das Konzept der Verantwortung falsch?


Weil ich nicht den ganzen Thread durchsuchen möchte: Wurde dieses Konzept in diesem Thread schon genau ausgeführt? Auf welcher Seite?
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Wer nichts weiß, glaubt alles.
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Roter Ballon
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Beiträge: 2631
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Beitrag(#989722) Verfasst am: 28.04.2008, 12:58    Titel: Antworten mit Zitat

Pragmatismus hat folgendes geschrieben:
„Wahr ist das, was sich durch seine praktischen Konsequenzen bewährt.“

Oder mit anderen Worten (James):

„Eine Vorstellung ist wahr, solange es für unser Leben nützlich ist, sie zu glauben!"

Aber diese Aussage bedeutet nicht, dass nun alles auf Nützlichkeit reduziert wird. Bei Dewey wird deshalb besonders die Idee des Wachstums ("growth") benutzt, um auszudrücken, dass Menschen ihre Erfahrungen in der Lebenswelt so gemeinsam gestalten müssten, dass ein Wachstum für alle Gesellschaftsmitglieder erreicht werden kann und nicht bloß ein Nutzen für wenige.

Europäern fällt es nicht leicht, Wahrheit mit Nützlichkeit in Beziehung zu setzen. Der Nützlichkeitsbegriff des Amerikaners ist aber viel weiter als der des Europäers. Es ist nicht falsch, für die Formel, "was nützlich ist, das ist wahr", versuchsweise die Formel, "was gut ist, das ist wahr", einzusetzen. Bewährung meint letztlich Güte der Erkenntnis.


Die Inkompatibilisten leben im geistigen Mittelalter dualistischer Gegensätze.
Wenn bewiesen ist, was bei einer Sach falsch ist, muß ja dann wohl die andere Sach die Richtige sein. Also werden die Makel der einen Seite ins unermeßliche aufgebauscht, was die andere Sach dann umso attraktiver macht - da übersieht man gerne mal die falschen Zähne des neu-präferierten.
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kolja
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Beitrag(#989741) Verfasst am: 28.04.2008, 13:23    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Dann will ich auch keine mehr vorschlagen und frage einfach erneut: warum ist der Meinung harter Inkompatibilisten nach das Konzept der Verantwortung falsch? Warum muss man wie sie davon ausgehen, dass niemand für seine (Nicht-)Handlung verantwortlich sein könne, ihm also diese (Nicht-)Handlung nicht zugerechnet werden könne, sie ihm nicht vorwerfbar sein könne?

Da muss es doch irgend ein Argument für geben.

Die gibt es, Du ignorierst sie bloß. Schulterzucken
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Skeptiker
"I can't breathe!"



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Beitrag(#989788) Verfasst am: 28.04.2008, 15:46    Titel: Re: gegen die feindliche Übernahme durch das mechanistische Weltbild Antworten mit Zitat

Heiner hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Anders formuliert: Der Mensch meint nur, erkennen zu können. In wirklichkeit wäre die menschliche Erkenntnis keine Erkennntis, sondern nur Fantasie.

Und daraus wiederum folgt drittens, dass der Mensch seine Welt nicht frei gestalten kann.

Zum Beispiel gibt es bei der Wahl zwischen Atomkraft und Solarenergie gemäß dem unfreien Willen gar keine Wahl. Sondern eine von beiden Möglichkeiten ist ja nur Fantasie.

Offenbar ist das Quatsch. Denn selbstverständlich sind sowohl Atomeneergie als auch Solarenergie reale Optionen und nicht nur Produkte der Fantasie.



Du dramatisierst maßlos und begehst dabei diverse Ebenenfehler.

Wenn reale Optionen ausgeschlossen werden, bezieht sich das auf die Frage, ob in ein und derselben Enstcheidungssituation zu einem bestimmten Zeitpunkt X der Wille frei ist, den Weg a oder b zu gehen. Dies ist auszuschließen.


Ja, wenn das auszuschließen ist, ist das auszuschließen.

Aber seit wann dienen solche Tautologien wie Du sie gebrauchst, der Erkenntnisförderung?

Deine Voraussetzung beweist Du nirgends. Vielemehr soll diese Vorausetzung (man kann nicht anders als man tut) offenbar ihr eigener Beweis sein nach dem Motto: siehe, man hat ja nicht anders gehandelt als man gehandelt hat.

Nur: Was folgt daraus?

Das "Warum" ist damit doch gar nicht berührt. Vielmehr bewegst Du Dich auf der (retrograden) Beschreibungsebene.

Heiner hat folgendes geschrieben:
Angenommen, der Wille ist in der konktreten Entscheidungssituation dazu determiniert, den Weg a zu gehen. Dies bedeutet nicht, dass er langfristig nicht auch den Weg b gehen kann.


Schon wieder: Dein Satz beginnt mit "angenommen". Und auch hier wieder kann ich Dir "zustimmen". Wenn Deine Annahme stimmt, dann stimmt sie. Sonst nicht.

Die Frage aber, was der Fall ist, ist auf diese Weise ungeklärt.

Oder sind wir hier in einem Glaubensforum wo jeder seine übegrüdneten Thesen feilbietet, zum Teil noch unterfüttert mit pseudowissenschaftlich-reduktionistischem Kladderadatsch wo bei jedem dritten Satz das Wort "Physik" vorkommt (also da, wo es nicht passt)?

Heiner hat folgendes geschrieben:
So blödsinnig das Atomenergie-Beispiel ist, da es sich hier nicht um individuelle Entscheidungen Einzelner handelt, ...


Was ändert das? Das Gehirn ist auch mehr als eine Gehirnzelle?

Dein Einwand zeigt mir nur, dass Du die ganze Fragestellung nur in völlig reduzierter Form verstehst.

Entscheidungen müssen eben nicht bloß von einem einzigen Individuum getragen werden, sondern können auch im Rahmen eines kommunkativen Prozesses zwischen mehreren Individuen stattfinden.

Bedenke: Es geht hier um geeignete (rationale) Mittel und Wege um ein konkretes Ziel (Energieversorgung) zu erreichen.

Die Wahl bezieht sich auf die Mittel.

Das Ziel ist zum großen Teil äußerlich vorgegeben und hat mit den Individuen nur mittelbar zu tun. nenne es "Sachzwänge" oder "Aufgabenstellung".

Heiner hat folgendes geschrieben:
... sei es dennoch mal aufgegriffen.
Angenommen, eine Person soll sich zu einem bestimmten Zeitpunkt für oder gegen Atomenergie entscheiden. Sie entscheidet sich aufgrund der ihr bekannten Argumente für Atomenergie.
Wir können sagen, dass der Wille dazu determiniert war.


Sagen können wir viel, wenn der Tag lang ist.

Heiner hat folgendes geschrieben:
Weiter angenommen, die Person wird im weiteren Verlauf mit neuen Argumenten konfrontiert.
Dies verändert die Ausgangsbedingungen für die Willensentscheidung.
Diese neuen Argumente stellen wiederum - gehirnphysiologisch gesehen - neue neuronale Erregungsmuster dar, die den Entscheidungsprozess beeinflussen. Je nach Ausgangslage entscheidet sich die Person jetzt möglicherweise gegen Atomenergie.
Man sieht, dass die Preisgabe des freien Willens nicht heißt, dass der Wille ein für alle Mal auf eine Option festgelegt ist.


Das macht doch keinen Unterschied, welchen Zeitpunkt man nimmt.

Zu einem bestimmten Zeitpunkt gibt es eine Reihe von Argumenten und Gründen für einen bestimmten Weg zu einem bestimmten Ziel. Das ist immer so, egal, wann der Zeitpunkt ist, usw.

Und ob nun eine Entscheidung geändert wurde oder nicht, spielt auch keine Rolle.

Eine Rolle spielt aber schon, was passiert, wenn mehrere Wege nach Rom führen und alle gleich gut sind.

Entscheidend ist zunächst einmal, dass diese Wege vor aller Entscheidung 1. objektiv existieren und dass sie 2. als objektive Möglichkeiten erkannt (und eben nicht nur fantasiert werden).

Dann erst findet in einem 3. Schritt die Festlegung für eine der realen und gleichwertigen Möglichkeiten statt.

Und von dieser Ausgangsposition aus muss man diskutieren.

Heiner hat folgendes geschrieben:
Siehe hierzu auch das Interview von Wolf Singer, der sehr gut darstellt, wie solche Entscheidungsprozesse laufen, die erst nach a zu gehen scheinen, und dann doch die Richtung nach b einschlagen. Das ist auch ohne freien Willen möglich.

http://www.3sat.de/mediathek/mediathek.php?obj=8032&mode=play


Wie solche Entscheidungsprozesse ablaufen, sei mal dahin gestellt. Singer wird das wohl kaum wissen. Und als radikaler Konstruktivist gibt er sowieso nur seinen philosophischen Senf dazu.

Aber: Entweder zwei Möglichkeiten a und b sind objektiv gegeben, dann sind sie auch jeweils durchführbar bzw. es gibt keinen Grund, weshalb nicht oder aber sie sind nicht objektiv gegeben, dann sind sie auch nicht beide durchführbar, sondern es handelte sich nur um herbei fantasierte Möglichkeiten. Das Wort "Erkennntis" hätte dann keinen Sinn.

Deshalb sei die Frage in den Raum gestellt, welchen Sinn es überhaupt hätte, von einer Erkenntnis von Möglichkeiten zu sprechen, wenn darunter auch solche Möglichkeiten fallen sollen, die gar nicht als Möglichkeiten existieren. Und vor allem: Wie kann man a prioro erkennen, welche Möglichkeiten objektiv nicht existieren?

Irgendwie höchst merkwürdig Deine und steps Argumentation. Ihr behauptet, etwas aus der Realität ausschließen zu können und habt kein anderes Argument als Eure a-posteriori-Tautologien.

Das sind gar keine Argumente, die Ihr da benutzt, sondern einfach nur Behauptungen will sagen: Dogmen!

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step
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Beitrag(#989810) Verfasst am: 28.04.2008, 17:20    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Jetzt verstehe ich erst, was Du eigentlich unter "Verantwortung" verstehst: Du meinst eine Erwartungshaltung / ein Vertrauen im Voraus.

Genau. Natürlich kann man auch in bezug auf die Vergangenheit feststellen, daß jemand der ihm übertragenen Verantwortung nicht grecht geworden ist (das in ihn gesetzte Vertauen nicht erfüllt hat), und man kann daraus auch Konsequenzen ableiten, z.B. den Entzug von Vertrauen (die ABerkennung von Rechten / Pflichten).

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Du hast wohl zurecht darauf hingewiesen, daß die meisten Leute unter Verantwortung mehr verstehen, nämlich Schuld- und Straffähigkeit.

Ja. Genauer gesagt: dieses Verständnis ist die Grundlage für die Legitimation des Staates, in grundlegende Freiheitsrechte des Bürgers einzugreifen. Eine andere Legitimation für einen (vergleichbaren) Eingriff wird sehr schwierig zu begründen sein.

Wenn Rechtebeschneidung aufgrund eines Sühnebegriffs legitim, aufgrund einer Prävention dagegen nicht legitim ist, dann müßte eine umso wasserdichtere Begründung für die Annahme davor angegeben werden, wie nämlich unser heutiges wissenschaftliches Verständnis der Welt zu einem Schuld- und Sühnebegriff führt. In diesem Punkt leugnest Du aber Deine Begründungspflicht, wie Dir kolja schon mehrfach zu erklären versucht hat.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Nehmen wir uns nochmal Punkt 3 vor:

Harter Inkompatibilist hat folgendes geschrieben:
[...]
3. If an act is the result of processes that trace back to factors beyond the agent’s control, then the agent does not deserve blame or praise for that act. (The Transfer of Non-Responsibility (TNR) Principle.)
[...]


Wie genau würdest Du nun, auf Schuld bezogen, diesen Punkt formulieren wollen?

... then the agent does not derserve blame or praise just because of this act. Blame, praise and any more restrictive actions have to be justified by the expectation that this will change further acts towards a common norm.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Jemand, der nur Präferenzen hat und/oder nur bewerten kann, dies aber folgenlos für seine Handlungen bleibt, kann nach meiner Vorstellung nicht verantwortlich sein.

OK, da haben wir einen weiteren effektiven Unterschied zwischen unseren Ansichten. Scheinbar siehst Du Verantwortung sogar NUR als auf die Vergangenheit bezogen. Nach Deiner Argumentation wäre jemand nicht mal für einen mißglückten Mordversuch verantwortlich, solange das Mißglücken hinreichend nah an seinem eigenen Körper stattfindet. Mißglückt ihm gar schon der Entschluß zum Mord, etwa weil er zu ängstlich ist, wäre er gänzlich schuldfrei.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... wenn ich von jemandem etwas erwarte, wenn ich also Forderungen an ihn stelle, bestimmte Dinge zu tun und bestimmte Dinge nicht zu tun, dann sind das für mich moralische Forderungen. Was auch sonst? Wenn ich also zum Beispiel von jemandem erwarte, dass er mich nicht beleidigt und ich ihm das sage, dann habe ich eine moralische Forderung gestellt.

Interessanter Punkt, den ich anders sehe: "Moralisch" nennen wir eine Erwartung dann, wenn es sich auf ein von der Allgemeinheit erwünschtes Verhalten eines Einzelnen bezieht.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wieso also sollten "echte Möglichkeiten" für Vorwerfbarkeit unabdingbar sein?

"Vorwerfen" kann man auch ohne echte Möglichkeiten, wenns denn was hilft.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Was hatten wir bisher:

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AgentProvocateur
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Beiträge: 7851
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Beitrag(#989837) Verfasst am: 28.04.2008, 18:21    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Jetzt verstehe ich erst, was Du eigentlich unter "Verantwortung" verstehst: Du meinst eine Erwartungshaltung / ein Vertrauen im Voraus.

Genau. Natürlich kann man auch in bezug auf die Vergangenheit feststellen, daß jemand der ihm übertragenen Verantwortung nicht grecht geworden ist (das in ihn gesetzte Vertauen nicht erfüllt hat), und man kann daraus auch Konsequenzen ableiten, z.B. den Entzug von Vertrauen (die ABerkennung von Rechten / Pflichten).

Hm, oben hattest Du das aber anders gesagt: "für mich ist Verantwortung immer nur [...] auf die Zukunft bezogen"

So gesagt sehe ich jetzt wieder nicht den Unterschied zu meinem Verantwortungsbegriff.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Du hast wohl zurecht darauf hingewiesen, daß die meisten Leute unter Verantwortung mehr verstehen, nämlich Schuld- und Straffähigkeit.

Ja. Genauer gesagt: dieses Verständnis ist die Grundlage für die Legitimation des Staates, in grundlegende Freiheitsrechte des Bürgers einzugreifen. Eine andere Legitimation für einen (vergleichbaren) Eingriff wird sehr schwierig zu begründen sein.

Wenn Rechtebeschneidung aufgrund eines Sühnebegriffs legitim, aufgrund einer Prävention dagegen nicht legitim ist, dann müßte eine umso wasserdichtere Begründung für die Annahme davor angegeben werden, wie nämlich unser heutiges wissenschaftliches Verständnis der Welt zu einem Schuld- und Sühnebegriff führt. In diesem Punkt leugnest Du aber Deine Begründungspflicht, wie Dir kolja schon mehrfach zu erklären versucht hat.

Mit dem Begriff "Sühne" kann ich nichts anfangen.

Dafür etwas mit dem Begriff "Schuld" (= Vorwerfbarkeit einer wissentlichen und absichtlichen Normverletzung).

Ich halte diesen Begriff für sinnvoll und für nützlich und zwar genau deswegen, weil er ein begrenzender ist ("Keine Strafe ohne Schuld").

Solange jemand meinen sollte, das Wort sei überholt und ein anderes Wort dafür einführen will, das genau dasselbe leistet, dann ist mir das egal.

Wenn aber jemand meinen sollte, man könne es ersatzlos streichen und zusätzlich meinen sollte, ein Schutz der Gesellschaft sei schon Legitimation genug dafür, irgendwelche Zwangsmaßnahmen durchzuführen, die heute als nicht legitim angesehen werden, (nämlich gegen Unschuldige), dann will ich eine hieb- und stichfeste Begründung dafür, warum der Begriff wissenschaftlichen Erkenntnissen widersprechen sollte. Und eine solche sehe ich bisher nicht.

Und ich halte es wirklich für vollkommen absurd, mir hier permanent eine alleinige Begründungspflicht unterschieben zu wollen. Eure Meinung ist von Vorneherein und solange richtig, bis es mir gelungen ist, sie zu widerlegen? Das kann ja wohl echt nicht wahr sein.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Nehmen wir uns nochmal Punkt 3 vor:

Harter Inkompatibilist hat folgendes geschrieben:
[...]
3. If an act is the result of processes that trace back to factors beyond the agent’s control, then the agent does not deserve blame or praise for that act. (The Transfer of Non-Responsibility (TNR) Principle.)
[...]


Wie genau würdest Du nun, auf Schuld bezogen, diesen Punkt formulieren wollen?

... then the agent does not derserve blame or praise just because of this act. Blame, praise and any more restrictive actions have to be justified by the expectation that this will change further acts towards a common norm.

Hm, hm, hm. Wo ist die Begrenzung hier? Was ist mit des "agent's control"? Inwiefern spielt die eine Rolle? Nur weil etwas nützlich ist, ist es noch lange nicht legitim.

Auf der anderen Seite: selbstverständlich dürfen Zwangsmaßnahmen nur dann durchgeführt werden, wenn diese einen Zweck haben. Nur aus Sühnegründen zu bestrafen, halte ich nicht für legitim. Ich weiß zwar, dass kolja mir oben unterstellt hat, ich würde das doch tun, aber das stimmt schlicht nicht.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Jemand, der nur Präferenzen hat und/oder nur bewerten kann, dies aber folgenlos für seine Handlungen bleibt, kann nach meiner Vorstellung nicht verantwortlich sein.

OK, da haben wir einen weiteren effektiven Unterschied zwischen unseren Ansichten. Scheinbar siehst Du Verantwortung sogar NUR als auf die Vergangenheit bezogen.

Nur scheinbar. Sehe auch nicht, wieso Du das da rausliest.

Was ich meinte: jemand, der nur irgendwelche Präferenzen oder irgendwelche Bewertungen hat, diese aber prinzipiell nicht umsetzen kann, wenn dies also nur auswirkungslose Gedanken wären, die er nicht in Handlungen umsetzen könnte, kann mE nicht verantwortlich sein / seine Handlungen können ihm nicht vorgeworfen werden.

step hat folgendes geschrieben:
Nach Deiner Argumentation wäre jemand nicht mal für einen mißglückten Mordversuch verantwortlich, solange das Mißglücken hinreichend nah an seinem eigenen Körper stattfindet. Mißglückt ihm gar schon der Entschluß zum Mord, etwa weil er zu ängstlich ist, wäre er gänzlich schuldfrei.

Natürlich halte ich jemand verantwortlich für einen von ihm versuchten missglückten Mordversuch.

Allerdings: (weiß nicht, ob ich hier nicht etwas falsch verstehe) - Gedanken halte ich prinzipiell nicht für Verbrechen, egal, was für Gedanken das sind.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... wenn ich von jemandem etwas erwarte, wenn ich also Forderungen an ihn stelle, bestimmte Dinge zu tun und bestimmte Dinge nicht zu tun, dann sind das für mich moralische Forderungen. Was auch sonst? Wenn ich also zum Beispiel von jemandem erwarte, dass er mich nicht beleidigt und ich ihm das sage, dann habe ich eine moralische Forderung gestellt.

Interessanter Punkt, den ich anders sehe: "Moralisch" nennen wir eine Erwartung dann, wenn es sich auf ein von der Allgemeinheit erwünschtes Verhalten eines Einzelnen bezieht.

Ja, das ist auch eine moralische Forderung.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wieso also sollten "echte Möglichkeiten" für Vorwerfbarkeit unabdingbar sein?

"Vorwerfen" kann man auch ohne echte Möglichkeiten, wenns denn was hilft.

Dann sind wir aber sofort bei meinem Begriff der Schuld, auch wenn man das dann nicht mehr Schuld nennt, sondern XY, das ändert an der Bedeutung nichts.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Was hatten wir bisher:

- Schopenhauer sieht das so -> kein Argument
- viele (die meisten) Leute sehen das so -> kein Argument
- viele Strafrechtsprofessoren sehen das so -> kein Argument
- Kompatibilisten sind verkappte Neo-Theologen -> kein Argument
- "echte Möglichkeiten" sind einfach so Voraussetzung -> kein Argument

- ohne echte Möglichkeiten keine echte Wahl und ohne echte Wahl keine echte Schuld

Ziemlich viel "echt" dabei. Wofür sollte eine "echte Schuld" eine Rolle spielen? Sind das nicht nur Definitionen? Wo ist das Argument?

step hat folgendes geschrieben:
- ohne Nutzen keine Sanktion

Ja, wie gesagt, das sehe ich zwar auch so, allerdings halte ich auch das nicht für eine Argumentation.
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Skeptiker
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Beitrag(#989847) Verfasst am: 28.04.2008, 18:37    Titel: "Moralisch" nennen wir eine Erwartung dann, wenn ... Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
"Moralisch" nennen wir eine Erwartung dann, wenn es sich auf ein von der Allgemeinheit erwünschtes Verhalten eines Einzelnen bezieht.


Egal, worin die Erwartung besteht? Nur weil sie von der "Allgemeinheit" kommt?

So weit ich weiß, zeichnen sich moralische Forderungen dadurch aus, dass sie einen moralischen Inhalt haben. Außerdem können sie auch vom Einzelnen an die "Allgemeinheit" - will sagen z.B. an den Staat - gestellt werden.

Es sei denn, du bist nichts, dein Volk ist alles.

Wenn irgendeine faschistisch verhetzte "Allgemeinheit" an den Einzelnen eine Erwartung hat, dann sollte man das wohl eher das Gegenteil von "moralisch" nennen.

Also step, so ein Blödsinn, was Du da schreibst.

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Agnost
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Beitrag(#989849) Verfasst am: 28.04.2008, 18:38    Titel: Antworten mit Zitat

Agnostiker hat folgendes geschrieben:
C00KIE hat folgendes geschrieben:
den "Skibindungshansl"
ich habe nicht die allergeringste Ahnung was er mit seiner Textilbremse meint:
in einer steilen Buckelpiste "fühlst" du nicht ob die Bindung aufgeht oder nicht
b.z.w. bist da schon längst gflogen before du es mitkriegst, ausser du fährst wie eine Schnecke
Also Agnost! Dann soll er antworten.

Trotzdem: Mit Textilbremse meint er seinen windschlüpfigen aber schneereibenden Skianzug, den er an hat und dessen Textilbestandteile bei einem Sturz bremsen sollen. Als Alternative sieht er sich (wahrscheinlich nur in seiner Phantasie) als einbeinigen Skihelden, der mit geistiger Blitzreaktion (von der Grosshirnrinde bewusst gesteuert) elegant aus der Affäre zieht. Und zusätzlich behauptet er, dass er Zeit habe bewusst zu entscheiden (also wiederum per Grosshirnlappen), welche der Varianten er wählen will. Also aus bewusstem freien Willen! Darüber hinaus setzt er dieses Beispiel ein, um Bieris "beschränkt freien Willen" zu beweisen - oder mindesten zu illustrieren - und darüber hinaus noch viele weltbeflügelnde Spekulationen...

Da ist Deine Beschreibung der Sachlage (als erfahrene Skifahrerin auf der Streif) wohl realistischer!


Ach ne der Agnostiker will jetzt doch irgendwie aber doch nicht so ganz richtig drauf eingehen.

Die Textilbremse, ist der freiwillig gewählte Sturz, wenn die Bindung aufspringt.

Und ob man nun, die Erfahrung auf der Lagalp im Engadin (War auch mal eine Weltcuppiste, oder auf der Streif im Tirol sammelt spielt keine Rolle).
Ihr müsst mir beweisen können, warum ich, nachdem mir die Skibindung aufspringt, nicht zwischen "freiwilligem Absitzen, vulgo Textilbremse" oder dem Schwung ausfahren auf einem Ski wählen kann.

Wenn Agnostikers Hirn nicht schnell genug tickt um in solchen Situationen diese zwei Handlungsoptionen zu erkennen, dann ist das sein Problem, er sollte aber nicht von sich auf andere Schliessen.

Es liessen sich auch Problemlos Beispiele aus dem Tennis, Badminton, Fussball oder generell dem Sport finden, die aufzeigen, dass der Mensch zwischen zwei oder mehr möglichen Handlungsalternativen "auswählen" kann, ohne dass ihm sein Hirn schon 7 Sekunden vorher durchfunkt was er tun werde, was er noch gar nicht wissen kann.

Agnostiker, es hat etwas rührendes, wenn du jetzt plötzlich versuchst, eine eigenen Beschreibung der Textilbremse einzufürhren, nachdem über mehrere Seiten genau gewusst hattest, was gemeint war.

Wer wirklich glaubt, dass Sport auf der Reaktionsebene nur mit dem Kleinhirn betrieben wird, der soll harte Fakten und kein metaphysisches Geschwurbel bringen.
Schwätzen kann ich selber, Agnostiker.

Agnost
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Beitrag(#989857) Verfasst am: 28.04.2008, 18:47    Titel: Antworten mit Zitat

C00KIE hat folgendes geschrieben:
ach so war das gemeint, na da braucht er nicht unbedingt zu antworten

.... klingt irgendwie so ähnlich wie "du brauchst einen Stahlsattel und vorn und hinten eine Federung am Mountain-Bike, damit du dir in der Stadt keinen Wolf am Arsch reibst "

Mr. Green

aber wie immer:" Des Menschen Wille sei sein Himmelreich "
so ähnlich


Agnostiker, hat dich schlicht und einfach belogen, er weiss ganz genau, dass mit Textilbremse, das "freiwillige Absitzen in den Schnee" gemeint war.

Und wenn du selbst skifährst ist dir der Begriff sicher auch schon untergekommen.

Solltest du nicht wissen, wie man sich in einer heiklen Situation rettet, indem man rechtzeitig und einigermassen in den Schnee beisst, rate ich dir, dass unbedingt in deine skifahrerisches Repertoire aufzunehmen.
Es erhöht deine Sicherheit massiv und gibt dir eben in sehr vielen Situationen eine Handlungsalternative zu gefährlicheren Manövern.

Weisst du also wie man sich relativ sicher in den Schnee setzt, kannst du auch schmerzhaften knochenbrecherischen Zusammenstössen mit anderen Skifahrern ausweichen.

Weiss Cookie nun was eine Textilbremse ist?
Oder hat sie wie Agnostiker aus einfach durchschaubaren polemischen Gründen nur einen auf dumm gemacht?

Agnost
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Beitrag(#989862) Verfasst am: 28.04.2008, 18:58    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Agnost hat folgendes geschrieben:
Meinst du im Ernst, ein Bieri würde mehre hundert Seiten zum "bedingt Freien Willen" abdrücken, wenn er damit nur einen Euphemismus für "vollständig determinierten Willen" meinen würde.

Bieri schreibt hier dies, dort das, er widerspricht sich zuweilen selbst. Und ja, ich meine, er würde das tun. Das Problem treibt ihn um und er möchte unbedingt eine kompatibilisitische Lösung finden, die ihn ruhig schlafen läßt. Schau nur mal, wie viele Seiten ein Thomas von Aquin geschrieben hat, oder wie Kant sich gewunden hat, um trotz all der Aufklärung noch eine göttliche Moral zu retten.


Du bestehst also nicht mehr darauf, dass Bieri mit dem "bedingt Freien Willen" nur ein anderes Wort für "streng Determinierten Willen" geschaffen hat.

Für dich ist er einfach nur so ein verblendetes Schwätzerlein?

Du aber hältst deine exotische Topographie kurz nach dem Urknall nicht für einen Trick, damit du die metaphysische Basis deines Glaubens kaschieren kannst?

Wirklich, man sollte anderen keine Metaphysik vorwerfen, wenn man selbst bis zur Oberkannte Unterlippe drin steckt.

Agnost
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Beitrag(#989870) Verfasst am: 28.04.2008, 19:16    Titel: Antworten mit Zitat

Agnost hat folgendes geschrieben:
Du bestehst also nicht mehr darauf, dass Bieri mit dem "bedingt Freien Willen" nur ein anderes Wort für "streng Determinierten Willen" geschaffen hat.

Bieri hat "bedingt freier Wille" u.a. auch schon in diesem Sinne gebraucht. Letztlich habe ich aber nicht mit Bieri argumentiert, sondern die wikipedia-Definition von "bedingt Freier Wille" verwendet, die auch bei modernen Kompatibilisten weit verbreitet ist.
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Beitrag(#989880) Verfasst am: 28.04.2008, 19:27    Titel: Re: "Moralisch" nennen wir eine Erwartung dann, wenn ... Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
"Moralisch" nennen wir eine Erwartung dann, wenn es sich auf ein von der Allgemeinheit erwünschtes Verhalten eines Einzelnen bezieht.
Egal, worin die Erwartung besteht? Nur weil sie von der "Allgemeinheit" kommt?

Ja. "Moralisch gut" trifft es vielleicht besser. So galt das Töten von Ungläubigen in bestimmten Kulturkreisen als moralisch gut. Ebenso Vergewaltigung oder die Todesstrafe. Umgekehrt galt bis vor kurzem z.B. "Gottesleugnung" oder Demokratie bei uns als moralisch schlecht (böse).

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Wenn irgendeine faschistisch verhetzte "Allgemeinheit" an den Einzelnen eine Erwartung hat, dann sollte man das wohl eher das Gegenteil von "moralisch" nennen.

Du sagst "sollte", weil Du von einer Erziehung geprägt bist, gegen deren Werte eine solche faschistische Forderung verstößt. Oder Du bist selbst so erzogen, z.B. als kleiner Hitlerjunge. Je nachdem findest Du es moralisch gut oder böse.
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kolja
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Beitrag(#989896) Verfasst am: 28.04.2008, 19:37    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Und ich halte es wirklich für vollkommen absurd, mir hier permanent eine alleinige Begründungspflicht unterschieben zu wollen. Eure Meinung ist von Vorneherein und solange richtig, bis es mir gelungen ist, sie zu widerlegen? Das kann ja wohl echt nicht wahr sein.

Du hast mich nicht verstanden. Jeder, der normative Setzungen vorschlägt, muss diese begründen. Auch wenn Du meine Begründungen für meine Setzungen ablehnst, musst Du Deine Setzungen trotzdem begründen.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Auf der anderen Seite: selbstverständlich dürfen Zwangsmaßnahmen nur dann durchgeführt werden, wenn diese einen Zweck haben. Nur aus Sühnegründen zu bestrafen, halte ich nicht für legitim. Ich weiß zwar, dass kolja mir oben unterstellt hat, ich würde das doch tun, aber das stimmt schlicht nicht.

Es gab da eine Diskussion, in der es um die Festlegung des Strafmaßes ging, da hast Du selber eingeräumt, dass man ganz ohne den Vergeltungs-Gedanken nicht auskommt.
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PataPata
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Beitrag(#989935) Verfasst am: 28.04.2008, 20:13    Titel: Antworten mit Zitat

Agnost hat folgendes geschrieben:
Schwätzen kann ich selber, Agnostiker.
Und das ausgiebig! Ich geb's auf, Du bist total unmöglich...
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Agnost
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Beitrag(#989957) Verfasst am: 28.04.2008, 20:26    Titel: Antworten mit Zitat

Agnostiker hat folgendes geschrieben:
Agnost hat folgendes geschrieben:
Schwätzen kann ich selber, Agnostiker.
Und das ausgiebig! Ich geb's auf, Du bist total unmöglich...


Das sei dir unbenommen, niemand zwingt dir hier was auf,
Diese Freiheit kann dir niemand nehmen.

Und Tschüss,

Agnost
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Agnost
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Beitrag(#990001) Verfasst am: 28.04.2008, 20:50    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Agnost hat folgendes geschrieben:
Du bestehst also nicht mehr darauf, dass Bieri mit dem "bedingt Freien Willen" nur ein anderes Wort für "streng Determinierten Willen" geschaffen hat.

Bieri hat "bedingt freier Wille" u.a. auch schon in diesem Sinne gebraucht. Letztlich habe ich aber nicht mit Bieri argumentiert, sondern die wikipedia-Definition von "bedingt Freier Wille" verwendet, die auch bei modernen Kompatibilisten weit verbreitet ist.


Wie ich schon mal geschrieben habe:

Auch ich zitiere Wikipedia, weil es aus Copyrighttechnischen Gründen einfach ist. Ich gestehe Wikipedia trotzdem keine Beweiskraft zu.

Du weisst nicht, wer die Definition von "bedingt Freier Wille" verfasst hat.
Ich lehne sie ab.
Und sie deckt sich auch nicht mit Bieris Vorstellung von "bedingt Freiem Willen".

Und du kannst sicher verstehen, dass ich mich darum auf Bieri abstütze, der sich immerhin die Mühe gegeben hat, darüber nicht nur ein Buch zu schreiben.

Immer noch komisch finde ich, dass auch du wie Heiner glaubst, man müsse verkappter Theist sein, wenn man den "bedingt Freien Willen" postuliert.

Der Islam kommt gänzlich ohne "Freien Willen" der Menschen aus.

Allah hat alle Menschen "determiniert".

Das selbe gilt für den Gott der Calvinisten.

Ich weiss ja nicht, was dich zwingt, immer die Religiöse Dimension ins Spiel zu bringen, aber du kennst doch den alten Spruch der Mystiker:

"Gott ist in allen Dingen oder er ist nicht".

Nach dieser Gottesdefinition könnte deine imanente physikalische Determiniertheit sehr wohl göttlichen Ursprungs sein. Du wärst dann hyperkomplex intelligent designed.

Da ich weiss, dass mir die Kenntnisse fehlen, einer physikalischen Formeldiskussion angemessen zu folgen, hoffe ich, dass jemand anders die entsprechend herausfordert und kollegial "überprüft".


Aber ich stelle dir gerne eine Frage:

Wenn du einigen Postings zum Themenkomplex Verantwortung in diesem Thread antönst, dass "Verantwortung" im Sinne einer generalisierten Erwartungshaltung einer Gesellschaft an ein einzelnes "unterrichtetes" "Mitglied" Sinn macht und auch antönst, dass durch entsprechende Sanktion oder Erziehung die Determination dieses einzelnen geändert werden kann, dann wundere ich mich warum dies die "strenge Determination" zulässt.
Unter welchen physikalischen Bedingungen werden die Wellenfunktionen dieses "Einzelnen" an die Wellenfunktionen der "Gesellschaft" harmonisiert.

Muss man sich das wie das "Einbrechen" (Zureiten) eines jungen Pferdes vorstellen?

Agnost
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Mad Magic
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Beitrag(#990045) Verfasst am: 28.04.2008, 21:20    Titel: Antworten mit Zitat

Wolf hat folgendes geschrieben:
Mad Magic hat folgendes geschrieben:
Sorry, aber ich dachte Du könntest dem folgen. Wir haben doch in der Tat zahlreiche strafmildernde Umstände? Eine "Tat im Affekt" ist doch "einigermaßen willenlos"?
Dann gibt es ja auch etliche andere Psychotaten..., nun ja jedenfalls meinte ich das Schuldprinzip sei einigermaßen sinnvoll differenziert Mit den Augen rollen

Du konntest mir nicht folgen.

Möglich, dass ich mich nicht so eloquent ausdrücken kann, wie viele andere hier und Du mich deshalb missverstanden hast, meine "Schuld" zwinkern dann.
Wobei konnte ich Dir nicht folgen?
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step
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Beitrag(#990051) Verfasst am: 28.04.2008, 21:24    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Und ich halte es wirklich für vollkommen absurd, mir hier permanent eine alleinige Begründungspflicht unterschieben zu wollen.

1. "Wir" müssen begründen, warum der Wille entgegen der Intuition nicht frei ist, sondern komplett kausal. Das ist eine rein naturwissenschaftliche Angelegenheit, in der philosophisches Geschwurbel fehl am Platze ist.

2. Als kritische Rationalisten und aufgeklärte Denker sind wir uns hoffentlich einig, daß Sanktionen methodisch auf nachvollziehbare Ziele zurückführbar sein müssen, d.h. wir alle müssen Ziele vorschlagen und zeigen, daß mit diesen Sanktionen diese Ziele erreicht werden. Wenn Du also "unser" Ziel der Prävention nicht teilst oder es Dir nicht ausreicht, mußt Du ein anderes angeben, z.B. "Rachedurst", und zeigen, daß es durch Sanktionen erfüllt würde.

Du mußt also begründen, welchen Sinn / Nutzen vergeltende Strafe nach vollständig kausalem Fehlverhalten hat.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Nur weil etwas nützlich ist, ist es noch lange nicht legitim.

Etwas gilt als legitim, wenn es von der Gemeinschaft der ethischen Subjekte als legitim angesehen wird. Je nach Aufklärungsstand kann das auf unreflektierten biologischen, kulturell tradierten oder aber utilitaristisch reflektierten Überzeugungen basieren.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Auf der anderen Seite: selbstverständlich dürfen Zwangsmaßnahmen nur dann durchgeführt werden, wenn diese einen Zweck haben.

Das habe ich früher bei Dir anders verstanden. Wie ernst Du das meinst, können wir ja leicht überprüfen: Was außer dem erwarteten Präventionsnutzen darf Deiner Ansicht nach in das Strafmaß einfließen?

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Nach Deiner Argumentation wäre jemand nicht mal für einen mißglückten Mordversuch verantwortlich, solange das Mißglücken hinreichend nah an seinem eigenen Körper stattfindet. Mißglückt ihm gar schon der Entschluß zum Mord, etwa weil er zu ängstlich ist, wäre er gänzlich schuldfrei.
Natürlich halte ich jemand verantwortlich für einen von ihm versuchten missglückten Mordversuch. Allerdings: (weiß nicht, ob ich hier nicht etwas falsch verstehe) - Gedanken halte ich prinzipiell nicht für Verbrechen, egal, was für Gedanken das sind.

Wo ziehst Du die Grenze? Ist er für den mißglückten Mordversuch verantwortlich, aber nicht schuldig?

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wieso also sollten "echte Möglichkeiten" für Vorwerfbarkeit unabdingbar sein?
"Vorwerfen" kann man auch ohne echte Möglichkeiten, wenns denn was hilft.
Dann sind wir aber sofort bei meinem Begriff der Schuld, auch wenn man das dann nicht mehr Schuld nennt, sondern XY, das ändert an der Bedeutung nichts.

Nö, Dein Begriff der Schuld beinhaltet ja zusätzlich noch die (bisher unbegründete) Legitimation vergeltender Strafe. Das "Vorwerfen" wird in meinem Modell nicht nach Fehlverhalten, sondern nur nach Präventivnutzen angewandt.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
- ohne echte Möglichkeiten keine echte Wahl und ohne echte Wahl keine echte Schuld
Ziemlich viel "echt" dabei.

Ja, um nicht wieder irgendwelche Begriffsverdrehereien zuzulassen.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wofür sollte eine "echte Schuld" eine Rolle spielen?

Für die Legitimation echter Strafe.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
- ohne Nutzen keine Sanktion
Ja, wie gesagt, das sehe ich zwar auch so, allerdings halte ich auch das nicht für eine Argumentation.

Nochmal zur Sicherheit, weil ich Dich bisher immer anders verstand: Heißt das, eine sagen wir langjährige Haftstrafe ist dE illegitim, wenn sie nicht einen der Maßnahme angemessenen Nutzen hat?
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Heiner
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Beitrag(#990077) Verfasst am: 28.04.2008, 21:48    Titel: Antworten mit Zitat

Agnost hat folgendes geschrieben:


Und genau um dieses "ganz" dreht sich das "Handwerk der Freiheit".

Unerträglich wäre für Bieri der Total-Indeterminierte aber auch der Total-Determinierte Mensch.



Nun ja, du hast den Bieri gelesen, du musst es ja wissen.
Wenn Bieri auch die Meinung vertritt, dass der Wille "irgendwie", "so ein bisschen halt" determiniert ist, "aber doch nicht so ganz", dann schreibt er halt Blödsinn.

Darf man fragen, wie das in Prozentverhältnissen aussieht? Ist der Wille zu 20 Prozent determiniert und zu 80 Prozent nicht determiniert? Oder 50 - 50? Oder 70 - 30?
Was glaubst denn du?
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step
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Beitrag(#990115) Verfasst am: 28.04.2008, 22:03    Titel: Antworten mit Zitat

Agnost hat folgendes geschrieben:
Immer noch komisch finde ich, dass auch du wie Heiner glaubst, man müsse verkappter Theist sein, wenn man den "bedingt Freien Willen" postuliert.

Kannst Du belegen, daß ich diese Behauptung aufgestellt habe?

Agnost hat folgendes geschrieben:
Wenn du einigen Postings zum Themenkomplex Verantwortung in diesem Thread antönst, dass "Verantwortung" im Sinne einer generalisierten Erwartungshaltung einer Gesellschaft an ein einzelnes "unterrichtetes" "Mitglied" Sinn macht und auch antönst, dass durch entsprechende Sanktion oder Erziehung die Determination dieses einzelnen geändert werden kann, dann wundere ich mich warum dies die "strenge Determination" zulässt ...

Warum sollte die strenge Determination keine Erziehung zulassen? Determination besagt ja nicht, daß Dein Verhalten auf ewig gleich bleibt, sondern daß Erziehung und Verhalten den Naturgesetzen folgt. Tiere, ja sogar Pflanzen lernen auch, passen sich an usw.
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AgentProvocateur
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Beitrag(#990125) Verfasst am: 28.04.2008, 22:07    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Und ich halte es wirklich für vollkommen absurd, mir hier permanent eine alleinige Begründungspflicht unterschieben zu wollen.

1. "Wir" müssen begründen, warum der Wille entgegen der Intuition nicht frei ist, sondern komplett kausal. Das ist eine rein naturwissenschaftliche Angelegenheit, in der philosophisches Geschwurbel fehl am Platze ist.

Ja, klar, jeder der nicht Deine Meinung teilt, schwurbelt automatisch.

Du hast hier einen Gegensatz als selbstverständlich hingestellt, nämlich "komplett kausal" vs. "Freiheit". Dieser Gegensatz ist aber mMn mitnichten selbstverständlich, das ist lediglich eine Definition, eine Behauptung von Dir und sonst nichts. Diese Definition ist aber nun mal erklärungs- und begründungsbedürftig, da beißt die Maus keinen Faden ab, auch wenn Du das anders siehst. Du könntest wenigstens mal in Ansätzen akzeptieren, dass ich diesen Gegensatz so nicht sehe, immer noch auf Argumente dafür hoffe und nicht einfach nur behaupten, er sei eine naturwissenschaftliche Tatsache und jeder, der das anders sähe, sein ein "philosophischer Schwurbler". Das wäre wirklich ganz entzückend.

step hat folgendes geschrieben:
2. Als kritische Rationalisten und aufgeklärte Denker sind wir uns hoffentlich einig, daß Sanktionen methodisch auf nachvollziehbare Ziele zurückführbar sein müssen, d.h. wir alle müssen Ziele vorschlagen und zeigen, daß mit diesen Sanktionen diese Ziele erreicht werden. Wenn Du also "unser" Ziel der Prävention nicht teilst oder es Dir nicht ausreicht, mußt Du ein anderes angeben, z.B. "Rachedurst", und zeigen, daß es durch Sanktionen erfüllt würde.

Mein Ziel ist eine freie Gesellschaft mit so wenig Zwangsmaßnahmen, wie es nur immer möglich ist und so vielen, wie es absolut nötig ist und zwar mit exakten, vorab festgelegten Kriterien, nach denen man sich richten kann. Das widerspricht Deinem Ziel der reinen Prävention, denn das ist mir viel zu schwammig. Ich meine also, dass bei einer angedachten Einschränkung der Freiheitsrechte verdammt gute Begründungen gegeben werden müssen und auch genaue Kriterien angegeben werden müssen, in welchen Fällen genau Freiheitseinschränkungen in welcher Form genau zulässig sein sollen. Diese Kriterien können dabei auf keinen Fall irgendwelchen Experten überlassen werden, die sie ad hoc treffen und deren Überlegungen und Erkenntnisse man nicht nachvollziehen kann. Das würde mE direkt in einen totalitären Staat führen und das ist nicht mein Ziel.

step hat folgendes geschrieben:
Du mußt also begründen, welchen Sinn / Nutzen vergeltende Strafe nach vollständig kausalem Fehlverhalten hat.

Eine Strafe muss mMn auch die positive Generalprävention berücksichtigen, d.h. sie muss vergleichbar zu ähnlichen Fällen sein. Jemand sollte unter vergleichbaren Umständen also nicht härter bestraft werden als jemand anderes, der eine vergleichbare Tat begangen hat (also zum Beispiel deswegen, weil er weniger reich ist als der andere und man deswegen von einer ungünstigeren Sozialprognose ausgeht). Sonst besteht unmittelbar die Gefahr der Willkür. Außerdem finde ich es sinnvoll, das Strafmaß nach Schwere der Tat zu differenzieren und nicht lediglich nach Einsichtsfähigkeit des Täters oder seiner Zukunftsprognose.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Auf der anderen Seite: selbstverständlich dürfen Zwangsmaßnahmen nur dann durchgeführt werden, wenn diese einen Zweck haben.

Das habe ich früher bei Dir anders verstanden. Wie ernst Du das meinst, können wir ja leicht überprüfen: Was außer dem erwarteten Präventionsnutzen darf Deiner Ansicht nach in das Strafmaß einfließen?

s.o.

Wobei noch fraglich ist, was überhaupt ein Präventionsnutzen ist und wie man ihn misst.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Nach Deiner Argumentation wäre jemand nicht mal für einen mißglückten Mordversuch verantwortlich, solange das Mißglücken hinreichend nah an seinem eigenen Körper stattfindet. Mißglückt ihm gar schon der Entschluß zum Mord, etwa weil er zu ängstlich ist, wäre er gänzlich schuldfrei.

Natürlich halte ich jemand verantwortlich für einen von ihm versuchten missglückten Mordversuch. Allerdings: (weiß nicht, ob ich hier nicht etwas falsch verstehe) - Gedanken halte ich prinzipiell nicht für Verbrechen, egal, was für Gedanken das sind.

Wo ziehst Du die Grenze? Ist er für den mißglückten Mordversuch verantwortlich, aber nicht schuldig?

Die Grenze ziehe ich hier ganz pragmatisch. Wenn man jemandem einen Mordversuch nachweisen kann, dann ist er schuldig. Wenn nicht, dann nicht.

Um die beiden Extreme zu nennen: a) jemand zielt mit einem Gewehr auf einen anderen und drückt ab. Das Gewehr hat Ladehemmung -> Mordversuch. b) Jemand tötet in Gedanken seinen Nachbarn -> kein Mordversuch (und meiner Meinung nach auch nicht vorwerfbar - in Gedanken darf mMn jeder tun, was immer er will, Gedanken sind aus meiner Sicht niemals moralisch verwerflich)

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wieso also sollten "echte Möglichkeiten" für Vorwerfbarkeit unabdingbar sein?
"Vorwerfen" kann man auch ohne echte Möglichkeiten, wenns denn was hilft.
Dann sind wir aber sofort bei meinem Begriff der Schuld, auch wenn man das dann nicht mehr Schuld nennt, sondern XY, das ändert an der Bedeutung nichts.

Nö, Dein Begriff der Schuld beinhaltet ja zusätzlich noch die (bisher unbegründete) Legitimation vergeltender Strafe. Das "Vorwerfen" wird in meinem Modell nicht nach Fehlverhalten, sondern nur nach Präventivnutzen angewandt.

Ja. Was aber nun mal bedeutet, dass Dir dann die Legitimation für diesen Vorwurf fehlt. Man kann mMn nicht irgend jemandem irgend etwas vorwerfen, nur weil die Gesellschaft das vielleicht gerade als irgendwie nützlich ansieht.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
- ohne echte Möglichkeiten keine echte Wahl und ohne echte Wahl keine echte Schuld
Ziemlich viel "echt" dabei.

Ja, um nicht wieder irgendwelche Begriffsverdrehereien zuzulassen.

Du bist lustig. Was soll denn "echte Schuld" überhaupt sein? Und wieso sollte ausgerechnet Deine Definition die Ausschlaggebende in dieser Diskussion sein? Das klingt reichlich vermessen, muss ich sagen.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wofür sollte eine "echte Schuld" eine Rolle spielen?

Für die Legitimation echter Strafe.

Aha. Das ist natürlich jetzt ungemein hilfreich.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
- ohne Nutzen keine Sanktion
Ja, wie gesagt, das sehe ich zwar auch so, allerdings halte ich auch das nicht für eine Argumentation.

Nochmal zur Sicherheit, weil ich Dich bisher immer anders verstand: Heißt das, eine sagen wir langjährige Haftstrafe ist dE illegitim, wenn sie nicht einen der Maßnahme angemessenen Nutzen hat?

Ja, sicher.

Wobei wir sicherlich aber so schnell keine Einigung darüber erzielen können, was genau dieser Nutzen ist und wie man ihn im Vorfeld bestimmen kann.
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Heiner
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Beitrag(#990179) Verfasst am: 28.04.2008, 22:39    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Nein, sicher wirst Du das nicht sagen. Für Dich müsste das genauso zu bewerten sein wie ein Erbeben, eine Lawine und irgend eine andere Naturkatastrophe. Sicher wirst Du das nicht gut finden, genausowenig wie die Naturkatastrophe,


Hm, ja, bezogen auf die die konkrete Situation in gewisser Weise schon...

Zitat:
aber moralisch falsch kann eine Handlung eben nicht sein.

Nehmen wir ein Beispiel, an dem es vielleicht klarer wird: a) S beobachtet einen Verkehrsunfall, hilft aber nicht, sondern geht einfach ohne Reaktion weiter, b) in China gibt es einen Verkehrsunfall. S bekommt davon nichts mit und reagiert nicht.

Nach Ansicht eines harten Inkompatibilisten waren beide Reaktionen genau gleich notwendig und unabwendbar und jede, egal welche, andere Reaktion, prinzipiell unmöglich.


Ja, in der konkreten Situation ist das richtig.

Du machst allerdings den typischen Fehler, Determinismus mit Fatalismus gleichzusetzen. Das ist nicht zulässig. Fatalismus würde bedeuten, es als gegebene Tatsache hinzunehmen, dass eine Person, die bei einem Unfall gafft, das auch in Zukunft unverändert so tun wird.

Der Determinist sagt dergleichen nicht. Die ethische Norm, dass es besser ist zu helfen statt zu gaffen, macht auch ohne freien Willen Sinn, denn

"Helfen statt gaffen" liegt prinzipiell im Möglichkeitsbereich des menschlichen Handelns, wenn auch nicht zu jedem konkreten Zeitpunkt für alle Menschen.

Es macht also Sinn zu versuchen auf "Gaffer" so einzuwirken, dass sie in Zukunft vielleicht nicht mehr gaffen.

Nun zeigt die Realität, dass dies offenbar sehr schwierig ist. Moralische Appelle an den Willen helfen eben allein nicht aus, da der Wille nun mal nicht frei ist. Realistischerweise müsste man erst einmal die determinierenden Mechanismen, die Gaffer zum Gaffen veranlassen, zu erfassen versuchen.
Da könnte man dann mit neuen Determinierungen ansetzen (Beispiel: Möglicherweise ist weniger Schaulust als vielmehr Angst das determinierende Motiv, wie kann man diese Angst abbauen usw..., hier nur platt und skizzenhaft...)

Hier kann man auch sehen, wie unterschiedlich FW-Vertreter und Deterministen an ethische Probleme herangehen. Während sich FW-Vertreter noch mit moralischer Empörung und moralischen Appellen aufhalten und an einer konkreten Situation retrospektiv kleben bleiben, sind Deterministen schon dabei, ganz praktisch die Zukunft (!) ins Auge zu fassen und zu schauen, wie sich Verletzungen (allgemein akzeptierter) ethischer Normen präventiv vermeiden lassen.
Der Präventionsgedanke lässt sich übrigens mit der Annahme eines freien Willens gar nicht schlüssig vereinbaren, nebenbei bemerkt.



Zitat:

Und in meiner Sicht gibt es keineswegs eine Legitimation der Gesellschaft, Freiheitsrechte ihrer Bürger, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen, einzuschränken, zum Beispiel irgendwelche Therapien zwangsweise zu verordnen (was aber eh nicht funktioniert) oder andere Zwangsmaßnahmen (Freiheitsentzug, Gehirnoperationen oder dergl.) durchzuführen.


Da ich schon so viel geschrieben haben, enthalte ich mich zunächst weiterer Ausführungen hierzu.
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Agnost
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Beitrag(#990206) Verfasst am: 28.04.2008, 22:50    Titel: Antworten mit Zitat

Agent Provocateur,

Step hat seine Positionen über mehrere Threads zum Freien Willen dargelegt und nicht wesentlich geändert.

Genauso werde ich aufgrund seiner bisherigen Argumentation nicht von meiner Meinung abweichen, und ich denke (kann es aber nicht wissen) auch du wirst nicht wesentlich von deiner Meinung abweichen.

Ich bin das einzige Mal in eine "Freier Wille" Diskussion eingestiegen, erstens, weil ich Heiners Irrtum, dass der "Freie Wille" bei Menschen theistisch motiviert sei, problemlos widerlegen kann, zweitens, weil wir in unserem Leben in vielen Situationen vor Handlungsalternativen gestellt werden, die unser Hirn nicht 7 Sekunden vorher schon antizipieren kann.

Tatsache ist, dass Step nicht wirklich beweisen kann, das wir "Total Determiniert" sind. Wir können nicht beweisen, dass es anders ist.
Solange unsere Möglichkeiten unser Hirn zu "befragen" so primitv sind wie sie sind, ist der Disput nicht entscheidbar.
Es wird uns sicher nicht gelingen aus Step in diesem Thread einen Kompatibilisten oder Liebertären zu machen.

Die zweite Ebene, die Ebene der Moral und Busse ist theoretisch führbar.

Sind wir Total Determiniert sind Sanktionen (Haft, Geldbusse, Erziehung) nach utlitaristischen Gründen zu vollziehen.

Sind wir teilweise Frei in unseren Entscheidungen, spielt wie im heutigen vom "römischen Recht" abstammenden Recht auch die Intention der Handlung eine Rolle.

(Das "römische Recht" ist nicht zu verwechseln mit dem kanonischen Recht der römisch-katholischen Kirche. Das "römische Recht" ist viel älter als das Christentum.)

Agnost
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Wolf
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Beitrag(#990213) Verfasst am: 28.04.2008, 22:52    Titel: Antworten mit Zitat

Mad Magic hat folgendes geschrieben:
Wolf hat folgendes geschrieben:
Mad Magic hat folgendes geschrieben:
Sorry, aber ich dachte Du könntest dem folgen. Wir haben doch in der Tat zahlreiche strafmildernde Umstände? Eine "Tat im Affekt" ist doch "einigermaßen willenlos"?
Dann gibt es ja auch etliche andere Psychotaten..., nun ja jedenfalls meinte ich das Schuldprinzip sei einigermaßen sinnvoll differenziert Mit den Augen rollen

Du konntest mir nicht folgen.

Möglich, dass ich mich nicht so eloquent ausdrücken kann, wie viele andere hier und Du mich deshalb missverstanden hast, meine "Schuld" zwinkern dann.
Wobei konnte ich Dir nicht folgen?

Ich sprach nicht davon, dass das Schuldprinzip mehr Differentation bräuchte, sondern dass das ganze aufwackligen Boden steht.
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Beitrag(#990221) Verfasst am: 28.04.2008, 22:56    Titel: Antworten mit Zitat

Agnost hat folgendes geschrieben:
[...]
Tatsache ist, dass Step nicht wirklich beweisen kann, das wir "Total Determiniert" sind. Wir können nicht beweisen, dass es anders ist.[...]
Sind wir Total Determiniert sind Sanktionen (Haft, Geldbusse, Erziehung) nach utlitaristischen Gründen zu vollziehen.[...]
Agnost


Fein...
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Beitrag(#990225) Verfasst am: 28.04.2008, 22:57    Titel: Antworten mit Zitat

Wolf hat folgendes geschrieben:
Mad Magic hat folgendes geschrieben:
Wolf hat folgendes geschrieben:
Mad Magic hat folgendes geschrieben:
Sorry, aber ich dachte Du könntest dem folgen. Wir haben doch in der Tat zahlreiche strafmildernde Umstände? Eine "Tat im Affekt" ist doch "einigermaßen willenlos"?
Dann gibt es ja auch etliche andere Psychotaten..., nun ja jedenfalls meinte ich das Schuldprinzip sei einigermaßen sinnvoll differenziert Mit den Augen rollen

Du konntest mir nicht folgen.

Möglich, dass ich mich nicht so eloquent ausdrücken kann, wie viele andere hier und Du mich deshalb missverstanden hast, meine "Schuld" zwinkern dann.
Wobei konnte ich Dir nicht folgen?

Ich sprach nicht davon, dass das Schuldprinzip mehr Differentation bräuchte, sondern dass das ganze aufwackligen Boden steht.

Einverstanden!
Welche Alternativen hast Du zu dem wackligen Boden vorzuschlagen?
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Beitrag(#990230) Verfasst am: 28.04.2008, 23:00    Titel: Antworten mit Zitat

Mad Magic hat folgendes geschrieben:

Einverstanden!
Welche Alternativen hast Du zu dem wackligen Boden vorzuschlagen?

Ich verwerfe das Schuldprinzip. Biete also keinen neuen Boden an.
Allerdings gibt es andere Gründe an "Strafen" festzuhalten, in erster Linie wegen der Prävention. In zweiter Linie, hmm da fällt mir auf die Schnelle nix ein.
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Beitrag(#990258) Verfasst am: 28.04.2008, 23:20    Titel: Antworten mit Zitat

Wolf hat folgendes geschrieben:
Mad Magic hat folgendes geschrieben:

Einverstanden!
Welche Alternativen hast Du zu dem wackligen Boden vorzuschlagen?

Ich verwerfe das Schuldprinzip. Biete also keinen neuen Boden an.
Allerdings gibt es andere Gründe an "Strafen" festzuhalten, in erster Linie wegen der Prävention. In zweiter Linie, hmm da fällt mir auf die Schnelle nix ein.
Kein Schuldprinzip also, weil es keinen Freien Willen gibt oder er nicht sicher fest steht? Der Begriff "Strafe" ist damit Fehl am Platz. Aus Gründen der Prävention ist somit eine vorbeugende Maßnahme, die der Sicherungsverwahrung gleich kommt. Für Dich ist eine "Bestrafung" letztlich in jedem Fall falsch?
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