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Ist Abtreibung Mord?
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Ilmor
auf eigenen Wunsch deaktiviert



Anmeldungsdatum: 13.12.2008
Beiträge: 7151

Beitrag(#1555051) Verfasst am: 14.10.2010, 00:41    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Ilmor hat folgendes geschrieben:
Ich würde das nicht unbedingt speziell am Schmerz festmachen, eher an der Entwicklung der Großhirnrinde, was ja laut Wikipedia in der 20.-24. Woche stattfindet.

Ich hoffe nicht, daß die Entwicklung dann aufhört ...


Wie gesagt, ich würde den Zeitpunkt am Anfang und nicht am Ende der Entwicklung festlegen.

Ilmor hat folgendes geschrieben:
Und um ganz sicher zu gehen, könnte man die Grenze für den Schwangerschaftsabbruch etwas früher ansetzen, sagen wir mal, bis zum vierten Monat.

Und welche Eigenschaft einer solchen jungen Großhirnrinde wäre dann warum ethisch relevant? [/quote]

Das wir nicht genau wissen können, inwiefern dieser Fötus bereits als Mensch zu betrachten ist und wir darum die Abtreibung sicherheitshalber verbieten.
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#1555100) Verfasst am: 14.10.2010, 09:55    Titel: Antworten mit Zitat

Ilmor hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Ilmor hat folgendes geschrieben:
Und um ganz sicher zu gehen, könnte man die Grenze für den Schwangerschaftsabbruch etwas früher ansetzen, sagen wir mal, bis zum vierten Monat.
Und welche Eigenschaft einer solchen jungen Großhirnrinde wäre dann warum ethisch relevant?
Das wir nicht genau wissen können, inwiefern dieser Fötus bereits als Mensch zu betrachten ist und wir darum die Abtreibung sicherheitshalber verbieten.

Ich drösel Deine Argumentation mal logisch auf:

P1: Ein menschlicher (!) Organismus, der mindestens eine junge Großhirnrinde besitzt, wird als Mensch definiert.
P2: Menschen darf man nicht töten.
-> Abtreibungsverbot für menschliche Schwangere ab 4. Monat (oder ähnlich)

Ich finde das löchrig und unvollständig.

- Es wird immer noch nicht klar, warum ausgerechnet die junge Großhirnrinde ethisch entscheidend sein soll.

- Und warum unterscheidest Du in einem so frühen Stadium zwischen menschlichen und tierischen Föten? Die haben doch, was die Großhirnrinde betrifft, in dem Stadium nahezu identische Eigenschaften. Du mußt also offensichtlich noch mehr ungenannte Prämissen haben.
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Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Babyface
Altmeister



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 11518

Beitrag(#1555106) Verfasst am: 14.10.2010, 10:01    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Babyface hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Babyface hat folgendes geschrieben:
Ja, das disp. Interesse eines Schlafenden, Komatösen (oder eben eines wachen Menschen, der wie der Schlafende oder Komatöse seine Interessen nicht immer im Bewusstsein repräsentiert/aktiviert hat) wäre eine direkte Begründung.

Weil?

Zuerst mal: was genau verstehst Du eigentlich genau unter einer direkten Begründung?

Also ich verstehe darunter Folgendes, (mal grob und vorläufig aus dem Bauch heraus 'ne Definition versucht - jetzt erst mal nur auf den hier besprochenen Zusammenhang bezogen): a) indirekt: liegt im Interesse von Dritten, b) direkt: liegt im Interesse des Betroffenen.

Wobei jedoch für mich unter b) nicht nur das aktuelle Interesse fällt, sondern auch ein zukünftiges gemeint sein kann. Beispiel: ich handele im (zukünftigen) Interesse meines 1-jährigen minderjährigen Kindes, wenn ich einen ihm zustehenden monetären Anspruch jetzt sichere, obgleich es selber noch zu klein ist, den späteren Nutzen dessen für es erkennen zu können.

Ja, mit der Definition von direkt vs indirekt sind wir uns in allen Punkten einig.

Hm. Verstehe ich jetzt noch nicht so recht in diesem Zusammenhang. Also kann man folglich das Tötungsverbot an einem Säugling dAn ebenso direkt begründen wie das an einem Bewusstlosen? Aber ist nicht das das, was Du oben bestritten hast?

Nochmal: Nein, ein Tötungsverbot kann man nicht direkt mit zukünftigen disp. (Lebens-)Interessen des Säuglings begründen, da im Falle der Tötungsfrage ja die Existenz solcher zukünftigen Interessen selbst zur Disposition steht. Hier greifen indirekte Gründe. Bei Diebstahl, Rücklagenbildung etc. ist das anders. Dort kann man neben indirekten Gründen auch mit zukünftigen Interessen des Säuglings argumentieren, da solche Handlungen im Gegensatz zur Tötung die zukünftige Existenz der disp. Interessen nicht in Frage stellen. Beim Bewusstlosen ist das anders, da der ja dispositionale Interessen nicht erst entwickeln muss sondern schon hat. Im Übrigen frage ich mich langsam schon, warum Du immer mit dem Bewusstlosen kommst. Ich habe bereits ausführlich begründet, dass das, was auf den Bewusstlosen in Bezug auf Interessen zutrifft, auch auf die meiste Zeit des Wachzustandes zutrifft.
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posted by Babyface
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#1555565) Verfasst am: 14.10.2010, 20:59    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... Ich bitte also jetzt mal höflich aber nachdrücklich um den Nachweis, wo bitte ich denn von 'Säuglingsmord' geredet hätte.

Hab nochmal genauer nachgeschaut. Du hast das Wort "Säuglingsmord" tatsächlich benutzt, etwa hier, aber ich gebe zu, daß ich keinen Zusammenhang finde, in dem Du es als Unterstellung formulierst. Da hab ich wohl die Strohmänner einiger anderer (z.B. Ilmor) damit vermischt, daß Du immer wieder von der Abtreibung auf die Säuglingstötung kommst und ich das als Intuitionsappell deute.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
nein, es geht hier immer noch nicht um Embryos. ... Aber ich kann leider nur antworten, wenn auf mich und auf das, was ich sage, eingegangen wird.
Es geht hier eigentlich sehrwohl um einen Embryo bzw. Fötus, der abgetrieben wird.
Nö, mir aber gerade nicht. Mir geht es um grundsätzlichere ethtische Fragen und Begründungen.

Heißt das, Dein Argument der "verbauten Zukunft", die "wahrscheinlich eintritt", gilt nicht für Embryonen, wohl aber für Säuglinge?

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Mir ging es aber hier vor allem um die Widerlegung des Potenzialitätsarguments. Und dazu habe ich den Embryo gewählt.
Ja, aber wenn es Dir um etwas anderes geht als mir - was dann? Dann gibt es wohl ein Problem. Ich bin Dir keine Rechenschaft schuldig.

Naja, schon so etwas wie "argumentative Rechenschaft". Bzw. die Leser sollen entscheiden, ob Dein Argument widerlegt ist oder nicht.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ich bin ja gar nicht hier, um die einzige Wahrheit zu verkünden, ich will lediglich lernen. (Kann ich aber mE nicht, wenn ich nur von anderen was abgreifen will, ich muss daher auch selber meine Meinung vertreten. Aber nur das tun zu müssen, nur Rede und Antwort stehen zu müssem - das will ich nicht, das bringt mir nix, das liegt nicht in meinem Interesse.)

Das sehe ich durchaus ähnlich, und ich argumentiere ja auch nicht gegen Dich, sondern gegen Dein Argument.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Es wäre ja schonmal was, wenn Du zugeben würdest, daß das Potenzialitätsargument (auch das von Birnbacher) kein Tötungsverbot eines Embryos begründen kann.
Das ist hier gerade schlicht nicht mein Thema. Ob es Dir passt oder nicht: das ist mir egal.

Tja, da kann ich dann wohl nix machen.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Nicht dass das hier falsch verstanden wird: ich mag Dich und ich schätze Dich sehr als Gesprächspartner. Das hier soll in keinster Weise ein persönlicher Angriff gegen Dich sein. Nur nervt mich im Moment ein bisschen, dass Du nicht über das reden willst, über das ich reden will.

OK, Du möchstest nicht weiter über das Potenzialitätsargument in bezug auf Abtreibung reden, das habe ich jetzt verstanden. Und habe auch kein Problem damit.
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AgentProvocateur
registrierter User



Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#1556431) Verfasst am: 16.10.2010, 17:53    Titel: Antworten mit Zitat

Babyface hat folgendes geschrieben:
Nochmal: Nein, ein Tötungsverbot kann man nicht direkt mit zukünftigen disp. (Lebens-)Interessen des Säuglings begründen, da im Falle der Tötungsfrage ja die Existenz solcher zukünftigen Interessen selbst zur Disposition steht. Hier greifen indirekte Gründe. Bei Diebstahl, Rücklagenbildung etc. ist das anders. Dort kann man neben indirekten Gründen auch mit zukünftigen Interessen des Säuglings argumentieren, da solche Handlungen im Gegensatz zur Tötung die zukünftige Existenz der disp. Interessen nicht in Frage stellen. Beim Bewusstlosen ist das anders, da der ja dispositionale Interessen nicht erst entwickeln muss sondern schon hat. Im Übrigen frage ich mich langsam schon, warum Du immer mit dem Bewusstlosen kommst. Ich habe bereits ausführlich begründet, dass das, was auf den Bewusstlosen in Bezug auf Interessen zutrifft, auch auf die meiste Zeit des Wachzustandes zutrifft.

Ja, nur stimme ich dem nun mal nicht zu.

Meiner Ansicht nach fließt in eine ethische Bewertung die Betrachtung der Zukunft mit ein, man betrachtet schlicht nicht nur den aktuellen Zeitpunkt und bestimmt draus den Status / die ethische Berücksichtigbarkeit.

Ich komme immer mit dem Bewusstlosen, weil der, betrachtete man nur das Hier und Jetzt, mE denselben (oder geringeren) Status wie ein Säugling haben müsste: der eine hat momentan kein Bewusstsein, der andere hat zwar Bewusstsein, aber kein, sagen wir mal, reflexives Bewusstsein, bzw. kein Bewusstsein von sich selber.

Wenn reflexives Bewusstsein besondere ethische Berücksichtigung fordert, man jedoch nur ausschließlich das Hier und Jetzt (und nicht das Später) betrachten will, dann fällt der Bewusstlose da nun mal raus.

Betrachten wir mal folgende momentanen Zustände:

1. jemand (ein normaler Erwachsener) ist bei Bewusstsein und ist auf einem solchen Stand mentaler Fähigkeiten, dass er reflektieren kann und ein Selbst-Bewusstsein hat
2. jemand (ein Säugling) ist bei Bewusstsein, aber hat kein Selbst-Bewusstsein
3. jemand (wieder ein durchschnittlicher Erwachsener) ist bewusstlos, was bedeutet, dass er momentan kein Bewusstsein (und auch kein Selbst-Bewusstsein) hat

Es ist nun einfach nicht richtig, dass auf den Bewusstlosen dasselbe in Bezug auf Interessen zutrifft wie auf den aktuell bewussten Erwachsenen aus Punkt 1. Dabei spielt es keine Rolle, ob ein bestimmtes Interesse immer vordergründig (im Arbeitsgedächtnis) vorhanden ist oder nicht, der Punkt ist der: das Interesse kann (und wird) im benötigten Falle sofort aktiviert werden. Und eben das ist beim Bewusstlosen nicht der Fall.

Wenn Du nun bei einem Bewusstlosen einen direkten Grund für ein Tötungsverbot siehst, dann gilt das mE auch für den Säugling. Und dieser Grund muss sich jeweils auf die interpolierte Zukunft richten.
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Ilmor
auf eigenen Wunsch deaktiviert



Anmeldungsdatum: 13.12.2008
Beiträge: 7151

Beitrag(#1556436) Verfasst am: 16.10.2010, 17:57    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Ilmor hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Ilmor hat folgendes geschrieben:
Und um ganz sicher zu gehen, könnte man die Grenze für den Schwangerschaftsabbruch etwas früher ansetzen, sagen wir mal, bis zum vierten Monat.
Und welche Eigenschaft einer solchen jungen Großhirnrinde wäre dann warum ethisch relevant?
Das wir nicht genau wissen können, inwiefern dieser Fötus bereits als Mensch zu betrachten ist und wir darum die Abtreibung sicherheitshalber verbieten.

Ich drösel Deine Argumentation mal logisch auf:

P1: Ein menschlicher (!) Organismus, der mindestens eine junge Großhirnrinde besitzt, wird als Mensch definiert.
P2: Menschen darf man nicht töten.
-> Abtreibungsverbot für menschliche Schwangere ab 4. Monat (oder ähnlich)

Ich finde das löchrig und unvollständig.

- Es wird immer noch nicht klar, warum ausgerechnet die junge Großhirnrinde ethisch entscheidend sein soll.

- Und warum unterscheidest Du in einem so frühen Stadium zwischen menschlichen und tierischen Föten? Die haben doch, was die Großhirnrinde betrifft, in dem Stadium nahezu identische Eigenschaften. Du mußt also offensichtlich noch mehr ungenannte Prämissen haben.


Ich glaube nicht an eine Seele, die ab einen bestimmten Zeitpunkt da ist. Vielmehr gehe ich von einem Bewusstsein aus, welches sich Schritt für Schritt entwickelt. Da ich nicht genau weiß, wann das Bewustsein da ist, nehme ich den frühesten Zeitpunkt, ab den es vorhanden sein könnte, nähmlich die Entwicklung der Großhirnrinde.
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fwo
Caterpillar D9



Anmeldungsdatum: 05.02.2008
Beiträge: 25959
Wohnort: im Speckgürtel

Beitrag(#1556773) Verfasst am: 17.10.2010, 04:19    Titel: Antworten mit Zitat

Ilmor hat folgendes geschrieben:
.....
Ich glaube nicht an eine Seele, die ab einen bestimmten Zeitpunkt da ist. Vielmehr gehe ich von einem Bewusstsein aus, welches sich Schritt für Schritt entwickelt. Da ich nicht genau weiß, wann das Bewustsein da ist, nehme ich den frühesten Zeitpunkt, ab den es vorhanden sein könnte, nähmlich die Entwicklung der Großhirnrinde.

Die "Entwicklung der Großhirnrinde" reicht aber nicht dafür, dass ein spezifisch menschliches Bewusstsein vorhanden sein könnte, geschweige denn dafür, dass es vorhanden ist.

Was meinst Du hier überhaupt mit Bewusstsein?

fwo
_________________
Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.

The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.

Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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Babyface
Altmeister



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 11518

Beitrag(#1558549) Verfasst am: 20.10.2010, 12:08    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Babyface hat folgendes geschrieben:
Nochmal: Nein, ein Tötungsverbot kann man nicht direkt mit zukünftigen disp. (Lebens-)Interessen des Säuglings begründen, da im Falle der Tötungsfrage ja die Existenz solcher zukünftigen Interessen selbst zur Disposition steht. Hier greifen indirekte Gründe. Bei Diebstahl, Rücklagenbildung etc. ist das anders. Dort kann man neben indirekten Gründen auch mit zukünftigen Interessen des Säuglings argumentieren, da solche Handlungen im Gegensatz zur Tötung die zukünftige Existenz der disp. Interessen nicht in Frage stellen. Beim Bewusstlosen ist das anders, da der ja dispositionale Interessen nicht erst entwickeln muss sondern schon hat. Im Übrigen frage ich mich langsam schon, warum Du immer mit dem Bewusstlosen kommst. Ich habe bereits ausführlich begründet, dass das, was auf den Bewusstlosen in Bezug auf Interessen zutrifft, auch auf die meiste Zeit des Wachzustandes zutrifft.

Ja, nur stimme ich dem nun mal nicht zu.

Meiner Ansicht nach fließt in eine ethische Bewertung die Betrachtung der Zukunft mit ein, man betrachtet schlicht nicht nur den aktuellen Zeitpunkt und bestimmt draus den Status / die ethische Berücksichtigbarkeit.

Strohmann. Pfeil http://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=1554872#1554872

Ich habe bereits mehrmals betont: Ich sage weder, dass in die ethische Bewertung die Betrachtung der Zukunft nicht einfließen könne, noch, dass der ethische Status nur aus dem aktuellen Zustand abgeleitet werden könne. Ich sage lediglich, dass bei der Tötung eines Säuglings, welcher noch keine Interessen hat, die direkte Verbotsbegründung mit zukünftigen Interessen des Säuglings logisch ungültig ist:

"Man darf einen Säugling nicht töten, da man mit der Tötung dessen zukünftig existierende Lebensinteressen verletzt." (= unlogische direkte Begründung mit zukünftigem Interesse)

Analog ungültige direkte Begründung : "Man darf aus einem männlichen Embryo keinen weiblichen machen, weil diese Handlung die späteren Interessen der Person, lieber ein Junge als ein Mädchen zu sein, verletzt."

Indirekte, zukunftsorientierte Begründungen wären aber immer noch möglich:
"Man darf den Säuglung nicht töten, weil das die Interessen Dritter an der zukünftigen Existenz/Entwicklung einer Person (mit Interessen) verletzen würde."


Zitat:
Es ist nun einfach nicht richtig, dass auf den Bewusstlosen dasselbe in Bezug auf Interessen zutrifft wie auf den aktuell bewussten Erwachsenen aus Punkt 1. Dabei spielt es keine Rolle, ob ein bestimmtes Interesse immer vordergründig (im Arbeitsgedächtnis) vorhanden ist oder nicht, der Punkt ist der: das Interesse kann (und wird) im benötigten Falle sofort aktiviert werden. Und eben das ist beim Bewusstlosen nicht der Fall.

Ja, aber die Möglichkeit ein Interesse überhaupt zu aktivieren (d.h. ins Arbeitsgedächtnis zu rufen) setzt doch vorraus, dass das Interesse in irgend einer Form als kognitives Schema bereits hintergründig vorhanden bzw. im Gehirn gespeichert/verknüpft ist (Disposition). Und vorhanden ist das halt auch im bewusstlosen Zustand (nicht aber beim Säugling), weshalb auch der Bewusstlose verletzbare Interessen hat. Man würde ja auch nicht sagen, dass ein Homosexueller plötzlich nicht mehr homosexuell ist, d.h. seine homosexuellen Präfenrenzen verliert, wenn man ihn bewusstlos schlägt.

Dass ein Interesse im Wachzustand, wie Du behauptest, benötigtenfalls sofort aktiviert wird, ist übrigens falsch. Wenn Dir ein Blumentopf auf den Kopf fällt und Dich sofort tötet, würde z.b. nichts aktiviert. Die tatsächliche Aktivierung eines LebensInteresses im Arbeitsgedächtnis ist also keinesfalls Voraussetzung um von einer Interessensverletzung zu sprechen.

Wenn Du das Vorliegen einer Interessensverletzung im Wachzustand stattdessen mit "das Interesse kann im benötigten Fall sofort aktiviert werden" begründest, dann begründest eben auch Du mit einer Disposition: im Sinne dass da etwas bereits vorhanden sein müsste, was unter bestimmten Umständen (u.a. der Wachzustand) aktiviert werden kann (s.o.). Nur sagst Du eben, das das Vorhandensein dieser Disposition nicht ausreicht, sondern gleichzeitig einer ihrer verhaltenswirksamen Umstände "Aktivierungsbereitschaft im Wachzustand" (welcher allerdings ebenfalls wiederum eine Disposition ist) vorliegen muss, damit man von einer Interessensverletzung sprechen kann. Und das finde ich willkürlich.
_________________
posted by Babyface
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AgentProvocateur
registrierter User



Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#1559552) Verfasst am: 22.10.2010, 02:20    Titel: Antworten mit Zitat

Babyface hat folgendes geschrieben:
Ich habe bereits mehrmals betont: Ich sage weder, dass in die ethische Bewertung die Betrachtung der Zukunft nicht einfließen könne, noch, dass der ethische Status nur aus dem aktuellen Zustand abgeleitet werden könne. Ich sage lediglich, dass bei der Tötung eines Säuglings, welcher noch keine Interessen hat, die direkte Verbotsbegründung mit zukünftigen Interessen des Säuglings logisch ungültig ist:

"Man darf einen Säugling nicht töten, da man mit der Tötung dessen zukünftig existierende Lebensinteressen verletzt." (= unlogische direkte Begründung mit zukünftigem Interesse)

So argumentiere ich aber schlicht nicht. Meine grundlegende Ansicht / Prämisse ist folgende: es ist moralisch falsch, einem hinreichend entwickelten Lebewesen mit zukünftigem Selbst-/-bewusstseinsleben / selbstbestimmtem / glücklichem Leben seine Existenz ohne guten Grund zu nehmen.

Babyface hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Es ist nun einfach nicht richtig, dass auf den Bewusstlosen dasselbe in Bezug auf Interessen zutrifft wie auf den aktuell bewussten Erwachsenen aus Punkt 1. Dabei spielt es keine Rolle, ob ein bestimmtes Interesse immer vordergründig (im Arbeitsgedächtnis) vorhanden ist oder nicht, der Punkt ist der: das Interesse kann (und wird) im benötigten Falle sofort aktiviert werden. Und eben das ist beim Bewusstlosen nicht der Fall.

Ja, aber die Möglichkeit ein Interesse überhaupt zu aktivieren (d.h. ins Arbeitsgedächtnis zu rufen) setzt doch vorraus, dass das Interesse in irgend einer Form als kognitives Schema bereits hintergründig vorhanden bzw. im Gehirn gespeichert/verknüpft ist (Disposition). Und vorhanden ist das halt auch im bewusstlosen Zustand (nicht aber beim Säugling), weshalb auch der Bewusstlose verletzbare Interessen hat. Man würde ja auch nicht sagen, dass ein Homosexueller plötzlich nicht mehr homosexuell ist, d.h. seine homosexuellen Präfenrenzen verliert, wenn man ihn bewusstlos schlägt.

Was ist mit einem im Koma Liegenden, der niemals mehr aufwachen wird? Hat disp. Interessen, die dAn berücksichtigt werden müssen - ergo dAn ein direkter Grund für ein Tötungsverbot, stimmt's?

Babyface hat folgendes geschrieben:
Dass ein Interesse im Wachzustand, wie Du behauptest, benötigtenfalls sofort aktiviert wird, ist übrigens falsch. Wenn Dir ein Blumentopf auf den Kopf fällt und Dich sofort tötet, würde z.b. nichts aktiviert.

Ja...

Ich präzisiere also: wird aktiviert, wenn genügend Zeit bleibt, dass es aktiviert werden kann.

Babyface hat folgendes geschrieben:
Die tatsächliche Aktivierung eines LebensInteresses im Arbeitsgedächtnis ist also keinesfalls Voraussetzung um von einer Interessensverletzung zu sprechen.

Doch, ist es wohl, bzw., naja, kommt natürlich auf die genaue Definition von 'Interesse' an. Nach Deiner mag das zwar so sein, aber die ist für meinen Geschmack weder Fisch noch Fleisch. Entweder definiert man Interesse als aktuelles bewusstes und äußerbares Wollen eines Wesens oder man definiert es mehr abstrakt, sozusagen als Zuweisung (auch in die Zukunft interpolierte - nicht nur das Hier und Jetzt Betrachtende) von Dritten.

Aber so ein Mittelding wie Deine Definition finde ich merkwürdig, willkürlich, für mich nicht nachvollziehbar. Nochmal: was ist mit dem im unendlichen-Koma-Liegenden? Der wacht niemals mehr auf, der wird keine bewussten Interessen mehr haben. Aber disp. Interessen hat er nach Deiner Definition dennoch und das ist das für Dich Entscheidende. Oder etwa nicht?

Meiner Ansicht nach gibt es aber in diesem Falle keinen direkten Grund, den Komatösen nicht zu töten. Denn er wird kein zukünftiges selbstbewusstes / selbstbestimmtes Leben mehr führen. Spielt überhaupt keine Rolle, dass er disp. Interessen nach Deiner Def. hat. Wüsste auch nicht, wieso, das leuchtet mir einfach nicht ein.

Disclaimer: das heißt natürlich nun nicht, dass er einfach so getötet werden darf, nur weil es mE keinen direkten Grund gegen seine Tötung gibt. Natürlich spielen hier indirekte Gründe, (die Interessen Dritter), eine gewichtige Rolle.

Babyface hat folgendes geschrieben:
Wenn Du das Vorliegen einer Interessensverletzung im Wachzustand stattdessen mit "das Interesse kann im benötigten Fall sofort aktiviert werden" begründest, dann begründest eben auch Du mit einer Disposition: im Sinne dass da etwas bereits vorhanden sein müsste, was unter bestimmten Umständen (u.a. der Wachzustand) aktiviert werden kann (s.o.). Nur sagst Du eben, das das Vorhandensein dieser Disposition nicht ausreicht, sondern gleichzeitig einer ihrer verhaltenswirksamen Umstände "Aktivierungsbereitschaft im Wachzustand" (welcher allerdings ebenfalls wiederum eine Disposition ist) vorliegen muss, damit man von einer Interessensverletzung sprechen kann. Und das finde ich willkürlich.

Wie gesagt: es geht mir doch gar nicht um eine Verletzung von Interessen, die noch gar nicht vorliegen, (und niemals vorliegen werden können - weil man z.B. eine Existenz terminiert - was logischerweise dann alle Interessen mit terminiert). S.o.

Nur verstehe ich jetzt ganz und gar nicht, wieso Du behauptest, Du würdest gar nicht den Standpunkt vertreten, der ethische Status eines Wesens könne aus seinem aktuellen Zustand abgeleitet werden. Eben das hast Du doch die ganze Zeit getan: es macht für Dich einen ethisch relevanten Unterschied, ob ein Wesen disp. Interessen hat oder nicht. Und danach richtet sich der ethische Status des jeweiligen Wesens nach Deiner Ansicht. Hat es disp. Interessen, dann bedeutet das für Dich einen direkten Grund, das Wesen nicht zu töten, hat es die nicht, dann gibt es für Dich keinen direkten Grund gegen einen Tötung, (für mich aber sehr wohl).

Und dies - einmal ein direkter Grund, einmal kein direkter Grund, (abhängig von dem Vorhandensein disp. Interessen) - bedeutet sehr wohl einen unterschiedlichen ethischen Status dieser Wesen. Es wäre demnach in Deiner Ansicht auch dann falsch ein Wesen mit disp. Interessen zu töten wenn kein einziger Dritter ein Interesse an ihm hätte, (-> direkter Grund). Aber es wäre nicht falsch, ein Wesen ohne aktuelle disp. Interessen zu töten, wenn gleichfalls kein Dritter ein Interesse an ihm hätte.

Ich meine: wenn das kein unterschiedlicher ethischer Status ist, dann verstehe ich noch nicht einmal im geringsten Ansatz, was Du eigentlich mit 'ethischer Status' meinen könntest.

Ein aktuelles disp. Interesse ist für mich kein Wert an sich! Verstehe das doch mal bitte endlich. Der Wert für mich liegt in dem selbstbestimmten / glücklichen / (bzw. nicht dauerhaft als unerträglich empfundenen) Leben, das zu beenden ich ab einem gewissen Entwicklungsstand für moralisch falsch halte - und dieser Entwicklungsstand liegt für mich definitiv früher als dem der Entwicklung von disp. Interessen nach Deiner Definition.
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Babyface
Altmeister



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 11518

Beitrag(#1559615) Verfasst am: 22.10.2010, 12:38    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Babyface hat folgendes geschrieben:
Ich habe bereits mehrmals betont: Ich sage weder, dass in die ethische Bewertung die Betrachtung der Zukunft nicht einfließen könne, noch, dass der ethische Status nur aus dem aktuellen Zustand abgeleitet werden könne. Ich sage lediglich, dass bei der Tötung eines Säuglings, welcher noch keine Interessen hat, die direkte Verbotsbegründung mit zukünftigen Interessen des Säuglings logisch ungültig ist:

"Man darf einen Säugling nicht töten, da man mit der Tötung dessen zukünftig existierende Lebensinteressen verletzt." (= unlogische direkte Begründung mit zukünftigem Interesse)

So argumentiere ich aber schlicht nicht.

Dann gibst Du entgegen Deiner Behauptung schlicht auch keine direkte Begründung für ein Tötungsverbot des Säuglings. Zur Erinnerung:

AP hat folgendes geschrieben:
a) indirekt: liegt im Interesse von Dritten, b) direkt: liegt im Interesse des Betroffenen.

Eine direkte Begründung eines Handlungsverbots mit den Interessen Betroffener müsste nämlich einen kausalen Zusammenhang zwischen Handlung und den Interessen im Sinne einer Interessensverletzung beinhalten. So wie auch die jur. Rechte von Personen die Handlungsfreiheit anderer nur dann einschränken können, wenn die Rechte durch die Handlungen anderer überhaupt verletzt würden.

Zitat:
Meine grundlegende Ansicht / Prämisse ist folgende: es ist moralisch falsch, einem hinreichend entwickelten Lebewesen mit zukünftigem Selbst-/-bewusstseinsleben / selbstbestimmtem / glücklichem Leben seine Existenz ohne guten Grund zu nehmen.

Das wäre wie bereits erklärt aber keine direkte, sondern eine indikrekte Begründung des Tötungsverbots mit Deinem Interesse an der Weiterexistenz eines solchen Lebewesens.


Zitat:
Babyface hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Es ist nun einfach nicht richtig, dass auf den Bewusstlosen dasselbe in Bezug auf Interessen zutrifft wie auf den aktuell bewussten Erwachsenen aus Punkt 1. Dabei spielt es keine Rolle, ob ein bestimmtes Interesse immer vordergründig (im Arbeitsgedächtnis) vorhanden ist oder nicht, der Punkt ist der: das Interesse kann (und wird) im benötigten Falle sofort aktiviert werden. Und eben das ist beim Bewusstlosen nicht der Fall.

Ja, aber die Möglichkeit ein Interesse überhaupt zu aktivieren (d.h. ins Arbeitsgedächtnis zu rufen) setzt doch vorraus, dass das Interesse in irgend einer Form als kognitives Schema bereits hintergründig vorhanden bzw. im Gehirn gespeichert/verknüpft ist (Disposition). Und vorhanden ist das halt auch im bewusstlosen Zustand (nicht aber beim Säugling), weshalb auch der Bewusstlose verletzbare Interessen hat. Man würde ja auch nicht sagen, dass ein Homosexueller plötzlich nicht mehr homosexuell ist, d.h. seine homosexuellen Präfenrenzen verliert, wenn man ihn bewusstlos schlägt.

Was ist mit einem im Koma Liegenden, der niemals mehr aufwachen wird? Hat disp. Interessen, die dAn berücksichtigt werden müssen - ergo dAn ein direkter Grund für ein Tötungsverbot, stimmt's?

Du neigst zur Simplifizierung. Wäre doch denkbar, dass der Komatöse zwar disp. Lebensinteressen, aber kein disp. Interesse hat, ein Leben ausgerechnet im komatösen Zustand zu "führen". Wäre das der Fall und bestünde zusätzlich die Sicherheit, dass er nie wieder erwacht, so würde eine Tötung nicht die Lebensinteressen des Komatösen bedrohen oder verletzen, da diese ja eh nicht mehr realisierbar wären.

Und was ist jetzt mit dem Homosexuellen?

Zitat:
Babyface hat folgendes geschrieben:
Die tatsächliche Aktivierung eines LebensInteresses im Arbeitsgedächtnis ist also keinesfalls Voraussetzung um von einer Interessensverletzung zu sprechen.

Doch, ist es wohl,

Tja, wenn ich Dein Lebensinteresse nicht verletze, wenn ich Dich kurz und schmerzlos umbringe, dann gibt es auch keine direkte Begründung dafür, Dich nicht auf diese Art um die Ecke zu bringen.
Und wenn ich das gleichzeitig mit allen Menschen tue, dann gäbe es weder direkte noch indirekte Gründe, die dagegen sprächen.

Zitat:
bzw., naja, kommt natürlich auf die genaue Definition von 'Interesse' an. Nach Deiner mag das zwar so sein, aber die ist für meinen Geschmack weder Fisch noch Fleisch. Entweder definiert man Interesse als aktuelles bewusstes und äußerbares Wollen eines Wesens oder man definiert es mehr abstrakt, sozusagen als Zuweisung (auch in die Zukunft interpolierte - nicht nur das Hier und Jetzt Betrachtende) von Dritten.

Wenn man es als aktuelles bewusstes Wollen definiert, folgt obiges. Die zweite Definition müsstest Du mal präzisieren.


Zitat:
Nur verstehe ich jetzt ganz und gar nicht, wieso Du behauptest, Du würdest gar nicht den Standpunkt vertreten, der ethische Status eines Wesens könne aus seinem aktuellen Zustand abgeleitet werden. Eben das hast Du doch die ganze Zeit getan: es macht für Dich einen ethisch relevanten Unterschied, ob ein Wesen disp. Interessen hat oder nicht. Und danach richtet sich der ethische Status des jeweiligen Wesens nach Deiner Ansicht. Hat es disp. Interessen, dann bedeutet das für Dich einen direkten Grund, das Wesen nicht zu töten, hat es die nicht, dann gibt es für Dich keinen direkten Grund gegen einen Tötung, (für mich aber sehr wohl).

Und dies - einmal ein direkter Grund, einmal kein direkter Grund, (abhängig von dem Vorhandensein disp. Interessen) - bedeutet sehr wohl einen unterschiedlichen ethischen Status dieser Wesen. Es wäre demnach in Deiner Ansicht auch dann falsch ein Wesen mit disp. Interessen zu töten wenn kein einziger Dritter ein Interesse an ihm hätte, (-> direkter Grund). Aber es wäre nicht falsch, ein Wesen ohne aktuelle disp. Interessen zu töten, wenn gleichfalls kein Dritter ein Interesse an ihm hätte.

Ich meine: wenn das kein unterschiedlicher ethischer Status ist, dann verstehe ich noch nicht einmal im geringsten Ansatz, was Du eigentlich mit 'ethischer Status' meinen könntest.

Lies genauer. Ich sagte nicht, dass man aus aktuellen Zuständen keinen ethischen Status ableiten könnte. Ich habe nur der Unterstellung widersprochen, ich würde den ethischen Status nur durch den aktuellen Zustand begründen. Ethischer Status wäre für mich z.b. Personenstatus (mit allen Rechten einer Person), den man auch dem Säugling aufrgrund der Interessen Dritter zuweisen kann, obwohl der aktuell keine eigenen disp. Interessen hat.

Zitat:
Ein aktuelles disp. Interesse ist für mich kein Wert an sich! Verstehe das doch mal bitte endlich. Der Wert für mich liegt in dem selbstbestimmten / glücklichen / (bzw. nicht dauerhaft als unerträglich empfundenen) Leben, das zu beenden ich ab einem gewissen Entwicklungsstand für moralisch falsch halte - und dieser Entwicklungsstand liegt für mich definitiv früher als dem der Entwicklung von disp. Interessen nach Deiner Definition.

Wie schon weiter oben erklärt. Den Wert an sich gibt es eh nicht. Deine Wertzuschreibung ist hier klar erkennbar Konsequenz und Ausdruck Deiner aktuellen disp. Bewahrungsinteressen, wie das Wertzuschreibungen nunmal immer sind. Wertzuweisungen sind also immer durch disp. Interessen begründet.
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Beitrag(#1560149) Verfasst am: 23.10.2010, 16:24    Titel: Antworten mit Zitat

Ich fasse mal ein bisschen zusammen.

Ich verstehe unter Interesse zwei etwas unterschiedliche, aber zusammenhängende Dinge:

a) aktuelle Interessen sind bewusste Vorlieben, Wünsche, etc. Beispiele: das Interesse an Schmerzfreiheit, Sättigung, Sexualität, Freiheit oder auch das Interesse an einem zukünftigen Leben.

Soweit stimmen wir wohl noch überein, der Unterschied besteht jetzt aber wohl darin, dass ich meine, dass ein aktuelles Interesse bei Bewusstlosigkeit nicht vorhanden ist.

Nun redest Du von dispositionalen Interessen, aber das ist mE insofern falsch, als Du damit meinst, das seien aktuelle Interessen, denn das sind sie mAn im Falle des Bewusstlosen / Komatösen nicht. Der hat lediglich zukünftige Interessen, die er dann haben wird, wenn er aus seiner Bewusstlosigkeit aufwacht.

Daher finde ich es auch falsch, zu sagen, um Deine Frage diesbezüglich zu beantworten, dass ein bewusstloser Homosexueller ein Interesse an Homosexualität habe. Man sagt, weil man die Vergangenheit und die Zukunft dabei mit einbezieht: 'der bewusstlose X ist homosexuell', aber genau genommen ist er es aktuell nicht - wenn man denn nur das Hier und Jetzt betrachten will - was man aber normalerweise nicht tut, dafür gibt es normalerweise auch keinen Grund.

b) abstrahierte Interessen sind etwas Umfassenderes, in einem längeren Zeitraum Betrachtetes. Man kann demnach sagen, man handele im Interesse von jemandem, auch dann, wenn dieser dieses Interesse aktuell nicht hat. Damit ist etwas Langfristiges, also die Zukunft Betreffendes gemeint. Ich kann im langfristigen Interesse eines Suizidalen handeln, wenn ich ihn von seinem Suizid abhalte, auch wenn das seinem aktuellen Interesse nicht entspricht. Und ich handele im Interesse des Bewusstlosen (oder des Säuglings), wenn ich ihn nicht töte und das ist meiner Ansicht nach ein direkter Grund, denn es geht dabei nicht vorrangig um meine Interessen (ist nützlich für mich) oder die Dritter, sondern eben um die des Betroffenen.

Nun ist Dein Einwand an dieser Stelle folgender: die Zukunft eines Individuums muss nur dann berücksichtigt werden, wenn sie überhaupt eintritt. Wenn ich jemanden töte, kann sie jedoch nicht mehr eintreten.

Nun gut, ich halte das nicht für richtig, denn ich habe mE auch gegenüber jemandem, der keine aktuellen Interessen hat, eine moralische Verpflichtung. Was nichts mit einem Wert an sich zu tun hat, sondern was zweifellos auf meinen Einstellungen beruht. Was aber etwas mit dem Wert zu tun hat, den ich einem Bewusstseinsleben zuweise. Ich halte es für falsch, den Säugling zu töten, weil ich ihn für hinreichend entwickelt halte, so dass es mAn falsch wäre, ihn seiner Zukunft zu berauben. Das Gleiche gilt für den Bewusstlosen. Und das halte ich, wie gesagt, für einen direkten Grund, weil ich dann in seinem Sinne handele - obgleich er das jetzt nicht erkennen kann, es nicht sein aktuelles Interesse ist. Und das ist ungeachtet dessen ein direkter Grund, dass diese Überlegungen meinen Ansichten entspringen, auf meinen Interessen basieren, denn das gilt schlicht für alles, was ich vertrete. Wäre das alleine ein Argument gegen das 'direkt', dann könnte gar nichts ein direkter Grund sein.

An Deiner Ansicht finde ich nach wie vor unlogisch, dass Du einen Unterschied zwischen dem Säugling und dem Bewusstlosen mit aktuellen Interessen begründest. Entweder ist mE ein Tötungsverbot bei beiden ausschließlich indirekt begründbar oder in beiden Fällen zusätzlich auch direkt.

Deine Ausführungen über 'dispositionale Interessen' überzeugen mich wohl schlicht nicht.
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step
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Beitrag(#1560198) Verfasst am: 23.10.2010, 17:05    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur an Babyface hat folgendes geschrieben:
Nun ist Dein Einwand an dieser Stelle folgender: die Zukunft eines Individuums muss nur dann berücksichtigt werden, wenn sie überhaupt eintritt. Wenn ich jemanden töte, kann sie jedoch nicht mehr eintreten.

Nun gut, ich halte das nicht für richtig, denn ich habe mE auch gegenüber jemandem, der keine aktuellen Interessen hat, eine moralische Verpflichtung.

Das ist aber gar keine wirkliche Entgegnung auf den o.g. Einwand. Beides schließt sich nicht aus, denn es könnte sein, daß man eine moralische Verpflichtung gegenüber einem aktuell interesselosen ethschen Objekt unabhängig von dessen Zukunft als Subjekt begründen kann.

AgentProvocateur an Babyface hat folgendes geschrieben:
Ich halte es für falsch, den Säugling zu töten, weil ich ihn für hinreichend entwickelt halte, so dass es mAn falsch wäre, ihn seiner Zukunft zu berauben.

Die Begründung finde ich immer noch unlogisch, da der Säugling ja abhängig von Deiner Entscheidung unterschiedliche Zukünfte hat (sofort Tod, oder eben ein glückliches oder unglückliches Leben und dann Tod). Du formulierst aber so, als ob seine Zukunft schon feststünde, also teleologisch.

Du sagst also eigentlich eher Folgendes aus:

"Ich halte es für falsch, den Säugling zu töten, weil so weit entwickelte menschliche Organismen mAn erwachsen werden sollten. Wenn ich ihn jedoch töte, verhindere ich die Erreichung dieses Ziels."

In Wirklichkeit ist es also - wie Babyface schon mehrmals festgestellt hat - Dein eigenes Ziel für den Säugling, das Du formulierst.

AgentProvocateur an Babyface hat folgendes geschrieben:
Das Gleiche gilt für den Bewusstlosen.

Man könnte jedoch einwenden, daß man beim Bewußtlosen wenigstens etwas weniger indirekt argumentieren kann - da jeder Ethiker in diese Situation kommen kann (und dafür spielt es keine Rolle, ob es eine Frau am Amazonas ist).

Ob man das nun letztlich als direkt oder indirekt bezeichnet, ist glaube ich nicht scharf zu entscheiden. In der Spieltheorie nennt man es mWn eher "direkt", wenn ich nicht will, daß A mich tötet, sobald ich einschlafe, und "indirekt", wenn ich darauf achte, wie A mit schlafenden Dritten umgeht.
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Beitrag(#1560233) Verfasst am: 23.10.2010, 17:40    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Das ist aber gar keine wirkliche Entgegnung auf den o.g. Einwand. Beides schließt sich nicht aus, [...]

Doch, das schließt sich aus. Entweder ist die Behauptung von Babyface richtig, dann ist meine Einstellung falsch. Oder meine Einstellung ist logisch widerspruchsfrei möglich, dann ist aber die Behauptung falsch.

step hat folgendes geschrieben:
Die Begründung finde ich immer noch unlogisch, da der Säugling ja abhängig von Deiner Entscheidung unterschiedliche Zukünfte hat (sofort Tod, oder eben ein glückliches oder unglückliches Leben und dann Tod). Du formulierst aber so, als ob seine Zukunft schon feststünde, also teleologisch.

Ich formuliere so wie beim Bewusstlosen.

step hat folgendes geschrieben:
In Wirklichkeit ist es also - wie Babyface schon mehrmals festgestellt hat - Dein eigenes Ziel für den Säugling, das Du formulierst.

Nun ja, nicht ganz. Der Säugling wird mir wahrscheinlich zustimmen, wenn ich ihn später frage, ob ich in der Vergangenheit in seinem Interesse gehandelt habe, (ihn nicht zu töten). Ebenso wie der Bewusstlose.

Jedoch muss ich in beiden Fällen die spätere Sichtweise der anderen in diesen Fällen interpolieren, das ist unweigerlich so und dabei kann ich mich auch irren.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur an Babyface hat folgendes geschrieben:
Das Gleiche gilt für den Bewusstlosen.

Man könnte jedoch einwenden, daß man beim Bewußtlosen wenigstens etwas weniger indirekt argumentieren kann - da jeder Ethiker in diese Situation kommen kann (und dafür spielt es keine Rolle, ob es eine Frau am Amazonas ist).

Aber das ist erstens dann anders argumentiert, als Babyface das tut, (der Bewusstlose habe ein dispositionales Lebensinteresse und das sei ein direkter Grund, ihn nicht zu töten) und zweitens fällt das nach meiner Auffassung eindeutig unter einen indirekten Grund.

Ein direkten Grund ist mE hier, wie gesagt, wenn es um die Belange des Betroffenen geht. Ein indirekter Grund, wenn es um Belange Dritter geht. Also schlicht etwas anderes, als das, was Du darunter verstehst.
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Beitrag(#1560394) Verfasst am: 23.10.2010, 20:34    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Das ist aber gar keine wirkliche Entgegnung auf den o.g. Einwand. Beides schließt sich nicht aus, [...]
Doch, das schließt sich aus. ...

Du könntest eine moralische Verpflichtung gegenüber einem Bewußtlosen haben, obwohl dessen konditionale Zukunft als Subjekt dafür nicht als Begründung taugt. Na gut, nur das Wort "denn" in Deinem Posting oben wäre dann falsch.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Die Begründung finde ich immer noch unlogisch, da der Säugling ja abhängig von Deiner Entscheidung unterschiedliche Zukünfte hat (sofort Tod, oder eben ein glückliches oder unglückliches Leben und dann Tod). Du formulierst aber so, als ob seine Zukunft schon feststünde, also teleologisch.
Ich formuliere so wie beim Bewusstlosen.

Ja, da ist es aber genauso unlogisch. Nur finden wir da leichter indirekte Argumente für ein evtl. Tötungsverbot.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
In Wirklichkeit ist es also - wie Babyface schon mehrmals festgestellt hat - Dein eigenes Ziel für den Säugling, das Du formulierst.
Nun ja, nicht ganz. Der Säugling wird mir wahrscheinlich zustimmen, wenn ich ihn später frage, ob ich in der Vergangenheit in seinem Interesse gehandelt habe, (ihn nicht zu töten). Ebenso wie der Bewusstlose.

Das kommt u.a. darauf an, ob er dann noch lebt und Dir antworten kann. Dazu müßtest Du die Wahrscheinlichkeit kennen, daß er überlebt, die hängt aber von Deiner Entscheidung ab. Die Frage ist NICHT analog zu der, ob Du jemanden schlägst / im Schlaf bestiehlst, denn in diesem Fall kannst Du direkt extrapolieren, ob er später darunter leidet bzw. rückwirkend seine Interessen verletzt sieht.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Jedoch muss ich in beiden Fällen die spätere Sichtweise der anderen in diesen Fällen interpolieren, ...

Du mußt extrapolieren, allerdings jeweils die (wahrscheinliche) Zukunft der entsprechenden Entscheidungsvariante.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... Aber das ist erstens dann anders argumentiert, als Babyface das tut ...

Das mag schon sein. Mit Babyface bin ich mir vor allem einig, daß das Potenzialitätsargument ("Zukunft verbauen") als Grund für ein Tötungsverbot von Embryonen, Säuglingen usw. unlogisch ist.
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Beitrag(#1560561) Verfasst am: 23.10.2010, 22:57    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ich fasse mal ein bisschen zusammen.

Ich verstehe unter Interesse zwei etwas unterschiedliche, aber zusammenhängende Dinge:

a) aktuelle Interessen sind bewusste Vorlieben, Wünsche, etc. Beispiele: das Interesse an Schmerzfreiheit, Sättigung, Sexualität, Freiheit oder auch das Interesse an einem zukünftigen Leben.

Soweit stimmen wir wohl noch überein, der Unterschied besteht jetzt aber wohl darin, dass ich meine, dass ein aktuelles Interesse bei Bewusstlosigkeit nicht vorhanden ist.

Sehr witzig. Wenn man Interessen als etwas Bewusstes definiert, dann sind sie freilich beim Bewusstlosen nicht vorhanden. Der Punkt ist, dass sie dann im Wachzustand ebenfalls nicht vorhanden wären bzw. man hätte nur in den wenigen Momenten Interessen (u.a. auch sexuelle Präferenzen), wenn man gerade bewusst an sie denkt. Dagegen hattest Du eingewandt, dass der entscheidende Unterschied darin bestünde, dass Interessen nur im Wachzustand aber nicht im bewusstlosen Zustand aktivierbar seien. Das ist zwar korrekt, aber für die Feststellung, ob Interessen vorhanden sind ist es schlicht irrelevant, ob sie gerade aktivierbar sind oder nicht (sollte eigentlich schon aufgrund der Sprachlogik auffallen). Denn das was im Wachzustand in Deinem Gehirn aktiviert wird, ist ein kognitives Schema mit neuronalem Substrat, welches sich im bewusstlosen Zustand nicht einfach so in Luft auflöst. Hatte ich aber schon oben ausgeführt.

Ebenso hatte ich darauf hingewiesen, dass eine Knüpfung der aktuellen Existenz von Interessen an deren Aktivierbarkeit selbst auf ein dispositionales Interessenkonstrukt rekurriert, denn Aktivierbarkeit umschreibt nichts anderes als eine Disposition.

Vielleicht solltest Du Dich mal mit diesen bereits vorgebrachten Einwänden auseinandersetzen, anstatt das Rad in der Diskussion ständig an jene Stellen zurückzudrehen, bevor sie eingeworfen wurden, nur damit sie der andere nochmal wiederholen darf und irgendwann entnervt das Handtuch schmeisst.

Zitat:
b) abstrahierte Interessen sind etwas Umfassenderes, in einem längeren Zeitraum Betrachtetes. Man kann demnach sagen, man handele im Interesse von jemandem, auch dann, wenn dieser dieses Interesse aktuell nicht hat. Damit ist etwas Langfristiges, also die Zukunft Betreffendes gemeint. Ich kann im langfristigen Interesse eines Suizidalen handeln, wenn ich ihn von seinem Suizid abhalte, auch wenn das seinem aktuellen Interesse nicht entspricht. Und ich handele im Interesse des Bewusstlosen (oder des Säuglings), wenn ich ihn nicht töte und das ist meiner Ansicht nach ein direkter Grund, denn es geht dabei nicht vorrangig um meine Interessen (ist nützlich für mich) oder die Dritter, sondern eben um die des Betroffenen.

Nun ist Dein Einwand an dieser Stelle folgender: die Zukunft eines Individuums muss nur dann berücksichtigt werden, wenn sie überhaupt eintritt. Wenn ich jemanden töte, kann sie jedoch nicht mehr eintreten.

Mein Einwand ist ganz einfach: Interessen begründen nur dann Handlungsverbote, wenn die Konsequenz dieser Handlungen eine tatsächliche Verletzung dieser Interessen darstellt. Alles andere ist schlicht irrationales Geschwätz..

Daraus folgt dann auch, dass man die Säuglingstötung nicht mit den zukünftigen Interessen des Säuglings begründen kann.
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Beitrag(#1561001) Verfasst am: 24.10.2010, 23:55    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Die Begründung finde ich immer noch unlogisch, da der Säugling ja abhängig von Deiner Entscheidung unterschiedliche Zukünfte hat (sofort Tod, oder eben ein glückliches oder unglückliches Leben und dann Tod). Du formulierst aber so, als ob seine Zukunft schon feststünde, also teleologisch.
Ich formuliere so wie beim Bewusstlosen.

Ja, da ist es aber genauso unlogisch.

Okay.

Also haben wir schlicht einen Dissens bei der Frage, ob es direkt moralisch falsch ist, ohne guten Grund jemanden zu töten, der das nicht mitbekommt. Meiner Ansicht nach ist ungeachtet dessen, ob er es mitbekommt, falsch, Deiner Ansicht nach nicht.

(Genauer gesagt wäre das Deiner Ansicht nach nur dann falsch, wenn es Dritte beträfe, also aus indirekten Gründen. Weil, wenn jemand tot ist, er schlicht nicht mehr existiert und ihn ergo nichts mehr betreffen kann.)

Meiner Ansicht nach wäre es aber auch dann moralisch falsch, wenn der andere und ich die einzigen Überlebenden auf der Welt wären.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Nun ja, nicht ganz. Der Säugling wird mir wahrscheinlich zustimmen, wenn ich ihn später frage, ob ich in der Vergangenheit in seinem Interesse gehandelt habe, (ihn nicht zu töten). Ebenso wie der Bewusstlose.

Das kommt u.a. darauf an, ob er dann noch lebt und Dir antworten kann. Dazu müßtest Du die Wahrscheinlichkeit kennen, daß er überlebt, die hängt aber von Deiner Entscheidung ab. Die Frage ist NICHT analog zu der, ob Du jemanden schlägst / im Schlaf bestiehlst, denn in diesem Fall kannst Du direkt extrapolieren, ob er später darunter leidet bzw. rückwirkend seine Interessen verletzt sieht.

Aber die Frage ist komplett analog zu der, ob ich ein Wesen mit der völlig beliebigen Entwicklungsstufe X im Schlaf töte oder nicht. Und darum geht es mir ja hier gerade in der Argumentation mit Babyface.

Babyface postuliert direkte Gründe, (ab einer gewissen Entwicklungsstufe), ich auch, (jedoch ab einer anderen, früheren Entwicklungsstufe), für Dich aber gibt es überhaupt keine direkten Gründe gegen ein Tötungsverbot. Richtig? (Mal abgesehen davon, dass eine Tötung wegen der eventuellen Angst oder der Schmerzen des Getöteten moralisch falsch wäre, aber wenn man beides vermeiden würde: dann gäbe es keine, dann wäre eine Tötung ethisch neutral, wenn Interessen Dritter dadurch nicht verletzt würden, richtig?)

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Jedoch muss ich in beiden Fällen die spätere Sichtweise der anderen in diesen Fällen interpolieren, ...

Du mußt extrapolieren, allerdings jeweils die (wahrscheinliche) Zukunft der entsprechenden Entscheidungsvariante.

Nein, finde ich nun mal nicht: ich muss zusätzlich extrapolieren, was das für denjenigen, der von meiner Entscheidung betroffen ist, bedeutet. Ich finde auch nicht, dass ich, wenn ich entscheide, ihn zu terminieren, das einen Unterschied bei meiner Entscheidungsfindung machen soll.

Für denjenigen bedeutet das unweigerlich in dem Falle, dass er nicht mehr existiert und das ist mE ein Schaden für ihn. Es soll unlogisch sein, wenn ich das so sehe? Ich finde nicht, ich finde, dass ein Wesen ab einer gewissen Entwicklungsstufe mit einem gewissen Entwicklungspotential ein Recht darauf hat, sein Leben weiterzuleben und dieses Potential selber zu gestalten. Ich finde nicht, dass ich das Recht habe, eigenmächtig ohne guten Grund darüber zu entscheiden, ob er das soll oder nicht. Und dieses Recht hat mit dem Wohlbefinden / den Interessen Dritter nichts zu tun.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... Aber das ist erstens dann anders argumentiert, als Babyface das tut ...

Das mag schon sein. Mit Babyface bin ich mir vor allem einig, daß das Potenzialitätsargument ("Zukunft verbauen") als Grund für ein Tötungsverbot von Embryonen, Säuglingen usw. unlogisch ist.

Ja, dann bleibt eben hier festzuhalten, dass Du und Babyface anderer Meinung diesbezüglich seid als ich. Und zusätzlich: dass anscheinend Du und ich anderer Meinung sind als Babyface, was den Bewusstlosen betrifft.

Tja. Also haben wir nun drei unterschiedlichen Meinungen.
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Beitrag(#1561005) Verfasst am: 25.10.2010, 00:26    Titel: Antworten mit Zitat

Babyface hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ich fasse mal ein bisschen zusammen.

Ich verstehe unter Interesse zwei etwas unterschiedliche, aber zusammenhängende Dinge:

a) aktuelle Interessen sind bewusste Vorlieben, Wünsche, etc. Beispiele: das Interesse an Schmerzfreiheit, Sättigung, Sexualität, Freiheit oder auch das Interesse an einem zukünftigen Leben.

Soweit stimmen wir wohl noch überein, der Unterschied besteht jetzt aber wohl darin, dass ich meine, dass ein aktuelles Interesse bei Bewusstlosigkeit nicht vorhanden ist.

Sehr witzig. Wenn man Interessen als etwas Bewusstes definiert, dann sind sie freilich beim Bewusstlosen nicht vorhanden. Der Punkt ist, dass sie dann im Wachzustand ebenfalls nicht vorhanden wären bzw. man hätte nur in den wenigen Momenten Interessen (u.a. auch sexuelle Präferenzen), wenn man gerade bewusst an sie denkt. Dagegen hattest Du eingewandt, dass der entscheidende Unterschied darin bestünde, dass Interessen nur im Wachzustand aber nicht im bewusstlosen Zustand aktivierbar seien. Das ist zwar korrekt, aber für die Feststellung, ob Interessen vorhanden sind ist es schlicht irrelevant, ob sie gerade aktivierbar sind oder nicht (sollte eigentlich schon aufgrund der Sprachlogik auffallen). Denn das was im Wachzustand in Deinem Gehirn aktiviert wird, ist ein kognitives Schema mit neuronalem Substrat, welches sich im bewusstlosen Zustand nicht einfach so in Luft auflöst. Hatte ich aber schon oben ausgeführt.

Ja, Du hast es mehrfach ausgeführt, ich habe das verstanden und es hat mich nicht überzeugt. An meiner Definition ist gar nichts 'witzig', auch nicht im übertragenen von Dir gemeinten Sinne. Ich kann definieren wie immer ich will und Du kannst das auch. Wir haben aber letztlich unterschiedliche Meinungen und damit musst Du leben.

Entscheidend sind hier andere. Und was sie richtiger finden, müssen sie selber entscheiden. Spielt letztlich keine Rolle, was Du oder ich darüber denken, nur unsere Argumente spielen evtl. eine Rolle.

Was ich denke, habe ich dargestellt. Und was Du denkst, hast Du ebenfalls dargestellt.

Babyface hat folgendes geschrieben:
Ebenso hatte ich darauf hingewiesen, dass eine Knüpfung der aktuellen Existenz von Interessen an deren Aktivierbarkeit selbst auf ein dispositionales Interessenkonstrukt rekurriert, denn Aktivierbarkeit umschreibt nichts anderes als eine Disposition.

Ja, Du hast auf dies hingewiesen und ich auf anderes. Und nun?

Ein Säugling hat mAn schon alles, was einen Menschen ausmacht und dazu gehört auch seine Zukunft, die er wahrscheinlich erleben wird, ein bewusstes Leben, das nicht dauerhaft unerträglich ist - so wie bei anderen Menschen, egal welcher Entwicklungsstufe, auch.

Und deswegen ist es mE moralisch falsch, und zwar direkt, ihn zu töten.

Das sei unlogisch, weil nur dispositonale Interessen nach Deiner Definition einen direkten Grund gegen eine Tötung begründen können?

Ja, Du siehst es so und ich anders. Wie gesagt. Wir sind an einem Totpunkt angelangt.

Babyface hat folgendes geschrieben:
Vielleicht solltest Du Dich mal mit diesen bereits vorgebrachten Einwänden auseinandersetzen, anstatt das Rad in der Diskussion ständig an jene Stellen zurückzudrehen, bevor sie eingeworfen wurden, nur damit sie der andere nochmal wiederholen darf und irgendwann entnervt das Handtuch schmeisst.

Naja, also ich bin schon manchmal ein bisschen begriffsstutzig, das weiß ich wohl selber auch, aber jetzt habe ich, glaube ich, Deinen Standpunkt hinreichend begriffen.

Nur teilen tue ich ihn dennoch nicht.

Babyface hat folgendes geschrieben:
Interessen begründen nur dann Handlungsverbote, wenn die Konsequenz dieser Handlungen eine tatsächliche Verletzung dieser Interessen darstellt. Alles andere ist schlicht irrationales Geschwätz..

Daraus folgt dann auch, dass man die Säuglingstötung nicht mit den zukünftigen Interessen des Säuglings begründen kann.

Nun, das ist eben schlicht unser Dissens, in dem Punkt haben wir keine Übereinstimmung. Mehr gibt es nicht zu sagen. Sollen eben die Leser beurteilen, wie sie das sehen.

Nur eine kleine Anmerkung noch: es ist immer noch nicht so, dass mein direkter Grund gegen eine Säuglingstötung die zukünftigen Interessen, (die ja bei einer Tötung nicht entstehen können), sind, sondern ich finde es schlicht moralisch falsch, einem hinreichend entwickelten zukünftig selbstbewusstseinsfähigen Wesen sein zukünftiges Bewusstseinsleben zu nehmen. (Fände ich auch nicht so prickelnd, wenn jemand mir das nehmen dürfte, nur weil ich gerade nichts merke - und da habe ich so einen kleinen irrationalen Gerechtigkeitsfimmel: was für mich gilt, soll auch für andere gelten - und der Säugling ist mAn nicht grundlegend anders als ich - auch wenn er das für Dich sein mag.)

Und, mal explizit, nicht dass später wieder darauf herumgeritten wird:

- das ist meine Einstellung, meine Meinung, mein Interesse
- das ist eine Prämisse / Setzung - d.h. ich werde (und kann) das nicht weiter begründen
- das bezieht sich nicht auf das aktuelle Interesse des Säuglings
- jedoch meine ich dennoch, damit auch im abstrahierten Interesse des Säuglings zu handeln, d.h. seine spätere Zustimmung zu erhalten, in seinem Sinne zu handeln
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step
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Beitrag(#1561049) Verfasst am: 25.10.2010, 09:22    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur an Babyface hat folgendes geschrieben:
Ein Säugling hat mAn schon alles, was einen Menschen ausmacht und dazu gehört auch seine Zukunft, die er wahrscheinlich erleben wird, ein bewusstes Leben, das nicht dauerhaft unerträglich ist - so wie bei anderen Menschen, egal welcher Entwicklungsstufe, auch.

An welcher Eigenschaft des Säuglings genau machst Du fest, welche Zukunft "er" wahrscheinlich haben wird? Schließlich ist er nicht allein überlebensfähig.

Könnte es sein, daß Deine "Wahrscheinlichkeit seiner Zukunft" eher auf einer evolutionär/kulturell bedingten Eigenschaft unserer Gesellschaft basiert? Wir sind zur Fortpflanzung programmiert ...
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Beitrag(#1561131) Verfasst am: 25.10.2010, 14:26    Titel: Antworten mit Zitat

Ihr vergesst oft die Rückseite der Medallie. Wenn man ein Kriterium für den Beginn menschlichen Lebens heranzieht, dann muss es folgerichtig auch für das Ende menschlichen Lebens gelten.

Der Tod ist juristisch definiert als das irreversible Erlöschen aller Hirnströme. Solange noch ein einziges Elektron im Stammhirn zuckt, lebt ein Mensch.

1. Großhirnrinde
In unseren Krankenhäusern liegen Menschen, die seit Jahren keine messbare Großhirnfunktion haben. Rechtlich sind sie aber nicht "tot" sondern "komatös".

2. Bewustsein
Die oben beschriebenen Personen haben weder ein Bewustsein noch ein Selbstbewustsein.

Beide Kriterien sind daher für eine Definition von "Mensch" ungeeignet. Würde man sie heranziehen, wären viele Komapatienten per definitionem Leichen.
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Beitrag(#1561132) Verfasst am: 25.10.2010, 14:30    Titel: Antworten mit Zitat

Dr. Evil hat folgendes geschrieben:
Ihr vergesst oft die Rückseite der Medallie. Wenn man ein Kriterium für den Beginn menschlichen Lebens heranzieht, dann muss es folgerichtig auch für das Ende menschlichen Lebens gelten.

Der Tod ist juristisch definiert als das irreversible Erlöschen aller Hirnströme. Solange noch ein einziges Elektron im Stammhirn zuckt, lebt ein Mensch.

1. Großhirnrinde
In unseren Krankenhäusern liegen Menschen, die seit Jahren keine messbare Großhirnfunktion haben. Rechtlich sind sie aber nicht "tot" sondern "komatös".

2. Bewustsein
Die oben beschriebenen Personen haben weder ein Bewustsein noch ein Selbstbewustsein.

Beide Kriterien sind daher für eine Definition von "Mensch" ungeeignet. Würde man sie heranziehen, wären viele Komapatienten per definitionem Leichen.

Nein. Ich muss nicht für beide Enden des Menschen die selbe Definition nehmen. Derartige Definitionen leben nicht nur von der Theorie, sondern auch von der Handhabbarkeit. Dazu gibt es auch schon Beiträge von mir.

EDIT: Nachtrach: Zur Definition der Person gehört auch die persönliche Geschichte. Es ist deshalb ein objektiver Unterschied zwischen der Großhirnrinde und ihrer Funktion eines alten Menschen und der eines Neugeborenen.

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Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.

The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.

Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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Beitrag(#1561769) Verfasst am: 26.10.2010, 21:46    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur an Babyface hat folgendes geschrieben:
Ein Säugling hat mAn schon alles, was einen Menschen ausmacht und dazu gehört auch seine Zukunft, die er wahrscheinlich erleben wird, ein bewusstes Leben, das nicht dauerhaft unerträglich ist - so wie bei anderen Menschen, egal welcher Entwicklungsstufe, auch.

An welcher Eigenschaft des Säuglings genau machst Du fest, welche Zukunft "er" wahrscheinlich haben wird? Schließlich ist er nicht allein überlebensfähig.

An seiner bereits erreichten bewussten Entwicklungsstufe, die sehr wahrscheinlich, wenn nichts dazwischenkommt, (z.B. eine tödliche Krankheit, die aber bei jedem anderen ganz genauso dessen Zukunft vereiteln kann), zu einer Person, und somit zu einem erfüllten Bewusstseinsleben führen wird, (vergleichbar mit dem meinigen, das ich egoistischerweise ziemlich schätze), so man ihn nicht terminiert oder sonstwie seine Entwicklung behindert, indem man seine Bedürfnisse nicht befriedigt oder dergleichen.

Ich bin auch alleine, ohne Gesellschaft, nicht lebensfähig, nicht lebensfähig zu einem Leben, wie es mir vorschwebt, wie ich es gerne leben möchte. Daher verstehe ich Deinen Punkt hier nicht. Das spielt keine Rolle, das unterscheidet mich überhaupt nicht vom Säugling. Und überhaupt: werde ich temporär krank, so dass ich gar nix mehr alleine machen kann, ohne Hilfe nicht mehr überleben kann, dann bin ich ebenso auf andere angewiesen wie der Säugling auch. So wie jeder x-beliebige andere, das zeichnet nun mich nicht besonders aus, das ist allgemein übertragbar.

step hat folgendes geschrieben:
Könnte es sein, daß Deine "Wahrscheinlichkeit seiner Zukunft" eher auf einer evolutionär/kulturell bedingten Eigenschaft unserer Gesellschaft basiert? Wir sind zur Fortpflanzung programmiert ...

Nein, der Grund liegt einfach darin, dass mir nicht einsichtig ist, wieso ein Säugling anders behandelt werden sollte als ein beliebiges anderes Mitglied der Gesellschaft, (z.B. ich), wieso er andere Rechte haben sollte als ich, nur weil ich auf einer anderen Entwicklungsstufe bin als er, jedoch eine Entwicklungsstufe, die er ebenso erreichen wird, (so nichts dazwischenkommt, wie gesagt). Denn die Entwicklungsstufe des Säuglings erscheint mir schlicht hinreichend für eine gleiche Behandlung.

Es hat schon Methode, dass Du meine Fragen snippst und mir aber immer dennoch neue Fragen stellst, nicht? Was versprichst Du Dir davon, außer mich zu nerven?

So läuft aber eine Diskussion nicht, es geht nicht, dass nur immer ich meine Hosen runterlasse und Du dann sagst: 'hehe, guckt mal, der hat die Hose unten'.

Meine Frage war: Du siehst überhaupt keinen direkten Grund, (in jemandes Sinne und zu dessen Vorteil zu handeln), wenn es darum geht, ob jemand x-beliebiger (egal, welchen Entwicklungsstand der hat) getötet werden darf oder nicht, richtig? Weil es deswegen egal ist, weil er danach ja tot ist und es ihn persönlich nicht mehr jucken kann und eine erfüllte, selbstbestimmte, glückliche Zukunft eines Individuums für dich keinerlei Wert hat, nicht?
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Beitrag(#1561824) Verfasst am: 27.10.2010, 00:32    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
An welcher Eigenschaft des Säuglings genau machst Du fest, welche Zukunft "er" wahrscheinlich haben wird? Schließlich ist er nicht allein überlebensfähig.
An seiner bereits erreichten bewussten Entwicklungsstufe, die sehr wahrscheinlich, wenn nichts dazwischenkommt, ... zu einer Person ... führen wird, ... so man ihn nicht terminiert oder sonstwie seine Entwicklung behindert, indem man seine Bedürfnisse nicht befriedigt oder dergleichen.

Ist das nicht zirkelschlüssig? Du forderst, seine Bedürfnisse zu befriedigen, da es wahrscheinlich ist, daß er überlebt, wenn man seine Bedürfnisse befriedigt.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ich bin auch alleine, ohne Gesellschaft, nicht lebensfähig, nicht lebensfähig zu einem Leben, wie es mir vorschwebt, wie ich es gerne leben möchte ... werde ich temporär krank, so dass ich gar nix mehr alleine machen kann, ohne Hilfe nicht mehr überleben kann, dann bin ich ebenso auf andere angewiesen wie der Säugling auch ... das ist allgemein übertragbar.

Ja, auch auf Tiere z.B. - außer man wertet eben die Tatsache als Unterschied, daß Du, anders als Säuglinge und die meisten Tiere, ein Bewußtsein davon, ein Interesse an der Hilfe durch Andere hast.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Es hat schon Methode, dass Du meine Fragen snippst und mir aber immer dennoch neue Fragen stellst, nicht? Was versprichst Du Dir davon, außer mich zu nerven?

Da fühle ich mich falsch dargestellt. Ich snippe, entweder weil ich zustimme, oder wiel es eine Wiederholung ist, oder weil ich finde, daß es von dem für mich entscheidenden Punkt weggeht. Hier z.B. geht es mir nur um die Widerlegung des Potenzialitätsarguments, also darum zu zeigen, daß Dein "wahrscheinliche Zukunft verbauen" ein teleologischer oder naturalistischer Fehlschluß oder ein Zirkelschluß ist.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Meine Frage war: Du siehst überhaupt keinen direkten Grund, (in jemandes Sinne und zu dessen Vorteil zu handeln), wenn es darum geht, ob jemand x-beliebiger (egal, welchen Entwicklungsstand der hat) getötet werden darf oder nicht, richtig? Weil es deswegen egal ist, weil er danach ja tot ist und es ihn persönlich nicht mehr jucken kann und eine erfüllte, selbstbestimmte, glückliche Zukunft eines Individuums für dich keinerlei Wert hat, nicht?

Naja, dirket oder indirekt, das ist letzlich Definitionssache. Aber in der Tat meine ich, daß eine rationale Ethik Tötungsverbote von Wesen, die keine Interessen haben, nur so begründen kann:
- über direkte Interessen an diesen Wesen, oder entsprechende gemeinsame Ziele
- über indirekte Gründe, z.B. daß ich selbst in diese Situation kommen könnte o.ä.
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Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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AgentProvocateur
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Beitrag(#1562796) Verfasst am: 29.10.2010, 02:12    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Meine Frage war: Du siehst überhaupt keinen direkten Grund, (in jemandes Sinne und zu dessen Vorteil zu handeln), wenn es darum geht, ob jemand x-beliebiger (egal, welchen Entwicklungsstand der hat) getötet werden darf oder nicht, richtig? Weil es deswegen egal ist, weil er danach ja tot ist und es ihn persönlich nicht mehr jucken kann und eine erfüllte, selbstbestimmte, glückliche Zukunft eines Individuums für dich keinerlei Wert hat, nicht?

Naja, dirket oder indirekt, das ist letzlich Definitionssache.

Ja, aber meine Definition hier lautet nach wie vor so: direkt ist ein Grund dann, wenn er im (auch zukünftigen - der Bewusstlose z.B.) Sinne des von der Handlung Betroffenen ist. Wenn es ihm selber zugute kommt, unabhängig davon, ob Dritte davon profitieren oder nicht.

Indirekt ist ein Grund für ein Tötungsverbot bezüglich jemandem dann, wenn er Dritten nützlich ist, ungeachtet der Nützlichkeit für den von der Tötung Betroffenen.

step hat folgendes geschrieben:
Aber in der Tat meine ich, daß eine rationale Ethik Tötungsverbote von Wesen, die keine Interessen haben, nur so begründen kann:
- über direkte Interessen an diesen Wesen, oder entsprechende gemeinsame Ziele
- über indirekte Gründe, z.B. daß ich selbst in diese Situation kommen könnte o.ä.

Aber dann musst Du konsequenterweise jede Angst eines Wesens vor dem Tod, (nicht vor dem Vorgang des Sterbens! - das ist was anderes), als irrational ansehen.

Und dass ein irrationaler Wunsch, ein irrationales Interesse, in einer rationalen Ethik berücksichtigt werden soll, ist ja keineswegs selbstverständlich.

Ein langfristiges Ziel einer rationalen Ethik wäre es, die irrationalen, unlogischen Interessen abzubauen, durch Aufklärung zu beseitigen, nicht?

Und wenn das Interesse an einem zukünftigen bewussten Leben irrational ist, (weil es dann ja gar nicht mehr existiert), dann fallen all die ganzen Interessen Dritter weg. Zumindest die, die die nicht genuin egoistisch sind, (z.B. der Unterhalter der Familie ist tot, das ist schlecht für uns, oder: den mag ich, das ist ein sympathisches Kerlchen, ich will seine Gesellschaft auch zukünftig genießen etc. pp.).

Aber der Grund: 'ich kann in die Situation kommen, getötet zu werden und dann bin ich ja weg' ist dann schlicht nur noch irrational, ist nicht mehr zu berücksichtigen, muss bekämpft werden, weil eben irrational. Weil: wenn der Betreffende bei seiner Tötung bewusstlos ist, merkt er ja nix und danach existiert er schlicht nicht mehr, demnach und also muss es ihm dann gleichgültig sein.

Das ist mein Punkt hier, darauf will ich eine Antwort. Und das schlichte Postulat, das Babyface getätigt hat, dass nämlich dispositionale Interessen ein Wert an sich seien, befriedigt mich nicht. Da kann ich ganz genauso postulieren, dass eben für mich das Leben (inkl. seiner Zukunft) eines Säuglings ein Wert an sich sei. Was ich ja auch tue. Weil mir nicht einsichtig ist was mein mE erfülltes Leben prinzipiell vom (mE sehr wahrscheinlich) erfüllten Leben des Säugling unterscheiden sollte. Und dann genauso berechtigt wie Babyface, da gibt es keinen prinzipiellen Unterschied.

Und auch stimme ich nicht zu, dass es plausibler wäre, erwachsene Bewusstlose nicht zu töten als bewusstlose Säuglinge. Mag ja für dich eine per-se-Prämisse sein, bzw. Du findest das vielleicht plausibler als ich, aber ich stimme dieser Deiner Ethik dann schlicht nicht zu. Die überzeugt mich nicht. Liegt nicht in meinem Interesse, die sich nicht nur auf meine genuinen Eigen-Interessen beziehen, sondern das auch andere einbezieht, auch und sogar gerade dann, wenn ich niemals in deren Situation kommen kann. Ich käme mir total schäbig vor, wenn das eine Rolle für mich spielen würde und schäbig will ich nicht sein. Ist Empathie oder ein Gerechtigkeitsgefühl, das ich nicht umgehen kann, wie auch immer, das spielt hier keine Rolle. Ist vielleicht auch irgendwie egoistisch: ich will mich selber noch im Spiegel sehen können. Mag sein, will ich nicht abstreiten, ist aber hier wurscht. Eine Rolle spielt jedoch, dass Du dieses mein Interesse berücksichtigen musst, wenn Du eine Vertragsethik anstrebst. Denn das ist mir ziemlich wichtig, wird es nicht berücksichtigt, dann kriegst Du keine Zustimmung von mir.

Die Interessen Dritter sollten nicht alleine über die Existenz oder Nicht-Existenz jemandes bestimmen können, das erscheint mir absurd, so eine Gesellschaft will ich nicht, die wäre mir unerträglich. Ich respektiere andere einfach nur deswegen, weil sie existieren und ich habe mE kein Recht, ihre Existenz willkürlich oder aus Gründen, die ich für sinnvoll halte, zu beenden. Egal dabei, dass es denen in dem Falle egal sein muss, weil sie dann ja nicht mehr existieren. Es ist einfach nicht richtig, unabhängig davon, dass ich das im umgekehrten Falle auch für falsch halte.

Oder, nein, genau genommen ist es so, dass ich das im umgekehrten Falle auch für falsch halten würde. Egal, für wie unlogisch und irrational Du Das hältst. Da ich dann ja nicht mehr existierte.

Und wenn Du Dich jetzt beschwerst, dass ich Deine Frage gesnippt habe: tja, tit for tat, da siehst Du mal, wie sich das anfühlt. Und zwar habe ich aus denselben Gründen gesnippt, die Du angegeben hast. Wenn die okay sind, dann auch in meinem Falle.
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zelig
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Beitrag(#1562814) Verfasst am: 29.10.2010, 07:47    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
[...]
Und auch stimme ich nicht zu, dass es plausibler wäre, erwachsene Bewusstlose nicht zu töten als bewusstlose Säuglinge. Mag ja für dich eine per-se-Prämisse sein, bzw. Du findest das vielleicht plausibler als ich, aber ich stimme dieser Deiner Ethik dann schlicht nicht zu. Die überzeugt mich nicht. Liegt nicht in meinem Interesse, die sich nicht nur auf meine genuinen Eigen-Interessen beziehen, sondern das auch andere einbezieht, auch und sogar gerade dann, wenn ich niemals in deren Situation kommen kann. Ich käme mir total schäbig vor, wenn das eine Rolle für mich spielen würde und schäbig will ich nicht sein. Ist Empathie oder ein Gerechtigkeitsgefühl, das ich nicht umgehen kann, wie auch immer, das spielt hier keine Rolle. Ist vielleicht auch irgendwie egoistisch: ich will mich selber noch im Spiegel sehen können. Mag sein, will ich nicht abstreiten, ist aber hier wurscht. Eine Rolle spielt jedoch, dass Du dieses mein Interesse berücksichtigen musst, wenn Du eine Vertragsethik anstrebst. Denn das ist mir ziemlich wichtig, wird es nicht berücksichtigt, dann kriegst Du keine Zustimmung von mir.

Die Interessen Dritter sollten nicht alleine über die Existenz oder Nicht-Existenz jemandes bestimmen können, das erscheint mir absurd, so eine Gesellschaft will ich nicht, die wäre mir unerträglich. Ich respektiere andere einfach nur deswegen, weil sie existieren und ich habe mE kein Recht, ihre Existenz willkürlich oder aus Gründen, die ich für sinnvoll halte, zu beenden. Egal dabei, dass es denen in dem Falle egal sein muss, weil sie dann ja nicht mehr existieren. Es ist einfach nicht richtig, unabhängig davon, dass ich das im umgekehrten Falle auch für falsch halte.

Oder, nein, genau genommen ist es so, dass ich das im umgekehrten Falle auch für falsch halten würde. Egal, für wie unlogisch und irrational Du Das hältst. Da ich dann ja nicht mehr existierte.[...]



Ich möchte hier noch kurz erörtern, was ich als verhängnisvollen Irrtum betrachte, weil es zu falschen Schlüssen führt. Und zwar wird nicht ausreichend unterschieden zwischen den Bedingungen einer rationalen Diskussionsführung, und den Bedingungen des Menschseins sowie den Bedingungen einer funktionierenden menschlichen Sozietät.
Ich bin beispielsweise der Auffassung, daß der Mensch nicht in der Lage ist, dauerhaft und mit auf möglicherweise rationaler Ethik gründenden Regelungen zu leben die die Tötung eines Neugeborenen begründungsfrei zuließe, ohne an sich selber Schaden zu nehmen. Das begründe ich mit der mangelnden Fähigkeit, zwischen Individuum und Typ zu unterscheiden einerseits und der im wesentlichen emotional, jedoch nicht rational fundierten Bindungsmechanismen zwischen den Menschen. Die gleichgültig hingenommene Tötung eines Neugeborenen, medial verbreitet (denn was sollte gegen die Verbreitung von Bildern sprechen, die nach einer rationalen Ethik akzeptierte Handlungsweisen darstellen?), hätte unvermeidlich Auswirkungen auf den Umgang der Menschen, sowie derer Regelungen untereinander. Ein individuelles Säugling steht in der Wahrnehmung für den Menschen in einer bestimmten Phase, und dieser wieder für den Menschen generell.
Der übliche Einwand gegen diesen Gedankengang lautet ungefähr, eine rationale Ethik könne keine Argumente akzeptieren, die auf irrationales Verhalten gründen. Aber dieser Einwand selber gründet bereits auf der irrigen Annahme, der Mensch könne die beste Form des Zusammenlebens finden, indem er Regeln findet, die ausschließlich seiner Ratio entspringen, ohne dessen irrationale Verfasstheit zu berücksichtigen.

Ein Wort noch zum Begriff der Irrationalität. In diesem Beitrag hat Irrationalität -im Gegensatz zum allgemeinen Sprachgebrauch im FGH- kein negatives Vorzeichen. Die fundamentalen menschlichen Bindungen, die erst die Voraussetzungen für eine funktionierende menschliche (im doppelten Wortsinn) Gemeinschaft bilden, ermöglichen erst den kulturellen Überfluss der Menschen. Welcher wiederum uns die Hoffnung ermöglicht, das zu werden, was wir sein wollen.
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esme
lebt ohne schützende Gänsefüßchen.



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Beiträge: 5667

Beitrag(#1562817) Verfasst am: 29.10.2010, 07:59    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Ein langfristiges Ziel einer rationalen Ethik wäre es, die irrationalen, unlogischen Interessen abzubauen, durch Aufklärung zu beseitigen, nicht?


Nein. Das Ziel ist der Interessensausgleich, nicht das Beseitigen der Interessen.

Wenn es mein Interesse ist, dass alle Menschen Seifenblasen machen, wenn sie mich sehen, dann wird man höchstwahrscheinlich zu dem Schluß kommen, dass mein Interesse dem der anderen untergeordnet wird, aber ob ich versuche dieses Bedürfnis aufzugeben oder jeden Tag sehnsüchtig nach Seifenblasen Ausschau halte, ist mein Problem.

Was mich an deinem Satz ratlos lässt, ist, was dann überhaupt noch das Ziel sein sollte. Meines Erachtens haben auch alls rationalen Interessen eine irrationale Grundlage. Ich glaube ein Problem ist, dass du das Wort 'irrational' in zwei verschiedenen Bedeutungen verwendet.
_________________
Gunkl über Intelligent Design:
Da hat sich die Kirche beim Rückzugsgefecht noch einmal grandios verstolpert und jetzt wollen sie auch noch Haltungsnoten für die argumentative Brez'n, die sie da gerissen haben.
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Babyface
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Beitrag(#1562911) Verfasst am: 29.10.2010, 12:24    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Babyface hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ich fasse mal ein bisschen zusammen.

Ich verstehe unter Interesse zwei etwas unterschiedliche, aber zusammenhängende Dinge:

a) aktuelle Interessen sind bewusste Vorlieben, Wünsche, etc. Beispiele: das Interesse an Schmerzfreiheit, Sättigung, Sexualität, Freiheit oder auch das Interesse an einem zukünftigen Leben.

Soweit stimmen wir wohl noch überein, der Unterschied besteht jetzt aber wohl darin, dass ich meine, dass ein aktuelles Interesse bei Bewusstlosigkeit nicht vorhanden ist.

Sehr witzig. Wenn man Interessen als etwas Bewusstes definiert, dann sind sie freilich beim Bewusstlosen nicht vorhanden. Der Punkt ist, dass sie dann im Wachzustand ebenfalls nicht vorhanden wären bzw. man hätte nur in den wenigen Momenten Interessen (u.a. auch sexuelle Präferenzen), wenn man gerade bewusst an sie denkt. Dagegen hattest Du eingewandt, dass der entscheidende Unterschied darin bestünde, dass Interessen nur im Wachzustand aber nicht im bewusstlosen Zustand aktivierbar seien. Das ist zwar korrekt, aber für die Feststellung, ob Interessen vorhanden sind ist es schlicht irrelevant, ob sie gerade aktivierbar sind oder nicht (sollte eigentlich schon aufgrund der Sprachlogik auffallen). Denn das was im Wachzustand in Deinem Gehirn aktiviert wird, ist ein kognitives Schema mit neuronalem Substrat, welches sich im bewusstlosen Zustand nicht einfach so in Luft auflöst. Hatte ich aber schon oben ausgeführt.

Ja, Du hast es mehrfach ausgeführt, ich habe das verstanden und es hat mich nicht überzeugt. An meiner Definition ist gar nichts 'witzig', auch nicht im übertragenen von Dir gemeinten Sinne. Ich kann definieren wie immer ich will und Du kannst das auch.

Definieren darfst Du wie Du willst. Aber behaupte dann nicht, ich würde argumentieren, dass Deine Definition von Interesse auf den Bewusstlosen zutrifft, wenn Du Interesse zuvor als bewussten Zustand definiert hast!

Zitat:
Wir haben aber letztlich unterschiedliche Meinungen und damit musst Du leben.

Womit ich allerdings nicht leben muss, sind manipulative Falschdarstellungen meiner Ansichten.

Zitat:
Babyface hat folgendes geschrieben:
Ebenso hatte ich darauf hingewiesen, dass eine Knüpfung der aktuellen Existenz von Interessen an deren Aktivierbarkeit selbst auf ein dispositionales Interessenkonstrukt rekurriert, denn Aktivierbarkeit umschreibt nichts anderes als eine Disposition.

Ja, Du hast auf dies hingewiesen und ich auf anderes. Und nun?

Jetzt wäre es für Dich eben mal an der Zeit einen klareren Standpunkt zu beziehen:

Entweder, Du knüpfst die aktuelle Existenz von Interessen an deren momentane Aktivierbarkeit und betrachtest Interessen damit ebenfalls als Disposition. Dann stellt sich eben die Frage, warum Du so überhaupt gar kein Veständnis für meine, ebenfalls dispositionale Interessensdefinition aufbringen kannst, zumal Deine dispositionale Definition genau das voraussetzt was meine Definition im Kern beinhaltet - nämlich die Existenz eines kotgnitiven Schemas, welches im Wachzustand aktiviert werden kann.

Oder Du knüpft die aktuelle Existenz von Interessen nicht an deren momentane Aktivierbarkeit, sondern nur an deren momentane Bewusstheit, dann hätte man halt nach deiner Ansicht auch im Wachzustand die meiste Zeit keine Interessen.

Also?


Zitat:
- jedoch meine ich dennoch, damit auch im abstrahierten Interesse des Säuglings zu handeln, d.h. seine spätere Zustimmung zu erhalten, in seinem Sinne zu handeln

Es ist aber irrational zu meinen, man handele im späteren Interesse eines Wesens, wenn die Entstehung der späteren Interessen von der Handlungsentscheidung selbst abhängig ist.

Wenn Du so argumentierst, müsstes Du auch sagen, man hätte im Interesse des damals weiblichen Embryo gehandelt, als man einen männlichen aus ihm gemacht hat, wenn Du die spätere Zustimmung des Jungen erhältst. Das ist aber offenbar widersinnig.
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Babyface
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 11518

Beitrag(#1562916) Verfasst am: 29.10.2010, 12:32    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Das ist mein Punkt hier, darauf will ich eine Antwort. Und das schlichte Postulat, das Babyface getätigt hat, dass nämlich dispositionale Interessen ein Wert an sich seien, befriedigt mich nicht. Da kann ich ganz genauso postulieren, dass eben für mich das Leben (inkl. seiner Zukunft) eines Säuglings ein Wert an sich sei. Was ich ja auch tue. Weil mir nicht einsichtig ist was mein mE erfülltes Leben prinzipiell vom (mE sehr wahrscheinlich) erfüllten Leben des Säugling unterscheiden sollte. Und dann genauso berechtigt wie Babyface, da gibt es keinen prinzipiellen Unterschied.

Ich habe bereits mehrfach darauf hingewiesen (zuletzt auf dieser Threadseite!), dass es mMn keine Werte an sich gibt, sondern nur interessensbedingte Wertzuschreibungen. Es ist intellektuell unredlich, mir solche Standpunkte unterzuschieben, um einen taktischen Vorteil daraus zu gewinnen.

Babyface hat folgendes geschrieben:
AP hat folgendes geschrieben:
Ein aktuelles disp. Interesse ist für mich kein Wert an sich! Verstehe das doch mal bitte endlich. Der Wert für mich liegt in dem selbstbestimmten / glücklichen / (bzw. nicht dauerhaft als unerträglich empfundenen) Leben, das zu beenden ich ab einem gewissen Entwicklungsstand für moralisch falsch halte - und dieser Entwicklungsstand liegt für mich definitiv früher als dem der Entwicklung von disp. Interessen nach Deiner Definition.


Wie schon weiter oben erklärt. Den Wert an sich gibt es eh nicht. Deine Wertzuschreibung ist hier klar erkennbar Konsequenz und Ausdruck Deiner aktuellen disp. Bewahrungsinteressen, wie das Wertzuschreibungen nunmal immer sind. Wertzuweisungen sind also immer durch disp. Interessen begründet.

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AgentProvocateur
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Beitrag(#1562932) Verfasst am: 29.10.2010, 13:13    Titel: Antworten mit Zitat

Ich glaube, mein Punkt hier ist immer noch nicht so richtig klar geworden.

Meine These ist die: eine Ethik, die keinen direkten Grund für ein Tötungsverbot akzeptieren will, (insofern, als sie auch einem zukünftigen Bewusstseinsleben einen Wert zumisst), schlägt fehl dabei, ein Tötungsverbot hinreichend begründen zu können.

Es wird dann nämlich ziemlich unverständlich, warum es überhaupt ein Tötungsverbot geben soll, denn dieses beruht meiner Ansicht schlicht darauf, dass es den meisten Menschen ein extrem unangenehmer Gedanke ist, ihr von ihnen geschätztes Leben nicht mehr weiterführen zu können - und dieser Gedanke bezieht sich nun mal unweigerlich auf die Zukunft, d.h. sie weisen ihrem zukünftigen Dasein einen Wert zu und wollen deswegen nicht getötet werden, weil sie das noch erleben wollen.

Aber eben genau dieser Gedanke wird von Dir (step) als unlogisch abgelehnt, der sei ein Potentionalitätsargument und daher nicht zu berücksichtigen.

Wäre dem aber so, was bliebe dann noch an indirekten Gründen für ein Tötungsverbot?

So, wie ich das sehe, nur dieser:

- der Verlust, den Nahestehende, Abhängige und Andere durch den Tod des Getöteten erleiden.

Aber das ist, wenn das alles ist, ein schwacher Grund, d.h. zwar ein guter und hinreichender Grund gegen bestimmte Tötungen, jedoch keineswegs ein Grund für ein generelles Tötungsverbot.

Dieser indirekte Grund jedoch fällt schlicht weg:

- die Angst und Unsicherheit, die eine Tötung (und besonders eine Praxis des Tötens) bei Dritten bewirkt.

Diese Angst und Unsicherheit basiert Deiner Ansicht nach auf einem Potentionalitätsargument, das irrational und unlogisch sei, und sie berücksichtigt gar nicht, dass man, wenn man tot, ja nix mehr merkt, einem alles egal ist. Ist daher insgesamt unlogisch und eine logische Ethik sollte nicht auf einer unlogischen Ansicht basieren. Ziel müsste es sein, diese in sich unlogische Angst durch Aufklärung zu beseitigen, damit am Ende alles logisch ist - soweit das möglich ist. Und in diesem Falle ist es zumindest vorstellbar, dass die Angst verschwindet, wenn man die Deiner Ansicht nach unlogischen Grundlagen, auf der sie basiert, darlegt und das stichhaltig ist und eingesehen wird. Könnte ja sein, dass am Ende alle sagen: "ja, stimmt, war unlogisch, dass ich Angst davor hatte, getötet zu werden. Das muss mich dann ja nicht mehr jucken, weil ich dann ja tot bin. Heureka. Jetzt ist meine Angst vor dem Tod weg.".

Gleiches gilt für die nächsten beiden indirekten Argumente:

- jede Ausnahme vom Tötungsverbot, die sich - für sich betrachtet - utilitaristisch rechtfertigen lässt, beinhaltet ein Risiko, als Freibrief für weitere, unberechtigte Ausnahmen mißverstanden zu werden (Dammbruch-Argent)

- von Bedeutung seien die Auswirkungen von Tötungshandlungen auf das Selbstverständnis indirekt betroffener Individuen

Wenn es aber nicht unzulässig, (weil unlogisch, Potentionalitätsargument etc.), ist, seiner weiteren, als erfüllt angenommenen zukünftigen Existenz einen Wert zuzumessen, dann ist es auch zulässig, das ebenso auf Dritte und auch auf den Säugling anzuwenden, auch wenn der nichts davon mitbekommt. Denn das tut ja der Bewusstlose ebenso nicht.
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fwo
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Beitrag(#1562934) Verfasst am: 29.10.2010, 13:22    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
......
Ich bin beispielsweise der Auffassung, daß der Mensch nicht in der Lage ist, dauerhaft und mit auf möglicherweise rationaler Ethik gründenden Regelungen zu leben die die Tötung eines Neugeborenen begründungsfrei zuließe, ohne an sich selber Schaden zu nehmen. .....
fett von mir

Da argumentierst Du gegen etwas, was kaum jemand fordern oder begründen will. Wenn hier von der Tötung eine Neugeborenen spricht, dann höchsten durch die Eltern, primär die Mutter (d.h.auf deren Willen), und die ist schon hormonell so eingestellt, dass sie das nur in einer Notlage kann, also begründet, auch wenn dieser Grund immer sehr subjektiv sein wird.

Und was das dauerhafte Leben der Menschen mit allen möglichen Regeln angeht: Sollen wir uns wirklich ansehen, welche Grausamkeiten dauerhaft in Gesellschaften die Regel waren? Der Mensch ist da erheblich belastbarer als Du meinst - ich gehe übrigens davon aus, dass die schlimmsten Grausamkeiten diesbezüglich religiös begründet wurden, mithin von sehr stabilen, das heißt dauerhaften Kulturteilen.

Direkt zur Kindstötung: In "primitiven" Gesellschaften war es durchaus üblich, erkennbar behinderte Kinder nach der Geburt zu töten, ohne dass das diese Gesellschaften belastet hat, im Gegenteil, es verringerte die Belastung und schuf damit z.T. (z.B in unwirtlicher Umgebung > Eiswüste usw.) erst die Grundlage für die Dauerhaftigkeit dieser Gesellschaft.

(Aber wie Du selbst schon einschränkst: Diese Tötungen sind immer begründet.)

fwo
EDIT: RS
_________________
Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.

The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.

Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).


Zuletzt bearbeitet von fwo am 29.10.2010, 15:44, insgesamt einmal bearbeitet
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Babyface
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Beiträge: 11518

Beitrag(#1562940) Verfasst am: 29.10.2010, 13:45    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ich glaube, mein Punkt hier ist immer noch nicht so richtig klar geworden.

Meine These ist die: eine Ethik, die keinen direkten Grund für ein Tötungsverbot akzeptieren will, (insofern, als sie auch einem zukünftigen Bewusstseinsleben einen Wert zumisst), schlägt fehl dabei, ein Tötungsverbot hinreichend begründen zu können.

Es wird dann nämlich ziemlich unverständlich, warum es überhaupt ein Tötungsverbot geben soll, denn dieses beruht meiner Ansicht schlicht darauf, dass es den meisten Menschen ein extrem unangenehmer Gedanke ist, ihr von ihnen geschätztes Leben nicht mehr weiterführen zu können - und dieser Gedanke bezieht sich nun mal unweigerlich auf die Zukunft, d.h. sie weisen ihrem zukünftigen Dasein einen Wert zu und wollen deswegen nicht getötet werden, weil sie das noch erleben wollen.

Aber eben genau dieser Gedanke wird von Dir (step) als unlogisch abgelehnt, der sei ein Potentionalitätsargument und daher nicht zu berücksichtigen.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... Es wäre mE sehr unklug, das (die Zukunft von X ist egal und darf nicht in die Kalkulation einer Handlung eingezogen werden) als allgemeines Prinzip einführen zu wollen ...

Und noch ein letztes Mal: Ich argumentiere NICHT, daß die Zukunft von X egal ist, sondern daß nicht allein deshalb X1 die Zukunft von (jedem) X ist, weil Du das für "normal" hältst. Und daß man deshalb einen anderen Grund finden muß, um die Tötung von X zu verbieten.

Nur am Rande: "Nicht egal" heißt übrigens gerade, daß jemand Interesse dran hat.


step hat folgendes geschrieben:
Das Potenzialitätsargument (also die Berücksichtigung einer Zukunft, die nur eintritt, wenn ich eine bestimmte Entscheidung treffe) wäre nur dann verwendbar, wenn Du einer zukünftigen Welt mit dem erwachsen gewordenen Embryo A einen höheren Wert zumißt als einer zukünftigen Welt ohne A.

_________________
posted by Babyface
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