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Forscher widerlegen Willensfreiheit
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Skeptiker
"I can't breathe!"



Anmeldungsdatum: 14.01.2005
Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville

Beitrag(#991116) Verfasst am: 29.04.2008, 23:12    Titel: Determinismuslehre und Prävention im "Dritten Reich" Antworten mit Zitat

Heiner hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Heiner hat folgendes geschrieben:
Der Präventionsgedanke lässt sich übrigens mit der Annahme eines freien Willens gar nicht schlüssig vereinbaren, nebenbei bemerkt.


Zitat:
Aha. Wieso dieses?


Der Präventionsgedanke setzt voraus, dass ich Einfluss auf den Willen eines Menschen nehmen kann, indem ich Einfluss auf Faktoren nehme, die den Willen determinieren.

Bei der Kriminalitätsbekämpfung müssen sich Präventionsmaßnahmen auf die wissenschaftliche Erforschung der Faktoren stützen, die kriminelles Verhalten determinieren.
Gäbe es einen freien Willen, wäre Kriminalitätsforschung gar nicht denkbar. Kriminelle Handlungen würden sich dann - wie alle willentlichen Handlungen - jeder Gesetzmäßigkeit entziehen und wissenschaftliche Aussagen über sie - etwa, was Prognostizierbarkeit angeht - wären nicht möglich.
Nun sind aber wissenschaftliche Aussagen hier möglich.

FW-Vertretern müsste es bspw. ein Rätsel bleiben, warum in bestimmten Risikogruppen, die durch ganz bestimmte Faktoren gekennzeichnet sind, eine erhöhte Kriminalitätsneigung auftritt, also der Wille zu kriminellen Handlungen in erhöhtem Maße auftritt. Warum ist das so, wenn doch der Wille ach so frei ist? Und selbstverständlich müssten Vertreter des freien Willens, wären sie denn konsequent, auch auf Präventionsmaßnahmen verzichten, da sich die Beeinflussung des Willens nicht mit der Freiheit des Willens verträgt.

Vertreter des freien Willens sind halt inkonsequent. Dass der Mensch durch soziale, psychologische usw. Faktoren bestimmt wird, wird vielleicht zugestanden. Und sogleich versichert, dass der Wille aber trotzdem frei ist - "so ein bisschen frei" halt... Cool
Überzeugend ist das nicht. Es ist nicht zu Ende gedacht.


Ich möchte mal aus der Theorie des Präventionstheoretikers Helmut Nicolai zitieren:

Zitat:
Eine Willensfreiheit scheidet mithin aus, weil der Mensch die unendliche Kausalkette von Ursache und Wirkung nicht zu durchbrechen vermag. Auffassungen, welche ungeachtet dieses kausalen Determinismus von der Willensfreiheit ausgingen, beruhen auf einem "Wunder, das nicht erklärt werden kann" (Nicolai, Rechtslehre, 1933, S. 45). Damit wird die von Kant in Erwägung gezogene Möglichkeit, daß es jenseits der erfahrbaren Erscheinungswelt eine Freiheit gibt, die als Vermögen verstanden wird, eine Begebenheit von selbst anzufangen, abgelehnt.

Da die Ursache jeglicher Handlungen nach Auffassung Nicolais die unabänderlich gegebene "erbliche" Veranlagung sei (!), könne der Strafzweck nicht in der Besserung des Täters bestehen. Vielmehr gehe es um die Beseitigung einer "ungesunden Veranlagung" (!) zum Schutz des Volkes.

Bei Verbrechen, die aufgrund von "Ehrlosigkeit" des Täters begangen werden, sei das Ziel die "Ausmerzung ehrloser Verbrecher", bei weniger verwerflichen Delikten bestehe der Strafzweck in der "Abschreckung" (Nicolai, Rechtslehre, 1933, S. 47).


Quelle: Christian Hilger: Rechtsbegriffe im Dritten Reich, Seite 84

Klick


Hier also wird mit der Ablehnung der Willensfreiheit und der Beschwörung des Determinismus die "Präventions"- und KZ-Justiz des deutschen Faschismus gerechtfertigt. Verschwinden lassen zum "Schutz des Volkes". Dabei tritt noch der Biologismus an die Stelle eines Physikalismus ...-!

Skeptiker
_________________
Free Julian Assange! Lock up the Killers!

Populismus ist keine Verschwörungstheorie

Informationsstelle Militarisierung e.V.


Zuletzt bearbeitet von Skeptiker am 29.04.2008, 23:23, insgesamt 3-mal bearbeitet
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
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Beitrag(#991118) Verfasst am: 29.04.2008, 23:12    Titel: Antworten mit Zitat

@AP: Ich kann Deine Bedenken in bezug auf die Schwierigkeit eines Bewertungsmaßsstabs für utilitaristische Sanktionen durchaus nachvollziehen. Ich weigere mich allerdings, ein archaischeres, aus meiner Sicht widersprüchliches System zu akzeptieren, nur weil es Strafen straight-forward verhängt.

Überhaupt: Selbst wenn man annähme, daß die Person irgendwie "autonom" gehandelt hätte, wieso folgt daraus, daß man sie bestrafen darf? Wieso darf man aufgrund von Schuld quälen? Ist Deine Begründungssituation nicht mindestens so schlecht wie meine?
_________________
Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Johnnyboy
Stück Scheiße



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Beiträge: 2562
Wohnort: Babylon

Beitrag(#991122) Verfasst am: 29.04.2008, 23:20    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Hier also wird mit der Ablehnung der Willensfreiheit und der Beschwörung des Determinismus die "Präventions"- und KZ-Justiz des deutschen Faschismus gerechtfertigt. Verschwinden lassen zum "Schutz des Volkes" ...-!


Und unter der falschen Annahme, menschliches Verhalten sei rein genetisch bedingt. Aber was man nicht für seinen Zweck gebrauchen kann, das unterschlägt man besser...
_________________
"Das Leben des Starken erfüllt seinen Sinn, das des Schwachen seinen Zweck".


Zuletzt bearbeitet von Johnnyboy am 29.04.2008, 23:26, insgesamt einmal bearbeitet
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#991125) Verfasst am: 29.04.2008, 23:22    Titel: Antworten mit Zitat

kolja hat folgendes geschrieben:
...

Ein hervorragender Beitrag!
_________________
Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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AgentProvocateur
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Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#991134) Verfasst am: 29.04.2008, 23:34    Titel: Antworten mit Zitat

kolja hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wir sind uns einig, dass es keinen "unbedingten, absoluten freien Willen" geben kann und dass die Welt naturgesetzlich abläuft. Wir sind uns aber nicht einig, dass dadurch Verantwortung, Lob, Tadel, Schuld ganz anders gesehen werden müssten.

Die meisten Menschen glauben nicht nur an einen "echten", anti-kausalen FW, sondern haben auch ein ontologisches, überpositives, naturrechtliches Verständnis von Verantwortung und Schuld, welche sich aus der Existenz des "echten" FW automatisch ergibt. In dieser Sichtweise sind Verantwortung, Schuld und Werte im allgemeinen nicht etwas von Menschen gesetztes, sondern sind dem Menschen vorgegeben, ähnlich wie Naturgesetze. Wenn ich sage, dass die traditionelle Sichtweise von "echter" Verantwortung und "echter" Schuld widerlegt ist, dann beziehe ich mich auf diese Auffassung.

Ok. Ich glaube das aber nicht. Ich glaube vielmehr, dass die meisten Menschen sich gar keine expliziten Gedanken über diese Konzepte gemacht haben und sie eher intuitiv verstehen und zwar nicht viel anders als ich. Ich meine eher, dass das Konzept zum Beispiel von "Schuld", das in unserer Gesellschaft vorherrscht, auf dem das Strafrecht basiert, keineswegs ein ontologisches ist.

Was der Mann auf der Straße denkt, was der Durchschnitt denkt, das weiß ich natürlich nicht. Aber ich habe sehr viel mehr Zutrauen in ihn, als Du das wohl hast.

kolja hat folgendes geschrieben:
Im ersten Schritt geht es mir also um Aufklärung darüber, dass Verantwortung/Schuld menschliche Setzungen sind. Im zweiten Schritt geht es mir um die Begründungen dieser Setzungen. Als Legitimation einer Strafe kann also nicht mehr die Schuld herangezogen werden, denn diese ist ja nur eine Setzung, die auch begründungsbedürftig ist.

Ja, hier haben wir schon den ersten Widerspruch. Schuld ist für mich die begrenzende Komponente im Strafrecht und eine solche halte ich für unabdingbar.

kolja hat folgendes geschrieben:
Darum akzeptiere ich auch Dein Argument nicht, die "Interessen der Gesellschaft" würden nicht als Legitimation für eine Maßnahme oder Strafe ausreichen, denn aus meiner Sicht hast auch Du nichts besseres in der Hand als irgendwelche nicht näher spezifizierten Interessen, im Zweifelsfalle Deine ganz persönlichen, um Deine Setzungen zu begründen!

Natürlich.

Ich halte die Rechte des Einzelnen für sehr wichtig und die Rechte der Gesellschaft dem eher untergeordnet. Du hast natürlich recht, dass ich das nicht richtig begründen kann. Das ist hier einfach so meine Meinung, die eher intuitiv ist, aber die nichtsdestotrotz mir sehr, sehr, sehr wichtig ist. Das ist ein Dogma von mir, von dem ich sehr ungerne abrücken würde.

kolja hat folgendes geschrieben:
Wenn ich Deine Konzepte von Schuld oder Verantwortung ablehne, dann nicht, weil ich sie für inkompatibel mit den Naturgesetzen oder so halte, sondern nur, weil mich Deine Begründungen nicht überzeugen.

Ja, nun, hier in diesem Thread geht es aber eigentlich gar nicht um diese Konzepte, sondern es geht um Willensfreiheit. Du bestehst also die ganze Zeit auf einem anderen Thema.

kolja hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wieso also? Ist es wirklich so eine Ketzerei von mir, hier ein nachvollziehbares Argument außerhalb des "ist einfach evident und intuitiv" zu fordern?

Wo habe ich mich auf die Intuition bezogen? Im Gegenteil kritisiere ich an Deiner Argumentation, dass diese sprachlich darauf ausgerichtet ist, an die Intuition derer zu appellieren, die an eine "echte" Verantwortung glauben.

Ja, das mag schon sein.

Nur, wie gesagt: hier geht es um den freien Willen, nicht um die Frage, ob Verantwortlichkeit ein gutes Konzept ist oder nicht. Und daher finde ich es eben ein wenig merkwürdig, dass Du permanent eine Begründung zu einem anderen Thema forderst, wenn ich nach einer Argumentation für den harten Inkompatibilismus frage.

kolja hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ein Argument könnte es sein, zu behaupten, verantwortlich/lobenswert/schuldig könne überhaupt nur derjenige sein [...]

Hier ein Beispiel dafür. Du verwendest eine Sprache, die ein ontologisches Verständnis von Verantwortung impliziert. Verantwortlich kann man nicht "sein", Verantwortung wird von Menschen konstruiert und zugewiesen.

Ich halte meine Sprache für absolut üblich und angemessen. Wenn Dich das stört, dann ist das Dein Problem. Ich verwende meine Ausdrucksweise nicht deswegen, weil ich jemanden manipulieren will, sondern weil ich sie für üblich halte.

Und außerdem halte ich die Erkenntnis, dass alle Konzepte halt Konzepte sind und keine ontologischen Entitäten für eine ziemlich banale und nicht weiterführende. Ich glaube einfach nicht, dass die meisten Leute "Verantwortung" für etwas Ontologisches halten und daher sehe ich hier keine Verpflichtung zur Aufklärung daraufhin.

kolja hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ein anderes Argument könnte es sein, wenn man behauptete, Menschen könnten gar nichts entscheiden und somit gar nicht handeln, alle Handlungen seien sozusagen von der Vergangenheit ferngesteuert.

Da ist wieder Deine Dichotomie. Wobei ich wohl mal genauer erklären muss, was ich damit meine, weil ich den Eindruck habe, dass Du mich die letzten Male falsch verstanden hast.

Ja, allerdings. Du verwendest den Begriff "Dichotomie" mMn sehr ungewöhnlich.

kolja hat folgendes geschrieben:
Du konstruierst einen Gegensatz zwischen "ferngesteuert" und "selbstbestimmt". Ich unterstelle Dir nicht, dass Du behaupteten würdest, menschliche Handlungen seien entweder alle "ferngesteuert" oder alle "selbstbestimmt". Ich gehe vielmehr davon aus, dass Du sagen willst, es gäbe ein Kontinuum zwischen "ferngesteuert" und "selbstbestimmt", und man könne Handlungen irgendwo auf der Skala dazwischen anordnen, je nach Einzelfall weiter hier oder weiter da. Trotzdem bleiben die beiden Begriffe für Dich ein Gegensatzpaar, eine Entscheidung kann nicht gleichzeitig "ferngesteuert" und "selbstbestimmt" sind.

Ja, prima, dann hast Du doch verstanden, wie ich es meine.

kolja hat folgendes geschrieben:
Und genau das meine ich, wenn ich sage, dass Du eine Dichotomie aufbaust, denn aus meiner Sicht sind "selbstbestimmt" und "aus der Vergangenheit ferngesteuert werden" keine gegensätzlichen Kategorien, wie ich schon sagte ist der Streit um diese Gegensätze für mich vergleichbar mit dem Streit, ob ein Glas "halbvoll" oder "halbleer" ist.

Das ist vollkommener Unsinn. Wenn Du verstanden hast, wie ich es meine, dann ist es wirklich merkwürdig, hier plötzlich eine andere Bedeutung von "ferngesteuert" unterschieben zu wollen. Ich meine es so, wie ich es meine und was Du auch verstanden hast und ich meine es nicht so, wie Du es meinst.

kolja hat folgendes geschrieben:
Es gibt zwar aus meiner Sicht selbstbestimmte Handlungen in dem Sinne, dass ein Mensch in Übereinstimmung mit seinen Präferenzen entscheidet und sich dabei frei fühlt, oder fremdbestimmte Handlungen in dem Sinne, dass er nicht in Übereinstimmung mit seinen Präferenzen entscheidet und sich gezwungen fühlt. Aber: "ferngesteuert", d.h. vollständig determiniert durch Ereignisse in der Vergangenheit, ist er immer.

Ja, das ist dann eine andere Bedeutung des Wortes. Es ist wirklich unsinnig, sich um Worte zu streiten, welche Bedeutung nun richtig sei oder welche falsch. Solange Du verstehst, was ich meine, ist es völlig gleichgültig, was Du darunter verstehst. Das ist dann eben etwas anderes.

kolja hat folgendes geschrieben:
Wenn diese Kategorien für Dich unvereinbar sind, bitteschön, für mich sind sie es nicht. Aber unterstelle mir bitte nicht, ich müsste mich entscheiden, oder ich hätte mich für eins davon entschieden, oder ich benötigte diese Entscheidung für meine Setzungen oder so. Wenn Du das meinen solltest, dann hast Du meinen Standpunkt nicht verstanden.

Du betreibst Wortklauberei. Es macht keine Sinn, mir vorzuhalten, ich würde einen Gegensatz zwischen zwei Begriffen sehen, wenn Du gleichzeitig dem einen Begriff bewusst eine andere Bedeutung zuordnest, als ich das tue.
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Mario Hahna
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Anmeldungsdatum: 04.04.2005
Beiträge: 9607
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Beitrag(#991146) Verfasst am: 29.04.2008, 23:53    Titel: Antworten mit Zitat

Es ist einfach nur lächerlich.

AP windet sich wie ein Aal und schwurbelt sich wieder an den entscheidenden Punkten vorbei.

AP hält das Schuldkonzept für unverzichtbar, schön, ich auch, trotzdem stimme ich kolja bezüglich des Themas Willensfreiheit zu. Es gibt also keinen Grund, anderen dämliche Strohmänner unterzuschieben und sie verbal in die Nähe des Faschismus zu rücken. Das hat nichts mit der Grundsatzfrage zu tun.

Es ist ein intellektuelles Problem, er kann es nicht besser, davon bin ich mittlerweile wirklich überzeugt.
_________________
Wer nichts weiß, glaubt alles.


Zuletzt bearbeitet von Mario Hahna am 29.04.2008, 23:54, insgesamt einmal bearbeitet
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kolja
der Typ im Maschinenraum
Betreiber



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Beiträge: 16631
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Beitrag(#991147) Verfasst am: 29.04.2008, 23:54    Titel: Antworten mit Zitat

kolja hat folgendes geschrieben:
Die meisten Menschen glauben nicht nur an einen "echten", anti-kausalen FW, sondern haben auch ein ontologisches, überpositives, naturrechtliches Verständnis von Verantwortung und Schuld, welche sich aus der Existenz des "echten" FW automatisch ergibt. In dieser Sichtweise sind Verantwortung, Schuld und Werte im allgemeinen nicht etwas von Menschen gesetztes, sondern sind dem Menschen vorgegeben, ähnlich wie Naturgesetze. Wenn ich sage, dass die traditionelle Sichtweise von "echter" Verantwortung und "echter" Schuld widerlegt ist, dann beziehe ich mich auf diese Auffassung.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ok. Ich glaube das aber nicht.

Erstens ist das meines Wissens von der Soziologie erforscht und bestätigt worden. Zweitens enthält bereits dieser Thread genügend Anschauungsmaterial, um meine Behauptung zu stützen.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ich glaube vielmehr, dass die meisten Menschen sich gar keine expliziten Gedanken über diese Konzepte gemacht haben und sie eher intuitiv verstehen und zwar nicht viel anders als ich.

Damit bestätigst Du aber genauso meine Kritik. Ich kritisiere doch gerade, dass Du nur an diese Intuitionen appellierst und einem kritisch-distanzierten Reflektion der Konzepte aus dem Wege gehst!

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Was der Mann auf der Straße denkt, was der Durchschnitt denkt, das weiß ich natürlich nicht. Aber ich habe sehr viel mehr Zutrauen in ihn, als Du das wohl hast.

Kein Argument.

kolja hat folgendes geschrieben:
Im ersten Schritt geht es mir also um Aufklärung darüber, dass Verantwortung/Schuld menschliche Setzungen sind. Im zweiten Schritt geht es mir um die Begründungen dieser Setzungen. Als Legitimation einer Strafe kann also nicht mehr die Schuld herangezogen werden, denn diese ist ja nur eine Setzung, die auch begründungsbedürftig ist.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ja, hier haben wir schon den ersten Widerspruch. Schuld ist für mich die begrenzende Komponente im Strafrecht und eine solche halte ich für unabdingbar.

Du weichst aus. Ist Schuld nun eine Setzung oder nicht? Ist diese Setzung nun begründungsbedürftig oder nicht? Welchen Interessen dient diese Setzung?

kolja hat folgendes geschrieben:
Darum akzeptiere ich auch Dein Argument nicht, die "Interessen der Gesellschaft" würden nicht als Legitimation für eine Maßnahme oder Strafe ausreichen, denn aus meiner Sicht hast auch Du nichts besseres in der Hand als irgendwelche nicht näher spezifizierten Interessen, im Zweifelsfalle Deine ganz persönlichen, um Deine Setzungen zu begründen!
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Natürlich. Ich halte die Rechte des Einzelnen für sehr wichtig und die Rechte der Gesellschaft dem eher untergeordnet.

Das ist wieder so eine völlig unsinniger, rein suggestiver Gegensatz. Die Gesellschaft besteht aus allen Einzelnen, nicht mehr und nicht weniger. Und mir geht es natürlich auch um alle Einzelnen, aber auch um den Einzelnen, der in Deinem System schuldig bestraft wird. Anstatt solche rhetorisch trickreichen Gegensätze zu basteln, solltest Du besser konkret die individuellen Interessen benennen, um die es Dir geht.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Du hast natürlich recht, dass ich das nicht richtig begründen kann.

Dann solltest Du nicht ständig um diesen Punkt herumeiern und anderen Leuten vorwerfen, sie hätten keine brauchbare Legitimation. Du hast nämlich genauso wenig davon! Das ist ein unredliches Diskussionsverhalten!

kolja hat folgendes geschrieben:
Im Gegenteil kritisiere ich an Deiner Argumentation, dass diese sprachlich darauf ausgerichtet ist, an die Intuition derer zu appellieren, die an eine "echte" Verantwortung glauben.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ja, das mag schon sein.

Ah, und nun? Was folgt für Dich daraus? Weiter so, weil es für Dich sehr praktisch ist?

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Nur, wie gesagt: hier geht es um den freien Willen, nicht um die Frage, ob Verantwortlichkeit ein gutes Konzept ist oder nicht. Und daher finde ich es eben ein wenig merkwürdig, dass Du permanent eine Begründung zu einem anderen Thema forderst, wenn ich nach einer Argumentation für den harten Inkompatibilismus frage.

Die hast Du von mir bekommen.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ich halte meine Sprache für absolut üblich und angemessen. Wenn Dich das stört, dann ist das Dein Problem. Ich verwende meine Ausdrucksweise nicht deswegen, weil ich jemanden manipulieren will, sondern weil ich sie für üblich halte.

Du kannst gar nicht vermeiden, mit Deiner Sprache zu manipulieren, Du kannst es nur leugnen.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Und außerdem halte ich die Erkenntnis, dass alle Konzepte halt Konzepte sind und keine ontologischen Entitäten für eine ziemlich banale und nicht weiterführende. Ich glaube einfach nicht, dass die meisten Leute "Verantwortung" für etwas Ontologisches halten und daher sehe ich hier keine Verpflichtung zur Aufklärung daraufhin.

Ich halte sie auch für banal. Aber aus meiner Sicht steckst Du hier den Kopf in den Sand, weil es für Dich sehr praktisch ist.

kolja hat folgendes geschrieben:
Du konstruierst einen Gegensatz zwischen "ferngesteuert" und "selbstbestimmt". Ich unterstelle Dir nicht, dass Du behaupteten würdest, menschliche Handlungen seien entweder alle "ferngesteuert" oder alle "selbstbestimmt". Ich gehe vielmehr davon aus, dass Du sagen willst, es gäbe ein Kontinuum zwischen "ferngesteuert" und "selbstbestimmt", und man könne Handlungen irgendwo auf der Skala dazwischen anordnen, je nach Einzelfall weiter hier oder weiter da. Trotzdem bleiben die beiden Begriffe für Dich ein Gegensatzpaar, eine Entscheidung kann nicht gleichzeitig "ferngesteuert" und "selbstbestimmt" sind.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ja, prima, dann hast Du doch verstanden, wie ich es meine.
kolja hat folgendes geschrieben:
Und genau das meine ich, wenn ich sage, dass Du eine Dichotomie aufbaust, denn aus meiner Sicht sind "selbstbestimmt" und "aus der Vergangenheit ferngesteuert werden" keine gegensätzlichen Kategorien, wie ich schon sagte ist der Streit um diese Gegensätze für mich vergleichbar mit dem Streit, ob ein Glas "halbvoll" oder "halbleer" ist.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Das ist vollkommener Unsinn. Wenn Du verstanden hast, wie ich es meine, dann ist es wirklich merkwürdig, hier plötzlich eine andere Bedeutung von "ferngesteuert" unterschieben zu wollen. Ich meine es so, wie ich es meine und was Du auch verstanden hast und ich meine es nicht so, wie Du es meinst.

Ich habe keine Bedeutung gewechselt, ich beziehe mich die ganze Zeit auf diesen Satz:

AP hat folgendes geschrieben:
Ein anderes Argument könnte es sein, wenn man behauptete, Menschen könnten gar nichts entscheiden und somit gar nicht handeln, alle Handlungen seien sozusagen von der Vergangenheit ferngesteuert.


kolja hat folgendes geschrieben:
Es gibt zwar aus meiner Sicht selbstbestimmte Handlungen in dem Sinne, dass ein Mensch in Übereinstimmung mit seinen Präferenzen entscheidet und sich dabei frei fühlt, oder fremdbestimmte Handlungen in dem Sinne, dass er nicht in Übereinstimmung mit seinen Präferenzen entscheidet und sich gezwungen fühlt. Aber: "ferngesteuert", d.h. vollständig determiniert durch Ereignisse in der Vergangenheit, ist er immer.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ja, das ist dann eine andere Bedeutung des Wortes. Es ist wirklich unsinnig, sich um Worte zu streiten, welche Bedeutung nun richtig sei oder welche falsch. Solange Du verstehst, was ich meine, ist es völlig gleichgültig, was Du darunter verstehst. Das ist dann eben etwas anderes.

Dann verstehe ich immer noch nicht, was Du mit diesem Satz (und ähnlichen zuvor)
AP hat folgendes geschrieben:
Ein anderes Argument könnte es sein, wenn man behauptete, Menschen könnten gar nichts entscheiden und somit gar nicht handeln, alle Handlungen seien sozusagen von der Vergangenheit ferngesteuert.

überhaupt sagen wolltest. Eine reine Nebelgranate?

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Du betreibst Wortklauberei. Es macht keine Sinn, mir vorzuhalten, ich würde einen Gegensatz zwischen zwei Begriffen sehen, wenn Du gleichzeitig dem einen Begriff bewusst eine andere Bedeutung zuordnest, als ich das tue.

Lachen, und das von Dir.
_________________
Hard work often pays off after time, but laziness always pays off now.


Zuletzt bearbeitet von kolja am 29.04.2008, 23:57, insgesamt 3-mal bearbeitet
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AgentProvocateur
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Beitrag(#991148) Verfasst am: 29.04.2008, 23:54    Titel: Antworten mit Zitat

Johnnyboy hat folgendes geschrieben:
Zitat:
1. Meine Sichtweise: ich halte Menschen (in Grenzen) für frei und eigenverantwortlich und daher meine ich, dass ihnen deswegen bestimmte Grundrechte von Vorneherein zugestanden werden sollten, die von der Gesellschaft immer und bedingungslos respektiert werden müssen

Auch wenn das jetzt nichts direkt mit dem Thema zu tun hat: Ich sehe keinen logischen Grund einem wie auch immer "freien" Wesen irgendwelche Rechte zuzugestehen.

Naja, es ist sozusagen die Voraussetzung dafür, um die Rechte zuzugestehen, wenn man gleichzeitig möchte, dass sich dieses Wesen an bestimmte Regeln hält. Man muss dazu davon ausgehen können, dass das Wesen die Normen erkennen und sich danach richten kann.

Man muss die Rechte natürlich nicht zugestehen.

Ich meine aber, man sollte es tun.

Johnnyboy hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Die andere, notwendige Seite der Medaille ist jedoch, dass man auch den Anspruch an Menschen stellen kann, sich gemäß der moralischen/ethischen Normen zu verhalten und dass man ihnen, wenn sie das nicht tun, das vorwerfen kann.

Das ist ja nett. Du gestehst dem Menschen gütigerweise etwas zu, unter der Bedingung, dass sie etwas tun sollen, was sie so im Grunde nicht können, weil ihre Regelkonformität, in einem quasi deterministischen Universum mit zufälligen Einwürfen ev. schon vor ihrer Geburt festgelegt wurde (wenn ich dich recht verstehe, ist es ja das, was du glaubst)?

Ich glaube, dass (die meisten) erwachsenen Menschen Regeln verstehen und anwenden können. Du nicht?

Johnnyboy hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Man sie also als schuldhaft für unethisches Verhalten betrachten kann und sie aufgrund dieser Schuld für ihr Fehlverhalten sanktionieren kann.

Blöde nur, dass es keine universelle Ethik gibt.

Und?

Johnnyboy hat folgendes geschrieben:
Zitat:
2. Die andere Sichtweise

Ich finde es schön, dass du gütigerweise annimmst, dass es ganze zwei Sichtweisen gibt...wobei letzere natürlich auch impliziert, dass die heutigen Rechte "verzichtbar" seien und das irgendeine Gesellschaft dann natürlich (logischerweise!) irgendwelche Rechte zu Beschneidem der Rechte andere hat...Mal im Erst, so zweifältig denkst du nicht wircklich?

Oh, ich denke nicht gerne binär. Allerdings meine ich das tatsächlich, denn ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Überlegungen letztlich darauf hinauslaufen. Ob Du speziell das meinst, weiß ich nicht.

Johnnyboy hat folgendes geschrieben:
Was ist wenn ich dir sage, dass meine Annahme, dass es sowas wie einen "FW" (in Bezug auf ein Verantwortungsprinzip) mich zu folgendem gebracht hat:
1. Das niemand an sich über Rechte verfügt.
2. Das keine Gesellschaft an sich irgendetwas darf/muss/soll.
3. Das es mich nicht interessiert wie andere konkret ihren Rechtstaat haben wollen, solange es nicht mit meiner Vorstellung in Konflikt gerät ( die ich vollkommen beliebig nach meinem Gutdünken entworfen ist und ich demensprehcnd auch gegen eine Tyrannei wie du sie beschreibst sein kann.)

Ja, das ist wohl Dein Recht.

Johnnyboy hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Hat halt Pech gehabt, der Arme.

Das hat der Täter in deinem ach so humanen Weltbild auch.

Der Unterschied ist aber der, dass in meinem Weltbild der Einzelne seine Handlungen steuern kann, er also mAn einen Einfluss darauf hat, was ihm geschieht.

Johnnyboy hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Alles passiert dann willkürlich, nach vom Einzelnen nicht nachprüfbaren Kriterien.

Toll. Und eine Ethik die als Richtschnur dienen soll, ist natürlich nicht - letztenendes - willkürlich? Willkommen in der Realität. In einer Welt, in der verschiedene miteinader inkompatible Bedürfnisse aufeinanderprallen, gibt es keine ideale Lösung.

Und noch einmal: ja, ich halte es für einen wirklich ganz grundlegenden Unterschied, ob man seine Zukunft selber bestimmen und in die Hand nehmen kann oder ob man im Vorneherein unabhängig von den eigenen Handlungen nicht abschätzbaren Zwangsmaßnahmen ausgesetzt ist. Ein strenger Inkompatibilist mag das vielleicht anders sehen. Aber ich sehe es so und ich wüsste nicht, wieso ich es anders sehen sollte. Vielleicht hast Du ja einen Grund dafür.

Johnnyboy hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Ich tue das deswegen, weil ich meine, derjenige hat Lob oder Tadel verdient, da seine Handlung von ihm verursacht wurde und ich sie ihm zurechne. Ich tue das aber nicht, um ihn zu manipulieren. Ist das nun stumpfer Moralismus?

Selbstverständlich. Das der Kerl überhaupt etwas an sich "verdient" setzt ja überhaut soetwas wie ein objektives Richtig/Falsch voraus.

Hum?

Johnnyboy hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Ja, natürlich.
Wieso? Weil die eine Maschine so toll ist, dass sie ein phänomenales Bewusstsein hat?

Hm? Ich bewerte eine Tat, die der Täter absichtlich und willentlich durchgeführt hat, anders, als eine Tat, die zum Beispiel wegen einer Zwangsstörung erfolgte.

Klingt vielleicht komisch, ist aber so.

Vielleicht bin ich ja durch den Urknall dazu determiniert?
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Anmeldungsdatum: 09.01.2005
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Beitrag(#991151) Verfasst am: 29.04.2008, 23:58    Titel: Antworten mit Zitat

kolja hat folgendes geschrieben:
(Strukturierung von mir)
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
(1) Daraus, dass Menschen ihre Handlungen abwägen und überdenken und danach ausrichten können und diese Handlungen nicht außerhalb ihres Einflusses stehen,

folgt,

(2) dass man sie für solche Handlungen als Urheber und als verantwortlich ansehen kann und sie daher für diese Handlungen loben oder tadeln kann.

Nein, das folgt nicht, zumindest nicht im Sinne einer logischen Schlussfolgerung. Das ist und bleibt eine Setzung, die unabhängig von (1) begründungsbedürftig ist.

Ja, Du hast recht, das folgt nicht. Das habe ich tatsächlich falsch formuliert. 1. ist die Voraussetzung für 2.

kolja hat folgendes geschrieben:
Die meisten Menschen bemerken diesen Trick allerdings nicht, weil ihnen dieser Zusammenhang irgendwie intuitiv-logisch erscheint. Das ist ein weiteres Beispiel dafür, dass Du intuitionistisch argumentierst und Deine Setzungen verschleierst.

Jeder argumentiert letztlich intuitionistisch. Daran ist auch nichts prinzipiell verkehrt.

Du meinst aber wohl hier etwas anderes: ich würde die Leser bewusst und willentlich in die Irre führen wollen. So ist das aber nicht.
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Anmeldungsdatum: 09.01.2005
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Beitrag(#991159) Verfasst am: 30.04.2008, 00:11    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
@AP: Ich kann Deine Bedenken in bezug auf die Schwierigkeit eines Bewertungsmaßsstabs für utilitaristische Sanktionen durchaus nachvollziehen. Ich weigere mich allerdings, ein archaischeres, aus meiner Sicht widersprüchliches System zu akzeptieren, nur weil es Strafen straight-forward verhängt.

Hm, Du unterstellst hier einfach so, dass unser heutiges Strafrecht ein archaisches und nicht hinterfragtes sei. Das glaube ich aber nicht, es gibt auch innerhalb der Strafrechtler sehr ausgiebige Diskussionen dazu.

Nicht, dass ich das heutige Strafrecht als das Non-Plus-Ultra ansehe. Aber Deine Alternative dazu gefällt mir nun mal überhaupt nicht. Und das hat nichts mit Utilitarismus zu tun, den ich nicht als etwas prinzipiell Abzulehendes sehe. Ich bin auch aus utilitaristischen Gründen gegen ein willkürlich erscheinendes Maßnahmenrecht, setze aber offensichtlich meine Prämissen anders als Du. Für mich haben die Rechte des Einzelnen Vorrang vor den Anforderungen der Gesellschaft und mir ist es wichtig, dass es bestimmte grundlegende Rechte gegenüber dem Staat gibt, die nicht angetastet werden dürfen.

step hat folgendes geschrieben:
Überhaupt: Selbst wenn man annähme, daß die Person irgendwie "autonom" gehandelt hätte, wieso folgt daraus, daß man sie bestrafen darf? Wieso darf man aufgrund von Schuld quälen? Ist Deine Begründungssituation nicht mindestens so schlecht wie meine?

Hm, in eine ganz allgemeine Diskussion über Strafrecht möchte ich nicht einsteigen. Nur ein paar Anmerkungen dazu: "quälen" darf man mE überhaupt nicht. Ein Strafvollzug muss mE immer menschenwürdig sein; jeder, egal, was er getan hat, muss immer noch als Mensch angesehen und behandelt werden.

Nur sehe ich nicht, wie man ganz auf Strafe verzichten kann. Du siehst das ja ähnlich, nennst nur "Strafen" "Maßnahmen". Nur sind eben für mich Maßnahmen schlimmer als Strafen, weil ich sie als willkürlich, da im Vorfelde nicht abschätzbar ansehe.
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Beitrag(#991160) Verfasst am: 30.04.2008, 00:16    Titel: Antworten mit Zitat

Mario Hahna hat folgendes geschrieben:
Es ist einfach nur lächerlich.

AP windet sich wie ein Aal und schwurbelt sich wieder an den entscheidenden Punkten vorbei.

Wo und was sind die entscheidenden Punkte?

Mario Hahna hat folgendes geschrieben:
AP hält das Schuldkonzept für unverzichtbar, schön, ich auch, trotzdem stimme ich kolja bezüglich des Themas Willensfreiheit zu.

Inwiefern? Dass es keine "echte Willensfreiheit" gibt?

Mario Hahna hat folgendes geschrieben:
Es gibt also keinen Grund, anderen dämliche Strohmänner unterzuschieben und sie verbal in die Nähe des Faschismus zu rücken. Das hat nichts mit der Grundsatzfrage zu tun.

Was ist denn die "Grundsatzfrage"? Die "echte Willensfreiheit"?

Mario Hahna hat folgendes geschrieben:
Es ist ein intellektuelles Problem, er kann es nicht besser, davon bin ich mittlerweile wirklich überzeugt.

Ich lerne gerne von mir überlegenen Intellektuellen. Also, bitte.
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Mario Hahna
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Beitrag(#991166) Verfasst am: 30.04.2008, 00:27    Titel: Antworten mit Zitat

Das Thema ist "Willensfreiheit". Ich stimme mit koljas Ansicht zu diesem Thema überein. Lediglich die Schlussfolgerungen sehen bei mir anders aus.
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kolja
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Beitrag(#991174) Verfasst am: 30.04.2008, 00:38    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ja, Du hast recht, das folgt nicht. Das habe ich tatsächlich falsch formuliert. 1. ist die Voraussetzung für 2.

Und es fehlt eine Begründung für Deine Setzung ...

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Jeder argumentiert letztlich intuitionistisch. Daran ist auch nichts prinzipiell verkehrt.

Ich halte es aber für wünschenswert, dies nach Möglichkeit zu minimieren. Ich und andere haben mehrfach Verfahren dafür vorgeschlagen, wie man Diskussionen über Normen und Werte versachlichen und die Setzungen kritisierbar und falsifizierbar machen kann.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Du meinst aber wohl hier etwas anderes: ich würde die Leser bewusst und willentlich in die Irre führen wollen.

Nö, Absicht unterstelle ich Dir nicht, ändert aber nix an meiner Kritik.
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Beitrag(#991178) Verfasst am: 30.04.2008, 00:41    Titel: Antworten mit Zitat

Mario Hahna hat folgendes geschrieben:
Das Thema ist "Willensfreiheit". Ich stimme mit koljas Ansicht zu diesem Thema überein. Lediglich die Schlussfolgerungen sehen bei mir anders aus.

Welche Ansicht soll das sein?

Es gibt keine "echte Willensfreiheit"?

Und Du stimmst überein, triffst aber andere Schlussfolgerungen? Interessant.
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Sehwolf
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Beitrag(#991197) Verfasst am: 30.04.2008, 01:02    Titel: Antworten mit Zitat

Mario Hahna hat folgendes geschrieben:
Lediglich die Schlussfolgerungen sehen bei mir anders aus.

Die man wo nachlesen kann?
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Beitrag(#991203) Verfasst am: 30.04.2008, 01:16    Titel: Antworten mit Zitat

Sehwolf hat folgendes geschrieben:
Mario Hahna hat folgendes geschrieben:
Lediglich die Schlussfolgerungen sehen bei mir anders aus.

Die man wo nachlesen kann?

Dort.
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kolja
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Beitrag(#991206) Verfasst am: 30.04.2008, 01:29    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Für mich haben die Rechte des Einzelnen Vorrang vor den Anforderungen der Gesellschaft

Das ist eine wohlfeile, aber leere Floskel, solange Du nicht zeigen kannst, wie Du es mit diesem Prinzip unter einen Hut bekommst, dass Strafen wegen Normverstößen verhängt werden können. Da werden doch ganz klar die Rechte des Einzelnen den normativen Forderungen der Gesellschaft untergeordnet. Bedenke, dass Du an dieser Stelle nicht mit Deinen Setzungen (Schuld/Verantwortung, bzw. die Fähigkeit dazu) argumentieren kannst, Du musst vielmehr begründen können, inwiefern diese Setzungen obiges sicherstellen.
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Zuletzt bearbeitet von kolja am 30.04.2008, 01:30, insgesamt einmal bearbeitet
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Beitrag(#991207) Verfasst am: 30.04.2008, 01:30    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Argaith hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Sanktion nein. So kann eine Sanktion darin bestehen, jemandem vorerst weniger Verantwortung (Pflichten, Rechte) zu übertragen, weil man die Gesellschaft schützen will. Oder ihn zu einer Therapie zu verpflichten. Vielleicht kann er das sogar einsehen.

Also, ich kann ehrlich gesagt keinen prinzipiellen Unterschied zwischen Wegsperren aufgr. des Gesellschaftsschutzes oder Wegsperren aus sonst einem Grund feststellen.

Doch, es gibt hier durchaus einen prizipiellen Unterschied: das eine (Strafe) ist direkt abhängig von der Schwere der Tat und nach oben begrenzt, das andere (Sicherheitsverwahrung) hat mit der Tat nichts zu tun, sondern hängt nur von der (vermuteten) Gefährlichkeit des Täters ab.

Genau.


Hab ich glatt übersehen.

Die Gefährlichkeit des Täters zeigt sich vor allem an der Schwere der Tat, woran denn sonst? Gerade im Wiederholungsfall wächst das Gewicht des Arguments für die Gefährlichkeit des Täters, weil auch die Gesamtheit seiner Schuld größer ist Schulterzucken
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Beitrag(#991210) Verfasst am: 30.04.2008, 01:38    Titel: Antworten mit Zitat

kolja hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Für mich haben die Rechte des Einzelnen Vorrang vor den Anforderungen der Gesellschaft

Das ist eine wohlfeile, aber leere Floskel, solange Du nicht zeigen kannst, wie Du es mit diesem Prinzip unter einen Hut bekommst, dass Strafen wegen Normverstößen verhängt werden können. Da werden doch ganz klar die Rechte des Einzelnen den normativen Forderungen der Gesellschaft untergeordnet.

Das habe ich oben schon gesagt.

Ich glaube nun mal, dass der Einzelne (normalerweise) seine Handlungen und deren Folgen abschätzen und daraufhin seine Handlungen ausrichten kann. D.h., es ist letztlich (normalerweise) seine Entscheidung, ob er die ihm voher bekannte Sanktion für die vorher bekannte Normverletzung in Kauf nehmen will oder nicht.

Dabei sehe ich einen grundlegenden Unterschied zu Zwangsmaßnahmen, die völlig außerhalb seiner Kontrolle liegen, die er nicht beeinflussen kann.

Wie gesagt: ein strenger Inkompatibilist sieht das vielleicht anders. Für ihn ist es vielleicht dasselbe. Für mich aber nun mal nicht.


Zuletzt bearbeitet von AgentProvocateur am 30.04.2008, 01:41, insgesamt einmal bearbeitet
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Beitrag(#991211) Verfasst am: 30.04.2008, 01:40    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ich glaube nun mal, dass der Einzelne (normalerweise) seine Handlungen und deren Folgen abschätzen kann und daraufhin seine Handlungen ausrichten kann. D.h., es ist letztlich (normalerweise) seine Entscheidung, ob er die ihm voher bekannte Sanktion für die vorher bekannte Normverletzung in Kauf nehmen will oder nicht.

Das ist ja, wie Du mittlerweile selber einräumst, die aufwändigere Formulierung von "Fähigkeit zur Verantwortung", und somit ein Teil Deines Gesamtpakets von Setzungen.

Eine nicht-zirkuläre Begründung ist Dir also nicht möglich.
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Beitrag(#991213) Verfasst am: 30.04.2008, 01:46    Titel: Antworten mit Zitat

kolja hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ich glaube nun mal, dass der Einzelne (normalerweise) seine Handlungen und deren Folgen abschätzen kann und daraufhin seine Handlungen ausrichten kann. D.h., es ist letztlich (normalerweise) seine Entscheidung, ob er die ihm voher bekannte Sanktion für die vorher bekannte Normverletzung in Kauf nehmen will oder nicht.

Das ist ja, wie Du mittlerweile selber einräumst, die aufwändigere Formulierung von "Fähigkeit zur Verantwortung", und somit ein Teil Deines Gesamtpakets von Setzungen.

Eine nicht-zirkuläre Begründung ist Dir also nicht möglich.

Häh, watt'n für 'ne zirkuläre Begründung? Ich glaube, dass Menschen diese Fähigkeit haben. Du darfst mir gerne nachweisen, dass sie sie nicht haben.

Du darfst aber das aber auch gerne anders sehen als ich, dass man zum Beispiel prinzipiell keine Schuld zuweisen darf. Dann sehen wir das eben anders. Macht ja auch nichts.
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kolja
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Beitrag(#991214) Verfasst am: 30.04.2008, 01:56    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ich glaube nun mal, dass der Einzelne (normalerweise) seine Handlungen und deren Folgen abschätzen kann und daraufhin seine Handlungen ausrichten kann. D.h., es ist letztlich (normalerweise) seine Entscheidung, ob er die ihm voher bekannte Sanktion für die vorher bekannte Normverletzung in Kauf nehmen will oder nicht.
kolja hat folgendes geschrieben:
Das ist ja, wie Du mittlerweile selber einräumst, die aufwändigere Formulierung von "Fähigkeit zur Verantwortung", und somit ein Teil Deines Gesamtpakets von Setzungen. Eine nicht-zirkuläre Begründung ist Dir also nicht möglich.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Häh, watt'n für 'ne zirkuläre Begründung? Ich glaube, dass Menschen diese Fähigkeit haben. Du darfst mir gerne nachweisen, dass sie sie nicht haben.

Bereits die Annahme einer solchen Fähigkeit ist eine normative Setzung, aber mir scheint, dass Du das nicht bemerken willst. Egal, auch wenn ich dieses Detail ignoriere, bleibt Deine Argumentation zirkulär. Aus dieser wie-auch-immer-gearteten-Fähigkeit folgt keine Verantwortlichkeit, dazu benötigst Du auch eine normative Setzung. Nochmal zur Erinnerung:

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Für mich haben die Rechte des Einzelnen Vorrang vor den Anforderungen der Gesellschaft
kolja hat folgendes geschrieben:
Das ist eine wohlfeile, aber leere Floskel, solange Du nicht zeigen kannst, wie Du es mit diesem Prinzip unter einen Hut bekommst, dass Strafen wegen Normverstößen verhängt werden können. Da werden doch ganz klar die Rechte des Einzelnen den normativen Forderungen der Gesellschaft untergeordnet. Bedenke, dass Du an dieser Stelle nicht mit Deinen Setzungen (Schuld/Verantwortung, bzw. die Fähigkeit dazu) argumentieren kannst, Du musst vielmehr begründen können, inwiefern diese Setzungen obiges sicherstellen.

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Beitrag(#991220) Verfasst am: 30.04.2008, 02:53    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
@AP: Ich kann Deine Bedenken in bezug auf die Schwierigkeit eines Bewertungsmaßsstabs für utilitaristische Sanktionen durchaus nachvollziehen. Ich weigere mich allerdings, ein archaischeres, aus meiner Sicht widersprüchliches System zu akzeptieren, nur weil es Strafen straight-forward verhängt.

Hm, Du unterstellst hier einfach so, dass unser heutiges Strafrecht ein archaisches und nicht hinterfragtes sei. Das glaube ich aber nicht, es gibt auch innerhalb der Strafrechtler sehr ausgiebige Diskussionen dazu.

Nicht, dass ich das heutige Strafrecht als das Non-Plus-Ultra ansehe. Aber Deine Alternative dazu gefällt mir nun mal überhaupt nicht. Und das hat nichts mit Utilitarismus zu tun, den ich nicht als etwas prinzipiell Abzulehendes sehe. Ich bin auch aus utilitaristischen Gründen gegen ein willkürlich erscheinendes Maßnahmenrecht, setze aber offensichtlich meine Prämissen anders als Du. Für mich haben die Rechte des Einzelnen Vorrang vor den Anforderungen der Gesellschaft und mir ist es wichtig, dass es bestimmte grundlegende Rechte gegenüber dem Staat gibt, die nicht angetastet werden dürfen.

step hat folgendes geschrieben:
Überhaupt: Selbst wenn man annähme, daß die Person irgendwie "autonom" gehandelt hätte, wieso folgt daraus, daß man sie bestrafen darf? Wieso darf man aufgrund von Schuld quälen? Ist Deine Begründungssituation nicht mindestens so schlecht wie meine?

Hm, in eine ganz allgemeine Diskussion über Strafrecht möchte ich nicht einsteigen. Nur ein paar Anmerkungen dazu: "quälen" darf man mE überhaupt nicht. Ein Strafvollzug muss mE immer menschenwürdig sein; jeder, egal, was er getan hat, muss immer noch als Mensch angesehen und behandelt werden.

Nur sehe ich nicht, wie man ganz auf Strafe verzichten kann. Du siehst das ja ähnlich, nennst nur "Strafen" "Maßnahmen". Nur sind eben für mich Maßnahmen schlimmer als Strafen, weil ich sie als willkürlich, da im Vorfelde nicht abschätzbar ansehe.


Ich denke, dass sich deine ganzen Befürchtungen/Einwände auf diesen Punkt reduzieren. Man kann das vielleicht einmal oder zweimal pro Monat irgendwo erwähnen, aber ansonsten lässt sich darus nicht viel machen, vor allem, wenn step nicht darauf eingeht, was ihm da genau vorschwebt. Davon auszugehen, dass das prinzipiell 'schlimmer' sein muss ist doch einfach offensichtlich eine Überreaktion.
Ich sehe das ebenfalls so, dass Strafen sich von 'utilitaristischen Maßnahmen' in Bezug auf unser Strafrecht nicht per se unterscheiden lassen, was dich aber natürlich nicht daran hinderte, oben die Sicherungsverwahrung als etwas prinzipell von der Strafe Absonderbares darzustellen Mit den Augen rollen Das ich das für Quatsch halte und warum, habe ich schon mehrfach irgendwo durchgekaut und ausserdem ist es lächerlich offensichtlich. Mir scheint, dass sich hier einige gegenseitig Interpretationen der gewohnten Termini des jeweiligen Gegners an den Kopf werfen, die sie diesem dann als etwas furchtbar Schlimmes auslegen. Dieses verquastete Geschwalle ist doch vollkommen unnötig: Eine Reaktion auf einen Normverstoß ist immer auch eine Strafe/Vergeltung oder eben eine "Maßnahme". Die einzigen Diskussionsanlässe dazu liefert die Frage nach der Angemessenheit und der Sinnhaftigleit. Dabei bezieht sich die Angemessenheit allerdings vor allem auf die Vertretbarkeit gegenüber der Gesellschaft und weniger auf eine geradezu rechnerische Bestimmung des Umfanges einer Resozialisierungs- oder Strafmaßnahme.
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kolja
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Beitrag(#991324) Verfasst am: 30.04.2008, 11:36    Titel: Antworten mit Zitat

Mario Hahna hat folgendes geschrieben:
Ich stimme mit koljas Ansicht zu diesem Thema überein. Lediglich die Schlussfolgerungen sehen bei mir anders aus.

Ich würde nicht mal behaupten, besonders ausgereifte Schlussfolgerungen zu haben. Mir stören hier wirklich vor allem um die zirkulären, idealistisch-verschwurbelten, untauglichen Begründungen der Gegenseite.
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Beitrag(#991388) Verfasst am: 30.04.2008, 12:52    Titel: Antworten mit Zitat

Argaith hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
das eine (Strafe) ist direkt abhängig von der Schwere der Tat und nach oben begrenzt, das andere (Sicherheitsverwahrung) hat mit der Tat nichts zu tun, sondern hängt nur von der (vermuteten) Gefährlichkeit des Täters ab.
Genau.
Die Gefährlichkeit des Täters zeigt sich vor allem an der Schwere der Tat, woran denn sonst?

Da habe ich zwei Einwände:

1. werden auf diese Weise manche Täter in ihrer Gefährlichkeit überschätzt, nämlich dann, wenn die Tat schwer, aber die Wiederholungswahrscheinlichkeit gering ist.

2. werden auf diese Weise Gefärliche übersehen, die noch keine schwere Tat begangen haben.

Argaith hat folgendes geschrieben:
Gerade im Wiederholungsfall wächst das Gewicht des Arguments für die Gefährlichkeit des Täters, ...

Ja, es wächst aufgrund der Kenntnis der Wiederholung. Sie ist ein - wenn auch sehr grobes - Korrelat der Gefährlichkeit.

Argaith hat folgendes geschrieben:
... weil auch die Gesamtheit seiner Schuld größer ist

Dieses "weil" ist mir unverständlich.
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Beitrag(#991394) Verfasst am: 30.04.2008, 13:03    Titel: Antworten mit Zitat

Du gehst jetzt davon aus, dass ich sage Schwere der Tat ist gleich Gefährlichkeit des Täters... warum? Ich sagte, es "zeigt sich vor allem" in der Tat.

Überschätzt? Ja, gut, sie können genausogut durch das sture Bemessen an der Tat unterschätzt werden Schulterzucken
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Beitrag(#991404) Verfasst am: 30.04.2008, 13:17    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:

Ja, es wächst aufgrund der Kenntnis der Wiederholung. Sie ist ein - wenn auch sehr grobes - Korrelat der Gefährlichkeit.


ahja, ich vergaß: Nenne mir mal bitte ein präziseres 'Messinstrument'...
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Beitrag(#991473) Verfasst am: 30.04.2008, 14:59    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Welche Ansicht soll das sein?

Es gibt keine "echte Willensfreiheit"?


Ich müsste mich wiederholen, um dies zu beantworten. Du hast meine Antwort bereits verlinkt.
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Beiträge: 12486

Beitrag(#991483) Verfasst am: 30.04.2008, 15:12    Titel: Antworten mit Zitat

step, tschuldigung, noch was.

Argaith hat folgendes geschrieben:
Du gehst jetzt davon aus, dass ich sage Schwere der Tat ist gleich Gefährlichkeit des Täters... warum? Ich sagte, es "zeigt sich vor allem" in der Tat.

Überschätzt? Ja, gut, sie können genausogut durch das sture Bemessen an der Tat unterschätzt werden Schulterzucken


Ich hab scheinbar einen Knick in der Linse oder in der Sehne, was weiss ich. Das hast du ja jedenfalls selbst schon gesagt. Es ist mir etwas missglückt, klar zu stellen, dass ich deine beiden Punkte 1. und 2. für eine Selbstwiderlegung halte, aber das ist jetzt weniger wichtig. Mir scheint, du willst dich unbedingt vom 'Schmutz' der gewöhnlichen Strafauffassung, wie ich sie scheinbar vertrete, loslösen, dabei gelingt es dir aber nicht, überzeugend einen Unterschied herauszuarbeiten. Das ist ein Problem und ich neige dazu, das leicht persönlich zu nehmen, ich gehöre mE nicht wirklich zu den Bösen, verstehst du? Das mit dem Goten ist nur so ein Tick von mir und ausserdem waren die Römer/Byzantiner schlimmer zwinkern
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Heiner
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Beitrag(#991508) Verfasst am: 30.04.2008, 16:29    Titel: Re: gegen die feindliche Übernahme durch das mechanistische Weltbild Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Das, was ich meine ist, dass man die Frage der Handlungsfreiheit vielleicht gar nicht zuerst von der Seite des Subjekts angehen sollte, sondern von der Seite objektiver Möglichkeiten a, b, c, ..., n, aus denen jeweils bestimmte Ergebnisse X, Y, Z folgen. Dabei kann man so etwas wie Ziele und Präferenzen zunächst mal aussen vor lassen.

In dem obigen Beispiel geht es darum, dass z.B. ein Staat bzw. eine Gruppe von Subjekten vor der Tatsache (!) steht, dass man die Energieversorgung entweder mit Atomenergie oder mit Solarenergie (oder mit einem Mix aus beidem) sicherstellen kann.

Man stelle sich vor, diese Möglichkeiten seien insofern äquivalent (gleichwertig) als dass sie beide mit ähnlichem Aufwand umzusetzen wären. Dies ist natürlich in der Realität bei diesem Beispiel nicht der Fall.

Es ist aber bei anderen Beispielen gegeben, etwa bei der Entscheidung für eine ausgewogene Ernährung. Ich kann z.B. den Tagesbedarf an Eiweiß, Kohlehydraten, Vitaminen und Flüssigkeiten durch ganz unterschiedliche Nahrungsmittel decken. Ich muss kein Fleisch essen, um Proteine zu mir zu nehmen. Es kann auch Soja sein.



Noch einmal: Der Begriff "äquivalent" ist hier falsch angewandt. Der Begriff stammt aus der Logik und bezeichnet dort die Tatsache, dass

Zitat:
zwei logische Ausdrücke den gleichen Wahrheitswert besitzen, gleichwertig sind, die gleichen Wahrheitswerte-Eintragungen in einer Wahrheitstabelle haben, wenn sie dieselben Wahrheitsfunktionen beinhalten, d.h. dieselben möglichen Welten ein- bzw. ausschließen.

http://wapedia.mobi/de/Logische_%C3%84quivalenz


Wie soll ich diese Definition nun auf Alternativen wie Atomenergie vs. Solarenergie übertragen? Bei solchen Alternativen geht es nicht um das Wahrheitskriterium, sondern um Mittel-Ziel-Relationen.
Die Bewertung der Alternativen ist letztlich immer subjektiv gebunden, da ich es bin, der das Ziel festlegt.
Beispiel: Wenn ich das Ziel einer möglichst effizienten Energieversorgung habe, dann ist Atomenergie die bessere Wahl, weil... Wenn ich das Ziel habe, bei der Energieversorgung das Gefährdungspotenzial möglichst gering zu halten, dann ist ist Solarenergie die bessere Wahl... usw.
Eine objektive Gleichrangigkeit zweier Möglichkeiten kann es daher nicht geben.

Was du vielleicht meinst, sind Situationen, in der der Wählende glaubt, dass für/gegen eine Sache genauso viele Argumente sprechen wie für/gegen eine andere Sache. Das sind typischerweise Situationen, in der sich der Wählende paralysiert fühlt und sich nicht in der Lage sieht, eine Willensentscheidung zu treffen - und ihm dann nur noch bleibt, die Würfel entscheiden zu lassen.

Streichen wir also den Begriff "äquivalent". Übrig bleibt die (triviale) Tatsache, dass ein Ziel häufig mit verschiedenen (!) Möglichkeiten erreicht werden kann. Welche Rolle spielt dabei die Erkenntnisfähigkeit?

Zitat:
Die Rolle bedingt frei entscheidender Subjekte kommt dann ins Spiel, wenn diese erkenntnisfähig in Bezug auf diese äquivalenten Wahlmöglichkeiten sind.


Ich sehe das Erkenntnisproblem nicht.
Will ich zur Arbeit gelangen, habe ich u.a. die Möglichkeit, zu Fuß zu gehen oder mit dem Auto zu fahren. Schön, ich erkenne, dass es diese Möglichkeiten gibt.
Nun will ich aber nicht zu Fuß zu gehen, sondern mit dem Auto fahren. Das Motiv, nicht eine halbe Stunde laufen zu müssen, ist so stark, dass es mir "beim besten Willen" nicht möglich ist, die "per pedes"-Variante zu wollen.

Worin genau siehst du jetzt daraus ein Erkenntnisproblem erwachsen?
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